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Vorbemerkung:



Entgegen den Angaben in einigen Bikeführern beginnt der eigentliche Moselradweg nicht in Metz sondern erst in Thionville. Die bis Thionville in den einschlägigen Karten verzeichneten Radwege führen kreuz und quer durch die Landschaft, sind nirgends ausgeschildert und deshalb schwer zu finden. Ausserdem bekommt man die Mosel nur an einigen Brücken zu sehen über die oft brutalster Schwerlastverkehr führt.
Ab Thionville gibt es gut ausgebaute, befestigte Radwege, die meist in unmittelbarer Nähe und zu beiden Seiten des Flusses angelegt sind. Es empfiehlt sich deshalb die Tour erst dort zu beginnen und die Stadt Metz, die zweifellos sehenswert ist, gesondert zu besuchen. Wir, das sind der Rainer und der Autor dieser Schilderung, waren mit den Mountainbikes unterwegs, doch die gesamte Strecke bis Koblenz ist auch problemlos mit dem Rennrad zu bewältigen.



1. Etappe, 27. Juni 2008, von Metz nach Perl, km 76



Gestern sind wir, mit dem Auto aus München kommend, am frühen Nachmittag in Trier eingetroffen. Wir haben im Hotel Constantin an der Römerbrücke übernachtet. Das Auto haben wir in der Tiefgarage des Hotels abgestellt wo wir es nach fünf Tagen wohlbehalten wieder vorzufinden hoffen.
Ausgeruht und vor Kraft strozend, noch im Morgengrauen, so gegen 8 Uhr 30, schwingen wir uns in die Sättel und machen uns auf den Weg vom Hotel zum Bahnhof, wo kurz vor neun unser Zug geht.
Beim Umsteigen in Luxemburg haben wir eine knappe Stunde Aufenthalt, so dass wir erst gegen Mittag in Metz ankommen. Etwas unschlüssig stehen wir zunächst auf dem Bahnhofsplatz und versuchen uns mittels Rainers Bikeführer zu orientieren. Laut Plan sollte der Startpunkt irgendwo in der Nähe der Kathedrale sein. Ein freundlicher Passant erklärt uns wortreich den Weg dorthin. Obwohl uns sein ordentlich und rücksichtsvoll ausgesprochenes Französisch keinerlei Verständnisprobleme bereitet, sind wir uns doch nicht ganz sicher, ob wir die Reihenfolge der vielen Hinweise, wann und wo und in welcher Richtung abzubiegen sei, richtig abgespeichert haben. So kommt es denn wie es kommen muss: Nach einer etwa halbstündigen Irrfahrt durch kleinere und größere Gassen, über größere und kleinere Plätze und Brücken, mehrmals an der Kathedrale vorbei, nach wiederholtem Befragen von Einheimischen und ihren zum Teil widersprüchlichen Auskünften, gelangen wir schließlich doch auf eine Ausfallstraße, die in ihrem Verlauf mit Rainers Bikeplan übereinzustimmen scheint. Schon etwas ausserhalb der Stadtgrenze führt uns dieser Plan dann in ein ausgedehntes Hafengelände mit unzähligen, riesigen Silos, ohne uns zu sagen, wie man da wieder raus kommt. Wir fahren ganz durch und stehen plötzlich auf freiem Feld wo es nicht mehr weiter geht. Wir kehren wieder um und finden schließlich doch noch den Ausgang. Alsbald gelangen wir für einige Kilometer auf eine Hauptverkehrsstraße mit brutalem Schwerlastverkehr. Das zerrt an den Nerven und ist nicht ungefährlich. Um uns zu orientieren müssen wir immer wieder lästige Stops einlegen. Wir verfransen uns, verlieren den in der Karte verzeichneten Weg und finden ihn wieder. Es gibt keine Ausschilderung, und wir sind uns oft nicht sicher, ob wir noch auf dem richtigen Weg sind. So geht es dahin bis Thionville, wo wir uns im Stadtpark (Bild 1) an der Mosel entnervt eine kleine Ruhepause gönnen.


Bild 1: Thionville, Stadtpark

Die Weiterfahrt wird nun endlich so, wie wir uns das vorgestellt hatten. Radfahren macht wieder Spaß, und der Stress ist schnell vergessen. Linksseitig, auf einem ordentlich geteerten Radweg, meist unmittelbar am Fluss, geht's durchs idyllische Moseltal (Bild 2), vorbei an dem wohl berühmtesten Baudenkmal der Gegend, dem KKW in Cattenom.


Bild 2: Moseltalradweg bei Rettel


Das Wetter meint es gut mit uns. Bei bedecktem Himmel und Temperaturen um 20°C und einem meist achterlichen Wind kommen wir flott voran. In Schengen radeln wir über die Brücke nach Perl, unserem ersten Etappenziel. Doch, um in die Ortsmitte zu den Hotels zu gelangen ist erst noch ein schier endlos erscheinender, steiler Berg zu überwinden. Wir schieben, und nur die Aussicht auf ein kühles Weißbier lässt uns auch diese letzte Strapaze noch ertragen.


2. Etappe, 28. Juni 2008, von Perl nach Trier (km 128)



Bei dem einen Weißbier ist es natürlich nicht geblieben, auch musste noch der frische Riesling, er stammte angeblich direkt vom Hang gegenüber, verköstigt werden. Dennoch fühlen wir uns ausgeruht und bereit zu neuen Taten. Auf Anraten der Wirtin des Gasthofs in dem wir übernachteten, fahren wir bis Remich auf der linken, der luxemburger Seite und im weiteren Verlauf bis Trier auf der deutschen Seite. In Wincheringen stehen wir zunächst etwas ratlos vor einem Wegweiser der uns in die Berge führen will. Doch dann entdecken wir noch einen zweiten, der uns am Bahnhof vorbei führt, und das ist der Richtige. Am frühen Nachmittag treffen wir in Trier ein und machen uns sofort zu Fuß auf den Weg in die Innenstadt.
Trier, die beschaulich quirlige Moselhauptstadt, mit ihren großartigen Baudenkmälern aus Antike und Neuzeit ist natürlich während einer zeitlich knapp bemessenen Fahrradtour nicht im Entferntesten richtig zu würdigen.


Bild 3: Trier, Porta Nigra


Bild 4: Trier, Dom

Um auch nur einen ungefähren Eindruck von der Vielschichtigkeit der ältesten Stadt Deutschlands zu bekommen, sollte man sich mindestens eine Woche Zeit nehmen, Zeit, die wir leider nicht haben. Wir begnügen uns deshalb mit einem Bummel durch die Fußgängerzone, über den Hauptmarkt zur Porta Nigra (Bild 3), und mit einem Abstecher zum Dom (Bild 4). Wir übernachten wieder im Hotel Constantin an der Römerbrücke.


3. Etappe, 29. Juni 2008, von Trier nach Bernkastel
(km 199)



Seit 9 Uhr sind wir wieder unterwegs. Das Wetter zeigt sich etwas bedeckt, vereinzelt drohen dunkle Wolken damit, nicht dicht zu halten. Erfreulicher Weise bleibt es bei leeren Drohungen. Bis Mehring radeln wir am rechten, dann bis Mülheim am linken Ufer, um dort nochmals die Seite zu wechseln. Das Moseltal wird nun merklich enger, der Fluss beginnt jetzt deutlich zu mäandern und die mit Wein bewachsenen Hänge werden deutlich steiler (Bild 5). Die Winzer, die in diesen steilen Hochlagen ihre Rebstöcke kultivieren, müssen wahre Kletterkünstler sein. Außerdem ist das Arbeiten in diesen Steilhängen nicht ungefährlich. Das mag auch erklären, warum die Weine aus solch exponiertem Anbau um einige Euros teurer sind als andere.


Bild 5: Steillagen

Den Windungen der Mosel folgend haben wir den Wind oft im Rücken und kommen gut voran. Um die Mittagszeit taucht der Weinort Piesport (Bild 6), allseits bekannt durch sein Goldtröpfchen, am linken Ufer auf. Mit seinen rund 400 ha Rebfläche ist Piesport die größte Winzergemeinde an der Mosel. Auf etwa einem viertel der Fläche, vor allem in den Steillagen, wird Riesling angebaut. Dass hier schon zur Römerzeit Weinbau betrieben wurde, bezeugen zwei Kelteranlagen aus dem 2. Jahrhundert n. Chr., die hier gefunden wurden und die so eine Art Touristenattraktion sind.


Bild 6: Piesport

Unsere Absicht, die Tour in 5 Tagen durchzuziehen, verbietet uns länger als nötig zu verweilen. Piesport wäre sicher eine ausgiebige Würdigung wert gewesen.
Am frühen Nachmittag treffen wir in Bernkastel, dem heutigen Etappenziel ein (Bild 7).


Bild 7: Bernkastel, Stadtteil Kues

Die fachwerkbewehrte Operettenstadt an der Mittelmosel ist ein Touristenmagnet erster Ordnung. Ihr malerisches Stadtbild strahlt Gemütlichkeit aus. Sehenswert ist unter anderem der mittelalterliche Marktplatz (Bild 8) mit seinen Giebelfachwerkhäusern aus dem 17. Jahrhundert und dem St. Michaelsbrunnen aus dem Jahre 1606.


Bild 8: Bernkastel, Marktplatz mit Michaelsbrunnen

Eine besondere Attraktion stellt auch das außerordentlich schmale 'Spitzhäuschen' (Bild 9) dar, bei dessen Anblick sich einem unwillkürlich die Frage aufdrängt, warum es


Bild 9: Bernkastel, schmales Haus

nicht schon längst umgefallen ist. Immerhin stammt es aus den Anfangsjahren des 15. Jahrhunderts (1416).
Im Schatten eines Straßencafes genehmigen wir uns zunächst ein kühles Weißbier um den gröbsten Durst zu löschen, und dann noch eins, als Tribut an die inzwischen auf über 30°C gestiegene Temperatur.
Am Ortseingang, in der Nähe der Moselbrücke, befindet sich eine Infoschautafel mit einem Stadtplan, auf dem Lage und Zimmerpreise der verfügbaren Hotels angegeben sind. Schnell ist ein passendes Hotel gefunden. Per Knopfdruck reservieren wir uns ein Zimmer. Man gibt uns auch eine detaillierte Wegbeschreibung, doch die wird von uns selbstverständlich ignoriert. Anhand des Stadtplans der Schautafel wählen wir stattdessen eine Abkürzung, die uns schließlich auch zum Ziel führt. Was der Stadtplan uns jedoch verheimlichte, war eine etwa 50 stufige Treppe, über die wir die Räder nach unten tragen mussten. Nach dem Abendessen sehen wir uns in einer Eckkneipe noch das Endspiel der Fußball EM an. Deutschland - Spanien 0:1, man erinnert sich, vielleicht!
Sein Desinteresse unterstreichend, setzt sich der Rainer demonstrativ mit dem Rücken zur Glotze. Wenn's im Lokal wieder mal besonders hoch her geht weil Schweini, Poldi und Co ihr gewohntes und erwartetes 'Leistungsprofil nicht abrufen können' (Fachausdruck Teo Zwanziger), versuche ich ihm die jeweiligen Aktionen verbal etwas näher zu bringen. Er lässt sich aber dadurch nicht sonderlich beeindrucken. Der Rainer ist eben nicht gerade ein Fußballfan. Vielleicht geht ihm aber auch nur der neue Patriotismus auf den Geist, der allenthalben in Zusammenhang mit internationalen Sportveranstaltungen gepflegt wird.


4. Etappe, 30. Juni 2008, von Bernkastel nach Briedern (km 269)




Bild 10: Bernkastel, die Protagonisten

Der Morgen sieht uns ausgeruht und bärenstark (Bild 10).
Die Niederlage bei der EM haben wir längst weggesteckt. Das prächtige Wetter verheißt eine besonders angenehme Etappe. Um die Mittagszeit gelangen wir nach Zell. Durch ihre Weinlage ‚Zeller Schwarze Katz’ ist die reizvolle kleine Stadt am Moselbogen weltbekannt. Mit über 330 ha Anbaufläche ist sie nach Piesport die zweitgrößte weinbautreibende Gemeinde an der Mosel, wobei traditionell die Rebsorte Riesling angebaut wird.

Nach der Mittagspause auf einer Bank am Moselufer unternehmen wir noch einen Zug durch die Gemeinde. Durch enge, mit Weinstuben und Restaurants üppig ausgestattete Gassen, gelangen wir ins Zentrum und zum inoffiziellen Wahrzeichen der Stadt, dem 'Schwarze Katz Brunnen' (Bild 11).
Drei Moselschleifen und etwa 24 km weiter erreichen wir das urwüchsige Winzerdorf Briedern. Hier werden etwa 130 ha Weinbergsfläche bewirtschaftet. Neben dem typischen Moselriesling werden auch Weine aus Müller-Thurgau und Kerner, sowie Rotweine aus Spätburgunder und Dornfelder Trauben angebaut.



Bild 11: Zell, Brunnen mit „schwarzer Katz“

Wir übernachten im Weinhaus Lenz, das eine schöne, große, zur Mosel hin gelegene, Terrasse besitzt. Die Luft ist lau und bei angeregter Unterhaltung und etlichen guten Tropfen wird es etwas spät.



5. und letzte Etappe, 1. Juli 2008, von Briedern nach Koblenz (km 340)




Bild 12: Cochem, Burg

Die letzte Etappe, es sind noch etwa 70 km bis Koblenz! Nach einem ausgiebigen Frühstück sind wir um 9 bereits wieder auf Achse. Das Wetter könnte besser nicht sein, es verspricht ein heißer Tag zu werden. Wir bleiben auf der rechten Seite und kommen gut voran. Bald schon erscheint in unserem Blickfeld, weithin sichtbar über dem Moseltal thronend, die Burg von Cochem (Bild 12).

Ab Cochem geht es auf der rechten Seite durch ein Naturschutzgebiet, das heißt auf einem unbefestigten Weg ca. 6 km durch ein Waldgebiet. Wer mit dem Renner unterwegs ist, sollte ab Cochen deshalb besser den Radweg auf der anderen Flussseite benutzen. Für etwas robustere Räder ist die Piste aber gut befahrbar. Man radelt überwiegend im Schatten und meist in unmittelbarer Flussnähe. Hin und wieder kommen uns größere Gruppen Gleichgesinnter entgegen, da kann's schon mal eng werden. Hier fehlen eindeutig strenge Vorfahrtsregeln mit den entsprechenden Schildern (Ha!).
Wir wechseln wieder auf das linke Ufer. Die Strecke wird nun leicht hügelig, der Weg führt vermehrt durch Weinberge, und der Blick schweift immer wieder ab, nach unten auf das weitausgebreitete, liebliche Moseltal. Die Besiedelung wird langsam dichter, und am frühen Nachmittag ereichen wir die Stadtgrenze von Koblenz. Unser Ziel, das Deutsche Eck! Rechtzeitig begeben wir uns wieder auf das rechte Moselufer (Bild 13).


Bild 13: Koblenz, Brücke über die Mosel

Noch ca. 200 m über holpriges Kopfsteinpflaster, dann ist es geschafft. Wir haben unser Ziel erreicht. Wir sind da, stehen unmittelbar an der Stelle wo die Mosel in den Rhein fließt (Bild 14).


Bild 14: Ziel erreicht, am „Deutschen Eck“

Im Biergarten am Deutschen Eck machen wir eine etwas verspätete Mittagspause. Es gibt "Weißbier an Leberkäse". Anschließend radeln wir noch ein Stück rheinaufwärts und zum Bahnhof, wo wir gegen fünf den Zug nach Trier besteigen. Dort angekommen, schließt sich dann der Kreis und eine abwechslungsreiche Fahrradtour durch eine einzigartige, kultivierte Flusslandschaft geht zu


ENDE

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 15.08.2011

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