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Dies ist die Geschichte vom

Winter, der lieber Sommer sein wollte


Vor langer, langer Zeit war der Winter unendlich traurig. Er weinte und weinte und die Tränen flossen in die Bäche, die Flüsse und ins Meer. Immer höher stieg das Wasser und die Menschen bauten Dämme, weil sie Angst hatten überflutet zu werden. Weil der Winter gar nicht aufhören wollte, nahm sich ein Engel ein Herz und ging zu ihm. Er setzte sich an seine Seite und fragte ihn, was ihn denn so sehr bedrücke, dass er gar nicht aufhören könne zu weinen. „Ich will nicht mehr Winter sein“, fuhr ihn der Winter an ohne aufzuschauen. Erschrocken ging der Engel einen Schritt zurück. Er nahm es ihm aber nicht übel, denn er wusste – Engel wissen nämlich alles - , dass er es nicht böse meinte. Sanft legte er ihm die Hand auf die Schulter während er zu ihm sprach: „Gräme dich nicht Winter. Du bist doch wunderbar. Was gefällt dir denn nicht an dir?“ „Ich bin kalt und hart sagen die Menschen“ entgegnete der Winter „und wenn ich komme, dann laufen sie in ihre Häuser und verstecken sich. Der Sommer, der ist warm und weich. Wenn er kommt, dann kommen sie aus ihren Häusern, freuen sich, legen sich auf die Wiesen und genießen ihn. Sie lieben den Sommer. Ich möchte auch geliebt werden.“ „Aber du hast doch auch deine schönen Seiten. Denke nur mal an den Schnee, wie sich die Kinder freuen, wenn sie Schlittenfahren und Schneemänner bauen können oder an die herrlichen Eisblumen, die du auf die Fenster zauberst. Das kann niemand so wie du.“ „Das mag ja alles sein, aber das kann man nicht miteinander vergleichen. Der Sommer hat es viel leichter als ich und den mögen die Menschen auch viel lieber. Ich will Sommer sein.“

„Na, das wird ein wenig schwierig werden“ sagte der Engel, „aber ich will mit dem Schöpfer reden, was sich machen lässt. Nur höre bitte auf zu weinen, damit die Menschen nicht vorher vom vielen Wasser Deiner Tränen überflutet werden. Willst du mir das versprechen?“ Der Winter schaute den Engel an – seine Augen leuchteten ein wenig bei der Vorfreude, dass die Möglichkeit besteht Sommer zu werden – und versprach ihm, dass er aufhört zu weinen. „Aber komm bald wieder und lass mich nicht so lange warten, ja Engel.“ „Das verspreche ich dir, sobald ich mit dem Schöpfer gesprochen habe – was natürlich eine Weile dauern kann, schließlich hat er unendlich viel zu tun - komme ich und erzähle es dir.“ Der Winter schaute dem Engel noch lange nach und ein kleiner Hoffnungsschimmer machte sich in seinem Herzen breit.

Jeden Tag wartete er nun auf den Engel. Immer wieder hielt er Ausschau nach ihm. Abends war er dann etwas traurig, doch er hielt sich an sein Versprechen nicht zu weinen.

Dann, als er fast nicht mehr damit gerechnet hatte, sah er den Engel. Aufgeregt ging er auf ihn zu. „..und was hat er gesagt?“ Er konnte es gar nicht abwarten so gespannt war er. Der Engel aber sagte: „lass mich erst mal ankommen. Ich habe Durst und möchte gern etwas essen. Es war eine lange Reise bis zu dir. Dann erzähle ich es.“

Unruhig saß der Winter ihm gegenüber. Vorher hatte er ihm so schnell er konnte eine Mahlzeit zubereitet und einen Becher Wein dazu gestellt. Jetzt wartete er voller Ungeduld darauf, dass der Engel fertig wurde. Er wagte nicht ihn anzusprechen, weil er Angst hatte, dass es dann noch länger dauert. Nach einer Weile, ihm kam es vor wie eine Ewigkeit, steckte der Engel den letzten Bissen in den Mund, trank noch einen Schluck Wein dazu und fing endlich an zu erzählen: „ich habe deinen Wunsch dem Schöpfer vorgetragen. Anfangs schaute er mich ziemlich seltsam an, dann überlegte er eine Weile und ich soll dir mitteilen, wenn die Bedingungen erfüllt werden, dann stimmt er zu, dann sollst du deinen Willen haben.“ Der Winter sprang vom Stuhl auf, jubelte „ich werde Sommer, ich werde Sommer, hurra, ich werde Sommer, ich werde geliebt, wie wunderbar, phänomenal, einfach toll, danke, danke, danke“ und tanzte im Zimmer herum. Der Engel schaute ihm eine Weile zu, dann sprach er: „halt, langsam, wir müssen erst über die Bedingungen reden.“ „Ach was“ winkte der Winter ab, „so schlimm werden die schon nicht sein.“ „Das kommt darauf an“ sagte der Engel, „von welcher Seite wir es betrachten.“ Der Winter nun doch neugierig geworden beendete seinen Tanz, setzte sich wieder hin und sprach: „also, lieber Engel, dann sage mir bitte, was sind denn nun die Bedingungen?“

„Wir können nicht einfach dem Sommer, nur, weil Du jetzt der Sommer sein willst, seine Aufgabe, ja seinen Lebensinhalt wegnehmen.“ „Dann darf ich doch nicht der Sommer sein“ fiel ihm der Winter enttäuscht ins Wort. „Der Schöpfer hat sich da schon was einfallen lassen, es ist vielleicht nicht so, wie du es dir vorgestellt hast, aber dein Wunsch wird dir erfüllt.“ „Gut“, sprach der Winter, „dann erzähle mir von den Bedingungen.“

Als erstes müssen wir die Sonne fragen ob sie einverstanden ist“ sprach der Engel weiter. „Die Sonne?“ Staunend schaute der Winter den Engel an „warum denn?“ „Na, das ist doch ganz einfach“ gab ihm der Engel zu verstehen „du brauchst die Sonne um Sommer werden zu können. Sie muß quasi Überstunden machen. Deswegen müssen wir sie fragen, ob sie dazu bereit ist.“ „Das verstehe ich nicht. Wieso muß die Sonne Überstunden machen? Wir können doch einfach tauschen,“ sagte der Winter. „Im Grunde ist es doch ganz einfach. Der Sommer wird Winter und ich werde Sommer.“ Der Engel konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen, als er weitersprach „das findet der Schöpfer ungerecht, da dadurch dem Sommer etwas aufgezwungen wird, was du selbst nicht willst.“ Der Winter schaute ihn an, als denke er darüber nach und es dauerte einen Moment, bis er sagte „stimmt, so habe ich es noch gar nicht betrachtet. Von dieser Seite habe ich es noch nicht gesehen. Du hast recht Engel, aber dann kann ich es ja wohl vergessen. Wer macht schon für mich Überstunden. Mich, den kein Mensch liebt, weil er kalt und streng ist“. „Nicht so schnell und es stimmt nicht, dass Dich niemand liebt. Der Schöpfer liebt Dich, die Engel lieben Dich, die Menschen und die Tiere, nur Du siehst es im Augenblick nicht. Lass uns erst mal mit der Sonne sprechen. Ich bin sicher, dass sie einverstanden ist. Dann sehen wir weiter. Für alles gibt es eine Lösung. Manchmal ist sie jedoch anders, als wir sie uns vorgestellt haben.“

So machten sich der Winter und der Engel auf den Weg zur Sonne. Da der Winter Angst hatte mit ihr zu reden übernahm das der Engel. Sie hörte ihm aufmerksam zu, schaute ihn ein wenig verdutzt an und schüttelte den Kopf, weil sie nicht so ganz verstand welchen Sinn es haben sollte, dass der Winter Sommer wird. Da der Schöpfer aber so entschieden hatte, dachte sie sich, dass er schon wissen wird, was er tut und willigte ein.

Der Engel brachte dem Winter, der in einiger Entfernung auf ihn wartete die Botschaft, dass die Sonne einverstanden war. „Nun kannst du Sommer sein“ teilte er ihm mit. „ Allerdings und das ist die nächste Bedingung, um dem Sommer nicht zu schaden, erst zu deiner Zeit. Das heißt, nach dem Herbst. „Das ist ja wunderbar“ freute sich der Winter „ich darf Sommer sein. Ist doch egal wann. Hauptsache ich bin Sommer. Herrlich.“ „Wie du meinst“, entgegnete der Engel. „Eine Bedingung gibt es allerdings noch. Sie ist die wichtigste von allen. Es darf weder Mensch, noch Tier dadurch zu Schaden kommen.“ „Das ist doch selbstverständlich. Ich will doch auch niemandem schaden. Ich will einfach nur Sommer sein. Ich passe auf, ganz bestimmt. Du kannst dich auf mich verlassen“. „Gut“, sagte der Engel „dann hast du jetzt deinen Willen, gehe sorgsam damit um.“

Der Winter, der es kaum fassen konnte war mit seinen Gedanken schon ganz woanders. Er malte sich bereits aus, wie es sein wird Sommer zu sein. Sich mit den Menschen freuen zu können und wie die Menschen ihn lieben. Dabei merkte er nicht, dass der Engel längst gegangen war. Er war viel zu sehr damit beschäftigt sich als Sommer zu sehen.
„Oh, er ist schon gegangen“, sprach er nach einer ziemlich langen Zeit in der er in seine Gedanken versunken war „und ich habe mich nicht mal bei ihm bedankt, dass er mir meinen größten Wunsch erfüllt hat.

Die Zeit verging und der Frühling kam. Der Winter konnte es kaum abwarten. Er sah weder wie alles neu erblühte und von vorne anfing, noch, wie er immer ungeduldiger wurde. Dann ging der Frühling und der Sommer kam. „Von ihm schaue ich mir ein wenig ab, aber ich will es auf jeden Fall besser machen“ dachte er bei sich und beobachtete den Sommer ganz genau. und es wurde Herbst. Der Winter war so aufgeregt, dass er kaum noch schlafen konnte. „Jetzt bin ich dran. Jetzt bin ich Sommer. Wie wunderbar. Wie herrlich“, jauchzte er, „was mache ich zuerst?

Das erzähle ich Euch in der nächsten Geschichte..


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Tag der Veröffentlichung: 22.11.2010

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