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Die Brüdertatenlegende

Verrat und Treue


Die beiden Krieger saßen entkräftet auf dem Felsbrocken, den sie zuvor vom Schnee befreit hatten. Vor ihnen öffnete sich die südliche Hochebene Hallrodes. In der Ferne stachen die Spitzen des Merkungebirges aus dem Abendnebel wie die gewaltigen Reißzähne eines Riesen. Ein Zwergstaat, mehr war Hallrode nicht. Bisher hatten die Bewohner gedacht, niemand würde sich je für die kalten Nordlande interessieren. Seit einer Woche jedoch war klar, dass sie alle sich geirrt hatten. Was ich nun erzählen werde, ist dem Bewusstsein Hallrodes als >Die Brüdertatenlegende

Wie immer hatte das Wachkommando des Tages seinen frühen Dienst begonnen, und die Kameraden auf den zugigen Wehrgängen erlöst. Mit dem Aufgehen der Sonne verschwanden die Schatten um das Eisgebirge. Weit unter den steinernen Türmen der Felsenfestung zauberte das erste Licht des Tages zarte Farben und Muster auf die Hallsee. Wenn die Winter auch kalt waren, die Anmut der Landschaft verstand es stets die Wachen mit den unwirtlichen Umständen zu versöhnen. Bis zu dem Augenblick, da seltsame schwarzen Punkte auf dem Meer aufgetaucht waren. Viel zu schnell wurden sie größer. Viel zu schnell wurden aus fünf Punkten zehn. Als die Wachmannschaft Großalarm gab, trieben bereits die ersten Galeassen in der Bucht vor Ragandrin, die Banner des sargalinischen Königreichs stolz an den Großmasten gehisst. Während die Krieger in der Festung noch gesammelt und bewaffnet wurden, schwirrten bereits Heerscharen von Pfeilen durch die Luft. Jäh hatte das Pfeifen der Geschosse die friedfertige Schönheit des Morgens beendet.

Rogan blickte wortlos in ein kleines Feuer, welches die beiden Gefährten in der mitgebrachten Feuerschale entfacht hatten. Knisternd züngelten kleine rotgelbe Flammen in den Nachthimmel. Sie versprachen zumindest einen kleinen Teil der Wärme, die ihnen die Schneelandschaft nicht erbieten wollte. Der Geruch von gebratenem Fleisch machte sich breit.
>>Lass es nicht zu groß werden <<, mahnte Rogan Utger an, der eben im Begriff war, noch mehr Holz aufzulegen.
Utger verstand den Wink und nickte. Im gleichen Atemzug ließ er die Äste fallen, und zog seinen Mantel enger um sich. >>Diese Hundesöhne<<, giftete er und spuckte abfällig vor sich in den Schnee.
Rogan schnürte nachdenklich die Fellmütze unter dem Kinn fest. >>Im Winter! Mitten im Winter! Diese verfluchten Halunken… Ritter des Hofes - Pah! << Seine Faust hieb in den Schnee.
>>Und als ob zehn Galeassen, besetzt mit tausenden dieser Mörder, nicht gereicht hätten. Nein – sie schütteln eine zusätzliche Reiterarmee aus dem Ärmel – die Götter allein wissen woher diese so plötzlich kam. Bastarde! << führte Utger Rogans Ausführung fort.
>>Ach, es hilft nichts. Spar Dir lieber Deine Energie auf, Freund. Ich befürchte, wir werden noch einiges vor uns haben. <<
Der Krieger versuchte seinen erhitzen Geist wieder zu kühlen. Rogan hatte ja Recht. Wer konnte schon sagen was noch alles geschehen würde? >>Aber mutig sind sie, das muß man ihnen lassen. Mitten im Winter eine Armee durch das Eisgebirge zu führen… nicht schlecht. << Er hasste es, den Feind zu loben, doch wie er es auch wendete: Das sargalinische Heer hatte sich seine Anerkennung verdient.
>>Mmmh…<<, grummelte Rogan leise. Auch er schien das so zu sehen, vermochte er auch nicht, seine Gedanken in Worte zu kleiden. Stattdessen holte er weit aus, und deutete mit der Hand auf Utger. >>Bleibt trotzdem die Frage des weiteren Vorgehens! Widerstand organisieren – gut. Die Armee Hallrodes ist besiegt, doch die Bevölkerung nicht. Viele werden unserem Ruf folgen, zu den Waffen greifen und die Besatzer langsam untergraben. Ja! Ausräuchern werden wir diese Schurken! <<
>>Darauf kannst Du Gift nehmen, Freund Rogan! Unten an der Zalina liegt Corck. <<, sein Kinn flog in Richtung des Merkungebirges, an dessen Ausläufern sich der Fluss durch die Felsschluchten wand. >>Von dort aus ist man mit dem Boot in wenigen Tagen an der Merkunfeste…. <<
Rogan verdrehte die Augen. >>Ja, Freund Utger. Und jedes Kind weiß, dass der Strom im Winter nicht befahrbar ist. <<
>>Im Winter vielleicht nicht, aber im Frühjahr wieder. Wir werden sämtliche wehrbaren Männer und Jungen dort zusammentrommeln. Wir spionieren die sargalinischen Hunde aus, und ziehen unser Netz um sie zusammen. Keinen Schritt werden sie mehr machen. Ich selbst werde es sein, der in der vordersten Reihe gar blutig wüten lassen wird! <<
Rogan Kjemper nickte grimmig. Ein gefährliches Blitzen zeichnete sich in seinen Augen ab. Auch ihm gefiel die Vorstellung dessen, was sie den Besatzern alles antun würden. >>Dann lass uns schwören, Bruder: Wir werden füreinander stehen, als unzertrennliche Brüder. Als ein Ganzes dieses gewaltigen Komplotts. Niemals lassen wir uns im Stich, sollte unser Kampf um die Freiheit auch endlos sein. <<
Eine Hand fasste die seine zum Kriegergruß. >>So soll es sein. Waren wir bis heute Kameraden und Freunde, so sind wir von jetzt ab Brüder auf Lebzeit << besiegelte Utger den Schwur.


Die Elfe und der Widerstand

Landaliomi stand schon eine kleine Ewigkeit im Rücken der beiden Flüchtlinge. In ihrem knappen, silbern schimmernden Kleid, das so gar nicht zu dieser Jahreszeit passen wollte, war sie eins mit der Eiswüste. Die hellgrünen Augen funkelten kalt in einem makellosen Gesicht. Spitze Ohren stachen durch langes, weißblondes Haar. Ihre Schwertlanze als Stock nutzend, trat sie direkt hinter die beiden Männer.
>>Ihr habt große Träume, Krieger. Doch habt ihr auch die Freundlichkeit, eine einsame Wanderin an Eurem Feuer aufzunehmen? <<
Die Angesprochenen waren auf den Beinen, so schnell es die vor Kälte steifen Glieder erlaubten. Utger hob seine Kampfaxt, während Rogan sein Schwert blank zog. >>Wer seid Ihr? Woher kommt ihr? << Es war Utger, der als erstes sprach.
>>Eine Wanderin, das sagte ich bereits. <<
Rogan sah die spitzen Ohren und sein Unterkiefer öffnete sich vor Staunen. >>Was treibt eine Elfe soweit in die Nordlande? Sprecht schnell! <<
Die Elfe lächelte ohne sich dabei zu rühren >>Warum sollte ich schnell sprechen? Die Nacht ist lang genug, um meine Worte sorgsam zu formen. Das gilt im Übrigen auch für Euch, Rogan und Utger. <<
>>Hört auf mit uns zu spielen, Elfe! Woher kennt Ihr unsere Namen? <<
Landaliomi lächelte immer noch. >>Ihr habt sie vor wenigen Minuten selbst genannt. Senkt jetzt Eure Waffen! Ich bin hungrig und möchte Euch bitten, mir etwas von Eurem Mahl zu überlassen. <<
>>Das ist gut! Und was, wenn wir Euch nichts abgeben, Euch stattdessen erschlagen und zusammen mit dem Kaninchen rösten? Bei der bescheidenen Auswahl an Frischfleisch würdet Ihr Euch zur Not gut machen.“
Die Elfe wandte sich Utger zu. >>Würdet Ihr das wirklich in Erwägung ziehen, dann wäre Euer Leben schneller verwirkt als Ihr es Euch vorstellen könnt. << Landaliomis Stimme hatte eine gefährliche Schärfe angenommen. Utger lachte verunsichert und übertrieben souverän, was ihm die Färbung geistiger Umnachtung ins Gesicht zeichnete. >>Oha, gut gesprochen! Eine einzelne Frau legt sich mitten im Eis mit zwei hallroder Kriegern an. Und sie besitzt auch noch die Dreistigkeit, Drohungen auszusprechen. <<
>>Eine einzelne Elfe<<, verbesserte sie Utgers Worte ruhig. >>Sprecht von einer Elfe niemals wie von einer Frau der Sterblichen. Es scheint, Ihr seid Euch dem Ernst der Lage nicht bewusst. Glaubt ihr etwa, ich hätte mehr Probleme Euch zu töten als das sargalinische Heer, vor dem ihr Euch in diese Einöde geflüchtet habt? <<
Das hatte gesessen. Rogan kannte hunderte Geschichten über die Elfen. Im Hafen Ragandrins hatte er viele Nächte damit zugebracht, den Erzählungen der Seeleute zu lauschen. Viele handelten von dem sagenumwobenen Volk, dass in manchen Landen Westards Seite an Seite mit den Menschen lebte. Von deren makelloser Schönheit sprachen die Reisenden, von den unnachahmlichen Fertigkeiten, welche die Elfen in ihren niemals enden wollenden Leben entwickelten. Aber auch von Hochmut war die Rede. Es hieß, Elfen verachteten die Menschenkinder, hoben sich weit über sie. Wer war diese schöne Tochter des Lichts und was wusste sie? Rogan sah Utger skeptisch entgegen. Obwohl Utger den Blick förmlich spüren konnte, erwiderte er ihn nicht. Stattdessen sprach Landaliomi erneut zu ihnen.
>>Lasst uns diese Feindseligkeiten begraben. Euer Herr, der König von Hallrode, ist vor Tagen im Kampf gefallen. Euer beider Land dümpelt führerlos in die Versklavung. Nicht lange, und die Truppen Sargalins werden eure Knechte sein. Ich reiche euch meine Hand. Ergreift sie, oder lasst sie unberührt – das ist eure Entscheidung. Doch zwingt mich nicht, zwei Leben auszulöschen. << Landaliomis Stimme zwitscherte wie der Gesang eines Vogels. Trotzdem ließen ihre Worte keinerlei Zweifel daran, dass sie ohne weiteres im Stande war, zu tun, was sie verkündet hatte. Streitaxt und Schwert sanken herab, verschwanden in Gürtel und Scheide.
>>Seid willkommen an unserem Feuer… Elfe… <<
>>Man nennt mich Landaliomi… verzeiht die Unhöflichkeit. <<, warf sie schnell ein.
>>Dann seid willkommen an unserem Feuer, Landaliomi. Unsere karge Speise soll an diesem Abend noch einen weiteren Magen füllen. << Es war Rogan, der als erster seine Sprache wieder fand.

Zusammen setzten sie sich an das bescheidene Feuer, teilten das Bergkaninchen und ihre Worte. Zu Beginn ihrer gemeinsamen Zeit war Utger noch skeptisch gewesen. Immer wieder sah er um sich, spähte in die Nacht, als witterte er einen Hinterhalt. Landaliomi bemerkte seinen Argwohn, sagte jedoch nichts. Mit der Zeit verloren sich jedoch seine Zweifel. Stunden später war bereits ein kompliziertes Netz aus Ideen, Ratschlägen und Plänen gesponnen. Jeder noch so kleine Funke von Hoffnung zielte auf die Rückeroberung Hallrodes hin. Zwei verzweifelte Krieger hatten die helfende Hand einer Elfe angenommen. Diese schien, in der Tat, eine wahrhaft kräftige Hand zu sein.

Wie versprochen hatte Landaliomi die beiden Krieger zielsicher an den Flusslauf der Zalina gebracht. Einmal mussten sie sich verbergen und eine andere Richtung einschlagen, um den nach Sargalin heimmarschierenden Reitertruppen Alsidurs auszuweichen. Vier Wochen später hatten sie die Grenze zum Heiligen Land Frés erreicht und weitere vier Tage später den Seehafen Kindjór. Von hier aus verhieß der Seeweg nach Ragandrin nur ein Katzensprung zu sein. Über den Flusslauf der Zalina waren die wichtigsten Zentren des geplanten Widerstands leicht zu erreichen. Landaliomis Warnung, nicht in Richtung der Merkunfeste aufzubrechen, hatte sich als ein Segen herausgestellt. Denn wie sie bald erfuhren, waren die Mauern der Reiterburg bereits Tage vor dem Überfall auf die Hauptstadt erobert und niedergeworfen worden. Glücklicherweise war die Bevölkerung Hallrodes in allen Kriegshandlungen weitgehend geschont worden – noch etwas, was Rogan und Utger dem Feind positiv anrechnen mussten. Das Interesse König Alsidurs am Land selbst schien mit der Unterwerfung jedoch beträchtlich nachgelassen zu haben. Es entbrannten Machtkämpfe um Posten und Befehlsgewalt, was den sinnvollen Integrationsprozess Hallrodes nach Sargalin völlig im Sande verlaufen ließ. Neu eingesetzte Herzöge und Grafen gaben sich, in der Reihenfolge ihres gegenseitigen Verrats, die Klinken in die Hand. Sämtliche neu strukturierten Grafschaften hielten sich nur schwer am Leben und von wirklicher Bewirtschaftung konnte keine Rede sein. Als das Frühjahr in den Frühsommer überging, bestand bereits ein weites Netz von Spitzeln und Untergrundkämpfern, die sich mit Hingabe der Umsetzung ihrer Ziele widmeten. Vor allem Kinder wurden als Kundschafter eingesetzt, da sie weniger auffällig waren. Doch auch Händler dienten diesem Zweck. Sie waren es auch, die für den großflächigen Transport der notwendigen Informationen verantwortlich waren.
Landaliomi kam und ging wie es ihr beliebte. Keiner wusste, wohin es die Elfe immer wieder zog. Zeitweilig kam sogar Zweifel an ihrer Loyalität auf. Vor allem Utger sah ihre Alleingänge nicht gerne. Er war es auch, der als erster ganz offen sein Misstrauen anbrachte. Niemand konnte von der Elfe Rechenschaft verlangen, über Dinge die sie tat, und die niemanden etwas angingen. Und doch war ein gewisser Beigeschmack aufgetaucht. Welcher Hintergrund hatte Landaliomi überhaupt auf die Seite der Aufständischen getrieben? Auch Rogan wusste nicht genau was er von Landaliomis Machenschaften halten sollte. Er jedoch traute der Elfe keinen Verrat zu. Diese Meinung tat er auch lautstark kund, wenn das Thema wieder einmal in den Diskussionen entflammte.

Er hatte eben seine Tunika über den Kopf geworfen, war dabei den Gürtel zu schließen, als ein schwacher Blütenduft durch den Raum wehte. Ein glückliches Lächeln eroberte sein Gesicht.
>>Du hast mich lange nicht mehr mit Deiner Anwesenheit beglückt <<, stellte er nüchtern fest. Dann erst drehte er sich um.
>>Und Du hast Dich im Hellsehen versucht? << antwortete die Elfe ausweichend, während sie einen Schritt auf ihn zuging.
Rogan grinste kopfschüttelnd. >>Ich versuche es. Wenngleich man in diesem Falle nicht von Hellsehen reden sollte. Wie willst Du meinen Sinnen entgehen, wenn Dein Duft Dir meilenweit vorauseilt? <<
Ein Elfenlächeln, dann eine Hebung der Hand: das war ihre Antwort. Rogan ergriff sie und brachte seine Lippen in ihre Handfläche.
>>Ich habe auf Dich gewartet. <<, flüsterte Rogan den Kuss begleitend. >>Wie konntest Du so lange fortgehen, ohne mich darauf vorzubereiten? <<

Landaliomi atmete tief ein. Ihre Hand umfasste zärtlich das Kinn Rogans. Langsam hob sie seinen Kopf wieder in die Höhe. Er hatte ihr auch gefehlt. Doch nun war sie zurückgekehrt.
>>Übertreibe nicht, Du bist doch kein Kind mehr. Es waren nur wenige Wochen. <<
Rogan sah sie mit großen Augen an. Dann legte er bittend seine Handflächen aneinander. >>Es mag sein, dass es nur wenige Wochen waren. Das ist ja auch nicht das Quälende für mich gewesen. Viel schlimmer war, dass Du keine Worte des Abschieds für mich hattest. In diesem Falle sind wenige Wochen die blanke Folter. <<
Landaliomi konnte sich gut in den Sterblichen hineinversetzen. Ein tief in ihm schlummernder Teil hatte gespürt, dass sie ursprünglich nicht vorgehabt hatte, wiederzukehren. Die unausgesprochene Vermutung bereitete ihm Angst. >>Ich werde Dich nun nicht mehr verlassen – nicht mehr, ohne Dir zu sagen, wohin ich gehe. <<


Verrat in Kindór

Rogan wollte sie eben dankbar in die Arme schließen, doch ein Geräusch auf den Holzstufen der Herberge ließ ihn innehalten. Er schielte an ihr vorbei auf die Tür. Diese flog im selben Moment auf und Utger trampelte hastig in den Raum. Wie vom Blitz getroffen blieb er stehen. Seine Augen musterten erst Landaliomi, dann Rogan.
>>Es scheint, als ist die Elfe wieder einmal zurückgekehrt? << Utgers Worte troffen von zynischem Beiklang. >>Jemand hat uns verraten. Zu genau dieser Minute marschiert ein Trupp sargalinischer Ritter, vom Stadtpalais aus, direkt auf dieses Haus zu. <<, knurrte Utger. Sein Blick fiel erneut auf Landaliomi. >>Wenn mir dieser Verräter zwischen die Finger kommt, dann drehe ich ihm den Kragen um! << Landaliomi überging seinen Blick. Rogan löste sich aus der Starre des ersten Schreckens. Er griff nach seinem Schwert, warf sich den schweren Mantel über die Schultern. Während er die beiden Gefährten zur Tür drängte, zischte er >>Still jetzt. Beeilt Euch. Raus aus dieser Falle! Aber so, dass der Wirt uns nicht bemerkt. Wer außer ihm könnte uns verraten haben? <<
Utger warf der Elfe einen bissigen Blick zu, wagte jedoch nicht, seine Gedanken laut auszusprechen. Er flüchtete die Treppe hinunter, dicht gefolgt von Landaliomi und Rogan. Unten angekommen, eilten sie der Tür zur Straße entgegen. Utger wollte sie gerade öffnen, da klopfte eine kräftige Hand mehrfach von außen dagegen. Der Schreck fuhr im in die Glieder, sodass er am liebsten laut geflucht hätte. Nur eine dünne Holztür trennte sie von den Rittern der Besatzer. Die Gefährten wandten sich zurück zur Treppe. Diesmal war Rogan vorn. Die anderen würden ihm folgen. Er versuchte die Hintertür zu öffnen. Fehlanzeige – verschlossen! Ohne Krach würde sie sich nicht öffnen lassen. Die gesamten Legionen Sargalins wären ihnen sofort auf der Fährte. Rogans Blick flog hilfesuchend hin und her. Die schweren Schritte des Wirts erklangen auf den Dielen. Dann hörten sie Stimmengewirr an der Tür.
>>Wieder hoch! << Rogan eilte voraus. Wenige Sekunden später schlossen sie leise die Tür zu ihrem Zimmer.
>>Was nun? Verdammt, sie werden uns hängen! Wohin sollen wir nur? << Utger war die Panik anzusehen. Sein Gesicht war gespenstisch verzerrt, die Zähne aufeinander gebissen. Rogan sah durch ein Fenster. Landaliomi hatte sich an der Tür postiert. >>Sie sind auf den Treppen. << Rogan lies sich nicht beirren. Er begann die Wand hinter einem wuchtigen Holzschrank abzusuchen.
>>Hast Du nicht gehört? Sie sind auf den Treppen! Wir müssen hier raus, die werden uns hängen. << Utger war keine große Hilfe mehr. So außer sich hatte Rogan seinen Bruder noch nie erlebt. Im Kampf, auf dem Schlachtfeld, da war er die Ruhe selbst. Aber das kannte er von Kindes Beinen an. Ihre jetzige Situation musste ihm neu sein. Schon klopften schwere Panzerhandschuhe an die Türen der Fremdenzimmer.
Rogan zog seinen Dolch. Mit Wucht rammte er ihn zwischen zwei Brettern in die Holzwand.
>>Was soll das? Willst Du jetzt die Wand aushöhlen? Wir haben keine Zeit, verdammt! << Utger drehte sich ununterbrochen zwischen Rogan und Landaliomi hin und her. Letztere warf Rogan ein kühles Lächeln zu.

>>Das Haus hier war einst ein Bauernhaus. Ich kann noch immer das Stroh riechen, das einst hier unter dem Dach gelagert wurde. Die Räume hier oben müssen als Speicher gedient haben. <<, kommentierte Rogan sein Tun. Landaliomi horchte auf das nahende Trampeln der Ritter. Ein Stück Holz spritzte unter Rogans Dolch weg.
>>Ich weiß was Du meinst. << antwortete sie, um gleich darauf neben ihn zu treten. Auch Landaliomi begann nun damit, kleine Bretter aus der Holzwand zu lösen.

Utger zog seine Axt aus dem Gürtel. >>Ich, ich….werde jetzt dort hinausgehen. Meine Axt…wird ihre Sprache sprechen. <<, stammelte der Hühne. Mit einem großen Schritt war er an der Tür. Landaliomi war schneller.
>>Du wirst diese Tür nicht öffnen. << Ihre Stimme klang seltsam ungerührt. Utger schluckte. Landaliomi warf ihn zurück, als er sich gewaltsam an ihr vorbeidrängen wollte. >>Ich sagte sie bleibt geschlossen! << Noch immer war kein Anflug von Emotion in ihrer Stimme.

Eiserne Stiefel ließen deren Träger lautstark vor die Tür treten. Hart flog die im Panzer steckende Hand gegen das Holz. >>Hier ist die Garde seiner Majestät, dem Großkönig Alsidur, Herrscher von Sargalin! Öffnet die Tür und lasst uns ein! <<

Rogans Dolch fasste endlich etwas Metallenes. Mit einem Ruck schob er den Splint aus dem Scharnier. Es hatte lange gedauert bis er es freigelegt hatte, und nun? Als sich die Arbeit endlich auszahlte, ging ihnen die Zeit aus. Das durfte nicht sein. Quietschend glitten die beiden Zylinder des Scharniers auseinander. Rogan hatte einen niederen Durchgang freigelegt.
>>Los, rein da! << Seine Lippen formten die Worte, doch ausgesprochen wurden sie nie. Landaliomi riss Utger herum. Hastig schob sie ihn auf das Loch in der Wand zu, hinter dem schwarze Dunkelheit gähnte.

Mit einem lauten Knall sprang die Zimmertür auf. Im selben Moment schloss Rogan von innen den Durchgang. Ein Gepanzerter polterte zwei Schritte weit in den Raum. Oder waren es drei? Würde der Ritter den Durchgang hinter dem Schrank entdecken? Atemlos saßen die beiden Nordmänner in der Nische. Kurz darauf entfernten sich die Schritte aus dem Raum. Leises Aufatmen war die Antwort in der Dunkelheit. Jeder Atemzug beförderte unzählbar viele Staubpartikel in die Lungen der Aufständischen. Von allen Verstecken war dieses bisher das mit Abstand ungemütlichste. >>Diese modrige Luft scheint direkt dem Grab entstiegen zu sein.“, murrte Utger unzufrieden. Ein sachter Windstoß kündete davon, dass er versuchte die dreckige Luft von sich zu fächeln. >>Folge mir…<<, flüsterte Rogan, bevor er tiefer im Raum verschwand. Unsicher tasteten sich die Beiden durch die Finsternis und schneller als erwartet gewöhnten sich Ihre Augen daran. Hilfreich dabei waren die unzähligen Ritzen in den Bretterwänden. Wie durch ein gewaltiges Sieb ließen sie Sonnenstrahlen ins Innere dringen. Darin flimmerte, deutlich sichtbar, der Staub der Jahrzehnte.

Utger folgte seinem Gefährten, die Gedanken bei einer ganz anderen Sache: Wo war die Elfe abgeblieben? Landaliomi war wie vom Erdboden verschluckt. Natürlich wusste er, dass niemand eine Elfe sehen konnte, wenn diese es nicht wünschte. Aber war er nicht ihr Freund, zumindest aber ein Verbündeter? Erneut drang Skepsis in Utgers Geist. Keinen Augenblick würde er sie mehr aus den Augen lassen, das war sicher. Vor ihm kniete Rogan auf dem Boden, damit beschäftigt, Dreck und vertrocknetes Gras von einer Seite zur anderen zu schieben.
>>Was tust Du? <<
>>Wenn das ein Heuboden war <<, flüsterte Rogan, >>dann gibt es sicherlich eine Luke nach unten. Ich glaube kaum, dass sie das Stroh über die Fenster hier hereingeschaufelt haben. <<
Utger verzog das Gesicht. Im ganzen Raum gab es nicht ein einziges Fenster. Gerade als er ebenfalls niederknien wollte, ertönte links von ihnen die seltsame aber unverkennbare Stimme Landaliomis.
>>Hier geht es nach draußen. << Beide blickten zu ihr hinüber. Zwei leuchtende Augen - das war alles was sie von der Elfe sehen konnten. Rogan lächelte vor sich hin. >>Perfekt! Lasst uns aus diesem Staubloch verschwinden. << Vorsichtig krochen sie auf die leuchtenden Elfenaugen zu. Landaliomi stand auf einer Rutsche, die einst wohl dazu verwendet worden war, Getreidesäcke sicher vom oberen Stock ins Erdgeschoss gleiten zu lassen. >>Auf diesem Weg erreichen wir die Stallungen <<, flüsterte sie, und deutete auf das Loch, in dem die Rutsche verschwand.

Die Rutschpartie war so rasant wie sie kurz war. Keiner der Erbauer hatte wohl je den Drang verspürt, den Strohballen und Getreidesäcken eine bequeme Reise zu ermöglichen. Auch für Menschen war dieser Weg vom Dachboden denkbar ungeeignet. Die Feuchtigkeit hatte einzelne Holzplanken quellen lassen. So blieben sie immer wieder an herausstehenden Ecken und Kanten hängen. Rogan rieb sich mit schmerzverzerrtem Gesicht das Gesäß. Ein Stück seiner Tunika war zerrissen, auch seine Beinlinge hatte es erwischt. Er sah hinüber zu Utger, dem es nicht sehr viel besser ergangen war. Nur Landaliomi war, wie durch ein Wunder, von all jenen Nebenwirkungen verschont geblieben. Anmutig und stolz erwartete sie ihre Begleiter. Im Zwielicht der Stallungen wirkte die Tochter der Himmel noch geheimnisvoller. Selbst Utger musste zugeben, dass die Elfe wunderschön war. Sie musste nicht einmal etwas dafür tun. Es war unbestreitbar: Keine andere Frau Westards konnte es in dieser Hinsicht mit Landaliomi aufnehmen.


Die Doppelspielerin

Noch am Abend der glücklichen Flucht versammelten sich die in der Stadt weilenden Aufständischen um Rogan, Landaliomi und Utger. Ein lautes Murmeln erfüllte die Höhle in den Hügeln vor den Toren Kindjórs. Nachdem Utger kurz erläutert hatte was an diesem Tag geschehen war, entbrannte ein aufgeregter Disput zwischen den einzelnen Anhängern des Wiederstandes. Gegenseitig bezichtigten sie sich des Verrats, versuchten sich selbst von allem Verdacht reinzuwaschen und lieferten dabei fadenscheinige Begründungen für die unterschiedlichen Beweggründe ihrer heimtückischen Gefährten.
>>Ruhe jetzt! << Rogans unwillige Stimme brachte die Anwesenden zum Schweigen. >>Was heute passiert ist, klingt in meinen Ohren nach Hinterlist und Dummheit. Es zeigt uns in aller Deutlichkeit, dass wir keine Zeit mehr zu verlieren haben. Zu lange schon haben wir unsere Pläne diskutiert. Zu lange, als dass wir sie noch sicher vor den Ohren der Länder verheimlichen könnten. Ich sage, wir müssen handeln! <<
Utger öffnete den Mund und begann damit, seine Meinung kundzutun, wurde jedoch von Landaliomis Aufsehen erregender Stimme unterbrochen.

>>Der Wandel des Schicksals hat nicht vor uns Halt gemacht. Keiner von uns befindet sich in der Situation, so viel riskieren zu können. <<
Mit einem zornigen Blick strafte Utger die Elfe für ihre Rücksichtslosigkeit. Dann sah er Hilfe suchend zu seinem Freund. Rogan ignorierte ihn, und ließ Landaliomi gewähren.
>>Unsere Waffen sind geschmiedet, unsere Anhänger in deren Umgang geschult. Das Netz zieht sich zusammen. Deshalb sollten wir handeln, bevor wir uns zu sehr darin verstricken. Steht dem etwas entgegen? <<

Utger streckte sich und sprach direkt zu den Versammelten. Angriffslustig blähte er die Brust. >>Was wir heute erfahren mussten sagt uns höchstens, dass es zu gefährlich wäre einen Plan umzusetzen, dem Verräter im Rücken stehen. << Wild gestikulierend wandte er sich wieder Rogan zu. >>Rogan, Freund: Siehst Du nicht, dass jemand versucht, uns in ein offenes Messer laufen zu lassen? Die Sache in der Herberge sollte wohl Beweis genug sein. Denkst Du nicht? Ich sage: Lasst uns den Verräter suchen und finden. Ist dies getan, lasst uns gen Ragandrin ziehen, um dem sargalinischen Herzog zu zeigen, was wir von ihm halten! << Wütend hieb er seine Axt in den Holztisch vor sich.
>>Du bist voll Tatendrang, Utger. Doch wenn wir all unsere Streiter von nun an in dieser Höhle isolieren, so sollte es uns gelingen, unseren Angriff auf Ragandrin geheimzuhalten, bis er denn stattfindet. Und ich sage: er sollte unverzüglich stattfinden. <<
>>Ahhhh! Alle hier isolieren. Das wollt Ihr, Elfe? Wie informieren wir dann unsere Kräfte im Zalinatal? Sie sollten möglicherweise wissen, wann wir losschlagen! <<, brachte Utger süffisant lächelnd zu Wort.
>>Wir werden Schriften verfassen, die unsere Befehle enthalten. Diese werden wir unter den einzelnen Abteilungsanführern verteilen, mit der strengen Anweisung, sie nicht vor einem bestimmten Stichtag zu öffnen. Dieser Stichtag wird den Tag unseres Kampfes bekanntgeben. Wir wissen, dass in Ragandrin einmal im Monat Großmarkt gehalten wird. Wenn alle den Angriffsbefehl erst am Stichtag öffnen, so wird keinem Verräter mehr die Zeit bleiben, den Herzog in Kenntnis unserer Pläne zu setzen. <<

Einer der Spione war in die Höhlenkammer getreten. Er kämpfte sich durch die Krieger nach vorn, und flüsterte Utger etwas ins Ohr. Eine ausdruckslose Miene spielte in dessen Gesicht. Utger spitzte die Lippen und nickte, bevor er böse lächelte.
>>Eine vertrauenswürdige Person müsste sie überbringen <<, stellte Rogan sachlich fest.
>>Ich werde das tun <<, beschloss Landaliomi mit fester Stimme.
>>Rogan sprach von einer „vertrauenswürdigen“ Person <<, fuhr ihr Utger in die Parade. Ein gewohnt ausdrucksloser Blick war es, mit dem die Elfe den Krieger für diese Anschuldigung bedachte.
>>Schluss jetzt! Utger, ich ertrage diese Streitereien zwischen Landaliomi und Dir nicht mehr. << Rogan war aufgestanden. Sein Gesicht war gerötet, als er seinen Beschluss verkündete. >>Ihr seid beide vertrauenswürdig genug, um diese Aufgabe zu übernehmen. Es gibt zwei Richtungen, in die die Kunde getragen werden muss: Landaliomi wird unsere Anweisungen entlang der Zalina verbreiten. Du selbst wirst dafür verantwortlich sein, die Clans zu informieren. <<
Utger nickte. >>Danke Rogan. So soll es sein. << Das wissende Lächeln stand noch immer in seinem Gesicht, jedoch hütete er sich davor, abermals sinnlos Worte zu verschwenden. Die Elfe hatte einen Zauber auf Rogan gelegt. Er hörte mehr auf Landaliomi, als auf ihn, seinen Schwurbruder! Doch ihm würde sicherlich noch einfallen, wie er ihr zu begegnen hatte.

Spät in der Nacht verließ Rogan die Höhle. Landaliomi hatte sich schon vor Stunden zurückgezogen, um die Schriften zu verfassen, für die sich der Kriegsrat entschieden hatte. Als nun auch Rogan seinen Mantel schloss, wurde Utger neugierig. Wohin würde sein Freund wohl gehen? Er wartete einige Augenblicke, dann folgte er ihm auf leisen Sohlen.
Rogan trat aus der Höhle. Aufmerksam blickte er in die Dunkelheit. Dann entschied er sich für einen schmalen Pfad, der dem Verlauf des Hügels folgte.
Utger brauchte sich nicht zu eilen. Einige Schritte vor sich erkannte er die Silhouette Rogans, der sichtlich entspannt durch die Nacht schritt. Wenige Augenblicke später jedoch, wurde der Freund förmlich von der Dunkelheit aufgesogen. Utger kniete nieder. Es wäre ein unglaublicher Verlust seiner Ehre, würde er beim spionieren entdeckt werden. Und das wollte er nun wirklich nicht riskieren. Als sich auch nach einigen Minuten nichts Besonderes getan hatte, folgte er weiter dem Weg. Dort wo Rogan so plötzlich verschwunden war, fiel der Pfad steil ab, um sich wie ein Ropenaal hinunter zu einem kleinen See zu schlängeln. Utger duckte sich hinter einen Ginsterbusch. Vorsichtig spähte er zwischen dem Geäst hervor. Was er sah verschlug ihm beinahe den Atem: Am See erkannte er, vom silbernen Mond in karges Licht gehüllt, die Körper von Rogan und Landaliomi. Utger schloss die Augen. Wie er es doch gewusst hatte! Abermals sah er hinunter zum See, als wollte er es nicht wahrhaben. Dieser Blick bestätigte ihm jedoch nur, dass er keinem Trugbild aufgesessen war.

Der Rückweg zur Höhle zog sich auf grausame Weise in die Länge. Gedankenfäden schossen durch Utgers Kopf. Immer wieder blieb er stehen, unfähig zurückzusehen. >>Rogan und Landaliomi….pah! << Die Nacht war sein einziger Gesprächspartner - und sie war geduldig. Jetzt machte alles Sinn: Der Spion, der ihm während des Kriegsrats zugeflüstert hatte, Landaliomi mehrfach auf der Festung in Ragandrin gesehen zu haben; das immer wiederkehrende, plötzliche Verschwinden der Elfe; der Verrat am Tag zuvor…und war ihre Flucht aus der Herberge nicht auch von seltsamen Glücksfällen begünstigt gewesen? Die Luke hinter dem Schrank; Landaliomis auffälliges Wissen um die Lage der Räumlichkeiten und Stallungen. Und nun wurde er auch noch selbst Zeuge, wie sein bester Freund mit der hinterhältigen Elfe das Lager teilte. >>Natürlich! <<, entfuhr es ihm. Auf keine andere Art hätte sie sich Rogans grenzenloses Vertrauen erschleichen können - zumindest nicht ohne Aufsehen zu erregen.

Auch als Utger längst auf sein Schlaflager zurückgekehrt war, irrten seine Gedanken beständig und klar, doch auch folternd und quälend zugleich durch seinen Geist. Sie zogen ihn hinab in einen unruhigen Schlaf, der durchdrungen war von wirren und verstörenden Träumen.

Am nächsten Morgen trafen sich Rogan, Landaliomi und Utger schon früh in der großen Kammer der Höhle. Rogan ergriff epische Worte, sprach von dem Stein der Gerechtigkeit, der nun ins Rollen käme. Utger selbst konnte nur an den Stein denken, der sich schwer in seinem Magen eingenistet hatte. Mit zweifelhaften Gefühlen nahm er die Schriftrollen entgegen, und versteckte sie in seiner Tunika. Landaliomi nahm die restlichen Dokumente an sich. Sie verneigte sich vor Rogan und Utger, nickte kurz, und zog wortlos ihrer Wege. Utger verließ Kindjór zur selben Stunde. Mit einem schnellen sargalinischen Segler reiste er die Westküste Hallrodes hinauf.

Der Elfe, die mittlerweile ebenfalls weit in das Tal vorgestoßen sein musste, wünschte er während der ganzen Fahrt nichts mehr, als dass ihr Boot auf der Zalina kentern, und sie ersaufen würde wie ein unvorsichtiger Welpe, der sich zu weit in die Wassergräben der Festung Ragandrins gewagt hatte.


Früher Aufbruch

Am späten Abend gab Rogan den Befehl zum Aufbruch. Jeder der Rebellen wusste genau was zu tun war, auf welche Weise sie in Ragandrin zu handeln hatten. Über Zeitpunkt und Feinheiten war jedoch keiner von ihnen informiert worden. Zu schwer lastete noch immer die Angst vor Verrat und Hinterlist. Rogan war fest entschlossen, keine weiteren Pannen mehr zu hinzunehmen. So hatte er in der Nacht zuvor Landaliomi's Vorschlag zugestimmt, der den Aufbruch der Kämpfer bereits für den nächsten Tag vorsah. Von nun an sollte alles ganz schnell gehen. Er würde Utger mit seinen Männern direkt folgen. Auf diese Weise würden sie alle zugleich in Ragandrin eintreffen. Rogan ließ Gruppen bilden, die als Händler getarnt in die Stadt gelangen sollten. Einige dieser Gruppen würden Ragandrin direkt mit dem Schiff ansteuern. Die anderen sollten das erste Stück ihres Weges zu Fuß antreten. So kampfgewaltig sie gemeinsam auch gewirkt hätten, so auffällig wären sie auch gewesen. Es war unmöglich, eine Gruppe von hundert Händlern aus dem Süden unauffällig wirken zu lassen. So zogen sie alle ihrer Wege, die Karren bepackt mit Gewürzen, Früchten und anderem Handelsgut, das sie zuvor einigen Bauern abgekauft hatten. Schon in einigen Tagen würden sie sich den schneller reisenden Kampfeinheiten wieder anschließen können.

Utger hatte erfüllt, was man von ihm erwartet hatte. Die Siegelrollen waren an die Clanoberhäupter verteilt, sämtliche Anweisungen gegeben. Nun, da er nichts tun als warten konnte, wandelte er durch die Gassen Ragandrins, seine alte Heimat. >>Bald wird sie es wieder sein. << Gedanken spulten sich in seinem Kopf ab, wie die scheinbar unendlichen Pergamentrollen, von denen die Priester im Tempel die Worte der Götter verlasen. Utgers Freude, wieder zuhause zu sein, wurde getrübt vom Gedanken an die Eingliederung Hallrodes in den saralinischen Reichsverbund. Es würde nicht einfach sein, die Heimat zurückzuerobern. Immerhin ging es dabei ja nicht nur um die Hauptstadt. Auch der Rest des Landes musste wieder erobert und gesichert werden. Sargalins Schergen würden es ihnen sicherlich nicht leicht machen. Mit Schaudern dachte er zurück an die Galeassen, die den Eroberungsfeldzug einst eingeleitet hatten. Dieses Land wieder zu einen, es darüberhinaus auch noch zu halten, das war nahezu unvorstellbar. Bestimmt würde Alsidur nicht einfach aufgeben, auf was er Besitz angemeldet hatte. Hinsichtlich dieser Gedanken entschied er für sich, dass der Plan der Rebellen weniger ausgeklügelt als zuerst angenommen.
>>Und dann ist da immer noch diese verräterische Elfe! << Utger schluckte und richtete sich stolz auf. Sie musste beseitigt werden, sonst würde Hallrode niemals wieder seine Heimat sein. Er lächelte grimmig, denn er wusste, dass es niemanden sonst gab, der in der Lage war zu verhindern, was die anderen sich noch nicht einmal ansatzweise vorstellen konnten. Als einer der Anführer war Utger über sämtliche Abläufe des Feldzugs informiert. Er würde dieses Wissen nutzen, um Schlimmeres zu verhindern. Landaliomi musste ausgeschaltet werden. Seit der Spitzel ihm beim Kriegsrat in der Höhle geflüsterte hatte, dass die Elfe im Herzogspalast munter ein- und ausging, hatte er viele Möglichkeiten erwogen, diese offenkundige Doppelspielerin auszuschalten. Er würde sich von ihr nicht für dumm verkaufen lassen. Rogans grenzenloses Vertrauen in Landaliomi war zu bedauern! Hoffentlich würde er mit der Enttäuschung klarkommen, wenn er feststellen musste, dass seine geliebte Elfe in Wahrheit für den Herzog arbeitete. Plötzlich wusste er genau, was nun zu tun war.

Die Reise entlang der Zalina war kürzer als Landaliomi angenommen hatte. Mit der Hilfe ihrer Verbündeten hatte sie es geschafft, sämtliche Anweisungen in weniger als drei Tagen an die wichtigen Anführer zu verteilen. Zu dieser Stunde zog sie bereits mit einer Rebellengruppe über den Pass, der seit Jahrhunderten dazu diente, Warentransporte sicher und schnell in die großen Städte der Nordmark Hallrodes zu bringen. Die Elfe wusste nicht wie schnell die anderen Einheiten aufgebrochen waren. Es war gut möglich, dass sie es bereits vor ihnen auf dem Pass geschafft hatten. Landaliomis scharfe Augen hatten in der Nacht zuvor ein Feuer in den Bergen ausgemacht. Waren dies schon die Verbündeten? Oder handelte es sich lediglich um Flüchtlinge, die in den Bergen Schutz vor Entdeckung suchten? Im schlimmsten Fall waren es Räuber. Jeder hatte von ihnen gehört. Sie lauerten den Karawanen auf, die ab und an von Sargalin aus durch Hallrode zogen. Landaliomi hatte keine Angst vor ihnen. Trotzdem wäre es äußerst unglücklich, gegen die Gesetzlosen kämpfen zu müssen. Nicht, dass sie nicht siegreich sein würden. Die Sorge um ihre Männer machte Landaliomi das Herz schwer. Wieviele würden in einem sinnlosen Gemetzel sterben, noch lange bevor sie Ragandrin erreicht hatten? Sie beschloss, auf der Hut zu sein. Kein einziger Rebell sollte bereits auf dem Weg verlorengehen.

Immer wieder wurden die Lichter der Küstensiedlungen sichtbar. Wie die Sterne schälten sie sich urplötzlich aus der Nacht, um kurz darauf wieder zu verschwinden. Rogan war stolz, Teil dieses Aufstandes zu sein. Ein jedes dieser Lichter bedeutete starke Verbündete, die bereits allesamt durch Utger aktiviert worden waren. Nahezu lautlos glitt das Schiff die Küste hinauf. Rogan stand an den Vordermast gelehnt. Er fühlte sich, als würde er eine geheime Heerschau abhalten. Was er sah erregte ihn. So viele verbündete Clans; es konnte nichts schiefgehen. Schon am nächsten Morgen würde die Seeschwert im Hafen Ragandrins anlegen. Rogan malte sich aus wie es sein würde, wieder auf seinen treuen Freund zu treffen. Utger wartete sicherlich schon ungeduldig. Er biss sich auf die Unterlippe, um ein fröhliches Lachen zu unterdrücken. >>Utger wird sicher mehr als überrascht sein wenn er feststellt, dass wir bereits so kurze Zeit nach ihm hier eintreffen. << Der Wind wehte seine Worte hinaus auf das offene Meer.

Der Tag hatte mit einem wahrhaften Spektakel begonnen. Wie selten nur hatte die Sonne tausendfache Farben auf die Hallsee gezeichnet. Von einem Felsen über dem Meer beobachtete Utger das Schauspiel. Sichtlich beeindruckt sah er sich dazu verleitet, ein leises Lied anzustimmen. Mächtig plusterte sich seine Kleidung auf, als der Wind sich darin fing. Einfach dazusitzen, dem Sonnenaufgang zuzusehen und die Wellen auf dem Meer zu beobachten - all das förderte Gedanken und Erinnerungen in dem Krieger zu Tage, von denen er längst geglaubt hatte, sie wären Gedankenfetzen aus einer anderen Zeit, Bilder einer anderen Welt. Verdängt waren die Besatzer Hallrodes, verdrängt war jeglicher Verrat und Streit. Er hatte für sein Land getan was er konnte. Ihm war, als könne er bereits die Hand nach seinem alten Leben ausstrecken.

>>Es war in der Tat nicht schwer dich zu finden, Bruder. <<
Utger fuhr auf, als sich eine sanfte Hand auf seine Schulter legte. Einen Gedankensprung später erfasste er Rogans Gesichtszüge, auf denen dieses unverkennbare Lächeln spielte. >>Rogan… <<, entfuhr es ihm. Er konnte spüren, wie sehr es seinen Bruder freute, ihn, den wachsamen Utger Wolfsson, überrascht zu haben. In diesem Moment konnte er nicht einmal abstreiten, dass es Rogan wirklich gelungen war. >>Was tust du hier? Ich meine… ich bin doch selbst erst gestern hier eingetroffen. << >>Höre ich Freude oder Misstrauen in deiner Begrüßung? Keine Sorge, Freund. Ich bin dir nicht gefolgt weil ich dir nicht zutraue, zu tun was deine Aufgabe ist. << >>Sondern? << Die Art der Antwort Utgers bestätigte was Rogan vermutet hatte. >>Ich bin nicht allein hier. In drei Tagen wird der Markt stattfinden. Unsere Männer verteilen sich bereits über die angrenzenden Dörfer. Unser Tag ist gekommen. << Irgendwie wirkte Rogan sehr glücklich. Es war ihm nicht zu verübeln. Nach all den Planungen und all der Geheimhaltung war der Wunsch nach wirklichem Leben in jedem der Männer unübersehbar gewachsen. Utger umarmte seinen Bruder. Hätte jemand hinter Rogan gestanden, es wäre ihm sofort die Verzweiflung aufgefallen, die aus Utgers Augen Bände sprach.


Der Tag der Ratte

Der Großmarkt war wie geschaffen für den waghalsigen Plan der Aufständischen. Nur einmal im Monat kamen sämtliche Händler und Bauern auf der Festung zusammen, um den berühmten Großmarkt abzuhalten. Hier wurde alles verkauft, was nicht verboten war. Früchte, Gemüse, Backwaren und Gebrauchsgegenstände der Kunstschmiede- und Töpferwerkstätten. Außer Waffen war hier nahezu alles zu erwerben. Herzog Gernot, der vom sargalinischen König eingesetzte Verwalter Hallrodes, hatte dies bei Todesstrafe verboten. Wem sein Leben lieb war, der hielt sich an diese Order. Utger hatte sich wie besprochen am Innenring der Feste postiert. Unauffällig beobachtete er die Umgebung des Marktplatzes. Rogan würde mit einigen Männern über die Fluchttunnel in die Hauptgebäude der Burg eindringen, um Gernot zu töten. Landaliomi sollte ihre Krieger in den Hof führen und dort das Gemetzel an den Schergen Sargalins beginnen. Auch wenn er es vor sich selbst leugnete: Utger hatte Angst. Der Schweiß stand ihm kalt auf der Stirn. Endlich begann, auf was er so lange gewartet hatte. Endlich konnte er seinem Zorn durch Taten Luft schaffen. Alles hätte seinen geordneten Weg gehen können, hätte Rogan den Plan wie besprochen ausgeführt. Utger war seinerseits davon ausgegangen, dass die Elfe wie immer regelmäßig beim Herzog vorsprechen würde – was auch immer diese verräterische Schlange ihm zu sagen hatte. So hatte er Gernot vor der Elfe gewarnt, hatte sie bezichtigt, die Anführerin eines Haufens Aufständischer zu sein. Selbst wenn Landaliomi für den Herzog gearbeitet hätte - welche Möglichkeit wäre Gernot schon geblieben? Er musste Landaliomi bei ihrem nächsten Besuch festnehmen lassen – zumindest wenn es in seinem Interesse stand, die eigenen Pläne zu decken. Es gab nur eine einzige Möglichkeit, die Tragödie zu verhindern: Die Elfe musste verhaftet werden bevor ihre Männer zuschlugen. War dies erst geschehen, würden sich die Krieger verunsichert zurückziehen. Auf diese Weise hätte Utger sich Landaliomis entledigt, während die Rebellen in sicherer Entfernung den nächsten Markttag hätten abwarten können.
Eine sehr unbefriedigende Lösung, doch alles was uns übrigbleibt. Utger war nicht zufrieden, war jedoch auch nicht im Stande, mehr zu tun.

Dann hielt er tief die Luft an. Die Elfe war, in einem Pulk von Menschen, durch das Tor in den Burghof getreten. Gleich würden die Wachen sie ergreifen. In diesem Moment würde er seinen Leuten den Befehl zum Rückzug geben. Aus dem Augenwinkel beobachtete er zwei der Wachsoldaten, die einander zunickten. Wenige Augenblicke später bewegten sich schon mehrere Bewaffnete auf Landaliomi zu. Sein Plan war im Begriff aufzugehen. Rechtzeitig würden sie Landaliomi verhaften. Utgers Herz tobte regelrecht vor Erleichterung. Dann erstarrte er. Für Sekunden war der Krieger nicht in der Lage, sich auch nur einen Schritt weit zu bewegen.
>>Rogan, verdammt! Was machst Du hier? << Seine Lippen formten die Worte, doch die Zunge sprach sie nicht aus.

Neben der Elfe, ihren Arm untergehakt, schritt Rogan auf den sonnigen Platz.
>>Wartet auf weitere Befehle <<, schnauzte Utger seine Männer an, dann stob er davon. Egal was es kostete, er musste Rogan rechtzeitig von Landaliomi entfernen. Sollten die Wachen die beiden zusammen sehen… es war nicht auszudenken.

Utger quetschte sich in wilder Eile durch das Marktgeschehen. Da er sich nahe dem inneren Tor postiert hatte, waren es höchstens dreißig Meter, die ihn von seinem Freund trennten. Zahllose Erinnerungen aus guten Zeiten rannen durch seine Gedanken. Wie hatte das alles nur passieren können? Verdammt sollte der Tag sein, an dem die Schiffe Sargalins vor der Küste aufgetaucht waren. Im Augenwinkel sah er Speerspitzen über den Köpfen der Marktbesucher, die mit beunruhigender Zielstrebigkeit auf Landaliomi und Rogan zuhielten. Utger stolperte über einen Stein. Im Fallen riss er einen alten Mann zu Boden. Als er sich von dem Mann losgestrampelt hatte, musste er sich erst einmal neu orientieren. Wo war Rogans heller Scheitel geblieben?
>>Da! << Er spuckte das Wort förmlich auf den staubigen Platz. Nur noch ein paar Schritte. Zwei Bauern versperrten ihm urplötzlich die Sicht. Utger drängte sie unsanft auseinander. Schreie wurden laut und plötzlich fand er sich mitten in einem Kreis, der sich durch das erschrockene Zurücktreten der Menschen gebildet hatte. Landaliomi und Rogan standen unmittelbar vor ihm, umringt von Soldaten, die ihre Schwerter gezückt und die Speere gesenkt hielten.
>>Landaliomi, Tochter der Kinder des Lichts! Ihr wurdet des Hochverrats bezichtigt. Hiermit steht ihr unter Arrest. <<
Die Elfe rührte sich nicht. Lediglich ihre Augen zählten die Soldaten um sich, suchten nach einem Ausweg, noch während sie entwaffnet wurden.
>>Und Ihr, die Ihr das Elfenweib begleitet: Schätzt Euch in der glücklichen Lage, ebenfalls unter unserem persönlichen Schutz zu stehen. Der Herzog wird über Euch richten! << Die Worte des Ritters troffen von Hohn. Er richtete den Blick auf Utger. >>Der Herzog dankt Euch für Eure Hilfe. Folgt uns ebenfalls. <<

Wie ein Häuflein Elend trottete Utger hinter den Soldaten und ihren Gefangenen her. Es war eisige Ruhe eingekehrt. Keiner der Marktbesucher wagte zu reden, warteten doch alle, was als nächstes passieren würde.

Am Stirnende des Platzes hatten mehrere Reihen von sargalinischen Rittern Aufstellung bezogen. Herzog Gernot trat Landaliomi und Rogan entgegen. Er lächelte belustigt.
>>Sieh einer an. Zwei Aufständische <<, stellte er trocken fest. >>Wir können von Glück sprechen, dass Hallrode über offene Augen und Ohren verfügt. << Nach einer längeren Kunstpause fuhr er fort. >>Es ist kaum zu glauben. Eine Elfe geht bei mir aus und ein, scheinbar als Botschafterin ihres Volkes. In Wirklichkeit aber ist sie eine Spionin rebellischer Bauern! <<
Eisiger Schauer rann über Utgers Haut. Landaliomi hatte kein doppeltes Spiel geführt! Vor seinen Augen verschwommen die Farben, während sich diese Erkenntnis schmerzhaft und erbarmungslos in sein Gewissen bohrte: Missverstanden hatte er die Elfe und Eifersucht war die Nahrung seines Denkens.
>>Ich bin Euch zu großem Dank verpflichtet. Ihr habt Euch für das Reich stark gemacht. In Gold werde ich Euch aufwiegen, Utger Wolfssohn. Jeder wird sich daran erinnern, dass ein Kind Hallrodes die Herrschaft Sargalins stützte! << Gernots Stimme schallte laut über den Platz.
Utger erwiderte Rogans Blick, suchte Hass in seinen Augen, ohne jedoch fündig zu werden. Lediglich tiefe Traurigkeit meinte Utger in ihnen lesen zu können.
>>Nennt uns die Namen aller Rebellen, die sich euch angeschlossen haben <<, befahl Gernot. Er sah zu Boden. Langsam schlüpften seine Hände in die ledernen Handschuhe
Rogans Blick heftete sich noch immer an Utgers Augen. Seine Mundwinkel zuckten. Du hast uns verraten, schienen sie zu sagen.
>>Nun? Ich bin es nicht gewohnt zu warten! <<
Das Band zwischen den beiden zerriss, und Rogan wandte sich dem Herzog zu. >>Es gibt niemanden. Lediglich wir beide hatten im Sinn, Euch zu ermorden. <<
Der Herzog nickte unendlich langsam. >>Dann seid Ihr des Todes. Das ist euch bewusst? <<
Utger empfing erneut den traurigen Blick des alten Freundes, seines Schwurbruders. Dann zerriss ein lautes Sirren die Stille. Rogan taumelte zurück. In seiner Brust steckten vier Pfeile. Blut rann ihm in schmalen Bächen aus dem Mund. Sein stämmiger Körper fiel in sich zusammen, sank schwer zu Boden. Rogans erstaunter Gesichtsausdruck blickte hinauf in den Himmel - dann brachen seine Augen.


Geschwind warf ich mich zur Seite, flüchtete in die dicht beieinander stehenden Menschen. Ich sprang auf einen Wagen, kletterte von dort auf ein niederes Dach. Später sollte ein Ritter meinen silbernen Dolch finden. Er warf ihn achtlos zu den anderen Waffen, die sich auf dem Marktplatz neben den Leichenbergen auftürmten. Nachdem mir die Flucht gelungen war, schlugen die Rebellen in ihrer verzweifelten Wut los. Wer im Weg stand, starb durch Schwert, Axt oder Morgenstern. Gernot ließ seine gesamte Stärke spielen. So kam es, dass die Ritter Sargalins an einem einzigen Mittag hunderte Männer und Frauen töteten. Der Volksaufstand wurde niedergeworfen, bevor er überhaupt begonnen hatte. Wie ich hörte, wurde Utger nach diesem Tag tatsächlich in Gold aufgewogen. Er soll es an die Armen verschenkt, und sich von einem kleinen Teil eine Hütte auf den Klippen gebaut haben. Eines Tages fand man ihn am Strand. Er hatte sich zu Tode gestürzt. Weder die selbstgewählte Einsamkeit, noch die Bitten um Vergebung konnten sein Gewissen jemals reinwaschen. Ich hatte damals geahnt, welche Kluft meine Liebe zwischen den Sterblichen aufgetan hatte. Mein Herz zog mich dennoch zurück zu Rogan. Verrat, auch aus noch so edler Absicht, bleibt doch Verrat. Er endet, wenn mindestens eine Seite das Gewünschte erreicht hat. Wirkliche Treue endet nicht, denn sie schöpft aus Vergebung, aus Hoffnung und Liebe.<<

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 30.01.2009

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