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Prolog

„Hallo liebes Publikum, ich bin Mae Allington und meine absolute Leidenschaft ist die Schauspielerei. Seit ich ein kleines Mädchen bin, träumte ich davon eine berühmte Schauspielerin zu werden und  in berühmten Filmen mit zu spielen. Das war damals einfach so ein unerreichbarer Traum. Andere wollten Pilot, Astronaut oder Sänger werden. Ich eben Schauspielerin.

Und als ich in das Alter des wachsenden Verstandes kam, mit circa zehn, elf Jahren träumte ich immer noch davon, während andere Altersgenossen längst etwas realistischeres verfolgten und sich ihren ehemaligen Traum aus dem Kopf geschlagen hatten.

Von etlichen Erwachsenen bekam ich zu hören, dass das kindisch und ich naiv von mir sei, von so etwas zu Träumen.

 Doch als ich zwölf wurde, wollte ich all diesen Leuten zeigen, dass ich das sehr wohl kann. Und zwar nicht nur davon zu träumen. Ich wagte den ersten Schritt und trat einer Theatergruppe bei. Dort lernte ich wahnsinnig viel und verbesserte mich, dank meiner tollen Leiterin Marianne.

Doch die Gegenstimmen verklangen nicht. Immer noch rieten mir nicht wenige Bekannte davon ab zu schauspielern. Sie meinten, dass ich nur enttäuscht werde, wenn ich es nicht schaffe meine Ziel zu erreichen.

Doch genau diese Leute spornten mich mit ihren Aussagen wie: „Viele Schauspieler kommen mit ihrem Ruhm nicht zurecht. Bist du dir sicher, dass du damit klarkommen wirst und genug stark bist?“, nur noch viel mehr an weiter zu machen und alles zu geben.

Und als ich immer besser wurde hiess es plötzlich, ich hätte mit meinen roten Haaren in Zukunft sowieso null Chancen gute Rollen zu bekommen.

Im ersten Moment trafen mich solche Bemerkungen hart. Doch mit der Zeit lernte ich, dass diese Menschen nur neidisch waren, da sie selbst ihre Träume nicht verfolgt hatten.

Heute bin ich ziemlich immun gegen solche Ansichten.

In den letzen drei Jahren habe ich  gekämpft wie wahnsinnig. Nicht nur in Bezug auf die Schauspielerei, auch in meinem Privatleben hat mich vieles aufgewühlt.

Doch dank euch und eurer Hilfe darf ich jetzt hier stehen und meine Rede halten. Ich danke euch von ganzem Herzen!“

Ich stehe da, meine Knie zittern vor Aufregung, als alle zu klatschen beginnen. Doch ich bin stolz auf mich.

Ganz langsam kullert eine kalte Träne aus meinem linken Auge und hinterlässt eine nasse Spur bis hinunter an mein Kinn, während ich lächeln dastehe und mich verbeuge.

Es ist eine Träne der Trauer, der Verabschiedung, aber auch der Freude und der Dankbarkeit.

Ich schreite hinunter. Das Publikum klatscht immer noch.

Kapitel 1: Überraschung!

Vor drei Jahren:

 

„ Oh Romeo, Romeo – Warum bist du Romeo?...“ Alle fangen an zu kichern. Shakespeares  Texte sind wirklich sehr eigenartig. Entweder man mag sie überhaupt nicht oder man vergöttert sie.

Maliah steht auf der Bühne und schaut ganz verzweifelt in meine Richtung. Sie gehört definitiv zur Sorte Mensch, die kein Fan von Shakespeares Texten ist.

 „Ich kann das nicht!“, stöhnt sie hoffnungslos.

„Doch, bestimmt kannst du das! Stell dir doch einfach vor, du würdest mit Dennis reden.“, ermutige ich sie, doch dafür bekomme ich nur einen tadelnden Blick geschenkt.

„Keine Ahnung was sich Shakespeare gedacht hat: Oh Romeo, Romeo! Das klingt doch völlig bescheuert! So redet doch kein Mensch! Können wir das Ganze nicht irgendwie umschreiben, damit es einigermassen normal klingt?“

Heute ist meine beste Freundin wirklich unzufrieden. Vielleicht ist sie mit dem falschen Fuss aufgestanden, denn normalerweise kriegt sie ihre Rollen immer perfekt hin, ohne jegliche Mühe. Heute ist das erste Mal, dass sie sich über eine Rolle beschwert.

 „Kann denn nicht Mae die Julia spielen?!“, bittet sie Marianne, unsere Kursleiterin, flehend.

Ich bin total überrascht. meine Augenbrauen springen in die Höhe. Ich fühle mich geehrt und trotzdem lehne ich ab: „Nein, dass kommt gar nicht in Frage! Du bist und bleibst Julias Besetzung!“

Einmal die Rolle der Julia zu bekommen wäre schon genial, doch diesmal ist sie definitiv in Maliahs Besitz. Ausserdem ist sie wirklich die erste, die mir als Julias Besetzung eingefallen wäre, wenn man mich gefragt hätte.

Marianne bittet sie für einen Moment von der Bühne:

„Mach du mal ’ne kleine Pause. Marek und Sophie, machen wir mit euch weiter.“

Genervt schlurft sie von der Bühne ,setzt sich schweigend neben mich, verschränkt ihre kaffeebraunen Arme und schmollt.

Der kleine pummelige Junge, der die zweite Hauptrolle, den Romeo, bekommen hat geht an Maliah vorbei und meckert sie dabei an:

„Nur weil du nicht mit deinen Einsätzen und deinem Text klarkommst, kann ich nicht proben!“  Er ist keine Augenweide, spielt aber wahnsinnig gut.

Maliah kontert und streckt ihm die Zunge raus. Ich bin total erstaunt. Ich würde mich so was nie getrauen.

 „Sag mal, was ist denn heute mit dir los? Geht es dir nicht gut?“, flüstere ich ihr ganz entsetzt ins Ohr und sehe sie dabei verwirrt an.

„Doch, es geht mir gut. Ich hasse einfach diesen Text!“

Genervt senkt sie den Kopf und sieht auf ihr die Vorderseite ihres Textbuches. Ihre dunklen Locken verdecken ihr die Sicht.

„Das kannst du mir nicht angeben! Du verschweigst mir doch etwas. Hast du Stress mit Dennis?“, frage ich  Maliah prüfend, um ihr die Wahrheit zu entziehen.

Dennis und Maliah sind schon seit Ewigkeiten ein Paar. Als die beiden damals zusammen gekommen waren, war ich schrecklich eifersüchtig. Ich hatte und habe noch nie eine Beziehung gehabt. Ausserdem ist Dennis ziemlich hübsch mit seinem trendy Haarschnitt und seinen markanten, männlichen Gesichtszügen. Aber nach und nach habe ich mich damit abgefunden. Dennis und ich sind nun gute Freunde. Ich gönne ihnen ihr Glück.

 „Nein, ich versichere dir, dass es nichts mit ihm zu tun hat.“, antwortet sie fast agressiv und wendet den Blick schnell von mir ab.

Irgendwie ist sie heute nicht sonderlich gut drauf, deshalb beschliesse ich, nicht nachzuhaken und bohre weiter nach. Nach einer Weile hat sich Maliah ein wenig beruhigt.

Stillschweigend betrachten wir Sophie und Marek beim Üben ihres Dialoges. Sie sind beide richtig toll, als währen sie schon richtig professionell im Geschäft. Obwohl die beiden noch ziemlich jung sind, haben sie beide schon einmal eine, wenn auch kleine, Rolle bekommen. Der braunhaarige Marek in einer Putzmittelwerbung und die kleine Sophie war eine kleine Zauberfee in einem ziemlich unbekannten Theater.

Der Holzboden knarrt, als die beiden schliesslich die Bühne verlassen. Aus dem Augenwinkel sehe ich, dass Marianne sich erhebt. Ich blicke zu ihr, als sie sich räuspert und ihren  grauen Rock zurecht streicht.

„Bitte alle mal herhören!“, ruft sie durch den grossen Saal. Ihre Stimme ist laut und streng. Als Schauspielerin weiss sie ihre Stimme für den gewünschten Effekt richtig einzusetzen. Und so kehrt im Raum plötzlich Ruhe ein. Alle Blicke richten sich auf sie.

 „Wir beenden für heute unser Stück ‚Romeo und Julia’. Maliah übe bitte deine Textstellen bis Mittwoch. Du hast eine sehr wichtige Rolle als Julia!“

Und schon kippt Maliahs Stimmung wieder. Genervt verdreht sie ihre grossen Kulleraugen.

„Es ist unmöglich, dass ich diesen Text jemals können sollte.“, beklagt sie sich leise.

Marianne aber entgeht das nicht, fährt sich mit der rechten Hand durchs  lockige Haar und wendet sich, diesmal mit etwas sanfterer aber ernster Stimme, an Maliah: „Kannst du nachher noch einen Moment bleiben? Ich würde mit dir gerne kurz etwas besprechen.“

Ich merke, dass sie es nicht böse, sondern nur gut meint.

 Doch Maliah deutet Mariannes Tonfall anders. Sie ist ausser Rand und Band, normalerweise ist sie nicht so reizbar wie zurzeit.

„Da gibt es doch nichts zu besprechen! Ich werde diesen Text sowieso nie Beherrschen! Gib mir doch einfach eine andere Rolle!“, entgegnet sie ihr frech.

So habe ich meine beste Freundin noch nie erlebt. Ich bin sprachlos und überfordert. Eigentlich wollte ich sie ermahnen, dass sie sich zusammenreissen soll, doch dann fällt mir ein, dass sie eigentlich schon genug alt sein sollte, um das selbst zu wissen. Und so lasse ich es bleiben. ein wenig geschämt habe ich mich schon für sie, dass gebe ich zu.

„Keine Widerrede, meine Dame! Nachher bleibst du noch kurz bei mir!“, verteidigt Marianne sich. Jetzt aber ist sie stocksauer. Ihr sonst so blasser Kopf wird puterrot vor Wut.

 Als Maliah einen Augenblick lang nichts sagt, sehe ich, wie Marianne versucht sich selbstzu beruhigen. Sie atmet tief ein und wieder aus.

In diesem Moment denkt sie wahrscheinlich, Maliah überstimmt zu haben, doch sie irrt sich.

„Aber…“ –„Kein Aber! Jetzt setz dich sofort hin!“

Ich staune wie schnell Marianne zurück gekontert hat.

 Vor lauter Rage ist Maliah aufgestanden und als sie keine Anstalten macht sich zu setzen, deute ich ihr mit Gesten und Blicken sich zu setzen, was sie dann auch macht.

Es scheint als habe sie begriffen, was gerade geschehen ist, denn sie hält ihren Kopf gesenkt und lässt ihr widerspenstiges  dunkelbraunes, fast schwarzes Haar ins Gesicht fallen.

Es ist ihr sichtlich peinlich und sie schämt sich.

Ihre Wangen schimmern rötlich durch ihre dunkle Haut, was ziemlich selten vorkommt und sie knabbert an ihren vollen Lippen.

„Also, fahren wir fort. Wo bin ich stehen geblieben? – Ach ja, das wir für heute genug geübt haben.“ Marianne nestelt verwirrt in ihren Haaren herum.

Ich mach mich schon daran, mein Material zusammenzupacken und mich zu heben, als sie entsetzt meint: „Mae, ich habe noch nicht gesagt, dass ihr schon gehen dürft!“ Sie blickt mich streng an und auf der Stelle setzte ich mich wieder hin. Ich will Marianne nicht noch mehr verärgern. Keine Ahnung, ob sie das noch ertragen hätte, nach Maliahs Anfall zuvor.

Sie scheint es mir nicht übel zu nehmen, denn wenige Sekunden später fährt sie mit sanfter Stimme fort: „Es wäre auch jammerschade, wenn du uns jetzt schon verlassen würdest, denn die letzten Minuten, die uns noch übrig bleiben, werde ich dazu benutzen, um euch etwas wichtiges mitzuteilen.“ Mariannes Gesicht nimmt einen stolzen Ausdruck an. Es wirkt nicht überheblich sondern freudig. Eine seltsame Wendung hat sich abgespielt. Wenige Sekunden zurückblickend hatte sie noch eine ziemlich schlechtere Laune.

Marianne ist immer ziemlich streng mit uns, doch sie meint es nur gut. Es sei nur zu unserem Vorteil, erklärte sie uns kürzlich. Sie wolle uns bloss helfen unseren Traum, eine Karriere als Schauspieler oder Schauspielerin zu erreichen. Da sei eine gewisse Strenge erforderlich.

Wir alle wissen, dass Marianne es ernst mit uns meint, und dass sie ein gutes Herz hat, nur kommt dieses nicht oft zum Vorschein. Doch heute ist es wieder mal geschehen.

„Bestimmt erinnert ihr euch alle an den Wettbewerb ,Das bin ich’.“ Ein plötzliches Lächeln erscheint auf ihrem Gesicht, als sie unser aufgeregtes Raunen bemerkt. Nun wird es unruhig im Saal. Überall wird getuschelt und gequatscht. Mir ergeht es genau gleich und ich beginne mit Maliah, deren Laune sich schon wieder bemerkbar gebessert hat, zu reden. Wir sprechen über unser gemeinsames Erlebnis.

Vor ziemlich genau einem halben Jahr nahm unsere Gruppe an einem Wettbewerb teil. Der Auftrag war, einen Kurzfilm zu drehen. Um wen oder was er sich handelt, wurde nicht vorgeschrieben, sondern uns überlassen. Die einzige Vorschrift war, dass es zum Thema „Das bin ich“ passen sollte.

Und da Vanessa, ein intelligentes und kreatives Mädchen aus unserem Kurs, als Hobby gerne schreibt, übernahm sie den Part der Regisseurin und schrieb uns eine Story.

Gemeinsam haben wir über Handlung und Rollenverteilung entschieden. Es ging mehrere Stunden hektisch und nicht immer freundlich her und zu, schlussendlich haben uns aber darauf geeinigt, dass jeder sich selbst spielen sollte.

Doch, so einfach wie wir es uns vorstellten, war es nicht. Zum Beispiel wollte sich jemand nicht eingestehen, dass er stur ist. Ein anderer wiederum gab seine Unordendlichkeit nicht zu. Es kam zu Konflikten. Doch zum Ende hat es dann doch ganz gut funktioniert, worüber wir alle, und vor allem Marianne, ganz froh waren. Das Ergebnis konnte sich sehen lassen.

 „Könnt ihr bitte etwas leiser sein und mir zuhören?“Sofort wurde es ganz still und eine spürbare Spannung war unter uns.

„Gestern Abend habe ich eine Antwort bekommen.“, erzählt Marianne weiter. Ihre Gelassenheit springt auf uns über. „Die Jury hat sich unsere Aufnahmen angeguckt und sie ganz genau unter die Lupe genommen.“ Ich bleibe ruhig, auch wenn ich weiss, dass dieser Wettbewerb die Chance ist.

Als Marianne nicht weiter spricht, werden einige ganz nervös. Doch ich bleibe entspannt und total gelssen.

Maliah ergeht es anders. Sie ist angespannt und kaut an ihren Fingernägeln.

„Lass das du Kuh!“, meine ich freundschaftlich.

„Es sind meine Fingernägel!“

„Trotzdem. Dennis wird bestimmt keine Freude haben, wenn er da sehen würde.“

„Er ist aber nicht hier. Ätsch!“

Wir schweifen vom Thema ab. Auch hinter uns werden die Gespräche und Diskussionen immer lauter.„Na sag schon Marianne!“, nörgelt jemand. Ein weiterer ruft: „Was ist denn nun?“ Sie alle sind bei der Sache.

Ich lausche den Stimmen. Auch Maliah an meiner Rechten schweigt, doch sie knabbert immer noch an den Nägeln. Wir tauschen lustige Blicke.

Gerade, als mich mit meinen Gedanken wieder dem eigentlichen Thema widme, höre ich Mariannes Stimme. Sie ruft laut, damit sie alle übertönen kann: „Ich bitte um Ruhe!“

Langsam klingt der Lärm ab. Nach einer Weile sind nur noch wenige, leise Stimmen zu hören. Als auch die verschwunden sind, setzt Marianne fort:

„Ich habe eine gute und eine schlechte Nachricht für euch.“ Die Gespräche schwellen wieder an, doch Marianne spricht weiter, als ob sie diese nicht wahrgenommen hat „Nun, ich will euch nicht weiter auf die Folter spannen. Ich verkünde euch zuerst die Gute.“

„Können wir nicht zuerst die schlechte Nachricht hören? Das macht man doch normalerweise so.“, fragt ein Mädchen. Lautes Stöhnen geht durch die Menge.

 „Nein meine Liebe. Jetzt unterbrecht mich bitte nicht mehr, da wäre ich ganz froh.“, wendet sich Marianne an uns. Der mahnende Unterton in ihrer Stimme entgeht mir nicht. Schämend senkt das Mädchen den Kopf, als sie die bösen Blicke spürt.

„Also, kommen wir nochmals zum Wesentlichen: Euer Kurzfilm hat die Jury überzeugt. Sie haben anscheinend lange diskutiert und sind zum Schluss gekommen, dass ihr die Gewinner sein sollt.“ Hab ich gerade richtig verstanden? Das heisst: wir haben gewonnen? Doch irgendetwas verwundert mich. Vielleicht liegt es am Tonfall von Marianne. Kritisch schaue ich sie an. Langsam macht sich Nervosität in mir breit. Maliah erscheint mir auch verwundert. Man sieht zwar die Freude in ihren leuchtenden Augen, doch ihr Fussgezappel deutet auf Nervosität hin.

Anscheinend hat das nur uns verunsichert, denn einige lösen dich von ihren Sitzen und drücken ihre Freude durch Umarmungen und Gekreische aus.

„Stopp, ich habe noch nicht zu Ende geredet!“, unterbricht Marianne sie. „Freut euch nicht zu früh, denn jetzt kommt noch das, was weniger erfreulich ist.“ Die Euphorie von vorhin verschwindet ganz plötzlich. Alle setzen sich frustriert auf ihre Plätze und ziehen lange Gesichter.

„Da ihr eine so grosse Truppe seit, konnte die Jury leider nicht alle einladen. Sie mussten sich auf 12 Leute beschränken.“, informiert sie uns und wirkt dabei etwas traurig. Ich bin enttäuscht und es scheint mir, als wäre ich nicht die einzige. Doch ein kleines Flämmchen Hoffnung brennt noch in mir.

„Ich werde nur gehen, wenn du auch mitkommst. Ansonsten bleibe ich hier!“, versichert mir meine beste Freundin und nimmt meine Hand in ihre. Sie ist ganz kalt. Ihre noch vorhandenen Fingernägel bohren sich in meine Haut.

 „Die Jury hat bei der Auswahl auf eure Mimik, Gestik, Betonung und auf die Sprechsicherheit geachtet.. Dadurch konnten sie sich auf zwölf von euch beschränken. Ich nenne jetzt die, für die sie sich entschieden haben.“ Ich spüre wie sich Maliah noch mehr anspannt. Und in meinem Bauch wirbelt gerade ein Schneesturm, vor Aufregung.

„Mitfahren dürfen: Sophie, Nathalie, Marek, Vanessa, Mae,…“, als ich meinen Namen höre, freue ich mich schaurig. Mein Herz setzt für einen Schlag aus und in meinem Bauch wird es noch schlimmer. Ein breites Lächeln ist sichtbar auf meinem Gesicht. Doch ich springe nicht auf, wie alle andern. Ich warte noch darauf, dass Maliahs Name erwähnt wird. Mein linker Daumen schmerzt, da ich ihn so fest drücke. Auch meine rechte Hand tut weh, da Maliah so fest zudrückt. Ich sitze so verkrampft auf meinem Stuhl wie noch nie.

Nachdem sie vier weitere aufgezählt hat, die mitfahren dürfen, wird es spannend:„…Deborah, Elsa und zum Schluss: Maliah.“ Wie von der Tarantel gestochen heben Maliah und ich uns gleichzeitig aus den Stühlen, drücken uns ganz fest und kreischen. Beinahe bekomme ich keine Luft. Aber das ist mir so was von egal! Wir freuen uns riesig.

„Das ist ja kaum zu fassen!“, schreit sie mir laut ins Ohr. Es ist nicht zu übersehen, dass sich ihre Laune deutlich gebessert hat.

Irgendwann lösen wir uns aus unserer Umarmung. Hinter, vor und neben uns sitzen glückliche und traurige Gesichter.

Es tut mir so leid für alle, die nicht ausgewählt wurden. Sie haben den gleichen Aufwand betrieben und sich genau so angestrengt wie alle andern auch. Ich umarme und tröste einige. Natürlich gibt es auch Eifersüchteleien, aber auch solche die uns gratulieren und es uns gönnen.

„Ich weiss, dass das sehr hart ist. Aber es gehört dazu. Freude und Trauer liegen oft beieinander. Aber ich versichere euch, dass jeder noch so berühmte Schauspieler, am Anfang seiner Karriere Absagen bekommen hat. Ihr dürft jetzt nicht an eurem Talent zweifeln und müsst wissen, dass ihr alle toll schauspielern könnt! Glaubt an euch und macht weiter! Ihr dürft euch nur nicht entmutigen lassen!“ Marianne geht durch die Reihen und spricht mit den traurigen unter uns. Dann richtet sie sich wieder an alle:

„Nun, zu den Glücklichen, die gewählt worden sind: Ich hoffe, ihr habt in den nächsten Frühlingsferien noch nicht allzu viel vor. Denn, wie ihr wisst, besteht euer Preis darin, dass ihr nach Frankreich, genauer gesagt  nach Nizza reisen dürft. Dort werdet ihr zwei Wochen verbringen und mit internationalen Jungschauspielern der “Movie and Stage Academy“ aus aller Welt Theater einstudieren, üben, und, und, und. Bei einem Casting wird dann euer Talent getestet. Die Besten unter euch dürfen  dann am aktuellen Projekt der Akademie teilnehmen. Was das sein wird, werde ich euch nicht verraten. Ich bin sehr, sehr stolz auf euch alle! Auch auf die, für die es diesmal leider nicht gereicht hat.“

Nach dem Kurs warte ich draussen auf Maliah, die noch etwas länger bleiben muss, wegen ihres Aussetzers und ihrer Rolle als Shakespeares Julia. Mir ist langweilig, also gehe ich auf und ab, drehe Runden um die Aula. Das Wetter ist schön. Es ist herrlich warm und die Sonne scheint sanft auf  meinen roten Haarschopf, obwohl wir erst März haben

Als Maliah dann endlich herauskommt, sitze ich gerade auf der Schaukel nebenan und langweile mich.

Wir rennen aufeinander zu und neugierig frage ich: „Na, was hat sie nun mit dir besprochen?“ Maliah zögert. „Ja sie meinte halt“, sie blickt verlegen auf den Boden, „dass ich nicht gerade aufgeben sollte, falls mal was nicht klappt.“ Ihr Blick ist noch immer gesenkt. „Ausserdem sagte sie, ich sei sehr begabt – Mann, das wirkt so eingebildet!“, abrupt hört sie auf zu sprechen.

„Nein, sicher nicht! Wir alle wissen, dass du total talentiert bist!“, spreche ich ihr gut zu. „Meinst du wirklich?“ Nun schaut sie auf. Ihre Augen glitzern vor stolz.

„Natürlich meine ich das so! Also und dann?“

Meine beste Freundin erzählt mir auf dem Weg zum Bahnhof, dass Marianne ihr geraten hat, dass sie durchhalten soll, auch wenn etwas nicht sofort auf Anhieb klappt. Und dass sie auch für Dinge arbeiten muss und ihr nicht alles in die Wiege gelegt wurde. Irgendwie ist ihr das peinlich.

Als wir ankommen, fährt der Zug gerade ein. Wir steigen ein und setzen uns gegenüber eines älteren Herrens auf die Sitze. Wir machen es uns bequem. Unsere Vorfreude auf Nizza ist riesig. Wir sind total glücklich und freuen uns.

Auf der Fahrt singen Maliah und ich lauthals zur Musik, wie wir es immer machen, wenn wir fröhlich sind. Der Herr gegenüber von uns schaut die ganze Zeit hierüber. Mich kümmert das nicht, soll er uns doch anstarren. Maliah und ich lachen herzlich und singen laut:„…because I’m happy clap along…“

Plötzlich spüre ich, wie mich jemand an meiner rechten Schulter berührt. Sofort höre ich auf zu grölen und nehme meinen Kopfhörer aus dem Ohr. Doch anscheinend hat Maliah nicht bemerkt, dass ich aufgehört habe zu trällern, denn sie singt immer noch laut zur Musik.

Ich schaue auf und neben mir steht ein Mitarbeiter der Bahnlinie. Sofort drehe ich mich mit rotem Kopf zu Maliah. Ich stupse sie an. „Maliah! Maliah!“ Endlich bemerkt sie es und nimmt den Kopfhörer raus. Ich sehe in ihr verwirrtes Gesicht, als der Mann neben mir, höflich aber verärgert, zu reden beginnt: „Entschuldigen Sie, könnten Sie vielleicht aufhören zu singen? Ich erinnere Sie daran, dass Sie sich in einem öffentlichen Verkehrsmittel befinden.“ Wir entschuldigen uns. Dann steht Maliah peinlich berührt auf, packt mich am Handgelenk und zieht mich einfach mit, ich lasse es zu. Der Mitarbeiter schaut uns verdutzt an, doch ich bin nicht weniger verwirrt als er. Ich habe keine Ahnung was Maliah vorhat. Nun stehen wir vor dem Ausgang.

„Was machen wir jetzt?“

„Psst.. sei still!“ , antwortet sie, unterdrückt ein Lachen und stopft mir mit ihrer Hand das Maul. Und da sie das macht, beginnen wir erst recht zu kichern.

Der Zug hält an und schon stehe ich draussen. Kaum hat der Zug angehalten, fährt er auch schon wieder los, mitsamt dem älteren Herren und dem verdutzten Mann.

Nun stehen wir auf dem Bahnsteg. Wir gucken einander an und plötzlich beginnen wir schallend zu lachen. Ich krümme mich vor lachen

„War das nicht elend komisch? Hast du dessen Gesicht gesehen?“, fragte ich in einem gelächterfreien Moment. Doch Maliah kann sich nicht halten und prustet wieder los. „Deswegen bekomme ich jetzt noch Bauchschmerzen!“  

 

 

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 29.06.2014

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Vielen Dank an SasasMagischeWelt für die Covergestaltung :)

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