Ich heiße Jana und bin neun Jahre alt. Gerade sitze ich in einem Flugzeug und schaue durch ein kleines Fenster hinaus auf das weite Meer. In der Ferne sehe ich eine große Insel.
„Mama?“ Ich drehe mich zu meiner Mutter. Im Flugzeug ist nur das Brummen der Motoren zu hören. „Ist das da vorne schon unsere Insel?“
Mama beugt sich vor, sodass sie aus dem Fenster sehen kann. Draußen ist es noch dunkel, doch am Horizont kämpft sich die Sonne hervor. „Ich glaube schon, mein Schatz“, antwortet sie. „Schade, dass du nicht etwas geschlafen hast. Wir haben noch den ganzen Tag vor uns.“
„Ich bin viel zu aufgeregt.“ Ich verrenke mir den Kopf, um an Mama vorbei auf meinen Bruder Max zu schauen, der den Kopf an Papas Schulter gelegt hat und schläft. Was der alles verpasst! Ich habe als Erste unseren Urlaubsort entdeckt. Dort soll es sehr warm und schön sein. Als wir wenig später landen, ist es schließlich hell.
Ich hüpfe von einem Bein auf das andere, während wir uns in einer langen Schlange vorwärtsarbeiten. Es dauert ewig, bis wir schließlich durch sind und unsere Koffer bekommen. Ein großer Bus bringt uns und einige andere Urlauber zu den gebuchten Hotels. Immer wieder steigen Leute aus, doch wir müssen bis zum Schluss sitzen bleiben.
Dann sind wir auch endlich angekommen. Warme Sonnenstrahlen begrüßen uns und ein Gärtner, der gerade die Pflanzen und Palmen gießt, lässt in der Luft einen Regenbogen erscheinen. Überall blühen rosarote Sträucher. Als wir in die Eingangshalle der Hotelanlage gehen, wird mir schlagartig kühl. Ich kuschle mich an Mama. Sie legt einen Arm um mich. „An die Klimaanlage gewöhnst du dich noch“, flüstert sie mir zu und lächelt. „Bei der Wärme tagsüber ist sie unverzichtbar.“
Vor uns taucht ein Mann mit einem Tablett auf. Kleine Gläser mit einer gelben Flüssigkeit stehen darauf. Ich darf mir eins herunternehmen und schnuppere vorsichtig. Gar nicht schlecht, denke ich und probiere einen kleinen Schluck. Hmm, lecker! Mit geschlossenen Augen genieße ich den restlichen Saft.
Sogleich dürfen wir in unsere Wohnung gehen. Sie liegt fast am Ende der Anlage und wir müssen einen langen Weg hinaufsteigen. Rechts und links wachsen üppige Pflanzen mit knallgelben und rosaroten Blüten, wir entdecken sogar einen Bananenbaum. In unserem Apartment gibt es zwei Zimmer, eine Wohnküche und ein Bad.
„Es ist toll hier!“, rufe ich und schmeiße mich auf das Bett in dem ersten Zimmer.
Max stellt seine Sporttasche neben dem anderen Bett ab, denn wir müssen zusammen in einem Zimmer schlafen. Er öffnet gleich die Balkontür und geht hinaus. „Wir haben sogar einen Ausblick auf den Strand!“
Schnell springe ich auf und laufe ihm hinterher. „Cool!“, rufe ich. Von hier aus können wir auf die Bucht und das Meer schauen. Am Horizont sehe ich ein paar Segelschiffe.
„Ich will gleich im Meer schwimmen!“, rufe ich.
„Wie wäre es, wenn wir erst einmal frühstücken? Mein Magen knurrt schon ganz schön.“ Papa, der zu uns auf den Balkon gekommen ist, lächelt mir zu.
„Na gut“, stimme ich großmütig zu, „aber nicht zu viel, sonst wird mir beim Schwimmen noch schlecht.“
„Dann fütterst du die Fische!“ Max kichert und ich strecke ihm hinter Papas Rücken die Zunge raus. Brüder!
Den Weg zum Frühstücksraum hüpfe ich fröhlich hinunter. Auch andere Urlauber sind schon unterwegs, die meisten sehen braun gebrannt und zufrieden aus. Neugierig stecke ich meinen Kopf in eine der Buden, die sich hintereinander aufreihen. Ich entdecke Schmuck, Sonnenbrillen und Taschen, dann Handtücher und allerlei Sandkastenzeug. Plötzlich blicke ich einem braun gebrannten Jungen in meinem Alter in die Augen. Er lächelt mich fröhlich an. Neben ihm unter einem Tisch im Schatten liegt ein Hund. Er schaut mich so lieb an, dass ich mich zu ihm herunterbeuge.
„Oh, ist der süß … darf ich ihn streicheln?“, frage ich den Jungen.
Dieser nickt. „Baki ist sehr lieb, er freut sich bestimmt darüber.“
Der Hund wedelt aufgeregt mit dem Schwanz, während ich ihm sein hellbraunes Fell kraule. „Dein Deutsch ist echt super“, wende ich mich an den Jungen, „bist du nicht von hier?“
„Doch, aber wir lernen die Sprache in der Schule. Es kommen so viele Urlauber hierher.“
„Die Boards sind cool!“ Max zeigt auf die Bretter, die an einer kleinen Mauer lehnen.
Der Junge nickt. „Das sind Bodyboards. Mit denen kann man auf den Wellen reiten.“
Mein Blick fällt sofort auf ein besonders schönes Motiv. „Ist das die Bucht von hier?“, frage ich.
Jetzt strahlt er mich an. „Ja genau, ich habe das Board selbst bemalt. Es gibt kein zweites davon! Außerdem ist die Form viel besser als alle anderen, die du hier kaufen kannst.“
Baki leckt meine Hand ab und ich lache. „Wie teuer ist es denn?“
„Dreißig Euro. Aber ihr bekommt es für fünfundzwanzig!“
Papa kommt hinzu. „Das Brett sieht wirklich klasse aus, Jana“, sagt er. „Aber wenn du es dir kaufen willst, hast du dein ganzes Urlaubsgeld schon ausgegeben und du kannst dir kein Eis oder anderes leisten.“
Das stimmt leider. Enttäuscht sehe ich den Jungen an, aber er lächelt nur. „Komm einfach vorbei, wenn du es dir überlegt hast“, sagt er. „Ich heiße übrigens Marco und ich stehe hier jeden Tag.“
Als wir den Frühstücksraum betreten, bekomme ich erst einmal ganz große Augen. Der Raum ist riesig! Etliche Tische sind mit Geschirr bedeckt und an einigen sitzen schon Leute. In der Mitte ist das Essen aufgebaut, sodass man drum herumlaufen kann. Zuerst suchen wir einen Tisch für uns vier.
„Es gibt ein Frühstücksbuffet“, sagt Papa. „Am besten schauen wir erst einmal, was es alles gibt, bevor wir uns etwas auf die Teller füllen.“
Ich nicke und renne gleich los. So viele Schüsseln und Platten, gefüllt mit Wurst, Käse oder andere leckeren Dingen – wofür soll ich mich bloß entscheiden? Vor allem: Wer soll das alles essen? Schließlich fülle ich mir eine Schüssel voll mit Müsli. An einem Automaten gibt es leckeren Kakao und fünf verschiedene Sorten Saft. Die anderen nehmen sich Brötchen und Aufschnitt.
„Hier ist es einfach toll!“, ruft Max. „Es gibt sogar Schokoaufstrich!“
„Ich hole mir gleich noch etwas Obstsalat“, sage ich. „Oder Pudding. Oder beides.“
Max und ich schauen uns grinsend an.
Als wir satt sind, gehen wir in die Wohnung zurück, um unsere Sachen für den Strand zu holen. Wir kommen an Marco vorbei, der uns fröhlich zuwinkt und ein „Bis später!“ hinterherruft. Baki winselt, als wenn er von mir wieder gekrault werden möchte.
„Wollen wir uns das Board vielleicht zusammen kaufen?“, fragt mich Max. „Dann hat jeder von uns noch etwas Geld und wir haben bestimmt viel Spaß am Meer.“
„Abgemacht!“, rufe ich begeistert. „Jeder gibt die Hälfte und es gehört uns beiden!“
Zur Besiegelung unseres Vertrags klatschen wir uns ab.
Auf dem Weg zum Strand kaufen Max und ich dann das Board mit dem Motiv der Bucht. Max bezahlt, während ich Baki kraule. So einen Hund hätte ich auch gerne!
„Gute Entscheidung“, sagt Marco. „Ich gehe fast täglich mit meinem Board üben, meistens am späten Nachmittag, wenn es nicht mehr so heiß ist. Wenn ihr wollt, könnt ihr mitkommen. Dann zeige ich euch, wie man sicher darauf stehen kann, ohne ständig herunterzufallen.“
„Ja, gerne“, antworten Max und ich wie aus einem Mund.
Ich gehe mit meiner Hand über die Oberfläche des Bretts. Was für ein schönes Bild! „Was sind denn das für dunkle Flecken in den Felsen?“, frage ich.
„Das sind die Höhlen“, antwortet Marco. „Sie sind von der Strömung ausgehöhlt worden. Wenn die Flut kommt, stehen sie voll mit Wasser. Am besten bleibt ihr ihnen fern.“
„Klaro!“, rufen wir, während wir schon weitergehen. Max hat unser Board unter den Arm geklemmt. Beide sind wir sehr stolz darauf.
Wir folgen unseren Eltern den Weg hinab zum Meer. Hier sind die Pflanzen nicht so schön wie in unserer Anlage, die meisten haben nicht einmal Blüten. Die Bucht ist rechts und links von Fels gesäumt und der Strand glänzt hell in der Sonne. Über einzelne Stufen und Bretterstege erreichen wir den Bereich, in dem es Liegestühle zu mieten gibt. Papa bezahlt ein Sonnenschirm mit vier Liegeplätzen für die gesamte Woche. Wir breiten unsere Sachen aus und cremen uns erst einmal ein.
„Jetzt können wir zur Dusche gehen“, sagt Mama später. „Die halbe Stunde zum Einziehen der Creme ist rum.“
„Wofür soll ich mich duschen, wenn ich ins Meer gehe?“, fragt Max. „Es ist so heiß und am liebsten würde ich sofort reinspringen!“
„Genau“, füge ich hinzu. „Wir würden doch viel schneller abkühlen, bei der Hitze brate ich schon fast.“
„Und genau das ist das Problem“, erklärt Mama. „Wenn wir so aufgeheizt ins Wasser springen, können wir einen Schock bekommen. Deswegen müssen wir unseren Kreislauf langsam an die Temperatur gewöhnen, und das geht am besten mit einer kalten Dusche.“
Es gibt einige aufgestellten Duschen mitten am Strand. Der Sand brennt wie Feuer unter den Füßen, daher rennen Max und ich so schnell es geht. Umso herrlicher ist es, als das Wasser kalt aus dem Duschkopf spritzt. Abwechselnd laufen wir beide darunter, danach geht es ins Meer. Ich atme die wunderbar salzige Luft ganz tief ein. Es gibt nichts Besseres als den Geruch nach Meer! Die Wellen rauschen und schieben weißen Schaum über meine Füße.
„Hier vorne beginnt der Badestrand“, sagt Mama zu Max und mir. „Er wird von Schwimmmeistern überwacht. Trotzdem dürft ihr nicht alleine hinausschwimmen, einer von uns muss euch immer begleiten.“
„Ich hab doch schon mein Gold-Abzeichen!“, empört
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Tag der Veröffentlichung: 11.07.2019
ISBN: 978-3-7487-0965-7
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