Eine Begegnung der besonderen Art
Es war am 22. August 2011. Ein herrlicher Tag fand sein Ende. Wie jeden Abend lag ich noch eine Weile wach in meinem Bett, mit Notizbuch und Stift in der Hand, um meine Gedanken und Gefühle schriftlich festzuhalten. Ich dankte dem Tag für alles, was er mir gebracht hat, ließ ihn in Liebe gehen und begrüßte die kommende Nacht. Etwa um 23.00 Uhr löschte ich das Licht meiner Nachttischlampe.
Meine Schlafzimmerfenster grenzen an meinen Garten, meine grüne Oase, mit zauberhaften Blumen und einem kleinen Teich, den ich selbst angelegt habe. In diesem Jahr trug die Seerose bereits sieben Blüten. Auch all die anderen Blumen zeigten ihre Pracht. Abends tauchte sich alles durch Stecklampen in dämmeriges Licht.
Beide Fenster waren angekippt, so dass es für mich wenig verwunderlich war, als ich ein Rascheln vernahm. Auf meiner Terrasse fanden sich schon die unterschiedlichsten Tiere ein. Mal war es eine Katze, ein anderes Mal ein Igel, eine Maus, auch ein Meerschweichen, vermutlich irgendwo weggelaufen, war schon dabei. Ganz abgesehen von den Amseln, den Meisen, dem Rotschwänzchen und den Spatzen. Mit diesem Hintergrundwissen nahm ich das Geräusch zur Kenntnis, ohne ihm weitere Bedeutung beizumessen. Irgend etwas war da draußen. Das war in Ordnung. Beruhigt schloss ich meine Augen, um mich meinen Träumen hinzugeben.
Nach einer Weile wurde ich durch einen enormen Luftzug über mir geweckt. Blinzelnd öffnete ich sie wieder. Im Halbdunkel sah ich einen Schatten, der durch mein Zimmer flog. Erst vermutete ich, dass sich ein Vogel verirrt hat. Doch dafür war es viel zu schnell. Es brauste mit einem Tempo, das mir Angst machte, durch den Raum, so dass ich automatisch unter die Zudecke flüchtete.
Mit der Decke über dem Kopf und ganz darunter verkrochen, überlegte ich, was ich tun kann. Unter der Decke bleiben ergab keinen Sinn, da niemand da war, der dieses Etwas heraus lassen konnte. In dem Moment wünschte ich mir einen Partner, der mir diese Aufgabe abnahm. Da keiner da war, musste ich selbst ran.
Mutig und etwas ängstlich, kam ich aus meinem Versteck hervor und schaltete alle Lichter an. Kaum dass ich am Lichtschalter stand, sauste etwas knapp an mir vorbei. Alles, was ich sah, waren zwei große, braune Flügel. Mit einem Satz war ich wieder im Bett und unter der Decke verschwunden. "Ein Vogel fliegt anders", dachte ich. Dieses Tier, was auch immer es war, welches sich bei mir verirrt hat, war blitzschnell und es schien ihm zu gefallen, knapp über der Decke zu fliegen, mich zu erschrecken, um mich dazu zu bringen, mir immer wieder die Decke über den Kopf zu ziehen. Ab und an wagte ich einen kurzen Blick, konnte jedoch außer großen, braunen Flügeln nichts erkennen. Es dauerte, für meine Begriffe fast eine Ewigkeit, bis es sich endlich an das Gardinenrollo setzte. Vorsichtig pirschte ich mich näher heran. „Was ist das", fragte ich mich, während ich es musterte.
Eine Fledermaus!
Panik!
„Fledermäuse gehen in die Haare“, wurde mir als Kind eingetrichtert. Schnell war ich wieder in meinem Bett, unter der Decke verschwunden. Ein weiterer Gedanke kam auf.. Vampir.. Fledermäuse sind Vampire. Ok, vielleicht etwas übertrieben, im Nachhinein betrachtet, aber nachts mit einer Fledermaus allein zu Hause kommen eben seltsame Gedanken auf. Wieder verging Zeit, in der ich an anderen Tagen schlief. Um dies in dieser Nacht ebenfalls tun zu können, blieb mir nichts anderes übrig, als mich der Situation zu stellen, der Fledermaus wieder heraus zu helfen und ihr die Freiheit und mir meine Nachtruhe zu schenken.
Sie schien eine unendliche Ausdauer zu haben. Ständig flog sie hin und her. Jedesmal sauste sie dabei knapp über meinen Kopf, während ich vorsichtig aus dem Bett kroch, auf dem Boden entlang, damit ich durch die Tür, welche ich nur so weit öffnete, dass ich gerade so durch kam, um zur Garderobe zu gelangen. Dort setzte ich mir meinen Hut auf und zog meinen Regenmantel an. So ausgestattet betrat ich das Schlafzimmer, in dem die Fledermaus immer noch ihre Runden drehte, ging zum Fenster und öffnete es weit.
Mist! Ich hatte vergessen, dass ich Fliegengitter davor angebracht habe. Was die Frage aufwarf, wie sie hier rein gekommen war. „Wohnte sie schon länger hier?“ Darüber, so beschloss ich, wollte ich jedoch erst am nächsten Tag nachdenken.
Entsetzt, dass ich kaum weiter kam, starrte ich auf das mit Fliegengitter verklebte Fenster. Um es zu entfernen brauchte ich meine Trittleiter. Die stand im Bad. Das gleiche Spiel also noch mal von vorne. Vorsichtig die Türe öffnen, durch einen Spalt hinaus kriechen, ihre Sturzflüge ignorieren, schnell die Türe schließen und im Bad die Leiter holen.
Mein Zimmer war hell erleuchtet. „Schön, dachte ich, ziehe ich jetzt das Fliegengitter ab, können alle Mücken rein kommen“. Ein interessanter Gedanke. Anderseits blieb mir nur die Alternative, die Nacht mit der Fledermaus zu verbringen. Ich entschied mich dafür, die Mücken in Kauf zu nehmen.
Ständig nach ihr Ausschau haltend, auf der Trittleiter stehend, geschützt durch Hut und Regenmantel, hantierte ich an dem Fliegengitter, bis es das Fenster vollkommen frei gab.
„Das Fenster ist offen, Du kannst jetzt raus“, sagte ich zu ihr, die weiter im Zimmer herum flog. Sie brauste durch die Gegend, ohne sich um das Fenster zu kümmern, während ich auf dem Boden saß und wartete, dass sie es endlich fand. Fast 20 Minuten dauerte es, bis sie hinaus flog.
Dann war es still. Kein Flattern, kein Sausen. Nichts. Erstaunlich. So, als wäre nie etwas gewesen. Absolute Ruhe. Ich schaltete alle Lampen aus. Der Mond schien und meine Gartenleuchten schenkten ein wenig Licht. Im Halbdunkel befestigte ich das Fliegengitter wieder. Danach zog ich Regenmantel und Hut aus. Müde und zufrieden legte ich mich in mein Bett.
Ich war gerade am Einschlafen, da hörte ich ein seltsames Singen. Ein Gesang, wie ich ihn noch nie gehört habe und im gleichen Augenblick hatte ich das Gefühl, dass es die Fledermaus war, die sich bei mir für ihre Freiheit bedankte.
Als ich am nächsten Morgen erwachte, ging mir die vergangene Nacht durch den Kopf und ich überlegte, ob ich das alles nur geträumt habe.
Nein! Es war kein Traum.
Da lagen meine Anziehsachen, mein Hut und mein Regenmantel und die Trittleiter stand auch noch vor dem Fenster.
Texte: Texte und Cover
(c) Petra Schneider
Bild (c) bei Google
Tag der Veröffentlichung: 06.09.2011
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