Es war eine tiefrabenschwarze Nacht. Kein Mond war am Himmel zu sehen. Nur der leichte Lichtschimmer einer Straßenlaterne drang in das kleine Zimmer. Sahra lag in ihrem Bett und starrte an die Decke. Sie war stinkewütend. Mit ihren 16 ½ Jahren war sie nun doch wirklich alt genug auf die Party von Robert, dem Bruder ihrer besten Freundin Sonja, zu gehen. Aber nein, sie hatte Hausarrest. Nur weil sie gestern eine halbe Stunde zu spät nach Hause kam. Konnte sie vielleicht was dafür, das ihr der Bus vor der Nase weggefahren war und nur alle halbe Stunde die Busse fuhren? Nein, aber ihre Eltern sahen das anders.
„Du musst lernen Verantwortung zu tragen. Wärst du eher aus der Disco raus, hättest du den Bus nicht verpasst.“ hatte ihr Vater argumentiert. Ja und nun lag sie hier, während alle anderen feierten, und war mit sich und der Welt uneins.
Gerade begann Sahra einzunicken, da schrack sie auch schon wieder hoch. War da nicht gerade ein Geräusch gewesen? Wie das flattern einer großen Fahne im Wind? Sahra versuchte das Dunkel in ihrem Zimmer mit den Augen zu durchdringen. Natürlich war da nichts zu sehen. Was hätte da auch zu sehen sein sollen? Nichts, was nicht auch tagsüber da gewesen wäre. Sahra drehte sich auf die Seite und schloss erneut die Augen. Blos nicht darüber nachdenken wie viel Spaß ihre Freunde jetzt wohl hatten.
Sahra war gerade wieder am wegdösen, da setzte sich jemand zu ihr an die Bettkannte. Schlaftrunken wie sie war, fragte sie: „Was ist denn los? Ich schlaf ja schon.“ In der Annahme es wäre ihr Vater oder ihre Mutter, machte sie sich nicht mal die Mühe die Augen zu öffnen, geschweige denn sich umzudrehen. Aber die Stimme die ihr antwortete, war nicht die ihrer Eltern. Die Stimme war dunkel und sanft und verursachte tief in ihrer Bauchgegend ein angenehmes ziehen. „Hallo Sahra, hab keine Angst. Ich will dir nichts böses tun.“ Jemand berührte sie sachte an der Schulter. „Dreh dich doch bitte zu mir um und sieh mich an.“ Schlaftrunken drehte sich Sahra um und blinzelte mit ihren Augen. Zuerst sah sie nur einen dunklen Umriss, doch so nach und nach konnte sie Einzelheiten erkennen.
Vor ihr saß ein junger Mann, vielleicht 20 Jahre alt. Er hatte dunkle Augen und dunkle kurzgeschnittene Haare. Sahra vermutete, das sowohl die Augen wie auch die Haare tiefschwarz waren. Das Gesicht des jungen Mannes war nicht einfach nur attraktiv, es war geradezu unverschämt schön. Noch nie hatte sie einen so schönen Menschen gesehen. Ihr schlug das Herz bis zum Hals. Er trug so etwas wie einen Umhang, der ihm um die Schultern fiel. Aber nein, bei genauerem hinsehen konnte Sahra riesige Fledermausflügel erkennen, die er um seine Schultern gelegt hatte.
Irgendwie in ihrem Hinterkopf dachte Sahra daran, das sie eigentlich Angst haben müsste, weil da ein fremder Mann an ihrem Bett saß, aber der Gedanke blitze nur ganz kurz in ihrem Gedächtnis auf und war dann auch gleich wieder verschwunden.
Der Mann sah Sahra direkt in die Augen und dann huschte ein freches Lächeln über sein Gesicht. Dabei waren die Zähne in seinem Mund deutlich zu sehen und Sahra konnte erkennen das er spitze Eckzähne hatte. „Bist du ein Vampir?“ fragte Sahra. Worauf das Lächeln nur noch breiter wurde. „Glaubst du an Vampire?“ fragte er zurück. Sahra schüttelte den Kopf. „Eigentlich nicht, aber ich seh mir die Vampirfilme gerne an.“
„Nein, ich bin kein Vampir. Mein Name ist Dargon und ich bin ein Nachtalb.“ erwiederte er. Sahra sah in fragend an: „Was ist ein Nachtalb?“ „Nachtalben bringen den Menschen die Albträume“ erklärte Dargon. „Die Albträume? Das ist aber nicht sehr nett.“ Sahra schüttelte sich. „Nunja, die Albträume bringen wir euch Menschen, damit ihr euch fürchtet. Diese Furcht ist unsere Nahrung, wir leben von der Furcht der Menschen.“
„Ich hatte schon lange keine Albträume mehr“ meinte Sahra. Dargon grinste Sahra an: „Ich weiß. Seit ein paar Jahren bin ich für dich zuständig, seit dem hast du keine Albträume mehr.“ Sahra schaute ihm in die Augen. „Warum lässt du mich keine Albträume träumen?“ fragte sie. Nun wurde Dargon etwas verlegen. Unbehaglich wich er ihr mit den Augen aus und druckste herum. „Nunja, ähmmm, also, als ich vor ein paar Jahren die Zuständigkeit für dich bekam, ähmmm, also da ist etwas passiert.“ Sahra sah ihn fragend an. „Was ist da passiert?“ „Naja“ Dargon druckste weiter herum. „Naja, weißt du. Wir Nachtalben kennen nur wenige Gefühle. Wir kennen nur die Angst welche wir bringen und die uns nährt.“ „Ja, und weiter.“ Sahra war jetzt neugierig. „Najaaaaa, also, als ich dich zum ersten mal sah war da so ein warmes angenehmes Gefühl in mir. So etwas hatte ich vorher noch nie gefühlt.“ Dragon wurde rot bis unter die Haarspitzen. „Aha, und weiter.“ Sahra legte den Kopf schief und sah Dragon weiter an. „Ok, also, ähmmm, nach einiger Zeit bekam ich dann raus was das für Gefühle sind die ich dir gegenüber habe.“ Dargon schluckte. „Ich bin der erste Nachtalb, der sich verliebt hat.“ Jetzt war es raus. Er sah Sahra vorsichtig an. Sahra musterte ihn lange und nachdenklich. Dann beugte sie sich langsam vor und gab Dargon einen kleinen Kuss auf den Mund. „Ich denke wir zwei haben uns noch viel zu erzählen.“ meinte sie und grinste ihn ihrerseits an.
Am nächsten Morgen als Sahra zum Frühstück kam, hatte sie dunkle Ränder unter den Augen. „Na, warst du so wütend auf uns, das du nicht schlafen konntest?“ fragte ihr Vater sie. Sahra verkniff sich ein Grinsen. „Nein Paps, ich bin nicht mehr sauer auf euch. Ich hatte nur die ganze Nacht einen Albtraum.“
Nachwort:
Komischerweise wollte Sahra von da an gar nicht mehr auf Party´s gehen. Ihre Eltern wunderten sich sehr, das sie immer schon so früh zu Bett ging. Aber wie Eltern nun mal so sind, waren sie froh, das sie sich keine Sorgen wegen Sahra machen mussten. Denn wer nicht auf Party´s geht kann ja nix anstellen. … grins …. Aber warum nur sah Sahra in der Frühe immer so erledigt und unausgeschlafen aus?
Texte: Copyright-Rechte by Astrid B.
Coverbildquelle: Sommaruga Fabio / pixelio.de
Tag der Veröffentlichung: 08.09.2010
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