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Prolog

Valeria und Tan fliegen den Berg empor und landen auf der Klippe, als sie ausdruckslos auf das tobende Meer blicken. Ihre Reise ist lang und spärlich, doch sie werden nicht zulassen, dass das Schicksal weiter ihren Lauf nehmen wird. Sie werden dieses Mal vor ihnen alle magischen Gegenstände einsammeln und die Versiegelung durchführen. Nur so können sie das kommende Unheil abwenden, auch wenn sich die Welten gänzlich von dem jetzigen Zustand unterscheiden werden.

 

Cuen sieht ausdruckslos auf den Grabstein und seufzt verzweifelt. Mit jedem Tag erlischt eine weitere Erinnerung und die Silhouette verschwimmt weiter vor ihm. Der Name, das Grab – es ist ihm fremd. Mittlerweile ist es nur noch ein verbleibendes Gefühl, das ihn steuert herzukommen, doch was ist, wenn es erlischt? Was bleibt ihm dann noch? Er fühlt sich innerlich leer und doch spürt er die Dunkelheit, die sich immer weiter durch seine Organe frisst. Der Wind verändert sich und er spürt einen Sturm in ihm aufkommen, als er sich umdreht und sich von dem Grab entfernt.

 

Wir schreiben das Jahr 239 nach Einfall der magischen Wesen in die Welt Raquel, ein Planet, der einst vollständig ohne Magie existiert hat. Während immer mehr Menschen die magischen Kreaturen wahrnehmen können, bilden sich weiter verschiedene Fraktionen innerhalb der Unterweltler, die für Aufruhr sorgen.

Seit das Schicksal geändert wurde, vertrauen immer weniger Dämonen dem Ersten, dem Anführer der Unterwelt, gleichzeitig wird er von einigen gefeiert, da somit die Wende in dem langen, erbarmungslosen Krieg zwischen Himmelsdämonen und Unterweltler eingeläutet werden kann. Doch immer wieder hindern Komplikationen Kalessi, dem Schatten des Dämonenlords und des Ersten, die Schlacht zu einem Ende zu führen. Komplikationen, die zu keinem Ergebnis führen.

Der Trümmerhaufen

 

Erneut steht sie mitten auf einem Schlachtfeld und kämpft erbittert gegen den Hass gegenüber des Ersten an. Sie springt zurück, wehrt die harten Schläge eines adligen Teufels ab und springt über ihn hinweg, um ihre giftigen Dolche auf die Gnome und Zombies zu schleudern.

Sie dreht sich in der Luft, um die kleinen lästigen Manderas abzuwehren, die sich wie Blutegel an sie haften, um ihre magische Kraft aufzusaugen und einen elektrischen Schlag absondern, bevor sich ihr Körper nadelartig aufplustern, um ihre Gegner vor dem plötzlich eintretenden Tod zu quälen. Denn wenn die magische Kraft vollständig geraubt wurde, greifen sie die verbleibende Hülle an – bei Geistern ist es die Seele, bei Untoten der Körper.

Mehrere Vampire und Dämonen stürzen sich auf sie. Mehrere schaffen es ihre Fänge in sie zu rammen, während die Dämonen weiter auf sie einschlagen. Grinsend hebt sie ihren Arm, als einer nach dem anderen reglos zu Boden fällt. Sie leckt über ihre blutige Wunde am Arm und ignoriert den restlichen Blutverlust, bevor ein dicker Nebel aufzieht und ein lautes Schmatzen zu vernehmen ist.

„Langsam habe ich genug von dir!“

Der Teufel wird noch größer und furchteinflößender, wodurch seine Kleidung fast vollständig zerreißt. Seine ganze Haut wird rötlich, mit schwarz-gelben Adern und Blutgefäßen. Dämonische Zeichen und Symbole tauchen auf seinem Oberkörper auf. Sein Unterkörper erinnert an einen Ziegenbock mit Hufen und langem gezackten Schweif, der an einen Dreizack erinnert.

Riesige schwarzrote Schwingen breiten sich aus und überschatten einige Hochhäuser. Seine sechs Widderhörner und seine spitzen Ohren ragen aus seinem Kopf. Das ist die wahre Form eines Teufels. An ihm bleibt kein menschlicher Zug übrig – nicht einmal das Gesicht bleibt von seiner monströsen Teufelsgestalt verschont.

Viele der magischen Wesen haben sich den menschlichen Körper lediglich zu eigen gemacht, um von den Menschen nicht ins Visier genommen zu werden, wenn sie denn gesehen wurden. Dämonen und Teufel haben die Fähigkeit sich in alles zu verwandeln, was sie selbst gesehen haben. So kann ein junger Dämon, der nur in Raquel gelebt hat, keinen Elf darstellen.

Kalessi stopft den letzten blutigen Rest des Dämonenherzes in ihren Mund und zerkaut es, wodurch das ganze Blut ihrem Kinn hinabläuft. Sie schluckt es runter, bevor die Haut ihres Körpers schwarze und rote Schlieren zieht. Ihre Augen fangen rot an zu leuchten. Als Dämonenfresserin erhöht das Verzerren der Dämonen ihre Kampfkraft. Normalerweise müssten die Unterweltler über ihr Wesen Bescheid wissen. Doch der Teufel beweist ihr das Gegenteil. Wer würde sonst Dämonen auf einen A-Dämon loslassen, der dadurch an Stärke zunimmt?

Als er mit seiner Faust den Schatten attackiert, wird er abgebremst. Er taumelt leicht zurück, doch bevor er gegen eines der Häuser stoßen kann, greift sie ihn und schleudert ihn hoch, springt zu ihm, wo sie ihm einen heftigen Tritt verpasst und letztendlich beim Aufprall ein riesiges Loch im Boden hinterlässt. Die Erde bebt und riesige Risse tun sich auf, aus denen Wasser schießt.

„Das auch noch“, murmelt sie, während sie die Wege vereist und langsam darauf schlittert, um galant vor ihrer Beute zu Boden zu kommen. Sie starrt mit leerem Blick auf ihn, der bewusstlos am Boden liegt.

Als sie gerade ein Portal errichten möchte, hat sich eine Kette um ihren Arm gewickelt. Sie wird nach hinten geschleudert, doch ihr bleibt keine Zeit um zu handeln, weshalb sie diese blitzartig zerschmettert und fluchtartig zurückspringt. Als sie auf ein Hochhaus blickt, erkennt sie drei Männer, die auf sie nüchtern herabschauen.

Augen, die wie magische Partikel in den Farben Gelb, Grün und Blau leuchten – doch leuchten sie hell, sodass es durch den Sonneneinfall beinahe blendet. Seine weiß-silbernen Haare reflektieren die Sonne, wodurch sie keine klare Sicht auf ihre Gegner hat. Doch sie ist sich sicher, dass er ein Zauberer ist – eines der magischen Wesen, die hätten in Razor bleiben sollen. Die anderen beiden Männer sind Menschen, das erkennt Kalessi am Geruch.

„Das ist mein Territorium.“

Seine dunkle, arrogante Stimme lässt sie genervt aufstöhnen. Sie hat von einem starken Zauberer gehört, der mittlerweile aktiv geworden ist und ständig interveniert, doch sie hat nicht damit gerechnet ihn in der Nachbarstadt von Kesserlan aufzufinden. Zabarok ist mittlerweile der Schauplatz eines wüsten Krieges geworden. Dabei war sie einst eine prunkvolle Stadt, die mit hohen prächtigen Bauwerken und kleinen Robotern die Welt verzaubert hatte.

Die Menschen glauben, dass der Herrscher des anderen Landes angegriffen hätte, doch die Wahrheit schmerzt mehr. Der Herrscher wurde von einem starken Dämonen kontrolliert, der die Manipulation perfektioniert hat. Der adelige Teufel hat mit seinen Anhängern den Ersten verraten, indem er einige treue Untergebene des Ersten geköpft und zur Schau gestellt hat, während er einige der Menschen als Ketzer verschrien und hingerichtet hat. Jeder, der die Ideologie des Himmels befolgt, gilt in dessen Augen als Feind.

 Doch auch die Unterweltler werden nicht verschont, da nur diejenigen existieren dürfen, die der Ideologie des Ruinae Trinitas ihre Treue geschworen haben. Sie ist eine Teufelin, die durch vergangene Geschehnisse versiegelt wurde und stets für die Auslöschung und Beherrschung der anderen Wesen stand, die sie als niedere und wertlose Geschöpfe bezeichnete. Nur wer nach der wahren Stärke greife, könne den Wortschatz um den Begriff wertvoll erweitern.

„Ich habe den Befehl den Teufel zu richten, Zauberer.“

Ihre Hände kribbeln bei den vor Hass triefenden Worten. Ihre düsternden Augen blitzen auf.

Ein Zauberer kann die gleiche Kraft wie ein Gott entwickeln und somit Teile der Welt, wenn nicht sogar einen ganzen Planeten zerstören. Doch nicht jeder hat das Potenzial dazu. Zudem ist die Anzahl der Zauberer durch die letzten Jahrhunderte stark dezimiert worden. Er trägt einen hellblauen Zauberumhang mit weißen Monden und Verschnörkelungen drauf. Eine uralte Sprache aus Razor ziert auch seine weiße Hose und sein schwarzes Hemd, das an manchen Stellen des Umhangs herausblitzt. Seine schwarzen Schuhe sind mit Sichelmonde verziert.

Der Zauberer schaut auf Kalessi herab, als wenn sie Abschaum wäre, während diese den Blick lässig erwidert.

Die beiden anderen Männer ignoriert sie gänzlich, da Menschen für den Schatten keine Gefahr darstellen. Ob Exorzisten, Jäger oder Priester – sie alle sind sterblich.

„Das wirst du nicht tun, Dämon“, zischt er bestimmt, bevor sich die beiden Männer auf sie stürzen.

Erneut wird sie von silbernen Eisenketten umringt, während der Priester ein Gebet spricht, um sie festzusetzen. Unbeeindruckt weicht sie allen Ketten aus und flüchtet sich grinsend in den giftigen Nebel, wodurch der Priester stark röchelt.

Der Exorzist zieht ihn weg, als der Zauberer den Nebel auflöst.

„Ein feiger Dämon“, murmelt er, bevor die Männer sie in einen Bannkreis festsetzen. Eine ihrer Hände nimmt die Form eines Drachens an, während die Nieten und Schnüre den Bannkreis durchlöchern und sie die magische Kraft aufsaugt.

„Ein Mann, der sich nicht am Kampf beteiligt, hat kein Recht mir etwas von Feigheit zu erzählen.“

Ihr durchlöcherter Umhang wehrt die Angriffe der beiden Männer ab, während der Zauberer seine Hände knirschend verschränkt.

Als der Exorzist auf ein umgedrehtes Kreuz Dagaz schreibt, grinst Kalessi nur. Er muss sich verwirrt eingestehen, dass es nicht gegen diese Frau wirkt.

Darauf zückt er ein Exorzistenbuch und liest daraus vor.

„Weiche Kraft, die dir unbefugt die Stimme eines Gottes verschafft.“

Augen verdrehend entreißt sie ihm das Buch und wehrt die heilige Magie des Priesters ab, der gerade ihren Körper reinigen und damit ihre untote Art aufheben wollte.

„Was zum-“

Sie wirft den Priester zu Boden und stellt sich auf ihn. Aus einem Stiefel ragt ein giftiger Dolch hervor, der droht seine Kehle aufzuschlitzen, während der Exorzist mit einem Morgenstern und einem Kusarigama auf sie zustürmt. Ein Kusarigama besteht aus einer schweren Eisenkette, einem Gewicht und einem sichelartigen Werkzeug, das vor Jahrhunderten zum Unkraut jäten diente.

Sie bleibt gelangweilt stehen, während er sie schwingt. Kalessi bewegt sich nur minimal, um auszuweichen und bleibt dennoch auf den Priester stehen, bevor sie den Exorzisten am Hals packt und ihn einen halben Meter über den Boden hebt. Sie schneidet ihm ausdruckslos die Luft ab. Er röchelt und wehrt sich. Eigentlich möchte sie keinen Unschuldigen umbringen müssen. Doch sie kann keine Unruhestifter gebrauchen.

„Zauberer“, sie blickt zu dem düster aussehendem Mann auf, „kannst du deine Schoßhunde an die Leine legen und mich meine Arbeit machen lassen?“

Eine große, pulsierende Ader zeichnet sich auf seine Stirn ab, als seine Aura immer weiter zunimmt. Sie wird fast von seiner Macht erdrückt, als magische Kraft ihn komplett einhüllt. Das Einzige, was sie außer den grell aufleuchtenden Augen erkennt, ist sein Mund, der sich bewegt, doch keine Worte erreichen sie.

Benommen stolpert sie zurück und landet gen Boden. Ihre Haut hat ihre natürliche Blässe wieder zurückgewonnen. Als sie aufblickt, erkennt sie die drei Männer, die arrogant auf sie herabschauen. Der Priester genehmigt sich einen Schluck aus einem großen Plastikbehälter, dessen Inhalt fast golden wirkt. Dem Geruch nach zu urteilen, handelt es sich um Honigwein. Ein Priester, der sich bei der Arbeit betrinkt? Das hat Kalessi noch nicht gesehen.

Kalessi öffnet ihren Mund, doch kein Wort entfleucht ihrer trockenen, brennenden Kehle. Sie fühlt sich leer und kraftlos.

„Ab sofort wirst du für mich arbeiten, verstanden?“, sein Befehl dröhnt in ihren Ohren, „wegen dir ist unser Zielobjekt geflohen.“

Kalessi erkennt, dass der Teufel die Zeit genutzt hat, um aus ihren Klauen zu geraten. Nun muss sie ihn erneut suchen. Die ganze Arbeit – alles umsonst.

Als der Schatten ein Portal errichten möchte, stutzt sie leicht, als keines erscheint. Sie starrt auf ihre Hand, aus der keine Magie tritt und ballt wutentbrannt ihre Hände zu Fäusten.

„Was hast du mir angetan?!“

Ein breites Grinsen stiehlt sich auf sein Gesicht, das sie wissen lässt, dass er ein wahrhafter Tyrann ist.

„Ich habe deine Magie versiegelt“, fängt er spöttisch an und repariert das Loch mit einer Handbewegung, „das macht dich zu einem schwachen, nutzlosen Wesen.“

Er schnalzt mit der Zunge, als er auf sie überheblich herabsieht.

„Du weißt nicht, was du tust. Gib sie mir zurück, ansonsten wird noch die Menschheit ausgerottet werden“, warnt sie ihm vor den Gefahren, die durch ihre Abwesenheit entstehen.

Der Zauberer lacht trocken auf und zuckt seine Schulter.

„Solange ich hier bin, wird das nicht geschehen. Zumal ich einem Dämonen nicht vertrauen kann.“

Er dreht sich um und hebt seine Hand, bevor er sich langsam entfernt.

„Und was ist mit ihr?“

Der rothaarige Exorzist blickt verwirrt Hin und Her, als der Zauberer nach einigen Augenblicken zögerlich stehen bleibt.

„Nehmt sie mit.“

Mit diesen Worten wird sie von dem Priester bewegungsunfähig gemacht, bevor der rothaarige Mann sie grinsend niederschlägt.

Sie taucht in die Dunkelheit ab mit einem Gefühl, das sie nicht beschreiben kann, da sie die Empfindung nicht kennt. Nein, bisher hat sie jede Mission erfüllen können, doch jetzt hat sie versagt. Nein, so darf sie nicht denken. Es ist erst der Anfang. Ja, genau. Sie wird den langen Krieg beenden und den Frieden einläuten. Das ist ihre Lebensaufgabe. Denn ansonsten könnte sie nicht weiter als Schatten fungieren.

Der doppelte Schatten

 

Kalessi überlegt, wie spät es ist. Doch in dem finsteren Loch, indem sie gesteckt wurde, vernimmt sie keinen Laut. Da sie sich geweigert hat dem Zauberer zu helfen, steckt sie nun im Kerker – angekettet, als wäre sie eine Schwerverbrecherin.

Seufzend lehnt sie sich zurück und schließt ihre Augen. Das letzte Mal, als sie sich hilflos gefühlt hat, war an dem Tag, als das Schicksal geändert wurde. Obwohl ihre Halbschwester und Era ihr nicht nah gestanden haben, so hat sie nicht gewollt, dass sie andere erneut opfern muss, um an das Ziel des Friedens zu kommen. Das ganze Blut, das an ihren Fingern klebt, zeichnet sie wirklich als Monster. Ja, sie ist nicht wesentlich anders als Ruinae Trinitas oder jene, die sie vergöttern und in ihrem Namen morden. Dabei möchte sie nicht als ein Monster angesehen werden. Doch solange der Krieg andauert, wird sich an der Denkweise nichts ändern.

Sie möchte, dass Menschen und magische Wesen Seite an Seite miteinander leben können. Dabei weiß sie nicht einmal, ob dieser Wunsch überhaupt umsetzbar ist.

Dennoch trägt sie die Schwerter, um sich stets bewusst zu machen, dass sie nicht mehr zurückschrecken darf. Sonst wären die Opfer umsonst gewesen und sie würde Ruinae Trinitas, der verstorbenen Schwester des Ersten, in nichts nachstehen.

In den letzten sechs Jahren hat sich ihr Wesen gänzlich verändert. Als wäre aus ihr ein anderer Mensch geworden. Sie ist zunehmend zynischer geworden und hasst unnötiges aufschieben. Dafür hat sie zu viel Leid gesehen.

Obwohl sich das Schicksal geändert hat, ist nichts geschehen. Rein gar nichts. Ihre Ungeduld zerquetscht ihr Inneres, doch sie weiß, dass alle Emotionen mehr vorgetäuscht sind, als sie wirklich existieren können. Sie ist ein Dämon – ein seelenloses, untotes Wesen, das bereits blutbefleckt geboren wurde.

Dämonengeburten laufen in der Regel mit Ritualen ab, die stets eine hohe Konzentration an Magie fordern. Meistens werden dafür Elternteile, Geschwister oder Gegner benutzt. Meistens sterben sie dabei. Somit ist jeder Dämon eine Schande für sich.

Obwohl sie hätte wissen müssen, dass Tan seinen Abschied nur vorspielt, hat sie nicht mit einem Widersehen gerechnet. Er, ihr Vater, der mehr Kinder gezeugt als Feinde getötet hat, versucht sich nun ebenfalls in ihren Weg zu stellen, um den Lauf des Schicksals aufzuhalten. Niemals hätte sie mit einem Verrat gerechnet. Niemals hätte sie gerechnet, dass sich ein Todesengel auf die gleiche Seite stellen könnte wie ein ehemaliger Dämonenfürst, dessen Kinder er tonlos in den Tod ziehen gelassen hat.

Sie blickt achtlos auf die Schwerter und knirscht leise. Nein, der A-Dämon, der ihr gegenüberstand, kann nicht ihr Vater gewesen sein. Niemals. Daran vermag sie nicht zu glauben.

Lange hat sie ihn nur sporadisch sehen dürfen, da sie im Himmel gelebt hat – sie hat nur eine begrenzte Zeit mit ihm verbringen dürfen, da er bereits damals eine mächtige Position innegewohnt hat. Sechsundsechzig Jahre verbrachte sie im Himmel, bevor sie endlich wieder den Boden der Unterwelt unter ihren Füßen spüren durfte. Mit fünfzehn wurde sie damals entführt und erst vor sechzehn Jahren hat sie es zurückgeschafft. Obwohl die Himmelsdämonen sie fast umgebracht hatten – in der langen Zeit hat sie niemals aufgehört dem Ersten treu zu bleiben.

Valor Kizar Yugol ist der einzig wahre Herrscher und das wird in ihren Augen immer so bleiben. Bald ist die Zeit reif, um die Kraft von den Wunderkindern zu aktivieren. Die Wunderkinder, wie sie nun genannt werden, bestehen aus den Menschen, die Era damals gerettet hat. Mit den drei Kräften wird sich das Gleichgewicht umverteilen und eine neue Ära einleiten.

Doch zunächst sollte sie sich überlegen, was sie gegen den Zauberer und den Anhängern der Ruinae unternehmen kann.

„Ich habe dich gesucht.“

Eine weibliche Stimme ist zu vernehmen, bevor rote Augen und weiße Vampirfänge aus der Dunkelheit aufblitzen.

„Aiyana“, grummelt der Schatten genervt.

Ein zynisches Lachen ist zu vernehmen, als der Raum leicht aufflackert und der Schatten ihre gänzliche Gestalt betrachten kann.

Die fledermausartige, blasse Gestalt vor ihr trägt eine dunkelbraune Vollbrust-Corsage mit Verschnörkelungen und einen schwarzgrauen zerrupften Rock, der an der linken Seite bis zu den Waden geht und mit braunen Schnörkeln verziert ist. Sie trägt darauf Cowboy-Stiefel.

Obwohl sie eine untote Seele ist, ist die Frau vor ihr die Eitelkeit in Person und lässt sich stets von ihrer Erzeugerin in dunklen Violett-Tönen schminken. Ihre dunkelbraunen Haare liegen auf ihrer rechten Seite und sind geflochten. Sie trägt darauf einen schwarzen Zylinder und eine goldene Steampunk-Brille mit Zahnräderabdrücken.

Kalessi wird ständig von ihr und ihren zwei Gefolgsmännern verfolgt. Normalerweise agieren Vampire in Gruppen, doch da sie ein mächtiger, alter Vampir ist, gehört sie fast zu einem Urvampir, auch wenn sie der zweiten Generation angehört. Sie ist einer der letzten, die durch magische Rituale und Versiegelungen unberührt bleibt und somit auch in ein Haus gehen kann, ohne von einer magischen Barriere erfasst zu werden.

Sie hat einst mehrere Schlachten Seite an Seite mit Aiyana bestritten. Dadurch fühlt sie sich mit dem Schatten verbunden und lässt keine Gelegenheit aus, um sie auf ihrer Art und Weise zu demütigen.

„Wow“, sie umkreist den angeketteten Dämon grinsend, „das sieht man nicht alle Tage – den Hund des Ersten hat man an eine Leine gelegt.“

Sie kichert freudig auf und beugt sich zu ihr vor – die Vampirfänge blitzen erneut auf.

„Was ich alles mit dir anstellen könnte…“

Ihr Blick ruht auf die Hauptschlagader des Dämonen, während ihre langen Klauen über die kalte Haut fahren.

„Keine Zeit für Machtspielchen“, grummelt Kalessi müde, „die Nacht ist angebrochen. Wir müssen los.“

Sie gluckst amüsiert auf und bleibt mit ihren Fingern an einer alten Bisswunde hängen.

„Was gedenkst du ausrichten zu können, ohne deine Kräfte?“

Der Schatten prescht vor und versucht sich aus den Ketten zu lösen.

„Ich werde ihn zerquetschen!“

Aiyana bricht in schallendes Gelächter aus, während sie die Ketten löst und ihr zuzwinkert.

„Ein knurrender Hund, fast zum Auffressen!“

Kalessi streckt sich und steht grummelnd auf, bevor sie ihre Hände knacksen lässt.

„Alles, was mich hindert, muss weg. Du kennst mich doch.“

Mit diesen Worten dehnt sie sich, doch Aiyana bleibt skeptisch.

„Gerade von dir habe ich etwas anderes erwartet.“

Ihre Stimme dringt durch Kalessi durch, weshalb sie sich ganz ihrem Gegenüber widmet. Sie grübelt und nickt wissentlich.

„Ein Schatten hat keine Gefühle zu haben, ich weiß.“

Eine kurze Stille erfolgt, in der Aiyana ihre Augen zu kleinen Schlitzen formt und damit bedeutet, dass es nur die Hälfte der Antwort ist. Die Aussage erinnert mehr an die einer Teufelin, die Kalessi verachtet und dennoch wird sie ihr von Tag zu Tag ähnlicher. Doch das soll Aiyana in diesem Augenblick nicht kümmern.

Ein hämisches Grinsen bildet sich auf dem Gesicht der Vampirin, bevor sie zwei Finger hebt.

„Dir bleiben genau zwei Möglichkeit-“

„Ich habe mich bereits entschieden“, unterbricht sie Aiyana, die entsetzt die Nase rümpft. Sie mag es nicht, wenn man sie nicht aussprechen lässt oder sie nicht einmal anhört.

Kalessi drückt die Türklinke runter, doch sie haben die Tür verriegelt. Sie schüttelt genervt ihren Kopf und blickt auf die Frau, die die Situation vollkommen genießt.

„Sag es“, säuselt sie mit hoffnungsvollem Gesicht.

Doch der Schatten macht keine Anstalten sie um den Gefallen zu bitten und lehnt sich gelassen gegen die schwarzsilberne Tür.

Nach einigen Momenten der Stille verblasst das erwartungsvolle Gesicht in eine verbitterte Miene, bevor sie sich grummelnd von ihr abwendet.

„Dann verrotte hier drin, Hund.“

Das Angebot klingt verlockend, denkt sie sich still, als sie sich ihre Hände betrachtet, die fast durchsichtig sind. Lange wird sie ohne magische Kraft nicht überleben können. Ob der Zauberer sie wirklich hier drin sterben lässt? Möglicherweise hat er keine Verwendung für sie, doch wieso meinte er dann, dass sie für ihn arbeiten solle? Sie hat das Gefühl hinter seinen Absichten gelangen zu müssen. Das schafft sie nur, wenn sie weiterhin in Gefangenschaft bleibt. Vielleicht findet sie mehr über die Aufstände heraus. Ja, das klingt nach einem Plan.

„Richte dem Dämonenlord aus, dass ich für eine Weile untertauchen werde.“

Ihre roten Augen funkeln zwiegespalten, bevor sie ungläubig ihr Gesicht verzieht.

„Dein Cousin ist eine Furie, wenn es um dich geht. Willst du nicht kurz mitkommen und es ihm persönlich ausrichten?“

Kalessi schüttelt entschlossen ihren Kopf und deutet auf das Pentagramm auf

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Cover: Auf Canva selbst erstellt
Tag der Veröffentlichung: 30.08.2022
ISBN: 978-3-7554-4960-7

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
An dieser Stelle ein großes Danke an alle, die mich bei meinem Unterfangen unterstützen. In jeder Geschichte verarbeite ich ein wenig von meinem Erlebten oder von meinem Innersten, auch wenn vieles frei erfunden ist. An dieser Stelle möchte ich mich an alle richten, die auch verraten und belogen wurden - und an alle, die auch wichtige Menschen um sich herum verloren haben. Gleichzeitig möchte ich weiter daran appellieren keinen Moment und kein Lebewesen als selbstverständlich zu erachten, denn am Ende bereuen wir es doch nur ihn/ihr/es nicht mehr Beachtung geschenkt zu haben, als es noch da gewesen ist. Darum möchte ich meiner Mutter und meiner Schwester danken, dass sie immer für mich da sind und dass sie mir wichtig sind - eine Familie, die zusammenhält und davon handeln auch teilweise meine Geschichte - doch nicht jeder wichtige Mensch muss blutsverwandt sein: Vielen herzlichen Dank an all meine Freunde. Ich weiß, dass ich nicht immer einfach bin, aber danke, dass ihr bei mir seid.

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