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Prolog



Sie flog weiter, immer schneller, damit sie ihr Ziel endlich erreichte. Dabei kam sie aus dem Staunen kaum heraus. Sie war noch nie außerhalb des Waldes gewesen, und selbst wenn er noch so schön war mit all seinen bunten Blumen, Laub- und Nadelbäumen, gefiel ihr es hier auch gut, auch wenn sie sich fremd vorkam. Doch sie musste weiter, konnte nicht hier bleiben.
Schließlich kam sie an, und trotz der langen Strecke kam es ihr furchtbar kurz vor, in Anbetracht dessen, was sie tun würde.
Sie schaute auf das Bündel in ihrem Arm.
„Hier wirst du es viel besser haben als bei mir.“, flüsterte sie liebevoll, „Aber ich werde dich schrecklich vermissen. Besuch mich irgendwann.“ Dann flog sie durch das offene Fenster zu ihm und setzte sich auf sein Bein.
„Hallo.“, sagte sie, bereit weg zu fliegen, falls es anders laufen sollte als geplant, doch das war nicht nötig.
Er sah vom Fernseher auf, sah aber niemanden. Als er jedoch auf sein Knie blickte, erschrak er.
„Dann hat er also doch nicht gelogen. Er erzählt so gern Geschichten.“, sagte er überrascht.
„Nein, hat er nicht.“ Sie lachte ein wenig, bis ihr wieder einfiel, was sie nun tun musste.
„Hier“, sagte sie und gab ihm ihr Kleines. „In meiner Welt ist es zu gefährlich für sie. Sie hat keine Flügel. Und sie wächst so schnell, zu schnell, ich bin sicher sie bekommt eure Größe. Irgendwann wird sie sich entscheiden können, aber jetzt noch nicht. Ich weiß, ich kann es nicht verlangen, nur bitten. Wirst du dich um sie kümmern?“
Natürlich sagte er zu.
„Vergiss nie wer du bist, kleine Prinzessin.“, flüsterte sie zum Abschied.


Zirkusvorstellung



Ich saß hoch oben auf dem Trapez und bereitete mich auf das Vogelnest vor.
Es war die letzte Vorstellung, dann würden die Zirkusleute weiterziehen und woanders wieder neue Kinder casten, die mit ihnen in der Manege stehen dürfen.
„Nicht denken“, sagte ich mir, „so machst du hier oben nur alles kaputt.“
Auf dem Trapez in der Luft herrschten andere Gesetze, es vereinigten sich die Gegensätze. Man brauchte Leichtigkeit und Kraft, musste gleichzeitig locker bleiben und den Körper auf Spannung halten.
Ich atmete noch einmal durch und ließ mich am schwingenden Trapez hinab, sodass mein Hände die Stange umfassten. Ich schwang meine Beine vor und zurück, ließ das Trapez schaukeln. In einem Rückwärtsschwung zog ich die Beine hoch, immer weiter, bis die Füße die Stange berührten. Dann musste ich im Vorwärtsschwung die Hüften durchdrücken und den Kopf ins Genick nehmen. Die Übung sah sehr schwer aus, aber eigentlich war sie recht einfach.
Jetzt musste ich Lukas anschauen. Er war mein Partner und Erwachsene in der Trapezaufführung, er hat mich beim Casting gut gefunden und sich für mich entschieden.
Er klatschte vom zweiten Trapez aus in die Hände. Das war mein Zeichen.
Abrupt ließ ich das Trapez los und fiel mit gestreckten Armen nach unten auf das Sicherheitsnetz zu. Und doch kam ich nicht unten an. Lukas fing mich auf, wie schon so oft davor. Er umpackte meine Handgelenke. Ich hing in der Luft und dachte an den Fall, der nun kommen würde. Ich freute mich darauf, es war ein wunderbares Gefühl, von so weit oben durch die Luft zu gleiten, fast wie wenn man fliegen könnte. Also zog ich die Beine hoch und machte den Rücken rund, damit ich mit dem Po im Netz landen würde. Ich nickte und gab Lukas damit das Zeichen, dass ich bereit war. Als er mich los ließ, spürte ich den Wind an meinem Körper entlangsausen, bevor ich kurz danach weich und sicher im Netz landete. Während ich noch nachfederte, rutschte ich möglichst schnell zur Seite und stieg vom Netz, um Lukas Platz zu machen. Er stand bereits konzentriert auf dem Trapez und stieß sich ab. Mit einem doppeltem Salto landete er im Netz.
Ich schnaubte. Natürlich ließ er sich nicht einfach herunterfallen.
Dann verbeugten wir uns und gingen unter dem tosendem Applaus nach draußen, um direkt wieder in die Manege hinauszutreten. Unsere Nummer war wie immer die letzte und nun traten noch einmal alle hinaus und winkten zum großen Abschlussablaus.

Als ich mich umgezogen hatte und mich wieder wohl fühlte (Jeans und T-Shirt sind einfach bequemer als Rote-Glitzer-Strech-Anzüge!) rannte ich zu meinem Opa hinaus (natürlich nicht ohne meinen Zirkusfreunden Tschüss zu sagen, aber ich würde sie ja nochmal beim Abschiedsfest sehen, und daran zu enken, dass ich wohl nie wieder in der Manege, oder zumindest nicht in voraussehbarer Zeit, stehen würde.).
„Und, wie fandest du es?“, fragte ich.
Opa lachte. „Na, wie immer.“
Das enttäuschte mich ein bisschen. Normalerweise würde er zumindest aus Höflichkeit sagen, das es toll war.
„Es war wie immer einfach fabelhaftgigantisch gut.“
Jetzt lachte ich auch. Das war einfach typisch Opa.
„Nein, ehrlich Isa.“, meinte er.
Isa, das bin ich. Das ist eine Abkürzung für Isalie. Ich habe wirklich keine Ahnung, wie meine Eltern vor 14 Jahren auf so einen komischen Namen kommen können.
Da ist mir Isa schon lieber, das klingt wenigstens nach einem Spitznamen für Isabel.
Aber fragen kann ich meine Eltern auch nicht. Denn soweit ich mich erinnern kann, wohne ich bei meinem Opa. Mein Vater ist gestorben als ich noch sehr klein war, das weiß ich. Aber ich weiß nichts über meine Mutter, nicht mal ein kleines bisschen. Wenn ich Opa nach ihr frage (er ist Papas Vater) ist er immer urplötzlich beschäftigt. Und wenn ich ihn dann doch mal dazu kriege mir etwas zu erzählen, denke ich: Jetzt weiß ich doch nicht mehr, als dass sie wie ich lange, hellbraune Haare hatte, passend zu den warmen, brauen Augen, die ich ebenfalls von ihr geerbt habe, und nett war.

Am Abend ging ich früh ins Bett, der Zirkusauftritt war anstrengend.
Als ich aufwachte, wusste ich, dass es noch nicht Zeit zum aufstehen war, trotzdem sah ich auf die Uhr.
3 Uhr morgens.
Seufz.
An meinen Traum konnte ich mich kaum noch erinnern. Er hatte irgendetwas mit fliegen und Vögeln zu tun, aber mehr wusste ich auch nicht mehr.
Ich drehte mich auf den Bauch und versuchte nochmal einzudösen. Aber – natürlich – konnte ich jetzt nicht mehr einschlafen, das konnte ich nie, wenn ich mal aufgewacht bin. Ob es nur daran liegt, dass ich einen recht leichten Schlaf HAB; oder auch daran, dass unsere Wände so dünn waren und ich Opa leise schnarchen hörte, war mir eigentlich ziemlich egal, es nervte auf jeden Fall ungemein.
Nochmal drehte ich mich, aber egal wie oft ich mich umherwälzte, es half nichts.
Was solls – ich würde sowieso nicht mehr einschlafen können.
Da konnte ich die Zeit auch sinnvoll nutzen, und ein Buch zu lesen.
Aber ich wusste, dass ich das heute nicht wollte. Mich zog es in den Wald, stark und mit einer unheimlichen Kraft.
Und ich wollte nicht warten, ich wollte jetzt im Dunklem, unbemerkt in den Wald.
Mann, Isa, du spinnst ja! Was willst du denn das mitten in der Nacht?
Ich hatte keine Ahnung was ich dort wollte, ich war noch nie allein hinein gegangen, denn er war riesig, erstreckte sich über Berge und um Seen, man konnte sich leicht darin verlaufen – und trotzdem, ich wusste, es war richtig dorthin zu gehen.
Also schrieb ich Opa einen Zettel, falls ich nicht zurückkehren sollte, bevor er aufwachte.


Die Entdeckung



Langsam lief ich den schmalen Weg aus Wurzeln und Erde entlang. Das Grün war wunder- schön und der Vollmond leuchtete durch die Baumwipfel.
Außerdem hatte ich das komische Gefühl, mich hier auszukennen, den Wald zu kennen.
„Unmöglich, das bildest du dir nur ein. Alle Wälder sehen gleich aus.“, sagte ich mir. „Du weißt doch nicht mal ob du schon mal genau hier warst.“
Während ich weiterlief fiel mir ein Spruch ein. Ich kannte ihn von einem komischem Papierstück das ich mal im Keller gefunden habe, das Papier hatte sich anders angefühlt, wenn auch nicht unangenehm, sondern seltsam vertraut.
Laut sprach ich ihn aus.

„Elfe, Elfe, Schwester mein,
So wie du möcht' ich gern sein.
Dein Zuhaus' sind Wald und Wind,
Ach, wär' ich doch ein Elfenkind“

Da wurde mir schummrig vor Augen, und das Letzte an das ich mich erinnerte war, dass alles schwarz wurde.
Langsam öffnete ich die Augen. Warum waren die Bäume um mich herum auf einmal so groß? Warum juckte es mich so am Rücken? Und warum lag ich auf dem Boden aus harter Erde?
Ach ja, mir ist schwindlig geworden. Aber eigentlich erklärte das nur die letztere Frage und vielleicht noch den Juckreiz.
Bevor ich weiter nachdenken konnte,lenkte meine Aufmerksamkeit sich auf etwas anderes – einen süßen, lila Vogel, der so groß war wie ich !!!
Also entweder war das ein sehr, sehr komischer Albtraum, oder …, na ja ich weiß auch nicht was sonst. Wie auch immer, egal ob Traum, oder nicht, eigentlich sollte ich Angst vor so einem großen Vogel haben. Hatte ich aber nicht. Er war einfach zu putzig.
Staunend sah ich ihn an.
Der Vogel lächelte mich an (ich weiß auch nicht, wie Vögel lächeln können, aber in diesem Moment wusste ich einfach, dass er es tat.)
Dann piepste er: „ Ähmm, hallo Isalie.“
Ich merkte, dass er weiter reden wollte, aber mir sprudelte es heraus: „Wer bist du und wie heißt du? Ich meine natürlich eher, WAS bist du? Okay, ein Vogel, dass sehe ich, aber warum bist du so groß? Woher weißt du wie ich heiße, und wieso kannst überhaupt sprechen? Ich meine du bist doch ein Vogel, wenn auch ein großer! Und kannst du mir auch erklären was eigentlich mit den Bäumen los ist? Die können doch nicht in der kurzen Zeit, in der ich ohnmächtig war, so weit gewachsen sein. War ich überhaupt ohnmächtig? Oder ist das ein Traum? Na, das wirst du wohl nicht wissen, aber ...“
Der Vogel unterbrach meinen Redefluss, während ich ihn mit offenem Mund anstarrte.
„Ach Isalie, immer eins nach dem Anderen. Also Erstens, ich heiße Nala und bin ein Vogel, wie u sehr richtig erkannt hast.“
Upps, er, tschuldigung, sie ist ein Mädchen.
„Zweitens, ich bin genauso groß, wie jeder andere Vogel auch, bis auf den Größenunterschied zwischen Specht und Sperling. Wie auch immer, jedenfalls bin ich nicht so groß wie ein Mensch. Ach, und wieso sollte ich nicht sprechen können? Ich meine, alle Tiere können sprechen. Du hast wahrscheinlich nur noch nie richtig zugehört.
Außer Menschen können sich alle gegenseitig verstehen. Menschen unterscheiden sich zu sehr von uns, haben ihre eigene Sprache erfunden, nicht die gleiche benutzt wie alle anderen Lebewesen. Die Einzigen, die nicht sprechen können sind Pflanzen. Aber auch mit ihnen kann man sich in Verbindung setzten.“
„Warte mal kurz. Ich bin ein Mensch. Und ich wette, du bist doch nur irgendjemand der mir einen Streich spielen will.“
Nala lachte. „Ja, natürlich bist du ein Mensch. Manchmal jedenfalls. Aber jetzt nicht. Um genau zu sein, bist du nämlich nur ein Halbmensch. Deshalb hast du die Vorteile beider Wesen und kannst beide Sprachen, und wenn du dich darauf konzentrierst und es wirklich willst, kannst du sogar die als Mensch unsere Sprache verstehen.“
„Was bin ich denn nun?“
„ Was glaubst du denn? Schau dich doch mal an!“
Also schaute ich nach unten und in beide Richtungen – nichts. Doch, als ich meinen Kopf nach hinten drehte, glaubte ich nicht, was ich sah.
„Das gibt es nicht. So etwas gibt es einfach nicht!“
An meinem Rücken war, fest mit ihm verwachsen, zwei schillernde saphierblaue Flügel.
„Wow!“
„Ich muss schon sagen, du hast allerdings sehr schöne Flügel.“ Nala schmunzelte über meine Überraschung. „Also deswegen sind die Bäume so groß, oder?“, fragte ich aufgeregt, „Nicht sie sind gewachsen, sondern ich bin geschrumpft.“
„Gut, dass du das auch kapiert hast, obwohl ich es wohl eher als 'graziöse' Verwandlung bezeichnen würde.“ Darauf fiel mir nur eins ein. Ich warf meinen Kopf zurück und fing schallend an zu lachen. Soso. Wenn man also ohnmächtig wurde, danach auf dem Boden rumliegt und einem zwei Flügel wachsen, war das neuerdings graziös.
Da fiel mir plötzlich etwas anderes ein. Wie sollte ich eigentlich wieder ein Mensch werden? Nala schien meine Gedanken gelesen zu haben.
„Du brauchst nur den Spruch umzudrehen.“
„Ähmm, du meinst verkehrtrum sprechen?“
„Nein, aber denk doch mal nach, ich weiß auch nicht mehr als das.“
„Na super, das beruhigt mich total!“, sagte ich ärgerlich, doch da fiel mir schon der zweite Teil des Gedichtes auf diesem komischen Papier ein.

„Mensch, Mensch, Bruder mein,
So wie du möcht' ich gern sein.
Dein Zuhaus' sind Land und Wind,
Ach, wär' ich wieder ein Menschenkind“

Nun, ich musste schon sagen, dass das Gedicht wirklich das passende Gegenstück zum anderen.

Da wurde mir wieder Schummrig vor Augen und alles wurde schwarz, aber es fühlte sich richtig an.
Als ich meine Augen wieder aufschlug, hatten alle Bäume wieder ihre Normalgröße, ich war wieder 1,65 groß und vor mir saß ein putziger, kleiner, lila Vogel.
Er piepste alles Mögliche, aber ich konnte ihn nicht verstehen.
Hatte Nala nicht gesagt, ich könne sie als Mensch auch verstehen?
Da fiel mir ein, dass sie im gleichem Atemzug sagte, wenn ich mich konzentriere.
Gut, also dachte ich, so fest ich konnte,an Nalas piepsende Stimme und daran, dass ich sie hören wollte.

„Ja, so wirst du ein Mensch, aber jetzt verwandel dich endlich zurück, ich muss dir was erklären und wir haben nicht ewig Zeit. Hey, hörst du mich überhaupt? ISALIE!!!“
„Ja, ja, jetzt schon, beruhig dich mal. Ich wandle mich schon.“
Daraufhin bekam ich wieder einen Lachkrampf. Ich meine, wie sich das anhört:
Ich wandle mich.
Da Nala mich aber sehr ernst anguckte (wie kann ein kleiner Vogel nur so unterschiedliche Gesichtsausdrücke haben?), sagte ich schnell den Spruch.

„Da ´seid ihr ja wieder, diese Größe ist mir einfach lieber, eure Majestät, wie...“
„Warte kurz, wie hast du mich eben genannt?“


Die Erklärung



Äh, eigentlich wollte ich bei 'du' bleiben, ich dachte, das ist dir lieber, aber jetzt ist es mir so rausgerutscht“
„Ja, ich habs gemerkt! Und du hast recht, das ist mir lieber, aber wieso hast du mich so genannt?“
„Also, …, wo fang ich an? Na gut, wie du gemerkt hast, bist du eine Elfe.“
Ich nickte. Ja, das hab ich inzwischen kapiert.
„Aber du bist keine gewöhnliche Elfe. Du bist die Tochter von Nuyala, der Elfenkönigin.“
„Ich – Was?“
Nala grinste. „Ja, du bist nicht nur eine Elfe, sondern sogar die Elfenprinzessin. Und wir brauchen deine Hilfe.“
„Wobei denn, ich meine, ich weiß doch überhaupt nichts.“
„Ja, das stimmt schon, aber du bist die rechtmäßige Erbin des Throns von der Elfenstadt.“
„Und was soll das helfen?“
„Layla, das ist deine Tante, hat deine Mutter gefangen und hält sie weiter von der Außenwelt abseits. Und da niemand von dir weiß, das es dich gibt, beziehungsweise, es gibt nur eine Legende von dir, ist sie jetzt die Königin. Aber ihre Herrschaft ist schrecklich!
Aber jetzt bist du erwachsen und ...“
„Moment mal, ich bin erst 14. Damit bin ich weder erwachsen, noch alt genug um gegen eine wild gewordene Königin mit einer Armee und so weiter zu kämpfen.“
„Also, ich hab nichts von einem Kampf gegen das Königreich gesagt. Auf der Gefahr mich zu wiederholen: Du bist die rechtmäßige Thronfolgerin, und nicht Layla!
Wenn du erst Herrscherin über unsere geliebte Elfenstadt bist, wir alles wieder besser!“
„Okay, stopp! Ich habe keineswegs die Absicht, hier ganz plötzlich aufzutreten und die Königin zu spielen. Ich wäre jetzt am liebsten zu Hause, ein ganz normales Mädchen und wüsste nichts darüber, was du mir erzählt hast. Aber wenn meine Tante tatsächlich so bös ist wie du jetzt behauptest, dann ist es irgendwie schon meine Pflicht dafür zu sorgen, dass alles wieder ins Lot kommt, schließlich ist e ja dann meine Familie. Aber du kannst dich darauf verlassen, dass ich nur mitkomme und helfe meine Mutter zu finden, nichts weiter!“
„Einmal dort, und du wirst nie wieder weg wollen. Siehst du, du hast ein großes Verantwortungsgefühl, und das macht dich erwachsen, selbst, wenn du das nicht so siehst. Aber vorhin habe ich damit gemeint, dass du jetzt alt genug bist um dich in die andere Gestalt zu wandeln.“

Mit diesen Worten breitete sie ihre Schwingen aus und nachdem sie ein wenig mit ihnen gewackelt hatte, drückte sie ihre Flügel nach oben und unten, immer schneller, bis sie in der Luft schwebte.
„Na los, komm schon! Es ist ganz leicht! Mach mir einfach alles nach.“
Haha. Leicht gesagt, wenn mans schon kann.
Na ja, irgendwann werde ich es sowie probieren müssen.
Vorzugsweise nicht erst, wenn Layla uns gefunden hat. - Und irgendwie wäre es auch wirklich cool, fliegen zu können. Also hebte ich meine lauen Flügel an und schlug sie auf und zu. Soweit war es wirklich einfach, ich konnte sie spüren und bewegen wie meine Arme und Beine. Ich schlug sie schneller und schneller, immer wieder hin und her bis auch ich ein paar Zentimeter in der Luft schwebte. Ich schlug noch schneller, damit ich weiter hoch kam. Das war echt cool, ich schwebte einen Meter in der Luft, ganz ohne Sicherheitsseile oder ähnliches.
„Genau. Aber du musst nur mit den Flügeln schlagen, wenn du nach oben willst, ansonsten kannst du gleiten. Probiers doch mal.“
Das tat ich bereits, und prompt landete ich mit dem Gesicht im Matsch.
Aber das Gefühl dazwischen war unbeschreiblich, wie fliegen (gut das war es ja auch),
aber man kann es wirklich nicht mit einer Achterbahn vergleichen. Die waren nichts dagegen.
„Für den Anfang gar nicht schlecht, mit dem Kopf voraus ist schon mal richtig.“, meinte Nala und grinste belustigt.
Nach 10 weiteren Versuchen und 10 weiteren Bruchlandungen in Verbindung mit vielen blauen Flecken hatte ich erst mal genug.
„Warum laufen wir nicht einfach? Ich habe schließlich trotzdem noch Beine.“
„Ganz einfach: Erstens würden wir zu Fuß viel zu lang brauchen und zweitens in der Elfenstadt selbst fast nirgendwohin kommen. Und dort fliegen zu lernen wäre ein klitzekleines bisschen auffällig, selbst wenn es da bessere Lehrer gibt. Die andern Elfen müssen es schließlich auch lernen. Und, du willst es doch sowieso können, oder? Ich sehe dir an wie toll du es findest. Gut, jetzt im Moment vielleicht nicht, aber immer solange du in der Luft bist. Ich weiß gar nicht, wie ihr Menschen es ohne Flügel aushaltet. Probieren wir es noch mal. Stell dir einfach vor, du würdest schwimmen. Ich glaube, im Wasser hat man ein ähnliches Gefühl. Aber ich weiß es nicht, Ich kann nicht schwimmen, genau wie alle Elfen.“
Ha, endlich mal was, das ich konnte, und Elfen nicht.
Nach einem tiefen Seufzer probierte ich es nochmal. Und – tatsächlich – es war mit tauchen vergleichbar. Wenn ich mir vorstellte zu schwimmen, klappte es gleich besser. Gut, ich landete wieder mit einer Bruchlandung, aber trotzdem gelang es mir besser. Beim nächsten Mal würde ich bestimmt auf den Füßen landen.
„Genau, mit Selbstvertrauen fliegt man am Besten!“, rief Nala, „Und jetzt komm, ich bin sicher du schaffst es jetzt. Auf zur Elfenstadt Lapislazuli, benannt nach dem Edelstein!“


Die Elfenstadt


Also hebten wir ab (das bekam ich inzwischen ganz gut hin). Nala flog voraus und ich folgte ihr. Wir kamen vorbei an wunderschönen roten Waldblumen, Laubbäumen, Nadelbäumen und Obstbäumen mit reifen Früchten. Ich hörte Vögel zwitschern und Bienen summen, während langsam die Sonne aufging. Ich erschrak: „So spät schon? Opa wird sich sorgen machen!“
„Das glaube ich nicht.“, meinte Nala, „Er wusste, dass du irgendwann erfährst, wer du wirklich bist.“
„Aber warum hat er es mir dann nie erzählt?“, fragte ich.
Doch darauf bekam ich nur eine Gegenfrage: „Ach komm schon, hättest du ihm geglaubt?“
OK, sie hatte Recht, das hätte ich nicht. Aber deswegen wollte man doch nicht angelogen werden!

„Hier ist es. Lapislazuli.“
„Wow!“
Zwischen den Bäumen schwirrten Hunderte Elfen umher, mit Flügel in allen möglichen Farben, jeder hatte eine eigene und keine gab es zweimal. In den Bäumen hingen kleine Häuschen auf allen Ebenen bis zur Baumkrone.
Das meinte Nala also vorhin, als sie sagte, wir würden ohne Flügel nirgendwohin kommen.
Weiter hinten in der Ferne sah ich ein besonders großes Haus, es schien der Palast der Königsfamilie zu sein. Es war ziemlich mittig in einem Baum und bestand aus Steinen in allen möglichen Farben, von denen ich nur die Hälfte benennen konnte und erst recht nicht wusste, dass es solche Steine überhaupt gibt. Da erinnerte ich mich, dass ich nun eine kleine Elfe war, aus deren Sicht es durchaus solche Steine geben konnte, schließlich gab es auch bunte Kiesel, die einer Elfe wesentlich größer vorkamen als einem Menschen. Der Palast hatte ein Kuppeldach, dass aus Lapislazuli bestehen zu schien, daher also auch der Name.
Da ertönte ein lautes Trompetensignal.
„Los, komm, du möchtest sicher deine Tante kennenlernen, oder?“, fragte mich Nala.
„Hä? Ich dachte, ich soll ihr aus dem Weg gehen, damit sie auch weiterhin nichts von mir weiß. “ Oder hatte ich das etwa falsch verstanden?
„Ja, das stimmt schon, aber es ist Zeit für ihren täglichen Gang zu Lapislazulis Wahrsagerin. Und das macht sie immer mit einem riesigen Triumphzug, bei dem sie alle Stadtbewohner anzutreffen wünscht und erwartet, dass e ihr huldigen. Uns allen bleibt leider gar nichts anderes übrig.“, erklärte Nala, während wir in die Richtung des Trompetensignals flogen.
„Wir sollten nicht zu nahe hingehen. Versteck dich hinter dem großen Kastanienblatt da drüben, nicht dass Layla die Ähnlichkeit bemerkt.“
„Meine Mutter sieht mir ähnlich?“
„Ich würde eher sagen, dass du aussiehst wie deine Mutter. Aber du bist ihr wirklich aus dem Gesicht geschnitten.“
Also duckte ich mich hinter das, meiner Meinung nach, viel zu große Blatt.
Da ertönte auch schon wieder eine schöne Trompetenmelodie.
„Da kommt sie!“
Ich spitzelte hervor, um wenigstens ein bisschen sehen zu können.
Eine große, rote Kutsche wurde von vier Schmetterlingen getragen, die langsam mit den Flügeln flatterten.
„Machen die das freiwillig?“, fragte ich.
Nala gab flüsternd Antwort: „Ja, natürlich. Auch wenn Layla als Königin unbeliebt ist, ist es trotzdem für manche eine Ehre, ihr dienen zu dürfen. Aber das gleich vier der stolzen Schmetterlinge so etwas machen, liegt wohl eher an der vollen Schatzkammer, dem teuren Blütennekarsaft und dem süßen Pollenwein im Schloss. Schmetterlinge sind sich selbst immer am nächsten. Ganz anders die Ameisen. Die arbeiten immer für ihre Königin, und Layla muss sie irgendwie überzeugt haben, dass sie auch die Königin der Ameisen ist, was natürlich totaler Quatsch ist! Jedenfalls, sie sind ihre Palastwache – und, das sind ganz schön viele, dass kannst du mir glauben!“
Ich konnte sehen wie alle Elfen und Tiere der Person auf der Kutsche zujubelten. Das musste Layla sein. Doch sie schien nicht zufrieden zu sein. Wütend starrte sie in unsere Richtung.
„Hat sie uns entdeckt?“, fragte ich angsterfüllt. Das war aber eine lange Rettungsaktion gewesen.
„Ich glaube nicht. Du bist gut versteckt.“
„Du da! Komm her!“, rief Layla zornig.
„Äh, meinst du mich?“, fragte eine hohe Frauenstimme.
„Ja, komm her!“
Eine große, blaugrüne Libelle flatterte aufgeregt nach vorne.
„Du hast mich nicht geehrt.“, sagte Layla.
„Da-das war doch nicht so gemeint.“, versuchte die zitternd zu Libelle sich verteidigen, „Mein Mann ist gestern gestorben und ich bin so furchtbar traurig. Das war doch nicht aus respektlosi ...“
„Aber, du hast mich ignoriert!“, rief Layla hochmütig. Und dann drehte sie ihren Finger und langsam griffen schwarze Stränge nach der Libelle.
Plötzlich ließ sie diese Fäden los und sie jagten der Libelle hinterher, die inzwischen auf die Idee kam weg zu fliegen.
„Nein, nein, bitte eure Majestät ...“, bettelte sie.
Doch sie hatte keine Chance. Langsam aber sicher wurde sie von den Fäden umwickelt, bis sie schließlich ganz darin verschwunden war. „Nein, bitte, helft MIR !“, kreischte sie.
„Mit diesen Nuguras, das ist das schwarze Zeugs, kontrolliert Layla Lapislazuli. Die bringen den Insassen direkt in die Kerker!“, erklärte Nala, an deren Gesicht man ihr Entsetzten sehen konnte.
„Aber ihr Mann ist doch … ich meine, da ist es doch normal …“, murmelte ich.
„Ja, ich weiß. Deswegen wollen wir ja, das deine Mutter, Königin Nuyala wieder an die Macht kommt! Verstehst du jetzt, warum wir alle machen, was Layla zu uns sagt?“
Ja, allerdings.
„Was machen wir jetzt?“, fragte ich. Hoffentlich hatte Nala einen Plan.
„Erst mal schauen wir, was Dilaria zu Layla sagt. Sie ist die Wahrsagerin hier, und eine gute Freundin von mir. Aber wenn jemand sie nach der Zukunft frägt, und etwas wichtiges für diese Person passiert, fällt sie in Trance und spricht drauflos. Manchmal weiß sie gar nicht, was das, was sie sagt bedeutet. Aber von ihr wusste ich auch, wo ich auf dich warten musste. Wir müssen wissen, was Layla heute vorausgesagt bekommt.“
„Na dann los, du weißt ja, wie gut ich im fliegen bin.“


Dilaria



Dilarias Haus war im obersten Baumwipfel einer kleinen Buche. Als wir oben
waren hörten wir die unangenehme Stimme Laylas.
„Sie war doch schneller als wir.“, sagte ich.
„Das macht nichts. Versteck dich!“
Schnell flog ich hinter einen kleinen Ast.
Da hörten wir eine verträumte Stimme: „Du musst dich in Acht nehmen, Layla, denn Nuyalas Tochter ist jetzt alt genug um dir deinen Platz zu nehmen.“
„Das ist Dilaria!“, flüsterte Nala, „sie ist in Trance und erzählt von dir. Mist! Ich hatte gehofft sie würden nicht auf dich zu sprechen kommen. Na ja, sie kann ja nichts dafür, schließlich kann sie nicht kontrollieren was sie sagt.“
Dann wieder Laylas Stimme: „Was? Nuyala hat gar keine Tochter!“
„Doch, hat sie. Und sie kann dich besiegen.“
„Wo? Wo ist diese Tochter?“
Diesmal klang die Stimme Dilaria nicht mehr verträumt: „Tut mir leid. Mehr gibt’s heute nicht.“
„Dann streng dich an.“, rief Layla ärgerlich.
„Für euch kann ich heute nichts mehr sehen. Kommt morgen wieder.“
„Dann möchte ich jetzt gehen!“
„Okay, auf Wiedersehen. Bis Morgen dann.“
Das schien Layla noch mehr zu ärgern, dem Klang der Stimme nach zu urteilen: „ Die Tür!“
„Sie ist direkt vor euch!“
„Ja, ich weiß. Aber sie ist noch zu!“
„Tja, ich werde sie nicht öffnen. Wenn ihr dazu jemand braucht, solltet ihr dringend eure Armmuskeln trainieren.“
„Warum darf sie so etwas sagen, während andere ...“, fragte ich leise.
Nala flüsterte zurück: „Sie ist die einzige Wahrsagerin hier im Wald, und was sie sagt stimmt immer. Layla braucht sie. Vorsicht, da kommt sie!“
„Schnell zog ich den Kopf zurück, doch Nala schaffte es nicht mehr, sich zu verstecken.“
„Was machst du hier?“, schnautzte Layla sie an.
„I-Ich, ähh, wollte euch unbedingt sagen, wie toll euch das heutige Kleid steht!“
„Ach ja? Nun gut, dann wirst du die Ehre haben, mein neues Gesetz als erstes zu hören:
Jeder, der in Lapislazuli eine Fremde sieht oder gesehen hat, oder auch nur eine geringe Ahnung hat, wo eine Fremde sein könnte, hat das zu melden.“
Nala kicherte nervös.
„Ich habe, ähm, ja, ich habe … eine Fremde gesehen.“
„Dann sag endlich wo sie hin ist!“
„Ach so, ja sie ist da lang. Nein, da lang.“
Nala zeigte erst in eine Richtung, dann in eine andere. Als Layla sie mit hochgezogenen Augenbraunen betrachtete, meine Nala: „Ja ich glaube, sie ist erst in die eine, und dann in die andere Richtung geschwommen. Ach wartet, ich fliege voraus.“ Dann gab sie mir einen Wink, der ganz klar hieß, dass ich da alleine reinmusste.
Also wartete ich ,bis sie und Layla weg waren, atmete tief durch und trat, nachdem ich zaghaft geklopft hatte, in Dilarias Haus.
„Ah hallo, willst du auch die Zukunft wissen?“, fragte sie schwungvoll.
Ich nickte leicht.
Da wurde Dilaria in helles Licht getaucht, und sie sprach wieder mit der verträumten Stimme.
„Die alte Legende besagt, dass du etwas finden musst.Und zwar das verschollene königliche Zepter. Erst dann darfst du Königin Layla entgegentreten.“
Und schon war das Licht verschwunden und Dilaria lächelte mich an.
Das war ja mal sehr aufschlussreich gewesen.
„Wenn du möchtest, komm ich mit. Wir möchten alle, dass Nuyala wieder kommt.“
„Das wäre nett. Weißt du zufällig etwas über das königliche Zepter?“
„Na ja, es ist verschollen, und zwar sein über hundert Jahren. Und es gibt eine Legende, in der es heißt, dass Elfen es dort nur sehen, aber nicht berühren können.“
„Na super. Ich hasse Rätsel.“, sagte ich.
„Ich mag Rätsel schon, aber dazu fällt mir nichts ein“,ertönte hinter mir eine Stimme.
„Nala, toll das du dich mal wieder blicken lässt! Aber du hast Recht, auch ich habe keine Ahnung, was das bedeutet.“
Erwartungsvoll sahen die beiden mich an.
Okay, irgendwie war das ja klar. Ich seufzte. Aber mir fiel tatsächlich etwas ein.
„Wartet mal. Nala, hast du vorhin gesagt, Elfen können nicht schwimmen?“
„Ja! Ja, du hast recht!“, sagte Nala aufgeregt. „Das ist es! Wenn das Zepter also unter Wasser ist, dann...“
„ ...kann das Elfenvolk es zwar sehen, aber nicht anfassen, zumindest wenn es weit genug unter Wasser ist.“, sagte Dilaria, „Das ist mit auch klar, aber wie sollen wir dann rankommen?“
Nala lächelte: „Du weißt doch, wer der einzige Mann war, den Nuyala je geliebt hat.“
Dilaria riss die Augen auf. „Du meinst doch nicht etwa ...“
„Doch! Isalie ist zur Hälfte eine Elfenprinzessin und zur anderen ein Mensch.“
Dalaria machte große Augen, doch dann schien ihr etwas einzufallen, und sie verbeugte sich
vor mir. „Tut mir leid eure Majestät, ich habe die Formeln, die sich gegen über wahren Königinnen gehören ganz vergessen. Du bist die wahre Thronfolgerin, nicht deine unwürdige Tante! Bitte verzeiht mir.“
„Oh nein, bitte lass das, ich wusste es bis heute ja selbst nicht, nenn mich einfach Isalie.“, wehrte ich ab.
„Okay.“, meinte Dilaria, „Aber selbst wenn du ein Halbmensch bist, wie willst du tauchen können? Ich meine, du siehst nicht aus wie ein Mensch.“
„Ich kann meine Gestalt wählen und sie jederzeit ändern. Ich muss mich dann also nur in die Gestalt eines Menschen wechseln, dann kann ich tauchen.“
Nala seufzte.
„Gut, dann kommen wir hin, wenn wir es sehen, aber wo ist es denn nun? Es ist trotz allem verschollen.“
„Wie viele Seen gibt’s bei euch denn so in der Nähe? Und damit meine ich jetzt richtige Seen, nicht einen Weiher, der in Menschengröße eine kleine Pfütze ist.“
Dilaria antwortete mir: „Wenn du es so siehst, zwei. Wir haben hier zwar sieben Stück, aber drei sind so nah, da gehen wir ständig spazieren. Da wäre ein goldenes Zepter längst aufgefallen. Und zwei sind tatsächlich aus Menschensicht recht klein. Bleiben noch zwei.“
Nala war der gleichen Meinung: „Gut, wir haben natürlich auch noch ein paar Gartenteiche, aber das da was versteckt ist, ist ziemlich unwahrscheinlich. Die Frage ist nur, welchen wir zuerst nehmen sollen.“
„Den Näheren. Zum anderen See können wir dann immer noch.“, entschied Dilaria.
„Okay. Los geht's, wir haben nicht ewig Zeit.“, sagte ich schwungvoll.


Tauchen



Als wir an dem See ankamen, erschrak ich ziemlich.
„Der ist ja riesig.“, sagte ich.
Dilaria schien das lustig zu finden: „Du wolltest doch einen großen See. Außerdem, wenn du ein Mensch bist, wirst du sehen, dass er gar nicht so groß ist.“
„Gut, aber was genau soll ich jetzt eigentlich machen?“
Fragend blickte ich abwechselnd Dilaria und Nala an.
Nala gab belustigt Antwort. „Na, du verwandelst dich in einen Menschen, tauchst den See entlang und guckst, ob du irgendwo etwas findest, was in Richtung Zepter geht.“
Ich sah sie böse an, machte dann aber doch was sie sagte. Und, siehe da – sie hatte recht, der See war ziemlich mini.
„Äh, es hat nicht zufällig einer von euch einen Bikini für Menschen dabei, oder? Nein? Schade.“, seufzte ich. Wie es aussah würde doch meine Kleidung herhalten müssen.
Normalerweise würde ich bei solchen Temperaturen sowieso nicht schwimmen gehen, deswegen war es auch zu kalt, um nur in Unterwäsche schwimmen zu gehen. Ich seufzte nochmal und zog nur mein Schuhe aus. Zitternd steckte ich meinen Fuß in das eiskalte Wasser und zog ihn sofort wieder raus.
„Man ist das kalt!“
„Ach stell dich nicht so an.“, rief Nala laut, wahrscheinlich aus Angst, ich könne sie nicht hören.
„Ich hör dich, keine Sorge, du kannst ruhig normal reden, sonst findet und noch jemand.
Warum kann ich Layla eigentlich nicht einfach als Mensch fangen?“
Jetzt seufzte Nala. „Du hast doch gesehen, was sie kann. Und sie hat auch den Oberbefehl auf alle Tiere. Und ihr Zaubern funktioniert genauso mit Menschen wie mit Elfen. Und außerdem ...“
„Okay okay, ich habs schon wieder vergessen“, unterbrach ich sie und meinte es auch so.
Langsam stieg ich mit einen Fuß ins Wasser. Musste das denn wirklich sein? Es war November!
Dilaria guckte mich besorgt an.
„Ist es wirklich so kalt?“
Ja!!!!
„Nein, es geht schon.“, sagte ich trotzdem verbissen.
„Sie schafft das schon.“, meinte Nala und sah mich warnend an.
Ja klar, motzen kann sie, aber selber machen …
Aber ihr Blick brachte mich dazu, mit dem zweiten Fuß auch ins Wasser zu steigen, anstatt wieder hinaus zu gehen.
Dilaria sah mich mitleidig an. „Ich hol dir ein Handtuch“, sagte sie und flog weg.
„Also so kommen wir nicht weiter. Ich zähl bis drei, dann bist du im Wasser, ansonsten hast du ziemlich schnell was Weißes auf dem Kopf. Danach gehst du bestimmt freiwillig ins Wasser.“, sagte Nala unnachgiebig.
Ich quietschte empört.
„Eins“
„Hey, wenn du das machst, dann ...“, begann ich.
„Was dann? Zwei.“, fragte Nala belustigt, „Du solltest dich beeilen.“
Ich blickte sie böse an, tauchte aber folgsam kurz mit meinem Kopf unter.
„Na also, geht doch!“
Ich warf ihr nochmal einen beleidigten Blick zu, aber da ich jetzt nass war, war es im Wasser eigentlich wärmer als draußen, und wenn ich mich bewegte würde es mir wärmer werden. Also tauchte ich unter und suchte mit den Händen am Grund nach irgendwas, was nicht Steine und Schlamm war. Leider war das Wasser zu trüb um irgendwas zu sehen. Bald hatte ich den ganzen Grund durch (der See war auch nicht besonders tief, nur so zwei Meter), aber meine Hände haben nichts umschlossen, was nicht in einen See gehörte.
Langsam stieg ich aus dem Wasser, verwandelte mich schnell zurück (das ohnmächtig werden nervte ganz schön, danach brummte immer ein wenig der Schädel) und nahm das Handtuch, dass Dilaria mir hinhielt (als Mensch wäre es zu klein gewesen).
„Na super. Ich habe nichts gefunden. Das heißt es hat eigentlich gar nichts gebracht, dass ich da rein bin.“, sagte ich enttäuscht und genervt.
„Doch, natürlich. Jetzt wissen wir, dass das Zepter im anderen See ist.“, freute sich Nala.
Ich sah sie missmutig an. „Du meist damit, dass ich jetzt nochmal einen See absuchen muss, seh' ich das richtig?“
„Du bist ja eine kleine 'Prinzessin auf der Erbse'“, sagte Nala.
Dilaria verteidigte mich: „So was kannst du doch nicht sagen. Und, um genau zu sein, ist sie ja eine Prinzessin!“
„Ja, aber bis heute morgen wusste sie das ja gar nicht.“
„Hey Leute, kein Streit, lasst uns gehen.“, sagte ich genervt.
Also hoben wir ab und Nala und ich folgten Dilaria, die voraus flog.

Diesmal dauerte der Flug länger, doch am anderen See war ich überrascht. Er war wieder riesig, aber diesmal ließ ich mich nicht von der Größe täuschen. Vielmehr war es komisch, das das Wasser so klar war. Nala merkte, über was ich mich wunderte.
„Das haben wir uns auch schon oft gefragt. Es ist der schönste See hier im näheren Umkreis.“
Währenddessen verwandelte ich mich wieder zurück in einen Menschen.
„Oh, der ist aber doch ziemlich groß!“, sagte ich.
Nala meinte: „Das geht schon. Schau, Dilaria bringt dir Verstärkung!“
Und tatsächlich schwamm neben der fliegenden Dilaria eine süße, kleine Ente.

Da ich mich noch an den mühevollen Einstieg am ersten See erinnern konnte, nahm ich all meinen Mut zusammen und sprang ich einfach hinein.
„Uahh!“, rief ich bibbernd, war jedoch trotzdem froh, reingesprungen zu sein.
„Gut so“, sagte Nala zufrieden, „Nur rein ins kalte Nass.“
„Weißt du was? Machs doch selber“, gab ich zurück.
„Würde ich ja gerne, aber ich bin kein Tauchvogel, und die Aufgaben würde ich auch nicht schaffen, das kann nur die würdige Thronfolgerin, sonst würde ja jeder das Zepter holen können und behaupten, er habe Anspruch auf den Thron.“
„Was für Aufgaben?“, fragte ich entsetzt.
„Ach, da gibt’s so eine Legende. In der steht, du müsstest erst 3 Aufgaben besehen, bevor du das Zepter bekommst. Aber die ist nicht weit verbreitet, also eher unwahrscheinlich.“, sagte Dilaria schnell, als sie meinen Gesichtsausdruck sah.
Ich sagte nichts, weil ich wusste, dass ich es sowieso tun würde, ich wollte ja meine Mutter kennenlernen.
Inzwischen waren Dilaria und die Ente bei uns angekommen.
„Hallo, ich bin Emily. Seid ihr wirklich Prinzessin Isalie?“, schnatterte die Ente schüchtern.
Ich lächelte leicht, so gut es im kalten Wasser eben möglich war.
„Ja. Freut mich, dich kennen zu lernen.“
„Ich kannte deine Mutter. Sie war eine viel bessere Königin. Suchst du das Zepter, damit du Laylas Herrschaft beenden kannst?“, fragte Emily.
„Ja.“
„Dann zeig ich dir die Stelle, wo es ist. Du hast Glück, dass du ein Halbmensch bist, als Elfe könntest du da nicht hin. Wir müssen nämlich ein bisschen tauchen. Du kannst doch tauchen, oder?“
„Ja, ich kann tauchen. Das können eigentlich alle Menschen. Aber manche können länger tauchen als andere.“
„Gut, dann komm mit!“, sagte die kleine Ente.
Wir schwammen zusammen bis zu einem Felsen am Rand.
„Tauch an der Felswand entlang, dann findest du eine Höhle. Aber keine Sorge, nach kurzer Zeit ist da eine sehr große Luftblase. Das heißt du kannst innen atmen.“
„Das hört sich irgendwie leicht an.“
„Ach, da gibt es dann schon noch Hindernisse. Aber die schaffst du bestimmt. Zumindest heiß es in der Legende, dass die wahre Erbin, und nur sie, den weg zum Zepter findet.
Viel Glück, ich warte hier!“
Ich holte tief Luft und tauchte unter.
Na toll. Was für Hindernisse meint Emily denn?

Schnell tauchte ich die Felswand entlang, denn ich wusste ja nicht, wie lange ich tauchen musste, und, auch wenn es jetzt noch ging, besonders lange konnte ich nicht tauchen. Im Schwimmbad schaffte ich immer eine Bahn oder etwas weniger. Und hier kam auch noch die Tiefe dazu. Dabei hat bei mir der Druckausgleich noch nie so richtig geklappt.
Wegen dem allen hatte ich leider nur wenige Augen für die wunderschönen Anemonen im See, die es eigentlich gar nicht geben dürfte, schließlich war das hier klares Süßwasser.
Oder gibt es da auch Anemonen? Ich beschloss es bei Gelegenheit nachzuschauen und nicht jetzt darüber nachzudenken.
Ich hatte Glück. Bereits nach geschätzten zweieinhalb Meter begann der Tunnel. Schnell schwamm ich hinein und tauchte ihn entlang. Etwas gestresst wurde ich, als ich sah, dass ich nun wieder hinauf tauchen musste. Mir ging langsam die Luft aus und das Zepter war anscheinend nicht so nett, einfach so dazuliegen. Wäre ja auch zu viel verlangt.
„Los Isalie, du schaffst das, du musst einfach!“, feuerte ich mich an.
Ich konnte die Oberfläche schon sehen. Keuchend tauchte ich mit dem Kopf aus dem Wasser und holte erst mal tief Luft.
Dann sah ich mich erstmal um. Ich befand mich in einer Tropfsteinhöhle, mit vielen Stalagmiten und Stalaktiten (Stalagmiten wachsen vom Boden nach oben und Stalaktiten von oben nach unten. Ich hab es mir nie merken können, wie rum es ist, bis es mir meine Freundin vor einem Test in der Schule regelrecht reingeprügelt hat. Eigentlich praktisch, jetzt weiß ich sogar, das es auch noch Stalagnaten gibt, das ist, wenn ein Stalagmit und ein Stalaktit zusammengewachsen sind.) Hier musste das Zepter irgendwo sein.
Da hörte ich eine Stimme hinter mir: „Hallo.“
Langsam drehte ich mich um.


Weg zum Zepter



„Ahhhhhhh!“, schrie ich.
Vor mir stand ein großer, sandfarbener Löwe. Und er sprach mit mir!
Dann können Elfen also auch mit Löwen sprechen. Aber ich hatte ihn verstanden, obwohl ich ein Mensch war und mich nicht darauf konzentriert habe. Das hieß ich konnte es schon besser.
Schwacher Trost.
Das waren also die Hindernisse.
Oh oh. Da sehe ich aber ganz schön schwarz.
Der Löwe redete unterdessen weiter: „Wenn du zum Zepter möchtest, bist du hier richtig, aber es ist noch ein weiter Weg bis dahin.“
Danke, dass wollte ich jetzt hören!
„Du musst drei Aufgaben meistern. Er zeigte mit seiner großen Pfote auf den Tunnel hinter sich. Wenn du mich beeindruckst, lasse ich dich durch.“
Gut, wenigstens musste ich nicht gegen ihn kämpfen oder so.
Aber hatte mir eine knifflige Aufgabe gestellt. Was beeindruckt einen Löwen?
Gleich darauf konnte ich mir selbst die Antwort geben. Natürlich beeindruckt jeden das Gleiche, nämlich etwas, was man selbst nicht kann.
Also, was kann ein Löwe nicht?
Auch darauf wusste ich die Antwort: Fliegen.
Schnell verwandelte ich mich in eine Elfe, breitete meine Flügel aus und flatterte ein wenig umher.
„Und das soll mich beeindrucken? Das kann doch jeder Vogel besser wie du! Aber wirklich, du kannst ja nicht mal einen Looping fliegen!“, machte der Löwe sich über mich lustig.
Dennoch hatte er recht. Ich konnte wirklich keinen Looping.
Wie auch - ich hatte erst heute Fliegen gelernt! Aber, um ehrlich zu sein, beeindrucktedas wohl eher mich als ihn.
Der Löwe brummte: „Mich beeindruckt nur, wenn du etwas kannst, was andere nicht können.“
Tja, dann konnte ich gleich wieder gehen. Wahrscheinlich war alles nur eine Verwechslung, und ich war gar nicht Nuyalas Tochter.
Ich konnte nichts.
Gar nichts.
Ich lag überall im Durchschnitt. In der Schule, im reiten, Im Basteln und im Zeichnen.
Nirgends wirklich schlecht, aber auch nicht gut.
Der Löwe schien meine Gedanken lesen zu können: „Doch! Jeder ist etwas besonderes und einzigartig und jeder hat seine Stärken. Man muss sie nur erkennen.“
Ich seufzte.
Ja, das sagte Opa auch immer.
Aber was konnte ich, was waren meine Stärken?

Da viel es mir wie Schuppen von den Augen.
Für was wurde ich immer gelobt, überall, in der Schule, bei Opa und inzwischen sogar von Leuten, die davon wirklich etwas verstehen?
Für meine Künste auf dem Trapez.
Ich habe schließlich nicht umsonst das Casting für den Zirkus gewonnen.
Doch dazu musste ich mich wieder in ein Menschenmädchen verwandeln, sonst würde der Löwe glauben, dass ich flog.
Nachdem mir nicht mehr schwindlig von der Wandlung war, überlegte ich, wie ich hier etwas vorführen sollte, es gab schließlich nur Stein.
„Das ist ein magischer Ort.“, sagte der Löwe feierlich.
„Ja, und?“, Ich schaute den Löwen verwirrt an.
Mich beeindruckte gar nichts mehr. Ab heute würde ich alles glauben.
„Hast du noch nie von echter Magie gehört? Ah, doch du machst es schon richtig.“
„Was mache ich richtig?“
„Anscheinend weißt du gar nicht was du tust. Du verwendest sie, die Magie.“
„Wie? Ich merke nichts davon.“,fragte ich.
Okay, vielleicht verwunderte mich doch das eine oder andere.
„Wie?“, fragte der Löwe zurück. „Glauben. Du musst glauben, die Magie formen.“
Obwohl sich das wirklich, wirklich, gestört anhörte, konzentrierte ich mich darauf, mir ein Trapez detailgetreu vorzustellen.
Und wirklich, ein Schatten entstand in der Mitte der Höhle und verfestigte sich langsam zu zwei langen Seilen, die immer weiter nach unten wachsten, bis sie in einer Holzstange enden.
Staunend betrachtete ich das Trapez und berührte es, um mich zu vergewissern, dass es wirklich da war.
„Ich habe noch nie jemanden gesehen, der so schnell mit Magie zurechtkommt, wenn er so wenig Ahnung davon hat. Was bei einer Elfe überaus seltsam ist. Auch wenn man ich in einen Menschen verwandeln kann. Aber du scheinst ja ein Naturtalent in Sachen Magie zu sein. Nein, da brauche ich deine Trapezkünste nicht mehr zu sehen, auch wenn es schade ist, da sie sicher wundervoll anzusehen sind. Aber, du siehst so aus, als hättest du es eilig, da kann ich dich nicht länger festhalten, als nötig. “, sagte der Löwe überrascht.
Dann trat er zur Seite und ließ mich durch.

Ich kroch die Höhe entlang, denn die Öffnung ist bald immer kleiner geworden und mündete schließlich in diesen kleinen Tunnel, der nichts für Leute mit Platzangst war. Weiter vorne sah ich schon das Licht, das der Ausgang aus diesem kleinen Schacht sein musste.
Seufzend krabbelte ich heraus, froh das ich es hinter mir hat, aber wohl wissend, dass ich auf dem Rückweg noch mal da durch musste und jetzt eine Aufgabe bestehen musste.
Na ja, was brachte es, die Augen vor der Wahrheit zu verschließen, spontan entschied ich mich, den Tatsachen ins Augen zu sehen (oder in diesem Fall eben der neuen Aufgabe)
Also trat ich einen Schritt vor und sah mich um.
„Uahh!“, schrie ich.
Obwohl ich mit so etwas gerechnet habe, erschrak ich fürchterlich.
Ein gigantischer, schwarzer Stier stand vor mir.
Belustigt sah er mich an.
„Ja, so etwas in der Art sagt jeder, der mich zum ersten Mal sieht.“
„'Tschuldigung.“, murmelte ich.
„Das bin ich gewohnt. Hör zu, ich erzähle dir ein Rätsel. Wenn du richtig antwortest, lass ich dich weiter. Wenn du falsch antwortest, wirst du hier nie durchkommen, außer du entscheidest dich dazu mich anzugreifen. Würde ich dir aber nicht empfehlen, denn genauso wie dieser Raum besteht alles hier, also auch ich, aus Magie. Und die Magie kann hier alles geschaffene auch wieder ändern.“
„Hatte ich nie vor. Dich anzugreifen, meine ich.“
„War mir klar.“, grinste der Stier, „Ich wollte dich nur mal vorwarnen. Jedenfalls, falls du nicht antworten möchtest, lasse ich dich zurückweichen, und du kannst es nächstes Jahr nochmal probieren, mit einem anderem Rätsel. Und, willst du es hören?“
„Was denn?“, fragte ich verwirrt.
Der Stier verdrehte die Augen. „Das Rätsel natürlich!“
Ich wurde rot. „Ach so. Und ja, ich will es hören.“
„Gut, dann pass gut auf.“, sagte er und lächelte. „Du hast nur eine Chance.“

„Was ist schlimmer als die Hölle, aber sogleich schöner und besser als der Himmel? Was hat ein jeder Arme, aber kein einziger Reicher? Und wenn du es ist, wirst du mit Sicherheit sterben.“

Bitte was? Was soll denn schlimmer als die Hölle sein? Oder besser als der Himmel. Soweit ich es in der Kirche gelernt habe, gibt es nichts schlimmeres als das! Und was hat ein Reicher nicht? Zumindest nichts Materielles, aber vielleicht Glück, Gesundheit oder Freude am leben. Aber was davon hatten alle Armen? Glück? Wohl eher nicht, sonst wären sie ja reich. Gesundheit? Bei dem verschmutzten Wasser wohl eher nicht. Freude am leben? Na ja, das vielleicht, aber man kann 'Freude am Leben' nicht essen, und sterben würde man auch nicht daran. Gut, wenn man so wollte, war es vielleicht besser als der Himmer, aber gewiss nicht schlimmer als die Hölle.
Sollte ich etwa jetzt schon scheitern, aufgeben?
Es passte einfach nichts.
Alarmiert hob ich den Kopf. „Nichts!“, murmelte ich leise, „Nichts ist schlimmer als die Hölle und nichts ist besser als der Himmel. Nichts hat jeder Arme, aber jeder reicher. Und wenn man nichts isst, ist es logisch, dass man stirbt. Das ist es!“
Vor Freude, das Rätsel doch gelöst zu haben, musste ich breit grinsen. Wenn man ein Rätsel gelöst hatte, kam es einem immer so leicht vor. Aber das ist wohl der Hintergrundgedanke bei Rätseln.
„Das ist es.“, wiederholte ich lauter, „Die Antwort lautet: Nichts!“
Der Stier lächelte leicht, dann verschwamm er vor meinen Augen und hinter ihm tauchte ein großer Durchgang auf, der mich zur dritten Aufgabe führte. Ich nahm mir fest vor, mich nicht nochmal so erschrecken zu lassen. Als ich jedoch in den letzten Teil der Höhle trat, stellte ich fest, dass das gar nicht nötig war, denn dieses Mal gab es gar kein beängstigendes Tier.
Im Gegenteil, dieses Mal wartete ein süßer, gelb-orangefarbener Schmetterling auf mich.
„Da bist du ja.“
„Ähm, ja, was...“
„Bist du bereit für deine letzte Aufgabe?“, fragte der Schmetterling, während er mir prüfend in die Augen schaute.
„Ja“, sagte ich fest, mir voll bewusst, dass ich auch wirklich so weit war. Ich wusste zwar nicht, was ich machen musste, aber mir war klar, dass ich nicht mehr warten wollte und konnte.
„Gut.“ dann führte der Schmetterling mich zu einem kleinem Strauch, der komischerweise hier wuchs, in der Luftblase einer Höhle unter Wasser.
Da fiel mir ein, was ich von dem Stier und dem Löwen erfahren habe:
Magie macht alles möglich.
Ich beschloss, all das, was ich heute erfahren habe und auch noch erfahren werde nicht mit Menschenverstand zu analysieren, sondern mit dem wissen einer Elfe. Die wissen schließlich sehr wohl, das es Elfen und Menschen gibt, und wahrscheinlich noch alles andere mögliche, wahrscheinlich werde ich in nächster zeit noch ein paar Trolle, Gnome und Zwerge treffen.
„Siehst du die Blumen?“, fragte da der Schmetterling und holte mich somit wieder in das Jetzt zurück.
„Ja, natürlich!“, antwortete ich. Wie sollte ich sie auch nicht sehen, der Busch war über und über mit rosaroten Blumen überseht.
„Gut“, sagte der Schmetterling wieder, „denn deine Aufgabe ist es, dir eine auszusuchen.“
„Was? Das ist alles? Eine schöne Blume aussuchen?“
„Ja. Aber es sollte die richtige sein. Es gibt für jeden hier eine Blume. Die eine oder andere passt vielleicht zu mehreren Geschöpfen, ob Mensch, Tier oder Elfe. Aber nur eine Blume bringt das, was du suchst, und wenn du sie findest, bekommst du das Gesuchte.“
Das war zwar verwirrend formuliert, aber eigentlich war mir klar, was ich machen sollte. Die eine Blume unter tausenden suchen, die besonders ist.
Ich ließ meinen Blick über die Blumen schweifen.
An jedem anderem Busch wäre das einfach gewesen, da sah jede Blume etwas anders aus, jede war einmal von einer Schnecke oder einem Vogel angeknabbert worden. Aber hier war das nicht so. Hier gab es weder Vögel, noch Schnecken.
„Es sind so viele! Wie soll ich da eine finden?“
Nochmal wanderte mein Blick den Strauch entlang.
Da fiel mir eine kleinere, weniger prachtvolle, fast vertrocknete Blume auf. Sie war die Einzige, die etwas anders war als die anderen.
„Die hier.“, sagte ich.
„Bist du sicher?“, fragte der Schmetterling, „Sie ist unscheinbar und unwichtig. Was willst du mit ihr?“
„Vielleicht ist sie unscheinbar, aber sie ist nicht unwichtig. Jeder ist wichtig, und oft sind es die kleinen und Schwachen, die anders sind, von denen alles abhängt. Andere nachmachen kann jeder. Aber sich selbst zu sein, und sich zu verteidigen, weil man nicht nur ein Zombie ist wie alle anderen mit einem Zombiekönig, dass muss man erst mal können!“, sprudelte es nur so aus mir heraus.
Der Schmetterling sah mich ernst an.
„Ich höre, du sprichst und fühlst mit deinem Herzen. Und du hast recht. Diese kleine Blume da ist die wichtigste von allen.“
Und mit diesen Worten verschwand er mit einem so hellen Licht, dass ich die Augen schließen musste.
Als ich sie wieder öffnete, waren alle Blumen verwelkt, und an dem Ast, an dem eben noch die kleine Blume war, war nun ein wunderschönes, rubinbesetztes, goldenes Zepter.
Ehrfürchtig umschloss ich es mit meiner Hand und löste es vorsichtig von dem Ast.


Zurück



Froh, es hinter mich gebracht zu haben, ging ich mit dem Zepter zurück.
Seufzend ergab ich mich dem Schicksal nochmal die schmale Höhle entlang zu kriechen. Da kam mir eine Idee.
Warum sollte die Magie nicht auch die Formen der Höhle umändern können?
Ich schloss die Augen, konzentrierte mich und wünschte mir, dass die Höhle größer wurde, sich ausdehnte, Stück für Stück.
Dann öffnete ich die Augen und siehe da - die Höhle ist größer geworden.
Na ja, zumindest ein bisschen.
Sie war nun höher, aber immer noch so schmal wie vorher, wenn nicht noch schmaler. So musste ich zwar nicht krabbeln, aber ich ich passte nur seitlich durch und das war ebenso eng wie vorher.
Erst als ich endlich durch war, fiel mir ein, dass ich mich in eine Elfe hätte verwandeln können, dann hätte ich ganz bequem durchfliegen können.
Tja, typisch ich, auf die besten Ideen kam ich immer erst, wenn es vorbei war.
Genervt bereitete ich mich darauf vor, nochmal so lange tauchen zu können. Wenigstens wusste ich jetzt, was mich erwartete. Aber ich konnte nicht so schnell schwimmen, wenn ich das Zepter in der Hand hielt, ich schaffte es nur bis zur Mitte des Tunnels. Mir war klar, dass ich nicht weiterkonnte, also schwamm ich zurück, das war kürzer als der restliche Weg. Keuchend kam ich hoch und klemmte das Zepter zwischen die Zähne, so würde es leichter gehen. Dann holte ich tief Atem und sprang erneut ins Wasser, bemüht möglichst schnell zu schwimmen. Ich musste schließlich durch, es gab keinen anderen Ausweg.
Wieder ging mir beinahe die Luft aus, aber ich zwang mich weiter zu schwimmen.
So schaffte ich es auch aus dem Tunnel raus und die restliche Höhe ebenfalls.
Kaum oben angekommen nahm ich das Zepter und streckte es in die Höhe.
„Du hast es gefunden! Und waren sie schwer, die Aufgaben?“, quakte Emily, die tatsächlich so lange auf mich gewartet hat, „Juhuu, jetzt können wir Layla besiegen!“
„Also die Aufgaben waren echt ein Klacks, das war gar keine richtige Herausforderung.“, antwortete ich.
Emily sah mich mit großen Augen an.
„Meinst du das ernst?“
Ich lachte. „Nein, natürlich nicht. Ich hab es beide Male fast nicht geschafft, so weit zu tauchen, und die Aufgaben waren auch so schwer.“
„Gut, das hätte mich auch sehr gewundert, aber jetzt komm mit, wir müssen zu den anderen.“
Also schwammen wir zu Nala und Dilaria zurück.
„Du hast es!“, rief Dilaria aufgeregt.
„Woher weißt du das?“, fragte ich verwirrt.
„Ich bin Wahrsagerin, schon vergessen?“
„Ach ja, stimmt. Ähm, weißt du dann auch ob wir meine Mutter finden?“
Dilaria lachte.
„Ich bin zwar Wahrsagerin, aber die Zukunft kann sich immer ändern. Nein, das überschreitet meine Fähigkeiten. Die Zukunft hängt immer davon ab, wie man sch entscheidet. Und eigentlich ist da ganz gut so, ich meine, ich möchte zum Beispiel gar nicht wissen, wann ich sterben werde. Aber Hellsehen ist auch nicht schlecht, ich merke zum Beispiel, wenn du mir etwas verheimlichst oder mich anlügst.“
„Ach, das ist jetzt doch unwichtig. Zeig uns lieber das Zepter.“, wurde sie von Nala unterbrochen.
Grinsend hob ich es in die Höhe.
„Na dann auf zurück nach Lapislazuli.“
„Viel Glück!“, quakte Emily noch, dann waren wir alle in der Luft.
Wir flogen so schnell wir konnten, denn wir konnten es alle nicht mehr erwarten.
Erst als wir fast angekommen waren, fiel mir auf, dass wir noch gar keinen Plan hatten. Warum also beeilen, wenn man nicht weiß, was man dann machen soll?
Also blieb ich ganz abrupt und ohne Vorwarnung mitten in der Luft stehen und fragte die anderen beiden danach.
„Das weiß ich auch noch nicht, aber jetzt komm schon, wir können nicht einfach so hier bleiben, da sieht uns ja jeder.“, zischte Nala, „Außerdem ist es immer besser, vor Ort zu sein und zu wissen, was passiert, dann kann man wenigtens überhaupt rreagieren und muss sich nicht später ärgern, dass man nicht da war und keine Chance hatte, etwas zu machen. Und überhaupt, ich habe gar keine Idee, was jetzt besser ist als vorher, was bring uns das Zepter überhaupt? Ein Plan wird dir jedenfalls bestimmt einfallen, wenn du dich nur versteckst und nachdenkst. Da erfährst du nicht Neues, nein, dann wäre uns bisher schon was eingefallen. Aber wenn du einen Spitzenplan hast, von dem wir nichts wissen, sag es ruhig.“
„Meine Güte, sei doch nicht gleich so eingeschnappt, dass war doch nicht böse gemeint.“, sagte ich, „Ich wollte doch nur mal fragen.“
Jetzt sah mich Nala erstaunt an.
„Ich habe das auch nicht böse gemeint. Hat das so geklungen? Nein, ich bin nur ein wenig aufgeregt, ihr etwa nicht?“
„Doch, natürlich!“, murmelten Dilaria und ich.
„Gut, das haben wir geklärt. Du hast recht, hier warten bringt auch nichts. Also, fliegen wir weiter und der Mega-Spitzen-Super-Plan fällt uns unterwegs ein, alle einverstanden?“, sagte ich schließlich.
Da beide nickten, flogen wir weiter bis wir am ersten Häuschen von Lapislazuli ankamen. Dann gingen wir zu Fuß weiter, um möglichst wenig aufzufallen. Das Zepter hielt ich verdeckt unter meinem Shirt.
Aber es nützte nichts.
Wir passierten kaum das erste Haus, als wir Layla sahen.
Wir sind Layla direkt in die Arme gelaufen, und sie schaute geradewegs in unsere Richtung.
„Oh, verdammt!“, rief ich aus.
„Sag mal, geht’s noch, sie weiß doch noch gar nicht, dass gerade du Nuyalas Tochter bist.“, zischte Nala mir zu, „Jetzt ist es zu spät. Los, hau ab.“
Und diesen ratschlag befolgte ich sofort und ohne Widerrede.
„Ergreift sie!“, schalte Laylas Ruf zu mit hinüber.
Na super.
Natürlich hatte ich jetzt keine Chance mehr, aber ich versuchte es trotzdem.
Schnell flog ich unter einen Baum, um mich hinter den Blättern zu verstecken, aber Laylas königliche Wache war so schnell, dass ich keine Zeit dazu hatte. Also flog ich ein paar Haken und im Zickzack, so schnell ich konnte, aber schließlich fingen sie mich doch.
„Lasst mich los.“, kreischte ich.
„Na also, da ist ja Nuyalas Tochter.“, triumphierte Layla, „Weißt du, ohne deine Hilfe, also dein schreien und dein davonfliegen wäre ich nie darauf gekommen, dass du es bist, aber auf dick kann man sich anscheinend wie auf meine geliebte Schwester Nuyala immer verlassen. Wie schön.“
Dann wedelte sie mit ihrem Finger und beschwor Nuguras, wie zuvor, als sie die Libelle darin einfing.
Hinter der Königin machte Nala ganz komische, hastige Bewegungen.
„Was ist denn?“, versuchte ich ihr wortlos zu sagen.
„Und das Dilaria mit dir kommt, enttäuscht mich ehrlich, erklärt aber einiges,“, sagte Layla, der anscheinend nicht bewusst war, dass ich mich in dem Moment überhaupt nicht für sie interessierte.
Nala deutete währenddessen weiter auf mein Shirt.
Da verstand ich plötzlich, was sie meinte. Natürlich, das Zepter.
„du hast kein Recht mich zu verhaften, ich bin die rechtmäßige Königin.“, rief ich.
„Ach wirklich, und wie kommst du zu dieser Tatsache?“, fragte Layla belustigt.
Grinsend hob ich das Zepter in die Höhe.
Erst sah meine Tante verängstigt aus, aber als nichts passierte sagte sie: „Und woher soll ich wissen, ob das nicht eine Fälschung ist? Heißt es nicht, dass dieses königliche Zepter magische Kräfte hat? Warum tut sich dann nichts?“
Dann ließ sie weiter Nuguras aus ihrer Hand strömen, die mich langsam umketteten, und ich konnte nichts dagegen tun, weil mich ein Elf und eine Ameise festhielten.
Traurig sah ich zu Nala, die ganz verstört schien angesichts davon, dass das Zepter nichts tat.
Warum auch nicht?
Was hatte ich falsch gemacht? Gab es vielleicht eine art Zauberspruch, die man auf das Zepter anwenden konnte? Oder war das mit der Magie einfach gelogen? Aber, eigentlich reichte es doch schon, dass ich es in der Hand hielt, schließlich kam man da nicht so eicht ran, Elfe zum Beispiel gar nicht. Oder …, ja, oder man musste sich einfach darauf konzentrieren, wie in der Höhle auch.
Währenddessen schien Nala versuchen mir zu helfen, wurde aber sogleich unterbrochen.
„Diejenigen, die diesem Mädchen geholfen haben, werden ebenso eine Strafe erhalten.“, rief Layla.
Auf diese Worte hin wurden auch Nala und Dilaria festgehalten und mit Nuguras umwickelt.
Also hing es jetzt von mir ab.
Ich schloss die Augen und versuchte, mir mit aller Kraft vorzustellen, wie die Nuguras verschwanden und Layla sich in Luft auflöste.
Aber als ich die Augen wieder öffnete, war nichts passiert, außer dass ich nun vollends eingeschlossen war, wie eine Raupe im Kokon.
„Wieso bin ich nicht einfach zu Hause geblieben heute Morgen?“, ärgerte ich mich über mich selbst, „dann wüsste ich nichts von magischen Wesen und auch nicht davon, dass ich eine Prinzessin bin und mein Volk retten soll. Dann önnte ich einfach so weiterleben wie bisher.“
Ich seufzte.
Selbst wenn ich jetzt zuhause wäre, wäre ich nicht glücklich, dass wusste ich.
Ich hatte hier Freunde gefunden und konnte, nein, wollte sie nicht im Stich lassen.
Außerdem war ich die Prinzessin, und was brachte es, wenn es den Elfen weiterhin so schlecht ging? Wenn ich zuhause war, war ihnen nicht geholfen.
Und das hier war die einmalige Chance, eines meiner Elternteile kennen zu lernen.
Ich würde hier bleiben und kämpfen.
Und in dieser Sekunde, als ich mich zu meiner Hälfte als Elfe bekannte, zersprangen die Fäden, die mich gefangen hielten, und mit ihnen die meiner Freunde.
Meine Flügel kitzelten wie verrückt, und als ich meinen Kopf drehte, sah ich, dass sie überall glitzerten.
„Oh wie schön“, flüsterte Nala ehrfürchtig, „du hast die Flügel der Königlichen Familie bekommen. Layla hatte auch mal solche Flügel, aber als sie den Thron übernommen hat, ist der Glitzer verschwunden. Viele deuteten das als Zeichen, dass sie nicht die rechtmäßige Thronfolgerin ist.“
Da kreischte Layla los, die immer noch vor mir stand: „Also erstens bin ich die rechtmäßige Thronfolgerin, zweitens heißt es für euch immer noch 'eure Majestät' und nicht 'Layla', und drittens...“
Layla unterbrach ihre Schimpfkolone, und ließ stattdessen Nuguras entstehen.
„Mal sehen, ob die kleine Prinzessin sich nochmal befreien kann.“, sagte sie mit einem fiesen Grinsen.
Doch sie kam gar nicht erst dazu, denn plötzlich began das Zepter, das ich noch in der Hand hielt, zu leuchten und wieder entstanden Nuguras, doc dieses Mal waren sie golden und umschlossen Layla.
„Lasst mich los, ich bin die Königin, so lasst mich los! Sofort!“, schrie sie, doch die goldenen Nuguras hörten nicht auf sie, und als ganz umschlossen war, verstummte sie.
Die goldene Kugel schwebte nach oben, dann richtung Osten, wobei sie mmer schneller wurde.
„Was passiert mit ihr?“, fragte ich leise, bekam jedoch keine Antwort. Keiner schien es zu wissen. Sicher war nur, das Layla irgendwo hin gebracht wurde, und wo es war, war unwichtig für mich.


Nuyala



„Bürger von Lapislazuli“, rief ich, so laut ich konnte, „Ihr braucht Layla nicht länger zu dienen. Sie hat euch betrogen. Meine Mutter, Nuyala, lebt noch, dass spüre ich und ich werde sie auch finden.“
Lauter Jubel brach aus, und hinter vielen Blättern kamen Elfen hervor, die sich dort versteckt hatten, und klatschten.
Als es stiller wurde, trat ein Elfe vor.
„Selbst wenn es euch nicht gelingen sollte, Königin Nuyala zu finden, so werden wir euch folgen und ihr werdet die neue Königin, denn ihr seid unsere wahre Prinzessin, eure Majestät.“ Dann lächelte sie mich schüchtern an.
„Danke.“, sagte ich und lächelte zurück, „Aber ihr braucht mich nicht Majestät zu nennen, bis vor kurzem wusste ich gar nicht, dass ich eine Prinzessin bin. Ich heiße Isalie. Und wir werden Nuyala finden, egal, wie lange es dauert.“
Dann wandte ich mich an die Ameisen: „Layla ist nicht eure Königin und war es auch nie. Und Nuyala ebenso nicht. Die Ameisen bei mir zuhause haben alle selbst eine Königin, und dass solltet, nein, habt ihr auch. Dient ihr und eurem Wohl, nicht dem eines einzelnem Elfen.“
Als ob sie meiner Meinung waren, hoben die Ameisen eine Ameise aus ihrer Mitte an, und trippelten dann leise auf einen erdigen Berg zu, von dem ich vermutete, dass er ihr Ameisenhügel war.
Wieder leuchtete das Zepter auf, doch dieses Mal manifestierte sich nur ein kleiner Lichtstrahl, der in eine Richtung weiterwuchs.
„Los, hinterher!“, rief ich.
Ich war mir sicher, dass das Licht uns etwas zeigen wollte.
Folgsam flogen Nala, Dilaria und einige andere Elfen mit mir zusammen hinter dem Lichtstrahl drein, der in den Palast der Elfen führte. Allerdings gingen wir nicht dort hinein, sondern eine Baumkrone weiter unten. Dort befand sich ein ebenso riesiges Gebäude, dass nur aus grauem Stein bestand. Der Lichtstrahl öffnete die Tür, die wir sicher nicht ohne ihn hätten öffnen können, denn sie sah aus wie Türen im Gefängnis.
Genau das schien das Haus auch zu sein.
Ein Gefängnis.
Der Lichtstrahl teilte sich auf in viele kleinere Strahlen, die sich verteilten und die Gitterstäbe der Zellen verschwinden ließen. So wurden alle Gefangenen, egal ob Elf, Vogel oder Schmetterling, befreit. Ein Strahl jedoch öffnete keine Türe, sondern glitt weiter nach hinten. Neugierig folgte ich ihm.
Am Ende des Ganges indem wir uns befanden, war eine ebenso große Tür wie am Eingang. Wieder wurde sie von dem Licht geöffnet, genauso wie eine weitere ein Stück weiter hinten.
Dann endlich waren wir am Ziel.
Vor mir war noch eine letzte Zelle, sie schien sozusagen die Hochsicherheitszelle zu sein. Der Lichtstrahl öffnete die Gitterstäbe der Zelle und ich konnte eine Elfe mit glitzernden, smaragdgrünen Flügeln und langen, hellbraunen Haaren sehen.
Sie hatte ein knielanges Kleid an, dass ihr sehr gut stand.
„Mama?“, flüsterte ich leise. „Bist du das?“
Natürlich wusste ich, dass diese Frau meine Mutter war, das spürte ich einfach.
Als sie sich überrascht umdrehte, fühlte ich, wie mein Herz einen Sprung machte.
Kurz sah ich ein Bild vor meinen Augen, dass eine Erinnerung an meine frühste Kindheit zu sein schien. In dem Bild sah ich die Frau, die ich auch jetzt vor mir hatte, 14 Jahre jünger, wie sie ich mit ihren wundervollen, vor Freude glänzenden, braunen Augen betrachtete.
Die Elfenkönigin sah mich traurig an, dann begriff sie was ich gerade gesagt habe, musterte mich genau und im nächsten Moment lagen wir uns in den Armen.
„Meine Tochter. Isalie. Ich habe sie wieder. Und sie hat meine grauenvolle Schwester vom Thron verbannt. Meine Tochter.“, murmelte Nuyala immer wieder leise für sich selbst.
„Mama.“, flüsterte ich voller Glück.


Epilog



Sie stand auf einem Baumwipfel eines kleinen Ahornbaumes und winkte ihr nach.
Es tat ihr im Herzen weh, sie schon so bald wieder gehen zu lassen, aber sie wusste, sie würde ihre Tochter wiedersehen, denn Elfen waren von nun an ein unweigerlicher Bestandteil Isalies Lebens, und eines Tages würde sie ihrer Mutter nachfolgen, schließlich war sie ihr einziges Kind.
Die Königin seufzte, besann sich dann aber doch.
Sie würde sie wieder sehen.
Bald schon.

Impressum

Texte: Alle Rechte des Textes liegen beim Autoren.
Tag der Veröffentlichung: 13.10.2012

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Ich widme dieses Buch meiner besten Freundin, die mich durch ihre eigenen Geschichten immer wieder angestachelt hat, dieses - mein erstes - Buch bis zum Schluss zu schreiben.

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