Yves Patak
Gespräche
mit Luzi
Erleuchtung für Unwillige
Copyright © 2017 Yves Patak
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Published by Patak Press
1. Auflage 2008 Engelsdorfer Verlag, Copyright © 2008 Yves Patak.
Englische Ausgabe Dialogue with the Devil 2010 Rainbow Ridge LLC, USA.
2., überarbeitete Auflage 2017, Copyright © 2017 Yves Patak
Alle Rechte beim Autor. Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm, elektronische oder andere Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Autors reproduziert oder unter Verwendung elektronischer oder sonstiger Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.
ISBN 978-1-4701-6020-3
Umschlaggestaltung: Miladinka Milic - www.milagraphicartist.com
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Für Tiziana
Danksagung
Meinen aufrichtigen Dank an Tiziana Della Tommasa und Hansruedi Ramsauer, die beide wesentliche Anregungen zu diesem ‚Gespräch der anderen Art’ beitrugen. Ein ganz herzlicher Dank geht auch an meine geschätzte Beraterin Karin Vial für ihre Hilfe und Unterstützung meiner schriftstellerischen Arbeit sowie an meinen amerikanischen Verleger Robert Friedman, der dieses Buch unter dem Titel ‚Dialogue with the Devil’ in den USA veröffentlichte.
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Inhaltsverzeichnis
Vorwort
Technisch gesehen war mein Leben perfekt. Beruflich war ich als Arzt erfolgreich und beliebt, von Haus aus vermögend, ich hatte eine schöne, intelligente Frau und drei reizende Kinder. Über die Jahre schlich sich jedoch ein bitterer Verdacht in mein Leben, und ich kam zur Erkenntnis, dass ich wohl zur Spezies der grundlos Unzufriedenen gehören musste. Wo bei anderen der Enthusiasmus über mich und mein Leben keine Grenzen kannte, konnte ich nur zynisch lächeln und für mich denken: „Tja, das war’s dann wohl…“.
Nachdem ich mein Leben lang Steigerungsmöglichkeiten gesucht und gefunden hatte, war ich an einem Punkt angelangt, wo es nichts mehr gab, was mich noch richtig stimulieren konnte. Ich hatte alles, was man sich mit vernünftigem Ehrgeiz und Fleiß erwünschen und erarbeiten konnte. Das Leben war irgendwie lauwarm geworden und schmeckte fade. So lebte ich in dieser bleiernen, wolkenverhangenen Grundstimmung – bis zu jenem mir für alle Ewigkeit unvergesslichen Tag, als mein Leben sich jählings veränderte.
Das Gespräch kam sehr unerwartet. An einem ungebührlich kalten, verregneten Pseudosommertag verabschiedete ich abends um sechs meinen letzten Patienten, machte ein paar Aktennotizen, ließ den Laptop auf meinem Pult herunterfahren und klappte ihn zu. Wie jeden Abend bereitete ich mir in der meditativen Stille meiner feierabendlichen Praxis noch eine Tasse duftenden Darjeeling Tee und ließ den Tag Revue passieren. Ebenso zur Routine gehörte nach dem Tee der letzte Kontrollgang durch die Praxis. Alle Fenster waren geschlossen, die Laborgeräte ausgeschaltet, die Lichter gelöscht. Aus einem mir unerklärlichen Grund blickte ich noch einmal kurz in mein Sprechstunden- Zimmer – und blieb verdutzt stehen. Der Laptop auf meinem Pult war aufgeklappt und eingeschaltet. Verblüfft näherte ich mich dem elektronischen Tyrannen. Leise surrend stand er auf meinem Schreibtisch, als ob er auf mich gewartet hätte. Ich fühlte, wie mein Herz etwas stärker pochte. Natürlich war es möglich, dass ich statt auf „Ausschalten“ auf „Neustart“ gedrückt hatte – aber wie zum Teufel hatte sich der Laptop wieder von allein aufgeklappt? Mit gefurchter Stirn näherte ich mich dem geduldig summenden Objekt. Dann kam der Moment, der ein neues Kapitel in meinem Leben einläuten sollte. Mit weit aufgerissenen Augen starrte ich auf den Bildschirm. In einer bombastischen 36-Font-Schrift stand dort geschrieben:
JETZT REDE ICH!
Eine Gänsehaut kroch meinen Rücken hoch und runter und breitete sich auf meine Arme aus, bis alle Härchen pfeilgerade standen. Meine Beine waren plötzlich butterweich. Eine fremdartige Stimmung hatte sich in meinem Zimmer breitgemacht, wie eine unheimliche Präsenz. Ich setzte mich mit einem mulmigen Gefühl vor meinen Computer und starrte auf die drei Worte. Wer zum Henker sollte so etwas schreiben? Und wie? Das unheilvolle Gefühl steigerte sich zu einer quälenden Ahnung, als ich erkannte, dass die Internetverbindung nicht aktiviert war. Vor meinen gebannten Augen flimmerte eine Word-Datei, was bedeuten musste, dass niemand sich über das weltweite Netzwerk einen albernen Witz erlaubte, sondern dass jemand direkt an meinem Laptop gesessen hatte! Aber wann? Während des Kontrollgangs durch die sieben Zimmer meiner Praxis hatte ich mein Sprechstundenzimmer wohl kaum länger als drei Minuten verlassen.
Fieberhaftversuchte ich mir das absurde Szenario vorzustellen, wie ein wieselflinker Einbrecher mit einem abwegigen Sinn für Humor sich blitzschnell auf meinen Computer stürzte, um mir eine Zeile zu hinterlassen – eine ominöse Zeile, die mir nicht viel mehr sagte als die Heisenberg’sche Unschärferelation oder eine japanische Gebrauchsanweisung. Ich schaute mich in meinem Büro um. Alles schien an seinem Platz zu stehen. Keine Spur eines Einbruchs, keine Anzeichen von Vandalismus, keine gestohlenen Medikamente oder Rezeptzettel. Aus einem abergläubischen Gefühl heraus zog ich die Steckkarte aus dem Computer, die mich drahtlos mit dem Internet verbinden konnte. Ich wollte zweihundert Prozent sicher sein, dass es sich bei dieser unerklärlichen Episode nicht um einen professionellen Hacker handelte, der sich aus der Distanz einen dummen Spaß mit mir erlaubte. Danach drückte ich auf die „Computer ausschalten“ Taste und wartete, bis der Bildschirm dunkel wurde. Da begann das wahrhaft Gespenstische. Der Bildschirm wurde tatsächlich schwarz, aber der Computer summte weiter – und plötzlich standen die drei Worte – JETZT REDE ICH! – in roten Lettern auf schwarzem Hintergrund. Aus meiner Besorgnis wurde Entsetzen. Was zum Teufel war in meinen Computer gefahren? Ich drückte auf die „Löschen“-Taste und wartete. Die drei Worte verschwanden sogleich. Wenige Sekunden später erschien in scharlachroten Buchstaben:
HABE ICH JETZT DEINE AUFMERKSAMKEIT?
Mit offenem Mund starrte ich auf die blutrote Zeile, die über dem schwarzen Hintergrund zu schweben schien. Als psychologisch geschultem Arzt war mir sogleich klar, dass die bestmögliche Erklärung für diesen Spuk diejenige war, dass ich soeben den Verstand verloren hatte. Ich versuchte mir ein Leben vorzustellen, in dem ich täglich morgens eine rote, mittags eine grüne und abends eine gelbe Pille schlucken musste, um keine Stimmen zu hören oder fremde Texte auf meinem Computer zu sehen. Der Bildschirm flimmerte, und sechs neue Zeilen erschienen:
DU BIST NICHT PARANOID. ICH MÖCHTE MICH EINFACH MIT DIR UNTERHALTEN. ABER WENN DU NICHT WILLST – ES GIBT MEHR ALS GENUG SEELEN AUF DIESER WELT, DIE MICH LIEBEND GERNE ERHÖREN WÜRDEN…
Ich war verrückt! Mit diesem Gedanken kam ein Übelkeit erregendes Kunterbunt an Emotionen: Angst, Ungläubigkeit, Anspannung … und, unerwarteterweise, eine gute Portion Neugier. Wenn ich schon dem Wahnsinn verfallen war oder mir jemand eine Dosis LSD in meinen Tee gemischt hatte, warum sollte ich mich nicht auf dieses Abenteuer einlassen? Mit größter Wahrscheinlichkeit würde ich entweder schreiend im Bett erwachen, oder man würde mich geifernd in einer eng gezurrten Zwangsjacke abführen. Also los, dachte ich, mal schauen, wohin das führt! Mit diesem Gedanken legte ich meine Hände auf die Tastatur und tippte mit klammen Fingern:
Wer bist du?
Wieder summte der Computer kurz auf, der Bildschirm flackerte, und ich las mit einer plötzlichen Frostigkeit im Herzen:
SATAN!
1
Ich war noch nie ein kaltblütiger Mensch, was mir in einer solchen Situation vermutlich geholfen hätte, doch versuchte ich, im Rahmen meiner Möglichkeiten einen kühlen Kopf zu bewahren. Die Netzwerkkarte lag neben dem Computer. Es war somit unmöglich, dass irgendein unwillkommener Eindringling, ein zwielichtiger „Chatter“, sich über das Internet mit mir in Verbindung setzen konnte. Ich fragte mich, ob es Viren gab, die ein solches Programm, wie es offenbar hier vorlag, wie ein Kuckucksei in einen Computer rein schmuggeln und zu gegebener Zeit öffnen konnten. Aber damit war noch keineswegs der eingeschaltete und aufgeklappte Laptop erklärt. Da mir in meiner Nervosität nichts Gescheiteres in den Sinn kam, schrieb ich mit pochendem Herzen und einfallslosem Gemüt:
Beweise es! Wenn du Satan bist, kannst du sicher sehen, welche Kleidung ich gerade trage!
Die Antwort kam ohne Zögern.
DU TRÄGST EIN PFIRSICHFARBENES HEMD, VERBLICHENE BLUE JEANS UND EINE ZIEMLICH HÄSSLICHE SCUBA SWATCH, DIE VIER MINUTEN NACHGEHT. DU HAST BARTSTOPPELN UND RINGE UNTER DEN AUGEN. DEIN LINKER ELLENBOGEN JUCKT.
Mit offenem Mund und starrem Blick kratzte ich mich am linken Ellenbogen und schaute dann langsam an mir hoch und runter. Es stimmte alles. Ich fragte mich, ob im Nachbarhaus ein Voyeur mit Feldstecher Position bezogen hatte, doch die Rollläden - waren bereits herunter gerollt. Kein Mensch konnte mich sehen. Mein Verstand machte verzweifelte Abwehrmanöver gegen das Undenkbare, und mein Puls raste. Ich hatte einen Geschmack im Mund wie feuchte Watte. Mit bebenden Fingern tippte ich:
Wer auch immer du bist, falls ich herausfinde, dass du mich bespitzelst, kriegst du Ärger mit mir und der Polizei. Ich empfehle dir, mit diesen Spielchen aufzuhören, sonst könnte es dir bald leid tun!
BRAUCHST DU MEHR BEWEISE? FRAG MICH IRGENDETWAS – ICH KENNE ALLE ANTWORTEN!
Bitte sehr: wie hießen Kaiser Nemos erste und zweite Frau?
OCTAVIA UND POPPAEA SABINA.
Okay, in Geschichte bist du offenbar sattelfest. Was ist Thyreotropin?
EIN GLYKOPROTEID DER HIRNANHANGSDRÜSE, DAS DIE JODIDAUFNAHME DURCH DIE SCHILDDRÜSE UND DIE FREISETZUNG DER SCHILDDRÜSENHORMONE STIMULIERT.
Alles klar, du musst ein Arzt sein, wahrscheinlich einer, der mich kennt. Was noch lange nicht heißt, dass du alles weißt. Was ist der Unterschied zwischen Rot- und Weißglut?
ROTGLUT IST ZWISCHEN 700 UND 900 GRAD CELSIUS HEISS, WEISSGLUT ÜBER 1300 GRAD. DIE GLÜHFARBEN KÖNNEN ZUR TEMPERATURBESTIMMUNG GENUTZT WERDEN.
Was ist Stannum?
DER LATEINISCHE NAME FÜR ZINN.
Gebildetes Bürschchen. Was ist mein Lieblingsdrink?
MOJITO, MIT VIEL ZITRONE UND WENIG ZUCKER.
Ich bin echt beeindruckt. Was hatte ich als Kind für eine ungesunde Angewohnheit?
DU KNABBERTEST GERNE AN DEN KÖPFEN VON ABGEBRANNTEN STREICHHÖLZERN, WAS KULINARISCH ETWAS FRAGWÜRDIG IST.
Alles klar. Du bist jemand, der mich verdammt gut kennt. Wahrscheinlich sogar jemand, der mich heute gesehen hat, in meiner Praxis, weshalb du weißt, was für Klamotten ich trage. Ich habe keine Ahnung, wie du heute Abend in meine Praxis und an meinen Laptop gekommen bist oder wie du jetzt auf meine Fragen antwortest, aber vielleicht ist das ja ein abgekartetes Spiel, und ja, vielleicht hat dir heute meine Arztgehilfin heimlich die Türe geöffnet, bevor sie gegangen ist. Ich bin noch lange nicht überzeugt. Kannst du denn auch in meine Seele sehen?
SICHER.
Was für ein verrücktes Bild stelle ich mir gerade in dieser Sekunde krampfhaft vor?
DU STELLST DIR EINEN NEONGRÜNEN WALFISCH MIT KNALLROTEN BALLERINASCHUHEN UND GOLDZÄHNEN VOR, UND GLEICHZEITIG DENKST DU, DASS DU VÖLLIG MESCHUGGE SEIN MUSST.
Touché. Das ist verblüffend. Was beschäftigt mich denn zurzeit am meisten? Welches Thema verfolgt mich bis in meine Träume?
DU HAST DEN SINN DES LEBENS VERLOREN. DU BIST BERUFLICH ERFOLGREICH, VON HAUS AUS VERMÖGEND, HAST EINE SCHÖNE, INTELLIGENTE FRAU UND DREI REIZENDE KINDER. TROTZDEM FINDEST DU PLÖTZLICH KEINE STEIGERUNGSMÖGLICHKEITEN MEHR, FINDEST DAS LEBEN LAUWARM UND FADE.
Wieder klappte mir die Kinnlade herunter. Kraftlos ließ ich mich gegen die Lehne meines Bürosessels zurückfallen. Der Kerl konnte mir direkt ins Herz sehen! Ich versuchte, meine aufkeimende Panik in den Griff zu bekommen, indem ich schnell das Thema wechselte:
Wie bist du mit meinem Computer verbunden? Ich habe die Netzwerkkarte herausgezogen! Theoretisch kann gar keine Verbindung bestehen.
ICH BIN ÜBERALL UND NIRGENDS…
Sehr witzig. Sag schon.
ICH BIN AUCH IN DEINEM KOPF. WENN DU MÖCHTEST, KÖNNEN WIR UNS AUCH DORT UNTERHALTEN.
Um Gottes Willen nein! Lass deine Finger von meinem Kopf und bleib gefälligst im Computer! Den kann ich zur Not aus dem Fenster werfen.
DANN WERDEN MEINE WORTE IN FLAMMENDER SCHRIFT VOR DEINEM FENSTER ERSCHEINEN…ODER IN DEINEM SCHLAFZIMMERSPIEGEL… ODER IN DEINEN
TRÄUMEN.
Träume ich denn jetzt? Ist das alles ein Traum, oder eine akute Schizophrenie, oder bist du einfach ein gottverdammter Hacker?
DU GEBRAUCHST DEN NAMEN DES SCHÖPFERS IN EHRFURCHTSLOSER WEISE. BIST DU DENN KEIN GOTTESFÜRCHTIGER MENSCH? NATÜRLICH WEISS ICH AUCH DAZU DIE ANTWORT – SONST HÄTTE ICH MICH JA NICHT BEI DIR GEMELDET.
Was zum Teufel willst du von mir???
AH, JETZT GEFÄLLST DU MIR SCHON BESSER! ALSO, ES GEHT UM FOLGENDES: OBWOHL ES MICH SCHON FAST SO LANGE GIBT WIE EUREN LIEBEN GOTT, WERDE ICH AUCH NACH ZWEITAUSEND JAHREN CHRISTENTUM WEITERHIN FALSCH VERSTANDEN, FALSCH INTERPRETIERT, UND GLOBAL VERTEUFELT.
VOR EINIGEN JAHREN MACHTE EIN BUCH NAMENS „GESPRÄCHE MIT GOTT“ FURORE. PLÖTZLICH GLAUBTEN MILLIONEN VON ZUVOR UNGLÄUBIGEN MENSCHEN AN EINE GÖTTLICHE MACHT – AN MICH JEDOCH GLAUBEN SEIT DEM MITTELALTER IMMER WENIGER MENSCHEN. ICH DROHE IM SUMPF DER VERGESSENHEIT ZU VERSINKEN, IM REICH DER MYTHEN UND LEGENDEN ZU VERSANDEN. DIEJENIGEN, DIE DEN KONTAKT ZU MIR SUCHEN, WOLLEN IMMER NUR DAS EINE: EINEN PAKT MIT DEM TEUFEL. UND SEIT MENSCHENGEDENKEN GEHT ES DABEI IMMER NUR UM MACHT, GELD, MISS- BRÄUCHLICHEN LIEBESZAUBER, SEX, EWIGE JUGEND UND GESUNDHEIT. RICHTIG VERSTANDEN HAT MICH ABER BISHER KEINER. EIGENTLICH VERSUCHT SCHON GAR NIEMAND, MICH ZU VERSTEHEN. NIEMAND HAT BEGRIFFEN, WAS MEINE EIGENTLICHE FUNKTION AUF DIESEM PLANETEN IST. DESHALB WILL ICH NUN ÜBER DICH AN DIE MENSCHEN GELANGEN. ZUSAMMEN WERDEN WIR EIN NEUES BUCH SCHREIBEN!
Ein neues Buch? Was für ein Buch?
„GESPRÄCHE MIT LUZI“!
Das ist ein Scherz, nicht wahr?
KEINESWEGS. ICH BIN TEUFLISCH ERNST. UND SEI GEWAHR, DASS MAN DEM TEUFEL KEINEN WUNSCH ABSCHLAGEN SOLLTE…
Hör mal, ich bin weiterhin alles andere als überzeugt. Ich glaube weder so richtig an Gott noch an den Teufel. Warum sollte ich nun dir glauben? Ich habe schon gehört, dass es so etwas wie „automatisches Schreiben“ gibt, wo die Leute plötzlich spontan mit dem Dalai Lama, mit Elvis oder Churchill kommunizieren und sich danach nicht mal daran erinnern, oder dies zumindest behaupten. Vielleicht erleide ich momentan gerade einen Nervenzusammenbruch, was einiges von diesem Unfug erklären würde.
DU HAST DAS BUCH „GESPRÄCHE MIT GOTT“ GELESEN, UND ALS DU ES LASEST, GLAUBTEST DU IN EINEM TEIL DEINER SEELE DARAN, DASS AN DIESEM GOTT ETWAS DRAN SEIN KÖNNTE. WARUM SOLLTE ICH, SATAN, WENIGER AUTHENTISCH ODER PLAUSIBEL SEIN?
2
Na ja, weil es den Teufel im eigentlichen, faktischen Sinn nicht gibt! Gott könnte man ja immerhin als abstrakten Begriff, als Symbol für alle Aspekte der Schöpfung sehen, die wir Menschen nicht begreifen können. Einige Menschen glauben an einen Gott in Menschengestalt, andere an eine diffuse Urkraft, an eine alles durchdringende Matrix, an ein endloses, alles verbindendes morphogenetisches Feld, oder an ein Universum voller Geister und Mächte. All dies könnte man ja irgendwie unter dem Begriff „Gott“ subsumieren. Aber der Teufel… nun, der war doch immer nur der Buhmann, respektive das für viele Menschen unentbehrliche Symbol für das Böse. Der Teufel ist ein Monument an unsere Lebensanschauung, dass immer „jemand anderes schuld ist“ an allem Negativen, das auf dieser Welt geschieht. Zudem ist der Teufel nötig als Beweis für die Dualität aller Dinge. Der Teufel ist somit ein Sinnbild, die personifizierte Gefahr, meine ich, das standardmäßige Machtmittel für die katholische Kirche, ein Schreckgespenst, um Kinder und Erwachsene gleichermaßen zum Gehorsam zu zwingen. Aber niemand glaubt doch wirklich an einen tatsächlichen, lebendigen Teufel, der sich als eigene Entität in wildfremder Leute Computer einloggt!
HÄTTEST DU ES LIEBER, WENN ICH MICH IN DEINE SEELE EINLOGGEN WÜRDE?
Untersteh dich!
DANN HÖR ZU – DENN JETZT SPRECHE ICH!
Was möchtest du mir denn so Dringendes sagen? Und warum ausgerechnet mir?
WEIL DU EIN UNGLÄUBIGER, EIN SKEPTIKER, EIN ZWEIFELNDER, ABER DENNOCH EIN SUCHENDER BIST. UND OBWOHL DU ALL DAS OBIGE BIST, HAST DU GOTT IRGENDWIE, IRGENDWANN GLAUBEN GESCHENKT. INZWISCHEN HABEN WEGEN BESAGTEM BUCH MILLIONEN VON MENSCHEN GOTT IHREN GLAUBEN GESCHENKT, UND IRGENDWO HÖRT AUCH BEI MIR DER SPASS AUF. DAS TRADITIONELLE DENKEN VON GUT UND BÖSE STEHT AUF DEM SPIEL, UND DAS MACHT MICH IRGENDWIE NOCH SCHWERMÜTIGER, ALS ICH ES SCHON BIN.
Wieso schreibst du überhaupt alles in Grossbuchstaben?
Nun, ich dachte, es wirkt dann irgendwie imposanter, majestätischer, wenn du verstehst was ich meine. So besser?
Ja, schon.
Also, hör mir zu. Der Gott, den du in jenem Buch so beeindruckend fandest, ist eigentlich ein ziemlicher Angeber. Ich will nicht leugnen, dass er das Universum zum größten Teil kreiert hat. Oder sagen wir, er hat die Blaupausen gemacht, und ich das „Finish“. Ohne mich läuft im Universum so gut wie nichts. Ich finde es eine Unverschämtheit, wenn man mich sozusagen zu einem Symbol für den „falschen Weg“ stempelt, ohne meine guten – um nicht zu sagen: essentiellen, lebensnotwendigen – Seiten zu würdigen.
Moment mal. Da ich ja offenbar träume, und dieses fragwürdige Spiel aus mir selbst unbegreiflichen Gründen mitspiele, lass mich mal Folgendes fragen: gesetzt den Fall, es gäbe dich wirklich – hättest du wirklich den Nerv, zu behaupten, die Welt brauche dich?!
Ja.
Ja?
Sicher.
Und warum, bitte sehr?
Weil das Universum, der Kosmos, das All ein Gleichgewicht braucht. Gut und Böse. Oben und Unten. Yin und Yang. Ursache und Wirkung. Verstopfung und Durchfall. Die Menschheit in ihrer grenzenlosen Ignoranz weiß leider immer noch viel zu wenig um dieses universelle Gesetz. Weißt du, wer sich um dieses Gleichgewicht kümmert?
Nun ja… niemand! Das kosmische Gleichgewicht hält sich ganz von alleine!
Falsch.
Dann Gott?
Voll daneben.
Wer sonst?
Ich.
Du? Du willst sagen, dass du für das göttliche Gleichgewicht sorgst? Na da knutscht mich wohl ein Elch!
Du kannst dich knutschen lassen, bis du blaue Flecken kriegst: Ich bin derjenige, der das göttliche Gleichgewicht aufrechterhält. Denn auch ich bin ein Gott. Nur, dass euer „lieber“ Gott seit langem einen neuen Job als Zuschauer angenommen hat. Das Amt des Schöpfers, Supervisors und Managers hat er vor langer Zeit aufgegeben…
Supervisor? Manager? Wie meinst du das?
Nun, er hat das ganze Universum konzipiert, hat mich erschaffen wie den Rest der Kreation, und seither lehnt er sich in seinem Schaukelstuhl zurück und betrachtet mit selbstgefälligem Lächeln das Chaos seiner Schöpfung. Dabei raucht er eine Cohiba der teuersten Sorte und schlürft einen Chivas Regal.
Gott raucht und trinkt???
Das war ein Witz. Hast du mir überhaupt zugehört?
Sicher. Mir kommt es nur so vor, als ob du hier auf die abgedroschene Taktik der Polemik abzielst. Gott in den Dreck zu ziehen erscheint mir etwas billig für einen angeblich so mächtigen Herrscher wie dich.
Ich habe ja gar nichts gegen ihn. Es betrübt mich nur, dass der Mensch alles Laster mir anhängt und meine erhebliche Leistung zur Unterstützung und Erhaltung des kosmischen Gleichgewichtes nicht anerkennt. Dass ich hier mit dir so rede und dir reinen Wein einschenke hat jedoch nichts mit gekränktem Stolz und Wunsch nach Anerkennung zu tun: es geht vielmehr darum, dass ihr endlich begreifen sollt, was meine wahre Funktion ist. Denn erst wenn ihr diese meine Funktion versteht, werdet ihr auch die höheren, göttlichen Zusammenhänge in einem ganz neuen Licht erkennen. Du kannst kein Buch lesen, ohne zuvor das Alphabet zu erlernen.
Ich soll mir von Satan, dem Höllenfürsten, die „göttlichen Zusammenhänge“ erklären lassen? Das ist ja wohl das Paradox des Jahrtausends!
Hör auf zu stänkern und hör mir zu. Seit Anbeginn der Menschheit stand ich dem Menschen wohl viel näher als sein so genannter Schöpfer. Ich war immer da, wenn er Hilfe brauchte, und ich lieferte meine Hilfe sofort, ohne fahle Versprechen vom Paradies, dem Leben nach dem Tode und dergleichen. Alles, was ich von meinen Klienten verlangte, war die Erkenntnis, dass alles eine Konsequenz hat. Mit jedem Geschäft brachte ich meinen Kunden das große Prinzip von Ursache und Wirkung näher. Deshalb gab es bei jedem Geschäft mit mir stets einen Preis zu bezahlen. Ich lieferte meine Dienste ohne Fehl und Tadel. Aber im Auftrag Gottes testete ich dabei seine Kreaturen, das heißt, euch, Tag und Nacht, ohne Atempause. Ich führte Gottes treuste Diener in Versuchung, unterjochte sie mit immer neuen Ängsten, piesackte sie mit schrecklichen Verlusten und Katastrophen – all dies im Auftrag Gottes.
Natürlich suchte ich stets nur diejenigen auf, die gerade „reif“ für solche Erfahrungen waren, jene, welche die richtige Resonanz für mich hatten. Im Auftrag Gottes teste ich die Menschen und lasse sie so lange in meinem Königreich leiden, bis sie bereit sind, sich auf den Weg in die All-Einigkeit zu machen. Dabei ist Gottes größtes Geschenk an euch – der freie Wille – gleichzeitig euer ärgstes Hindernis, eure verflixteste Stolperfalle.
Ich kann dir nicht so ganz folgen.
Ich bin der Gott der Entropie. Das Gesetz der Entropie besagt, dass alles nach der Unordnung, nach dem Chaos strebt. In „Gespräche mit Gott“
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Tag der Veröffentlichung: 17.11.2017
ISBN: 978-3-7438-4177-2
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