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Vorwort




Vorwort: Als ich sie sah, wusste ich, dass sie etwas Besonderes war. Ich wusste bloß nicht wieso. Doch jetzt weiß ich, dass sie diejenige ist, die mein Leben verändert und die ich unendlich liebe.

Die erste Begegnung




Ich steige aus der Limousine, bevor ich noch einen Anfall wegen meiner Schwester bekomme. Wieso musste ausgerechnet ich neben ihr sitzen? Den Gestank des Nagellacks bekomme ich jetzt nie wieder aus meiner Nase.
Gelassen oder eher gestresst von Michella ziehe ich mir meine Sonnenbrille auf. Ich weiß nicht wieso, aber ich fühle mich heute so seltsam... Das darf ich mir jedoch nicht anmerken lassen.
So gehe ich gezwungener Maßen gelassen neben Michella her und freue mich schon, wenn ich wieder Deaver das Leben zur Hölle machen kann. Dass der überhaupt die Prüfung geschafft hat, frage ich mich. Mit seinem IQ ist das wirklich verwunderlich.
Ich habe mich wegen Cemedy eine Klasse runtergestuft.
Michella unterbricht meine Gedanken, da sie gerade so laut in den Hörer schreit, dass ich denke, dass meine Ohren abfallen.
Ich kann bloß mit meinen Augen rollen, als sie spanisch mit einem ihrer Manager quatscht. Warum muss sie das auch gerade jetzt tun? Ich habe meine Termine bereits in den Sommerferien geregelt und sie? Sie macht alles natürlich auf den letzten Drücker.
Wenn Kirigune ihr nicht immer alles machen würde, dann würde sie nicht mal wissen, in welchem Jahrhundert sie lebt. Bei diesem Gedanken frage ich mich wirklich, warum sie eigentlich so berühmt ist.
Na gut… Als Model braucht man ja auch nicht gerade klug sein. Aber als 411 jährige Vampirin? Wenigstens manchmal sollte sie einen nützlichen Gedanken mit einbringen.
Aber sie sieht wirklich wunderschön aus. Meine Schwester hat braune gelockte Haare, die ihr bis zu den Schultern gehen und besitzt cremefarbene Augen. In ihrer Uniform sieht sie aus wie ein Filmstar, obwohl ich das gerade sagen muss. Bei mir muss sie wohl so gut aussehen, dass die Mädchen wirklich Schlange stehen. Jedoch niemand von denen hier ist mir gewachsen. Irgendwie ja schade. Ich würde mich gerne mit einer Frau behaupten.
Als wir zu unserem riesigen Tisch gehen, werde ich das Gefühl nicht los, dass heute etwas passieren wird. Aber was?
Dort am Tisch sitzt der Rest der Familie, Vater ausgeschlossen. Mein Bruder Cemedy sieht schon zu mir und seine grünen Augen strahlen so. Was er wohl hat?
Ganz gelassen setze ich mich auf den Stuhl: „Morgen.“
„Hey, Sam.“, lächelt mich Cem strahlend an, „Ich habe etwas sehr interessantes gehört.“
Interessant?
„Spuck’s aus.“, grinse ich leicht und weiß, wann er wirklich erfreut ist und dieses Mal ist es so.
Seine grünen Augen blitzen vor Freude auf: „Ein neues Mädchen geht ab heute in unsere Klasse.“
„Und?“, tue ich etwas gelangweilt.
„Sie ist mit Deaver verwandt.“
Ein selbstsicheres und schmutziges Grinsen huscht mir übers Gesicht: „Das sind ja wirklich gute Nachrichten.“
„Und das ist noch nicht alles.“, grinst er über beide Ohren, „Du weißt doch, dass du eine neue Mitbewohnerin bekommst, oder?“
Jetzt grinse ich auch: „Sie wohnt also jetzt bei mir? Das wird interessant.“
Ich lecke mir über die Lippen. Jetzt kann ich es endlich Shorn heimzahlen. Hoffentlich sieht sie gut aus.
Meine Mutter schüttelt den Kopf: „Sagt nicht, ihr wollt wieder etwas anstellen?“
„Wir doch nicht.“, meinen wir Beide sarkastisch.
Sie schüttelt bloß ihren Kopf.
Meine Mutter Kirigune trägt ihre wunderschönen langen roten Haare offen und ihre goldenen Augen sind voller Sorgen und doch ist sie glücklich hier zu sein. Ich weiß, wir machen es ihr meist nicht einfach, aber so sind wir nun mal. Wer sagt auch, dass die Besten einfach sind?
Meine Schwester setzt sich rechts von Kirigune hin und quatscht sie von unseren Ausflug voll. Warum musste ich auch mit ihr alleine zu unserem Fotoshooting nach New York?
Gegenüber meiner Mutter sitzt Kurèn, mein Cousin. Er spricht zwar nicht viel, aber ist immer auf unsere Seite. Er hat sehr lange grünschwarze Haare, die er als Zopf trägt und blaugrüne Augen. Meist scheint ihm alles egal zu sein, aber ob es wirklich so ist, weiß niemand so wirklich…
Neben mir sitzt mein Bruder. Dieser trägt seine braunen kurzen Haare wild und hat dazu auch noch passende smaragdfarbene Augen. Sie spiegeln immer seine Gefühle wieder, die er jedoch nicht oft preisgibt. Manchmal ist es für mich sogar schwer einzuschätzen, was er als Nächstes vorhat.
Und neben ihn sitze ich. Meine Haare sind blond und heute mal wieder aufgegellt und meine Augen glitzern silbern. Ich weiß nicht wieso, aber wir alle haben wirklich keine Ähnlichkeit. Außer natürlich Cemedy und Michella. Die Beiden sind ja auch wirkliche Geschwister. Auch wenn sie nur adoptiert wurden, so sind sie für mich meine Geschwister. Genauso wie Kirigune. Sie ist auch nicht meine leibliche Mutter, doch trotzdem fühlt es sich so an, als wäre sie es.
Und Kurèn sieht sowieso nicht wirklich wie mein Cousin aus, obwohl er es ist. Seltsam, aber selbst mein Vater ähnelt mir nicht wirklich. Ich ähnle eher meinen Onkel Satoshi, doch genau deshalb hasst er mich…
„Hey“, holt er mich aus meinen Gedanken, „sieh mal.“
Er deutet in Richtung Deaver. Ich mustere diese Idioten.
Shorn hat dunkelblaue Haare und dazu schwarze Augen. Seine Uniform steht ihm nicht mal annähernd so gut wie mir. Sein Grinsen fällt mir sofort auf. Zuerst sehe ich dann zu seinem Cousin Kenzen, der mit seinen blutroten Augen rollt. Dann bleibt der Schwarzhaarige jedoch stehen und eine weibliche Stimme ertönt.
„Hey!“, erklingt eine gereizte und doch engelsgleiche Stimme, „Warum hältst du eigentlich immer einfach an und ich-„
„Oh nein.“, sieht Kenzen zu uns rüber, „Das auch noch.“
Eine kleine zerbrechliche Person kommt hinter ihm hervor. Als ich sie sehe, weiß ich, dass sie was Besonderes ist. Ich weiß bloß nicht wieso. Sie mustert uns genau mit ihren wundervollen rehbraunen Augen. Ihre dunkelbraunen Haare, die locker über die Schultern fallen, rauben mir bei Nahe den letzten Verstand und ihren neugierigen Blick macht es nicht viel besser. :In der Uniform sieht sie so unwiderstehlich aus.
Unsere Blicke treffen sich und ich habe bloß für einen Moment das Gefühl, dass sie diejenige ist, auf die ich seit der Geburt warte…
Ein leichtes Lächeln macht sich auf ihrem Gesicht bemerkbar.
Shorn murmelt etwas beleidigt vor sich hin, weshalb die Braunhaarige leicht grinst: „Gerne.“
Die Blicke, die Deaver ihr zu wirft, bemerke ich sofort und machen mich weshalb auch immer rasend.
Die Anderen am Tisch reden weiter und Cemedy kichert die ganze Zeit über.
„Gar nicht mal so schlecht.“, kommentiere ich sie, als wäre sie eine Puppe und lecke mir über die Lippen, bevor ich weiter spreche, „Ich werde viel Spaß mit ihr haben.“
Der Braunhaarige neben mir grinst frech: „Findest du nicht, dass sie irgendwie zu zerbrechlich wirkt.“
„Ach was.“, gebe ich von mir, „Irgendwie glaube ich nicht, dass sie wirklich so zurückhaltend ist. Sie versucht bloß irgendetwas zu verbergen.“
Wir Beide blicken zu ihr, als sie zügig am Tisch vorbei gehen wollen.
Ich pfeife und gebe einer meiner Sprüche von mir: "Whoah, wie heiß! Hey, Süße? Was machst du denn bei den Losern? Häng doch lieber mit uns Coolen ab."
Sofort bleiben die Drei stehen und sehen zu mir. Dabei entgehen mir nicht diese tödlichen Blicke von den beiden Jungs. Ein arrogantes und selbstsicheres Grinsen huscht mir dabei übers Gesicht. Sie treten genau in meine Falle.
Ich rieche Blut und versuche mich zurückzuhalten. Dieser menschliche Blutgeruch macht mich bei Nahe wahnsinnig. Eigentlich stört mich der Geruch von Blut nicht, aber dieser ist anders. Der Geruch ist so stark und genau mein Lieblingsgeruch von Blut. So unwiderstehlich und so verdammt scharf. Ich kann es förmlich schon schmecken. Ich kauere für einen Moment auf meine Unterlippe herum. Wieso hängt so einen Geruch an denen? Hat dieses Mädchen etwa ein dunkles Geheimnis?
Als ich in ihren Augen sehe, bin ich verwundert. Viele Gefühle auf einmal durchführen ihr Körper, doch nur eines überwiegt. Ich würde am Liebsten ihre Gedanken lesen können. Aber ich kann nicht herausfinden, was es ist, da Deaveridiot mir dazwischen funkt: „Lass sie gefälligst-„
Die Süße unterbricht den vor Wut brodelnden Idioten und bringt mich dazu sie für mich interessant zu machen: „"Nur damit wir uns verstehen, ich interessiere mich nicht an solche Männer, die denken sie wären besser als die Anderen. Und wer sagt eigentlich, dass ich kein Loser bin, hm? Lieber ein Loser mit Herz, als ein Affenarsch mit 'nem langen." Dabei deutet sie auf mein bestes Stück.
Das bewegt mich bloß dazu noch provokanter zu werden. Ich muss anfangen zu lachen, als mir eine passende Antwort dafür einfällt. Sie ist ziemlich schlagfertig und das macht mich langsam wirklich geil auf sie.
„Du gefällst mir. Willst du denn heute Abend meinen benutzen?"
„Noch ein Wort, Vampir und du baumelst gleich auf dem Dach dieses Gebäudes.", droht sie mir mit einem wütenden Gesichtsausdruck. Langsam fängt es an interessant zu werden… Sind es bloß leere Worte oder traut sie sich das?
Provokant sehe ich der Braunhaarigen in die Augen: „Dann tu es doch.“
Vernichtend sieht sie mich an, bevor sie zu mir hingehen will und ihre Worte in die Tat umsetzen will. Kenzen zieht das Engelchen von mir weg.
Ich sehe ihr kurz hinterher, als mir etwas einfällt.
„Ach ja“, rufe ich hinter ihnen her, „Bis gleich in unserem Zimmer, Schätzchen!“
Darauf kassiere ich ihren Mittelfinger, den sie mir zeigt. Doch mein Grinsen wird nur umso breiter. Sie sieht das, bevor sie sich noch zu den Idioten umdreht und mit ihnen um die Ecke verschwindet.
„Du hattest recht.“, grinst mein Bruder mich an, „Sie ist wirklich anders als die Anderen.“
„Oh ja.“, lecke ich mir über die Lippen.
Jetzt klingt sich die Rothaarige ein: „Musste das wieder sein, Samery?“
Ich zucke unschuldig die Schultern: „Was denn? Die Braunhaarige ist halt zu gut für diese Idioten. Bei so ’nem Mädel kann man kann man halt nicht anders.“
Ich spüre die Blicke von Michella auf mir. Sie scheint ein wenig eifersüchtig zu sein und Kirigune sieht mich hoffnungslos an.
Ich freue mich schon auf gleich. Das wird bestimmt richtig heiß. Mal schauen wie schnell ich sie rum bekomme.
Ein bisschen bin ich ja aufgeregt und kann es schon gar nicht mehr erwarten mit ihr allein in einem Zimmer zu sein.
Ich erhebe mich aus meinem Stuhl: „Dann sollte ich sie nicht warten lassen.“
Gerade als ich gehen will, hält mich eine monotone Stimme zurück: „Sie heißt Shirley Räin. Dein Vater will sie für uns gewinnen, also verpatze es nicht.“
Ich drehe mich zu Kurèn um und nicke leicht. Warum will Yuusho die Kleine haben? Irgendetwas stimmt da nicht. Ich verstehe sowieso nicht, warum sie so stark nach menschlichem Blut riecht.
„Ich doch nicht.“, grinse ich hinterhältig, „Ich werde sie bloß ein wenig ärgern.“
Mit diesem Satz lasse ich sie alleine und mache mich zu meinem riesigen Zimmer auf. Grinsend stehe ich vor der Türe und warte kurz einen Moment bis ich die Türklinke runterdrücke und eine wunderschöne Gestalt auf meinem Doppelbett finde. Hinter mir schließe ich tonlos die Türe und mache einen Schritt nach dem Anderen, während ich sie mustere.
Die Braunhaarige liegt auf den Rücken. Sie ist sehr blass und irgendwie sieht sie total geschafft aus. Ihre Augen sind geschlossen und ihre Haare zerzaust und trotzdem finde ich sie heiß. Das passiert nicht oft, dass ich so etwas finde.
Ihr Rock könnte noch kürzer sein und wenn sie einen größeren Ausschnitt hätte, würde ich mich nicht so zurückhalten.
Ein Lächeln huscht mir übers Gesicht. Sie sieht so friedlich aus, wenn sie schläft. Bei Nahe so wie ein Engel…
Als ich den Blutgeruch wieder in der Nase habe, schlucke ich kurz, bevor ich innerhalb einer Sekunde auf ihr liege. Meine Arme stützen sich neben ihren Kopf ab um darauf mein Gewicht zu verlagern. Shirleys Atem geht ruhig. Von Nahem sieht sie noch besser aus…
Ihre Augen öffnen sich und wir sehen uns lange und innig in die Augen. Ihre Augen turnen mich noch mehr an und alles in mir schreit danach sie sofort überall zu berühren.
Etwas verwirrt und überrascht sieht die Braunhaarige mich an. Sie sagt nichts, doch wir halten Augenkontakt. Meine Lippen berühren bei Nahe schon ihre.
„Hi, Süße.“
Einen Rotschimmer macht sich auf ihre Wangen bemerkbar. Ich grinse sie selbstgefällig und interessiert an und innerlich amüsiere ich mich über ihre Reaktion.
Sie zuckt nicht mal mit der Wimper, als sie mich verzweifelt von sich stößt. Natürlich klappt es nicht. Niemand kann sich schließlich gegen meinen Willen wehren. Jetzt muss ich noch breiter grinsen und ich sprühe nur so vor Energie. Provokant und aus Neugierde rieche ich an ihr und am Liebsten hätte ich in ihr reingebissen.
Mein Atem berührt sanft ihre Haut und ich merke sofort wie sie eine Gänsehaut bekommt.
Sie wird langsam ein wenig panisch. Irgendwie macht es mir Spaß zu sehen, wie verzweifelt sie sich gegen mich behaupten will.
Jetzt sehe ich ihr erneut in ihre wunderschönen rehbraunen Augen. Anscheinend traut sie sich jetzt nichts mehr. Man ist das einfach. Ein wenig zu einfach, finde ich. Eben war sie doch noch ganz anders? Oder ist es weil sie die Nähe von Männern nicht gewohnt ist? Seltsam…
Alles in mir schreit ihre Lippen endlich zu berühren. Ich komme ihrem Gesicht immer näher und sie lässt es zu. Irgendwie ist es seltsam, aber doch ist es schön…
Ich streichle ihre Wange. Ihre Haut ist so weich. So wunderschön und so zart…
Meine Lippen berühren sanft ihre. Es ist, als wären wir eins. Dieses Gefühl in mir… Ich will es nicht verlieren. Genau in dem Moment stellt sich mein Gehirn ab und ich genieße es. Sie ist auch total entspannt und scheint es zu genießen.
Plötzlich schwingt die Türe auf und ich verspüre Wut in mir. Wieso fühle ich so?
Ich löse widerwillig den Kuss auf.
Ich sehe zur Türe und erkenne Deaver, weshalb ich noch wütender werde. Wieso musste gerade er stören?
„Lass sie sofort los, du Schwein!“
Kurz verpasse ich ihr einen leichten Kratzer auf der Handfläche, doch sie bemerkt es nicht.
Ein wenig gereizt gehe ich dann von ihr herunter, bevor ich Shorn ins Gesicht grinse.
"Was denn? Sie hat mich runtergezogen nicht andersrum und du solltest ihr Geruch lieber vertuschen, sonst fällt noch jemand über sie her.", lüge ich mich über den Blauhaarigen amüsierend.
Ich merke wie Shirley die Luft vor Wut anhält.
Glücklich gehe ich an dem Idioten vorbei und flüstere ihm noch etwas zu: „Du solltest dich schämen, sie so rumlaufen zu lassen. Aber dir gefällt das ja. Trotzdem: Komm mir ja nicht in die Quere.“
Damit verschwinde ich aus dem Zimmer und gehe ins anschließende Bad.
Dort kann ich ihre Augen einfach nicht vergessen und muss leicht lächeln. Eine wohlige Wärme umgibt mich, wenn ich an sie denke.
Nein! Das darf nicht sein…
Schnell entkleide ich mich und stelle mich unter die Dusche. Um dieses Gefühl loszuwerden, lasse ich eiskaltes Wasser an meinen Körper herunterprasseln. Und trotzdem denke ich noch an ihre fesselnden unschuldigen und doch auffallenden Augen. Was geschieht bloß mit mir? Ich habe noch nie an einem Mädel gedacht, dass ich verführen wollte und jetzt?
Ich seufze verzweifelt und schließe dabei meine Augen. Ändern kann sie mich trotzdem nicht. Sie kann mich nicht von den Schmerzen erlösen, nein… Aber sie lindert sie.
Ich stelle die Dusche ab und ziehe mich wieder an, bevor ich mich in mein Schlafzimmer begebe. Dort stehen Kenzen, Shorn und Shirley.
„Ihr seid ja immer noch da.“, nörgele ich rum, „Könnt ihr endlich aus meinem Zimmer verschwinden? Ich bin müde!“
Man sieht Deaver sofort an, dass er mich sofort anfahren würde, doch Shirley oder Kenzen beruhigen ihn wohl, weil er dann etwas ruhiger wird. Manchmal will man doch wirklich Gedanken lesen können, so wie diese Familie. Zum Glück kann ich meine Gedanken vor ihnen verstecken.
Dann drehen sie sich um und gehen aus dem Zimmer.
„Anscheinend stört es ihm, dass wir Spaß miteinander haben.“
Grinsend gehe ich an ihr vorbei und nehme ihren unwiderstehlichen Duft in meine Nase auf. Ich lege mich auf die linke Seite des Bettes, weil ich hoffe, dass sie sich neben mir legt.
Damit sie meine Aufforderung nicht bemerkt, mache ich es mir gemütlich. Ich lehne mich mit dem Kopf gegen die Eisenstange und versuche sie auf eine andere Weise zu verführen.
Kurz nehme ich mir einen Apfel, lege mich dann lang und esse ihn dann auf eine Weise, wobei ich sonst immer alle Frauen rumbekommen habe. Nur sie scheint mir etwas verklemmt zu sein. Oder gibt es wirklich eine Frau, die mich nicht attraktiv findet? Na gut... Fram, aber die ist ein Mannsweib und die Frauen in meiner Familie würden mir dann eher angst bereiten, wenn sie mit mir ins Bett wollten. Aber sonst niemanden der Frauen, der nicht auf mich abfahren.
Irritier und ziemlich unsicher sieht sie mich an, doch dann verändert sich ihre Miene drastisch. Sie funkelt mich wütend an. Was sie gerade wohl denkt? Ich warte einfach weiter, als sie dann ihre Augen rollt und sich dann doch dazu entschließt sich neben mir auf dem Bett niederzulassen.
Wir schweigen uns an und ich esse in Ruhe meinen Apfel zu Ende. Dann werde ich-
Plötzlich höre ich ein Magenknurren, weshalb ich zu meiner Kleinen sehe. Sie sieht auf den Apfel und schluckt heftig. Seltsam... Vampire müssen doch nichts essen, also wieso hat sie hunger?
„Willst du auch?“, frage ich sie neugierig. Als sie etwas tut, was mich nicht nur überrascht sondern was mich total zum Schmunzeln bringt.
Die Süße nickte heftig und klimperte auch noch mit ihren wundervollen Wimpern. Ich weiß nicht wieso, aber mein Herz flattert so bei ihr. Als wären Schmetterlinge in meinem Bauch. Nein, ich darf nicht so denken und fühlen!
„Blut oder etwas Essbares, Schätzchen?“
Ja, ich bin sehr neugierig, aber anscheinend liege ich richtig, da sie heftig schluckt. Doch da sie es bemerkt, versucht sie abzulenken, doch ich muss wegen ihres lächerlichen Versuches lachen: „Nenn mich nicht so!“
Es ist ein seltsames Gefühl so unbeschwerlich zu lachen und ich bin aus irgendeinem Grund so glücklich bei ihr. Es ist wirklich befreiend.
Als ich mich dann irgendwann wieder beruhige, da mir schon mein Bauch schmerzt, frage ich sie dann grinsend: „Wie ist denn dein Name?“ Dabei nähere ich mich mit meinem Gesicht das ihres.
Mein Verlangen unterdrücke ich dabei. Sie ist so wunderschön und ich hätte sie schon bei Nahe geküsst, wenn sie nicht geantwortet hätte. „Shirley Räin. Und wie lautet deiner? Göttliches Arschgesicht?!“
Ihre engelsgleiche liebe Stimme raubt mir den Atem, doch kurz muss ich auflachen. Wie nannte sie mich gerade? Göttliches Arschgesicht? So nannte mich noch niemand! Ziemlich kreativ und auch ziemlich gewagt. Aber ich bin 'göttlich' für sie?
Jetzt muss ich sie anlächeln. Sie ist so verdammt anders und dieses Wort... 'Göttlich'... Sie ist wirklich eine Frau, die es in sich hat. Diese Kombination aus Beidem ist irgendwie neu. Ich nehme es aber als Kompliment auf. Es hört sich mit ihrer Stimme so wunderschön an, obwohl sie mich damit eher beleidigen wollte. Aber es gelang ihr nicht.
Irgendwie wird sie rot und scheint abwesend zu sein, doch ich hole sie mit meiner Antwort wieder zurück in die Gegenwart: „Samery From. Aber nenn mich doch Sam.“
Sie widerholt mehrmals meinen Spitznamen und ich versuche sie nicht direkt anzufallen. Deshalb mache ich lieber meinen Hals frei. Irgendwie weiß ich an ihrer verkrampften Haltung, dass sie nach Blut dürstet. Irritiert sieht sie mich an. Ich ziehe meine Augenbrauen zusammen und frage die wunderschöne Shirley direkt ins Gesicht.
„Wolltest du etwa nicht mein Blut?“, frage ich sie grinsend, da ich weiß, dass ich sie durchschaut habe. Sie ist ja auch wirklich leicht im Moment zu durchschauen.
Die Braunhaarige versucht sich zurückzuhalten, doch zum Glück tut sie es nicht. Aber sie wird anders. Sie wird zu einer Killerin, so sieht es aus. Sie ist nicht mehr sie selbst und hat auch keine Kontrolle mehr über sich. Aber mir ist es egal. Ich kann sie ja stoppen, wenn sie mir zu viel Blut entzieht. So leicht geht das ja.
Sie stürzt sich auf mich wie ein wildgewordenes Tier und in einer anderen Verfassung und unter einem anderen Zustand hätte es mir gefallen.
Ihre Fangzähne sind ziemlich groß und ihre Krallen ebenso. Ja, sie ist zu einem Vampir geworden, der keine Kontrolle mehr über sich hat.
Sie liegt auf mir und beißt mir in den Hals. Es schmerzt seltsamerweise nicht, nein. Es ist ein seltsames Gefühl. So als wären wir eins. Als sie mein Blut trinkt und ich ihre Schlücke vernehme, fühle ich mich sogar irgendwie gut. Ja, es tut gut. So als wäre ich endlich frei. Was macht sie bloß mit mir?
Als sie sich nach ein paar Minuten abreagiert hat, löst sie sich leider von meinem Hals und ihre Zähne werden sofort kleiner. Irgendwie schade... Was denke ich da eigentlich? Jetzt spinne ich doch ganz.
Sie wischt sich das restliche Blut an ihrem Mund ab und ich beobachte sie die ganze Zeit dabei. Wie kann so eine Frau nur mit solchen Idioten rumhängen? Ich verstehe es nicht... Sie hätte mir auch schon früher auffallen müssen oder haben diese Idioten sie etwa vor mir versteckt gehalten?!
Plötzlich erkenne ich wie sie angewidert ihre Nase rümpft. Sie ist schon ein seltsamer Vampir... Sie sieht auf meine Bisswunde. Ach, die wird sowieso schnell wieder verheilen.
„Es tut mir leid.“
Ich bin ziemlich überrascht als Shirley dies mit zitternder Stimme sagt. Was hat sie bloß? Warum ist sie pötzlich so zerbrechlich?! Habe ich etwa etwas falsch gemacht? Ich weiß es nicht.
Irgendwie fühle ich mich so hilflos. Noch nie ist eine Frau wegen mir zu einem Stück Porzellan geworden! Also in dieser aufgelösten Form, jedoch in der gegensätzlichen Porzellanform habe ich immer alle gebracht. Ist es überhaupt wegen mir?
Sie fängt zu schluchzen an. Sofort nehme ich sie in den Armen und verstehe nicht, was sie auf einmal hat.
"Hey. Ist doch alles gut."
Ich finde es ziemlich seltsam, doch warte bis sie sich gänzlich beruhigt hat. Sie dreht ihren Kopf weg, doch ich kann noch immer sehen wie traurig sie ist.
Bevor ich sie noch fragen kann, erzählt sie es mir von selbst: „Ich denke immer noch an gestern.“
Kurz lege ich den Kopf schief, bevor sie weiterspricht.
„Meine ganze Klasse habe ich bei Nahe umgebracht und dieses Blut überall-“
„Es ist doch nicht deine schuld!“, lächle ich sie sanft an.
Sie ist seltsam. Anscheinend lebte sie zuvor bei Menschen und deshalb riecht sie auch noch wie diese. Das erklärt so Einiges.
Dann hebe ich sanft, genauso wie ich gerade zu ihr spreche, ihre wundervollen Kinn hoch, damit wir in unsere Augen sehen können. Ihre braunen Augen sind so wundervoll. Ich kann mich kaum von diesen lösen.
„Hast du vergessen, meine Schöne? Ich bin kein Mensch und hätte dich schon von mir gestoßen, hättest du dir zu viel Blut von mir genommen. Wahrscheinlich hätte ich es mir auch einfach wiedergeholt.“
Ich muss sie irgendwie davon ablenken und dann fällt mir etwas ein, wobei ich Spaß habe. Langsam aber sicher rutscht meine Hand immer weiter runter, bevor diese auf ihren geilen Arsch liegen bleibt.
Es klappt sogar, denn sie funkelt mich wütend an und nimmt meine Hand von ihr.
„Wie kannst du nur so einen Moment auskosten um mich zu begrabschen?“
Sie ist echt toll, so wie sie ausrastet. Es zieht mich an. Es ist zwar verrückt, aber so ist es nun mal. Vielleicht kann ich sie heute ja doch noch verführen.
„Wie könnte ich nicht?“, grinse ich sie jetzt an.
Zuerst sieht sie mich tödlich an, doch dann werden ihre Gesichtszüge weich und ihr Blick ist enttäuscht. Ich seufze nur darauf. Man... Dabei wollte ich sie nur aufmuntern.
Na gut... Auch ein wenig knutschen, aber das kann ich ja wohl jetzt abhaken.
Ich lege mich wieder auf meine Seite des Bettes und warte darauf, dass sie vielleicht ja doch noch auf meine Bettseite hüpft. Doch sie bleibt dort, wo sie vorher auch schon war und wir schweigen uns an. Man, nervt das...
Aber ich würde wirklich gerne mehr von ihr erfahren. Sie interessiert mich irgendwie, auch wenn ich es nicht zugeben will. Sie ist wirklich anders.
„Erzähl mir mehr von dir.“, befehle ich ihr und lege mich auf die Seite, damit ich diese zierliche und wundervolle Gestalt ansehen kann.
Shirley legt sich hin und schließt ihre Augen. Was soll das wohl werden? Ich beobachte sie neugierig dabei. Sie macht sich von Sekunde zu Sekunde interessanter für mich.
Ich nutze die Chance und lege mich wieder auf sie.
Als sie ihre Augen nach einer gefühlten Ewigkeit wieder öffnet, antwortet sie mir seufzend: „Was willst du denn von mir hören?“
Sie scheint es nicht einmal mitbekommen zu haben, dass ich wieder auf ihr liege. Süß...
Kurz bevor ich antworten kann, fügt sie noch etwas hinzu, was mich grinsen lässt. „Ach und danke noch mal für den Kratzer auf meiner Hand.“ Sie hat es also bemerkt!
„Das war nur für deine Aufpasser gedacht.“, erkläre ich ihr breiter grinsend.
„Shorn ist mein Halbbruder und Kenzen mein Cousin, klar?“
Anscheinend habe ich sie sauer gemacht, doch dann verarbeite ich ihre Worte und sehe sie jetzt noch neugieriger an. Shirley ist also mit den Beiden verwandt? Das kann ich mir ja niemals im Leben vorstellen!
Die braunhaarige Schönheit zuckt kurz zusammen. Wow… Sie hat jetzt gerade erst mitbekommen, dass ich auf ihr liege.
Um sie noch etwas mehr zu provozieren, beuge ich mich zu ihr runter und flüstere ihr ins Ohr: „Das erklärt so Einiges.“
„Ach ja? Was denn zum Beispiel?“, wird sie langsam ziemlich unsicher, aber gleichzeitig auch ziemlich genervt. Trotzdem antworte ich ihr, da ich ja nicht unhöflich sein will.
„Dass du dich mit solchen abgibst und sie auch noch verteidigst.“
Ja, ich sage ihr direkt, dass was ich denke. So bin ich nun mal...
Jetzt habe ich sie wohl richtig wütend gemacht. Es erfreut mich irgendwie zu sehen wie sie mich von sich stößt und mich anscheinend gerade schlagen will, doch dann hält sie wegen irgendetwas inne. Schade... Vielleicht sollte ich sie ja dann noch mehr provozieren?
Aber andererseits... Ich weiß nicht wieso, aber schon der Gedanke, dass sie so ausrastet, erinnert mich etwas an Shorn. Doch sie hat Anstand und hat mich nicht geschlagen, also wieder Kenzen und doch ist sie ganz anders. Sie ist mir einfach ein Rätsel und doch ist sie so berechenbar.
Ich mustere sie noch einmal. Ihre dunkelbraunen Haare und ihre braunen Augen... Sie ähnelt ihnen wirklich vom Äußern her gar nicht. Sie ist aber so ehrlich und so temperamentvoll...
Sie ähnelt jemanden. Ja und zwar der Frau, dem wir dem Krieg zu verdanken haben. Sie ähnelt Jerrika sehr stark. Aber ihr Kind ist schon vor dreihundert Jahren verstorben. Ja, sie war die Einzige für mich. Ich habe sie vom ersten Moment an geliebt. Ivonne...
Schnell verdränge ich meine verräterischen Gedanken und lenke ab, als ich sie mir wieder genauer betrachte und nicht einmal mitbekomme, dass ich es auch noch ausspreche, was ich denke: „Du ähnelst ihnen nicht mal im Geringsten.“
Sie sieht mich irritiert und gleichzeitig wutentbrann an, doch sie beherrscht sich.
„Was meinst du?“
Ihr plötzliches Interessen daran, was ich damit genau meine, lässt mich nur für einen kleinen Moment sprachlos werden lassen.
Sie bemerkt es jedoch zum Glück nicht, weshalb ich einfach wieder einmal lüge: „Nicht nur beim Aussehen gibt es Unterschiede! Deine temperamentvolle und auch ehrliche Art ist einfach einzigartig! Du hast kein bisschen was von Shorn, was auch gut so ist. Aber wenn ich mich recht entsinne, sind Kenzen und dein Bruder ja auch wie Tag und Nacht. Total unterschiedlich, also...“
Doch jetzt muss ich sie wieder amüsiert ansehen. Sie ist wirklich faszinierend. Ihr Verhalten und einfach alles an ihr... Es ist unglaublich! Noch nie habe ich so eine Frau gesehen.
„Was ist jetzt schon wieder?“, wird sie jetzt patzig, weshalb ich umso breiter grinsen muss und meine Gedanken ausspreche: „Ich finde dich echt faszinierend.“
Plötzlich wird ihr Blick starr und sie sieht gegen die gegenüberliegende Wand. Was hat sie denn jetzt? Sie ist wirklich unberechenbar. Was soll das denn jetzt werden, wenn es fertig ist?
Vielleicht hat das aber auch noch nie ein Mann zu ihr gesagt? Wenn nicht, dann sind das alles bloß Idioten! Sie ist doch wunderschön und wirklich interessant...
Wütend sieht sie aus, doch dann schüttelt sie ihren Kopf und sieht mich an: „Wieso sollte man gerade mich interessant finden, hm?“
Ihr hat wirklich noch niemand so etwas gesagt? Na gut... Das wird ziemlich interessant.
Ich ziehe sie wieder näher an mich und würde sie am Liebsten jetzt gleich vernaschen. Shirley scheint reichlich verwirrt und wütend auf sich selbst zu sein. Kommt halt davon, wenn man fragt.
Mein Atem berührt ihre Haut, wobei sich ihr Zwergfell so wundervoll aufstellt. Ich höre sie schlucken, weshalb ich ihr endlich antworte.
„Ich kenne keinen anderen Vampir, der so mutig ist wie du und auf einer Menschenschule ging. Wie lange du das ausgehalten hast... Schon verwunderlich.“
Das ist es wirklich... Sie ist erstaunlich und hat eine sehr hohe Selbstbeherrschung. Aber selbst sie muss manchmal schwach werden. Das ist ganz natürlich. Und deshalb ist sie ja jetzt auch hier, so viel wie ich eben mitbekommen hatte.
Ich sehe ihr kurz in die Augen und warte auf eine Reaktion ab und sie kommt. Sie zuckt mit ihren Achseln, weshalb ich jetzt fortfahre. Sie wird sicherlich sonst nichts von sich geben.
„Ich hätte dir eben auch Bluttabletten anbieten können, doch habe ich eben die Letzte verbraucht und deshalb müssen wir warten bis morgen.“
Oh und ich hoffe, dass ich sie schon früh bekomme, sonst knabbere ich an ihr und ich glaube nicht, dass das einen guten Eindruck auf mich hinterlässt.
Ich hätte einfach heute morgen keine nehmen sollen, aber ich war halt so gierig... Und jetzt habe ich es davon. Dann fällt mir etwas auf, was ich einfach laut ausspreche, da sie sowieso wieder in Gedanken verloren ist.
„Deine Augen haben ihre Farbe geändert.“
Sie waren doch vorher braun und jetzt sind sie violett... Was hat das bloß zu bedeuten?
Die Schönheit vor mir scheint irgendwie nervös zu sein. Was sie wohl hat? Ach, ich rede lieber einfach weiter. Vielleicht lockert sie sich ja auf.
Ich grinse wieder: „Das ist echt sexy.“
Anscheinend habe ich sie aufgebracht, da sie sich zur Seite dreht und jetzt wie ein kleines Kind schmollt. Gott, ist sie süß!
Ich halte es einfach nicht mehr aus und lache lauthals. Da ich ihren vernichtenden Blick sehe, steige ich von ihr langsam runter und lege mich wieder auf meine Bettseite. Vielleicht klappt es dieses Mal ja...
Nach einer Weile habe ich mich endlich wieder beruhigt.
Ganz kurz herrscht Stille, bevor ich ein Geräusch höre, das von ihrem Magen her kommt. Sie hat also hunger? Die Süße hat sich wohl an menschliches Essen zu sehr gewöhnt.
Ich nehme mir einen Apfel und kann nichts dafür. Erneut lache ich.
Als sie mir einen tödlichen Blick zuwirft, ergreife ich die Chance. Ich werfe ihr den Apfel zu, den sie auffängt. Sofort beißt sie in diesen.
Irgendwie fühle ich mich so wohl in ihrer Gegenwart. Kurz mache ich es mir gemütlich, bevor ich meine Augen schließe. Plötzlich höre ich aber kein Kauen oder Abbeißen mehr. Was sie wohl jetzt macht?
Plötzlich fährt jemand mit einer Hand durch mein kurzes blondes Haar und ich weiß sofort, dass sie es ist. Ich öffne meine Augen und sehe in ihre. Anscheinend steht sie ja doch auf mich. Doch dann schließe ich einfach meine Augen wieder und provoziere sie ein wenig.
„Was hast du? Doch Bock auf mich?“
Seltsamerweise bleibt sie ruhig: „Darf ich dir paar Fragen stellen?“
Minimal öffne ich meine Augen und sehe sie aus dem Augenwinkel heraus an. Shirley lächelt ja sogar. Ich schließe sie wieder und gebe ihr sofort antworten, auf die Fragen, die sie mir wahrscheinlich stellen wollte: „Nein. Ich habe keine Freundin und ja, es kann noch passieren, dass ich bald eine habe.“
Jetzt bin ich gespannt wie sie wohl reagiert. Ob sie es wohl bemerkt habe, dass ich sie mit der 'baldigen Freundin' meinte? Das hoffe ich doch sehr.
Doch dann überrascht sie mich erneut.
„Nicht solche Fragen.“, höre ich einen amüsierten Unterton in ihrer Stimme, „Wie ist es so hier als Vampir zu leben?“
Was meint sie denn jetzt wieder damit? Sie ist doch auch einer.
„Komisch, dass du mich gerade so etwas fragst. Du bist doch selbst einer.“
Ich finde es wirklich seltsam, aber andererseits auch interessant, dass sie so etwas wirklich wissen will.
„Und?“, hakt sie mit funkelnden Augen nach. Sie ist ziemlich neugierig. Das finde ich aber gut, sonst würde es langweilig sein, genauso wie mit ihrem Temparament. Ich mag ihr ungezügeltes und geheimnisvolles Wesen.
„Man lebt lange, braucht nichts menschliches Essen, doch kann er wenn er will, kann nur durch spezielle Waffen sterben, bekommt immer Durst und lebt sonst wie ein normaler Mensch.“, erzähle ich ihr in Kurzform.
„Warum habt ihr nicht nachts Schule?“, fragt sie mich weiter aus, doch mir soll es recht sein. Doch dann erlaube ich mir etwas und reiße mir ihren Apfel aus ihren zierlichen Händen, bevor ich ihn im hohen Bogen in den Mülleimer werfe. Ich bin halt ziemlich zielsicher.
„Nachts können wir uns nicht so gut kontrollieren wie am Tag und als es da vor paar Jahren ein Vorfall gab, beschlossen wir es einfach. Die ersten Tage war es schwer, aber man gewöhnt sich daran abends zu schlafen und nicht Tagsüber.“
Sie hört mir aufmerksam zu und lässt es sogar zu, dass ich ihr Haar berühre. Gott, fühlt sich das gut an... Ich fahre mehrmals durch ihre wundervollen dunkelbraunen Haare, bevor ich sie weiter bewundere.
„Du musstest doch dasselbe machen und das finde ich so erstaunlich.“, gebe ich ehrlich zu.
Plötzlich legt sie sich wieder neben mir hind und seufzt verzweifelt. Ich verstehe nicht wirklich. Sie hat doch noch etwas auf ihrem Herzen. Warum sagt sie es mir dann nicht? Ja, wir kennen uns nicht so gut, aber sie hat mir bereits so viel erzählt, dass es schon erstaunlich ist, wie naiv man doch sein kann.
„Hört deine Fragerei schon auf?“, frage ich etwas enttäuscht. Dabei hat es mir gerade angefangen Spaß zu machen.
„Für heute schon.“, gibt sie mir zu verstehen, bevor sie es sich gemütlich macht und gähnt, „Es war ein anstrengender Tag...“
Aber sie sieht wirklich geschafft aus, weshalb ich sie in Ruhe lasse.
Shirley schließt ihre Augen, weshalb ich noch 'Gute Nacht' flüstere, bevor sie anscheinend schon eingeschlafen ist.
Und ich habe nicht Besseres zu tun, als sie die ganze Nacht zu beobachten. Wieso ist sie bloß so wunderschön und wieso muss sie mich gerade so wahnsinnig machen?

Kein Tag wie dieser




Als ich mich entschließe duschen zu gehen, ist es bereits kurz vor zwei. Und ich habe die ganze Nacht nichts Besseres zu tun, als sie beim Schlafen zu beobachten. Aber warum muss sie auch so unwiderstehlich sein? Verdammt! Dabei bin ich doch hier der Unwiderstehliche! Sie macht mir meinen guten Ruf zunichte... Aber ich kann ihr nicht einmal sauer sein.
Erst jetzt fällt mir ein, dass ich dabei vor ein paar Stunden doch erst geduscht habe. Egal... Ich steh auf Hygiene.
Erst jetzt habe ich vergessen, dass ich vergessen habe, mir Kleidung aus dem Schrank zu holen. Ach... Dann hole ich mir halt jetzt frische Klamotten. Ich binde mir ein Handtuch um die Hüften und höre bereits, dass Shirley wach ist. Eigentlich wollte ich sie ja nicht wecken, aber so kann sie mich wenigstens für meine Schönheit bewundern.
Somit öffne ich die Tür zu Shirley und erkenne sie auch verschlafen auf dem Bett wieder. Doch sie steht auf und bemerkt mich erst ein paar Sekunden später. Meine Schnelligkeit als meine spezielle Fähigkeit ist halt nicht für jedes Auge bestimmt.
„Habe ich dich geweckt?“
Ich weiß, dass ich es getan habe, aber ich will ihre Stimme hören. Ihre bloße Anwesenheit raubt mir den Verstand!
Sofort bemerke ich wie sie mir in die Augen sieht. Ihre Augen sind ein Mysterium für sich. Einmal braun und einmal violett... Wundervoll!
Zuerst sieht sie in meine Augen, doch dann weicht sie ab und erst jetzt kann ich ihren Blick nachgehen.
Was hat sie? Ich begreife es nicht, weshalb ich meinen Kopf schief lege, bevor ich es endlich verstehe. Sie betrachtet meinen Körper und kauert dabei auf ihre Unterlippe. Ihre Nervösität und ihre verzweifelte Suche nach Selbstbeherrschung ist ein Zeichen darauf, dass mein Auftritt gelungen ist.
Ein Grinsen huscht über meine Lippen. Genauso wie ich es haben wollte.
„Gefall ich dir so?“, schnalze ich absichtlich mit der Zunge und bin ziemlich amüsiert über ihre Reaktion. Gestern war sie noch vorlaut und jetzt? So schnell kann man alles ändern.
Natürlich weiß ich die Antwort schon, aber ich versuche sie etwas aus der Reserve zu locken. Kurz gleiten ihre Augen noch einmal über meinen Körper, bevor sie mich enttäuscht. Shirley geht darauf nicht ein.
„Wo ist deine Wunde am Hals?“, fragt sie mich stattdessen, aber mir soll es recht sein. Besser überhaupt ihre Stimme zu hören als gar nicht. Nur die Frage ist wirklich seltsam... Müsste sie das nicht eigentlich wissen?
„Vampirkräfte.“, zucke ich gelangweilt mit den Achseln.
Ein Seufzen kommentiert meine Antwort. Sie schreitet elegant zum Kleiderschrank und holt sich ihre Uniform raus. Die Wunderschöne ignoriert mich und geht einfach an mir, als wäre ich Luft, vorbei. Sie geht zum Bad, weshalb ich es einfach nich lassen kann: „Hätte ich gewusst, dass du jetzt duschen gehst, hätte ich auf dich gewartet.“
Schnell schließt sie die Tür hinter sich. Schade... Es hätte auch klappen können. Ich setze mich kurz hin und versuche mir vorzustellen wie sie nackt aussieht. Ob ich einfach spannen sollte? Ach was... Ich werde schon noch eine Gelegenheit bekommen, sie unbekleidet zu sehen und ich bin mir gewiss, dass es schon bald sein wird.
Und heute ist auch noch ihr erster Tag in unserer Klasse. Ich freue mich schon wirklich drauf.
Grinsend lege ich mich aufs Bett und beobachte die Tür. Sogar jetzt habe ich noch diesen Geruch in der Nase. Sofort sauge ich den Duft des Kissens, auf dem sie schlief, in mir auf und schlucke heftig. Ich hoffe wirklich, dass der Menschengeruch, der an ihr haftet, bald nachlässt. Sonst kann ich für nichts garantierne...
Gerade als ich die Nachttischschublade öffnen will, fällt mir erst ein, dass ich ja überhaupt keine Bluttabletten mehr besitze. Sobald sie also rauskommt, muss ich mir welche besorgen gehen. Cemedy hat glaub ich noch welche... Dann gehe ich gleich zu ihm. Er hat sowieso nichts Besseres zu tun, als sich irgendwelche Horrorfilme reinzuziehen.
Ich höre das Prasseln von der Dusche und ich verliere wirklich langsam die Geduld. Sie hat bereits am Längsten von allen ausgehalten. Ich bin so etwas nun mal nicht gewohnt.
Noch nie musste ich für eine Frau kämpfen. Aber ich werde es und ich werde gewinnen! Shorn kann schon einmal seinen Strick bereithalten. Ich werde derjenige sein, von deren Seite sie nicht mehr weichen wird! Der Kampf ist somit eröffnet...
Die Tür öffnet sich und Shirley steht vor mir. Die Uniform lässt sie zwar noch blasser wirken, als sie sowieso schon ist, aber es lässt sie irgendwie adelig aussehen. Ihr steht sie gut. Dabei finde ich diese Uniformen totaler Schwachsinn und diese Farben... Da denkt man doch ständig nur an getrocknetes Blut oder daran, dass man ein Geschöpf der Nacht ist.
Ihre nassen Haare machen sie nur noch attraktiver und der Geruch wird dadurch nur intensiver. Aber von außen tue ich gelassen, auch wenn ich im Innern mit mir selbst ringe. Ich darf meine Selbstbeherrschung nicht verlieren, sonst werde ich sie niemals rumbekommen...
Ich grinse sie amüsiert an. So etwas Wunderschönes sollte man schließlich nicht verkommen lassen.
Sie bleibt stumm, weshalb ich die Stille versuche mit einem Gähnen zu unterbrechen, doch sie schweigt weiterhin. Kann sie mich nicht von ihrem blutigem leckeren Geruch irgendwie ablenken?!
Ich kann es nicht mehr länger aushalten... Genau deshalb stehe ich auf und gehe Richtung Tür. Als ich an ihr vorbei gehe, flüstere ich ihr etwas zu: „Achte auf mich.“
Am Liebsten hätte ich an ihrem Ohr geknabbert, doch ich kann mich beherrschen.
Gerade als ich aus dem Zimmer spazieren will, bemerke ich wie sie mir mit ihren Blicken Löcher in dem Rücken bohrt. Somit drehe ich mich noch einmal um und erkläre es ihr, damit sie ja versteht, dass es eine Drohung ist: „Achte auf mich in der Klasse und dann passieren dir keine Missgeschicke.“
Damit lasse ich sie alleine und schreite den dunklen und langen Gang entlang. Durch meine Schnelligkeit wird sie sowieso denken, dass ich in paar Sekunden wieder da bin. Ja, ich liebe diese Fähigkeit, nur schade, dass Shorn dieselbe Gabe besitzt. Das ist das Einzige, was wir gemeinsam haben. So dachte ich zumindest. Bis jetzt.
Sie, diejenige, die mit ihm verwandt ist, scheint nicht nur meine Wenigkeit verrückt zu machen. Shorn hat genauso Probleme seine Selbstbeherrschung zu behalten.
Vielleicht sollte ich ihn ja damit aufziehen?
Im nächsten Schritt bin ich schon in seinem Zimmer und stehe vor meinem Bruder: „Hi.“
Irritiert sieht er mich an, doch grinst dann neugierig: „Und? Wie ist sie so?“
„Ich brauch noch ein paar Bluttabletten.“, muss ich jetzt auch grinsen, „Sie ist nämlich wirklich lecker.“
Cemedy lacht über meine Antwort und gibt mir eine ganze Packung. Doch dann unterbreche ich sein Lachen: „Aber sie ist Shorns Halbschwester. Ich kann das einfach nicht glauben. Sie haben nicht einmal annähernd Ähnlichkeiten.“
„Ich habe dir doch schon gesagt, dass sie mit Deaver verwandt ist?“, versteht er nicht so ganz und ich runzle die Stirn. Hat er? Wann denn das? Habe ich das überhaupt mitbekommen oder wo war ich da? Dann fällt es mir wieder ein und ich schüttle den Kopf.
„Sorry“, fange ich an, „Shirley hat mich halt etwas abgelenkt.“
Und erneut bricht er in schallendes Gelächter aus. Ich löse mir schnell eine Tablette in einem Glas voll Wasser auf und trinke es auf ex, bevor ich mich zum Gehen wende: „Ich will sie nicht so lange allein lassen, wenn du verstehst, was ich meine.“
Aus dem Augenwinkel kann ich erkennen wie er mich schmutzig angrinst. Oh ja… Er hat verstanden!
Ohne ein weiteres Wort gehe ich wieder zu meinem riesigen Zimmer und erkenne Shirley auf dem Bett. Hinter mir schließe ich die Tür geräuschlos, als ich Blicke auf mir spüre. Ich ignoriere sie und lege mich ins Bett.
Die Bluttablette wirkt. Mein Verlangen verschwindet langsam. Somit kann ich mich voll und ganz wieder auf sie konzentrieren.
Grinsend nähere ich mir und meine Augen ziehen sie schon gedanklich aus.
„Was ist?“, fragt sie mich verschlafen und es hört sich einfach so süß an, dass ich sie in den Armen nehme. Und überraschender Weise macht sie keinerlei Anstalten mich von sich zuschieben, weshalb ich mir Hoffnungen mache. Dann geschieht es auch noch.
Sie kuschelt sich an mich und behandelt meinen Oberkörper wie ein Kissen. Anscheinend steht sie ja doch auf mich.
„Also willst du doch was von mir.“, murmle ich achtlos vor mir hin.
Ich grinse, als sie mich leicht auf mein Bein schlägt. Jetzt ist es aus und ich breche in Gelächter aus. Shirley ist einfach zuckersüß! Da kann man nichts anderes außer zu lachen. Ob sie immer so ist, wenn sie müde ist? Das sollte man manchmal wirklich ausnutzen.
Als sie mich in die Schulter kneift, höre ich auf zu lachen und sehe sie belustigt an, doch ihre Atemzüge werden gleichmäßig und ich verstehe schon. Sie ist gerade einfach so eingeschlafen. Leicht lächle ich und genieße es wie wir aneinander gekuschelt daliegen.
Und schon wieder beobachte ich sie. Nur das es nicht mehr so viele Stunden sind, die verstreichen, als ich einfach nur daliege und ihr beim Schlafen zusehe.
Als ich früh morgens bemerke, dass sie aufgewacht ist, grinse ich und schließe extra meine Augen. Ich möchte gerne ihre Reaktion sehen. Was sie wohl machen wird?
Ich schmiege mich an ihr und vergrabe mein Gesicht in ihre Haare. Verdammt… Dieser metallische Geruch muss auch immer stören! Aber ich bleibe ruhig.
Da ich ihre Unsicherheit spüre, berühre ich sie überall. Jede Zentimeter ihres Körpers berühre ich mit meinen riesigen Händen.
„Lass das!“, warnt sie mich. Sofort öffne ich meine Augen und grinse sie an. Ich sehe direkt in ihre wundervollen Augen.
„Guten morgen, Shirley.“
Ihre Augen blitzen auf und ich verstehe schon. Sie ist etwas wütend darüber, dass ich mich nur schlafen gestellt habe, aber gleich wird ihre Wut in Verwirrtheit umgewandelt.
„Du schläfst wie ein Engel.“
„Hast du denn gar nicht geschlafen?“, fragt sie mich verwirrt und sieht mich ungläubig an.
Sie nimmt mir meinen Atem. Ich kann nicht anderes als ihr die Wahrheit zu sagen. Verträumt lächle ich sie an: „Wie konnte ich?“
Doch die Braunhaarige ignoriert es und bewegt sich unter mir. Ah, sie will aufstehen. Aber wieso nur? Es ist doch so gemütlich.
„Was machst du da?“, frage ich sie deshalb.
„Ich möchte aufstehen.“, gibt sie mir zu verstehen. Sie lächelt mich an, doch ich merke sofort, dass es nicht echt ist. Ob sie es mit Absicht so schlecht spielt? So gestellt… Ob sie ein Morgenmuffel ist?
Doch ich kann es nicht sein lassen und versuche weiterhin herauszufinden, warum sie aufstehen will: „Wozu? Es ist noch Zeit bis die Schule anfängt.“
Damit lege ich meine Karten offen hin. Ich zeige ihr, dass ich sie weiterhin ins Bett bekommen will. Doch sie ignoriert es weiterhin und rollt nur ihre wundervollen Augen, bevor sie mir eine Antwort liefert: „Um zu meinem Bruder zu gehen.“
Sie will zu Shorn… Das macht mich irgendwie so richtig sauer. Aber gut… Ich lasse es mir nicht anmerken und spiele einfach grinsend mit: „Ah… Du willst ihm also erzählen, dass wir ein Verhältnis miteinander haben.“
Da sie mich nur mit ihren tödlichen Blicken bestraft, steige ich von ihr runter. Ich stehe darauf, sie zu provozieren. Shirley steht auf und trottet aus dem Raum. Still sehe ich ihr nur nach.
„Hey, Bruder.“, spaziert nach einer langen Stille Cem ins Zimmer, „Gut geschlafen?“
Ich schüttle meinen Kopf und stehe auf: „Ich habe gar nicht geschlafen.“
Irritiert schaut er mir in die Augen: „Wie? Hast du sie jetzt doch-„
„Nein“, seufze ich genervt, „Dieser verflixte Menschengeruch haftet noch an ihr und lässt nicht zu, dass ich ihr zu nahe komme…“
Dann nehme ich direkt noch eine Bluttablette zur Stärkung. Wegen ihr muss ich dreifach so viele nehmen!
„Ach, das wird schon.“
Na, wenn mein kleiner Bruder das so sagt, dann ist es eben so. Ich hoffe es auf jeden Fall, dass es stimmt…
Ich trinke ein Glas, gefüllt mit Wasser und einer Bluttablette, während sich Cem zum Gehen wendet. Doch ich halte ihn auf, als ich achtlos einen Satz beginne: „Ihre Augen…“
Zuerst denke ich, dass er es nicht gehört hat, doch dann dreht er sich zu mir um. Verdammt… Ertappt sehe ich auf mein leeres Glas: „Ist noch irgendetwas?“
„Was ist mit ihren Augen?“, bohrt er mich mit seinen neugierigen Blicken.
Doch dann gehe ich langsam an ihm vorbei und grinse leicht.
„Sie wechseln die Farbe.“
Damit übergebe ich das leere Gefäß einfach ihm und entferne mich von diesem Zimmer.
Ich sollte zu Kurèn gehen. Er weiß etwas, was ich nicht weiß und dass könnte von äußerster Wichtigkeit sein. Also werde ich ihn fragen.
Somit gehe ich zu seinem Zimmer und klopfe an. Als ich nichts von ihm wahrnehme, öffne ich die Tür, als ich ihn genau vor mir erkennen kann.
„Was willst du?“, fragt er mich ausdruckslos.
Er ist immer so seltsam drauf. Ich weiß nicht wirklich woher das kommt, aber andererseits…
Seine Eltern, also meine Tante und mein Onkel, sind genauso wie er. Diese Gefühllosigkeit ist vielleicht ein Grund, weshalb sie es mit meinem Vater aushalten. Ich kann es auf jeden Fall nicht. Er ist ein rachsüchtiger Tyrann, der nur nach Macht strebt und alles dafür tun würde.
Nur warum will er Shirley? Vielleicht will er ihre mit unserer Familie verbün- Nee, er hasst doch diese Familie. Aber was ist es dann? Irgendetwas steckt dahinter und ich werde es herausfinden.
„Was will mein Vater mit einer Räin?“
Kurz herrscht eine berüchtigte Stille, die immer dann eintritt, wenn es für den anderen mehr als unangenehm sein zu scheint. Doch dann antwortet er einfach und scheint nicht einmal ein Hauch von schlechtem Gewissen zu hegen: „Er will ihre besondere Fähigkeit besitzen.“
„Und was hat sie für eine-„
„Keine weiteren Fragen.“, winkt er ab, „Frag ihn doch selber, wenn du Genaueres erfahren möchtest oder aber du wartest, bis er dich in seinen Plan mit einbezieht.“
Seufzend drehe ich mich zur Tür um. Dann halt nicht… Schade nur, dass ich nicht erfahre, warum mich dieser Tyrann in seine Machtspielchen mit einbeziehen sollte? Ich bin sowieso schon seine Marionette, so wie die ganze Familie. Will er noch mehr? Das kann er total vergessen! Ich mache, was ich will und genieße mein unendliches Leben in vollen Zügen!
Als ich den schmalen Gang entlang schreite, erkenne ich von Weitem Shirley und ich muss unweigerlich lächeln. Es ist ein Gefühl in mir, doch dann denke ich daran, dass ich es nicht fühlen darf. Ich darf mich nicht verlieben und erstrecht nicht in sie.
Schnell biege ich um die Ecke und beschließe sofort zum Klassenraum zu marschieren. Es wäre besser, wenn ich bei Cem bin, dann kann ich mich wenigstens wieder beherrschen und muss sie nicht ansehen, als würde sie mir gestehen, mich zu lieben. Das wird zwar auch noch kommen, aber ich darf nicht genauso denken. Niemals!
Als ich dann in meiner Klasse ankomme, stelle ich fest, dass sie bereits halbvoll ist. Kurz überlege ich mir, ob ich nicht warten soll bis Shirley kommt, damit ich mich neben ihr setzen kann, aber es wäre wohl keine so kluge Entscheidung. Ich könnte ihr weh tun, wenn ich weiter diesen Geruch an ihr vernehme. Es macht einen wirklich wahnsinnig…
Somit geselle ich mich zu meinem Bruder, der wohl bereits auf mich gewartet hat. Wir stehen in der Ecke und er verwickelt mich direkt in ein Gespräch, so wie ich es halt von ihm gewöhnt bin: „Irgendetwas rausgefunden?“
Er weiß genau, dass ich bei unserem Cousin war. Cemedy weiß alles, wenn es um mich geht. Er kennt mich sogar besser, als ich mich selbst.
Ich schüttle nur den Kopf, bevor er mich angrinst: „Hast du dich schon in sie verliebt?“
Kurz sehe ich ihn entgeistert an, doch dann lache ich nur leise und schüttle den Kopf: „Dann eher sie in mich.“
„Du hast mir noch gar keine Details von gestern erzählt.“
Ich überlege kurz und erzähle ihm alles in Kurzform. Der Braunhaarige vor mir lacht lauthals, bis er mich auf etwas hinweist. Als ich mich kurz umdrehe, erkenne ich die Person, die wir die ganze Aufmerksamkeit schenken.
„Ich werde sie ein wenig ärgern.“, grinse ich Cem an, wessen das Gleiche tut.
Sie dreht sich weg und seufzt, als sie uns erkennt.
Shirley setzt sich auf einen vorderen Platz am Fenster hin und ist somit ziemlich weit entfernt von mir, denn ich habe mir schon vor einem Jahr einen Tisch ganz hinten an der Wand genehmigt.
Dann kommt mir eine Idee und ich rufe sie durch die Klasse: „Baby!“
Dabei pfeife ich absichtlich und als alle meinem Blick nachgehen, sehen sie zu der Brünetten.
Die Wunderschöne versucht mich zu ignorieren, weshalb ich jetzt zu ihr hingehe und sie vom Stuhl zerre.
„Hey!“, protestiert sie, doch gekonnt ignoriere ich ihren Widerstand.
Mit allen Mitteln versucht sie sich gegen meinen Griff und überhaupt gegen mich zu wehren, doch nicht einmal ansatzweise gelingt es ihr. Ich bin halt ein starker Mann und sie nur eine zerbrechliche Frau, die sogar vor einem Fremden weint!
Als wir bei meinem Bruder ankommen, stelle ich ihn ihr vor: „Das ist mein Bruder Cemedy. Er hat nichts dagegen, dass mit uns.“
Kurz ist sie irritiert, doch schnell beruhigt sie sich wieder und sieht mich nur noch schweigend und ziemlich tödlich an. Cemedy und ich grinsen uns an und wir wissen, dass wir schon wieder dasselbe denken. Wir sind halt kaum trennbar, wenn es um so etwas in der Art geht. Letztes Jahr Shorn, Kenzen, die Geonas und Fram und dieses Jahr wird es hauptsächlich sie sein.
Shirley ist aber auch interessanter, weil sie so ein Rätsel ist. Manchmal ist sie ein scheues Reh und manchmal wie eine rebellische Raubkatze. Das ist wirklich eine gefährliche und doch ziemlich heiße Kombination.
Dann dreht sie sich jedoch wieder um und sofort agiere ich. Als ich sie an mich ziehe, schreit sie mich sofort an: „Lass mich los!“
Jetzt werde ich schon ein kleines bisschen wütend, weshalb ich ihr drohen will, doch ich bleibe ruhig: „Ich habe dir doch gesagt, dass du dich an mich halten sollst.“
Ich will ihr nicht zeigen, wie sehr es mich verletzt, dass sie mir immer und immer wieder aufs Neue einen Korb verpasst. Sie würde die Schwäche wahrscheinlich nur ausnutzen, so wie alle anderen es immer tun…
Mein Kopf nähert sich ihrem und meine Augen sehen von ihren Augen zu ihrem Mund und haften an ihren perfekten Lippen. Warum muss sie auch so perfekt sein? Das macht einen voll konfus, so dass man sie immer nur berühren will, da man anders gar nicht mehr kann.
„Oder soll ich jedem erzählen, dass du mein Blut getrunken hast?“
Meine Augen funkeln vor Wut, doch sie bemerkt es nicht einmal, denn sie ist mehr damit beschäftigt, sich von der plötzlichen Nähe abzulenken.
„Mir doch egal.“, meint sie ziemlich schnell, bevor sie sich kalt umdreht und sich von mir entfernen will, doch da hat sie noch nicht mit mir gerechnet. Ich ziehe Shirley nur noch näher an mich, bevor ich ihre Lippen mit meinen umschließe. Es ist, als würde etwas in meinem Innern explodieren, doch ich ignoriere es einfach, denn dass würde nur alles kaputt machen.
Nach ein paar Sekunden stößt sie mich von ihr und dann verpasst sie mir auch noch eine Backpfeife, bevor sie gerade aus dem Raum verschwinden will, doch Cemedy versperrt ihr den Weg, weshalb sie sich wieder auf ihren Platz setzt.
Kurz sehe ich sie entsetzt an, doch im nächsten Moment muss ich grinsen. Das ist wirklich erstaunlich, dass sie sich so etwas bei einem From traut.
Wir setzen uns auf unsere Plätze und mein Blick haftet nur an ihr. Noch nie hat sich das jemand bei mir getraut. Sie ist die Erste, die so mit mir umspringt und mich deshalb so auf sie abfahren lässt.
Irgendetwas sagt Fram zu der Frau, die mich dazu bewegt, dass ich lieber noch mehrere Bluttabletten schlucken solle. Schnell nehme ich mir die Packung und löse direkt drei in einem Glas Wasser auf, was mir Cem gibt. Ich sag’s ja, er weiß immer über mich Bescheid.
Als ich ausgetrunken habe, konzentriere ich mich auf die Worte von unserem Klassenlehrer.
„Guten morgen. Das ist Shirley Räin, eine neue Schülerin. Wegen ihrem kleinen Ausrastenchen auf der Menschenschule wurde sie endlich auf das Vampirinternat geschickt. Seid nett zu ihr und fällt sie nicht an, nur weil sie noch etwas nach den Menschen riecht.“
Ich erkenne, wie mich meine Schnecke ansieht, weshalb ich ihr zuzwinkere. Sofort sieht sie wieder weg, weshalb ich grinsen muss. Jede Reaktion ihrerseits bringt mich zum Schmunzeln. Es ist einfach verblüffend, so wie sie sich mir gegenüber verhält.
Den Unterricht verfolge ich nicht weiter, da ich alles noch vom letzten Jahr weiß. Eigentlich müsste ich ebenso wie Shorn in die zweite Klasse kommen, doch ich bin mit Absicht sitzen geblieben, da Kenzen und Shorn mich langweilten und ich Cem nicht alleine lassen wollte. Anfangs habe ich es bereut, doch jetzt bin ich umso erfreuter, dass ich jetzt in dieser Klasse gekommen bin.
Außerdem hat Herr Grandul angst vor meinem Vater, weshalb er nichts gegen mich sagt, egal was ich tue. Deshalb starre ich auf meine ‚Beute’. Cem tut es mir nach. Ja, ich bin halt sein großes Vorbild.
Sie scheint ein wenig nervös wegen unseren starren Blicken auf sie zu sein, weshalb sie die Personen analysiert, die sich hier ebenfalls in diesen vier Wänden befinden.
Ich gehe ihren Blicken nach und weiß immer genau, zu wem sie sieht.
Zuerst sieht sie zu Frauen, die sich ihre Nägel einfärben und die ich schon alle durchhatte. Dann wandert sie weiter und sie kommt zu Männern an, wobei ich auch Zackary erkenne, die lachen. Na, dem wird das lachen noch vergehen! Darauf kann er wetten!
Ich hasse schwache Vampire und er ist einer. Seine Familie ist ziemlich groß, arm und verfügen über keinen Funken von Macht. Sie sind allesamt jämmerlich…
Ein paar Vampire reden über ihre langweiligen Sommerferien und andere werfen Gegenstände durch die Gegend.
Ja, so ist diese Klasse eben schon letztes Jahr gewesen und deshalb wird die ganze Klasse auch immer sitzen bleiben, weil sie eben die schlimmste Klasse aller Zeiten ist. Aber ich finde es okay so, denn wer will auch schon in seinem unendlichen Leben so schnell aus der besten Zeit herauskommen?
Und für uns ist die Schule das Einzige, was wir mit den Menschen wirklich gleich haben. Ja, die Fächer sind andere, aber sonst fühlen wir uns genauso.
Wir wollen gänzlich so wie normale Menschen behandelt werden, auch wenn wir keine sind. Und auch wenn wir so niemals handeln werden, trotzdem wollen wir lieben und bis wir von irgendjemand oder von irgendetwas sterben wollen wir das Leben genießen. Ja, so sind Vampire.
Doch dann fällt mir etwas ein und auch auf, weshalb ich schnell etwas auf einen Zettel schreibe, bevor ich ihn auf Shirleys Kopf ziele und auch treffe. Leicht schmunzle ich, als sie hinter sich zum Papierknüttel sieht.
Als sie durch die Klasse blickt, bleibt sie an mir hängen. Langsam forme ich das Wort ‚Les’, bevor sie sich wieder umdreht und dann auch noch den Zettel liest.
Wie sie wohl reagieren wird? Ich versuche sie schließlich zu erpressen, indem ich ihr mein Blut anbiete, wenn sie mit mir geht.
Oh ja… Und das mache ich auch nur, damit ich sie ins Bett bekomme und damit ich Shorn und Kenzen verletzen kann. Schließlich hasse ich sie. Sie haben mich darauf ausgerichtet, diese Familie zu hassen, doch Shirley kann man beim besten Willen nicht annähernd hassen!
Aber meine Schlussfolgerung sollte mit ihrer Augenfarbe stimmen. Nur wegen des Blutmangels spiegelt sich ihre Regenbogenhaut in diesem lilafarbenen Ton.
Wie erstarrt sieht sie auf dieses Stück Papier und ich verstehe schon. Ich habe sie dabei ertappt und sie denkt nach. Schade nur, dass ich ihr Gesicht nicht erkennen kann.
„Geht es ihnen gut, Miss Räin?“
Diese plötzliche Fürsorge von unserem Klassenleiter verstehe ich nicht wirklich, da er eigentlich mitbekommen haben müsste, dass ich ihr diesen kleinen Brief am Kopf geworfen habe.
Sie nickt ziemlich schnell, bevor er fortfährt: „Gut. Dann kannst du ja bitte diese Blätter austeilen.“ Wieso duzt er sie so plötzlich? Doch sofort kommt mir die nächste Idee im Sinn.
Sie geht nach vorne und seufzt, bevor sie die Arbeitsblätter in die Hände nimmt und anfängt auszuteilen. Amüsierte Blicke, die Cem und ich ihr zusichern.
Zuerst geht sie die Fensterreihe durch, worauf die Mittelreihe und dann unsere Wandreihe folgen. Ich freue mich schon wirklich, wenn sie bei uns ankommt.
Als ich ihr feuriges Temperament bemerke und diese Gewalt, dessen in der Kraft liegt, mit welchem sie die Blätter auf unserem Tisch wirft, bin ich mir hundertprozentig, dass ich sie noch mehr provozieren muss. Ja, so bin ich nun mal. Diese Frau ist aber auch so verdammt heiß, wenn sie wütend wird!
Shirley dreht sich um, damit sie gerade wieder vor uns fliehen kann, als ich schön meine Hand bewege und dabei schön Schwung nehme, bevor ich ihr auf ihren geilen knackigen Arsch schlage.
Sofort dreht sie sich mit tödlichem Blick zu mir, weshalb ich sie angrinsen muss.
Doch wegen irgendetwas beruhigt sie sich wieder, atmet tief ein und aus und wendet sich dann zum Gehen. Zu meinem Bedauern setzt sich die Braunhaarige wieder auf ihren Stuhl. Fram flüstert ihr irgendetwas zu, doch ich verstehe nicht, was sie ihr sagt.
Shirley zeigt kurz danach auf und fragt, ob sie etwas wegschmeißen darf und ich weiß auch genau, WAS sie wegwerfen will. Als Herr Grandul ihr das Einverständnis mit einem Nicken seinerseits gibt, steht sie auf und wirft meinen lieblichen Brief in den Müll. Na warte! Das wird sie noch bereuen! Langsam geht sie merklich zu weit.
Als sie den Unterricht verfolgt, nehme ich mir einen anderen Zettel und verfasse etwas mit einem hinterhältigen Grinsen.
‚Hey Sam,
ich wollte dich bloß fragen, ob wir nicht die restlichen Stunden schwänzen wollen und gemeinsam in unserem Zimmer gehen wollen. Ja, du weißt, was ich damit meine.’
Nein, das geht nicht… Ich knülle es zusammen und schreibe erneut. Ja, jetzt weiß ich, was ich schreibe.
‚Hey Arschloch,
findest du den Unterricht auch so langweilig wie ich?
Ich würde dich am Liebsten jetzt und hier vernaschen und dich danach aufhängen, glaub mir.
Du und deine Familie seid nichts Weiteres als machtgierig und besitzt nicht einmal Gefühle!
Keine Angst, meine Familie wird euch sowieso bald schon aus dem Weg räumen, egal wie stark ihr seid. Ich bin hier um dir das Leben zur Hölle zu machen!
Sei darauf gefasst, blondes Ego deiner selbst.
Du wirst es bereuen, dass du überhaupt existierst.
Gez. Shirley Räin’
Ja, das war wirklich besser…
Ich grinste jetzt schon, wie er reagieren würde. Herr Grandul würde sowieso nicht einmal eine Schriftprobe von ihr nehmen, da er Angst davor hat, dass mein Vater ihn beseitigt. Ja, wenn man viel Macht hat, dann kann man alles machen, was man will.
Grinsend zeige ich auf, als er mich bemerkt: „Was ist, Mister From?“
„Dieses Schriftstück“, fange ich ruhig an, „Shirley hat es mir vorhin zugeschoben, als sie die Blätter ausgeteilt hat.“
Sofort bemerke ich diesen ungläubigen Blick von dem wundervollen Vampir. Sie hat wirklich geglaubt, dass ich ihr Verhalten zulassen würde? Ich würde ihr niemals so etwas genehmigen. Niemals!
Unser Klassenlehrer nimmt sich den Zettel und liest ihn sich durch, während seine Miene von Sekunde zu Sekunde finsterer wird. Oh ja, das setzt zu!
Als er fertig ist, verkündet er genau das, was ich hören wollte: „Miss Räin! Dafür bekommen sie eine Strafarbeit, die Mister From selbst bestimmen darf.“
Begeisternd sieht mich Cem an, bevor es klingelt und wir unsere Arbeitsmittel einpacken. Sofort gehe ich zu Shirley, die gerade aus dem Raum ‚rennen’ will und grinse sie triumphierend an: „Wieso so wütend?“
Ich weiß, dass sie gleich ihr Gesicht vor allen verlieren wird und genau das versuche ich damit zu bezwecken. Sobald sie mich noch einmal schlägt, wird jeder sie für aggressiv und gewalttätig einstufen und niemand wird sich mehr zwischen uns befinden. Na gut… Ihre dumme, hirnverbrannte Familie und deren Freunde ausgeschlossen!
Um sie noch mehr aus der Reserve zu locken, fasse ich an ihren knackigen Hintern, weshalb sie sich kaum noch beherrschen kann. Sie hat wirklich eine bemerkenswerte Selbstbeherrschung, das muss man ihr lassen! Aber wie lange, ist eine Frage, wo ich nur zu gerne die Antwort erfahren würde und genau deshalb mache ich weiter: „Und ich weiß schon ganz genau wie deine Strafe aussehen wird.“
Mein Grinsen wird von Sekunde zu Sekunde breiter, doch dann zerrt Fram sie weg. Gut, dann muss ich wohl ziemlich hart werden.
„Willst du etwa wieder wie ein kleines Kind rumheulen?“ Sie wollte es ja nicht anders!
Sofort hält sie an und dreht sich um, bevor ihre Hand direkt auf mich zusteuert. Doch dann kommt mir Zackary Geona dazwischen. Er wehrt ihre Faust ab und ich bin für einen Moment wirklich verblüfft.
Anscheinend habe ich ihn gezähmt. Besser auch so, wenn er das tut, was ich sage.
Shirley sieht irritiert zum Dunkelbraunhaarigen und mustert ihn wohl. Wehe sie findet an ihm gefallen, dann bringe ich ihn eigenhändig um!
Aber was will sie schon an so einem finden?! Er hat meeresgrüne Augen und dunkle Haare, wow, und Muskeln soll er auch besitzen… Aber er könnte sie ja nicht einmal beschützen, so schwach wie er ist! Er ist doch eine totale Null, eine Flasche!
Außerdem gehört Shirley Räin mir allein!
„Richtig so, Zackary!“, grinse ich ihn an, doch sein Blick mustert weiterhin MEINE Braunhaarige, „Durch deine gute Tat werden wir heute deine Familie in Ruhe lassen. Freust du dich?“
Wegen meiner Wut provoziere ich ihn so, dass er mich nur beachten muss! Doch dann kommt alles anders und meine Wut ist unschlagbar groß.
Den scharfen Unterton in seiner Stimme höre ich ganz genau, als er mir seine Meinung präsentiert: „Darauf kann ich gut verzichten!“
Wutentbrannt dreht er sich um, während seine Faust auf mein Gesicht zufliegt. So überrascht und entsetzt von seinem plötzlichen Mut starre ich sie nur an und fühle innerhalb des Bruchteils einer Sekunde leichte Schmerzen und schmecke den metallischen Geschmack von Blut.
Anscheinend hätte ich ihn nicht so zu dieser Tat ermutigen sollen.
Das Blut läuft an meine Lippen herunter und ich merke, als ich mit der Zunge über meine Lippe fahren will, dass sie ziemlich demoliert sind. Na, danke auch!
Ich will den Grund für seine übermütige Handlung erfahren: „Was zum Teufel-„
„Das kommt davon, dass du ein unschuldiges Mädchen für deine Machenschaften benutzt. Lass sie sofort in Ruhe!“, unterbricht mich dieser Vollidiot, bevor ich einen Moment im Klassenzimmer stehen bleibe. Das kann ja wohl nicht sein ernst sein, oder? Der will doch wirklich nur Ärger haben! Das kann er ruhig haben!
Schmunzelnd entfernen sich die Drei von mir, während ich noch verdattert da stehe und es einfach nicht fassen kann. Wie kann er es sich herausnehmen und MICH schlagen?! Ja, gerade mich?! Wie geht das??? Er hat doch sonst immer solche Furcht vor mir, dass er einen Bogen um mich herum eingeschlagen hatte.
„Hey“, holt mich mein Bruder aus meinen Gedanken heraus, „Wollen wir denen denn nicht nach?“
„Oh ja, stimmt ja.“, lächle ich leicht, bevor wir Fram und Shirley folgen. Fram zerrt Shirley mit sich, als diese nur verwirrt zu uns sieht und dann ihre Augen verdreht, bevor sie wieder nach vorne sieht.
Lange marschieren sie zur nächsten Stunde, doch zu meinem Glück kommt unser Klassenlehrer und beauftragt Fram für irgendetwas. Somit lässt sie den süßen, temperamentvollen Vampir allein.
Ich nicke zu Cemedy und gehe auf sie zu, bevor ich ihren Arm nehme und sie hinter mich herschleife. Schnell biege ich mehrmals ab und halte dann an den Spinden der Zweitklässler, bevor ich sie grob gegen diese werfe, da sie sich gegen mich wehrt.
Ihre Augen werden groß, aber meine blanke Wut ist das Einzige, was ich ihr zeige. Wieso wehrt sie sich bloß so sehr gegen mich? Und wieso macht mich das so verdammt wütend?!
Damit sie mich nicht schlagen kann, umgreife ich ihre Handgelenke und drücke sie fest gegen diese blauen Spinde.
Doch sie gibt die Hoffnung nicht auf und zappelt weiter herum, als sie auch noch nachfragt: „Was soll das?“
Damit macht sie mich nur noch wütender und zu ihrem Bedauern habe ich keine sehr große Selbstbeherrschung und diesen Geruch an ihr… Ich kann dem kaum noch standhalten.
„Küss mich!“
Ja, das soll sie. Ich will sie schmecken, ich will sie fühlen, ich will sie und zwar jetzt!
Als ihre Augen noch größer werden und sie mich mit entsetztem Blick ansieht, kann ich nicht mehr anders. Eigentlich wollte ich nie, dass sie Angst vor mir bekommt, doch jetzt bin ich derjenige, der sein Gesicht verloren hat.
Mein Griff wird fester und ich drücke mich an sie. Ich versuche ihre Lippen mit meinen zu fangen, doch ihren Kopf dreht sie immer und immer wieder weg. Langsam durchbohre ich mit meinen Fingernägeln ihre Haut und alles an ihr ist völlig angespannt. Sie hat Schmerzen und das ist meine Schuld!
Doch auch diese Erkenntnis hilft mir nicht mal einen Stück meiner selbst zurückzugewinnen und einfach von ihr abzulassen.
Sie versucht ein wenig Abstand zu gewinnen, indem sie ihre Füße nach mir austritt und mich versucht, von sich zu schieben, doch nichts geschieht. Ihr Körper zittert und sie spürt meine Stärke und ich kann nur zusehen, was ich mit ihr mache.
Verdammt! Wieso sterbe ich bei ihrem Anblick und wieso bin ich zu schwach, um meinen Körper wieder selbst zu kontrollieren? Ich kann mich nicht mehr bewegen…
Dieser Anblick ist so brutal, alles ist so verdammt unreal und die Tränen in ihren Augen sind ein Zeichen, dass ich meine Chance verspielt habe…
Meine Lippen sind nur noch ein paar Millimeter von ihren entfernt, als jemand meinen Arm umfasst und mich von ihr wegstößt. Schnell fange ich mich wieder und ich kann mich endlich wieder bewegen.
Als ich dann zum Blauhaarigen sehe, werde ich jedoch wieder wütend. Warum musste er ausgerechnet kommen und uns stören?! Nein… So darf ich nicht denken! Ich würde nie eine Frau vergewaltigen wollen, niemals! Auch wenn Shirley ziemlich scharf und so ist, so würde ich sie niemals zum Weinen bringen wollen…
Dann sehe ich auch Kenzen, der mich irritiert ansieht, doch sofort blicke ich wieder zur Schönheit, welche nur ihren Bruder anstarrt und total außer sich ist. Ihr Körper bebt und zittert noch immer. Und dann weicht mir jegliche Farbe aus dem Gesicht, als ich vereinzelte Tränen in ihrem Gesicht finde.
„Lass sie gefälligst-“, Shorn bricht ab, als er sieht, was ich in Shirleys Gesicht erkenne. Tränen. Ja, das sieht er jetzt ebenso.
„Was macht ihr im 2.Trakt? Ihr seid im 1.Jahr und die Stunde fängt gleich an.“, spricht Kenzen jetzt ruhig, als er mich vernichtend anstarrt.
Dieser Idiot nimmt sie in den Arm, weshalb ich nur noch aufbrausender werde: „Wo hast du jetzt?“
„Im Raum 1-3B. Aber frage mich nicht wo er sich befindet...“, beruhigt sie sich allmählich.
Ob sie sich jemals von dem Schock erholen kann?
Er muss lachen, was ich eher als hysterisch einstufen lasse: „Ich bringe dich dort hin.“
Damit gehen sie langsam zusammen weg und biegen in einen weiteren Gang ein, trotzdem höre und sehe ich sie noch.
„Danke!“, strahlt Shirley jetzt glücklich, bevor sie verschwinden und ich mit ihrem Cousin allein bin.
Sein Blick ist streng, doch es ist mir egal. Bestimmt bekomme ich eine Predigt von ihm zu hören. Genervt gehe ich lieber weg von ihm, so mein Gedanke, doch ich bleibe noch stehen, da mein Körper schon wieder aussetzt.
„Ich warne dich.“, knurrt er mich an, „Wenn du sie noch einmal zum Weinen bringst, dann ist es mir ganz egal, wer dein Vater ist, Samery From! Haben wir uns verstanden?!“
Ich brumme leise, bevor ich mich wegbewege. Mir doch egal, dass er mich fertig machen will. Es ist mir alles egal, solange ich doch nur meine Selbstbeherrschung wieder bekommen würde!
Ob ich die nächsten Stunden lieber schwänzen sollte? Ach was… Die paar werde ich noch aushalten! Wo sind bloß meine Bluttabletten?! Ich glaube, dass ich direkt die ganze Packung nehmen sollte.
Kurz checkt Kenzen seine Mitteilungen auf seinem Handy, weshalb ich meinen Gedankengang unterbreche, bevor ich verstehe. Fram hat ihm also eine SMS geschickt, nicht? Nächstes Mal sollte ich diese verdammte Technik beachten!
Vor dreihundert Jahren gab es solche hochwertigen Gegenstände noch nicht. Manchmal vermisse ich diese Zeit, doch damit würde ich sagen, dass ich den Krieg vermisse und das ist falsch.
Aber ich vermisse die Person, die damals von uns ging. Warum war ich damals nicht stärker? Ich gebe mir noch heute die Schuld für den Tod von Ivonne.
Sie war die Einzige, in meinem Leben, zu der ich wirklich offen und gutmütig war. Ich liebe sie noch immer, aber jetzt ist sie längst Vergangenheit und ich sollte lieber wieder in den Unterricht.
Als ich im Bruchteil einer Sekunde die Strecke zurückgelegt habe, bleibe ich stehen. Wie soll ich mich eigentlich ihr gegenüber jetzt verhalten?
Seufzend gehe ich in den Raum und setze mich hin, bevor ich mir wirklich die ganze Packung an Bluttabletten in ein kleines Wasserglas werfe. Sie lösen sich schnell auf und ich merke, wie die Farbe des Blutes seine volle Entfaltung findet.
Irritiert sieht mich Cem an: „Du willst doch nicht wirklich alle 25 Bluttabletten auf einmal nehmen, oder? Du weißt schon, dass das selbst für so einen alten Vampir, wie du es bist, schädlich sein kann, oder?“
Ich ignoriere seine Bemerkung, auch wenn er die Wahrheit spricht und trinke das Glas wieder einmal aus. Plötzlich bekomme ich keine Luft mehr und jeder Muskel bei mir spannt sich an.
Als ich anfange zu husten, geht es mir wieder besser und ich grinse meinen Bruder amüsiert an: „Siehst du? Ich lebe noch.“
Kurz vorm Klingelzeichen schneien Fram und Shirley herein. Sie setzen sich hin und packen aus. Schnell sehe ich weg. Ich habe ihr wehgetan und das ist noch nicht mal das Schlimmste!
Warum begehre ich sie so? Und wieso kann ich nicht einmal meine Gefühle vor ihr verstecken?! Wieso empfinde ich überhaupt Mitgefühl für sie?
Sie ist dennoch eine von denen, die ich unschreibbar hasse, da ihre Abstammung dieser Familie entspricht… Und eine, die mich so verdammt wahnsinnig macht. Ob es Schicksal ist, dass sie gerade jetzt in mein Leben tritt?! Gerade jetzt, wo ich am Ende meiner Kräfte bin?
Ich weiß es nicht, dennoch weiß ich, dass man in einem unerwarteten Moment sein ganzes Leben ändert und damals habe ich es, als ich sie verlor. Ja, nur noch ein Jahr und dann sind es schon dreihundert Jahre, die seit der Tragödie vergangen sind.
Immer wenn ich zurückdenke, bin ich kurz davor zu zerbrechen und genau das will ich und darf ich nicht. Nicht in der Öffentlichkeit, nicht vor anderen Vampiren, nicht vor Shirley, nicht hier…
Mein Blick gilt wieder ihr, aber ich kann einfach nichts dagegen ausrichten. Nicht einmal diese Bluttabletten helfen dagegen.
Ob es ein anderes Verlangen ist? Es muss sich um etwas tief in mir handeln, doch ich will genau dies ruhen lassen, damit es nicht noch ausbricht und alles zerstört, was ich jahrhunderte lang aufgebaut und gepflegt habe.
Meine Fassade würde bröckeln und alle würden einen zerbrechlichen, gefühlvollen Jungen, der ich im Innern noch geblieben bin, sehen und das darf ich nicht zulassen! Schließlich gehört sich so etwas nicht, wenn man aus einer mächtigen, reichen und ziemlich starken Familie kommt.
Wäre ich in einer ganz normalen Familie aufgewachsen, dann wäre ich sicherlich ganz anders geworden, ja, dann wäre ich glücklich gewesen.
Ich versuche ihre Aufmerksamkeit auf mich zu lenken, indem ich mich ganze Zeit im Unterricht beteilige und immer wenn sie zu mir sieht, dann grinse ich sie an oder zwinkere ein wenig. Aber zwischendurch strecke ich mich mal oder gähne herzhaft, damit ich sie verunsichere, doch sie ist eine Perfektionistin im Bereich ‚ignorieren’. Da könnte man ja glatt neidisch werden!
Dann als die Hälfte der Schulstunde jedoch um ist, wird sie für eine Note drangenommen. Stimmt ja! Wir haben ja schon überall mindestens drei Zensuren und sie hat nicht einmal eine.
Immer antwortet sie richtig, weil sie anscheinend die Antworten von anderen in ihrem Innern hört.
„Nun gut, Die letzte Frage... Wer hat die Schlacht gegen die Hunterstrikes 1893 angeführt und wer hat diese gewonnen?“
Das ist eine ziemlich interessante Frage, worauf nur welche eine wirklich richtige Antwort geben können, die auch dabei gewesen sind und ich habe ja mitgekämpft.
Trotzdem denkt meine Shirley nicht lange nach, bis sie antwortet: „Luke Enfries hat sie angeführt und gewonnen haben die Vampire.“
Oh, was für ein entscheidender Fehler… Darauf muss ich doch wieder meinen Fett weggeben, da Frau Rist diese Antwort auch noch als ‚richtig’ abstuft.
„Was wollen sie, Mister From?“, fragt die Lehrerin, als ich aufzeige.
„Zwar haben sie gewonnen, doch haben sie ihren Anführer und auch viele Gleichgesinnten verloren.“
Grinsend erkenne ich den wütenden Gesichtsausdruck von der Braunhaarigen, weshalb ich ihr weitergrinsend einen Luftkuss zu werfe. Hach, es macht so viel Spaß, sie zu reizen!
„Das war aber nicht die Frage!“, vermasselt mir das Mannsweib namens Fram Novel alles.
„Okay, sie bekommt eine eins.“
Grummelnd lehne ich mich zurück, doch grinse sofort wieder, bevor ich das neue Handy, welches ich eigentlich meinem Onkel zum Geburtstag schenken wollte, nehme, mit Lichtgeschwindigkeit zu ihrem Platz laufe und es in ihrem Rucksack lege.
Als ich dann wieder auf meinem Stuhl sitze, grinse ich nur, denn niemand, außer Shorn, kann diese Schnelligkeit überhaupt erblicken und durchschauen.
Plötzlich wirkt Frau Rist etwas nervös und sieht panisch auf die Uhr: „Okay. Ich muss kurz ins Sekretariat. Wartet bitte hier auf mich und stellt nichts an.“ Wieso das denn? Ob mein Vater wohl dahinter steckt? Er plant etwas, aber was?! Verdammt! Ich habe wirklich keinen Nerv mehr auf diese Geheimniskrämerei!
Grinsend tippe ich eine Nummer in meinem Handy und rufe an. Ein leises Klingeln ertönt, weshalb ich mich kaum noch zurückhalten kann. Es wird einfach zu göttlich!
Shirley sucht in ihrem Rucksack nach, als sie mein kleines Präsent entdeckt. Irritiert sieht sie auf dieses und nimmt letztendlich ab. Ihr kleines fragendes ‚ja’ kitzelt in meinem Ohr. Sie hat so eine wundervolle Stimme…
„Wie gefällt dir mein Geschenk?“, frage ich mit einem Lächeln auf meinen Lippen.
Als sie sich überraschenderweise umdreht, zwinkere ich ihr zu, doch dann dreht sie sich zu meinem Bedauern wieder um und sie redet weiter mit mir am Handy, obwohl wir uns sehen können. Ja, diese Logik ist ziemlich seltsam, aber es macht einen verdammten Spaß!
„Wieso 'Geschenk'? Ich habe keinen Geburtstag und heute ist auch kein merkwürdiges Fest! Was willst du von mir?“ Woah… Auf diese direkte Art stehe ich ja total!
Aus ihrer Stimme kann ich entnehmen, dass sie so ziemlich genervt von mir ist. Aber dadurch kann ich ihre Wut nur noch verstärken: „Dafür, dass wir zusammen sind.“
Zwar sehe ich ihr Gesicht nicht, doch kann ich erkennen, wie sie ihr Handy auf dem Tisch fallen lässt, weshalb ich nicht anders kann und lautlos kichere. Sie ist einfach so süß!
Dann jedoch nimmt sie es sich wohl wieder und schreit in einem Flüsterton, wofür ich sie wirklich bewundere, denn ich könnte nicht während des Flüsterns so zornig klingen: „Wir sind nicht zusammen!“ Wow… Das war hart!
„Noch nicht, aber bald.“, teile ich ihr grinsend mit.
„Lass mich gefälligst in Frieden!“ Will sie das wirklich? Ich glaube ihr dies irgendwie nicht.
„Nö.“, gebe ich ihr als endgültige Antwort. Denkt sie wirklich, dass sie mich so schnell wieder losbekommen würde? Oh, da kennt sie aber den guten Sammy schlecht.
Ihre freie Hand ist zu einer Faust geballt und sie spannt sich immer mehr an. Hui, anscheinend hat ihr die knallharte Antwort nicht gepasst, weshalb sie nachhakt: „Wieso?“ Sie will es anscheinend wirklich wissen!
„Ich habe doch bereits gesagt, dass ich dich interessant finde.“, antworte ich ihr ehrlich.
Doch dann verstummt sie und ich kann irgendwie nicht verstehen, was der Grund jetzt dafür ist. Entweder sie hat sich gerade in mich verliebt, sie ist verwirrt oder sie bekommt vor Zorn kein Wort mehr aus dem Mund. Man! Das macht so ja gar keinen Spaß…
Ich seufze verzweifelt und bin etwas beleidigt, da sie nichts darauf erwidert.
„Behalte es trotzdem.“
Sofort klappt sie mein Geschenk an ihr zu und steht mit diesem auf. Ach so, sie hat bloß bemerkt, wie lächerlich es ist, dass wir über den Handys miteinander kommunizieren.
Fram spricht sie anscheinend an, doch der kleine Wirbelwind scheint zu schweigen und geht schnurstracks auf mich zu. Wie ich so etwas doch gerne habe…
Shirley brodelt nur so vor Wut, als sie das teure Präsent einfach so mit einer ungeheuren Kraft auf meinem Tisch klatscht: „Ich will es nicht!“ Ah, sie ist aufsässig. Da muss ich sie wohl ein wenig Vernunft einlullen, doch es schmerzt innerlich. Sie hat mir schon wieder eine Abfuhr erteilt. Langsam halte ich es nicht mehr aus, weshalb sich meine Gesichtszüge verhärten und ich wütend dreinblicke.
„Damit du keinen Grund hast mich zu erpressen und damit für deine Zwecke gebrauchst.“
Diese Worte ihrerseits machen mich verdammt aufbrausend, weshalb ich sie in einem Befehlston anschreie: „Nimm das verdammte Handy!"
„Nein!“, schreit sie ebenfalls, als wir uns gegenseitig vernichtende Blicke zu werfen. Als ich bemerke, dass die Kleine auch die Aufmerksamkeit der Klasse bemerkt hat, beruhige ich mich ein wenig. Mein Gott, ist sie hartnäckig… Da verzweifelt man ja noch dran!
Es passt irgendwie zu ihr, dass sie so eine sture Kämpferin ist, weshalb ich schmunzeln muss. Noch niemand hat sich mir gegenüber so benommen. Ja, noch keine Frau hat sich meinen Befehlen widersetzt!
„Du bist so stur.“, teile ich ihr verzweifelt mit, als sie mich irritiert ansieht.
Unsere Blicke treffen sich erneut, als sie mir antwortet: „Du doch auch.“
Ja, wir haben etwas gemeinsam, aber als eine Frau so viel Selbstbewusstsein auszustrahlen, ist hier eher selten. Ja, selbst Fram traut sich nicht, mir etwas entgegen zu werfen und mich zu provozieren. Sie ist wirklich furchtlos und so erstaunlich stark, dass ich glaube, dass sie wirklich eine bewundernswerte, junge, emanzipierte Frau ist. Oh ja, und wie emanzipiert!
„Nur das noch nie eine Frau, vor dir, so mit mir umgesprungen ist.“, gebe ich zu und strahle wahrscheinlich vor Bewunderung.
„Ich tue es aber.“
Ihre Antwort verzaubert mich, da sie noch immer jegliche Art von Angst beseitigt hat. Manchmal ist sie wirklich unsicher, doch wenn man sie genug provoziert, wird sie zu einer heißen Furie, die ich am Liebsten gleich flachlegen würde!
Darauf erwidere ich etwas, was Shirley jedoch nicht berührt: „Deshalb bin auch so zu dir.“
Dann gehe ich noch einen Schritt weiter und stehe kurz davor, ihre Wange mit meiner Hand zu berühren, doch dann schlägt sie mich weg und das Maß ist voll!
In mir brodelt die Wut nur so und ich muss mir jegliche Vernunft und jeglichen klaren Gedanken erkämpfen, damit ich nicht etwas tue, was ich sonst bedauern würde.
„Selbst wenn du der letzte Mann auf Erden wärst, würde ich dich nicht nehmen! Behalte dein Scheißhandy doch! Ich will es nicht! Und willst du den wahren Grund erfahren?“, redet die geile Frau vor mir so schnell, dass ihre Stimme sich mehrere Male überschlägt, doch ich kann jedes Wort zu meinem Glück verstehen.
Diese Frage mit dem wahren Grund bringt mich zurück und lässt meine Wut voll und ganz versickern. Ich grinse sie neugierig und amüsiert an.
„Ja.“, ist meine klare Antwort, bevor Shirley etwas sagt, was mein Herz höher schlagen lässt.
„Damit ich nichts mit dir zu tun habe und dich dann nicht anfange zu mögen.“, flüstert die Lilaäugige mir zu, doch sofort nachdem sie ihre Worte an mich gerichtet hat, sieht sie ziemlich verwirrt aus. Anscheinend hat sie selbst nicht damit gerechnet, genauso wenig wie ich. Dabei habe ich ihr doch vorhin Schmerzen zugefügt, obwohl es ja eigentlich unbeabsichtigt war…
Sofort braust sie wütend und angewidert wieder zu ihrem Sitz und ich bin für einen Moment wirklich sprachlos. Hat sie gerade wirklich gesagt, dass sie mich mögen könnte? Wow… Das ist einfach der Hammer! Und ich dachte schon, dass sie mich jetzt hasst, denn wenn ich sie wäre, würde ich mich hassen…
Mein Lächeln wird breiter, als ich Cems Blicke auf mir spüre: „Was ist denn mit dir los? Du siehst ja wie ein frischverliebter Mann aus, Sam.“ Sofort schüttle ich den Kopf und bestreite dies, doch mein Lächeln kann ich nicht abstellen, denn seitdem sie das gesagt habe, fühle ich mich so wundervoll. Es bedeutet nämlich, dass ich noch eine Chance bei ihr habe und das beschert mir gute Laune.
„Könntest du mir noch ein paar Bluttabletten geben?“
„Wie?“, fragt mein Adoptivbruder reichlich irritiert, „Du hast von mir doch eine ganze Packung bekommen. Reichen die etwa nicht?“
Ich schüttle leicht den Kopf, weshalb er mir seufzend eine weitere Packung reicht. Sofort nehme ich sie an mich, als dann Frau Rist reinspaziert.
Nach dem ich mich in fünf Minuten beruhigt habe, grinse ich wieder und wende den nächsten Trick an, um vielleicht wirklich bei ihr zu landen. Aber heimlich packe ich noch mein Handy für Fotos ein.
Somit stehe ich einfach auf und entschuldige mich: „Ich gehe kurze meine Bluttablette nehmen.“
Sie nickt nur, bevor ich zu Shirleys Tisch schreite und ihr einen Zettel unterjuble, den ich innerhalb einer Sekunde geschrieben habe. Danach begebe ich mich zur Tür und schließe diese hinter mir.
Ganz langsam mache ich mich auf dem Weg dahin, doch bleibe um eine Ecke stehen, als ich die Bluttabletten ohne Wasser einfach schlucke. Vielleicht helfen sie ja so?!
Dann höre ich auch schon Schritte und als ich um die Ecke blicke, erkenne ich schon den wundervollen Vampir, weshalb ich noch einen Augenblick warte, bis ich dann ihre Hand ergreife und sie so zu mir zerre, dass sie bei Nahe fällt, weshalb ich sie sofort in meine Arme schließe. Wegen ihrer Unwiderstehlichkeit kann ich nicht anders und nehme den wundervollen Duft in mir auf, bevor sich ein Lächeln auf mein Gesicht stiehlt.
„Pass doch auf.“, flüstere ich ihr mit einer sanften Stimme zu.
Leider stößt mich Shirley sofort von sich, doch es soll mir recht sein, denn ich will sowieso nicht hier mit ihr reden. Genau deshalb zerre ich sie einfach Hand in Hand weiter, als wir Lehrer entdecken. Sofort verstecken wir uns und schleichen uns an sie vorbei. Diese reden und streiten miteinander, doch das sollte mir jetzt egal sein. Selbst bei den Aufpassern finde ich einen Weg, wie wir unbemerkt an ihnen vorbeikommen und ehe wir uns versehen, stehen wir schon vor unserem Zimmer.
Als die Tür hinter uns endlich ins Schloss fällt, atmet sie aus und ein und versucht ihre Atmung zu regulieren. Kurz lasse ich ihr einen Moment zur Beruhigung, bevor ich ihr etwas gestehen will: „Shirley, ich-„
Doch sie unterbricht mich mit einer seltsamen und doch berechtigten Frage: „Warum hast du mir eigentlich gestern keine Bluttabletten angeboten?“
Und schon wieder bewundere ich ihre natürliche und direkte Art.
Kurz bin ich jedoch reichlich verwirrt, warum die Braunhaarige gerade so eine Frage stellt.
„Seit ich in deiner Nähe bin, verbrauche ich doppelt so viele wie sonst. Sie sind mir gestern aus gegangen und ich habe mir heute Neue beschaffen.“, antworte ich ihr nichts desto trotz ehrlich.
Ihre Miene hellt sich auf und anscheinend glaubt sie mir. Mit einem Lächeln auf ihren Lippen sieht sie noch unwiderstehlicher aus und ich würde sie am Liebsten sofort küssen.
Das Handy habe ich in greifbarer Nähe, so dass ich Bilder knipsen kann, aber im Moment steht mir nicht der Sinn danach, denn im Moment würde ich meine Lippen am Liebsten direkt auf ihre setzen, doch ich wage es mich nicht, da sie sich sonst wieder dagegen wehren würde und das will ich nicht.
Sie sieht auf meine Hand und ich bemerke, wie sie stoppt. Anscheinend ist sie sich jetzt unsicher und sie denkt, dass ich ihr Präsent wieder unterjubeln will, doch da kann sie lange warten!
Da die Lilaäugige im Moment schweigt, kann ich endlich die Initiative ergreifen und ihr meine Gefühle gestehen, auch wenn es eine Gefahr sein könnte, wenn ich es tue.
„Dass, was du eben gesagt hast, Shirley…“, versuche ich einen Anfang zu finden, „Da du eben so ehrlich warst, werde ich es ebenfalls sein.“ Das ist ja auch nur fair!
Mit langsamen Schritten nähere ich mich ihr, bevor ich weiterspreche: „Was wäre, wenn ich will, dass du mich anfängst zu mögen?“
Mein ganzer Körper spannt sich an und ich warte, als sie ein irritiertes ‚wie bitte’ von ihren Lippen bekommt. Sie sieht mich mit zusammengezogen Augenbrauen ungläubig an.
„Ich will, dass du mich magst.“, wiederhole ich und genieße dieses Gefühl in mir, doch sofort steigt die Angst mit mir, denn ich weiß nicht, ob sie mich nicht letzten Endes doch verletzen wird.
Zuerst erblicke ich ein Lächeln auf ihrem engelsgleichen Gesicht, doch sofort verfällt dieses wieder.
„Das glaube ich nicht.“, sagt sie mit schwacher Stimme. Anscheinend wehrt sie sich genauso sehr, wie ich, gegen dieses Gefühl.
Trotzdem bin ich reichlich verwirrt. Warum glaubt sie mir nicht?! Weil ich ihr wehgetan habe oder weil ich mir Späßchen mit ihr erlaube?! WAS ist der Grund dafür?
„Und wieso nicht?“, frage ich sie etwas traurig.
Shirley antwortet mir, doch mitten in dieser so wichtigen Begründung, bricht ihre Stimme ab: „Weil…“
Sie sieht verärgert aus, weil dies geschieht. Was sie mir wohl sagen wollte?
Eine lange Stille bricht herein und ich werde mit jeder Sekunde nervöser und ängstlicher, bis meine Wut wieder hochkommt und ich sie sanft gegen die Wand drücke: Warum denkst du, dass ich es nicht ernst meine?“
Ich frage es mit Nachdruck in der Stimme, damit die wundervolle Frau mir endlich ihren Grund präsentiert. Sie verletzt mich so verdammt mit diesem Verhalten. Man kann mir ruhig glauben und genau deshalb verstehe ich es nicht! Bisher habe ich sie noch niemals angelogen! Jeden anderen schon, aber sie nicht…
„Weil du ständig lügen musst!“, hat sie ihre Stimme endlich wiedergefunden, doch diese Worte bereiten mir Schmerzen, auch wenn ich es ihr nicht anmerken lasse, so habe ich das Gefühl, dass ich gleich in Tränen ausbrechen müsste…
Ich halte es nicht länger aus und werfe sie aufs Bett, bevor ich innerhalb einer Sekunde über ihr liege. Ihre Augen strahlen Wut und keine Angst aus, weshalb ich mir sicher sein kann, dass ich weitergehen kann. In diesem Moment spüre ich kein Verlangen, ihr Blut zu trinken, doch umso mehr, sie überall zu spüren.
Vorsichtig hebe ich ihr Kinn ein wenig an, damit sie in meine Augen sehen muss, damit sie weiß, dass ich keineswegs lüge, sondern die reine Wahrheit sage. Ja, ich gebe ihr mein wahres Ich preis.
„Dich habe ich aber noch nicht angelogen. Kein einziges Mal!“
Sie stößt mich von sich und steht dann auf. Ihre Wut bildet sich auf ihre Stirn ab, als sie sich noch einmal zu mir umdreht: „Als wenn ich das glauben könnte…“
Aber zugleich bemerke ich diese Trauer in ihrer Stimme, obwohl sie ziemlich kalt klingt. Also würde Shirley es gerne glauben?
Trotzdem kann ich nichts an dem Schmerz ändern, den ich in meinem Innern spüre und gleichzeitig diese unkontrollierbare Wut, den ich immer nur in ihrer Gegenwart hege. Warum fühle ich mich bloß so?
Mir platzt der Kragen und ich kann mich nicht mehr kontrollieren. Mein Körper verselbstständigt sich wieder, als ich sie gegen die Wand werfe. Sie schreit auf, weshalb ich versuche, mich wieder zu fangen. Ich will ihr nicht noch einmal weh tun!
Meine Lippen liegen auf ihre und ich genieße diesen Moment einfach, als ich mit meiner Zunge um Einlass bitte. Shirley gewehrt ihn mir, weshalb ich ihre Zunge finde und sie leidenschaftlich küsse. Dieser Moment ist so wundervoll und ich vergesse mich ganz dabei. Dabei merke ich nicht einmal, dass ich davon Bilder schieße.
Als ich mich wieder von ihr löse, sieht sie mich verwundert an. Anscheinend sucht sie nach irgendetwas, wo sie wieder wütend auf mich sein kann, doch ihr scheint es genauso viel bedeutet zu haben, wie mir. Mein Gesichtsausdruck bleibt ernst und endlich habe ich meinen Körper wieder unter Kontrolle, weshalb ich der wunderschönen Frau einmal eine Frage stelle, wo sie selbst kaum eine Antwort findet.
„Denkst du, dass ich das auch nicht ernst meine?“
Als sie nichts darauf erwidert, da sie ziemlich verwundert ist, liefere ich ihr die Antwort: „Das war ernst gemeint.“
„Was?“, haucht Shirley mir mit einer verblüfften Stimme zu.
Mein Gesicht nähert sich dem ihren, bevor ich ihr meine kurze, präsente Antwort entgegen bringe: „Alles.“
Sie sagt nichts dazu, weshalb ich genauso direkt bin, sowie sie es sonst ist: „Geh mit mir…“
Meine Worte überraschen mich selbst, doch ich fahre fort, da sie anscheinend erstarrt ist.
Mein Mund formt sich zu einem ehrlichen Lächeln und ich fühle mich irgendwie so anders, als sonst.
„Du kannst es dir überlegen.“
Damit nehme ich einfach ihre Hand und gehe mit ihr gemeinsam schweigend aus dem Zimmer. So still kenne ich sie nicht, weshalb ich, ab und zu, zu dieser wundervollen Frau sehe.
Als wir vor dem Raum sind, bleibe ich stehen und drehe mich zu Shirley um: „Nimm es trotzdem.“
Ich denke gar nicht mehr, sondern handle. Vielleicht hätte ich das ja schon die ganze Zeit machen sollen?
Nachdem ich der Braunhaarigen das Handy überreicht habe, zwinkere ich ihr zu und deute auf die Tür: „Geh schon mal rein. Ich komme später nach.“
Somit verschwinde ich schnell um die Ecke, doch ihre Blicke, die sie mir noch zugeworfen hat, machen mich glücklich. Anscheinend habe ich sie mir wirklich ergattert, auch wenn es etwas länger dauert, als wenn ich jemand anderes bekommen will.
Dieses Gefühl in mir will ich einfach nicht verlieren, weshalb ich mir die Bilder auf meinem Handy noch einmal ansehe. Es ist unbeschreiblich schön, ihre Reaktionen zu sehen. Ob sie wohl dasselbe fühlt?
Doch dann schüttle ich den Kopf. Ich darf nicht so fühlen! Sie ist eine Räin und ich werde sie der Familie wegnehmen, weil sie mir Ivonne gestohlen haben! Nur wegen dieser Familie ist sie nicht mehr unter den Lebenden! Dabei war sie doch noch so jung.
Meine Wut brodelt nur so, weshalb ich schnell ins Schulleiterbüro einbreche und die Fotos drucke. Schnell hänge ich sie dann beim Ausgang auf. Ja, es wird keinen Weg drum herum geben. Ich will das Blut fließt und zwar das von Shorn! Nur wegen ihm habe ich meine einzigwahre Liebe verloren und das werde ich ihm nicht durchgehen lassen!
Zwar tut mir Shirley ein wenig leid, aber ich kann es nicht ändern. Ich hasse die Deavers und die Räins!
Als es klingelt, mache ich mich zu unserem Tisch auf, wo bereits alle außer Cem versammelt sind. Ruhig setze ich mich auf den Stuhl und grinse amüsiert. Als sich auch mein Bruder zu uns gesellt, hole ich mein Handy heraus.
Sein hinterhältiges und ziemlich düsteres Grinsen entgeht mir nicht, weshalb ich dieses Verhalten seinerseits bei ihm hinterfrage.
Er erzählt mir somit, dass er einen Zettel auf Shirleys Tisch geschmuggelt hat, wo steht, dass sie es bereuen wird, wenn sie mich verletzt. Ihre Familie, ihre Freunde, sowie sie selbst werden es von den Froms bitter zu spüren bekommen, wenn sie meine Aufforderung, mit mir zu gehen, ablehnt. Ziemlich interessant…
Kurz erschallen wir in lautes fieses Gelächter, bevor ich auf mein geschenktes Handy an. Es dauert eine Weile, bis sie rangeht. Aus dem Augenwinkel erkenne ich Kirigune, wie sie seufzend den Kopf schüttelt. Sie darf nichts dagegen unternehmen und das macht ihr wohl ziemlich zuschaffen, aber ich finde es bloß lächerlich, dass sie sich so Sorgen um unsere Feinde macht.
Na gut… Bevor die Rothaarige meinen Vater heiratete, war sie eine Freundin von Kenzen und Shorn, doch genauso wie dieses Mal, haben wir Kirigune diesen Idioten weggenommen. Ja, Shirley wird sich bald ebenso in unserer Gewalt befinden und dann ist es vollbracht, denn wenn ich sie ihrem Bruder wegnehme, dann weiß dieser genau, wie es sich anfühlt, wenn man eine wichtige Person verliert. Dieses Mal werden sie nicht gewinnen!
„Ja?“
Mein Grinsen wird breiter: „Hallo meine Sü-„
Ihre aufgebrachte Stimme unterbricht mich, was mich nur noch mehr amüsiert: „Lass das Getue! Du verdammter Lügner!“ Bingo! Sie hatte also meine getane Arbeit gesehen und genau unter die Lupe genommen, was?
„Ah... Du hast also die hübschen Fotos von uns gefunden?“
Ich versuche nicht währenddessen zu lachen, doch dies gelingt mir nur sehr schwer.
„Deshalb dieses Geschwafel also? Ich habe mich schon gefragt, was du eingenommen hast um so ernst zu klingen. Jetzt hat es sich ja geklärt...“, meinte sie recht kühl und ernst. Shirleys Wut scheint wie weggeblasen, was mich beinahe schon langweilt, doch dann schauspielere ich ein wenig, um sie damit etwas zu verärgern: „Ich meinte es auch ernst. Aber wenn du mich hängen lässt, Baby. Dann tut es mir leid für deine Freunde.“
Meine Hemmungslosigkeit und meine Drohungen scheinen gesessen zu haben, denn sie schreit jetzt wieder, was ihr, nach meinem Empfinden, auch viel besser steht, als ihr Mauerblümchendasein.
„Und mir tut es leid für dich, du Ekelpaket! Niemals würde ich mit so einem lügnerischen, arroganten Angeber zu tun haben wollen. Es tut mir wirklich leid, dass ich NIEMALS mit dir gehen oder zu eurer Marionette werde. Egal was du hast oder vorgibst zu meinen, es interessiert mich nicht! Du verstehst es mit Gefühlen der Frauen zu spielen, aber du kennst es nicht, dass sie sich danach rächen werden. Bye, bye.“
Bevor ich noch etwas sagen kann, legt sie auch schon auf. Gott, ist sie scharf! Aber dann spüre ich wieder diese Wut in mir. Was sagte sie zu mir?! Hat sie mir gerade wirklich eine Abfuhr erteilt?! MIR, einem From?! Shirley wird schon die Konsequenzen zu spüren bekommen, wenn sie denkt, dass sie mir so etwas einfach antun kann! Niemand legt sich mit einem From an!
Kurz knurre ich zornig und schlage auf den Tisch, weshalb aller Aufmerksamkeit mir gilt: „Niemand gibt einen From einfach so einen Korb!“
„Schatz-„
„Kirigune, das wird nichts bringen.“, versichert meine Schwester ihr, „Da noch nie jemand seinen Charme widerstehen konnte, wird er wohl jetzt noch weniger locker lassen.“
Damit hat Michella ausnahmsweise mal recht! Mich kann man nicht mehr aufhalten. Mein Entschluss steht fest! Sie wird ihr blaues Wunder erleben.
„Steht ihr hinter mir?“, grinse ich sie dann selbstsicher an.
Jeder, bis auf Kirigune, gibt mir sein Wort, weshalb ich meinen Plan somit durchsetzen will. Bei meiner Mutter ist es okay, wenn sie bei solchen Dingen nicht mitmacht, schließlich ist sie einfach viel zu gutherzig für solche Taten. Dafür stehen alle anderen hinter mir und das ist mir wichtig, denn sonst würde es nicht klappen.
Dann erkenne ich schon die Braunhaarige, die mich mit ihrer Anwesenheit einfach um den Verstand bringt. Zuerst bleibe ich ruhig und winke ihr zu: „Hey, Baby!“
Doch als sie mich dort noch immer ignoriert, halte ich es einfach nicht mehr aus und stehe auf. Mein Gehirn schaltet sich ab, so wie meine Kontrolle über mich selbst. Nur wegen ihr werde ich immer wieder zu einem Monster.
Somit stelle ich ihr ein Bein, als sie an unserem Tisch vorbei läuft, weshalb sie unsanft auf den Boden fällt. Als die drei Schwachköpfe zu ihr eilen wollen, werden sie bereits von meinen Familienangehörigen belagert. Sofort kämpfen diese gegeneinander und ich habe Zeit, um mich mit meiner Kleinen zu beschäftigen. Danach wird sie mir nie wieder so etwas antun! Ich werde ihr meine wahre Stärke demonstrieren!
Shirley erhebt sich, doch ich reiße sie, an ihren Haaren, nach oben und ziehe ihre Haare nach hinten, trotzdem schreit sie nicht, sondern sträubt sich dagegen. So ein Schwachsinn! Ihre Gegenwehr ist doch völlig sinnlos! Um ihr meine Überlegenheit preiszugeben, werfe ich sie zu Boden und zerre sie dann erneut hoch, bevor ich ihr dann meine Zähne entblöße. Erst jetzt bemerke ich meinen Blutdurst wieder. Verdammt!
Kurz bleibe ich deswegen bewegungslos stehen. Mein Verstand schaltet sich für einen Moment ein, aber nur solange, bis sie die Initiative ergreift und mich gegen den Tisch stößt. Durch meine Geschwindigkeit, der zugleich mein Vorteil bedeutet, kehre ich den Spieß einfach um und werfe sie gegen unseren Tisch an.
Ich liege über ihr gebeugt und nehme ihren starken Blutgeruch auf, was mich dazu bewegt, ihren Nacken freizulegen. Gerade als ich meine Zähne in ihrem Hals versenken will, zieht mich jemand von ihr herunter, was mich einerseits wild und andererseits irgendwie erstarren lässt. Kurz mache ich Bekanntschaft mit dem Boden, bevor ich Kifel, der älteste Bruder der Geonas, neben mir stehen sehe. Grinsend hebt er seinen Cowboyhut auf und setzt ihn auf, bevor er mich einfach so ignoriert.
Ich hasse die Geonas, da sie sich immer in unsere Angelegenheiten einmischen und sich versuchen, gegen uns zu behaupten. Dabei sind sie schwach, arm und bloß eine sehr große Familie, die wohl sonst nichts zu tun hat.
Ihre Eltern wissen sich wenigstens zu benehmen, doch deren Kinder nicht! Insgesamt sind sie dreizehn Kinder, doch haben auch noch ziemlich viele andere Verwandte, weshalb man sie kaum noch zählen kann. Doch nichtsdestotrotz sind sie so schwach, dass sie nicht einmal zusammen gegen einen von uns gewinnen können! Ja, das ist die Wahrheit!
„Alles in Ordnung?“, fragt er MEINE Shirley besorgt. Wie kann sich dieser braunhaarige Idiot eigentlich erlauben MEIN Mädchen anzusprechen?! Ich bringe ihn um!
Als ich um mich herum sehe, erkenne ich, dass die ganze Familie aufgetaucht und unseren Kampf gestoppt hat. Ich hasse sie so! Wie können sie es sich wagen?!
Sie nickt und er lächelt, weshalb ich mich sichtlich anspanne. Meine Hände balle ich zu Fäusten und ich bin kurz davor auf ihn loszustürmen, doch irgendetwas hält mich auf. Wäre er nicht gewesen, hätte ich sie gebissen! Irgendwie, auch wenn ich es niemals zugeben würde, bin ich ihm schon dankbar, dass er mich aufgehalten hat. Es wäre unschön gewesen.
Zum Glück verabschiedet er sich von ihr und will gerade gehen, als sie ihm jedoch hinterherläuft und was mache ich? Ich sehe ihr nur dabei mit einem verletzten und schuldigen Blick nach. In diesem Moment dreht sich alles um mich und der Geruch lässt mir einfach keine Ruhe. Wieso kann ich mich kaum beherrschen, wenn ich ein wenig Mensch an ihr vernehme?! Wieso macht es mich so wahnsinnig? WIESO?!
Erst als es klingelt, nehme ich wieder etwas um mich herum wahr.
„Sam, kommst du?“, fragt mich Cem gut gelaunt, doch ich schüttle den Kopf. Nein, ich kann nicht. Ich kann das einfach nicht!
„Tut mir leid.“
Mit diesen Worten entferne ich mich von ihm und atme die frische Luft ein. Warum macht mich das alles nur so fertig?! Wieso kann ich nicht mehr denken, sobald sie in der Nähe ist?
Ich fühle mich so hilflos, doch niemand kann mir helfen. In mir brodelt es und das Gefühlchaos droht auszubrechen, als ich mich gegen eine Mauer lehne. Seufzen schließe ich meine Augen und denke nach. Sofort tauchen Bilder von Shirley vor mir auf. Sie verfolgt mich in meinen Gedanken, selbst wenn sie nicht einmal bei mir ist. Es ist eine Qual für mich.
Nach einer kurzen Ruhepause stoße ich mich gegen die Wand ab und schlendere durch die Gegend, als ich Kampfgeräusche vernehme. Sofort verstecke ich mich hinter einem Baum und erkenne meine Schwester, die in dieser Stunde wohl gegen Shirley antreten muss.
Ich beobachte den Kampf und staune nicht schlecht, als ich sehe, wie sich meine Mitbewohnerin so schlägt. Sie ist ja sogar besser, als die Schwertmeisterin selbst!
Doch nur einen kurzen Augenblick später bemerke ich, wie sich meine Zähne und meine Krallen rasch verlängern, doch ich versuche mein Verlangen unter Kontrolle zu bekommen. Es kostet mich eine Menge an Kraft, doch es scheint für einen kleinen Zeitraum geschafft, doch in meinem Innern wütet etwas, worauf ich nicht achte, was mein Fehler ist.
Michella spielt natürlich mit unfairen Mitteln und greift die Schönheit mit ihrem Element an. Sie und Feuer… Es passt wirklich zu ihr, denn sie geht wortwörtlich schnell in Flammen aus.
Shirley landet mehrmals auf dem Boden, als ich einen starken Duft ihrerseits vernehme. Ihr Arm blutet, was mich total aus dem Konzept wirft. Ich halte es nicht mehr länger aus und renne zu ihr. Im Bruchteil von einer Sekunde bin ich bei ihr und werfe sie auf den Boden.
Sofort versenke ich meine Zähne in ihrem Hals und trinke fordernd und gierig von ihrem Blut, was mich nur noch wahnsinniger macht. Wieso schmeckt es mir so gut und warum kann ich mich nicht gegen meine Instinkte wehren? In diesem Moment hasse ich mich selbst, doch ich bin doch nur ein Vampir und kann mich halt von meinem Blutdurst nicht lösen, so bin ich nun einmal.
Auf ihr zu liegen und ihr Blutgehalt zu senken, ist nicht gerade etwas, worauf ich stolz bin, doch in diesem Moment bemerke ich eine starke Verbundenheit zwischen uns. Es ist so, als wäre diese rote Flüssigkeit nur für mich bestimmt. Ja, als wären Shirley und ich füreinander bestimmt.
Zuerst gelingt es niemanden mich von ihr weg zu bekommen, doch zusammen können sie Abstand zwischen mir und ihr gewinnen. Trotzdem wehre ich mich dagegen und will nur zu ihr, um mein Verlangen zu stillen. „Shirley!“
Plötzlich wird sie bewusstlos, doch ich verwandle mich noch immer nicht zurück, bis der Lehrer mir, gegen meinen Willen, Bluttabletten schlucken lässt. Sofort bilden sich meine Zähne und meine Krallen zurück und ich werde wieder ich. Gerade als ich zu der Bewusstlosen rennen will, wird mir schwarz vor den Augen und ich muss mich an der Wand lehnen, bevor ich kurz darauf mein Gewicht unter meinen Füßen verliere und mit einem harten Aufprall ins Nichts falle.
Shirley, was habe ich dir bloß angetan?
Eine letzte Träne fließt an meiner Wange vorbei, bevor die Dunkelheit mich einnimmt.

Anziehungskräfte zwischen einer Räin und einem From




Meine Augen öffnen sich und nach einigem Blinzeln erkenne ich mich auf dem Boden wieder. Shorn trägt sofort Shirley weg und ich seufze verzweifelt. Also war es doch kein Albtraum…
Es dauert einige Momente, bis ich mich aufrappeln kann. Cem und Michella machen sich sofort sorgen um mich und wollen mich zur Krankenstation bringen, doch ich laufe einfach Shorn nach, denn meine Tat ist unverzeihlich und wenn ich irgendetwas tun kann, dann werde ich es tun, auch wenn Shirley mich jetzt wahrscheinlich hasst.
Ja, meine Chancen sind verspielt. Sie wird nun nie wieder mit mir Unterhaltungen führen oder- Nein, ich darf nicht daran denken, wenn sie- Sie wird nicht sterben! Ich will nicht, dass sie stirbt. Ich liebe sie doch!
Sofort halte ich inne und sehe zur geschlossenen Tür vor mir. Was habe ich gerade gesagt?
Geschafft stütze ich mich an einer Wand ab, bevor ich vorsichtig den Eingang öffne und erkenne, wie der Blauhaarige meiner Geliebten sein Blut zuflößt. Es zerbricht mein Herz, sie so zu sehen.
„Da sie ein Halbvampir ist, ist es fraglich, ob diese Bluttransplantation ihren Zustand vielleicht nicht sogar verschlimmert. Sam, du kannst nichts für deinen Anfall. Wir hätten euch einfach vorwarnen sollen, dass sie teils menschlich ist.“
Diese Worte von dem Doktor machen mich konfus, doch dann verstehe ich alles. Deshalb roch sie immer so stark und verging nicht! Sie ist also genauso eine halbe wie mein Onkel…
Auch wenn ich hier unerwünscht bin, so kann ich nicht einfach wieder gehen. Am Rand stelle ich mich unbemerkt hin und sehe ihr zu, bis die Drei sich mir zuwenden. Mein Blick ist nachdenklich und schuldbewusst, doch ihnen ist das egal. Ihre wütenden Blicke brennen auf meiner Haut, doch im Moment ist mir nur die Braunhaarige wichtig.
Doch dann steht Kenzen vor mir, bei dem ich so etwas niemals geglaubt hätte, der mich zornig anfunkelt. Er ballt seine Hand zur Faust und schlägt zu. Meine Wange pocht, doch ich habe es verdient, weshalb ich es zulasse.
„Jetzt hast du es ja endlich geschafft! DU hast Shirley uns weggenommen! Bist du jetzt glücklich damit?! Wegen dir wird sie vielleicht sterben und wenn das geschieht, wirst du der nächste sein!“
Es sitzt stark wie tausend Schüsse in meinem Herzen. Ohne Ein Wort gehe ich raus und seufze verzweifelt. Ich wollte ihr ihnen wegnehmen, aber doch nicht so! Shirley… Mein Herz schmerzt so und meine Augen brennen bei dem Gedanken, dass ich sie für immer verliere und es meine Schuld ist!
Ich hasse mich selbst dafür, was ich ihr angetan habe. Wenn ich doch nur die Zeit zurückstellen könnte…
Mit einem unterdrückten Schrei schlage ich gegen die Wand, bevor mir die Tränen einfach übers Gesicht laufen. Ivonne ist umgekommen und jetzt soll ich noch eine weitere Person, die mir viel bedeutet, verlieren?! Nein, das will ich nicht.
Als ich mich nach einiger Zeit wieder beruhige, setze ich mich, neben der Tür, auf dem Boden und warte ab. Die ganze Zeit wäge ich über die Wahrscheinlichkeiten über ihren baldigen Zustand ab. Entweder wird sie überleben oder nicht. Das sind die einzigen Optionen und meine Hoffnung schwindet, als ich selbst nach Stunden keinen Bericht erhalte.
Doch irgendwann, ich weiß nicht wie lange ich schon hier so liege und einfach nur über die Schönheit nachdenke, öffnet sich die Tür und der Doktor, der zufällig mein Klassenlehrer ist, erklärt mir dann die Sachlage: „Ihr Zustand war kritisch, doch durch eine Bluttransplantation geht es ihr schon wieder besser. Im Übrigen ist sie gerade aufgewacht.“
Die letzten Worte lassen mich hochfahren und strahlen. Sie hat also überlebt! Sie lebt!
„Danke!“, rufe ich nur und trete in den Raum, wo ich der Braunhaarigen gegenüber stehe. Sie ist noch ziemlich blass, weshalb ich sofort wieder daran denke, dass es meine Schuld beträgt. Die Wunde am Hals ist ziemlich tief und lässt mich begreifen, was für ein Monster ich doch bin. Vielleicht sollte ich einfach wieder umdrehen und gehen? Ja, vielleicht sollte ich auch ausziehen oder auf eine andere Schule gehen.
Doch bevor ich noch irgendetwas machen kann, höre ich ihre Stimme und erkenne ein Lächeln auf ihre Lippen. Mein Herz schlägt höher, so sanft ist es. Ich fühle mich so schrecklich und doch wird mir warm ums Herz, wenn sie mich so ansieht. Doch wieso tut sie das?! Wieso?! Mit allem hätte ich gerechnet, doch nicht mit so etwas.
Sie sollte mich hassen, mich verachten, doch sie lächelt so, als hätte ich ihr Leben gerettet, dabei habe ich sie doch überfallen… Ich war der Täter!
„Hi“, begrüßt sie mich wie selbstverständlich, weshalb ich jetzt ein paar Schritte auf sie zuschreite. Ihre Freundin und ihre beiden Familienangehörigen begrüßen diese Aktion nicht sonderlich und beobachten jeden meiner Schritte. Ich kann ihr Misstrauen verstehen, denn es ist meine Schuld, dass sie jetzt im Krankenflügel liegt und nicht weiter im Unterricht sitzt.
Um es ihr zu verdeutlichen, was für ein Mistkerl ich doch war, streiche ich leicht über ihre Wunde, wobei sie ihr Gesicht schmerzhaft verzieht.
„Wie kannst du nach all dem noch lächeln?“, frage ich sie behutsam, doch verständnislos.
Das Knurren der Anwesenden ignoriere ich gekonnt und warte weiterhin auf Shirleys Antwort, die nicht kommt.
Mein Körper fängt zu zittern an, als ich in ihre Augen sehe. Sie weiß es also selbst nicht, denn sie sucht nach einem Grund für ihr Verhalten. Ja, das sehe ich in diesem wunderschönen Braun. Meine Augen brennen fürchterlich und ich bin kurz davor, erneut in Tränen auszubrechen.
„Ich wollte das nicht…“, fange ich, wütend auf mich selber und gleichzeitig besorgt, zu sprechen an, „Es tut mir wirklich so schrecklich leid... Das war keine Absicht. Kannst du mir verzeihen?“
Natürlich würde mir die Liegende niemals verzeihen! Aber das kann ich ihr auch gut nachempfinden, denn ich würde es auch nicht, wenn ich an ihrer Stelle wäre…
Doch dann geschieht etwas, womit ich niemals gerechnet hätte. Erneut lächelt sie mich an, bevor sie eine Entscheidung fällt, die sogar nicht sein dürfte: „Da du es einmal im Leben ernst meinst, ja.“
Mein Herz flattert wie wild und mein Glück kann ich gar nicht in Worte aussprechen, doch andererseits bin ich einfach nur verwirrt. Wieso?! Wie kann man mir verzeihen? Wieso hat sie es bloß getan?
Sofort strahle ich, doch sehe sie doch etwas ungläubig aus. Ob sie noch nicht mitbekommt, was sie da von sich gibt?
Doch dann entscheide ich mich einfach dafür, sie hochzuheben und bis in ihr Zimmer zu tragen und kaum habe ich daran gedacht, schon geschieht es.
„Hey!“, protestiert Shirley, doch ich ignoriere sie einfach und kümmere mich um die Horde wild gewordener Hunde: „Ihr braucht euch keine Sorgen um sie zu machen. Ich werde sie schon umsorgen. Bye!“
Somit renne ich schon raus, damit niemand von ihren Freunden mir folgen kann. Als ich mitbekomme, wie sich die Kleine an mir festkrallt, muss ich grinsen. Es dauert nicht lange und schon sind wir in unserem Zimmer angekommen.
Endlich haben wir Ruhe und können einfach unbeschwert und unbeobachtet reden. Es nervt mich ungemein, wenn ich in der Anwesenheit von Shorn, Kenzen oder Fram mit meinem Mädchen flirte und die mich mit ihren Blicken umbringen!
Als ich ihren unregelmäßigen Atem bemerke, halte ich komplett an und lasse ihr einen Moment der Ruhe. Nach der kurzen Pause lege ich sie dann auf ihrer Bettseite ab. Kurz verliere ich mich in ihren Augen, bevor ich meine Hand auf ihren Kopf lege und dabei ihre Temperatur fühle.
„Fieber scheinst du Keines mehr zu haben. Du erholst dich sehr schnell für einen Halbvampir.“
Schnell weitet sie ihre Augen und sieht mich erschrocken und wie versteinert an. Ja, das war ihr Geheimnis und endlich weiß ich, was sie so anders macht.
„Ich wusste zwar, dass du anders, als die Anderen bist und auch menschlich riechst, aber nicht, dass du für immer menschlich riechen wirst.“, erkläre ich ihr ruhig und bestimmt.
Kurz schweigt die Braunäugige und scheint nachdenklich zu sein, bis sie patzig eine Frage stellt: „Bist du deshalb so zu mir?“
Ziemlich irritiert starre ich sie an, doch dann huscht mir ein Lächeln übers Gesicht: „Nö, sollte ich?“
Sie wird langsam wieder die Alte, was mich hoffen lässt.
Kopfschüttelnd versucht sich Shirley aufzusetzen, weshalb ich sofort agiere: „Brauchst du etwas? Soll ich dir helfen?“
Anscheinend bin ich zu überfürsorglich, wenn es um sie geht, denn normalerweise hätte ich nicht so darauf reagiert, so wie jetzt.
Ihr Lächeln lässt mein Herz höher schlagen, doch dann bemerke ich ihren Geruch, der mich wieder einmal verzückt.
„Nein. Ich wollte nur-„
Als ich mich wegdrehe und eine Bluttablette in ein Wasserglas werfe, bricht sie einfach mitten im Satz ab. Redet sie jetzt weiter oder nicht? Einen Moment warte ich, bis es sich gänzlich auflöst.
„Rede ruhig weiter.“
Doch dann kommt sie vom Thema ab und sieht weiterhin ahnungslos zum Gefäß, dass sich bereits in meine Hand befindet.
„Was ist in dem Glas?“, fragt sie unwissend, was mich irgendwie reichlich verwirrt. Ja, sie ist ein Halbvampir und darf so etwas nicht trinken, aber dass sie nicht einmal weiß, was das hier ist… Hat sie wirklich noch nie gesehen, dass Vampire dies zu sich nehmen? Haben Shorn oder Kenzen das etwa nicht in ihrer Gegenwart getan? Bin ich der Einzige, der so von ihrem Blut angeturnt wird? Wieso nur?
Dann wende ich mich wieder ihr zu und sehe in ihre Augen, während ich ihr dieses Verfahren erkläre: „Das ist eine Bluttablette. Man löst sie im Wasser auf um so Blut zu trinken.“
Jetzt scheint sie zu verstehen, da sie unbemerkt mit ihrem Kopf nickt. Mir fällt dann ein kleiner Streich ein, den ich ihr liebend gern spielen würde: „Willst du etwa auch?“
Für einen Moment erkenne ich ihr zögern, bis sie sich mein Glas schnappt und einen Schluck aus diesem nimmt. An dem Glitzern in ihren Augen kann ich erkennen, dass es ihr sichtlich schmeckt, doch sicherlich ist es nicht so gut wie mein eigenes.
Aber dann geschieht das, worauf ich gewartet habe. Sie scheint an Luftmangel zu leiden, weshalb sie aufsteht und ins Bad läuft. Sofort trinke ich das Glas leer und folge ihr. Ich sehe Shirley und grinse sie an, während sie mit ihrem Husten kämpfen muss. Sie hält sich am Waschbecken fest, bevor sie sich endlich wieder beruhigt. Kurz wäscht sie ihr Gesicht, bevor sie mich im Spiegel erkennt. Jetzt wird mein Grinsen nur umso breiter.
Dann erst dreht sie sich um und fuhr mich ruhig an: „Wolltest du mich umbringen?“
Durch ihre Frage und auch wegen ihrem wütenden Gesicht kann ich nicht mehr an mir halten und fange zu lachen an.
„Von einem Schluck stirbst du nicht.“, quetsche ich durch meine Lippen hervor, doch die letzten Silben werden unverständlich durch meinen Lachanfall.
Als ich mich kurz darauf beruhige, grinse ich sie wieder amüsiert an: „Scheint dir ja wieder um Einiges besser zu gehen!“
Jetzt wird sie nur wütender, doch keine Antwort auf meine Aussage. Dann mustere ich sie eingehend und übersehe nicht die Bisswunde, die ich ihr zugefügt hatte. Somit nähere ich mich ihr und lege meine Hand auf diese. Es dauert nicht lange und schon ist diese verschwunden. Meine Heilkräfte bewirken schon einiges, wenigstens etwas.
Aber es ist nur eine Frage der Zeit, bis ich wieder ausraste. Dieses Mal hat sie meinen Angriff überlebt, doch wird sie auch den nächsten überstehen?! Ich will sie nicht verlieren und wenn ich sie nur aus der Ferne bewundern darf.
„Am Besten du ziehst aus.“, kommt es widerwillig von meine Lippen. Anders geht es nicht…
Doch die Braunhaarige vor mir hat damit nicht gerechnet und starrt mich mit geweiteten Augen an. Also bedeute ich ihr doch etwas? Nein, daran darf ich nicht denken! Ich muss jetzt an ihre Gesundheit denken, an nichts anderes.
„Fram würde dich gerne aufnehmen und da sie sich besser kontrollieren kann, als-“, doch sie unterbricht mich aufgebracht, „Du wirst mich nicht los!“
Durch diese Worte flattert mein Herz höher und ich kann nicht anders, als sie anzulächeln. Warum sagt sie nur so etwas? Sie mag mich doch nicht und ich habe sie doch-
Glücklich, so wie ich bin, ziehe ich sie näher an mich und muss nur noch breiter strahlen: „Du bist lebensmüde.“
Sofort schlingt sie ihre Arme um meinen Nacken, bevor ich meine Arme um sie lege. Gerade als ich sie küssen will, schlägt sie mich mit ihrer geballten Hand ins Gesicht.
Wegen diesem Schlag fasse ich mir an meine blutende Lippe und fluche vor mir hin. Ihr Schlag sitzt echt… Es schmerzt ziemlich und meine Augen haften irritiert an ihr. Was sollte das denn jetzt?!
Als sie auf einmal zu lachen anfängt, kann ich kaum noch atmen. Ihr Klang ist so schön, ja, es steht ihr wirklich. Trotzdem frage ich mich wirklich, warum ihre Gefühle plötzlich so durcheinander sind. Also zuerst will sie mich küssen, dann schlägt sie mich und jetzt lacht sie?!
Nach einiger Zeit beruhigt sie sich wieder und öffnet ihren Mund, um etwas zu sagen, doch dann überkommt ihr der nächste Anfall und sie bekommt sich gar nicht mehr ein.
Shirley ist gerade ziemlich komisch… Wie soll ich mich jetzt gegenüber ihr verhalten?
Irgendwann nervt es mich dann doch, dass sie über mich lacht, weshalb ich leise knurre. Sie bemerkt es und grinst jetzt gehässig: „Somit sind wir quitt.“
Sie geht an mir vorbei und zurück zum Bett, wo sie sich gelassen auf den Rücken legt und zur Decke sieht. Sie ist so verdammt anders…
Es dauert ein wenig, bis ich meine Augen von ihr bekomme und dann grinse. Ich greife mir das Kissen von meiner Bettseite und verschwinde wieder zum Türrahmen, bevor ich genau am Kopf treffe. Sofort schlägt sie ihre Lider auf und sieht zuerst zum Kissen und dann zu mir. Mittlerweile lehne ich gegen den Türrahmen an und muss sie frech angrinsen.
„Dir scheint der Blutverlust nicht gut getan zu haben.“, necke ich sie, doch irgendwie meine ich es auch ernst, denn so war sie bisher noch nicht drauf, auch wenn wir uns erst seit kurzem kennen.
Shirley macht mich einfach verrückt mit ihren Blicken, weshalb ich aufpassen muss, was ich tue, da ich befürchte, ich würde sie ungewollt küssen.
Jetzt werde ich arrogant und gleichzeitig neugierig mit einer Frage, die ich wirklich nur zu gerne stelle: „Oder magst du mich jetzt doch?“
Mit diesem Satz stütze ich mich von der marmorierten Tür ab und schreite auf sie zu.
Die Braunhaarige zieht ihre Augenbrauen hoch und schmunzelt ein wenig, weshalb ich ein wenig stutzig werde.
„Ich stehe nicht auf Arschlöcher und damit hat es sich“, berichtet sie mir, obwohl ich in ihren Augen dieses lustvolle Glitzern erkenne, was ich sonst am Tage lege, „Außerdem wollte ich dich nur für deine Tat bestrafen, das war's.“
Shirley kann ja viel erzählen, aber ich weiß, was sie wirklich denkt. Das sieht man ihr in diesem Moment wirklich an, da braucht man keine Gedankenleserei, um es zu erfahren.
Dann, gerade als ich meinen Mund öffne, um etwas von mir zu geben, unterbricht sie mich dabei, in dem sie aufspringt und vor mir stehen bleibt. Ahnungslos und ziemlich skeptisch sehe ich in ihre Augen, als sie mit ihrem Finger über meine blutende Lippe streicht, weshalb ich kurz zurückschrecke. Sie hat so weiche und zarte Finger…
Ihr Blick geht zu meiner Lippe und ich frage mich, was sie jetzt schon wieder vorhat. Ein Lächeln bildet sich auf ihr Gesicht, bevor sie die letzte Strecke zurücklegt, bis sich ihre Lippen mit meinen verschließen. Wow… Was ist denn mit ihr los, dass sie mich einfach so küsst? Doch dieses Gefühl in mir lebt dadurch wieder auf, jedoch nicht für lange, da sie den Kuss bald schon wieder darauf löst.
Wegen ihrer Spontanität bin ich so aus dem Häuschen, dass ich für einen Moment reglos dastehe.
Ich spüre, dass meine Wunde heilt, obwohl ich nicht einmal meine Fähigkeit benutze. Ist sie es etwa? Hat sie mich mit ihrem Kuss geheilt? Nein, das ist unmöglich! Aber ich kann mir das nicht anders erklären. Warum verschwindet diese Wunde denn sonst?
Bevor ich noch etwas sagen oder machen kann, legt sie sich wieder seufzend aufs Bett und schließt ihre wunderschönen Augen. Okay?! Und was soll ich jetzt darein interpretieren?
Als ich merke, dass sie nach einer Zeit eingeschlafen ist, lächle ich leicht und lege mich neben ihr ins Bett. Kurz nachdem ich mein Hemd ausgezogen und auf den Boden geworfen habe, dreht sie sich um und kuschelt sich an mich. Durch diese Aktion muss ich unweigerlich schmunzeln.
Sie sieht so unwiderstehlich schön aus, wenn sie schläft und nach meiner Nähe verlangt, doch wenn sie es wüsste, dass sie nachts immerzu mir auf die Pelle rückt, dann würde sie rot werden oder ausrasten. Ja, doch im schlafenden Zustand fordert sie nach mir und zerrt mich manchmal sogar zu sich. Vielleicht wird ja doch noch etwas aus uns? Irgendwie würde es mich sehr glücklich machen, wenn es denn so wäre, aber ich glaube, dass ich mir das alles nur einrede, denn ich habe sie schon lange verloren.
Nachdem ich die ganze Nacht lang nachgedacht, beobachtet und letztendlich doch ein wenig geschlafen habe, spüre ich, wie sie allmählich wach wird. Sie dreht sich zu mir, das fühle ich. Durch ihre Bewegungen rutscht mein Kopf etwas herunter und bleibt an ihrem Nacken liegen. Meinen Atem halte ich gleichmäßig, damit sie glaubt, dass ich noch schlafe, was ich eigentlich auch tun will.
Meine Hände gleiten über ihren Körper, doch ihr scheint es nicht äußerst unangenehm zu scheinen, denn sie lässt es einfach zu. Vielleicht ist sie es einfach schon so gewöhnt, dass sie nichts dagegen unternimmt, doch andererseits könnte es doch auch sein, dass sie von mir also nicht so abgeneigt ist, wie es in Wirklichkeit scheint, oder?
Auf einmal bemerke ich, wie sie mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht entfernt und ich versuche wirklich meine Zähne beim Sprechen auseinander zu bekommen: „Warum starrst du mich so an, anstatt zu schlafen?“
Ihr Haar und sie überhaupt riechen so gut!
Es dauert einen Augenblick, bis ich meine Augen aufbekomme und sie mit kleinen Schlitzen anschaue. Da sie mir nach langem nichts erwidert, sondern nur verträumt drein blickt, mache ich mir Hoffnungen und grinse sie jetzt total munter an: „Gefällt es dir mich so anzusehen?“
Schon wieder ist sie so schweigsam, was mich langsam verunsichert. Was habe ich ihr denn bitteschön gemacht, dass sie nicht mit mir redet?! Oder ist irgendetwas passiert?
Verwirrt lege ich meinen Kopf schief und sorge mich um meine Schönheit.
Damit Shirley vielleicht wieder zu mir kommt, lege ich eine Hand auf ihre Wange und lächle dabei ein wenig, doch dann geschieht etwas, womit ich nun wirklich nicht gerechnet hätte.
Sie springt vor Schreck aus dem Bett. Ich ziehe entsetzt meine Augenbraue hoch. Also das es so eine Wirkung zeigen würde, hätte ich niemals für möglich gehalten!
Deshalb stehe ich auf und gehe auf sie zu, doch sie entfernt sich genau in diesem Maß von mir, wie ich zu ihr schreite. Sie ist total verängstigt und ich weiß genau woran das liegt. Also hatte der Angriff doch Folgen für sie.
Warum musste ich sie auch so verängstigen?! Wieso hatte ich sie auch angegriffen?! Aber was kann ich jetzt dagegen machen? Es ist alles nur meine Schuld!
Meine Wut und meine Verzweiflung steigen mit jeder Sekunde und ich kann nichts dagegen unternehmen.
Es schmerzt zu sehen, wie sie leidet und auch, wie es mit uns langsam zum Ende kommt. Wie kann ich ihr bloß diese Ängste nehmen, damit sie wieder bei mir sein kann? Ich will sie berühren können, ohne dass sie vor mir flüchtet.
Dann zittert sie noch mehr als vorher und droht zu fallen, weshalb ich sofort agiere und meine Arme um ihre Taille schlinge. Somit gebe ich ihr halt und gleichzeitig kann ich so nah bei ihr sein. Ich will es mir eigentlich nicht eingestehen, doch ich bin bereits süchtig nach diesem Halbvampir.
Sie öffnet ihre Augen wieder und sieht auf meine starken Arme.
„Du solltest dich wohl noch etwas ausruhen, Schätzchen.“, befehle ich ihr indirekt.
Behutsam setze ich sie aufs Bett und sehe ihr nachdenklich in die Augen. Wie kann ich ihre Ängste bloß stoppen? Und diese Schwäche… Woher kommt sie? Ist der Blutverlust etwa so stark oder ist es durch den Anblick, den sie miterleben musste?
Ich fühle mich so fürchterlich und weiß mir nicht zu helfen. So schrecklich habe ich mich schon lange nicht mehr gefühlt. Beim letzten Mal war es nach ihrem Tod. Ja, Ivonne starb und ich fühlte mich so einsam, verloren und unbeholfen.
„Was ist?“, fragt sie mich barsch und mustert mich abschätzend.
Dadurch lächle ich sanft und teile ihr behutsam meine Antwort mit: „Anscheinend habe ich dir wirklich zu viel deines Blutes beraubt. Du tickst nicht mehr richtig.“
Bei ihr ist es schwer meine Gefühle geheim zuhalten oder zu lügen. Ja, ich konnte sie noch niemals anlügen, so auch nicht heute.
„Was soll das denn bedeuten, hm?“, faucht sie jetzt aufgebracht wie eine kleine Raubkatze umher. Irgendwie ist dieses Verhalten an ihr echt süß…
„Nur das dein Körper viel zu sehr auf mich reagiert und du dich nicht mal wirklich widersetzt. Sehe eben. Du hast mich sogar einfach geküsst! Nicht, dass ich es nicht toll fand, aber so kenne ich dich nicht.“
Diese Erklärung bringt ein lachendes Mädchen hervor, das sich kaum noch beruhigt.
Da ich sie irritiert anblicke, gibt sie mir eine Antwort darauf: „Ist mir auch eben aufgefallen.“
Leicht muss ich jetzt grinsen. Wenigstens bin ich mit meinen Gedanken nicht allein, aber irgendwie verrückt, dass wir gleich denken.
Plötzlich höre ich eine Motorsäge und das Lied ‚Les enfants’ von Kaisa erklingt. Ne, oder?! Ist das wirklich ihr ernst? Es ist ihr Klingelton!
Sofort sucht Shirley ihr Handy, während ich ihr dabei nur zusehe. Wer könnte sie denn da anrufen? Vielleicht ja eine ihrer Freunde oder so?
Neugierig beobachte ich sie, während sie auf dem grünen Hörer drückt. Schade, dass sie mein Geschenk weggeworfen hat, aber vielleicht überrede ich sie, dass ich ihr ein neues kaufe.
„Ja?“, fragt sie wie üblich als Erstes. Irgendwie ist es ihre eigene Art, wie sie mit Personen am Telefon spricht. Es gefällt mir wirklich sehr!
Da der Anrufer so aufgebracht ist, verstehe ich jedes Wort und kann diesen Vampir direkt als Graceleen Räin, die Tante der Braunhaarigen vor mir, identifizieren. Wer wohl Shirleys Eltern sind?! Es muss sich um den Familienzweig Räin handeln, doch es gibt bloß drei Schwestern, eine davon ist ihre Tante und eine ist schon seit dreihundert Jahren verstorben, also kann es nur noch die Dritte sein, deren Name mir jedoch entfallen ist.
„Endlich gehst du ran, Shirley! Ich wollte mich wirklich versichern, ob es dir gut geht, da ich gehört habe, was vorgefallen ist. Zwar wollten mich Kenzen und Shorn beruhigen, aber erst jetzt kann ich es ein wenig, obwohl ich diesem Frommistkerl noch gerne in die Zange nehmen würde!“
Man, sie übertreibt schamlos! Aber so kenne ich sie, wenn es um die Froms geht. Ich verstehe nur nicht, warum sie bei meinem Onkel anders reagiert. Ob sie vielleicht ein Verhältnis mit ihn hat oder so? Irgendwie hängen die Beiden ständig miteinander herum…
Genervt verdrehe ich meine Augen, was die Schönheit sofort mitbekommt.
„Ähm-“
„Ich bring ihn um!“, unterbricht sie meine Shirley, „Wie kann er meiner kleinen Shirley so etwas antun?! Den mach ich zur Strecke! Halte dich von ihm und seiner Familie fern, klar?“
Sofort sieht mich die Braunhaarige fragend an, als ich nur mit meinen Achseln zucke.
Plötzlich holt sie Luft und rastet komplett aus, was mich ziemlich verwundert, denn so kenne ich sie nun wirklich nicht: „Du hast recht! Er ist ein Mistkerl und du hast recht, ich sollte mich von ihm fernhalten!“
Na super! Jetzt hält sie auch noch zu ihr… Aber vielleicht hat sie ja recht und sie sollte einen Bogen um mich schlagen.
Trotzdem bin ich so entsetzt und verblüfft von ihrer Aussage, dass ich sie nur noch anstarren kann. Mein Herz zieht sich furchtbar zusammen und meine Hände ballen sich augenblicklich zu Fäusten, bis sie schmunzelt. Irritiert entspanne ich mich wieder und versuche zu deuten, was sie jetzt schon wieder vorhat.
Sie redet zuerst ununterbrochen aufgebracht und zornig, doch dann ändert sich ihr Tonfall: „Ich würde ihn auch gerne eine so richtig runterhauen, aber... Das werde ich nicht, da er es nicht mit Absicht gemacht hat! Heute hat er mir gezeigt, dass er auch anders sein kann und daran halte ich fest. Er ist kein schlechter Mensch, auch wenn er ein richtiger selbstverliebter hinterhältiges und provokantes Arschloch ist! Aber heute hat er sich richtige Sorgen um mich gemacht und hat mir gezeigt, dass er mich gar nicht verletzen wollte. Ich denke, dass da mehr hinter steckt, als ein Schwanz. Vielleicht werden wir ja Freunde? Wer weiß.“
Shirley hält unseren Blickkontakt aufrecht, während ich sichtlich neugierig und überrascht dreinblicke. Sie meint, dass wir vielleicht Freunde werden? Wow! Und ich dachte, dass sie mich hassen würde…
Sobald sie ein Lächeln aufsetzt, grinse ich amüsiert und schüttle den Kopf. Von ihr hätte ich nun wirklich alles erwartet, aber nicht so etwas!
„Weißt du, was du für einen Mist redest?“
Ja, irgendwie glaube ich auch, dass ihr Kopf durch den Angriff nicht mehr richtig läuft.
„Ach übrigens... Deine Klasse.“, kommt es nach einem Räuspern von Graceleen.
Sofort verschlechtert sich der Zustand von meiner Schönheit, denn diese zittert wieder heftig und sieht mit einem finsteren Ausdruck im Gesicht drein.
Als sie ihr Gleichgewicht verliert, fange ich sie schnell auf. Sie hätte sich einfach wieder hinlegen sollen!
Somit lege ich sie aufs Bett, weshalb sie das Handy auf Lautsprecher stellt.
„Deine Klasse geht es gut. Alle Erinnerungen wurden ausgelöscht, doch wir wissen nicht wer allen ihre Erinnerungen genommen hat. Aber keine Angst. Wir werden das nachgehen.“, hören wir ihr zu.
Doch dann spanne ich meine Muskeln an. Was hat sie gesagt? Jemand hat ihnen also die Erinnerungen ausgelöscht?! Jemand Fremdes?! Bedeutet das etwa, dass sie in Gefahr ist? Ob es sich etwa um- Nein! Oder doch?! Handelt es sich wirklich bei diesem um DEN Vampir Hunter?
„Da bin ich erleichtert.“, gibt die Liegende neben mir zu, bevor sie sich auf meine Brust legt, was ich wirklich gemütlich finde.
„Ja. Alle sind wieder in der Schule und alles verläuft hier wieder friedlich. Und wie läuft's so bei dir? Außer deinem zu hohen Blutverlust, dass dein Hirn unfähig macht zu denken?“
„Tante Gracy!“, ermahnt Shirley sie aufgebracht, doch die am anderen Ende der Leitung seufzt nur genervt und verzweifelt.
Irgendwie bin ich ziemlich aufgewühlt an den Gedanken, dass jemand vielleicht hinter meiner Shirley hinterher ist, weshalb ich ihre Wange streichle. Dadurch beruhigt sie sich auch ein wenig, wobei sie sogar ihre Augen genussvoll schließt. Jetzt hätte nur noch ein Schnurren ihrerseits gefehlt. Manchmal ähnelt sie wirklich eine Katze.
„Und? Hast du dich eingelebt?“, nervt Graceleen uns.
„Im Groben und Ganzen ja.“, bleibt die Braunhaarige geheimnisvoll. Kurz öffnet sie ihre Augen, doch schnell schließt sie diese wieder.
Mir fällt auf, dass sich ihre Augenfarbe wieder in ein verführerisches violett verwandelt.
Als sich Shirley von ihrer Tante verabschiedet und auflegt, stelle ich sofort etwas Wichtiges fest: „Du kannst von mir so viel Blut haben, wie du willst.“
Dabei flüstere ich in ihr Ohr, so als würde ihre Tante noch immer zuhören.
Sie fackelt nicht lange und überfällt mich wortwörtlich. Als sich ihre Fangzähne in mein Fleisch bohren, verspüre ich keinerlei Schmerzen sondern Lust.
Die Braunhaarige trinkt ein paar Schlücke, bevor sie von mir ablässt. Sofort grinse ich sie amüsiert an: „Kannst wohl nicht von mir ablassen, was?“
Darauf zieht sie bloß ihre Augenbraue hoch und legt sich wieder aufs Bett.
Wegen dieser Reaktion muss ich kichern und bin so glücklich, dass ich meine Arme unbedacht um sie schlinge und mich an sie kuschle: „Du riechst so gut.“
Sofort zuckt sie zusammen, weshalb ich ein wenig unsicher werde. Die Angst wird wohl noch weiter in ihr leben. Vielleicht sollte ich mich erst einmal etwas zurücknehmen und warten bis diese nachlässt…
Somit schnaufe ich verzweifelt und lasse von ihr ab. Kurz schaut sie mich verwirrt an, als ich mich beleidigt umdrehe und vorgebe zu schlafen.
Plötzlich scheint sie wütend zu sein und dreht mir ebenso den Rücken zu, doch sieht erneut zu mir. Dann werde ich stutzig als sie mir eine meiner Haarsträhnen lächelnd hinter meinem Ohr streift. Mein Herz schlägt höher, als sie mir einen Kuss auf die Wange drückt.
„Gute Nacht, Arschloch.“
Bei den Worten muss ich einfach dreckig grinsen, etwas anderes geht einfach nicht bei ihr.
Sofort erwidere ich etwas darauf: „Dir auch eine gute Nacht, Liebling.“
Dabei schnalze ich schön mit der Zunge, um sie zu provozieren, doch sie geht nicht darauf ein und schläft nach geraumer Zeit ein und kaum ist dies erledigt, dreht sie sich um und kuschelt sich in meine Arme. Wie sie es nur immer schafft, so schnell einzuschlafen, frage ich mich. Aber langsam gewöhne ich mich wirklich sehr an sie, nein, ich habe sie bereits ins Herz geschlossen. Ja, ich kann mir das Leben schon nicht mehr ohne sie vorstellen.
Lächelnd beobachte ich sie dabei, als mir auffällt wie sehr sie doch Ivonne ähnelt. Damals konnte ich sie nicht retten, doch jetzt werde ich Shirley mit Einsatz meines ganzen Lebens beschützen…
Vorsichtig streife ich ihr eine Haarsträhne vom Gesicht, bevor ich die Braunhaarige einfach weiter glücklich anstarre.
Bevor ich es überhaupt bemerke, bricht der nächste Tag an und ich habe mir einen Entschluss gefasst. Ich werde in unserer kurzen, gemeinsamen Zeit, die wir zusammen verbringen werden, sie nie wieder verletzen oder gemein zu ihr sein, doch werde ich auch keine Sekunde verschwenden. Ja, ich werde um sie kämpfen.
Irgendwann öffnet sie ihre Augen und ich kann nicht anders, als sie anzugrinsen. Ob sie genauso drauf ist, wie gestern und mich küsst oder sich küssen lässt? Vielleicht sollte ich es einfach einmal wagen und ausprobieren?!
Sofort schließt sie jedoch wieder ihre Augen, weshalb ich für einen Moment verwirrt bin, doch dann wird es noch seltsamer, als sie aufschreckt und mich mit einem Schubs vom Bett wirft. Meine Augen weiten sich und ich sehe sie überrascht und gleichzeitig entsetzt an. Was war das denn gerade?! Woher hat sie bloß diese Kraft?! Gestern war sie doch noch ganz anders drauf oder hat sie sich schon so gut von allem erholt?!
Shirley setzt sich auf, bevor ich mich vom Boden erhebe und sie verwundert angrinse. Irgendwie gefällt mir ihr Verhalten total! Eine Frau, die sich nicht nur gegen mich auflehnt, sondern sich auch noch gegen mich behaupten kann! Sie ist wirkliche eine außergewöhnliche Person.
„Wenn du so drauf bist, bist du ja noch unwiderstehlicher!“, gebe ich ihr ehrlich zu verstehen.
Doch das scheint sie nur rasender zu machen, was mich wieder einmal in ihren Bann zieht. Irgendwie bin ich ihr wirklich hoffnungslos ausgeliefert. Egal wie sie reagiert, ich finde es klasse. Mein Herz rast und am Liebsten würde ich ihr meine Gefühle preisgeben, wenn ich es dürfte. Natürlich geht dies nicht, es ist mir strengstens untersagt. Trotzdem macht mich schon der Gedanke daran ganz wild auf sie. Verdammt!
Die Braunhaarige steht auf und nimmt ihre Uniform ins Bad mit. Sofort schließt sie ab, so wie ich sie eigentlich auch kenne. Es dauert nicht lange und schon höre ich die Dusche.
Seufzend ziehe ich mir diese lächerliche Uniform an, die aus einer schwarzen Hose, einem weißen Unterhemd, einer dunkelbraunen Jacke, einer blutroten Krawatte und dunkelbraunen, festen Schuhen besteht. Ich hasse es, wenn ich so etwas anziehen muss. Ja, es steht mir, auch wenn sie ziemlich hässlich ist, doch darum geht es mir nicht. Wieso darf niemand das anziehen, was er mag? Das ist doch totaler Quatsch!
Und wer hat eigentlich diese Farbe als Schulfarbe vorgeschlagen? Ob der Direktor einen Tick auf diese Farbe hat? Egal… Es nervt mich trotzdem, auch wenn Shirley richtig heiß darin aussieht. Ich frage mich nur, was sie sonst so anzieht. Bisher habe ich sie nur in ihrer Uniform miterlebt.
Ohne einen weiteren Gedanken an Belangloses zu verschwenden, ziehe ich mir meinen Rucksack über, bevor sich meine Gedanken wieder verirren. Wieso habe ich mir auch damals keinen Spind angelacht? Wenigstens ist dieser schwarz und nicht braun! Aber jetzt muss ich alle Bücher immer umher schleppen.
Es dauert nicht lange und schon öffnet sich die Tür und eine frisch geduschte Schönheit steht vor mir. Ihr Duft ist immer dann stärker, sobald sie unter der Dusche war. Wieso nur?! Es macht mich einfach wahnsinnig!
Als auch sie ihre Tasche aufsetzt, treten wir aus dem Raum und schließen unser gemeinsames Schlafgemahl, bevor wir zusammen den Gang beschreiten.
Die ganze Aufmerksamkeit gilt uns und irgendwie gefällt es mir sogar. Schon allein der Gedanke daran, dass wir ein Paar wären, macht es zu einer wunderschönen Situation. Nein, es ist nicht erträglich, sondern furchtbar. Diese Lage hier ist grausig. Wir werden niemals ein Paar werden, niemals! Es schmerzt, doch ist es die reine und einzige Wahrheit.
Provozierend lege ich meinen Arm um sie. Irgendwie sehnt sich mein Inneres nach ihr, obwohl sie doch genau neben mir herläuft.
Sie wehrt sich nicht dagegen, weshalb ich mein Spiel fortsetze.
Gerade als wir Fram erkennen und meine Shirley diese anstrahlt, grinse ich breit und biege einfach zu meinem Bruder ab. Wenn sie sich das schon gefallen lässt, dann sollte ich vielleicht noch eine Spur drauflegen?
Es macht mir einfach so viel Spaß sie zu ärgern. Meine Schönheit regt sich einfach immer so süß auf, dass man sie am Liebsten direkt vernaschen würde!
Doch dann hält sie einfach an und als ich einen Blick in ihre Augen riskiere, erkenne ich die gewaltige Wut, die sie auf mich hat. Ja, so finde ich es besser. Ich habe es verdient, dass sie einen solchen Zorn gegen mich hegt.
Aus einem mir unergründlichen Grund streckt sie sich zu mir hoch und zieht mich ein wenig zu sich herunter, bevor sie mir einen Kuss auf die Wange drückt. Mein Herz schlägt sofort höher, doch ich habe keinen blassen Schimmer, was sie damit bezweckt.
Doch dann verstehe ich es, als der Halbvampir mir mit ihrer Faust in den Magen boxt. Ihre Kraft, die sie auf den Tag legt, ist unheimlich und bereitet sogar mir solche Schmerzen, dass ich nicht mehr auf den Beinen stehen kann. Als ich schmerzverzerrt auf die Knie falle und meinen Bauch halte, strahlt sie mich glücklich an.
„Du hast dich echt schnell erholt…“
Durch diese Worte lächelt mich Shirley an: „Ich mag dich auch.“ Diesen Sarkasmus in ihrer Stimme haut mich für den Bruchteil einer Sekunde wirklich um. Woher nimmt sie bloß diese Kraft? Ihre Stärke ist mir unergründlich und doch unwiderstehlich.
Dann schreitet sie auch bereits zu ihrer grünhaarigen Freundin herüber und lässt mich allein.
Ich ignoriere das Lachen um mich herum und folge ihr sofort in Begleitung von Cem.
Sie unterhält sich mit Fram, doch ich verstehe kein Wort, da ich bei ihrem Anblick immer wieder verzaubert bin. Ich kann mich einfach nicht mehr von ihr lösen. Die Braunhaarige ist der Sinn meines Lebens.
Hinter ihr bleibe ich stehen, als sie sich hinsetzt und noch immer nicht mitbekommt, dass ich bei ihr bin.
Plötzlich lachen Beide drauf los und irgendwie kommt es mir wirklich so vor, als wenn sie sich über mich lustig machen würden. Sah das eben wirklich so komisch an?
„Was lachst du so?“, flüstere ich ihr neugierig ins Ohr, als sie sich grinsend zu mir umdreht und sich irgendwie der Spieß umdreht.
„Über dich.“, sagt sie locker und so selbstbewusst, dass ich schon denke, hier sitze ihr Doppelgänger, doch dem ist nicht so. Sie ist diejenige, die ich liebe, deshalb wüsste ich, wenn sie nicht die Echte wäre.
Doch jetzt muss ich auch grinsen, da sie endlich nicht mehr Angst vor mir hat. Das beruhigt mich ungemein!
Eine Stimme erklingt und meine Wut steigt augenblicklich: „Schwester!“
Sofort umarmt der Blauhaarige seine Schwester, was mich zutiefst trifft. Rasend vor Wut balle ich meine Hände zu Fäusten und sehe vernichtend zu, wie Shorn sie umsorgt.
„Mir geht es gut.“, versichert meine Schönheit ihm, doch nicht einmal ich kann es ihr glauben. Zwar hat sie sich erholt, aber irgendetwas stimmt noch immer nicht mit ihr und es hat mit ihrer Abstammung zu tun, das weiß ich. Ob sie ihre Kräfte wegen ihrem halben Vampir in sich nicht kontrollieren kann?
Als er sie nach einer gefühlten Ewigkeit noch immer nicht loslässt, knurre ich wutentbrannt. Er soll sich gefälligst von ihr fernhalten! Seine Blicke kenne ich genau, weshalb ich von seinen Gefühlen zu meiner Shirley weiß und dass macht mich so zornig, dass ich ihn am Liebsten würgen könnte! Doch ist er immer noch ihr Halbbruder, weshalb ich mich zügle…
Ich will der Braunäugigen nicht schon wieder Schmerzen zufügen, sobald ich mich mit deren Verwandten streiten würde. Nein, das will ich nicht, doch trotzdem werde ich mich niemals mit
Kurz darauf kommt auch noch Kenzen hereingeschneit und erst jetzt bemerke ich, dass es bereits Unterricht ist und platziere mich schnell neben Cemedy hin, um keinen Ärger zu bekommen, obwohl ich sowieso ein From bin und mir deshalb alles erlauben darf.
Somit schaue ich mir hellhörig das Spektakel weiterhin an.
„Es tut mir leid. Ich habe ihn versucht davon abzuhalten, doch wollte er nicht auf mich hören...“
„Macht doch nichts.“, lächelt Shirley ihren Cousin verzweifelt und glücklich an.
Doch dann erkenne ich wie der Lehrer sich nicht mehr im Zaun hält und ausrastet: „Und wie das etwas macht. Raus hier! Alle Beide! Es ist Stunde!“
Unser Klassenlehrer scheint heute irgendwie aufgekratzter zu sein, als sonst. Wieso nur?!
Irgendetwas stimmt hier doch nicht! Ich spüre es… Jemand beobachtet uns und das nicht nur jetzt. Verdammt, wieso habe ich das nicht schon eher mitbekommen?
Was ist, wenn er hinter Shirley her ist? Was ist, wenn es sich um den Vampir handelte, der die Gedächtnisse der anderen löschte? Was ist, wenn er sie umbringen will? Was ist, wenn er sie bedroht oder- Nein, ich darf nicht daran denken! Aber ich muss doch irgendetwas dagegen tun, doch was?
Der Schwarzhaarige verlässt den Raum rasch, doch Deaver, der dämlichste Vampir auf der Welt, bekommt von dem Geschrei von Herr Shirou nicht einmal etwas mit. Na ja, das soll mir ganz recht sein. So bekommt er Ärger und wir weniger Unterricht. Wow, das sind schon zwei positive Aspekte, weshalb ich diesem Idioten auch nichts erkläre.
Grinsend betrachte ich diesen Anblick, der mir geboten wird. Unser Klassenlehrer nimmt sich sein Buch und schlägt dem Blauhaarigen mit diesem auf dem Kopf. Sofort fährt er herum und schreit umher: „Wer war das? Denjenigen bring ich-“
Als er sieht, dass es sich dabei um unseren Klassenlehrer handelt, hält er inne. So reglos wie er dasteht, kann ich mir kein gehässiges Grinsen verkneifen. Er ist in ein Fettnäpfchen getreten!
„Was wollen sie dann tun?“, fragt unser Lehrer Shorn belustigt, „Würden Sie mich dann umbringen, hm?“
Er knurrt aufgebracht und drückt meiner Shirley einen Kuss auf die Wange, was mich rasend vor Zorn macht.
Bevor ich noch mein Gesicht verliere, schreitet der Blauhaarige mit einer Frage dazwischen: „Sie dürften heute doch gar nicht hier sein?“
Diese Frage macht mich neugierig und hellhörig. Warum soll dies so sein?! Was ist geschehen und warum weiß ich nichts davon, wenn ich, ein Angehöriger der Froms, doch immer als erster die Neuigkeiten mitbekam und wusste?!
„Ich bin hier, weil es meine Aufgabe als Lehrer ist, seine Klasse zu unterrichten und falls Sie es vergessen haben, Mister Deaver, ich bin der Zweitstärkste hier im Internat. Also würde ich nicht so vorlaut sein, klar?“
Was hat da zu bedeuten?! Warum weiß dieser Idiot das und ich nicht?! Moment- Wurde er etwa von irgendjemand angegriffen?! Treibt sich hier ein Hunter herum?! Also ist das Gefühl, beobachtet zu werden, keine Einbildung? Bestimmt hat es etwas mit Shirley zu tun, aber ob sie über diese Vorkommnisse aufgeklärt wurde?! Nach meinem Eindruck her scheint sie keinesfalls Bescheid zu wissen, denn ihr fragendes Gesicht erzählt mir ziemlich viel von ihr.
Skeptisch sehe ich mir das weitere Szenario an, was auf dieses Spektakel folgt.
Als Deaver weigerlich endlich verschwindet, sollte eigentlich der Unterricht ungestört fortgesetzt werden, doch Herr Shirou hat anderweitiges zu tun und dies bedeutet, dass er Shirley anstarrt und über etwas grübelt, was vermutlich von ihr handelt. Ob sie in Gefahr ist? Aber wieso erzählen sie es ihr nicht und wieso lassen sie den Halbvampir dann überhaupt noch am Unterricht teilnehmen? Diese Situation gefällt mir ganz und gar nicht…
„Würden Sie dann bitte uns auch etwas lernen? Sonst hätte Shorn genauso gut hierbleiben können.“, meinte Fram zickig.
Recht hat sie ja irgendwie schon, aber muss sie so unhöflich sein?!
Na ja, jeder weiß hier inzwischen, dass sie in Deaver verliebt ist, aber ich verstehe nicht, warum sie ihn dann an Shirley ranlässt. Warum tut sie so etwas?!
Doch meine Gedanken schweifen ab, als er mit dem Unterricht endlich beginnt, sehe ich immer verstohlen zu Shirley, doch passe ich halbwegs auf.
Als er endlich zu Ende geht, bittet der Lehrer meine Schönheit noch einen Moment zu warten. Kurz blicke ich noch einmal zurück, doch dann folge ich Cem hinaus. Was er wohl mit ihr besprechen will? Ob er sie über alles aufklärt?
Die ganze Zeit überlege ich, was wohl passiert ist. Irgendetwas geht da vor und ich will endlich wissen, was sich hier abspielt!
„Hast du eine Ahnung worüber unser Lehrer wohl mit meinem Engel sprechen will?“
Kurz überlegt er, doch dann zuckt er einfach nur mit den Schultern und verneint ehrlich.
Ob unsere Familie nichts davon weiß? Nein, das ist unmöglich! Sie müssen etwas darüber wissen… Aber wer von ihnen? Mein Vater sicherlich, doch er würde es mir niemals erzählen und mein Cousin hat sicherlich auch eine Ahnung, aber ob er mich darüber aufklären würde? Wenn der Vorstand es wüsste, dann auch Kirigune, aber es kann auch ein Fehlgriff sein.
Warum habe ich damals bloß abgelehnt, als sie mich fragten, ob ich auch ins Sicherheitskomitee wolle?! Dann wüsste ich jetzt zumindest was los wäre!
Gedankenverloren setze ich mich an unserem Stammtisch hin und zerbreche mir den Kopf darüber, was genau los ist. Ich will nicht, dass ihr etwas geschieht und wenn sie nun in Gefahr ist, dann-
„Was hast du?“
Sofort schrecke ich hoch und fahre um mich, als ich in goldene Augen sehe. Kirigune sieht mich besorgt an, doch ich schüttle bloß seufzend den Kopf. Irgendwie ist mir gerade nicht danach zu reden, weshalb ich nur meinen Kopf auf dem kalten Holz lege und weiter grüble.
Natürlich unterbricht meine Schwester mich dabei: „Er denkt wieder einmal an Räin.“
Sie spricht ihren Nachnamen abwertend aus, weshalb ich sie nun anknurre. Meine Augen blitzen vor Wut auf und ich springe ihr beinahe schon an die Gurgel, als ich sie warne: „Lass das, Michella! Ist das nicht schon genug, dass du sie abfackeln wolltest?“
Darauf kichert der Braunhaarige neben mir und ich verdrehe meine Augen. Er ist ziemlich kindlich, obwohl er schon seit Jahrhunderten lebt. Aber ich bin heilfroh, dass er so ist und das Trauma, welches man ihm zugefügt hat, verkraftet. Wo seine große Liebe bloß in diesem Moment gerade ist?
„Kinder“, scheint unsere Mutter verzweifelt und schüttelt nur noch hoffnungslos ihren Kopf, als sich Kurén zu uns gesellt. Wie immer schweigt er und sieht gelangweilt drein. Alles ist so wie immer und doch ist alles anders.
Meine Augen durchbohren ihn, doch er bleibt gelassen und hält inne. Wie kann er bloß noch in den schlimmsten Momenten so ruhig sein?! Ich verstehe ihn einfach nicht!
Er weiß etwas, das weiß ich… Aber wieso verschweigt er wichtige Informationen?!
Cemedy verwickelt seine richtige Schwester in einem Gespräch, während die Rothaarige ihr Essen genießt und ich den Kaffee trinkenden Vampir beobachte und nicht aus den Augen lasse. Er kann mir einfach nichts vormachen. Kurén weiß immer alles, sowie Kenzen. Die Beide ähneln sich in diesem Punkt sehr. Vielleicht sind sie ja doch irgendwie miteinander verwandt und wissen es nur nicht? Das würde auf jeden Fall so einiges erklären…
„Sieh mal“, grinst der Braunhaarige breit und deutet zu Shirley, welche allein hier herumschleicht. Hä?! Wo sind denn ihre Beschützer geblieben? Das ist irgendwie ziemlich kurios und so gar nicht normal. Vielleicht sollte ich zu ihr hin?
Als ich aufstehe, will mich Michella aufhalten, doch ich kehre ihr einfach den Rücken zu und marschiere geradewegs zu meiner Süßen. Hinter ihr bleibe ich stehen und frage sie dann direkt: „Shirley, was machst du hier so alleine?“
Augenblicklich dreht sie sich zu mir um und fällt kraftlos in meine Arme. Mehrmals blinzle ich, bis ich realisiere wie sie schluchzt. Oh man, was haben sie ihr bloß angetan? Ich bringe sie um, wenn ich die sehe!!! Wie können sie eine so wundervolle Person zum Weinen bringen? Da muss man nun wirklich herzlos sein!
Sie vergräbt ihr Gesicht in mein Hemd und wenn es zu einem anderen Anlass wäre, würde ich mich über ihre Nähe freuen, aber so?
Ich agiere in Sekundenseile und ziehe sie noch näher zu mir. Beruhigend streiche ich ihren Rücken auf und ab, während ich ihr leise ein paar aufmunternde Worte zuflüstere. Leider hilft dies irgendwie nicht, was mich aber dazu bewegt weiterzumachen.
Somit flüstere ich ihr etwas in den Ohr, wofür ich selbst eine Menge an Überwindung brauche: „Hey, egal was ist, ich bin für dich da.“
Meine Gefühle sind entzweit. Einerseits klopft mein Herz vor Freude, dass sie mich nicht gleich wieder von sich stößt, aber andererseits bin ich wütend und aufgebracht, dass jemand sie so aufgekratzt hat und wiederum schmerzt es, sie so zu sehen…
Eine Weile stehen wir noch so da, bis sie ihre Tränen aufgebraucht hat und sie sich endgültig wieder im Griff hat. Wie soll ich jetzt mit ihr umgehen?
Langsam lösen wir uns voneinander und die Braunhaarige sieht mir mit rot unterlaufenen Augen ins Gesicht.
Dann fällt mir etwas ein und ich versuche sie etwas aufzumuntern, indem ich so bin, wie ich nun einmal bin: „Wie du aussiehst! Echt heiß!“
Anscheinend funktioniert es nicht, aber ich lenke sie wenigstens ab, da sie jetzt eine ihrer wundervollen Augenbrauen hochzieht und mich verständnislos anstarrt: „Das du in diesem Moment an so etwas denkst.“
Es fasziniert mich doch immer wieder, dass mein Charme ihr nichts anhaben kann.
„Wie könnte ich so einen-„
„Moment nicht nutzen. Ja, ich weiß.“, beendet sie seufzend meinen Satz. Für einen kurzen Augenblick bin ich erstaunt, dass sie es noch weiß. Ich dachte, dass sie es bereits vergessen hat, aber anscheinend kann ich doch noch hoffen, was?
Fröhlich greife ich ihre Hand und verschränke sie mit meine, während ich sie zu meiner Familie, die uns bereits beobachtet hat, mitschleife. Man sieht mir sicherlich an, wie glücklich ich doch bin… Sie hätte sich normalerweise nämlich dagegen gewehrt, doch jetzt lässt sie es einfach zu.
Somit setze ich noch einen drauf und nehme auf meinem Stuhl platz und ziehe das Fliegengewicht auf meinen Schoss. Damit sie nicht vor mir flüchtet, schlage ich meine Arme um sie und halte sie gut fest. Auch dagegen macht sie nichts und mein Gesicht strahlt immer mehr.
Doch ich bemerke dann, wie sehr sie sich verkrampft, als uns die Aufmerksamkeit am Tisch gilt. Deshalb spannt sie sich immer mehr an. Irgendwie verletzt mich diese Reaktion minimal, doch ich halte meinen Gesichtsausdruck weiter.
Als ich mich dann umsehe, erkenne ich das zweideutige Grinsen von Cem und einen Todesblick von Michella, weshalb ich sie etwas streng ansehe und den Kopf schüttle. Kirigune weiß nicht, ob sie sich freuen oder wieder verzweifelt sein soll und mein Cousin sieht so wie immer drein, was mich natürlich auch in gar keiner weise wundert.
„Shirley“, stelle ich nun fröhlich vor und deute jeweils auf die Personen, „Das ist Kurèn, mein Cousin; Kirigune, meine Mutter und Michella, meine Schwester, die du ja schon etwas kennengelernt hast.“
Damit räuspere ich mich und schiele bedrohlich zu der Braunhaarigen.
Sofort reagiert sie darauf und rollt kurz genervt ihre Augen, bevor sie nur so voller Sarkasmus blüht, dass ich ihr am Liebsten den Mund verboten hätte: „Tut mir so unendlich leid.“
Sie macht sich darüber lustig und lächelt auch noch so theatralisch, dass ich wirklich mit ihr geredet hätte. Was hat sie bloß gegen diese zierliche Person?! Ist sie etwa so, weil sie denkt, dass ich sie dann vergesse, wenn ich Shirley habe? Sie hat sie doch nicht mehr alle… So egoistisch kann sie doch wirklich nicht sein, oder? Ach ja, doch das kann sie sogar sehr gut.
Bevor ich noch etwas darauf erwidern kann, höre ich bereits die engelsgleiche Stimme von der Braunhaarigen: „Es freut mich euch kennenzulernen.“
Diese Worte irritieren mich, doch ich erkenne ihre Ernsthaftigkeit in diesen Worten. Irgendwie seltsam… Wie kann sie so etwas sagen, wenn unsere Familien doch miteinander verfeindet sind? Na gut, sie hat damit eigentlich nichts zu tun, da sie nichts von dem Vorfall vor knapp dreihundert Jahren bescheid weiß. Nein, sie ist ahnungslos und das kann ein Vorteil oder ein Nachteil sein. Ich weiß es nicht genau…
Dann holt mich ein schallendes Lachen aus den Gedanken und ich brauche nicht einmal hinsehen, um zu wissen, dass es Cem gehört. Er ist der Einzige, der sich über alles lustig machen kann, selbst in ernsten Momenten.
„Du hasst uns, aber sagst, dass du dich freust uns kennenzulernen?“, grinst er Shirley schelmisch an, „Du bist echt verrückt!“
Da hat er irgendwo recht, aber hasst sie uns wirklich? Das stimmt mich traurig und sofort verändert sich meine Miene wieder. Mein Herz zersplittert in diesem Moment in tausende von Teilen. Solche Schmerzen habe ich schon lange nicht mehr gespürt…
Sie zieht kurz eine Grimasse, bevor sie reichlich kontert: „Ich bin verrückt, ja? Und was seid ihr dann? Schließlich seid ihr es, die meine Familie und auch die von Geonas Schlimmes angetan habt und noch immer antut.“ Das stimmt auch wieder.
Aber sie hat die Aussage von meinem Bruder nicht abgestritten, weshalb ich nur noch trauriger bin. Super, meine Laune ist wieder im Keller!
„Und doch bist du hier und nicht bei ihnen.“
Ja, der Grünhaarige sagt genau das, was ich die ganze Zeit über denke. Wieso ist sie hier, wenn sie uns doch so sehr hasst? Sie hat doch Freunde und Familie und doch hat sie eben geweint und lief allein durch die Gegend…
Vielleicht wollte sie auch zu mir und dass ich sie tröste? Ach, jetzt sehe ich schon Hirngespenster!
Aber dann bemerke ich wie sie schon wieder melancholisch auf den Boden starrt und schweigt. Jetzt reicht es mir! Ich kann sie nicht länger so sehen und will endlich wissen, was geschehen ist, damit ich endlich denjenigen, der daran schuld ist, eine verpassen kann!!!
Kurz seufze ich, bevor ich sie direkt frage: „Was hat Deaverarschloch zu dir gesagt? Ist er wütend, weil du dich etwas besser mit mir verstehst?“
Diese Annahme ist berechtigt, doch sie schüttelt nur den Kopf.
„Sie verschweigen mir etwas Wichtiges. Irgendetwas ist gestern passiert und es handelt von mir. Solange sie keine Anstalten machen es mir zu erzählen, werde ich kein Wort mehr mit ihnen reden.“
Aha, also sind sie nicht dazu befugt, ihr es zu erzählen? Dann muss es ein schwerwiegendes Problem sein, welches um Shirley handelt. Aber wieso hat der Vorstand beschlossen, es geheim zu halten? Wäre es nicht besser, wenn sie davon wüsste? Dann könnte sie sich zumindest davor schützen, nicht?
Anscheinend muss ich diese Aufgabe jetzt übernehmen, da diese Idioten sie lieber mit der Gefahr allein lassen, als ihr das Geheimnis zu verraten.
„Ist das nicht etwas hart?“, fragt meine Mutter sie urplötzlich und ich muss meine Augen verdrehen, da es wirklich typisch für sie ist. Sie ist einfach zu weich…
Die Rothaarige zieht ihre Augen hoch, während sie auf eine Antwort wartet. Cem grinst wieder einmal neugierig und Michella ist sichtlich genervt von allem, nur mein Cousin bleibt wieder einmal gelassen, so als hätte er und Kirigune selbst nichts zu befürchten, denn sie sind auch in allem genaustes informiert und somit wissen sie ebenso bescheid. Fragt sie meinen persönlichen Schatz das etwa deshalb?!
Jetzt wird meine braunhaarige Schönheit wütend und knurrt wie ein Hund, was ich total sexy finde. So gefällt sie mir noch mehr!
„Wieso? Wenn ihnen an mir etwas gelegen hätte, hätten sie mich nicht gehen lassen. Ich hatte ihnen eine Wahl gelassen. Jetzt müssen sie mit ihren Konsequenzen rechnen.“
Damit hat sie vollkommen recht! Nur wegen ihnen war sie so schrecklich aufgelöst! Sie haben es nicht anders verdient!
Shirley zuckt mit ihren Schultern und schmiegt sich an meine Brust, wobei ich breit grinsen muss. Ob sie überhaupt bemerkt, was sie da gerade tut? Egal, es fühlt sich so wunderschön an sie bei mir zu haben.
Am Liebsten würde ich sie für immer in den Armen halten und ihren Geruch einatmen. Dafür müsste ich zwar ziemlich viele Bluttabletten aufbrauchen, aber solange ich bei ihr bin, ist mir alles recht. Nur muss ich mich etwas besser im Griff halten, so dass es nie wieder zu so einem Vorkommnis von letztens kommt…
Kurén beteiligt sich nun an dem Gespräch, was mich sichtlich wundert: „Dann bist du hier um sie zu bestrafen?“
Und schon wieder verpasst es mir einen Stich in meinen Herzen. Wenn das wirklich stimmt, dann-
„Nein“, wird sie nun verlegen, was mich wirklich überrascht, „Ich weiß selbst nicht wirklich wieso ich gerade zu euch kam.“
Ihre Ehrlichkeit überrascht mich immer und immer wieder und wenn sie verlegen wird, ist sie noch süßer als sonst! Das steht ihr wirklich sehr.
Mein Herz rast und ich strahle endlich wieder. Ja, es ist einfach wundervoll bei ihr zu sein.
„Ich finde es schön.“, sage ich wahrheitsgemäß und lege dann meinen Kopf auf ihre Schulter. So wohl habe ich mich schon lange nicht mehr gefühlt.
„Und du kannst jetzt immer bei uns abhängen, Baby.“
Darauf antwortet sie zwar nicht, aber es reicht mir bereits, dass sie mich nicht von sich gestoßen hat. Endlich habe ich sie ganz für mich…
Cem zankt sie noch viel, doch sie geht nicht darauf ein und kuschelt sich immer weiter an mich, bevor sie gedankenverloren mit ihren Händen über meine streicht. Ich genieße diesen Moment sehr, doch leider hält er nicht ewig, da irgendwann die grässliche Glocke zu läuten anfängt und sie sich erhebt.
Sofort stehe ich auf und nehme einfach ihre Hand, die sie mit meiner verschränkt. Wieso ist sie nur auf einmal so zu mir? Ach egal, ich freue mich einfach über dieser Sinneswandel. Bestimmt will sie bloß nicht allein sein, aber ich freue mich einfach so unheimlich, dass ich gerade wirklich den Mount Everest mindestens zwei Mal pausenlos erklimmen könnte!

Die Wahrheit über Shirleys Bedrohung




Als wir endlich im Raum angekommen sind, erkenne ich die tödlichen und geschockten Blicke einiger, doch ich ignoriere sie gekonnt. Soll mir doch egal, wie sie fühlen! Shirley ist die Einzige, die für mich wichtig ist, niemand sonst.
Dann fällt mir Fram auf und sofort kommt mir eine Idee, weshalb ich ihr diese sofort berichte: „Soll ich nicht Mister Grandul fragen, ob du dich vor mir setzen kannst oder ob wir die Plätze tauschen können? Du weißt, er würde alles machen, damit mein Vater nicht verärgert ist.“
Es hört sich zwar hart an, was ich dort von mir gebe, aber es stimmt. Der blaugrünhaarige Vampir ist ziemlich beeinflussbar und hat immerzu Angst. Es würde mich nicht wundern, wenn er sich selbst vor seinem eigenen Schatten fürchtet.
Trotzdem ich sorge mich wirklich. Sie wird es sicherlich nicht aushalten und erneut zusammenbrechen…
„Nein, braucht nicht. Du weißt ja gar nicht, wie stur ich sein kann.“
Wegen diesen Worten muss ich mir ein Grinsen verkneifen. Wie recht sie mit dieser Aussage doch hat! Sie ist die Einzige, die wirklich nicht locker lässt und mich öfters auch damit in den Wahnsinn treibt.
Im Moment jedoch ist sie ganz anders und sehr zerbrechlich… Ob sie sich hierbei wirklich durchsetzen kann? Ich bezweifle es stark, aber ich kann sie zu keiner Entscheidung zwingen und somit gebe ich ihr bloß einen kurzen Kuss auf die Wange und fühle mich dabei sehr prächtig, da sie sich selbst dabei nicht sträubt. Meine Chancen steigen irgendwie immer mehr.
Seufzend geselle ich mich zu meinem Bruder und packe dann meine Bücher aus. Währenddessen starre ich nervös zu Shirley. Diese wird, wie erwartet, von ihrer Sitznachbarin angesprochen. Am Liebsten wäre ich sofort zu ihr gerannt, aber sie will es selbst klären, also überlasse ich es ihr auch, selbst wenn es mir noch so schwer fällt.
Als ich sehe, wie sie ihre Sachen auf dem Tisch wirft, muss ich leicht grinsen. Wow, die Braunhaarige trotzt ihr also wirklich! Das ist außergewöhnlich, aber so kenne ich sie ja. Mein Engelchen ist halt anders als alle hier.
Doch als diese dumme Kuh wieder ihr etwas gegen den Kopf wirft, erkenne ich den traurigen Blick von ihr. Leise seufze ich und würde sie so gerne trösten, doch ich kann jetzt nichts tun.
Mister Grandul taucht dann endlich auf, weshalb ich irgendwie beruhigt bin, denn länger hätte Shirley es wahrscheinlich nicht ausgehalten.
Selbst wenn ich aufpassen wollte, ich kann es nicht. Immerzu bleibe ich an meine Mitbewohnerin hängen. Sie sieht nur starr auf das Buch vor ihr. Vielleicht hätte ich sie krank melden sollen? Nein, nachher wäre ihr etwas geschehen… Aber ich hätte mich auch mit ihr krank melden können, so dass ich auf sie aufpassen könnte… Jetzt ist es jedoch zu spät.
Hoffentlich geht alles gut aus…
„Shirley“
Sofort zucke ich zusammen und schlucke heftig, als ich bemerke, dass unser Lehrer sie angesprochen hat. Das hört sich nicht gut an…
Es reicht mir ja schon, dass er so respektlos ist und sie nur noch mit dem Vornamen anspricht, aber dass er sie in dieser Verfassung belästigt, macht mich rasend.
„Könntest du bitte diese Aufgabe da lösen?“, fordert er sie eher auf als zu fragen.
Damit deutet er auf eine komplexe Aufgabe an der Tafel, die selbst ich kaum lösen könnte, obwohl ich dieses Themengebiet bereits öfters kennengelernt habe.
Schon bevor die Schule in ihrer vollen Pracht erstrahlte, musste ich mich, dank meines Vaters, damit beschäftigen…
Gedankenverloren steht sie auf und begibt sich zur dunkelgrünen Tafel. Sie nimmt sich ein Stück der weißen Kreide und will gerade anfangen, doch irgendetwas hindert sie daran. Was hat sie nur?
Dann erkenne ich, wie Fram sie anstarrt und stöhne verzweifelt, bevor ich meine Hände vor meinem Gesicht halte. Diese dumme Kuh bringt sie noch zum Fall! Das kann ich doch nicht zulassen! Aber wenn ich jetzt nach vorne schreite, wird sie bis an mein Lebensende wütend sein, das weiß ich jetzt schon. Aber ich muss doch irgendetwas unternehmen…
Auf einmal zittert sie so schlimm, dass ich für einen Moment bewegungslos bin. Dann fällt sie auch schon auf die Knie. Meine Augen weiten sich. Ich wusste, dass so etwas geschehen würde und doch habe ich nichts unternommen…
„Geht es ihnen nicht gut, Miss Räin?“, fragt jetzt unser stellvertretender Klassenleiter, bevor ich aufstehe und mit mir selbst ringe. Soll ich zu ihr laufen, oder nicht? Ich weiß nicht, wie sie dann reagiert…
Doch dann springt sie auf und rennt aus der Tür. Sofort folge ich ihr und bleibe sicherheitshalber einen Schritt hinter ihr. Was hat sie vor? Ihr Gesicht ist wutverbrannt… Sie wird doch nicht- oder doch?
Gerade als sie mit ihren geballten Händen auf Kenzen zulaufen will, halte ich sie erst auf.
„Er ist es nicht wert.“
Ich versuche sie zu beruhigen, doch sie ist außer sich und sträubt sich gegen meinen Griff.
„Lass mich gefälligst los!“, schreit sie mich an und wird so stark, dass sie ihre Hand für einen Augenblick aus meinen befreit. Schnell kann ich jedoch ihr Handgelenk umfassen.
Als sich ihr Cousin urplötzlich umdrehen will, zerre ich sie um die Ecke, wobei ich sie kurz gegen die Wand drücke, bis ich bemerke, wie sich Schritte entfernen. Leicht atme ich aus, bevor ich ihr ein wenig Vernunft einleuchten will: „Du kannst doch nicht einfach so etwas-“
Doch sie unterbricht mich, indem sie zu schluchzen anfängt. Shirley… Sofort werden meine Gesichtszüge weich und ich drücke sie fest an mich. Wow, das nimmt sie wirklich mit…
Aber sie fängt sich schnell wieder und erzählt mir dann etwas, was mich zum Nachdenken bringt: „Ich habe Frams Gedanken gelesen... Sie wollen mich beschützen, da ich nur ein Halbvampir bin.“
Hat sie das wirklich gesagt? Eigentlich kann ich dies nicht glauben. Klar, sie wollen sie beschützen, aber nicht wegen dem Letzten, sondern weil sie sie ins Herz geschlossen haben und nicht wollen, dass ihr etwas geschieht. Aber müssten sie nicht genau deswegen, weil sie sie beschützen wollen, ihr das Geheimnis nicht offenbaren?
Trotzdem kann ich dazu nichts sagen, wenn sie es meiner Kleinen so begründet hat.
Nichtsdestotrotz muss ich jetzt grinsen und ergreife nun das Wort: „Und das glaubst du wirklich? Ich kann es nun nicht beurteilen und ich tue es auch nicht. Es ist mir so etwas von egal was du bist, wenigstens bist du du selbst und das genügt mir.“
Meine Offenheit bereitet mir sorgen. Ob sie jetzt bemerkt, dass ich etwas für sie empfinde?
Sofort strahlt sie wieder und das macht mich sehr glücklich…
Langsam schlendern wir, Hand in Hand, wieder zur Klasse zurück. Ich bemerke ihre Anspannung, doch ich beruhige sie, indem ich ihr sage, dass alles gut werden würde. Dadurch schenkt sie mir ein dankbares Lächeln, welches für mich unersättlich ist. Oh ja, ich liebe es…
Dann klopfe ich an die Tür, welche uns sofort geöffnet wird. Shirley drückt meine Hand etwas, während sie Mister Grandul eine Entschuldigung hinstottert. Er nimmt sie an, da er bemerkt, wie bedrohlich ich ihn entgegen trete.
Er lässt uns dann gewähren, bevor ich widerwillig ihre Hand loslasse und mich auf meinen Platz begebe. Sie setzt sich hin und passt nun den restlichen Unterricht mit diesem Lehrer auf. Sie ist stark und doch sehr emotional angeschlagen, da sie alle bereits ins Herz geschlossen hat. Ich mache mir wirkliche Sorgen um sie…
Nach der Stunde packe ich ein und Cem hat sich zum Glück einen Kommentar verkniffen, so dass ich nicht unnötig erklären muss, was hier vor sich geht.
Shirley will gerade auf mich und meinen Bruder zulaufen, als dieser Idiot von Zackary sie aufhält. Das gibt es doch nicht!
Meine Augen verengen sich und ich horche ihr Gespräch aus.
„Was soll das werden mit From?“ So herzlich und freundlich wie eh und je… Mein Sarkasmus strömt im Moment nur so aus mir. Ich kann es einfach nicht ab, sie mit einem anderen zusehen, selbst wenn sie nur reden. Es macht mich rasend vor Eifersucht.
Klar, er steht auf sie, aber sie bemerkt es wieder einmal nicht, sonst würde sie wissen, wie ich für sie empfinde…
„Es tut mir leid. Aber-„
Sie will sich entschuldigen? Sofort schreite ich ein und unterbreche mein Herzblatt. Oh Gott, das hört sich jetzt wirklich kitschig an…
„Hey, Zack“, spreche ich ihn nun ernsthaft an, „Tut mir leid, weil meine Familie und ich deine immer so heruntergemacht haben. Wir werden das zukünftig unterlassen. Kannst du mir verzeihen?“
Shirley bedeutet mir viel und wenn sie mich nur wegen diesem Problem hasst, dann werde ich es einfach beheben, so dass sie keinen Grund für ihre Abneigung gegen mich hat.
Verwirrt und überrascht sieht er abwechselnd zu ihr und zu mir. Selbst Shirley glaubt es nicht so ganz und starrt mich verwundert an. Freundlich warte ich auf eine Antwort und hoffe, dass ich sie überhaupt jemals bekomme.
Irgendwann nickt er schließlich, womit wir unseren Friedenspakt mit einem Handschlag besiegeln. Selbst meine Angebetene scheint damit zufrieden zu sein und ich bin erleichtert.
Daraufhin verschwindet er nun aus dem Klassenzimmer. Vielleicht freunde ich mich ja sogar mit ihm an? Oh man, wie sie mich verändert hat…
Damals hätte ich mir dies niemals vorgestellt, aber jetzt bin ich auch nicht mehr so voreingenommen und arrogant. Ich weiß jetzt, dass ich kämpfen muss, damit ich das bekomme, was ich will. Ja, ich will, dass sie sich in mich verliebt!
„Kommt ihr?“, höre ich dann die ungeduldige Stimme des Braunhaarigen. Wir Beide nicken synchron, weshalb ich sie kurz angrinse, bevor wir zu Cem marschieren, wer bereits lange genug warten musste. Schnell machen wir uns zu Shirleys und meinem Schlafgemach auf.
„Was sollte das eben?“, fragt sie mich dann neugierig und gleichzeitig völlig baff.
Ich wäre nicht ich, wenn ich keine schlagkräftige Antwort auf dem Lager hätte. Somit grinse ich sie amüsiert und frech an: „Ach, ich muss doch Punkten bei dir und außerdem wurde es mir langsam zu langweilig.“
Doch ich habe vergessen, dass sie genauso gut erwidern kann. Ihr Grinsen wird noch breiter als meines, bevor sie mich zum Staunen bringt: „Weil sie stärker wurden?“
Wow, daran habe ich noch keinesfalls gedacht… Stimmt, sie sind wirklich stark geworden.
Durch diese Worte werde ich jedoch sprachlos, da es wirklich unmöglich ist. Egal wie stark sie werden, ich bin trotzdem noch stärker! Nein, nicht wegen meiner Familie, sondern wegen meiner Erfahrung im Kampf. Ich habe bereits ein Krieg überlebt, sie nicht, denn sie lebten dort noch in einer menschenleeren Umgebung, weit weg von hier. Sie waren nicht im Krieg involviert…
Erst als ich Kenzen und Shorn vor uns erkenne, finde ich meine Stimme wieder. Super, jetzt versperren sie auch noch den Weg zu unserem Zimmer! Was kommt als Nächstes? Wollen sie sie in die Dusche begleiten, oder was? Also, das geht langsam wirklich zu weit!
Zuerst verletzen sie sie und dann so etwas! Ich kann sie wirklich nicht verstehen… Dabei habe ich Kenzen bis jetzt immer als sehr schlau eingestuft, doch jetzt zweifle ich langsam an seinem Verstand. Wollen sie ihre Verwandte gänzlich unter die Erde bringen? Es fehlt schon nicht mehr viel, so habe ich das Gefühl.
Sofort setze ich, zusammen mit Cem, wieder mein Pokerface auf und funkle sie vernichtend an.
„Macht Platz.“, befehle ich ihnen und will sie zur Seite drängen, doch sie bewegen sich kein Stückchen. Sie sind hartnäckig aber ich auch!
Der Blauhaarige stellt sich kampfbereit hin, wobei ich am Liebsten gelacht hätte, doch ich beherrsche mich, doch bei seiner Aussage kann ich kaum noch anders: „Geh weg von meiner Shirley, From!“ Er scherzt doch, nicht?! Auf jeden Fall könnte er in der Komödie mit dieser Aussage stets jeden erheitern!
„Ach das ich nicht lache!“, grinse ich selbstsicher und abwertend, „DEINE Shirley? Ihr seid doch diejenigen, die ihr etwas verheimlichen, nicht wir.“
Als Kenzen einen Schritt auf sie zumacht, stellt sich mein Bruder schützend vor ihr hin, während Deaver und ich uns mit vernichtenden Blicken konfrontieren.
„Du musst uns glauben! Wir wollen dich bloß schützen. Nur weil wir dir etwas verheimlichen, musst du so tief sinken und dich mit so etwas abgeben?“
Die Worte von dem Schwarzhaarigen machen mich rasend, aber ich warte noch auf eine Antwort von meiner Angebetenen, die jedoch nicht eintrifft.
Aber als alles dann verstummt, verstehe ich augenblicklich. Sie reden in Gedanken miteinander und lassen uns nun dumm sterben. Na danke! Ich wollte gerne erfahren, ob sie uns beschützt oder uns in den Rücken fällt!
Irgendwann nervt es mich und ich kann nicht mehr anhalten, weshalb ich teilweise meine Selbstbeherrschung verliere. Sofort entblöße ich meine Fänge und knurre sie an: „Was ist?! Verschwindet ihr endlich?“
Alle erwachen aus ihren Gedanken und ein Knurren ist von ihrem Halbbruder zu vernehmen.
„Du beeinflusst sie doch nur, du Mistkerl!“ Wenn er meint… Aber damit greift er kräftig daneben! Ich sage ihr doch nicht, dass sie ihn ignorieren soll.
Daraufhin rastet der Blauhaarige aus und will gerade auf mich zustürzen, doch dann stellt sich auf einem mein Engel vor mir. Irritiert lege ich meinen Kopf schief. Ich hätte das doch auch allein regeln können… Was soll das werden?
Sie breitet ihre Arme aus und schüttelt streng den Kopf, als der aufgebrachte Vampir sie traurig anschaut.
„Komm“, wird dann Kenzen vernünftig, „Wir werden gehen, VORERST.“
Zusammen verschwinden sie und lassen uns allein. Gut, wenigstens vorerst lassen sie uns in Ruhe…
Sie dreht sich urplötzlich zu uns um und lächelt meinen Bruder und mich an: „Ich danke euch.“
Durch diese Worte sprühe ich richtig vor Kraft und Energie, weshalb ich auch mein übliches Grinsen aufsetze.
„Was denn, Babe?“, zwinkere ich meinem Engel zu, „Das ist doch selbstverständlich. Wir, Froms, sind alles, aber wenn es um Freunde oder Familie geht, dann tun wir alles, damit es ihnen besser geht. Da gehört das Beschützen vor Anderen natürlich herein.“
Oh ja, das ist die Wahrheit. Wir tun alles für sie und würden sogar für diese Personen sterben…
Dann verabschiedet sich Cem, indem er ihre Hand küsst, was mich ein wenig stutzig macht. Provozierend sieht er zu mir, bevor er sich wieder zu ihr wendet: „Gute Nacht und bis morgen.“
Shirley nickt, während ich eine Hand zur Verabschiedung hebe. Danach betreten wir unser gemeinsames Schlafzimmer. Als ich gerade den Eingang hinter mir schließe, lässt sie sich bereits auf unser Bett fallen.
„Ich gehöre nicht zu deiner Familie…“, flüstert sie gedankenverloren vor sich hin.
Als ich mich umdrehe, lächle ich sie warmherzig an: „Aber zu meinen wenigen Freunden.“
Selbst wenn sie noch mehr für mich ist, das genügt fürs Erste…
Danach nähere ich mich ihr und beobachte sie. Eine wundervolle Röte schießt ihr ins Gesicht, was mich erneut verzaubert. Auf einmal zerrt sie mich zu sich, was mich irgendwie ziemlich überrascht. Durch diese Aktion und ihre Kraft verliere ich mein Gleichgewicht und lande auf sie. Mein Gesicht ist dem ihr so nah, dass ich sie am Liebsten wieder geküsst hätte.
Doch dann dreht sie uns so, dass sie auf mir liegt. Anstatt mich wegzuschubsen, kuschelt sie sich an mich und ich schlinge sofort meine Arme um sie.
„Freunde.“, wiederholt Shirley und ich nicke lächelnd.
Auf einmal fängt sie über die Schule zu reden und aus dieser kleinen Rede entwickelt sich ein sehr langes Gespräch zwischen uns beiden. Es freut mich sehr, dass wir endlich friedlich zusammen hier liegen und ich bei ihr sein kann.
Auch fühlt es sich wundervoll an, mit ihr über alles reden zu können. Natürlich sprechen wir nur über die Schulfächer und ich erzähle ihr sogar, warum ich sitzen geblieben bin, obwohl es niemanden etwas angeht. Ja, nur für Cem habe ich das gemacht, damit wir Beide in eine Klasse kommen und er sich nicht mehr so einsam fühlt… Aber wieso er so traurig und einsam war, habe ich ihr nicht erzählt, was wohl auch besser so ist.
Irgendwann, mitten im Vergleich von der Menschenschule und unserer, schläft sie ein und ich beobachte meine Schönheit dabei. Doch nicht lange, da sie sich dann wieder aufrichtet. Irritiert sehe ich zu ihr. Sie versucht aufzustehen, doch bei diesem Versuch scheitert sie kläglich. Shirley scheint keinerlei Kraft mehr zu haben, weshalb ich ihr aufhelfe.
„Wo willst du hin?“, frage ich sie besorgt. Doch sie versucht bloß zum Kleiderschrank zu schreiten, aber sie stolpert, weshalb ich sofort meine Arme um sie schlinge.
„Duschen.“
Ich lege eine Hand auf ihre Stirn und muss schlucken. Sie ist heiß und das bedeutet, dass sie Fieber hat und das alles nur wegen diesem Idioten…
Lächelnd stütze ich sie, so dass sie den Schrank öffnen und sich Schlafzeug heraussuchen kann. Dabei nimmt sich meine Süße ein weißes einfache Top und einen hellblauen Rock. Ja, sie vertraut mir wirklich und ich tue es selbst nicht einmal.
Meine Sorgen werden immer größer, da sie sich kaum noch bewegen kann, weshalb ich einen Entschluss setze: „Ich werde mit dir duschen.“
Ihre Augen weiten sich und sie sieht mich an, als würde ich sonst etwas von ihr wollen. Ach ja, sie denkt sicherlich, dass ich bloß ihren schwachen Moment ausnutzen will, aber das stimmt nicht! Nicht einmal annähernd!
Ich will ihr bloß helfen. Wenn ich da bin, dann kann ich das Schlimmste noch verhindern. Denn wenn sie bewusstlos umkippen würde und ich nicht mitkommen würde, läge sie höchstwahrscheinlich noch morgen da. Genau deshalb dulde ich keine Widerrede und ich lotse sie zum Bad, in welches wir herein treten.
Sie protestiert lauthals, doch ich ignoriere dies und muss mich zusammenzureißen, als ich langsam ihre Bluse aufknöpfe und diese achtlos auf den Boden werfe. Gedankenverloren begutachte ich ihre bleiche Haut und muss heftig schlucken, um mich nicht gleich an ihr zu vergreifen.
„Lass das“, murmelt sie erschöpft und kraftlos vor sich hin. Sofort halte ich inne und seufze verzweifelt. Hilfesuchend fahre ich einmal durch meine Haare und versuche ihr irgendwie klarzumachen, dass ich ihr nicht an die Wäsche will.
„Hör mal“, fange ich ruhig an, „ich will doch nur, dass du nicht nachher umkippst. Wir sind doch Freunde und diese helfen sich nun einmal. Ich werde dir schon nichts tun, versprochen.“
Ihre Gesichtszüge werden langsam weicher und dann nickt sie ergeben. Schief lächle ich sie an, bevor ich sie weiter entkleide. Mein Herz pocht stark, als sie nur noch in Unterwäsche vor mir steht. Das nenne ich einmal eine Versuchung. Aber ich werde es überleben, denke ich.
Ihr Geruch macht sie nur noch unwiderstehlicher, weshalb ich mir leicht in meine Unterlippe beiße. Warum muss sie auch so unwiderstehlich sein?!
Als sie sich dann selbst noch ihren BH von sich streift, schlucke ich ziemlich hart. Nein, nicht so auf ihren Körper starren… Das ist sehr gefährlich!
Unwillkürlich streift sie sich auch noch ihren String von sich und ich halte für einen Augenblick inne. Der Anblick raubt mir den Atem. Wow… Sie ist wirklich jeder Männertraum.
Nach einer kleinen Bewunderung räuspert sie sich jedoch, weshalb ich mich schnell abwende. Irgendwie fühle ich mich gerade so ertappt, dass ich zum ersten Mal in meinem Leben die Hitze in meinem Gesicht spüre. Ja, dieses Gefühl ist neu für mich. Noch nie war ich verlegen, aber die Zeiten ändern sich nun einmal.
„Sollen deine Sachen eigentlich nass werden?“, fragt sie mit einem Hauch von Schüchternheit, was mich schmunzeln lässt. Ihr Kopf ist hochrot, aber ich weiß nicht, ob es von ihrer Verlegenheit oder von dem Fieber herrührt. Das Erste wäre mir eigentlich lieber.
Dann kann ich mir ein provokantes Grinsen einfach nicht mehr verkneifen und sehe ihr tief in die Augen. Leicht beuge ich mich vor, so dass meine Lippen ihre beinahe berühren: „Sicher, dass du das willst?“
Sofort bemerke ich wie ihr Mund offen steht und sie mich fassungslos ansieht. Tonlos lache ich, bevor ich meinen Kopf schüttle. Leicht schlägt sie mir gegen die Schulter, doch ich zwinkere sie an.
„Ich meine ja nur. Nicht, dass du mir noch umfällst, wenn du mich so siehst.“, zwinkere ich ihr nun provokant zu, weshalb sie kurz vorm Ausrasten steht, doch hält sie sich zurück und sofort werde ich wieder ernst. Sie ist viel zu schwach. Verdammt, wenn ich Shorn in die Finger bekomme!
Schnell führe ich sie in die Dusche und drücke sie sanft gegen das Glas, damit sie nicht umkippt. Währenddessen streife ich mir schnell meine Kleidung vom Körper und werfe diese nach draußen. Zu einem anderen Zeitpunkt hätte es mir wirklich gefallen… Aber jetzt darf ich diese Situation nicht ausnutzen.
Ihre Augen gleiten über meinem Körper, doch dann sieht sie mir tomatenrot in die Augen.
Mit einer Handbewegung prasselt das warme Wasser auf uns herab. Ihr Körper zittert und bebt. Es ist grausam sie so zu sehen. Als ich ihre Schulter streife, spüre ich die Kälteschicht, die auf ihr liegt. Schnell stelle ich die Temperatur um, so dass sie nicht mehr friert. Ich fahre durch ihre Haare und beiße mir heftig auf die Lippe, sodass ich mein eigenes Blut schmecken kann.
Schnell greife ich nach dem Shampoo und seife ihre Haare mit diesem ein. Genussvoll schließt sie ihre Augen und schnurrt sogar, was mich zusammenzucken lässt. Es ist nicht so, dass es mir nicht gefällt, nein, es ist nur ziemlich erregend für mich.
Ja, am Liebsten würde ich noch viel mehr mit ihr machen…
Schnell schüttle ich diese Gedanken von mir und spüle den Schaum von ihren wundervollen Haaren. Währenddessen hält sie sich an mir fest und es ist wunderschön ihr so nah zu sein…
Vielleicht bringe ich Shorn doch nicht um…
Nach der Spülung, wobei sie genauso reagiert wie bei dem Shampoo, schäumt sie sich selbst ihre wundervolle Haut ein, was mich kaum noch an mir halten lässt.
Dann bemerke ich jedoch, wie sie Schwierigkeiten aufweist, an ihren Rücken heranzukommen, weshalb ich einfach ein wenig vom Dusch-Gel nehme und ich es ihr auf dem Rücken verteile. Meine Hände prickeln über ihre Haut und ich atme tief ein. Das fühlt sich wie eine schwierige Prüfung an. Wie kann ein Mann nur so einer Frau widerstehen?! Das ist doch wirklich unmöglich!
Als ich fertig bin, verweilen meine Hände noch ein paar Sekunden dort, bevor ich diese von ihrem Rücken nehme. Ich spüre ihren Blick auf mir und bin verblüfft, denn eine leise Spur von Enttäuschung erkenne ich in ihren Augen. Das ist ziemlich neu für mich und trotzdem freue ich mich darüber. Das bedeutet, dass es genauso unerträglich für sie ist, wie für mich.
Dann spüren wir ein letztes Mal das warme Wasser auf uns, bevor ich dieses abstelle und sie hinauszerre. Dort bemerke ich, wie wackelig sie auf ihre Beine ist.
Sofort agiere ich und drücke sie fest an mich, während ich ihre Haare mit einem Handtuch trocken rubble. Als dieses einigermaßen eingetroffen ist, wende ich mich ihrem Körper zu. Vorsichtig trockne ich ihren Rücken, ihre Arme und ihren Brustkorb, bevor ich mich ihren Beinen widme. Damit sie mir nicht umfällt, setze ich sie davor auf die Waschmaschine.
Kurz trockne auch ich mich ab und ziehe mir meine Kleidung an, bevor ich mich wieder um sie kümmere.
Schnell ziehe ich ihr schwarze Unterwäsche und ihr das Schlafzeug über, bevor ich einen Arm um ihren Nacken und den anderen um ihre Knie lege, bevor ich sie hochhebe. Shirley wiegt kaum etwas, so dass ich sie mit Leichtigkeit aufs Bett verfrachten kann.
Ich decke sie schön zu und lege mich dann neben ihr hin. Sofort kuschelt sie sich an mich und flüstert heiser ‚Danke’, was mich strahlen lässt.
Dann fühle ich jedoch ihre Stirn und atme erleichtert aus. Es sinkt langsam, gut so!
Ich ziehe sie näher an mir und umschließe meine Kleine mit meinen Armen.
Und dann höre ich ihre ruhige Atmung. Ja und so schnell schläft sie ein…
Auf dem ersten Blick denkt niemand, wie zerbrechlich sie doch ist, da sie wirklich ziemlich temperamentvoll ist. Aber ich hoffe, dass sie bald wieder meine süße Furie wird, denn so brauche ich mir wenigstens keine Sorgen um sie machen…
Erst jetzt fällt mir auf, dass ich noch gar keine Bluttablette geschluckt habe. Genau deshalb genehmige ich mir eine, bevor ich meine Augen schließe.
Kurz darauf bemerke ich, wie Shirley aufsteht und sich wegschleicht. Sofort bin ich wach und bemerke, dass sie ins Bad geht, wo sie irgendetwas anstellt. Die ganze Zeit schwirrt sie umher, so als würde irgendetwas sie verfolgen. Durch diese Hektik bemerkt sie mich nicht, der auf dem Bett sitzt und ihr dabei zuschaut. So kenne ich sie gar nicht…
Und dann fällt es mir ein und ich verdrehe die Augen. Sie kann wegen ihrer Familie nicht schlafen, da diese ihr etwas verheimlicht. Ja, das nagt an ihr… Ach, wenn ich ihr doch nur helfen könnte!
Erst gegen morgen bemerkt sie mich und erschreckt sich fürchterlich.
„Tut mir leid“, murmle ich vor mir hin und stehe einfach auf, „Ich gehe kurz weg. Wenn etwas ist, komme ins Zimmer 217.“
Mit diesen Worten verschwinde ich aus dem Raum und beschreite schnell den langen finsteren Gang.
Vor der Tür bleibe ich stehen und klopfe mehrmals. Dann öffne ich diese einfach und erkenne Kurén, der dort auf sein Bett sitzt und starr gegen die Wand schaut. Sein Blick ist unergründlich, als ich leise einen Schritt nach vorne mache.
„Schließ die Tür.“, befiehlt er mir, doch sieht weiterhin nicht auf. Somit befolge ich seinen Befehl und begebe mich dann zu dem Langhaarigen, welcher erst jetzt zu mir sieht.
„Ich-„
„Du willst wissen, was vorgefallen ist, aber das ist streng geheim. Ich kann es dir nicht sagen, selbst wenn ich es wollte. Es würde mir meinen Platz im Vorstand bedeuten und dieser Preis ist zu hoch, als dass ich ihn bezahlen würde.“
Super, also will er es weiterhin für sich behalten. Aber ist ihm dies wirklich so wichtig, dass er das Leben von Shirley in Gefahr bringt?!
„Aber-„
„Pass auf sie gut auf.“, unterbricht er mich erneut.
Diese Worte lassen mich vor Wut brodeln, doch ich knurre nur leise.
Da ich es aus ihm sowieso niemals herausbekomme, drehe ich mich genervt um.
„Ach, ich soll dir noch etwas von deinem Vater bestellen.“
Sofort verkrampfe ich mich und balle meine Hände zu Fäusten. Was will der denn von mir?! Will er, dass ich endgültig meine Beherrschung verliere?!
Ich hasse meinen Vater und dieser mich… Manchmal bin ich sogar kurz davor ihn zu erwürgen. Warum ich immer wieder gezögert habe, frage ich mich gerade. Es wäre doch so ein schönes ruhiges Leben ohne ihn.
„Er sagt, du sollst dich mehr mit Shirley bemühen, damit sie ein Teil unserer Familie wird.“, gibt er mir monoton zu verstehen. Wegen dieser Worte schlage ich gegen die Wand, doch mein Cousin bleibt unbeeindruckt.
Wortlos schreite ich heraus und werfe die Tür mit Karacho zu, so dass sie kurzerhand später aus den Angeln fällt. Ich wusste, dass er etwas von ihr wollte, aber so etwas Unmoralisches?!
Er wollte mich also die ganze Zeit schon auf sie ansetzen, deshalb sollte sie auch bei mir wohnen, was?
Dieser Arschloch, was will er damit nur erreichen?! Will er etwa den Frieden zwischen unseren zwei Familien wieder herstellen? Nein, das glaube ich nicht. Was ist nur der Grund für so eine Aktion?!
Er weiß doch sicherlich irgendetwas, was mir verborgen bleiben soll, nicht? Ob noch ein From etwas vor mir verheimlicht? Langsam traue ich niemand mehr über dem Weg!
Als ich kurz ins Zimmer marschiere, sieht sie mich fragend an, doch dann fällt mir etwas ein und ich drehe mich wieder um. Zwar habe ich mich bei Zackary entschuldigt, aber nicht bei seinem Bruder…
„Wo gehst du hin?“, will sie wissen.
„Ich bitte Kifel um Entschuldigung.“, sage ich wahrheitsgemäß und verschwinde schnell wieder. Auf dem Weg zu ihm fühle ich mich so beobachtet, doch wieso?
Ich öffne einfach den Eingang für das Schlafgemach der Geona-Brüder. Dort liegen sie in getrennten Betten, doch durch mich schrecken sie auf und der Jüngere der Beiden stößt sich den Kopf gegen die Wand an. Leise flucht er vor sich hin, bevor ich einfach über die Türschwelle trete.
„Tut mir sehr leid, dass ich euch störe. Eigentlich wollte ich mich bloß bei dir entschuldigen, Kifel.“
Der Angesprochene schwingt sich auf den Beinen und schüttelt sich grinsend den Kopf: „Wieso dieser Sinneswandel?“
„Keine Ahnung“, zucke ich wahrheitsgemäß die Schultern.
Dann beginnt er zu lachen und sieht mich leicht enttäuscht an, bevor er mir auf die Schulter klopft. Er lehnt sich dann an eine Wand an und grinst süffisant vor sich hin.
Okay, was soll das jetzt bedeuten?
Nach einer kurzen Stille ertönt seine Stimme wieder: „Darf ich dann mit deiner Schwester ausgehen?“
Jetzt bin ich derjenige, der lacht, doch nach einer sehr kurzen Zeit begreife ich, dass er es ernst meint. Wow, er ist also in sie verliebt?! Das ist wirklich äußerst interessant…
„Wenn sie diesem zustimmt, wieso nicht?“
Wir grinsen uns kurz an, bevor er zustimmend nickt: „Ich nehme deine Entschuldigung an, da Shirley dich wirklich verändert hat, aber den anderen werde ich trotzdem nicht trauen.“
Leicht nicke ich, bevor Zack jetzt seinen Senf dazugibt: „Und warum wolltest du das jetzt ausgerechnet früh morgens, wenn wir noch schlafen, machen?“
Ja, das habe ich wohl vergessen gehabt. Aber dann lehne ich mich neben Kifel an die Wand und seufze verzweifelt. Kurz schließe ich meine Augen und gebe bloß ein Wort von mir, welches der Name meiner Mitbewohnerin beinhaltet.
Als ich meine Lider nach einer kurzen Besinnung wieder öffne, stehen sie vor mir und verstehen nichts.
„Sie wirbelt im Zimmer umher und dies nur deshalb, weil ihre Familie ihr etwas verschweigt. Mir sagt mein Cousin auch nichts, obwohl ich genau weiß, dass es sich um Shirley handelt. Sie ist in Gefahr und sie streiten sich lieber mit ihr, anstatt sie zu beschützen. Ich weiß einfach nicht mehr, was ich tun soll… Ich will ihr helfen, aber ich kann nicht.“
Lange schweigen sie, doch sind jetzt ebenso besorgt. Das erkenne ich an ihren Gesichtern.
Doch dann fällt dem Älteren etwas auf, was ich ganz und gar vergessen habe: „Und sie ist jetzt ganz allein dort?“
Meine Augen weiten sich und sofort werde ich panisch. Verdammt, daran habe ich ja gar nicht gedacht! Wie dumm muss ich auch sein?!
Gerade als ich loslaufen will, habe ich irgendwie ein seltsames Gefühl in mir, weshalb ich augenblicklich stehen bleibe und mich noch einmal zu den Braunhaarigen wende: „Bitte passt auf sie auf, falls es mich erwischen sollte, okay?“
Zackary ist ziemlich verwirrt, doch sein Bruder nickt gelassen, bevor ich mich dann schnell zu meiner Schönheit aufmache. Hoffentlich ist ihr noch nichts geschehen!
Seufzend betrete ich nun mein Schlafgemach und erkenne meine Hübsche, welche irgendeinen rosafarbenen Stoff in der Hand hält. Erleichtert atme ich dann jedoch auf. Ihr ist nichts geschehen… Aber ich wusste gar nicht, dass sie etwas in dieser Farbe besitzt.
„Shirley“
Sofort wird sie panisch und versteckt es einfach in ihrem Rucksack. Irritiert und neugierig starre ich einen Moment darauf, bevor ich mich auf etwas anderes konzentriere.
Ich lege mich auf mein Bett und ziehe meine Augenbrauen hoch. Was sie wohl vor mir versteckt? Will ich es eigentlich erfahren?
Als sie sich zu mir umdreht, schluckt sie heftig und ich bemerke wie ihre Augen mich mustern. Erst jetzt bemerke ich, dass ich lediglich dunkelblaue Boxershorts trage. Interessant, also ist sie noch immer angetan von meinem Körper.
„Was machst du da?“, frage ich sie neugierig.
Shirley wird panisch, dass bemerke ich sofort und sucht nach einer Ausrede, die wirklich ausbaufähig und ungläubig wirkt: „Ähm... packe meinen Rucksack.“
Na ja, wenn sie meint, dass sie mich anlügen muss, dann soll sie doch. Wortlos stehe ich auf und schreite zu meinem Schrank. Ihre Blicke, die sie mir schenkt, erfreuen mich zwar sehr, aber ich brauche jetzt ein Hemd, damit ich nicht noch einmal so herumlaufe. Wenn mein Vater dies erfahren würde, müsste ich mich auf eine harte Strafe gefasst machen.
Ich suche ein bestimmtes Hemd, obwohl ich weiß, dass ich dieses in die Waschmaschine gesteckt habe. Sie hat die eben jedoch betätigt, das habe ich gehört! Eigentlich müsste die Wäsche jetzt schon fertig sein.
„Ich finde es nicht…“, grummle ich leise vor mir hin.
Ob sie dies vor mir versteckt? Nein, oder? Ach, und wenn… Ich kann es immer wieder kaufen.
„Was?“
Es verwirrt mich, dass sie auch noch nachfragt, aber ich glaube, dass sie wieder einmal unüberlegt darauf reagiert hat. Das tut sie schon einmal öfters.
Ich verkneife mir ein Grinsen und drehe mich zu ihr, bevor ich ihr erzähle, nach was ich suche: „Ich suche mein Lieblingshemd. Es ist ein blutrotes Hemd mit einem schwarzen Drachen darauf. Habe ich es nicht in die Wäsche geschmissen?“
Daraufhin widme ich mich wieder dem Kleiderschrank, doch als ich einen Reißverschluss höre. Schiele ich über meine Schulter und muss grinsen, als sie nachschaut und panisch wird. Interessant...
Doch schließt sie den Rucksack wieder und wirkt selbstsicher, selbst wenn sie ziemlich verstört wirkt: „Nein, da war es nicht.“
„Aber ich bin mir sicher, dass ich es-“
„Da war es aber nicht!“, unterbricht sie mich gereizt und hält dann die Luft an. Irgendwie witzig, wie sie es vor mir verschweigen will. Wie hat sie es nur in dieser grässlichen Farbe hinbe- Sie hat irgendetwas Weißes mitgewaschen, aber was?
Ich mustere sie eindringlich mit zusammengezogenen Augenbrauen, doch dann suche ich mir ein anderes Oberteil aus. Kurz zucke ich mit meinen Schultern, bevor ich so normal wie möglich klingen will: „Da kann man nichts machen.“
Somit nehme ich mir ein schwarzes Hemd heraus und streife es mir über dem Kopf.
Damit widme ich mich wieder ihr und frage sie etwas, worauf ich die Antwort sowieso bereits kenne: „Seit wann bist du eigentlich schon wach?“
Trotzdem interessiert mich, wie sie darauf reagiert. Und wie erwartet, erkenne ich, wie sie sich von mir ertappt fühlt. Das finde ich sehr interessant…
„Seit zwei oder drei Uhr?“, fragt sie mich eher als zu antworten. Erneut begutachte ich sie eindringlich, doch dieses Mal kann ich mir ein breites Grinsen nicht verkneifen, was sie auch bemerkt. Noch einmal hake ich nach, da ich ganz genau weiß, dass sie mich anlügt: „Sicher?“
Dabei ziehe ich eine Augenbraue hoch und ergeben schüttelt Shirley dann ihren Kopf.
Kurz schließe ich den Schrank, bevor ich einen Schritt auf sie zumache, doch bleibe ich dann stehen und spanne jeden meiner Muskeln an. Ich will es ihr nicht schwer machen, aber ich will ihr meine Sorgen verdeutlichen. Somit erzähle ich ihr, was ich mitbekommen habe: „Ich habe dich ganze Nacht herumwetzen hören. Du hast gar nicht geschlafen und der Grund ist ja bekannt.“
Daraufhin verstummt sie. Ohne dass sie es mitbekommt, laufe ich heraus und treffe auf ein paar Jungs, die ich mit Unterwäsche von meiner Schönheit bereichere. Darunter befinden sich auch Kifel und Cem, die sich darüber prächtig amüsieren. Oh ja, eine Ablenkung kann sie gut gebrauchen.
Sofort kehre ich zurück und wie ich es befürchte, hat sie es nicht mitbekommen. Sie starrt weiterhin auf einen Punkt vor sich. Gedankenverloren schlendert sie an mir vorbei und zieht sich ihren Rucksack über. Dann ziehe ich mir noch eine hellblaue Jeans und weißblaue Sportschuhe an, bevor ich ebenso meine Tasche aufziehe und zu ihr marschiere.
Zusammen gehen wir den ersten Korridor entlang. Viele sind dort unterwegs zu den Klassenräumen.
Alle Aufmerksamkeit gilt ihr und mir und dies bemerkt sie schnell. Irgendwie beunruhigt sie das.
Dann fällt mir der gestrige Tag ein und ich drücke sie an die Wand und halte ihre Hände fest, so dass sie sich nicht dagegen wehren kann, bevor ich meine Lippen zart auf ihre lege. Doch dann wird der Kuss sicherer und leidenschaftlicher. Mein Herz rast und ich wäre am Liebsten noch weiter gegangen, hätte ich ihren Gesichtsausdruck nicht gesehen. Wütend und auch verwirrt starrt sie mich mit aufgerissenen Augen an.
Anscheinend schulde ich ihr eine Erklärung, was? Somit erkläre ich ihr dies mit einem breiten Grinsen auf dem Gesicht: „Das ist die Rache von gestern.“
Durch diese Worte findet sie ihre ungeheuerliche Kraft wieder und kann mich etwas von sich wegstoßen. Kurz taumle ich rückwärts, doch dann finde ich meinen Halt wieder. Ihre Augen blitzen vor Wut auf, während ich sie verschmitzt angrinse. Ach ja, das gefällt mir so sehr an ihr. Sie ist mir ebenbürtig und nicht so langweilig wie andere!
Bevor ich noch etwas dazu sagen kann, kommt Kifel an uns pfeifend vorbeigeschlendert und genau vor uns stehen bleibt. Amüsiert hält er Shirleys schwarzen BH in der Hand: „Ich wollte dir noch einmal dafür danken.“
Sofort steht in ihrem Gesicht die bloße Fassungslosigkeit geschrieben, die sich jedoch schnell in hochgradigem Zorn umwandelt. Dann wedeln Cem und ein paar andere Jungs, so wie einige der Geonas, ausgeschlossen Zackary, mit der Reizwäsche meiner Mitbewohnerin herum.
Ach ja, wie kindisch wir doch manchmal sind… Aber wenn ich dieses Funkeln in ihren Augen sehe, kann ich einfach nicht anders, als sie weiter zu provozieren. Es ist wie ein Zwang, wenn ich diesen Ausdruck bei ihr erkenne. Dabei will ich doch, dass sie sich in mich verliebt, aber in solchen Augenblicken werde ich wieder zu dem früheren Sam, welcher gerne solche Spielchen mit anderen gespielt hat.
Ihre Nasenflügel weiten sich und eine Schamesröte, gemischt mit einem Hauch von Wut, schießt ihr blitzartig ins Gesicht. Unbemerkt richtet sie sich auf und versucht bedrohlich zu wirken, was ihr jedoch bei mir niemals gelingen würde, selbst wenn sie noch so stark werden würde.
„SAM!“
Durch diese Lautstärke schenkt sie sich selbst noch mehr Aufmerksamkeit, falls dies überhaupt noch möglich ist, weshalb ich sie jetzt belustigt angrinse. In solch einen Schlamassel kann auch nur meine Kleine geraten. Cem fängt urplötzlich neben mir zu lachen an und fängt sich nicht wieder, was einige männliche Vampire mitreißt.
Vernichtende Blicke schenkt Shirley uns, bevor sie einfach ihre sexy Unterwäsche einsammelt und schnell in unser Zimmer eilt, wo sie diese wohl gut verstaut. Vielleicht stibitze ich mir dafür später ein Andenken von ihr.
„Oh, sie braust davon, als wenn es um ihr Leben gehen würde!“
Wegen dieser Aussage, die mein so toller Bruder auf Lager hat, muss ich jetzt lachen. Oh man, das stimmt und wie! Ich finde es wirklich süß, wie sie sich aufführt.
Doch dann schreitet sie heraus und ich wundere mich sehr, als sich in ihren Armen ein Haufen rosafarbene Kleidungsstücke befindet. Woher kommt die denn jetzt so plötzlich?
Erst im nächsten Moment werde ich kreidebleich und ein Kloß bildet sich in meinem Hals, den ich verbittert versuche herunterzuschlucken, aber alles scheint vergeblich. Meint sie das ernsthaft? Gehören diese wirklich MIR?
„Hier. Ich verschenke sie kostenlos!“, höre ich noch von ihr, bevor sie bereits diese an alle verteilt. Ich stehe nur hier und sehe dabei zu, wie sie mein gefärbtes Lieblingshemd einfach weggibt. Natürlich wusste ich, dass es bereits verunstaltet wurde, doch dass sie mich damit auch noch öffentlich bloßstellt… Das hätte ich ihr niemals im Leben zugetraut! Anscheinend hätte ich sie doch nicht so provozieren sollen.
Shirley ist so unberechenbar, so dass ich sogar glaube, dass sie selbst keinen blassen Schimmer hat, was in ihr vorgeht.
Eine unglaubliche Wut macht sich in mir breit, so dass ich mich zusammenreißen muss, damit ich sie nicht erneut verletze. Es braucht eine sehr hohe Portion an Kraft, um dies zu überwinden. Ihr amüsiertes Gesicht entgeht mir nicht, weshalb ich mich sofort anspanne und bedrohlich die Luft einsauge.
Mehr als vernichtende Blicke, die ich ihr zusende, traue ich mich nicht. Es wäre zu ein großes Risiko und dieses möchte ich um keinen Preis der Welt bezahlen!
Die weiblichen Vampire fangen zu kreischen an, während die Männer mich auslachen und als ‚schwul’ abstempeln. Zerknirscht sehe ich zu ihr. Wie schafft sie es bloß, dass ich mich so grausig fühle?! Noch nie jemand hat sich so etwas getraut! Ich denke, dass genau dies der Grund ist, warum sie mich schon von Anfang an so fasziniert hat.
Dann erkenne ich Fram, welche ebenso völlig ausgelassen lacht, wie alle anderen. Dabei ist das Kichern von Shirley eindeutig zurückhaltender als das von alle anderen. Dabei fällt mir ein, dass sie nicht sehr häufig herzlich lacht, aber es gefällt mir, wenn sie so fröhlich ist. So brauche ich mir wenigstens keine Sorgen um sie machen…
Nach einer Weile, indem ich einfach nur dort stehe und meine Traumfrau beim Lachen beobachte, entdecke ich zu meinem Bedauern den größten Volltrottel des ganzen Internats und der besitzt den Namen ‚Shorn Deaver’.
Oh ja, am Liebsten würde ich sofort zu ihm marschieren und ihm die Leviten lesen, nur dass seine Halbschwester etwas dagegen haben würde. Genau deshalb halte ich inne und fixiere nur meinen Augen auf ihn. Er nähert sich der Braunhaarigen, was mich nur noch verkrampfter werden lässt.
„Was geht hier denn ab?“, fragt er sie schmunzelnd und ich kann einfach nicht fassen, dass sie auch noch auf ihn reagiert.
Sie erzählt ihm, was hier gerade passiert ist, als Beide zu lachen anfangen. Meine Augenbrauen verengen sich und meine Augen verkleinern sich zu schlitzen.
Was soll das werden, wenn es fertig ist? Warum spricht sie wieder mit ihm? Hat sie den Grund wieder vergessen oder verzeiht sie ihm? Nein, das kann ich einfach nicht glauben! Shirley hat wegen diesem blauhaarigen Idioten mehrmals geweint und hat sogar ihren Schlaf dafür geopfert!
„Schwul“, sagen sie im Duett, weshalb ich jetzt nur noch gereizter bin. Ich fühle mich gerade wirklich so ziemlich hintergangen und verraten, obwohl sie es bestimmt nicht böse meint. Aber meine Gefühle ändern sich nicht so schnell…
Damit die Beiden endlich aufhören, räuspere ich mich laut und deutlich, so dass ihr Lachen augenblicklich verstummt. Shirley lächelt mich schwach an, als sie dann erst bemerkt, was gerade passiert ist. Ihre Miene verdunkelt sich und ich kann aus ihren dunkelbraunen Augen, die seltsamerweise schon lange nicht mehr violett wurden, so einige Gefühle herausfinden und doch starrt sie dann leer zum Boden.
„Seit wann redest du eigentlich wieder mit mir?“, bemerkt selbst die dümmste Person, die ich in meinem Leben jemals getroffen habe. Genau deshalb konnte ich ihn auch noch nie leiden. Er war schon immer so ehrlich, naiv, vorlaut und einfach das komplette Gegenteil von mir!
Wie kommen die Meisten eigentlich darauf, dass wir uns ähneln würden? Deaver hat nichts mit mir gemein! Klar, er kann genauso pervers und selbstverliebt sein, aber selbst in diesen Punkten unterscheiden wir uns, denn ich weiß ganz genau, dass er eine Sucht hat, die er nicht in den Griff bekommt, ich dagegen kann tun und lassen, was ich will.
Wäre er nicht der große Bruder von meiner ersten großen Liebe gewesen, dann hätten wir uns trotzdem nicht verstanden, da er einfach nicht meinem Niveau entspricht und ziemlich hyperaktiv ist. Er ist wie ein kleines Kind, welches noch nicht seine Grenzen kennen gelernt hat. Hoffentlich ändert sich dies bald, denn dann wüsste er auch, dass man seine eigene Schwester nicht mit seinen Augen auszieht!
Natürlich kann ich verstehen, wieso er dies tut, denn sie ist unwiderstehlich, aber sie scheint nicht zu wissen, wie sie auf Männer wirkt…
Irgendwie ähnelt sie schon diesem Vampir, selbst wenn ich es nicht glauben vermag, aber dem ist so. Sie ist genauso naiv, reizbar und sensibel wie er und doch kennt sie ihre Grenzen und weiß selbst nicht, wie sie sich verhalten ist. Shirley ist ziemlich unsicher und unschuldig, doch in ihr steckt einiges mehr… Sie traut sich jedoch nichts zu und versucht ihre Gefühle immer vor einen zu verstecken, was ihr meist aber nicht gelingt. Es ist erstaunlich, wie sie sich äußerlich doch gar nicht ähneln.
Er ähnelt halt eher seiner Mutter und sie ihrem Vater und so gleichen sich auch ein wenig ihre Charaktereigenschaften mit ihren Eltern.
Da fällt mir etwas auf, was ich immerzu verdrängen wollte, denn mein Engel ähnelt ebenso auch Jerrika, Ivonnes Mutter und natürlich deren Tochter, wobei sie in meinen Augen so etwas wie eine Reinkarnation von dieser ist.
Deavers Hoffnung stirbt, als sie sich umdrehen will und mit mir gerade weglaufen will. Leider umgreift dieser ihr Handgelenk, so dass sie ihm nicht entfliehen kann. Auch hier gilt es sich wieder aus der Angelegenheit herauszuhalten.
„Ich habe dich gesucht.“
Wegen diesen Worten muss ich meine Augen genervt rollen. Irgendwie klar, dass er nicht aufgibt… So ist er und irgendwann wird es lästig und vor allem, wenn er keine Ideen mehr hat und dann verzweifelte Aktionen startet, genauso wie jetzt.
Dann dreht sie sich verwirrt um und schreit ihn an, was mich schmunzeln lässt. Oh ja, sie lässt sich nichts gefallen, nicht einmal von ihrem Blutsverwandten.
„Wieso, Idiot? Wenn du denkst, dass ich dir verzeihen werde, dann vergiss es! Außer ihr wollt es mir sagen...“
Wow, so konsequent… Sie hat ihn in der Hand, keine Frage! Es ist beinahe so, als wenn sie ihn erziehen würde. Tut sie das?
Eine Sorgenfalte breitet sich auf seiner Stirn aus und wegen seiner angespannten Haltung kann ich mich kaum noch zurückhalten, doch dann lenkt er vom Thema ab, was mir so gar nicht gefällt.
„Unsere Tante ist da!“
Mit diesen Worten schleift er sie einfach weg und lässt mich hier mit Cem und Zackary allein zurück. Danke auch… Eine kleine Vorwarnung hätte mir nicht gestört.
Leise grummle ich vor mir hin, bevor ich mich einfach umdrehe und gerade gehen will, als ich die Lehrer erkenne, die alle an uns vorbei schreiten und noch etwas rufen wie ‚heute fällt die Schule aus’.
Ich beobachte wie sie in die Richtung verschwinden, wo sich das Schlafgemach von Kenzen und Shorn befindet. Ja, und schon wieder nenne ich sie unbedacht bei ihren Vornamen. In letzter Zeit bemerke ich auch gar nichts mehr, wenn es sich nicht um Shirley handelt.
Und dies dreht sich um sie… Anscheinend muss der Notstand ausgebrochen sein, wenn sie schon ihren wichtigen Unterricht dafür opfern. Was wohl geschehen ist?
Ich hasse diese Diskretion einfach… Wieso können sie es ihr nicht einfach erzählen oder wollen sie dies jetzt? Und was ist, wenn es bereits zu spät ist?
„Das ist wirklich kurios.“, murmelt Zackary ernst vor sich hin. Nein, das ist es ganz und gar nicht. Irgendwie kann ich mir schon vorstellen, dass viele hinter ihr her sind, da sie ein Halbvampir ist.
Mein Onkel musste auch so einiges ertragen, aber er wurde akzeptiert, da er jeden zeigte, wie stark er doch ist. Oh ja, niemand legt sich mit ihm an, wenn er es nicht gerade muss.
Nur mein Vater muss dies natürlich immer wieder. Ja, deshalb hasst er mich auch, denn ich komme mehr nach meinem Patenonkel und diesen verabscheut er wie die Pest.
„Du machst dir Sorgen um sie, nicht?“
Leise bejahe ich die Frage von meinem Bruder, bevor mein neuer Kumpel sich von mir verabschiedet und verschwindet. Ich bleibe nichtsdestotrotz dort stehen und sehe wie gebannt auf die Wand, mir gegenüber. Sie ist weiß und glänzend, so wie beinahe alles in diesem Gebäude. Das erinnert mich immer an der Villa, in der ich wohne und trotzdem fühle ich mich hier so wohl wie noch nie zuvor.
Auf einmal stellt sich jemand vor mir und blinzelt mich mit seinen tiefgrünen Augen neugierig an: „Es ist wirklich eine Seltenheit, dass du so mies gelaunt bist. Die einzigen Dinge, die dich miesepetrig machen, sind unser Vater, Deaver, die Vergangenheit oder Michella, wenn sie wieder einmal in unpässlichen Situationen stört.“
Na ja, da hat er ausnahmsweise recht. Eigentlich amüsiere ich mich sonst immer über alles, aber wie nur? Ich will sie nicht auch noch verlieren… Wenn sich dieses Ereignis von damals wiederholen würde, dann weiß ich jetzt schon, dass ich gänzlich zerbrechen würde. Nein, nicht noch einmal könnte ich dies aushalten und diesen Verlust auf mich nehmen. Ich muss unbedingt etwas dagegen unternehmen, aber was?
Gedankenverloren nicke ich erneut, bevor ich eine Hand zum Abschied winke und mich in meiner Ruheoase verziehe. Ja, dieser Ort ist mir heilig und genau in diesem befinde ich mich täglich. Mein Zimmer ist doch der einzig wahre Platz zum Nachdenken und Entspannen.
Mir bleibt im Moment nichts anderes übrig, als auf ihr Erscheinen zu warten. Was wird sie wohl erzählen, wenn sie zurückkommt? Ich bin gespannt…
Somit setze ich mich aufs Bett und atme den wundervollen dezenten Duft von Shirley ein, der auf ihrer Bettseite dominiert. Mein Gott… Nicht nur Deaver hat eine Sucht, ich auch. Seine kann er jedoch behandeln lassen, wenn er wollte, meine nicht, denn ich bin süchtig nach ihr. Ja, sie ist mein Leben…
Nach einer Weile spüre ich mich irgendwie beobachtet, weshalb ich mich umsehe. Nichts Auffälliges ist zu erkennen. Seltsam. Aber ich spüre deutlich Blicke auf mir. Ja, jemand muss hier sein. Aber wenn er hinter Shirley her ist, warum verweilt er jetzt hier? Gehört dies zu seinem Plan?
Auf jeden Fall muss es sich um einen Vampir handeln, denn ich würde einen Menschen kilometerweit riechen.
Dieses Internat befindet sich sowieso abseits einer kleinen Stadt, indem ebenso meist nur Vampire leben, die alle Touristen von einem Besuch hindert. Das riesige Gebäude steckt außerdem mitten in einem Wald fest.
Er ist umringt von Bäumen und für die Menschen ist es bloß eine Ruine, aber nur solange, bis sie über unsere Existenz bescheid wissen.
Ja, dann können sie uns sehen, deshalb hat sich auch damals eine Gegenfraktion errichtet, die Hunterstrike. Sie befürchteten um ihre eigene Sicherheit und somit suchten sie einen billigen Grund für ihre unzähligen Morde. Ja, nur durch sie brach der düstere Krieg aus und auch wegen den Vampiren, die sich von Menschenblut ernährten. Aber ich werde schon wieder nostalgisch…
Zum Glück können wir heutzutage selbst Blutkonserven herstellen und von uns ebenso entnehmen. Nur durch den damaligen Entwickler der Bluttablette hat sich so einiges zum Positiven entwickelt.
Nur leider gibt es diese Geheimorganisation noch immer, selbst wenn die Gesamtheit unserer gleichen anderer Meinung ist, da wir nichts von ihnen hören. Klar, Menschen können nicht dreihundert Jahre leben.
Das heißt jedoch nicht, dass es die Hunterstrike nicht mehr gibt! Sie warten, bis ihre Kraft so gewaltig ist, dass selbst wir nichts gegen diese Hunters ausrichten können. Ja, sie bauen Konstruktionen gegen uns und werden irgendwann erneut zuschlagen.
Aber genug davon, ich will nicht an damals denken müssen. Es schmerzt noch immer. Ich habe es noch nicht überwunden und das werde ich auch niemals…
Seufzend schließe ich meine Augen und sehe immerzu sie vor mir. Es ist beängstigend, wie schnell ich Shirley überhaupt in mein Herz geschlossen habe. Eigentlich bin ich ziemlich misstrauisch und lasse niemanden an mich heran. Ja, deshalb bin ich auch so arrogant und fies… Aber seit ich sie kenne, ist alles anders geworden.
Auf einmal höre ich Schritte und das leise Knarren der Tür, weshalb ich nach einer kurzen Reaktionszeit die Augen öffne und meine Schönheit erkenne, die geradewegs zum Bad gehen will, doch ich halte sie sofort dabei auf: „Du willst mir nicht sagen, wie es war?“
Ruckartig kehrt sie um und wendet sich seufzend mir zu. Ihr Gesicht lässt Emotionen zu und ich erkenne sofort ihre Sorgen, ihre Angst, ihre Überraschtheit und ihre Erschrockenheit.
„Ich dachte, du schläfst.“
Nein, sie hat es sich gewünscht. In ihren Augen erkenne ich dies. Sie will es mir nicht erzählen, doch aus welchem Grund? Was geht bloß in ihr vor?
Trotzdem versuche ich normal zu wirken und ich grinse sie provokant und frech an: „Das denkst du doch immer.“
Dann, ohne meine Aufforderung, setzt sie sich zu mir und öffnet ihren Mund, doch kommt mein Wort heraus. Zur Beruhigung lege ich wortlos meinen Arm um sie und ziehe sie nah an mich. Ja, es fühlt sich gut, wenn sie bei mir ist. Aber im Moment befürchte ich das Schlimmste, wenn selbst sie so zittert, wie jetzt.
„Ich war eben bei ihnen und sie haben mir etwas erzählt und die Situation erklärt.“
Ihre Stimme klingt so fest, wobei ihr Körper ihre Gefühle präsentiert. Es ist verständlich, dass sie sich so schrecklich fühlt. Ich wünschte, ich könnte mit ihr tauschen und ihr diese Schmerzen und ihre Furcht nehmen.
Kurz schweigen wir, bevor sie mir erneut einen Bruchteil von der ganzen Geschichte offenbart: „Ein Vampir hat Waffen von den Hunters geklaut.“
Meine Augen weiten sich. Ist das wahr?! Wenn es wirklich so wäre, würde der Direktor dann nicht schon längst etwas dagegen unternommen haben? Und wenn, dann würde es nichts Gutes bedeuten… Dieser Vampir, er könnte alle unseresgleichen auslöschen, egal welchen Grund er dazu hegt. Und er hat es auf Shirley abgesehen, das weiß ich jetzt schon…
„Er hat nach mir gefragt und vorgestern wurde Mister Shirou von ihm angegriffen. Er wird wiederkommen. Heute Nacht wird er sicherlich erneut auftauchen und dieses Mal werde ich dort sein und-„
„Was?!“, springe ich auf und kann nicht glauben, was sie mir da erzählt. Hat sie sie nicht mehr alle?! Will sie sich umbringen lassen?! Das werde ich nicht zulassen, niemals!!!
Ich würde eher sterben, als dass ich sie verliere. Sie ist mein Leben und ohne sie kann ich nicht einmal mehr atmen.
„Nein, niemals! Ich-„
„Lass mich aussprechen!“, schreit sie mich an, was mich irgendwie nicht gerade beruhigen lässt. Ein leises Knurren bekomme ich nur noch aus meinem zusammengepressten Mund heraus, während meine Hände sich zu Fäusten ballen und ich Shirley verständnislos und zornig anstarre. Trotzdem schweige ich von nun an.
Kurz atmet sie tief ein und aus, bevor sie sich aufrecht hinsetzt und ihre Arme vor ihrer Brust verschränkt: „Shorn und Kenzen passen auf mich auf, so dass mir nichts geschehen kann.“
Dann beruhige ich mich allmählich und doch habe ich ein sehr ungutes Gefühl im Bauch. Irgendetwas stimmt hier doch nicht… Etwas wird geschehen, aber was?
Nichtsdestotrotz nicke ich jetzt und setze mich wieder zu ihr. Nur wenn ich bei ihr bleibe, werde ich mir keine Sorgen um sie machen müssen. Ja, genau…
„Gut.“, lächle ich entschlossen, „Ich werde in deiner Nähe bleiben.“
Kurz legt sie ihren Kopf schief, bevor ihre Mundwinkel sich verselbstständigen und sich ein süffisantes Grinsen auf ihr Gesicht bildet. Ihre Augen blitzen glücklich auf, bevor sie mich neckt: „Will Shorn auch. Also bringt euch nicht gegenseitig um, hörst du?“
Ich kann wenigstens noch dazwischen funken, wenn der Unbekannte meine Schönheit angreifen will.
Aber wieso hat sie den Beiden eigentlich verziehen? Ach, ist ihre Sache… Selbst wenn es mich sehr interessiert. Ob sie wieder weich wurde? Shirley ist so gutherzig… Ich hätte sie mindestens noch eine weitere Woche zappeln lassen, aber sie ist einfach anders.
Jetzt setze ich eine Unschuldsmiene auf, was mich innerlich schmunzeln lässt. Innerlich brodle ich vor Wut, wenn ich nur an ihn denke, denn nur wegen diesem Idioten und auch ihrem Cousin hat sie geweint!!! Wie könnte ich nicht diesen Drang haben, ihn zu vernichten? Er wird immer bleiben, egal was passiert.
„Hätte ich denn Grund dazu?“, frage ich unschuldig und muss innerlich darüber grinsen. Sie weiß doch ganz genau, dass wir uns die Köpfe einschlagen würden, wenn es nicht um etwas Wichtiges gehen würde. Aber im Moment geht es um sie und deshalb muss ich mich zusammenreißen.
Meine Traumfrau enttarnt sofort meine Unschuldsmiene und blickt dahinter, als sie mir einen wutentbrannten und durchdringenden Blick schenkt. Sie ist einfach so süß, dass es schon beinahe verboten ist.
Lässig rolle ich mit meinen Augen und hake es damit ab und sie ebenso.
Sie legt sich einfach auf ihre Bettseite und ich spüre förmlich ihre Angst. Das bereitet mir einen Stich sie so sehen zu müssen. Shirley sieht so geschafft und mitgenommen aus. Ja, alles nagt an ihr. Die ganze Aktion hier.
Ich kann es ihr nicht übel nehmen, wenn sie am Liebsten weglaufen würde, denn ich würde gerne mit ihr weglaufen. Ja, das wollte ich schon öfters. Ich kenne das Gefühl sehr gut…
Tausende von Problemen hüllen mich ein und erstrecht, wenn die Ferien anstehen. Immerzu will ich ihnen entfliehen, doch ich kann nicht. Ich könnte niemals Cem und Michella, die Beide doch so sehr an mir hängen, einfach so im Stich lassen. Nein, das wäre unfair.
Eigentlich war nur dies der Grund, wieso ich immer geblieben bin. Immerzu fühlte ich mich bedrängt und wollte nur weg. Das Image wollte ich schon lange nicht mehr führen. Immerzu habe ich das gemacht, was mein Vater wollte und trotzdem habe ich viel gefeiert und mir mein Pokerface aufgesetzt. Immerzu war ich gemein zu anderen und wieso?
Weil ich eine Person verloren hatte, die ich immer noch nicht loslassen kann. Zwar ist sie von mir gegangen, aber ich fühlte mich so schuldig und immerzu dachte ich an damals. Sie war aber tot. Ich wollte es mir dreihundert Jahre nicht eingestehen und somit wurde ich so, wie ich nun einmal war. Meine Wut projizierte ich auf Deaver und Räin, aber eigentlich hasste ich mich bloß selbst. Ja, das tue ich immer noch.
Immer war ich allein und fühlte mich so leblos. Ja, ich vegetierte nur vor mir hin. Bis ich auf sie traf. Als ich sie sah, wusste ich, dass sie was Besonderes war. Ich wusste bloß nicht wieso. Doch jetzt weiß ich, dass sie diejenige ist, die mein Leben verändert und die ich unendlich liebe. Ja, sie hat mich wieder ins Leben geholt. Nur durch sie will ich nicht mehr flüchten sondern kämpfen.
Ich bin aufgewacht und werde alles in meiner Machtstehende tun, damit ihr nichts geschieht!
Sie schließt ihre Augen und ich muss sie sanft anlächeln. Ja, ich habe ihr meine neue Lebenskraft zu verdanken. Der Wind drehte sich bereits, als ich sie zum ersten Mal sah. Ja, mein Kampfmut flammt von Neuem und ich kann einfach nicht anders als mich ihr zu nähern.
Mein Lächeln bleibt eisern, selbst als ich jemand anderes hier bemerke. Wir werden schon wieder beobachtet, aber wieso? Wieso greift er uns nicht an? Ich verstehe sein Warten nicht.
Aber im Moment ist nur sie wichtig. Meine Hand verselbstständigt sich und schon landet sie sanft auf ihre Wange. Immer wieder fahre ich auf und ab. Es fühlt sich so gut an. Mein Herz springt gegen meinen Brustkorb und ihre Haut ist so weich. Kleine elektrische Blitze schießen durch meine Hand.
Shirley schlägt ihre Augen auf und schon sehe ich in ihr tiefes Braun. Es verzückt mich immer wieder und fesselt mich so sehr, dass ich einfach nicht mehr wegsehen kann. Ich weiß nicht wie lange es dauert, bis ich mich wieder sammle. Innerlich würde ich gerne bei ihr bleiben, aber ich muss noch etwas klären… Ja, das sollte ich besser, bevor ich mich nicht mehr im Griff habe.
„Schlaf ruhig.“, lächle ich sie herzlich an, „Ich gehe kurz zu deinem Cousin und versuche sie zu überreden bei dir bleiben zu dürfen.“
Irritiert betrachte ich ihr Kopfschütteln. Was nein? Soll ich später nicht mitgehen oder will sie nicht, dass ich gehe? Mein Herz wünscht sich Letzteres, doch ich weiß, dass mich diese Annahme bloß verletzen würde. Niemals würde sie für mich mehr empfinden als nur Freundschaft.
Ich kehre ihr den Rücken zu und setze zum Gehen an, als sie mich aufhält.
„Sam“, ruft sie mich. Immer, wenn sie meinen Namen ausspricht, kann ich nicht mehr klar denken. Ihre engelsgleiche Stimme, die meinen Namen in den Mund nimmt, MEINEN. Das hätte ich mir niemals träumen lassen, dass sie dies gerade wirklich tut.
Augenblicklich drehe ich mich zu ihr um, die mich mit aufgerissenen Augen anstarrt.
„Was hast du?“, frage ich Shirley irritiert. Innerlich hasse ich mich dafür. Bestimmt erklärt sie mir jetzt, dass-
„Bitte geh nicht!“, fleht sie mich panisch an.
Kurz erstarre ich und mein Herz zerreißt bei ihrem Gesichtsausdruck und doch freut es mich. Sie hat Angst, aber wovor? Etwa um mich?
Aus ihren tränenverschleierten Blick erkenne ich das Flehen, aber warum? Wieso macht sie sich solche fürchterlichen Sorgen um mich? Warum so plötzlich? Das ist doch sonst nicht ihre Art! Obwohl… sie macht sich immer um alles sorgen. Aber um mich?! Das hat sie noch nie…
Bemerkt sie etwa auch, dass wir beobachtet werden?
Am Liebsten würde ich nicht gehen… Ich will sie nicht allein lassen, aber ich muss es wohl oder übel. Irgendwie glaube ich auch nicht, dass ihr so schnell etwas passiert.
Es fällt mir so schwer, aber ich muss… Bestimmt hat sie bloß Angst vor der Gegenüberstellung mit ihren Verwandten, mehr nicht. Ich bin ihr sicherlich nicht wichtig, nie und nimmer. Verdammt, wo ist meine Selbstsicherheit hin? Damals war ich doch immer so schön arrogant und jetzt? Ach, was mache ich mir eigentlich vor? Eigentlich war ich noch nie wirklich arrogant. Es war bloß eine Fassade, damit niemand mich verletzen oder hinter meinen wahren Gefühlen blicken konnte.
Tief atme ich ein, bevor ich ihr meine Entscheidung präsentiere: „Aber ich muss.“
Diese klingt jedoch alles andere als überzeugt. Nein, es hört sich eher so an, als wenn ich es bereue und verzweifelt wäre. Gut, ich bin verzweifelt. Aber nur weil sie mich mit ihrem Blick so sehr einnimmt, dass ich beinahe wirklich nachgebe.
Aber sobald ich Tränen in ihren Augen erblicke, hat sie mich schon überzeugt. Ich beiße mir auf die Unterlippe, als ihr ganzer Körper bebt und zittert, so dass ich mir wirkliche Sorgen um sie mache.
„Bitte! Bleib bei mir. Lass mich nicht alleine...“
Durch diese Worte vergesse ich für eine kurze Zeit zu atmen, doch sofort agiere ich. Ohne zu zögern nehme ich ihre Hand und drücke sie ganz schwach. Mit der freien streiche ich ihr eine ihrer wundervollen Haarsträhnen aus dem Gesicht und versuche sie zu beruhigen: „Ist gut. Ich bleibe bei dir.“
Wortlos pflanze ich mich zu ihr und ziehe sie ganz nah zu mir. Ich halte sie in den Armen, während sie sich an mich kuschelt. Kaum, dass ich mich hinlege, bemerke ich ihre ruhige und gleichmäßige Atmung. Ein wenig warte ich noch, bis ich mich vorsichtig aufrichte. Mit jeder kleinen Bewegung bin ich ja bedacht sie nicht aufzuwecken. Sie ist so friedlich, wenn sie schläft…
Kurz drücke ich ihr einen flüchtigen Kuss auf die Wange, bevor ich aufstehe und mich mit gemischten Gefühlen auf den Weg zur Tür begebe. Dort halte ich noch einmal an und schiele noch einmal über meine Schulter hinweg. Sie schläft noch immer.
Unbemerkt zucken meine Mundwinkel in die Höhe und ich lege verträumt meinen Kopf schief. Kurz verweile ich dort, bevor ich mich wieder umdrehe und den Ausgang hinter mir gut verschließe.
Zuerst atme ich erleichtert aus und doch wird mein Herz immer schwerer. Mit jedem Schritt, den ich begehe und dann spüre ich mich wieder beobachtet. Dieses Mal jedoch fühle ich, dass er Shirley gar nichts tun wollte. Nein, er ist hinter mir her.
Unbeschwert beschreite ich den langen Gang, als ich auf einmal auf dem Boden liege. Was war das denn?! Diese Kraft, diese Schnelligkeit… Nein, ich bin doch der Schnellste hier. Das ist unmöglich!
Mein Kopf prahlt hart auf und ich nehme alles nur noch verschwommen war. Verdammt, war ich etwa so schwach, dass ich es nicht aufhalten konnte?
Ich spüre diese verdammten Schmerzen, die mich komplett ausfüllen. Weshalb auch immer kann ich nicht aufstehen. Nein, ich verliere langsam mein Bewusstsein. Dann bemerke ich auch das ganze Blut, was ich verliere.
Ein düsteres Lachen hallt durch meine Ohren und allein die Konturen einer Person sind zu erkennen, bevor ich langsam in die Dunkelheit abtauche. Dabei wollte ich doch endlich kämpfen…

Ein Leben in Gefangenschaft




Ein seltsames Geräusch weckt mich auf. Mein Kopf schmerzt so furchtbar und ich bin nicht in der Lage meine Augen zu öffnen. Ein grausamer Schmerz durchzieht meinen Körper und ich fühle mich wie der letzte Dreck. Mein Schädel dröhnt und ich besitze irgendwie nicht einmal die Kraft einen Finger zu rühren.
Trotzdem bin ich bei Bewusstsein und liege nun auf einem kalten glatten Boden. Wieso bin ich hier? Wo befinde ich mich eigentlich? Irgendwie kann ich mich nicht so recht erinnern. Ein Schleier tut sich vor mir auf, doch ich verstehe die Bruchteile nicht. Zum Denken bin ich nicht in der Lage.
Langsam nehmen die Schmerzen wieder an Überhand zu und ich werde erneut bewusstlos.

Ein dumpfes Geräusch ertönt. Sofort schlage ich meine Lider auf und blicke verwirrt um mich herum. Wo bin ich? Was- Shirley!
Gerade als ich hochspringen will, werde ich jedoch daran gehindert. Irritiert sehe ich auf Ketten, in denen ich stecke. Entnervt rolle ich meine Augen. Na das auch noch! Als wenn ich nicht schon genug Probleme hätte!
Meine Arme sind gestreckt und ich kann sie nicht knicken, genauso wenig wie meine Beine oder irgendein anderes Gliedmaß. Verdammt!
Nach einer Lösung suchend durchdringe ich mit meinen scharfen Augen den düsteren Raum und erblicke eine Stahltür, die als einzige eine Fluchtmöglichkeit bietet. Sonst ist er leer. Super, das wird ja etwas werden… Aber ich muss es versuchen, wenn ich Shirley wiedersehen und beschützen will. Ja, ich muss kämpfen. Trotzdem wird es eine Weile in Anspruch nehmen.
Meine Augen verengen sich und ich kauere auf meine Unterlippe herum, als ich wieder ein dumpfes Geräusch vernehme. Von wo kommt dies?!
Eine Weile höre ich wieder nichts außer meiner ruhigen Atmung. Aber wieso hat dieser Vampir mich eigentlich nicht umgebracht, sondern mich hierher verfrachtet? Das ergibt doch keinen- Doch dann stocke ich urplötzlich. Mein Kopf rattert und ich ignoriere alles um mich herum. Was, wenn er mich nur als Geisel verwendet? Ja, was wenn er mich wegen Shirley- Doch sofort verliere ich wieder den Faden, als ich erneut dieses seltsame Geräusch vernehme. Was ist das?!
Ich horche, doch alles ist ruhig.
Dann komme ich auf eine Idee und zähle leise mit. Ganz langsam.
Eins. Zwei. Dr- Da höre ich es wieder, aber dann wieder Stille. Als ich dies erneut mache, höre ich wieder vor der Drei auf und es ertönt von Neuem. Meine Mundwinkel zucken in die Höhe. Dieser Mistkerl! Das ist ein lauter Bass, damit niemand meine Schreie hören kann, falls ich so etwas in Betracht ziehen würde. Warum bin ich nur nicht schon vorher darauf gekommen? Manchmal bin ich doch wirklich neben der Spur.
Dann hole ich tief Luft und schließe meine Augen. Er will sie hierher locken, aber das wird nicht funktionieren. Sie wird nicht wegen mir hierherkommen, niemals!
Doch dann schlucke ich heftig und zucke zusammen, als ich daran denke, wie sie mich aufhalten wollte. Sie hat es geahnt. Shirley wollte nicht, da- und jetzt ist sie allein… Ich habe sie im Stich gelassen, verdammt!!!
Ich muss hier ganz schnell heraus, aber wie? Ich kann mich nicht bewegen und meine Fähigkeiten sind somit auch unnütze. Irgendwie ist die Situation so ziemlich sinnlos, aber ich darf nicht aufgeben! Dafür steht zu viel auf dem Spiel! Ja, ich werde eine Lösung finden!
Somit stelle ich mir meine große Liebe vor. Ihre braunen wundervollen Haaren, die sich so weich anfühlen. Ihre so wundervollen Augen, die ständig ihre Farbe wechseln und ihre Gefühle offenbaren. Und ihre so verdammte Anziehungskraft.
Sie ist immerzu so zerbrechlich und erweckt in mir einen Beschützerinstinkt. Dann auf einmal erinnere ich mich jedoch an ihren Blutgeschmack und deren Geruch, der mich wahnsinnig macht. Aber ich wehre mich nicht, nicht jetzt. Ja, ich lasse es einfach über mich ergehen, dass sich mein Körper verselbstständigt und ich meine Selbstbeherrschung verliere.
Meine Zähne verlängern sich in Sekundenschnelle und meine Krallen fahren sich aus. Ich bin ein Geschöpf der Dunkelheit. Nichts würde mich noch aufhalten können!
Ich reiße mich von den schweren ketten los und zerstöre sie mit einer Handbewegung. Die kleinen Wunden, die hinterbleiben, stören mich im Moment nicht. Ja, ich nehme es nicht wirklich wahr und konzentriere mich eher darauf, so schnell es geht wieder bei ihr zu sein.
Auf einmal höre ich jedoch etwas anderes als diesen Bass. Sofort fahre ich um mich und erkenne einen seltsamen Mann vor mir. Er versperrt mir den Weg zum Ausgang.
Es dauert einen Moment, bis ich begreife, dass er mir vom Aussehen gleicht. Was geschieht denn hier?!
Aber ich durchschaue diesen Fremden, als seine Lippen sich zu einem spöttischen und gehässigen Grinsen kräuseln. Ja, er besitzt etwas sehr Gefährliches. Das kann ich spüren. Trotzdem beeindruckt er mich nicht, was ich ihm auch genaustem zum Ausdruck bringen lasse.
„Wolltest du mir etwa ausreißen?“, spricht er belustigt, da er sich wohl ziemlich sicher ist, aber er überschätzt sich selbst. In dieser Form kann mich niemand aufhalten, nicht einmal ich selbst.
„Ich dir?“, grinse ich abfällig und runzle verärgert die Stirn, „Du lausige Kopie würdest mir nicht einmal in hundert Jahren das Wasser reichen, also sollte es wohl eher andersherum sein, nicht?“
Innerlich brodle ich nur so vor Wut, als ich auf ihn zuschreite. Was soll das für ein Spiel werden?! Ich habe nun wirklich keine Zeit dafür!
Trotzdem fahre ich ein wenig meine Krallen ein und erlange an Selbstbeherrschung wieder. Diese Situation verwirrt mich zu sehr, als dass ich mich gänzlich in ein Monster verwandeln könnte.
Ein kaltes Lachen schallt in dem trostlosen Raum immer wieder und bleibt letztendlich in meinen Ohren hängen. Selbst dies lässt mich kalt. Ich will endlich nur hier heraus! Er nervt mich vollkommen!
Somit halte ich es einfach nicht mehr aus und laufe auf ihn zu. Er weicht mir jedoch aus und tippt mir auf die Schulter. Sofort drehe ich mich zu ihm um und weite meine Augen. Ein hinterhältiges Grinsen schleicht sich auf seine Lippen: „Weißt du, ich bin nicht nur eine billige Kopie von dir, nein. Ich bin du.“
Mein Atem stockt und für einen Augenblick erstarre ich in meinen Bewegungen. Was hat er gesagt? Er soll ich sein?! Soll das sein Spiel sein?! Mich zu verwirren oder mich zu blamieren? Tse… Der hat sie doch nicht mehr alle!
„Meine Vampirkräfte erlauben mir auch, dass ich die Fähigkeiten des jeweiligen übernehme.“
Ach, deshalb ist er genauso schnell wie ich. Das macht natürlich alles schwieriger…
Augenblicklich schließe ich meine Augen und konzentriere mich auf Shirleys Blutgeruch, bevor ich spüre wie ich mich verändere. Eine unglaubliche und unkontrollierbare Kraft macht sich in mir breit. Ich weiß, dass es falsch ist. Es könnte schreckliches passieren, aber ich muss. Mir bleibt nichts anderes übrig.
Somit öffne ich diese wieder und stürme auf ihm zu, doch dieses Mal kann ich jeder seiner Bewegungen erkennen und balle eine meiner Hände zu Fäusten, bevor ich diese genau auf ihn zusteuere. Er kann nicht mehr ausweichen, womit er durch meine Kraft gegen die Wand geschmettert wird. Ich sehe kurz noch wie er dort blutüberströmt liegt, als ich auf die Stahltür zulaufe. Doch anscheinend hat sich dieser Fremde schneller erholt, als ich gehofft habe, so dass er dicht hinter mir steht.
Auf meinen Absätzen mache ich kehrt und verpasse ihm die nächste, doch leider weicht er diesem Schlag aus, weshalb ich noch ein paar nachsetze. Aber auch die streifen ihn nur. Er springt immer weiter zurück, bis er die Wand erreicht und mir somit schutzlos ausgeliefert ist. Bedrohlich umgreife ich seinen Hals und drücke fest zu. Er ringt nach Luft, doch vergeblich.
Auf einmal durchfährt mich jedoch ein gleißender Schmerz und mein Griff wird lockerer. Schwer atme ich und versuche mich zu beruhigen, doch eine unerträgliche Hitze überfällt mich. Was ist das?! Wieso schmerzt alles?!
Mein Herz überschlägt sich schon beinahe vor Schnelligkeit, während mein Körper bebt und zittert. Am Liebsten würde ich mich irgendwo abstützen, doch ich versuche stark zu bleiben. Ja, für Shirley!
Doch mein Körper hört nicht auf mich, weshalb sich meine Hand zitternd zurückzieht und ich kraftlos auf die Knie sinke. Ich ringe nach Luft und stütze mich auf meine Hände ab. Meine Augen starren auf dem weißen Marmorboden und alles dreht sich um mich. Was ist das nur?!
Etwas zerreißt mich innerlich und ich kann nichts dagegen unternehmen.
Ein kaltes Lachen ertönt und dieses Mal erschaudere ich am ganzen Leib. Mit letzter Kraft sehe ich zu ihm auf, als er mir es erklärt: „Das sind die Folgen von dem riesigen Blutverlust, den du erlitten hast. Aber ich bin nicht so, du kannst dir ruhig mein Blut genehmigen. Schließlich will ich nicht, dass du mir hier wegstirbst. Na ja, noch nicht.“
Sein Blick lässt mich frösteln und eine Menge an Zorn lässt mich wieder neue Kraft schöpfen. Er ist so ein Idiot! Dieser Vampir weiß ganz genau, dass ich mich ihm niemals ergebe und somit etwas von seinem Blut nehme, niemals!
Hasserfüllt entgegne ich ihm und knurre bedrohlich: „Eher würde ich sterben!“
Somit lacht er wieder und erfreut sich an meinem Leid. Dieser Mistkerl! Das kann er doch nicht ernst meinen!
Ich versuche mich zu bewegen, doch ich kann nicht aufstehen, dafür habe ich einfach keine Kontrolle über mich.
Mein Leben zieht in dieser Sekunde an mir vorüber und ich kann nichts dagegen machen. Dann, als ich Ivonne vor mir sehe, stockt mir der Atem. Sie sieht genauso aus wie Shirley… Nein, das ist unmöglich! Doch dann fällt es mir wie die Haut vor den Schuppen. Ivonne ist niemals gestorben, nein. Sie ist Shirley!!! Warum ist mir das vorher niemals aufgefallen?! Sie gleichen sich doch so…
Als ich jedoch diese gefühllose und arrogante Stimme vernehme, bin ich sofort wieder im Jetzt und Hier: „Nun gut, ich erkläre dir mein Vorhaben. Du wirst es sowieso nicht aufhalten können. Ich werde deinen Platz einnehmen und ihr Blut trinken, um die ultimative Stärke zu gewinnen. Ja, ich werde sie heiraten und mit ihr meine Eltern rächen können. Ich werde die Menschenwelt vernichten und mit ihr über diese Welt herrschen. Ja, ich werde endlich Rache nehmen können.“
Jetzt lege ich meinen Kopf schief und unterdrücke ein Schmunzeln. So etwas Idiotisches habe ich schon so lange nicht mehr- Moment- Das habe ich doch schon einmal gehört!
Meine Kinnlade fällt herunter und ich kann nichts anderes außer ihm anzustarren.
„Orio?“, bringe ich nach einer Weile heraus und blinzle mehrmals. Das glaube ich jetzt nicht. Frams Bruder steht gerade wirklich vor mir?! Aber wie ist das möglich?! Ich habe ihn damals mit meinen eigenen Händen umgebracht, als er sich bereits damals an ihrem Blut bedienen wollte. Wieso lebt er noch?
Hochnäsig posiert er sich vor mir hin, so dass ich für einen Moment seine wahre Gestalt erblicken kann. Seine Haare gleichen Frams Farbe, doch sind sie kurz und gepflegt. Diese machen ihn nicht bedrohlich, aber seine weißen Augen schon. Er sieht wie ein Irrer mit ihnen aus. Damals waren sie noch braun, doch als er sich Rache schwor, verloren sie an Farbe.
Seitdem war er hinter Ivonne her. Anscheinend wusste er nicht, dass sie noch lebt, genauso wenig wie ich.
Aber dann stockt mein Atem. Doch ich wusste davon, aber ich habe Kenzen und Graceleen gebeten, dass sie meine Erinnerung löschen, da ich sie sonst verraten hätte, schließlich konnte ich keine Sekunde ohne sie leben. Ja, ich hätte es nicht ausgehalten und wäre am Ende doch zu ihr gegangen. Genau deshalb habe ich lieber das wertvollste aufgegeben, um sie zu schützen.
Seine großen Schatten unter den Augen und seinen Blick lässt noch einmal ihn verrückter wirken. Er lebt nicht mehr, nein, er ist besessen nach Rache. Wenn er sterben würde, dann wäre er endlich frei. Damals hat er mich damals schon um seinen Tod gebeten, aber da habe ich gezögert. Erst als er ihr etwas tun wollte, schritt ich ein. Aber jetzt würde ich nicht noch einmal zögern. Dieses Mal nicht.
Langsam erhole ich mich wieder und verdränge meinen Blutdurst. Ja, ich muss stark bleiben. Ich kann Shirley nicht allein lassen! Ich muss zu ihr…
Somit springe ich auf und schlage ihn mitten ins Gesicht, doch er erholt sich durch meine Fähigkeiten schnell, weshalb ich erneut zuschlage, doch dieses Mal wehrt er ab. Meine Krallen bohren sich in seinen Körper und ich erkenne sein schmerzverzerrtes Gesicht. Jedoch rechne ich nicht mit seinem Tritt, der mich zur anderen Wand schleudert.
Genau an der Wand stütze ich mich mit meinen Händen ab und fliege geradewegs auf ihn zu, als dieser dann jedoch schadenfroh grinst und ein Schwert bereithält. Leider begreife ich dies jedoch zu spät, als es bereits mein Inneres durchstößt. Ein spitzer Schrei entfleucht mir, während die Schmerzen mich lähmen. Mit weit aufgerissenen Augen steckt das Schwert nun in meinem Bauch und ich ringe nach Luft. Blut fließt mir aus dem Mund und ich kann kaum noch stehen. Super, wenn das weiter so geht, dann verblute ich gleich jetzt und hier.
Irgendetwas muss ich doch gegen ihn ausrichten können, oder?!
Doch dieser Gedanke wird sofort verworfen, als er langsam und schmerzvoll die Waffe wieder herauszieht. Ein schwaches Keuchen ist die Folge.
Kaum ist es draußen, schon verlassen mich meine Kräfte und ich verliere mein Gleichgewicht. Hart falle ich zu Boden und alles wird für einen Moment schwarz um mich herum. Nur dieses grausige Lachen ertönt. Ja, er ist ein Monster. Damals war er jedoch noch ganz anders, ein guter Freund…
„Ich muss jetzt aber wirklich los. Nicht, dass Shirley mich noch vermisst.“
Als er mich hier so liegen lassen will und an mir vorbeigeht, hebe ich meine Hand und versuche nach ihm zu greifen, doch da passiert er bereits die große silberne Stahltür. Nein, schreie ich in die Dunkelheit hinein. Shirley!

Als ich aufwache, höre ich wieder den Bass und seufze verzweifelt. Meine Augen öffnen sich und schon wieder hänge ich an diesen Stahlketten. Dieses Mal besitze ich leider jedoch nicht die Kraft, die ich bräuchte und würde mich deshalb am Liebsten selbst würgen. Wie bin ich bloß so schwach geworden?! Das ist nicht auszuhalten! Ich konnte nichts gegen ihn ausrichten!
Verärgert über mich selbst zerbreche ich mir den Kopf über alles, doch ich kann an der Situation nichts ändern. Meine Fänge sind riesig, da ich dringend Blut brauche. Wenn ich keines bekomme, werde ich sterben… Wieso habe ich mir auch keine Bluttabletten eingepackt?!
Aber dann starre ich auf den Boden. Ich will sie nicht ein zweites Mal verlieren… Aber was kann ich dagegen unternehmen? Ich sitze hier fest und komme nicht fort von diesem Ort.
Mein Kampfgeist hat mich verlassen und ich sehe auf ein verschlossenes Fenster, welches mir vorher nicht aufgefallen ist. Es ist zwar nicht sehr groß, aber ich kann dadurch den Sternenhimmel erkennen. Wenn Shirley doch nur in diesem Moment ebenso in den Horizont sehen könnte. Nein, wenn sie doch nur bei mir wäre… Ich hätte so gerne mit ihr romantisch den Himmel angeschaut.
Auf einmal sehe ich eine Sternschnuppe und lächle leicht. Ich wünsche mir so sehr, dass es ihr gut geht und ihr nichts passiert. Sie ist mein Leben und ich kann einfach nicht mehr ohne sie leben. Nicht noch einmal würde ich es überleben!
Warum muss alles nur schief gehen? Wieso kann ich nicht einmal einfach nur glücklich sein, ohne dass wir Probleme haben? Nein, das will ich einfach nicht mehr.
Es tut mir so leid, dass ich so schwach bin… Ich kann ihr nicht einmal helfen. Immerzu mache ich alles nur noch schlimmer, dabei versuche ich wirklich das Gegenteil zu erreichen. Anscheinend bin ich ein hoffnungsloser Fall geworden…
Ich hänge hier herum und warte auf mein Ableben. Nein, das bin nicht ich. Dies ist bloß meine Hülle, aber ich würde niemals aufgeben!
Und trotzdem bin ich hier gefangen und finde keinen Ausweg. Nur noch eine kann mich vor meinem Schicksal bewahren und das ist das Wunder. Niemand kann mich befreien oder mich gar retten. Aber es kann doch nicht das Ende bedeuten!
Erneut versuche ich mich loszureißen, doch nichts geschieht außer weiteren Schmerzen. Argh! Ich werde noch wahnsinnig! Irgendwie muss ich doch hier herausfinden!
Immer wieder versuche ich mich von den Ketten zu befreien, doch sie schneiden bloß in mein Fleisch hinein und legen sich jedes Mal enger um meine Gliedmaßen. Das bringt wirklich nichts…
Ich ignoriere die großen Wunden und die daraus folgenden Schmerzen. Ich muss zu Shirley! Das ist das einzige, was ich weiß und es reicht auch schon, um neue Energie zu sammeln.
Mir doch egal, wenn ich sterben sollte, solange ich vorher noch meiner Traumfrau geholfen habe. Also werde ich nicht aufgeben und warten, bis es zu spät ist!
„Bist du aber rebellisch.“, höre ich seine spöttische Stimme, die mich knurren lässt. Wie ich ihn doch hasse!
Langsam schreitet er auf mich zu und beugt sich zu mir vor, als ich ihn bloß erneut anknurre. Am Liebsten würde ich ihn wieder mit meiner Faust ins Gesicht schlagen, aber diese Ketten lassen es nicht zu.
Er bemerkt meinen Zorn, weshalb er mich belustigt ansieht. Zum Glück zeigt er vor mir sein wahres Ich, denn diese Psychospielchen kann er mit wem anders spielen! Mich nerven sie nur.
„Vielleicht sollte ich erbarmen mit dir zeigen.“ Meint er das jetzt ernst oder will er mich nur verarschen? Der ist wirklich ein Idiot!
Sein grauenvolles Lachen dröhnt wieder in meinem Kopf und ich kann nicht anders als zusammenzuzucken. Jetzt zeige ich ihm auch noch meine Schwäche offen. Was kommt als nächstes? Ich verbünde mich doch am Besten gleich mit ihm! Man, wie bescheuert bin ich eigentlich?!
Auf einmal legt er seinen Hals frei und deutet darauf: „Hier, nimm.“
Diese Worte machen mich rasend. Denkt er wirklich, dass ich mich einfach so ergebe? Zwar schmecke ich das Blut förmlich, aber ich versuche zu widerstehen. Leider gelingt mir dies nicht so sehr, so dass ich meine Fänge einfach in sein Fleisch bohre. Er schreit nicht oder sieht gequält aus. Nein, er scheint viel mehr Spaß an seinen Schmerzen zu haben. Wie dumm muss ich eigentlich sein? Er will mir doch bloß seine Überlegenheit präsentieren.
Sein Blut schmeckt nach dem Tod, was mich mein Gesicht verziehen lässt. Trotzdem bin ich zu schwach, um mich wieder zu beherrschen. Einige Schlücke genehmige ich mir, bevor ich endlich von ihm ablasse und ihn hasserfüllt ansehe.
Das Blut tropft meiner Lippe bis zum Kinn herunter. Sein grausiges Lachen ertönt, als er sich mir nähert und mit seiner Hand gedankenverloren das Blut an meinem Kinn wegwischt. Eigentlich wollte ich mich wehren, doch ich kann mich nicht bewegen. Wieso nicht?!
Er streicht über meine Wange, weshalb ich langsam wirklich an seinem Verstand zweifle. Weiß er eigentlich, was er da tut?! Das ist ja wirklich ekelhaft!
„Weißt du“, unterbricht er die Stille, weshalb ich meinen Kopf etwas anhebe, „eigentlich habe ich nie etwas gegen dich gehabt.“
Meine Fänge werden wieder kleiner und ich spüre das Leben in mir.
Diese Aussage verwirrt mich ziemlich, denn er sieht mich ernst an. Meint er das auch so oder ist das nur wieder ein Teil seines seltsamen Spieles? Man, nervt er! Ich will hier nur weg!
Auf einmal huscht ein dreckiges und sadistisches Grinsen auf seinen Lippen: „Aber du stehst mir nun einmal im Weg. Schon damals hätte ich mich rächen können, doch nur wegen dir habe ich es bis zum heutigen Tage herauszögern müssen. Aber bald ist es soweit und dieses Mal wirst du mich nicht aufhalten können.“
Diese Worte sind Gift für mich. Alles ist Gift und bedeutet meinen Tod. Ja, dieses Mal wird er es sicherlich schaffen, denn nur ich weiß seine Strategie. Ich kann niemand helfen, selbst wenn ich es wollte.
Trotzdem rase ich vor Wut und kann mich kaum noch zügeln. Dann erkenne ich jedoch etwas in seinen Augen, was mich hoffen lässt. Er ist ein Mistkerl, aber er zweifelt bereits, nicht wahr? Seine Ansichtspunkte überdenkt er gerade, dass sehe ich auf Anhieb. Bestimmt ist dies nur Shirley zu verdanken. Nur sie kann Lebewesen so verändern. Ja, das ist auch eine spezielle Gabe von ihr.
„Wir wissen Beide, dass es nicht funktionieren wird.“, spreche ich in einem relativ ruhigem Ton, als er sich sofort aus seiner Starre befreit. Ein Blick und ich muss hart schlucken. Er sieht nicht einmal wie ein Mensch oder Vampir aus, nein, nur wie ein Monster.
Lange starrt er mich mit diesen Funken an, dass ich förmlich den Schmerz spüre. Seine Hände zucken, das bemerke ich. Ich versuche mich wieder von den Ketten zu befreien, doch ich schaffe es nicht.
Auf einmal erhebt er seine Faust und schlägt mich mitten ins Gesicht. Durch seinen Schlag kann ich mich für einen Augenblick nicht bewegen. Der Schmerz ist hoch. Ich hätte damit rechnen müssen! Mein Mund war jedoch schneller als mein Verstand…
Blut sickert von meiner Lippe über mein Kinn und dieses Mal ist es mein eigenes. Wer hätte gedacht, dass ihn dies so sehr aufregt?
Schnell schüttle ich den Kopf und versuche einfach diese Schmerzen auszublenden. Einzig und allein konzentriere ich mich auf die Ketten, die jedoch nur weiter in mein Fleisch schneiden. Überall blute ich nun, doch es ist mir egal. Alles bin ich bereit zu unternehmen, solange ich hier herauskomme!
„Noch so ein Wort und es wird unschön für dich!“, zischt er mir bedrohlich zu.
Lange schweige ich und knurre bloß genervt, als er sich umdreht und verschwinden will, doch dann überhäuft mich der abgrundtiefe Hass und ich kann es doch nicht lassen: „Ach ja, welches denn?“
Meine Arroganz übertrifft wirklich alles und kaum habe ich diese Worte ausgesprochen, landet seine Faust wieder in meinem Gesicht. Dieses Mal höre ich jedoch ein Knacken und ich muss leise aufstöhnen. Super, jetzt war auch noch meine Nase hin! Alles nur wegen meinem vorlauten Mundwerk. Manchmal hasse ich mich selbst dafür…
Sofort überströmt die rote Flüssigkeit meinen Mund und tropft auf meine Kleidung. Super! Die waren nicht gerade billig gewesen! Außerdem habe ich sowieso schon wenig, da Shirley ziemlich viel eingefärbt hat. Eindeutig: Sobald ich hier lebend herauskomme, schwöre ich, dass ich, sogar mit meiner Schwester, einkaufen gehen werde!
Kaum habe ich mich von dieser Aktion erholt, drückt er mich gegen die Wand und würgt mich. Ich ringe nach Luft und versuche mich aus seinem Griff zu befreien, doch es gibt kein Entkommen. Immer mehr bemerke ich wie mich meine Bewusstlosigkeit einholt und ich schwächer werde. Kurz bevor ich letztendlich aufgebe, zieht er seine Hand jedoch zurück und lacht trocken auf: „Du hast Glück, dass ich dich mag und Spaß an dir gefunden habe.“
Super, das hört sich für mich irgendwie bitter an. Oh ja, schon eher hoffnungslos. Das bedeutet wohl, dass er mich quälen will, hm?
Auf einmal nimmt er sein langes Schwert und streift mich damit. Mein ganzer Körper zittert und immer mehr versuche ich mich gegen ihn zu wehren, aber wie, wenn man an der Wand angekettet ist und keine Option findet, wie man aus diesen herauskommt?
Somit schneidet er leicht in meine Haut am Arm ein und erfreut sich daran wie das Blut nur so aus dieser kleinen Wunde herausläuft. Dann beugt er sich über diesen und leckt die rote Flüssigkeit mit seiner Zunge weg. Sofort zucke ich zusammen und verziehe angewidert mein Gesicht. Er ist so ein Sadist!
Mein Entführer sieht mir wieder in die Augen und hat noch immer dieses verdammte Grinsen im Gesicht, welches ich ihm am Liebsten zerstören würde.
Dann beginnt dieses Spiel von vorne, doch bei dem anderen Arm und nach und nach werden es immer größere Schnitte, bis er sein Schwert an meiner Kehle hält. Ich bin ziemlich außer mir, doch kann ich mich nicht bewegen, da ich viel zu schwach dafür bin.
Ein düsteres Lachen ertönt, als er seine Waffe dann jedoch wegzieht und aus dem Fenster blickt. Ein neuer Tag ist angebrochen, was bedeutet, dass er die ganze Nacht mich gefoltert hat. Trotzdem gebe ich keinen Schmerzenslaut von mir, ich bleibe eisern. Es fällt mir schwer, aber ich halte es aus.
„Leider muss ich mich wieder um deine kleine Freundin kümmern. Sie wird gleich aufwachen und ich will sie nicht allein lassen.“
Bevor ich dagegen protestieren kann, verschwindet er schon aus dem Raum und lässt mich allein. Erschöpft lasse ich den Kopf hängen und seufze verzweifelt. Jetzt bin ich nur noch geschwächt und ich spüre wie die Wunden sich langsam wieder schließen. Wenigstens habe ich eine solche nützliche Fähigkeit. Vielleicht hat er deshalb auch so viel gefallen daran?
Hoffentlich wird Shirley nichts geschehen…

Die Zeit vergeht einfach zu schnell und doch so, als würde jede Sekunde ein ganzes Jahrhundert überdauern. Es ist schrecklich. Ich kann nichts tun und hänge nur noch hier, als wäre ich bereits tot. So fühle ich mich auch.
Ich bin in einem Trancezustand und bekomme kaum etwas mit. Lediglich mein Blut, welches manchmal den Boden berührt und dann ein winziges Geräusch hinterlässt, sonst ist es totenstill.
Es beunruhigt mich, dass er noch nicht wieder hier aufgetaucht ist, aber andererseits beruhigt es mich auch. Ich verstehe selbst nicht, was mit mir los ist.
Das bedeutet, dass Shirley noch lebt, aber andererseits, dass es Komplikationen gegeben hat und er vielleicht bereits tot ist – oder auch sie. Vielleicht will er mich jetzt jedoch gänzlich verbluten lassen?
Ach, soll mich doch der Teufel holen! Ich verstehe diesen Idioten und seine Psychospielchen einfach nicht. Er spielt den Unschuldigen und im nächsten Moment erfreut er sich wieder an unsere Schmerzen. Man bemerkt sehr schnell, dass er den Tod seiner Eltern nicht verkraftet hat. Aber wie auch?!
Seine Mutter starb in seine Arme und er musste Beide blutüberströmt dort liegen sehen. Er kam mit einer kleinen Verletzung davon, da er sich im Schrank versteckt hatte. Ja, er hatte wirklich Glück, dass Fram und Shorn ihn gefunden hatten, sonst wäre auch er von uns gegangen. Aber danach verlor er seinen Verstand. Zuerst wurde er immer abweisender und verschlossener, bevor er sein Essen verweigerte. Ja, er saß rund um die Uhr auf sein Bett und starrte gegen die Wand. Es war unerträglich.
Damit ich mich etwas von dem Verlust meiner eigenen Mutter ablenken konnte, half ich ihm, aber er sprach kein Wort mit mir. Erst als ich ihn anschrie, fing er zu weinen an. Seitdem Tag ging es bergauf. Wir waren alle erleichtert, doch dann erfuhr er, dass die Auserwählte die Hunters schlagen könnte und somit wollte er sie für seine Rachezüge benutzen. Wir waren mittlerweile sehr gute Freunde geworden, aber mit einem Mal wurde er zu einem Monster.
Ich hatte ihn noch nie so irre erlebt und musste meine große Liebe beschützen. Ja, an dem Tag brachte ich ihn um. Dadurch hasste mich Fram, dabei wollte ich ihn nicht verletzen, nicht einmal annähernd.
Aber jetzt ist er wieder hier und nichts kann ihn aufhalten. Klar, ich bin froh, dass ich ihn doch nicht auf dem Gewissen habe, aber andererseits bedroht er jetzt alles und jeden mit seiner bloßen Anwesenheit. Nun wünschte ich mir sehnlich, dass ich ihn damals wirklich umgebracht hätte.
Erneut versuche ich mich von den Ketten zu erlösen, aber jeder Versuch scheitert kläglich. Hat das Leben etwa seinen Sinn verloren? Sobald er wieder hier ist, werde ich sicherlich den nächsten Morgen nicht mehr überstehen.
Auf einmal erscheint er vor mir und ich muss heftig schlucken, als ich seinen irren Blick bemerke. Wieso muss er uns nur so etwas antun?!
„Wie geht es Shirley?“, frage ich ihn mit einer bebenden Stimme. Er bemerkt meine Angst und meine Unsicherheit und vergnügt sich damit. Wie kann er sich bloß so verändern? Wie konnte dies nur geschehen? Ich war doch ständig bei ihm! Wie konnte ich diese nicht bemerken?
„Ihr geht es bestens“, grinst mein ehemaliger bester Freund höchst erfreut, „und morgen wird sie die richtige Entscheidung treffen und schon habe ich genau das, was ich immer wollte.“
Ein Knurren entfleucht mir und er lacht über meinen Zorn. Aber dann werden meine Gesichtszüge langsam weicher. Ja, sie lebt noch. Trotzdem macht mir seine Antwort sorgen. Er wird es bekommen, das ist klar. Ja, er wird sie bekommen, um seine Rache zu vollstrecken.
Doch dann gewinne ich ein kleines Stück meines Selbstbewusstseins wieder: „Und was wenn nicht?“ Mit diesen Worten grinse ich ihn überlegen an. Klar, jeder Moment könnte mein letzter sein, aber dann will ich wenigstens meine Ehre dabei behalten!
Seine Augen blitzen hasserfüllt auf und doch kann ich einen Funken von Schalk in diesen entdecken: „Du weißt genauso wie ich, dass dies nicht möglich ist.“
Ein düsteres Grinsen breitet sich auf seinem Gesicht aus, als er sich mir nähert. Allein seine Anwesenheit lässt mich erschaudern. Als er eine Hand auf meine Wange legen will, zucke ich reflexartig zurück. Sofort geht meine Atmung nur noch stoßweise und ich kann nur noch zittern.
Wegen dieser Reaktion lacht er grässlich, so dass es sich in meinem Kopf ausbreitet. Es hallt immer und immer wieder, weshalb ich am Liebsten meine Ohren zuhalten würde.
Dann zieht er wieder sein Schwert und richtet sie auf mich. Ach, will er es endlich hinter sich bringen?
Aber ich werde von Neuem überrascht, als er die Stahlketten mit ein paar Hieben durchbricht und ich mit einem plumpen Geräusch auf dem Boden aufkomme. Was soll das? Wieso lässt er mich frei? Irritiert sehe ich in sein ehrliches Gesicht und erkenne die Wärme, die er damals immerzu ausgestrahlt hat.
„Geh ruhig“, meint mein Entführer lässig und doch ziemlich ernst, „du bist frei.“
Irgendwie glaube ich ihm, außerdem muss ich schnell zu Shirley, bevor ihr noch etwas geschieht!
Die kleinen Schmerzen ignoriere ich und will gerade aufstehen, als mir dieser Idiot seine Waffe an den Hals hält. Ach ja, klar… Und wie soll ich gehen, wenn- Genervt bleibe ich somit sitzen und grummle leise. Natürlich ist es wieder eines seiner Spiele. Wie konnte ich auch denken, dass er auf einmal wieder der Alte wäre und mich gehen lässt?
„Wenn du an mir vorbei kommst.“
Sofort hat er wieder sein Monstergesicht aufgesetzt und ich würde mir gerne meine Haare raufen, doch in diesem Moment sollte ich lieber keine falsche Bewegung vollstrecken.
Wütend starre ich in seine ‚lieblichen’ Augen, bevor ich eigensinnig meine Arme einfach vor meinen Körper falte und ihn gelangweilt ansehe. Natürlich musste er eine Bedingung stellen, sonst wäre es für ihn ja nicht unterhaltsam. Aber ich werde nicht aufgeben, bis der letzte Tropfen Blut geflossen ist!
„Ach“, schmollt er jetzt herum, „gibst du etwa schon auf?“
Och, da hat der wehrte Herr kein Spaß dran, was? Mir doch egal oder sieht man an mir, dass ich Spaß an der ganzen Sache hätte? Nein! Also soll er sich gefälligst nicht so haben. Er ist noch schlimmer als ein Kind oder Cem und die sind schon auf Dauer unerträglich.
Kurz schließe ich meine Augen und hole tief Luft, bevor ich die Waffe mit einer galanten Bewegung in die nächste Ecke befördere. Daraufhin springe ich auf und verpasse ihn einen mitten ins Gesicht, bevor ich zum Ausgang laufe, doch er ist schnell. Er springt auf mich zu und krallt seine Klauen in meinen Arm, bevor er mit der anderen an meinen Haaren zieht.
Frams Bruder hält mich schwer fest, so dass ich ihm nicht entfliehen kann.
„Sie bedeutet dir anscheinend viel, was?“, trifft er genau den Punkt und erfreut sich weiterhin an mein Leid, „Nur zu schade, dass dies nicht ausreicht, um dich hier heraus zu bringen.“
Wieder einmal kichert er und ich werde nur immer wütender. Er macht mich rasend! Wie kann er nur?!
Das lasse ich mir jedoch nicht gefallen, weshalb er von mir einen Tritt in den Magen verpasst bekommt. Der Vampir schmettert in die Wand, die sich anscheinend immer wieder von Neuem repariert. Erneut richtet er sich auf und läuft auf mich zu. Dieses Mal bin ich jedoch schneller und springe auf ihn zu. Ich werfe ihn zu Boden und liege auf ihn.
Mit vollem Hass umschlinge ich seinen Hals und drücke fest zu. Er röchelt und ringt nach Luft, doch mir ist das egal. Mein ehemaliger bester Freund wird niemals mehr normal werden, niemals…
Dann, als er sich nicht mehr bewegt und seine Augen geschlossen sind, stehe ich mit einem schlechten Gewissen auf und gelange zu meinem Fluchtweg, wo ich die Türklinke aufdrücke. Doch dann fühle ich einen grausigen Stich und meine Augen weiten sich, als ich Zähne in meinem Hals spüre.
Leise schreie ich, denn es brennt wie die Hölle. Ich kann kaum noch stehen und trotzdem tue ich es noch. Es wird immer heftiger und als er mich dann auch noch aussaugt, wird es mir zuviel. Mit schwarzen Punkten vor den Augen sacke ich langsam aber sicher zu Boden.
Sofort umringt mich die Dunkelheit, die mich in den letzten Tagen ziemlich oft heimgesucht hat.

Erneut verpasst er mir einen Hieb mit seiner Peitsche. Woher er diese auf einmal hat, frage ich mich gar nicht mehr. Seit einigen Stunden, in denen ich meine Augen nicht öffnen konnte, foltert und quält er mich bereits auf den verschiedensten Weisen.
Dabei bin ich nicht richtig wach und ich weiß kaum noch, ob ich überhaupt noch lebe oder ich bereits in der Hölle gelandet bin. Nichts nehme ich mehr wahr, außer sein Lachen und diese Schmerzen, die er mir zufügt. Ich bin zu schwach, um dagegen anzukämpfen.
Aber es würde auch nichts bringen, da ich im Liegen angekettet wurde. So gibt es für mich kein Entfliehen. Kein Geräusch kommt mehr aus meiner Kehle und ich atme kaum noch. Überall läuft Blut an mir herab und ich warte einzig und allein darauf, dass ich es endlich überstanden habe.
Shirley, bitte überstehe alles, was er dir antun wird, denn ich will dir noch meine Gefühle offenbaren, bevor ich von dieser Welt gehe.
Irgendwann lässt er dann jedoch von mir ab und ich bemerke noch, wie er mir meine Handschellen, Fesseln und Ketten durchtrennt, bevor er mich einfach am Boden liegen lässt, bevor er mit einem lauten Knall aus dem Raum verschwindet.
Erneut bemerke ich, wie ich bewusstlos werde.

Ein warmes Licht erwärmt meinen kalten Körper und Leben fließt langsam in mir. Alles ist still um mich herum, doch ein leises Schluchzen ist zu vernehmen. Was ist das? Wer weint da?
Irritiert schlage ich meine Lider auf, doch muss ich sie sofort wieder schließen. Diese Helligkeit macht mir ziemlich zu schaffen. Mehrmals blinzle ich noch, bis ich mich endlich an dieses gewöhnen kann. Dann blicke ich um mich herum? Wo bin ich?
Es dauert eine Weile, bis ich weiß, dass ich auf der Krankenstation in der Schule befinde. Wie? Eben war ich doch noch gefangen? Wie komme ich denn hierhin?
Ich ziehe eine Augenbraue hoch und runzle meine Stirn. Wurde ich etwa gerettet? Aber das war doch völlig unmöglich, oder nicht?
Dann jedoch richte ich mich in dem Bett auf und erkenne die Braunhaarige an meinem Bettrand, welche völlig aufgelöst ist. Moment- Shirley lebt? Sie lebt!!! Das ist ein Wunder.
„Wieso weinst du?“, frage ich sorgvoll, als ihre wundervollen Augen sofort meine finden. Ihr Gesicht hellt sich merklich auf und ich erkenne ein Strahlen in ihrem Gesicht. Sofort stürzt sie sich auf mich, doch ich weiche reflexartig zurück. Augenblicklich legt sie ihren Kopf schief und seufzt schwer. Verdammt! Das wollte ich doch gar nicht… Ich würde mich gerne von ihr umarmen lassen… Was war nur gerade mit mir los?!

Die Leiden eines Opfers




Lange schweigen wir und ich weiß nicht, was ich sagen soll. Irgendwie fühle ich mich so, als hätte man mir die Eingeweide herausgerissen.
Doch dann erst fällt mir wieder alles ein. Ja, genau. Er hat mich entführt und gefoltert. Dieser Mistkerl! Wenn ich den erwische, dann-
Aber dann sehe ich zu Shirley, die leise seufzt und den Kopf hängen lässt. Vorsichtig lege ich eine Hand auf ihre und streichle diese. Es ist schön, sie in Sicherheit zu wissen und so auch dieses herrliche Gefühl jemals wieder zu spüren, denn ich dachte bereits, dass ich dort nicht mehr heil herauskommen würde. Wie haben sie dies bloß geschafft?
Meine Augen beobachten meine Schönheit genau und sie bemerkt es, doch kein Ton erfolgt aus ihrem so perfekten Mund. Genau deshalb ergreife ich die Initiative und frage sie aus, da ich im Augenblick gar nichts mehr verstehe.
„Shirley“, lege meinen Kopf schief, „Was ist passiert? Er hat mich doch entführt und wollte dich-„
Just die Tür wird in einem Karacho geöffnet und schon stehen meine Geschwister dort. Kurz knurrt Michella, als sie Shirley erkennt, doch dann läuft sie geradewegs auf mich zu. Cem bleibt jedoch verwundert dort stehen und grinst bloß erleichtert über seine zwei Ohren, bevor er resigniert zu meiner Traumfrau sieht und diese mit einem schiefen Lächeln aufmuntert. Wieso das denn? Anscheinend habe ich echt einiges verpasst!
Gerade als ich meine Schwester in meine Arme schließen will, holt sie aus und ihre Hand landet in meinem Gesicht. Sofort brennt diese Stelle und ich muss leise fluchen, aber starr richte ich meinen Blick auf sie. Das ist aber eine barsche Begrüßung!
Verständnislos ziehe ich meine Augenbrauen zusammen und ziehe meinen Mund zu einem langen schmalen Strich. Meine Zähne presse ich fest aufeinander und aus meinem Gesicht entdeckt jeder meine Wut. Wie kann sie nur?! Das hat sie noch nie getan!
Doch dann fällt sie mir um die Arme und vergräbt ihr Gesicht in meinen Nacken. Ein leises Schluchzen geht von ihr aus und sofort bereue ich meine Wut. Sie hat sich bloß zu viele Sorgen gemacht, verständlich. Trotzdem war es ziemlich halbherzig von ihr. Na ja, ihr Temperament geht nun einmal mit ihr durch. Was will man dazu noch sagen?
„Schön, dass du noch unter den Lebenden weilst.“, scherzt mein Bruder überflüssig, der sich uns jetzt nähert. Kurz verziehe ich ihm eine Grimasse, bevor ich leicht nicke. Das finde ich auch, denn sonst könnte ich ihr nicht meine Gefühle gestehen. Bei diesem Gedanken muss ich unweigerlich zu Shirley schielen, die mich die ganze Zeit still beobachtet. Irgendetwas hat sie doch, aber was?
Mein Mund öffnet sich, um etwas von mir zu geben, doch kein verständliches Wort ertönt, sondern nur ein erstickender Laut. Augenblicklich lässt mich meine Schwester los und sieht mich mit großen Augen an. Ich versuche ein Lächeln, doch irgendwie kann ich mich nicht bewegen und ich bekomme keine Luft mehr. Mein Atem geht schwer und mein ganzer Körper erzittert.
Dann geht alles schnell und ich bemerke nur noch wie sie einen Arzt rufen und Cem Michella beruhigen will, während Shirley mich die ganze Zeit über anstarrt. So, als würde sie einen Geist sehen.
Währenddessen versuche ich mein Bewusstsein nicht zu verlieren, doch es gelingt mir nur mit letzter Kraft, während ein seltsamer Mann mit weißem Kittel hereinstürmt und mir eine Spritze in den Arm steckt. Die Schmerzen werden enormer und ich wehre mich dagegen. Mit Händen und Füßen trete ich um mich, während sie eine riesige Menge an roter Flüssigkeit in mir hineinpumpen.
Ich schreie und werfe bei meinen Schmerzen und meiner Angst mehrere Maschinen und einen ganz Tisch um. Auch den seltsamen schwarzhaarigen Mann werfe ich um und mehrere kommen und halten mich fest. Mein ganzer Körper zerreißt und geht in Flammen auf, so fühlt es sich an, als sie weiterhin das ganze Blut in meinem Arm befördern. Alle versuche ich wegzustrampeln und ringe nach Luft, während ich nur noch schwarze Punkte vor mir sehe.
Mein Hals ist zugeschnürt und ich spüre meinen Körper nicht mehr, bevor ich gänzlich in die Dunkelheit abtauche.

Irgendwann werde ich wieder wach, doch ich lasse meine Augen geschlossen, in der Hoffnung, dass diese verdammten Stiche und das Pochen in meinem Kopf endlich verschwinden, doch nichts geschieht.
Anscheinend muss ich mich noch auf etwas Schlimmeres gefasst machen, wenn ich wieder daraus entlassen werde, denn mein Vater wird mich so anschreien, dass ich mir doch den Tod wünsche.
Auf einmal horche ich auf, als ich Schritte vernehme und eine gewaltige Präsenz, die mich ständig umgibt. Jemand beobachtet mich?
Die Türklinke wird heruntergedrückt und ich höre, wie jemand dieses Zimmer betritt.
Die Person bleibt irgendwann stehen und dreht sich auf dem Absatz um. Lange schweigen sie, bevor ich eine leise Stimme vernehme.
„Wie geht es ihm?“, fragt eine bezaubere Stimme mit einem leichten zitternden Unterton die fremde Person. Leider vernehme ich keine weiteren Worte, nur ein leises Schluchzen erfüllt den Raum. Anscheinend muss etwas Schlimmes passiert sein, aber was? Mit mir hat es aber nicht zu tun, das spüre ich.
Langsam rege ich mich dann doch und öffne entschlossen meine Lider, als ich Kenzen erkenne, welcher seine tränenverschleierte Cousine in den Armen hält. Dieser Anblick raubt mir den Atem und ich sehe bedrückt zu meiner weißen Decke, die um mich herumgewickelt ist.
Meine Arme bewegen sich nur träge und irgendetwas hindert meine rechte Hand sich zu erheben, weshalb ich auf diese sehe und leise schlucke. Sie ist in Gips betoniert, während meine linke mit einer Kanüle verbunden ist. Habe ich nicht eigentlich selbstheilende Kräfte? Wieso sehe ich dann so ramponiert aus? Irgendwie verstehe ich gar nichts mehr… Ob das normal ist nach so einem Erlebnis?
„Du bist wach.“, stellt der Schwarzhaarige trocken fest, während ich mit Blicken nach meinem Handy forsche. Alle Sachen sind hier, warum finde ich es also nicht?
Irgendwie bin ich sichtlich verwirrt. Wieso will ich mein Handy?
Dann erst bemerke ich, dass sie mich skeptisch und auch besorgt beäugen. Also Shirley sieht mich besorgt an, nicht Kenzen. Dieser Idiot würde nicht einmal im Entferntesten auf diese Idee kommen! Aber was rege ich mich eigentlich so auf?
Wir mochten uns nie wirklich, aber trotzdem hat er mir meine Gedanken gelöscht. Er hat mir sie genommen, da ich seine Mutter und ihn nahezu angefleht hatte. Ja, ich kann mich noch genau an diese schreckliche Zeit erinnern.
Eigentlich wollte ich dies nicht, aber ich hatte keine andere Wahl, da ich sie sonst verraten hätte, weil ich mich bestimmt verplappert hätte und ich immerzu in ihrer Nähe sein wollte, doch das war schier unmöglich. Deshalb blieb uns keine andere Wahl…
Lange schweige ich, doch dann richte ich meine gleichgültige Miene aufwärts, obwohl ich dies gar nicht wollte. Leider scheinen dies Nachwirkungen von den Medikamenten oder der Folterung zu sein.
„Könntet ihr mir bitte erklären, warum ich noch lebe?“
Durch diesen scharfen Unterton in meiner Stimme bleibt mir selbst die Luft aus und ich zucke schrecklich zusammen. Am Liebsten hätte ich mich entschuldigt für diese Kühle in meiner Stimme, doch ich werde von meiner Geliebten unterbrochen.
„Frams Bruder ist tot.“, gibt sie mir ausdruckslos zu verstehen, „Ich habe ihn ermordet.“
Diese Worte lassen mir jegliche Gesichtszüge entgleisen und für einen Moment glaube ich, dass ich sie falsch verstanden habe, doch dann verstehe ich. Sie hat also das unmögliche geschafft, wovon ich nur träumen konnte?
Ja, ein Wunder ist geschehen, auch wenn es mein Stolz ziemlich beeinträchtigt, denn sie hat mich gerettet, obwohl es anders sein sollte. Ja, ich wollte sie doch beschützen… Aber wenigstens geht es ihr gut und das ist schließlich die Hauptsache.
Meine Lippen formen sich zu einem schwachen Lächeln und ich flüstere ein ‚Danke’, da ich zu mehr nicht fähig bin.
Ein gequältes Lächeln bringt sie letztendlich hervor, doch sofort wird sie wieder traurig und eine vereinzelte Träne läuft ihre Wange entlang. Dieser Anblick frustriert mich, denn am Liebsten würde ich sie umarmen und trösten, doch ich bin an diesem elendigen Bett gefesselt und kann mich nur mit viel Mühe rühren. Das ist wirklich unfair!
Selbst ihr Cousin scheint entrüstet und bemüht sich nicht gleich hier Schwäche zu zeigen. Genau deshalb verkrampft er sich. Sein ganzer Körper bebt und seine Atmung geht nur stockend. Laut schluckt er seine Gefühle hinunter, während Shirley uns ihre ganze Trauer mitteilt.
Eigentlich will ich nicht in ihre Wunden herumstochern, aber ich kann nicht anders und frage deshalb leise nach: „Was ist passiert?“
Der Halbvampir hält in ihrer Bewegung inne und atmet nur ganz flach, so dass ich zuerst glaubte, dass sie zu Stein erstarrt wäre. Langsam bewegt sich Kenzen zu mir und bleibt vor mir stehen. Sein Blick ist auf den weißen glänzenden Marmor gerichtet.
„Auf dem Rückweg wurden wir von Hunters angegriffen, wobei Shorn schwer verletzt wurde.“
Meine eine Hand krallt sich in die Bettdecke ein und ich grummle leise vor mir hin. Einer ist beseitigt und schon kommen neue und machen uns das Leben zur Hölle. Moment- Er wurde schwer verletzt?! Dabei dachte ich doch, dass die Dummen im Leben immer verschont werden? Oh man, hoffentlich überlebt er es. Eigentlich wäre es mir ganz gleich, wenn er nicht zu Shirleys Familie gehören würde.
Ungewollt lege ich meine Stirn in Falten und grüble vor mir hin. Dabei knabbere ich auf meine Unterlippe herum und male mir die Folgen dieses schweren Attentats aus. Shirley würde gänzlich zusammenbrechen. Nein, das will ich nicht! Ich muss irgendetwas dagegen unternehmen!
Widerwillig stelle ich eine Frage, die mich wirklich meine ganze Kraft kostet: „Was fehlt ihm denn genau?“
Durch diese so offensichtliche Sorge um ihn staunt ihr Cousin nicht schlecht, doch meine Traumfrau macht keinen Mucks. Leer und verloren ist ihr Blick, was mich in meine Annahme bestätigt, dass sie noch einen Schock nicht ertragen könnte.
„Er wurde angeschossen und-„
„Komplikationen sind aufgetreten.“, unterbricht nun die Braunhaarige uns und stolziert auf uns zu, so als wäre ihr egal, was mit ihm passieren würde, aber wir wissen es besser. Er ist schließlich ihr Bruder und irgendetwas verbirgt sie noch vor mir, aber das ist jetzt erst einmal nebensächlich.
Neutral setzt sie sich zu mir und greift nach meiner Gipshand, doch der Arm an diesem zuckt weg. Genau in diesem Moment hören wir einen Schrei vom Nebenraum und die Beiden laufen sofort los. Ich würde auch, doch als ich es versuche, bemerke ich, dass ich noch immer an diese verdammten Maschinen hänge. Was da bloß los ist?
Man, ich würde jetzt so gern wissen, was da los ist, doch ich komme hier nicht fort! Genervt warte ich nun ab und horche auf, doch kein Mucks ertönt. Super, wieso ist es auf einmal so still?
Da es irgendwann langweilig wird, schließe ich meine Augen und entscheide mich für ein kleines Nickerchen. Ich könnte sowieso nichts unternehmen…
Doch bevor ich dies noch kann, vernehme ich gedämpfte Stimmen und bin sofort wieder hellwach.
Dann stürzen Kenzen und die Ärzte in den Raum und ich versuche zu verstehen, was passiert ist.
„Shorn wird es ohne deine Heilkräfte nicht überstehen.“, gibt mir dessen Cousin zu verstehen.
Verdammt! Meine Augen weiten sich, bis ich verstehe. Wieso muss dieser Idiot uns alle immer nur solche Probleme bereiten?! Das ist unmöglich für einen normalen Vampir! Aber er schafft es uns alle am Rande unserer Verzweiflung zu bringen.
Unbedacht zerschneide ich die Kabel, an die ich angeschlossen war und springe auf. In diesem Moment bemerke ich nicht, was für Auswirkungen diese ganze Situation doch für mich hat.
Just läuft Kenzen los und ich folge ihm rasch. Durch die Gänge, bis er um die Ecke biegt und in einen Raum hineinläuft. Dort erkenne ich Shorn liegend, welcher kein Anzeichen zeigt, dass er noch auf dieser Welt weilt. Ein großer Kloß bildet sich in meinem Hals und ich kann es einfach nicht fassen. Dabei habe ich immer gedacht, dass ich vor ihm sterben würde und jetzt?
Dieser Anblick lässt mein Blut in den Adern gefrieren. Stocksteif betrete ich das Zimmer und sauge die Luft tief ein. Seine Augen sind geschlossen und er atmet nicht. Einen Blick auf die Anzeige und ich verstehe. Nur durch meine Kräfte kann er dies überstehen.
Ich muss es schaffen, sonst weiß ich nicht, wie ich weiterleben kann. Er ist immerzu wie ein Bruder für mich gewesen, selbst wenn wir uns immerzu gestritten und konkurriert haben. Ivonne ist schon gegangen. Nicht auch noch er!
Genau deshalb hocke ich mich neben ihm hin und sehe mir seine Schusswunde an. Eine Kugel aus Stahl, die durch Magie unberührbar ist. Sie saugt einem das Lebenslicht aus. Dann ist seine Situation klar.
Augenblicklich lege ich meine Hände auf die Wunde und spüre den Schmerz, den er ertragen muss. Jeder meiner Muskeln verkrampft sich und meine Atmung erhöht sich. Ein Stich nach dem anderen durchfährt mich.
Meine Augen schließe ich, bevor ich einen Teil meiner Kräfte langsam auf ihn übertrage. Ich spüre, wie ich immer schwächer werde. Binnen einer Sekunde röchle ich schon. Anscheinend bin ich noch angeschlagen, aber ich werde ihn nicht im Stich lassen! Eher würde ich sterben!
Auf einmal höre ich sein Herz schlagen. Sofort schlage ich meine Lider auf und siehe zu seinem Gesicht. Er atmet gleichmäßig und ich höre ein leises Schnarchen von ihm aus, was mich zum Lachen bringt. Dieser Idiot…
Erleichtert atme ich aus und falle auf meine Knie. Ich wische mir den Schweiß von der Stirn, bevor ich mich auf meinen Händen abstütze. Das war vielleicht anstrengend.
„Danke.“
Dieses Wort gebührt mir, doch eigentlich habe ich es bloß für mich gemacht. Jeden Schritt, den ich begehe, mache ich lediglich für mich. An diesem Gedanken halte ich mich fest, damit ich mir nicht erneut eingestehen muss, dass er mir in all der Zeit wichtig geworden ist.
Dann fällt mir etwas ein und ich stehe wackelnd wieder auf. Schwankend nähere ich mich dem erleichternden Kenzen.
„Ich habe eine Bitte an dich.“, flüstere ich ihm dringlich und schwach zu, „Sage niemanden ein Wort davon, dass ich Shorn das Leben gerettet habe. Lasse es unser Geheimnis sein.“
Seine Augen verengen sich zu schlitzen und er begegnet mir skeptisch, doch dann nickt er mir zu. Meine Mundwinkel zucken nach oben und gerade, als ich ihm einen meiner Sprüche an den Kopf werfen will, wird mir schwindelig und ich stolpere rückwärts gen Boden. Den Schmerz spüre ich schon nicht mehr, da mir schwarz vor den Augen wird. Ich falle in die endlose Dunkelheit und spüre nichts mehr.

Nun sind bereits zwei Wochen vergangen und keine Besserung ist in Sicht. Meine Albträume bleiben bestehen, genauso wie mein Trauma. Bei der kleinsten Berührung drehe ich schon durch und zu jeder Tageszeit muss genügend Licht vorhanden sein.
„Wo bleibt mein Frühstück? Ich habe Hunger!“
Seufzend verdrehe ich meine Augen. Wenigstens einer den es besser geht. Durch meine Heilkräfte ist er stärker denn je und benimmt sich sogar noch schlimmer als vor dem Attentat. Bestimmt zu viel Blutverlust.
Nur zu gut, dass Kenzen sein Versprechen hält. Niemand weiß, was ich für Shorn getan hat. Nicht einmal Shirley.
Seitdem sie weiß, dass er nicht sterben wird, strahlt sie auch viel mehr. Trotzdem hat sie sich verändert. Bei jedem ihrer Besuche bemerke ich es. Sie begegnet mir mit anderen Blicken. Irgendetwas steckt tief in ihr. Ich weiß, dass sie mir etwas sagen will und sie etwas bedrückt, doch sie schweigt stattdessen. Wie soll ich sie nur zum Reden bringen?
Mein Handy klingelt. Genervt sehe ich auf den Display. Cemedy. Er ruft nun ständig an, selbst während des Unterrichts. Seine Sorgen sind aber überflüssig. Ich weiß, dass er sich die Schuld daran gibt, aber das braucht er nicht. Alles ist okay. Es wird langsam wieder. Zumindest hoffe ich dies.
Morgen darf ich bereits nach Hause. Leider aber nicht ins Internat. Ich soll mich genesen und von zuhause aus lernen. Das hört sich wie die Hölle an und genauso das ist es auch!
Shorn muss wesentlich länger als ich hierbleiben, obwohl er bereits topfit ist. Er streitet sich schon wieder mit mir. Das ist ein gutes Zeichen. Immerzu beobachte ich ihn, damit ich mir auch sichergehen kann, dass es ihm gut geht.
Damit genau dies nicht so auffällt, habe ich ihn in meinem Zimmer einquartieren lassen und das genau dort, als er noch schlief. Wäre er wach gewesen, hätte ich mir dies schenken können. Freiwillig hätte er sich keinen Raum mit mir geteilt.
Anfangs hatte ich schon die schlimmsten Befürchtungen, denn er war nett und ließ alles über sich ergehen. So ein Verhalten ist man nicht von Shorn gewohnt. Aber ich musste schmunzeln, als er sofort nach Shirley gefragt hatte. Typisch. Sein Wohlergehen ist ihm ganz gleich, solange seine Familie heil davonkommt. Das war schon immer so. Genau deshalb dachten wir alle, dass er sich umbringen wollte, denn seine Schwester war ihm schon immer das Wichtigste gewesen.
„Hey“, begrüßt uns Shirley schwach. Dann setzt sie sich zwischen unseren Betten auf einen Stuhl und sieht immer wieder zwischen uns hin und her. Seitdem Unfall ist sie so wortkarg und erscheint mir nicht ganz sie selbst zu sein. Sie muss wirklich viel miterlebt haben. Es tut mir so leid, dass ich ihr nicht helfen konnte… Alles ist nur meine Schuld.
Irgendwann macht mich die ganze Stille schläfrig und meine Augen schließen sich von selbst.

Er steht vor mir und schlägt immer wieder zu. Alles ist so dunkel. Ich kann mich nicht rühren. Sein Lachen, welches mir immer wieder in den Ohren liegt. Dann lässt er urplötzlich von mir ab und dreht sich zu seiner zweiten Gefangene um. Als ich sie als Shirley identifiziere, weiten sich meine Augen.
„Lass sie in Ruhe!“
Doch er hört mich nicht. Er holt aus und schlägt zu. Sie weint bitterlich und schreit um Hilfe, doch ich kann mich nicht rühren. Egal was ich versuche, ich schaffe es einfach nicht. Ich bin zu schwach. Immer wieder rufe ich ihren Namen und versuche die Fesseln zu zerreißen, doch gibt es keinen Ausweg. Nein, das darf nicht passieren!
„Lass es einfach. Du kannst sie sowieso nicht retten.“, lacht er mich aus, bevor er sein Schwert zieht. Langsam geht er auf sie zu. Mit meiner letzten Kraft springe ich auf und laufe auf sie zu. Doch bevor ich noch bei ihr angelangt bin, durchbohrt er sie mit der Stahlklinge.
Überall spritzt das Blut, ihr Blut. Nein! NEIN!
„NEIN!“
Meine Lider schlagen sich auf und ich bemerke, dass ich im Bett sitze. Meine Atmung geht schwer und unregelmäßig. Es erdrückt mich innerlich. Ich habe keine Kontrolle über meinen zitternden Körper und versuche mich wieder zu beruhigen, während ich mich umsehe. Wieder ein Albtraum.
Der Schweiß perlt mir von der Stirn, weshalb ich ihn mir abwische. Doch dann sehe ich mir meine Hand an und stocke. Sie zittert ungehalten und lässt sich von mir nicht mehr kontrollieren. Verdammt!
Urplötzlich springt die Tür auf und Ärzte kommen herein. Darunter auch mein Cousin und Kenzen, welche hier vorzeitig übernachten dürfen. Sie sind ständig bei uns, um für uns zu sorgen.
„Schon wieder einen Albtraum.“, berichtet der verschlafene Blauhaarige mit geschlossenen Augen.
Seltsamerweise haben Kenzen und ich nun ein besseres Verhältnis zueinander, was wohl daran liegt, dass ich ohne zu zögern Shorn das Leben gerettet habe. Daran wäre ich fast gestorben. Ein Wunder, dass Shirley nicht die gleiche Blutgruppe hat, sonst wäre sie diejenige gewesen, die dies hätte machen müssen. Nur ich konnte es machen.
Der Schwarzhaarige beruhigt sich allmählich und schlägt sich eine seiner Hände gegen die Stirn. Er macht sich zu viele Sorgen um mich. Ich werde schon wieder!
Gerade als sich die Ärzte mir nähern wollen, zucke ich abermals zurück, weshalb alle ihr verzweifeltes Gesicht aufsetzen. Sollen sie doch einmal versuchen ihr Trauma loszubekommen. Das ist gar nicht so einfach!
Sie nähern sich mir trotzdem und versuchen mich zu berühren, doch ich dränge mich bis zur Wand hin. Wieso müssen sie mich nur so bedrängen? Meine Atmung wird schneller und ich erleide wieder einmal eine Panikattacke, wo ich um mich schlage und schreie, dass sie verschwinden sollen.
Gewaltsam halten sie mich mit fünfzehn Personen in Schach, so dass sie mir mehrere Beruhigungs- und Schlaftabletten einflößen. Bei mir reicht nicht einmal mehr eine ganze Packung von diesen Pillen.
Doch diese Anzahl, die sie mir eingeflößt haben, reichen, um mich zu beruhigen. Bevor noch irgendjemand etwas sagen kann, falle ich zurück in mein Kissen und schlafe traumlos ein.

Schwankend begehe ich den langen düsteren Gang, welcher mich hart schlucken lässt. Das allein bringt meine Erinnerungen zurück, genauso wie meine Angst.
Mein Bruder stützt mich ein wenig ab, wofür ich ihm dankbar bin. Ohne ihn wäre ich nur halb so glücklich. Obwohl ich in diesem Augenblick nicht von Freude oder derartigen Gefühlen sprechen kann, denn ich werde gleich umziehen. Schon allein der Gedanke, dass ich mit meinem Vater allein sein werde, gruselt mich.
Wieso muss der Arzt mir unbedingt Bettruhe verschaffen und wieso muss ausgerechnet ich darunter leiden?! Genesen kann ich mich auch in der Schule! Ich will nicht mit meinem Vater die Zweisamkeit genießen und ihn ertragen müssen! Nein, nein und noch einmal nein!
„Jetzt hör schon auf!“, schreit mich Michella genervt an, „Dad hat sich genauso viele Sorgen gemacht!“
Ungläubig starre ich sie an. Und wovon träumt sie nachts? Klar hat er sich Sorgen gemacht und zwar um sein Ansehen! Aber nie und nimmer um mich. Wir sind nur sein Zweck zum Mittel, nichts weiter. Ich bin immer schon nur sein Vorzeigeobjekt gewesen, welches er von Herzen aus hasst. Kein Haar würde er für mich krümmen, genauso wie für den Rest unserer Familie.
Als Antwort gebe ich ihr bloß einen gleichgültigen Laut, bevor ich meinen Kiefer aufeinanderpresse und mich aufs Gehen konzentriere. Wie schwer mir doch alles fällt. Das ist wie die Pest!
Kurén öffnet den Ausgang, bevor ich dem Tageslicht ausgesetzt werde. Mehrmals blinzle ich, bevor ich mich an die Helligkeit gewöhne. Es ist so ungewohnt. Immer noch kann ich mich nicht an das Licht gewöhnen, obwohl ich vor der Dunkelheit Angst habe. Wie ich erfahren habe, war ich eine ganze Woche dem ausgesetzt und doch hat es sich wie Monate angefühlt.
Augenblicklich ziehe ich meine Sonnenbrille aus meine Jackentasche und schiebe sie mir auf die Nase. So ist es erträglicher und niemand weiß, wie ich mich wirklich fühle.
„Gehen wir.“
Unbeirrt führen sie mich zur Limousine und ich setze mich hinten hinein. Die anderen setzen sich zu mir und ich lehne mich lässig zurück. Innerlich bin ich jedoch total aufgewühlt und ärgere mich noch immer über dieselbe Sache.
Auf der ganzen Fahrt schweige ich und überlasse Michella das Sprechen. So ist es auch wesentlich einfacher für mich. Ich will mich nicht verstellen müssen, sowie sonst auch immer.
Dann hält der Wagen an und alle steigen nach und nach aus, nur ich bleibe sitzen. Strikt weigere ich mich gegen diese unvernünftige Entscheidung, mich bei meinem Vater abzusetzen. Sie haben doch alle ihren Verstand verloren!
„Komm!“, hetzt mich meine geliebte Schwester, während Cem mir hinaus hilft.
Dort angekommen, erkenne ich schon unser riesiges Anwesen, welches meine Miene verfinstern lässt. Das war also doch ihr voller ernst. Denken sie wirklich, dass ich bei ihm gut aufgehoben wäre? Er würde nicht einmal bemerken, wenn man mich im gleichen Zimmer umbringen würde!
Es bedeutet, dass sie mich in einem anderen Kontinent aussetzen. Allein mit meinem Vater in England. Das kann etwas werden!
Und dann auch noch in dieser riesigen Gruselvilla, welche ich davor immer mochte, jetzt aber irgendwie einschüchternd wirkt. Klar, eigentlich ist es wunderschön mit seiner weißen Fassade und seinem mitternachtsblauem Dach. Ein großer Garten und eine riesige Veranda machen dieses Haus perfekt und trotzdem hasse ich es. Es ist groß und prunkvoll. Niemand braucht so viel Platz, wie in diesem existiert.
Nach einer Betrachtung meiner vorprogrammierten Hölle nähere ich mich dieses auch noch. Auf der Veranda finde ich das Schreckensabbild wieder. Dort sitzt er und beachtet uns nicht.
Seine dunkelbraunen Haare reichen ihm bis zu seinem Nacken und sitzen immerzu perfekt, während seine schokobraune Augen nicht ein Stückchen von ihm preisgeben. Sie sehen immer gleich aus. Immerzu emotionslos und hasserfüllt.
Heute trägt er einen schwarzen Anzug. Vielleicht trauert er auch gerade, so wie ich? Wir Beide hassen uns schließlich wie die Pest. Aber vielleicht will er mich ja umbringen. Das muss es sein!
Allein seine Erscheinung bereitet einen Schauer über dem Rücken, aber sein Charakter ist um das Zehnfache schlimmer!
Seine Gepflegtheit und sein Modelaussehen ist wirklich nichts gegen diese Autorität und Machtbesessenheit.
Seine langen und großen Hände umfassen die Kaffeetasse vor ihm. Wahrscheinlich wieder einmal pures Nervengift für ihn.
„Dad“, begrüßen Cem und Michella ihn gleichzeitig, weshalb er seinen Blick anhebt und uns zunickt. So gesprächig wie immer, wenn ihm etwas nicht passt. Na, da freue ich mich aber schon auf eine erholsame Zeit mit ihm allein…
Sie setzen mich in meinem Schlafgemach ab und verabschieden sich kurz darauf auch schon bei mir. Nun sitze ich hier alleine und weiß rein gar nichts, was ich tun soll. Wie lange muss ich das noch einmal aushalten?
Auf einmal ruft er meinen Namen aus. Ich zucke just zusammen und springe dann auf.
„Samery! Beweg dich gefälligst her!“
Das kann nichts Gutes verheißen. Kurz fahre ich mir über mein Gesicht, bevor ich seufzend die Treppe hinunter torkle. Ich fühle mich so, als hätte ich zu viel getrunken. Leider ist dem nicht so, denn dann hätte ich wenigstens noch meinen Spaß und würde mit meinem Tod alleine sein.
Gerade als ich um die Ecke biege, bekomme ich einen Schlag ab und mein Kopf schnellt zur Seite. Meine Atmung geht schnell und ich überprüfe, ob mein Kiefer gebrochen ist. Negativ.
Dann erblicke ich den kochenden Boss der Familie From, welcher mich darauf sogleich eine Predigt hält, wie ich es wagen könnte, unser Ansehen zu beschmutzen. Ich würde ihm alles zunichte machen, was er die ganzen Jahre mühsam aufgebaut hätte. Währenddessen beruhige ich mich innerlich einfach und kühle meinen Kiefer mit einem kalten Tuch. Jetzt weiß ich, dass ich lieber hätte sterben sollen. Das wäre nicht so schlimm gewesen, wie dies hier.
Nachdem ich mir sein Gerede und seine Strafen schweigend über mich ergehen lasse, trotze ich wieder zurück zu meinem Bett, auf welches ich mich hinsetze und beschließe, dass ich nichts mehr zu verlieren habe.
Die nächsten Wochen und Monate rauschen an mir vorbei, ohne dass jemand noch ein Wort von mir vernommen hat. Ich sitze hier und warte auf meinen Tod. Das Essen lehne ich ab und sehe stur geradeaus. Niemand dringt mehr in mich hinein. Jedes Gespräch ist hoffnungslos. Ich höre ihnen nicht mehr zu und sitze nur noch auf meinem Bett. Ich will einfach nicht mehr leben. Wozu noch?!
„Das geht so nicht mehr weiter!“, schreien sie mich an, doch ich blocke wieder einmal ab. In Wirklichkeit bin ich ihnen doch auch nicht wichtig. Nicht für meine Familie, nicht für meine Freunde und erstrecht nicht für Shirley. Somit bin ich allein. Alle würden sich doch nur freuen, wenn ich endlich sterben würde. Ich will so einfach nicht mehr leben.
Albträume, Berührungsängste, Angst vor der Dunkelheit, Panikattacken, Nervenzusammenbrüche, Schwächeanfälle… Das reicht mir allmählich! Es reicht mir endgültig!
„Wir fahren mit dir im Urlaub.“
Diese Worte vernehme ich zwar nur am Rande, aber es reicht, um das Feuer in mir zu entfachen. Sollen sie doch versuchen, ich bewege mich kein Stück fort!

Ich habe die Kräfte von Kenzen vergessen. Er hat mich doch tatsächlich, nur einen Tag später, nach Schottland teleportiert. Aber was hat ihnen dies nun gebracht? Jetzt sitze ich auf diesem Bett fest. Innerlich amüsiere ich mich über ihre lächerlichen Versuche. Haben sie nicht etwas Besseres auf Lager?
Leider scheinen sie meine Gedanken gelesen zu haben, denn am nächsten Tag unternehmen sie alles, damit ich endlich wieder etwas esse. Sie zwingen mich zu duschen und aufzustehen.
Durch diese Bedrängung laufe ich weg und suche mir einen ruhigen Ort, wo niemand mich findet. Daraufhin entdecke ich einen Wald südlich von Perthshire, wo man mich hin verfrachtet hat. Es handelt sich bei diesem um einen reinen Kiefernwald. Dort werde ich sicherlich meine Ruhe finden.
Bereits beim Betreten spüre ich eine magische Aura, die mich glücklich stimmt. Es fühlt sich so gut an. Anscheinend ist es kein normaler Ort. Hier wimmelt es sicherlich von magischen Kreaturen. Aber ich denke nicht, dass diese mir Schaden zufügen wollen.
Somit schreite ich weiterhin in diese und begegne dort kleine Elfen, Feen, Zwerge und Kobolde. Allerseits verstecken sich gut, aber sie spüren ebenso, dass ich kein Mensch bin, weshalb sie sich mir offen präsentieren.
Mit einem Lächeln komme ich an einer Stelle an, wo nicht so viele Bäume stehen. Dort setze ich mich hin und lasse die Natur auf mich wirken. Alles blüht, obwohl es bereits Winter ist. Nur Menschen ist dieser wundersame Blick auf magische Existenz verweigert.
Es würde auch nur zu Streit und Krieg führen, da sie Angst vor uns haben. Immer vor andersartigen. Das ist eine Schwäche der Menschen. Aber ich kann nicht sagen, dass wir Vampire anders sind, denn wir gieren auch nach Macht und streben nach Reichtum. Wir sind doch genauso dumm wie sie.
Der Weg ist rötlich und erinnert mich an Blut, genauso wie der Himmel. Aber trotzdem ist es hier so friedlich, weshalb ich in den nächsten Tagen auch hier verweile. Ob sie mich bereits suchen? Es soll mir doch egal sein.
Mein Leben ist doch sowieso nichts mehr wert. Ich mache ihnen doch sowieso nur Probleme. Eine Hilfe bin ich ihnen nicht. Shirley wird mich sicherlich für einen Schwächling halten. Dabei wollte ich sie doch nur beschützen! Sie bedeutet für mich alles, aber durch mich wäre ihr Bruder beinahe gestorben. Nichts kann ich mehr alleine. Ich bin eine Naturkatastrophe und jeder sollte sich glücklich schätzen, mich loszuwerden.
Just höre ich eine kleine Glocke läuten. Irritiert blicke ich um mich und erkenne über mir ein Schmetterling in der Größe eines Adlers. Verträumt lächle ich es an. Seine Flügel sind feuerrot und wirken im grellen Sonnenlicht sogar kupfern. Die Farbe wechselt sich nur ab und zu durch schwarze Punkte ab.
Hinter ihm glitzert der Wald. So elegant und magisch. Dieses Lebewesen ist ein Geschöpf der Natur. Ich habe noch nie so eines gesehen. Dann bemerke ich auch die kleineren um mich herum. Sie sehen so wundervoll aus.
Ich strecke meine Hand aus und eines dieser Schmetterlinge landet genau auf dieser. Von Nahem sind sie noch wunderschöner. Ein unbeschreibliches Gefühl durchströmt mich. Es erinnert mich an Shirley. Sobald ich sie sehe, spüre ich es. Ich liebe sie und bin glücklich. Wenn ich sie nur ansehe, will ich Berge für sie versetzen.
„Wunderschön.“, flüstert mir eine engelsgleiche Stimme zu, die mein Herz höher schlagen lässt. Das kann doch jetzt nicht wahr sein, oder?
Aber als ich um mich blicke, erkenne ich sie. Was macht meine große Liebe nur hier?
Ein wunderschönes Lächeln zeigt sie mir, bevor sie sich neben mir platziert. Ihre Augen gelten dem außergewöhnlichen Schmetterling. Durch dieses glückliche Gesicht muss ich verschmitzt grinsen. So süß und kindlich, wie sie manchmal wirkt. Nichtsdestotrotz nicke ich ihr zu.
Dann lehnt sie sich auf einmal gegen meine Schulter an und ich sauge ihren herrlichen Duft ein. Da fällt mir ein. Wann hatte ich meine letzte Bluttablette genommen? Ach, das schaffe ich schon noch ein wenig ohne Blut.
„Wieso bist du hier?“, frage ich sie dann leise. Darauf kichert sie ein wenig, was mich verblüfft. Ich habe sie schon lange nicht mehr wirklich glücklich gesehen. Überhaupt habe ich sie zwei Monate nicht gesehen.
Ihre Nähe lässt mich wieder wissen, wie man lebt. Ich genieße diesen Moment so sehr, dass ich wieder beginne zu verstehen. Ich brauche sie. Sie ist der Grund, warum ich noch lebe.
Wir sehen uns gemeinsam den Schmetterling auf meiner Hand an. Er kitzelt mich ein wenig mit seinen Fühlern, aber sonst scheint er sich bei mir wohl zu fühlen. Das erfreut mein Herz.
„Selbst der Schmetterling hat begriffen, was für ein toller Vampir du doch bist.“
Durch diese Worte sehe ich sie perplex an. Mein Herz springt förmlich aus meinem Brustkorb, so glücklich macht mich dieser Satz. Sie findet mich toll? Ist das ihr ernst?
Ihr ehrliches Lächeln macht mir zu schaffen und doch kann ich nicht aufhören, als sie anzustarren. Eindeutig. Ich war zulange auf Entzug. Sie ist meine persönliche Droge und ohne sie will ich auch gar nicht mehr leben.
Sie streckt ihre Beine genüsslich aus und hält meinem Blick stand. Anscheinend bemerkt sie, dass ich mich solange nicht rühre, bis sie auf meine Frage antwortet. Genau deshalb blickt sie um sich und schmiegt sich weiter an mich. Mir wird heiß und kalt zugleich. Reflexartig schlinge ich einen Arm um sie und ziehe sie noch näher zu mir. Seltsamerweise lässt Shirley es zu, weshalb meine Mundwinkel nach oben zucken.
„Wir haben uns um dich sorgen gemacht und tagelang gesucht. Sie wollten alle dir Vernunft einprägen, doch ich wollte mit dir alleine sprechen. Ich weiß, was er für ein Tyrann ist. Natürlich kann ich nicht ansatzweise wissen, wie es sich anfühlt, nach so einem Vorfall, aber-„
„Zum Glück nicht.“, unterbreche ich sie ungehalten und hole tief Luft. Sofort verspanne ich mich und brenne innerlich. Noch länger und ich werde ihr meine Gefühlswelt offenbaren.
Meine Traumfrau streichelt mir über meine Wange und behält ihre Worte für sich.
Eine Weile schweigen wir einfach nur und genießen unsere Zweisamkeit, bis sie dann doch meint, reden zu müssen: „Ich bin wegen dir hier und werde nicht ohne dich gehen.“
Mehrmals blinzle ich, bevor ich ihre Worte begreife. Meine Lippen formen sich zu einem fröhlichen Lächeln. Also bedeute ich ihr doch etwas.
Der Schmetterling auf meiner Hand hebt ab und fliegt nun zu seinen Artgenossen, bevor sie gemeinsam ihren Weg zurückfinden. Lange sehe ich ihnen nach, bevor ich bemerke, wie Shirley langsam aufsteht. Sie dreht sich zu mir um und bietet mir ihre Hand an. Zwischen ihr und dieser blicke ich immer wieder, bis ich zu dem Entschluss komme, dass es sich nichts ändern würde, wenn ich einfach hier bliebe. Sie würde sowieso nicht gehen, solange ich hier bin.
„Hör mir jetzt zu.“, befiehlt sie mir in einem liebevollen Unterton, so dass ich ihr für den Rest meines Lebens ihre Stimme hören könnte, „Du wirst jetzt aufstehen und uns nicht im Stich lassen! Sam, draußen laufen Hunters durch die Gegend und wollen uns alle umbringen. Außerdem kannst du doch deine Familie nicht im Stich lassen! Du weißt ja gar nicht, wie sie leiden. Kenzen steht ihnen die ganze Zeit bei, so dass ich ihn nicht einmal in der ganzen Zeit, wo du hier schon Trübsal bläst, zu Gesicht bekomme! Aber das ist mir egal, solange du gefälligst nicht mehr hier sitzt und dich bemitleidest, denn du wirst gebraucht.“
Ungläubig starre ich sie an. Soll dies ein Scherz sein? Niemals könnte ich eine Hilfe sein. Ich mache jedem doch nur Probleme! Niemand kann ich helfen. Nicht einmal Shirley konnte ich davor bewahren.
„Mir geht es aber gut und jetzt steh auf und lebe wieder! Ich brauche dich verdammt noch mal! Du bist mein bester Freund und ich kann Shorn nicht alleine ertragen!“
Das ist ein Argument. Sie braucht mich also, hm?
Selbst wenn es nur um ihren Bruder geht, es reicht mir schon, um endlich wieder zu leben.
Somit stehe ich auf und ziehe sie in meinen Armen. Dabei blinzle ich meine Tränen weg. Anscheinend habe ich sie einfach nur gebraucht. Jetzt kommt mir mein verlorener Lebensmut wieder zurück und ich bemerke, wie dumm ich zuvor war. Weglaufen, ist keine Lösung.
„Da hast du recht.“
Meine Augen weiten sich. Kann sie etwa meine Gedanken lesen? Aber sonst konnte sie es doch auch nicht oder verschleiere ich nichts mehr?
Auch sie erschreckt sich und beantwortet somit meine Frage. Sie kann sie lesen. Bestimmt liegt dies an meiner Schwäche. Ich kann kaum noch stehen.
Schweigend gehen wir Hand in Hand zurück in die Stadt Perth, bevor ich mir einen langen Vortrag anhören muss. Aber sie freuen sich mich zu sehen. Als ich Shirley und Kenzen erzähle, was mir mein Vater angetan hat, darf ich sie in den Ferien oft besuchen und mit jedem Tag werde ich stärker. Nach den Ferien gehe ich wieder ins Internat und wir kommen alle viel besser aus, als ich es mir hätte erträumen können.
Die Albträume verschwinden und keine Ängste zieren mich mehr. Mein Trauma schwindet, aber es wird noch dauern, bis ich ganz verheile.
Aber meine Familie und meine Freunde helfen mir dabei, somit bin ich nicht allein.

Probleme über Probleme

 

Nun sitze ich hier in Dublin und warte darauf, dass alle beisammen sind. Seitdem mein Vater weiß, dass ich ihm Shirley vorstellen werde, hängt er mir ganze Zeit damit in den Ohren, dass ich sie doch endlich heiraten solle. Er will schließlich noch mehr an Macht erlangen.
Zuerst verstand ich dies nicht, aber als er mir erzählte, dass Shirley die Auserwählte wäre, wusste ich es.
Mein Vater hat mir erzählt, wer sie wirklich ist. Sie ist meine Ivonne. Als ich dies erfuhr, war ich völlig durch den Wind und konnte einfach nicht verstehen, wie er es mir nur verheimlichen konnte. Im Glauben, dass sie nicht mehr lebte.
Das bedeutet, dass sie nicht siebzehn wird, so wie sie selbst denkt. Wieso hat Kenzen nie ein Wort gesagt? Bei Graceleen kann ich es noch verstehen, aber bei ihm?
Trotzdem schweige ich darüber. Das musste ich ihm hoch und heilig versprechen, sonst hätte er mir mein Gedächtnis gelöscht. Darauf kann ich sehr gut verzichten.
Wir haben auch neuerdings in Irland viele Anwesen, was es leichter macht, bei Shirley zu sein, denn sie wohnt in diesem Land, zusammen mit ihrem Bruder und Cousin.
Ein Grummeln verlässt meine Kehle, als ich lautes Geschrei vernehme. Cemedy und Yuusho streiten sich schon die ganzen Ferien über und ich habe keinerlei Wissen darüber, ob es sich jemals wieder legt. Mein Bruder hat nämlich erfahren, dass Ann wieder zurück sei und mein Vater verbietet ihm, sie zu sehen.
Dieser hat ihm damals bereits sein Glück zunichte gemacht, da die Froms und die Räins Feinde sind. Aber sie lieben sich wirklich, doch Yuusho hört ihm nicht zu und will ihren Fluch nicht aufheben. Solange, wie seine Traumfrau diesen Fluch trägt, darf er sich ihr nicht nähern, sonst wird sie verletzt und neue Wunden zieren sie. Ann ist die Schwester von Kenzen, aber so viel wie ich gehört habe, lebt sie nicht bei ihm sondern bei Graceleen.
Da fällt mir meinen lächerlichen Heiratsantrag ein. Ich habe Graceleen um Erlaubnis gefragt, Shirley zu heiraten. Eigentlich macht man dies bei dem Vater, aber Shirley hat ja leider keine Eltern mehr. Wie ich es bereits dachte, hat sie mich aus ihrem Haus geworfen, aber ich musste es versuchen, denn mein Vater hätte mich gefoltert, wenn ich ihm erneut seinen Plan verbaue.
Klar, ich würde sie wirklich gern heiraten und für immer bei ihr sein, aber damit würde ich genau seinem Plan entsprechen und das will ich nicht! Außerdem weiß ich nicht, ob sie meine Gefühle erwidert.
Es ist somit ziemlich kompliziert. Nachdem ich sie heute dem Herrscher der Hölle vorgestellt habe, soll ich ihr einen Antrag machen. Ich weiß nicht, ob sie mich danach hassen wird, aber ich sehe keinen Ausweg darin und wer sagt denn, dass wir sofort heiraten müssen, hm?
Innerlich versuche ich mich zu beruhigen, während ich mich einfach hinausbegebe und die Limousine benutze, um zu ihr zu fahren. Noch länger halte ich es hier nicht aus. Cem und mein Vater, die sich streiten.
Michella, die nicht weiß, was sie anziehen soll, da sie heute ein Date mit Kifel hat. Dies ist eigentlich nur meine Schuld, da ich die Beiden verkuppelt habe, als ich bemerkte, wie er in sie verliebt ist. Trotzdem nervt sie mich ziemlich damit.
Meine Mutter macht einen Hausputz, da sie fürchtet, dass Shirley dies ihr nicht gefallen wird, was ich auch denke, denn sie hasst teure Villen, aber mir gefällt ihre Meinung dazu. Ich hasse sie nämlich ebenso.
Mein Cousin hat mit einer geschäftlichen Besprechung und will somit seine Ruhe, also gebe ich ihm diese. Außerdem will ich nicht dabei sein, wenn mein Onkel Satoshi hereinschneit. Dies ist nämlich ebenso meine Schuld. Ich habe ihn eingeladen, da ich will, dass Shirley meinen Patenonkel einmal kennenlernt.
Er ähnelt mir sehr und da Yuusho seinen Bruder hasst, kann er mich ebenso wenig leiden. Schon allein mein Aussehen gleicht ihm mehr als meinem eigenen Vater, was ich aber auch gut so finde. Somit sehe ich nicht annähernd einem Tyrann ähnlich. Zumindest nicht auf dem ersten Blick.
Somit steige ich in das Auto und fahre los. Mein Herz rast schon bei dem Gedanken an Shirley und ich freue mich, dass ich sie wieder sehe. Klar, gestern war ich auch schon bei ihr, aber nur kurz. Davor waren wir drei Wochen im Urlaub und nun ist die letzte Woche unserer Ferien angebrochen. Da fällt mir ein, dass heute ihr Geburtstag ist. Shorn hat es mir erzählt und außerdem kann ich mich noch an damals erinnern.
Genau an ihrem Geburtstag mache ich ihr einen Antrag. Wie sich das bloß anfühlt? Daran wird sie sich wohl immerzu erinnern…
Während der Fahrt höre ich mir eine beruhigende Klaviermusik an, damit meine Aufregung etwas abklingt. Es hilft mir jedoch nicht. Nein, nicht im Geringsten.
Mein Herz pocht schnell und ich kann mich nur schwer auf das Fahren konzentrieren. Trotzdem muss ich mich ablenken, denn ich will nicht, dass ich nachher noch einen Autounfall begehe.
Tief atme ich aus und ein, bevor ich mir immer wieder einrede, dass es nicht so schlimm wird, aber mein Inneres weiß, was das für eine große Lüge ist. Sie weiß nicht einmal, wer sie ist und was sie will. Shirley hat doch gerade erst ihre Fähigkeiten gefunden, wie soll sie dann ihr ganzes Schicksal in die Hand nehmen? Ein Jahr ist ihre richtige Verwandlung erst her. Solange hat Graceleen sie noch beschützen und von dieser grausamen Welt fernhalten können.
Nun ist der Tag jedoch gekommen, der alles verändern wird. Sobald sie alles erfährt, wird sie weglaufen wollen. Ich würde es zumindest, wenn man mir dies erzählen würde. Letztes Jahr wurde sie schon so überrumpelt von jedem, doch jetzt? Ich habe die Befürchtung, dass heute alles vom letzen Jahr übertreffen wird.
Wieso sich Kenzen ein Haus mitten in der Wildnis erbauen lässt, frage ich mich, als ich mitten durch den Wald fahre. Bereits zwei Stunden fahre ich und noch immer verstummt meine innere Stimme nicht, die mich warnen will. Klar, ich könnte auch sofort umkehren, doch will ich wirklich wissen, was mein Vater dann aus mir macht? Nein, ich will nicht erneut wegen meinem Versagen im Krankenhaus landen oder das nächste Trauma durchleiden. Das Letzte reicht mir mein ganzes Leben lang!
Auf einmal geht mein Klingelton an und ich zucke zusammen. Durch diesen Schreck lasse ich den Lenker los und komme von der Straße ab, genau durch eine kleine Stelle zwischen zwei Bäumen, weshalb jedoch meine Limousine zu schaden kommt. Schnell bremse ich, doch ein weiterer Baum steht mir im Weg, welcher immer näher kommt.
Reflexartig greife ich nach dem Lenker und reiße diesen herum. Durch diese Reaktion erfolgt, dass der Wagen um Haaresbreite den Baum verfehlt. Er biegt rechtsum und prallt gegen einen Baum, weshalb ich einen starken Ruck nach vorn verspüre. Danach bleibt er stehen. Bevor ich mich noch dagegen wehren kann, prahlt mein Kopf gegen den Lenker und ich falle wieder zurück.
Schwarze kleine Punkte tanzen vor meinen Augen umher und bloß für ein paar Sekunden wird mir schlecht und schwindelig, so als hätte ich eine Gehirnerschütterung oder eine grausame Migräne erlitten. Die Flüssigkeit sickert aus meiner brennenden Kopfwunde.
Hätte ich nichts Schlimmeres durchgestanden, wäre dieser Moment die Erkenntnis, dass ich es Shirley unbedingt sagen muss oder auch vielleicht, dass ich sterben würde, aber ich besitze glücklicherweise noch Vampirkräfte, so dass ich innerhalb von zwei Minuten wieder topfit bin.
Ein Blick auf die Uhr verrät mir, dass ich noch etwa eine halbe Stunde habe, bevor ich sie abholen muss. Eigentlich wollte ich früher ankommen, um sie auf meinen Vater vorzubereiten, doch anscheinend wird daraus nichts. Leise fluche ich vor mir hin und lehne mich geschafft im Sitz zurück, während ich warte, bis die Wunde verheilt.
Da fällt mir auch glatt ein Stein vom Herzen, dass mir Kirigune zu diesem Auto riet, denn nur dieses heilt sich von allein, genauso wie ich. Zwar weiß ich nicht, woher mein Bruder dieses Fahrzeug aufgetrieben hat, aber will ich wirklich wissen, in was für illegale Geschäfte er verwickelt ist?
Langsam vergeht der Schmerz, trotzdem laufen noch einige Bluttropfen an meiner Stirn zu meiner Wange hinunter, bevor auch dieses verschwindet. Die Flüssigkeit löst sich in Luft auf, so als wäre nichts geschehen.
Dieser Fähigkeit verdanke ich schon oft mein Leben und meiner Kleidung. Nicht, dass das Letztere wichtiger wäre, aber erwähnenswert ist es schon, denn vor geschäftliche Besprechungen passierte mir oft ein Missgeschick, obwohl ich eigentlich gar nicht so ungeschickt bin, nicht so wie andere Menschen oder Vampire. Damit deute ich natürlich nicht auf Shorn, nein.
Okay, ich bemerke, wie ich meine Stärke zurückerlange, sonst würde ich nicht innerlich wieder über Personen herziehen.
Dann nehme ich mir mein Handy und sehe mir denjenigen an, der für meinen kleinen Unfall die Schuld trägt. Dann erkenne ich den Namen und schüttle widerstrebend meinen Kopf. Wer könnte mich auch beim Fahren stören, hm? Niemand Geringeres als Satan selbst. Bestimmt ist gerade Satoshi eingetroffen und deshalb verlangt er nach mir. Wenn ich gestorben wäre, hätte es ihm natürlich auch nicht gestört.
Ein leises Grummeln unterbricht die Stille und ich schlage aufgebracht auf die Hupe, worauf diese direkt einen schrillen Ton von sich gibt. Alles ist doch nur seine Schuld! Wegen ihm muss ich täglich diese Last tragen und verbrenne innerlich an die Bürden, die er mir auferlegt. Niemals lässt er mich in Ruhe. Er zerfrisst mich innerlich und egal, was ich unternehme, es ist nie genug und immerzu falsch.
Nur für ihn gehe ich noch immer auf diese Schule, obwohl ich mich schon längst kontrollieren kann. Na gut, in der Gegenwart von Shirley gelingt mir dies weniger, aber sonst passiert nie etwas. Aber er will, dass ich dort alles unter Kontrolle habe und genauso, wie der Rest meiner Familie, über das Neuste sofort bescheid bekommen.
Wir müssen die mächtigsten Reinblüter aller sein, genau deshalb unterdrücken wir die anderen dadurch, indem wir alle Aushorchen und jeden genau studieren, um die Schwächen des jeweiligen auszunutzen.
Diese Aufgabe wurde uns auch ohne Vereinbarung aufgetragen und wir werden bestraft, sobald wir uns den kleinsten Fehler erlauben. Seltsamerweise kommt er gegen meinen Onkel niemals an. Ob es vielleicht daran liegt, dass dieser ihm, obwohl er teils menschliche Eigenschaften besitzt und nicht unsterblich ist, immerzu einen Schritt voraus und mit seinen Fähigkeiten stärker ist?
Gerade als ich mich innerlich beruhigt habe, klingelt mein Handy wieder in diesem Standard-Ton, den ich über alles hasse. Brodelnd gehe ich ran und will die Person am anderen Ende der Leitung anschreien, als ich bereits im Hintergrund erregte Stimmen vernehme.
„Hey, Sam“, höre ich die seufzende Stimme von meiner Mutter, „ich wollte dir bloß bescheid geben, dass dein Vater gerade ziemlich wütend auf dich ist. Bleib noch etwas dort und fahr langsam, denn wir wollen doch nicht, dass Shirley direkt wieder die Flucht ergreift, wenn sie auf ihn trifft, also warte eine Weile, bis er sich beruhigt hat. Ich werde die Sache regeln, aber nach ihrem Besuch bei uns verlange ich eine genaue Erklärung von dir, wieso Satoshi hier aufgetaucht ist.“
Nun da ich den Grund erfahren habe, reicht es mir auch wieder für den Rest des Tages. Seine Probleme interessieren mich nun wirklich nicht. Aber gut, dass sie mich vorwarnt und trotzdem gefällt mir ihren strengen Ton nicht, den sie gerade aufgesetzt hat. Sie weiß doch ganz genau, wieso ich ihn einlud.
„Okay.“, gebe ich zerknirscht von mir, bevor ich einfach auflege. Sie kennt dieses Verhalten bereits von mir und wird nicht den Fehler begehen, noch einmal anzurufen, sowie meine Schwester ständig. Sie lernt auch nie daraus!
Nun da diese Hürde bewältigt wurde, steuere ich auf die nächste zu und starte den Motor. Es dauert eine Weile, bis er wieder anspringt, aber Kirigune sagt selbst, dass ich langsam machen soll, also werde ich dies auch.
Aufgewühlt manövriere ich die Limousine aus den Bäumen und direkt wieder auf die Straße, sodass ich die Fahrt zu Shirley fortsetzen kann. Hoffentlich versucht dieses Mal niemand mich anzurufen und dabei wissen sie doch genau, dass ich während einer Autofahrt Ruhe benötige, um mich darauf zu konzentrieren, was ich unternehme. Das ist das Einzige, wobei ich keine Ablenkung benötige, denn sonst passiert mir so einiges und von Unfällen habe ich im Moment genug!
Glücklicherweise geschieht nichts weiteres, sodass ich relativ heil am kleinen Haus ankomme. Es sieht wirklich ziemlich klein aus und doch haben sie eine freie, modernde Fläche, auf der ein großes weißes Flugzeug steht. Ein kleiner Steinweg führt mich zum Haus und sonst grünt alles. Ansonsten stehen rundherum Bäume, die eine geheimnisvolle Aura aufbauen. Das passt jedoch ziemlich gut zu Kenzen, denn bei ihm weiß man auch nie, was in ihm vorgeht.
Die Außenfassade des Hauses ist aus massivem, altem und grauem Naturgestein und das Dach ist mit dunklem Reet ausgestattet, so dass wirklich ein altmodischer Blickfang entsteht.
Zwei halbrunde Fenster zieren das trapezartige Dach, während sich vier quadratische jeweils links und rechts von der dunklen und stabilen Eichenholztür einreihen. Diese sind ebenso aus Stein, genauso wie die Außenfassade. Warum haben sie die Eingangstür nur in Eiche gehalten anstatt in Stein? Dies gibt irgendwie den Anschein, dass nur dies erneuert wurde.
Das Haus scheint von einem Schutzwall umgeben zu sein, der keine Zerstörungen zulässt. Typisch Kenzen, er ist immer auf die volle Sicherheit bedacht. Nun denn, ich sollte mich zur Tür begeben.
Somit schlendere ich gemütlich zum Eingang und suche verwirrt die Klingel, doch vergeblich. Es hat nicht einmal eine Klingel? Genervt klopfe ich an und warte. Kenzen hat wirklich einen Knall! Denkt er etwa, dass man das Klopfen, nur weil das Haus klein ist, von jedem Raum aus hört? Langsam zweifle ich an der Klugheit dieses Mannes, denn dies hört sich wirklich unglaublich an.
Auf einmal verwandelt sich mein Klopfen in eine Art Melodie, die immer lauter wird. Erstaunt blicke ich auf. Anscheinend habe ich mich erneut in ihm getäuscht. Er ist wirklich unglaublich und einer der größten Strategen, die mir je unter die Augen gekommen ist. Immer weiß er alles und doch hätte er letztes Jahr Shirley in Gefahr gebracht, wenn er es weiterhin verschwiegen hätte, aber da drin ist er bekanntlich ein Meister.
Die Tür wird von niemand geringeres als meiner Traumfrau geöffnet, welche in einem wunderschönen Kleid steckt. Mein Herz flattert wie wild und ich kann kaum anders, als sie blinzelnd zu begutachten.
Ihr Kleid ist ärmellos und blaulila. Es betont oberhalb ihre Figur und unterhalb ist es so weit wie bei einem Ballkleid. Ein wenig rosa erkenne ich auch noch in diesem und es glitzert selbst von weitem. Ihre Schuhe erkennt man gar nicht, so lang ist dieses Kleid. Sie trägt eine silberne Kette mit lavendelfarbenen Blumenanhänger.
Ihre Haare sind hochgesteckt und ich habe das Gefühl, ich stünde vor einer Prinzessin und ich wäre der edle Ritter, der ihr Leben rettet. Ach, wäre dies nur so. Leider sieht es im realen Leben etwas anders aus und man muss kämpfen für ein Happyend, wenn man überhaupt eines erlangt.
„Shirley“, bekomme ich nur heiser heraus, „Du siehst wie eine Prinzessin aus, so wunderschön.“
Ihr Blick verfinstert sich und ich stutze leicht. Was habe ich denn falsches gesagt?
„Das hättest du nicht sagen sollen.“, belehrt mich Kenzen eines besseren, doch es ist bereits zu spät und Shirley stampft aufgebracht in ihr Zimmer. Sie ist so süß! Ein freches Grinsen schleicht sich auf meinem Gesicht und innerlich werde ich noch nervöser. Wie soll ich es ihr bloß sagen?
Sie führen mich zu ihrem relativ chaotischen Wohnzimmer und man weiß sofort, dass Shorn hier zuhause ist. Allerdings hätte ich mir bei Kenzen etwas mehr Ordnung vorgestellt, aber ich glaube, dass es nicht geht, wenn man so einen Spinner als Cousin hat. Schon allein bei dem Gedanken, er wäre mit mir verwandt, dreht sich mein Magen um.
Wir setzen uns stumm auf die dunkle lederne Couch und warten auf Shirley, welche sich eine ganze Zeit in ihrem Zimmer verschanzt und sich dadurch nicht blicken lässt. Ab und zu hören wir nur laute Geräusche und ein Fluchen ihrerseits, doch sonst nichts im Geringsten.
Die Wartezeit kommt mir gerade recht, um mir meine Worte zurechtzulegen und trotzdem wächst das Zittern meiner Hände von Sekunde zu Sekunde.
Dann stürmt meine Geliebte zu uns und präsentiert sich uns in einem wundervollen Kleid, welches mich ziemlich schlucken lässt.
„Fertig!“
Es ist weiß und ist genauso wie das andere schulternfrei. Das Kleid ist gerafft und trägt eine Schleife um der Hüfte. Diese ist schwarz.
Auf diesem Kleid trägt sie weiße Ballerinas mit glitzernden Paletten drauf und ihre Lieblingskette. Diese ist schwarz mit einem silbernen Anhänger, wo ihr Name eingraviert ist. Irgendwoher kenne ich diese doch?
Ihre Haare trägt sie nun offen und genauso, wie ich es sonst auch gewohnt bin.
Sie sieht aus wie ein Engel, der nicht von Blut befleckt ist und dessen Herz mit Reinheit erstrahlt.
Niemand würde nun denken, dass sie stärker als jeder anderer ist und dass sie bereits ein Monster auf dem Gewissen hat.Sie ist echt eine starke und komplizierte Persönlichkeit, aber das ist gerade das interessante an ihr. Wäre es leicht mit ihr, wäre es nicht die Person, die ich tief in mein Herz verankert habe.
In diesem Moment vergesse ich alles um mich herum, nur Shirley sehe ich klar vor mir. Und ich weiß es, ich kann ohne sie nicht mehr leben. Warum muss meine Situation nur so kompliziert sein?
Dann erinnere ich mich wieder an den Grund meiner Ankunft und ein Blick auf die Uhr genügt um zu wissen, dass wir viel zu spät dran sind. Deshalb stehe ich auf und nähere mich ihr mit schnellem Schritt.
„Dann können wir ja jetzt gehen.“
Ihr entsetzter und verwirrter Gesichtsausdruck und ihre leichte Verkrampfung ihres Körpers, als ich meinen Arm um sie lege, entgeht mir nicht, dennoch ziehe ich meinen Arm nicht weg. Wenn sie nichts sagt, werde ich mein Verhalten ihr gegenüber auch nicht ändern, auch wenn es mir im Moment schwer fällt normal zu sein.
Gerade als wir Richtung Ausgang schreiten, vernehme ich das Knurren des Dummkopfes Shorn. Noch immer benimmt er sich wie ein Affe, wenn es um meine Traumfrau geht und das obwohl ich ihm sein Leben rettete. Ach, ich vergaß, ich wollte nicht, dass er es erfährt. Dumm von mir. Vielleicht wäre er dann freundlich gesinnt zu mir.
Andererseits wäre es langweilig, wenn wir nicht unsere üblichen Konflikte hätten und wir würden uns beide dann unwohl fühlen. Er und ich, wir können nicht mit und ohne einander. Es ist die Art unsere Zuneigung zu zeigen und auszudrücken. Wir sind halt zwei Dickköpfe, die es nicht zugeben wollen. Waschechte Männer halt.
Na gut, ich gebe es zu, irgendwie habe ich Spaß daran, den kleinen temperamentvollen Hund zu provozieren, wie ich es in diesem Moment beweise. Trotzdem versuche ich mein triumphierendes Grinsen zu übermalen mit einem ernsten Gesicht. Aber wie ich mich kenne, verraten meine Augen mich.
Shirley sieht verzweifelt zwischen mir und ihrem Halbbruder hin und her und kann bestimmt nicht begreifen wieso wir damit nicht aufhören. Tja, wir sind nun einmal verrückt. Sie eilt zu ihrem Bruder und drückt ihm einen kleinen Kuss auf die Wange. Angewidert rümpfe ich die Nase, da etwas in mir gegen diese Art von Berührungen ist. Vielleicht liegt es nur daran, dass ich einen argen Verdacht hege, dass er sich langsam ernsthaft in sie verliebt. Und das finde ich widerlich. Sie sind Geschwister.
Aber vielleicht bilde ich es mir nur ein, denn er ist ziemlich anhänglich und war schon immer sehr auf seine Schwester fixiert. Kann sein, dass ich mir deshalb unnötig Sorgen mache. Aber besser ich mache mir welche, als dass ich nicht auf die Frau meines Lebens aufpassen würde.Shorn flüstert seiner Schwester irgendetwas ins Ohr und sieht dabei ziemlich ernst aus. Bestimmt will er, dass sie sich von mir fern hält. Es würde für mich zumindest Sinn ergeben.Sie nickt und lächelt ihn an, bevor sie dem schweigenden Kenzen ebenfalls einen Kuss verpasst. Dabei fällt mir auf, dass er heute noch finsterer drein schaut als sonst. Bestimmt gefällt es ihm nicht, dass sie den Ehemann seiner großen Liebe kennenlernt. Gut, kann ich nachempfinden. Am Liebsten würde ich sie auch vor ihm beschützen, aber was nicht geht, geht leider nicht.
Dann starten wir denn nächsten Versuch um endlich aus diesem chaotischen Haus entfliehen zu können und in den Untergang zu fahren. Das wird noch spaßig, denke ich mir, während ich fest auf meiner Unterlippe kauere und eine metallische Flüssigkeit schmecke, die mir so gar nicht bekommt. Mein Blut schmeckt so ekelhaft, da bevorzuge ich lieber Shirleys Blut.
Gerade als wir die Tür durchqueren wollten, wird Kenzen aus seiner Starre entrissen.
„Shirley!“
Wir halten in unseren Bewegungen inne und blicken zurück. Was hat er denn schon wieder? Hat er auf einmal Angst, dass ihr etwas passieren könnte? Ist es wegen meinem Vater? Oder weiß er schon wieder mehr als er zugeben möchte? Manchmal würde ich auch gerne Gedanken lesen können. Warum muss ich eigentlich sinnlose Fertigkeiten besitze und diese verrückte Familie darf in unsere Köpfe eindringen, als wenn sie dort willkommen wären? Das Leben ist manchmal echt unfair.
Shirley sieht in seine Augen und versucht zu deuten, was er von ihr will. Vielleicht kommunizieren sie auch gerade in ihren Gedanken miteinander und vergessen mich dabei. Aber vielleicht handelt es sich auch von mir? Traut er mir nicht? Er ist echt schwer einzuschätzen, dass ist das einzige, was ich zu hundert Prozent von mir geben darf. Kenzen scheint in Gedanken vertieft zu sein, aber er schweigt und an Shirleys Gesicht erkenne ich, dass sie nicht schlau aus ihm wird. Er liebt es echt uns alle zu verwirren und aus allem ein Geheimnis zu machen.
Eine gefühlte Ewigkeit stehen wir vor ihm, doch kein Laut kommt aus seinem Mund. Irgendetwas bereitet ihm Sorgen, aber er macht nicht den Anschein, als wenn er ihr irgendetwas beichten möchte. Würde er sie aufhalten wollen, hätte er sicherlich ebenso schon einen Mucks von sich gegeben. Also kann es doch nicht so wichtig gewesen sein, oder?
Andererseits ist er nicht gerade der Typ, der sich um unwichtige Ereignisse kümmert. Mehr habe ich den Eindruck, dass er sich stets nur auf die wesentlichen Geschehnisse konzentriert und sich darauf fokussiert. Aber er will auch keine unnötigen Unruhen aufkommen lassen. Nur manchmal macht er damit nur alles schlimmer.
„Nichts“, bringt er mühevoll zwischen seinen Zähnen hervor und steht galant auf, bevor er an uns mit hängendem Kopf vorbei stolziert. Er beschreitet einen weiteren Raum, von dem ich ausgehe, dass es sein kleiner Rückzugsort ist, da er ihn von innen abschließt.
Shirley starrt ihm mit bekümmerter Miene nach, bevor sie sich wieder mir zuwendet und erneut den Ausgang, Kopf schüttelnd, für uns öffnet. Wortlos wagen wir uns hinaus und atmen die frische Luft ein. Es ist ein warmer und sonniger Tag, nur könnte sich ruhig ein Unwetter auftun, damit der Besuch ins Wasser gesetzt wird. Es wäre ein Traum. Ja, leider nur ein Traum.
Unbewusst passe ich mich ihren kleinen galanten Schritten an und schlendere neben ihr wortkarg her. Währenddessen sucht mich die Furcht vor dem bevorstehendem Ereignis wieder ein und ich schlucke hart meine Gefühle runter. Sie soll nicht bemerken, was auf sie zukommt. Es wird nachher noch fürchterlich genug für sie, ich will sie nicht schon vor der Fahrt damit belasten. Es wäre ein fataler Fehler.
Sie stockt in ihrem Gang. Ihr Blick ist stur auf meine riesige Limousine gerichtet. Ihre Augen sind geweitet und ihr Schock ist ihr ins Gesicht geschrieben. Ja, ich weiß, ich bin böse. Ja, ich weiß, sie mag so etwas nicht. Doch genau deshalb mache ich es immer wieder. Sie reagiert immer so süß darauf!
Ihr verdutztes Gesicht wendet sich mir zu und mit offenem Mund starrt sie mich verwirrt und entsetzt an, was mich schmunzeln lässt. Shirley bemerkt, dass ich mich an ihrem Verhalten gegenüber meinem Auto vergnüge und scheint ein wenig verärgert darüber. Diese Frau ist einfach der Wahnsinn. Ihre Augen funkeln mich böse an und das finde ich total sexy. Meine wundervolle Frau in weiß sieht gerade ganz und gar nicht engelgleich an, eher wie eine süße Raubkatze. Ich verkneife mir dabei einen versauten Gedanken und konzentriere mich eher auf sie.
„Anscheinend gefällt es dir.“, grinse ich sie triumphierend an und drängle sie ein wenig, da wir sowieso schon spät dran sind, „Ich will dich ja nicht unterbrechen, aber wir kommen sonst zu spät. Also steig ein.”Wie sie sich durch diesen Befehlston aufregt, gefällt mir so sehr, dass ich mir das Lachen verkneifen muss. Muss sie sich nur immer so süß aufregen? Da kann ein Mann doch gar nicht anders als sie zu ärgern.
Dann setzt sich die aufgescheuchte junge Lady endlich in die Limousine und ich kann mich zu ihr gesellen. Als ich die Fahrertür zuwerfe, beschleicht sich wieder das seltsame Gefühl in mir sie verlieren zu können. Immer wieder schlucke ich hart meine Ängste runter, so dass sie nichts bemerkt und ich keinen Unfall baue. Heute habe ich schon genug hinter mir.Trotzdem bekomme ich nur schwer mein Zittern unter Kontrolle, aber glücklicherweise ergeht es nicht nur mir so. Sie beschäftigt sich mit sich selbst und nimmt mich nicht wahr. Das ist gut, denn das bedeutet, dass sie meine Nervosität nicht vernimmt. Trotzdem würde ich ihr gerne irgendwie helfen, nur wie?
Die braunhaarige Frau neben mir zupft sich ihr Kleid zurecht und kauert auf ihre wundervolle Unterlippe herum, die sich bestimmt wieder ganz weich anfühlt. Trotzdem ist es nicht gerade hilfreich für mich, da ich mich weder auf dem Straßenverkehr noch auf die leise Musik konzentrieren kann. Nein, sie macht mich natürlich total wahnsinnig mit ihrer Unruhe! Argh… Als wenn ich mich nicht genauso fürchten würde.
Dann bemerkt sie meine Blicke auf sich ruhen und ich halte es dann einfach nicht mehr aus. Irgendwie muss ich sie besänftigen, damit ich auch meine Ruhe wiederfinde, damit ich nicht gleich einen weiteren Unfall baue und nachher meine Traumfrau verletze!
„Habe keine Angst“, erzwinge ich mir ein freundliches Lächeln auf und lege ihre Hand in meine, „Du brauchst nicht viel mit meinem Vater reden. Nur ‘Guten Tag’ und ‘Tschüss’.“
Was rede ich da eigentlich für einen Blödsinn?! Ich bin Samery From, der jede Frau bisher mit seinen Worten verführt hat und dann bekomme ich nur so einen Mist zusammen?! ‚Habe keine Angst’? Habe ich das gerade wirklich gesagt? Wie dumm muss ich eigentlich sein? Als wenn das irgendwem in irgendeine Art jemals beruhigen würde…
Mit einem weiteren Seitenblick zu ihr verzweifle ich augenblicklich, denn nicht nur ich nehme meine Worte nicht für bare Münze. Den Rest über schweige ich besser, mir fällt es im Moment eh schwer meinen Mund aufzubekommen und mich vernünftig zu artikulieren. Wie soll ich ihr es nur sagen? Und was wird geschehen, wenn sie auf meinem Vater trifft? Wie soll ich ihr nur einen Heiratsantrag machen, der viel zu gezwungen erscheint? Wären wir ein glückliches Paar, sähe die Situation wahrscheinlich ganz anders aus. Ach, Sam, du bist echt ein hoffnungsloser Fall.
Dann parke ich vor dem Anwesen und bemerke Shirleys gedankenverlorenen Blick, während ich aussteige und auf die andere Seite gehe, um ihr die Autotür aufzuhalten. Manchmal bringt mir meine gute Erziehung doch Pluspunkte. Zumindest glaube ich das. Sie steigt vorsichtig aus und weitet schockiert ihre Augen, als sie endlich mein Zuhause ins Visier genommen hat. Natürlich weiß ich, dass sie keine großen Gebäude mag, in denen man sich verlaufen kann. Irgendeine Schwachstelle muss der Engel neben mir ja haben, aber solange es das einzige ist, was sie nicht kann, interessiert es mich nicht. 
Als ich sehe wie sie sich immer mehr anspannt und wie hilflos sie mit ihren großen Kulleraugen ausschaut, kann ich nicht anders als zu schmunzeln. Ihre langsamen kleinen Schritte begeht sie mit Bedacht und man sieht ihr an, dass sie am liebsten weglaufen würde. Wow, so habe ich sie noch nie gesehen! 
Breit grinsend schließe ich die Tür auf und lasse sie in das Anwesen und bemerke sogleich, dass es überall nach Alkohol riecht. Seufzend rolle ich meine Augen. Was geht hier denn schon wieder ab? Einmal nicht im Haus und schon schmeißen sie eine Party ohne mich?! Das ist unfair! Moment- man kann sich betrinken, während mein Alter irgendwo im Haus herumschleicht? Da mache ich doch gleich mit!
Doch dann kommt mir bereits Cemedy mit einer Fahne entgegen, wo mir schlecht wird. Was für ein Gestank! Nicht einmal ich in meinen schlechtesten Zeiten hatte so gerochen!
Er geht auf Shirley zu und redet wie ein Wasserfall.
"Ah, hast du dich doch endlich zu meinem Bruder gefunden? Wenn ihr heiratet, will ich dann aber der Trauzeuge sein und..."
Was redet er da für einen Unsinn? Hoffentlich hört meine Frau nichts oder ignoriert das, sonst bekomme ich einen Haufen Probleme.
Bemerkt er überhaupt irgendetwas um sich herum? Doch anscheinend tut er das, da ihm auffällt, dass Shirley am träumen ist und deshalb kein Wort mitbekommen hat. 
"Erde an Shirley?", fragt er sie und wedelt mit der Hand vor ihrem Gesicht rum. Erst jetzt realisiert sie wieder wo sie ist. Manchmal würde ich wirklich gerne ihre Gedanken kennen.
“Was soll das werden, wenn es fertig ist?”
Sie legt ihren Kopf schief und sieht ihn verwirrt an, weshalb ich jetzt erleichtert aufseufze. Sie hat es also nicht mitbekommen. Was für ein Glück! Cemedy ist wirklich schlimm drauf, wenn er gesoffen hat. Er sollte sich lieber schlafen legen. Dennoch macht es mir schon Sorgen. Es handelt wieder um seine Liebe. Wieso mein Alter solche Probleme damit hat? Er will doch auch, dass ich Shirley heirate? Was ist an Ann auszusetzen? Sie ist eine sehr starke und hübsche Frau und passt wie die Faust aufs Auge zu meinem Bruder.
“Wow!”, freut sich der Braunhaarige gehässig, “Sie ist wieder zurück ins Leben gekommen. Darauf einen. Prost!” 
Darauf nimmt er sich ein Bier und versucht verzweifelt den Bierdeckel zu öffnen, doch da er so besoffen ist, dass er fast schon im Stehen umfällt, seufze ich einfach nur und schüttle grummelnd meinen Kopf. Wenn es so weiter geht, dann läuft Shirley rückwärts aus dem Haus. Sie zieht ihre Augenbrauen zusammen und versucht anscheinend zu verstehen, was hier gerade ab geht. 
Wenigstens hat er bereits seinen Anzug an, dennoch kann man ihn eigentlich gar nicht so rumlaufen lassen...
“Ignorier ihn einfach.”, flüstere ich ihr dann leise ins Ohr. Erst jetzt sieht sie um sich und bemerkt wohl, dass sie nicht lange geistesabwesend gewesen musste. Wäre sie es gewesen, hätte ich sie irgendwie wecken müssen. Mit einem Kuss oder so. Schon allein der Gedanke lässt mein Herz höher schlagen. 
“Cem!”, ermahnt die Rothaarige ihn, die gerade die ganzen Stufen zu uns runter läuft. 
Kirigune trägt ein wunderschönes violettes Kleid, das man am Nacken binden muss. Es hat einen weiten Ausschnitt, aber es lässt sie nicht nuttenhaft aussehen. Meine Mutter putzt sich immer so sehr für ihren Mann raus, doch dieser weist sie ständig ab. Dass sie es dennoch mit ihm aushält, wundert mich immer und immer wieder... Da hätte ich ihr Kenzen mehr gegönnt, aber gut, sie hat die Entscheidung getroffen, nicht ich.
Dann schnaufe ich verächtlich und versuche es ihr zu erklären, damit sie nicht noch denkt, dass mein kleiner Bruder ein Säufer ist. Er macht momentan einfach nur eine schwere Zeit durch. Dennoch übertreibt er es ziemlich. Den Gestank bekommen wir so schnell nicht mehr aus der Bude.
 “Tut mir sehr leid wegen ihm. Er hatte Streit mit Vater.”
Sie nickt bloß und begrüßt dann meine Mutter mit einem schönen Lächeln im Gesicht: “Guten Abend, Kirigune.” 
Die beiden verstehen sich so gut, dass ich glaube, dass sie einfach beide Engel sind. Sie ähneln sich in manchen Punkten ein wenig. Ihre Gutmütigkeit und ihr Glaube an das Gute, doch Shirley hat viel mehr Feuer und das macht mich so sehr an. Sie lässt sich nicht unterbuttern, das gefällt mir!
“Dir auch einen schönen Abend, Shirley.”, lächelt sie höflich, doch verfinstert ihre Miene schnell, als sie über Shirleys Schulter sieht. Als ich einen Blick nach hinten wage, erblicke ich eine genervte Michella wieder und rolle meine Augen. Michella versucht wieder ihre Eifersucht in Wut rüberzubringen, doch meine Frau hat sie bereits durchschaut und begrüßt sie ganz normal. Wir drehen uns zu ihr um, doch ich entgegne ihr nihts und beiße mir auf die Unterlippe, damit ich nicht lauthals anfangen muss zu lachen.  Ihr Aufzug mag normal sein, wenn sie ausgeht, aber da ich weiß, mit wem sie ausgeht, kann ich mir ein Grinsen einfach nicht verkneifen. Ich hätte niemals gedacht, dass sie das wirklich durchziehen würde. Sie trägt ein ausgesprochen teueres Kleid, das hellgrau und gerafft ist. Es besitzt einen Spaghettiträger. So wie immer halt. Sie braucht immer teure Sachen.
“Lange nicht mehr gesehen, Michella. Wie war dein Urlaub in Spanien?”, entgegnet Shirley gut gelaunt und freundlich wie immer. 
“Ganz okay.”, gibt sie kurz und schnippisch zurück, “Besser als das Dreckshaus von deiner Familie.” Diese Antwort gefällt mir so gar nicht, weshalb ich sofort eingreife. 
“Michella!”, ermahne ich sie gleichzeitig mit Kirigune, weshalb wir uns kurz wissentlich anschauen, dass wir einfach schon zu lange ein und dieselbe Leier von ihr gehört haben. Kein Wunder, dass wir gleichzeitig agieren. Kann sie nicht einmal nett sein? Zu mir ist sie es doch auch immer! Gut, sie hat einen Narren an mir gefressen. Dennoch muss sie doch nicht so zu Shirley und ihrer Familie sein, oder?
“So und jetzt lasse ich mein Date nicht länger warten."
Bei diesen Worten muss ich schmunzeln, weshalb sie mich vernichtend anschaut und mit ihrer Nase rümpft, bevor sie geht.
Kurz seufzt sie verzweifelt, bevor sie ihr ‘Date’ ruft: “Kifel. Ich bin soweit.”
Während ich bemerke, dass Shirley total verwirrt ist, halte ich es nicht mehr aus und fange lauthals an zu lachen. Die beiden passen so gar nicht zusammen und konnten sich nie leiden und dann verlangt Kifel nach einem Date und sie zieht es durch. Es ist so herrlich. 
Dann kommt das Date von selbst raus, da er gerufen wird und erfreut sich nun. “Na endlich. Dachte schon, du würdest dich nur drücken wollen.”, muss Kifel schmunzeln, bis er Shirley erkennt.
Sofort umarmt er sie und ich weiß, dass er sie als kleine Schwester ansieht: “Na, meine Kleine? Wie fühlt man sich als Siebzehnjährige so?”
Ja, ihr Geburtstag. Wieso feiert man eigentlich ihren menschlichen, wenn sie in Wirklichkeit bereits viel älter ist? Ach ja, sie weiß dieses Geheimnis noch nicht. Und ich soll sie deshalb heiraten... Jetzt denke ich schon wieder daran.

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Tag der Veröffentlichung: 17.05.2012

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