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>>Ich glaube, sie werden sich nicht melden<< Bran schüttelte wie wild den Kopf und warf mir einen traurigen Blick zu. Wir kamen gerade vom Flughafen und waren auf dem Weg nach Hause. Für ein Vortanzen war ich mit meinem besten Freund nach New York City gereist und aus meiner Sicht war er der Beste gewesen. Abgesehen das er so oder so gut aussah war er auch noch ein begnadeter Tänzer. Von Ballet bis Hip-Hop konnte er alles. Bestimmt würden sie ihn aufnehmen. >>Komm schon Bran.Du bist unglaublich. Der Superman des Tanzens. Sie werden dich schon nehmen.Und wenn nicht sind sie dumm.<< Bran lachte und grinste mich an.>>Du weißt immer was mich aufheitert Magnus.<< Er legte seinen Arm um meine Schultern und drückte mich an sich. Ältere Leute sahen uns entweder mit entsetzten Blicken an oder huschten so schnell sie konnten vorbei. Mich störte das, aber Bran sah das ganz locker. Eine Gruppe Jugendliche pöpelte von der anderen Straßenseite:>>He ihr Schwuletten,sucht euch ein Zimmer!<< Die Freunde des Schreihalses krümmten sich vor Lachen. Haha,wie witzig und cool sie doch waren.

Bran senkte den Kopf und flüsterte:>>Aus solchen Leuten sollte man sich nichts machen. Du weißt,wie gut ich das selbst weiß.Warte hier, ich kenn jemanden, der hier wohnt. Dauert nur ein paar Minuten.<< Bran drückte meine Hand und klingelte. Ich wandte mich ab,vergrub die Hände in den Taschen meines Mantels und ging zum Straßenrand. Es war viel kälter hier als in New York. Die Jugendlichen von eben hatten die Straßenseite gewechselt und kamen auf mich zu,allen voran der Schreihals. Ich senkte den Kopf und betete,dass sie vorbei gehen würden. Falsch gebetet. Sie kamen direkt auf mich zu und der Erste schubste mich leicht. Ich konnte seine Bierfahne riechen. Er grinste und schubste mich wieder.Dabei sagte er: >>Na du Schwuchtel,kannst du dich nicht verteidigen?<< Bevor ich überhaupt etwas sagen konnte,packte er mich am Kragen und schubste mich auf die Straße.

Ich stolperte rückwärts und hörte das schrille Quietschen von Reifen. Mein Herz blieb für einen Moment stehen. Wahrscheinlich würde ich jetzt sterben. Ein heftiger Schlag in den Magen warf mich nach hinten. Ein dumpfes Knallen hallte durch die Luft,gefolgt von noch mehr quietschenden Reifen und dann war Stille. Totenstille. Mir schmerzte immer noch der Magen.Wahrscheinlich war was angeknacktst. Schwerfällig stand ich auf. Unweit won mit entfernt stand ein Auto quer. Die Stoßstange war verbeult und eine dunkle Flüssigkeit tropfte daran herunter. Alle anderen Autos standen ebenfalls und die Fußgänger starrten so entsetzt,als wäre ein Unfall passiert. Ein böse Vorahnung beschlich mich. Langsam,wie um der Wahrheit nicht ins Auge sehen zu müssen,drehte ich mich um. Auf der Straße lag eine dunkle Gestalt,die langen schwarzen Haare wie ein Flutmeer um sie herum verteilt. Mir war schwindlig,mein Mund war staubtrocken und mein Magen zog sich schmerzhaft zusammen,als ich neben Bran auf die Knie fiel.

>>Bran?<< Ich tastete nach seiner Hand. Er bewegte sich nicht. Ich weiß nicht wie lange ich da kniete und Bran anflehte mir zu antworten. Eine Hand legte sich auf meine Schulter und zog mich von ihm weg. Sanitäter versperrten mir die Sicht.Verzweifelt versuchte ich zu ihm zu kommen,aber sie zogen ihn in ihren Wagen und nahmen ihn mit.

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Ich wollte so schnell wie möglich zu Bran. Der Sanitäter, der mich von ihm weggezogen hatte,redete auf mich ein. Seine Worte zogen ungehört an mir vorbei. Der Krankenwagen mit meinem Freund fuhr um die Ecke und war verschwunden. >>Sie können ihn besuchen,wenn er soweit ist.Das Krankenhaus wird sie informieren.<<.>>Und woher haben die den meine Nummer?!Ich will JETZT zu ihm!Lassen sie mich zu ihm!<< Ich schrie die Worte so laut ich konnte. Der Sanitäter zuckte zurück und für einen Moment glaubte ich,Ekel in seinen Augen aufblitzen zu sehen.

Ich riß mich los und rannte.Rannte bis mir die Luft wegblieb,rannte bis mein Kopf leer war,rannte bis nur noch der Gedanke an Bran mich vorwärtstrieb. Ohne auf die Worte der Empfangsdame zu achten rannte ich durch die Eingangshalle des Krankenhauses. Rasend wie ein Irrer suchte ich einen Arzt. Das Glück schien wenigstens jetzt auf meiner Seite zu stehen und ich packte den Arzt,der an mir vorbeilief,am Ärmel.>>Wo ist Bran Manson?Er hatte grade eben einen Autounfall.Wissen sie wo er ist?<< Der Arzt nickte verwirrt und deutete die Treppe hoch:>>Er liegt auf der Intensivstation,dritter Stock.<< Ich bedankte mich nicht mal und rannte einfach weiter. Fliegend sprang ich die Treppen hoch. Vor dem Zimmer blieb ich stehn. Sollte ich wirklich dort reingehen? Auf einmal sah ich Brans Gesicht vor mir.Das nahm mir die Entscheidung ab. Ich klopfte leise an und trat ins Zimmer. Ein einzelnes Bett stand im Raum.

Ein Arzt stand daneben und redete leise auf die Schwester ein, die dem Patienten etwas in den Arm steckte. >>Ist das Bran?<< Ich erkannte meine Stimme nicht wieder,so piepsig war sie.Der Arzt hob den Kopf,klappte die Akte zu und zog mich auf den Gang hinaus. >>Wer sind sie?<< Er klang unfreundlich.>>Ich bin Magnus Crowley,und das da drin ist mein Freund.Ich will zu ihm!<< Der Mann verzog das Gesicht. >>Normalerweise lasse ich solche....Männer nicht zu ihrem....Freund.<< Die Pausen zwischen den Worten taten fast so weh wie die Worte selbst.>>Aber meinetwegen.Sein Zustand ist kritisch.Er liegt im Koma.<< Die Schwester trat aus dem Zimmer,warf einen Blick auf mein Gesicht und verzog sich schnell Richtung Aufzug. Der Arzt wandte sich ab und ging. Tränen verschleierten meine Sicht.Koma?Würde Bran jetzt sterben?

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Die Ruhe im Krankenhaus war fast beängstigend. Der Tod schien durch die Gänge zu wandern und auf seine Beute zu lauern. Bran lag in seinem Bett wie tot.Früher war er ein Wirbelwind gewesen, ist herumgesprungen wie ein Eichhörnchen und konnte nie still sein. Ihn jetzt so zerschlagen zu sehen machte mich einfach fertig.Seit geschlagenen drei Stunden saß ich nun schon neben ihm und der einzige Beweis dafür,dass er noch lebte, waren die Geräte,die an ihn angeschlossen waren. Ich wusste nicht,wann ich gehen musste oder gehen konnte. Plötzlich brach draußen ein Tumult aus. Ich hörte Tens Stimme.Ten war Brans Bruder und hätte eigentlich mit seinem Freund Terry auf Mallorca sein müssen.

>>Ich will zu meinem Bruder!Das da drin ist mein Bruder und ich schwöre ihnen,wenn sie mich nicht zu ihm lassen verklage ich sie!Es kann doch nicht angehen das ihr mich nicht zu ihm lasst,nur weil ich schwul bin!Ich bin auch nur ein Mensch und dieser Mensch will zu seinem Bruder!Lasst mich los ihr verdammten...!<< Die Tür flog auf und ein Knäuel von Armen und Beinen stolperte ins Zimmer. Ten riß sich von dem Arzt los,der mir schon vor Brans Tür begegnet war.Brans Bruder zu sehen war noch einmal ein Schlag in den Magen für mich.Die beiden sahen sich viel zu ähnlich.Beide hatten sie das gleiche schwarze Haar und die hellen Augen.Nur das Brans Augen durch einen Unfall mit Chemikalien fast weiß geworden waren.

Nur ein winziger Hauch von blau lag in ihnen. >>Könnt ihr nicht leise sein?!Bran liegt im Koma und ihr macht hier so einen Aufstand!<< zischte ich und zog die Augenbrauen zusammen.Ten warf mir einen entschuldigenden Blick zu. Aber er sah seinen Bruder nicht an. Der Arzt schaute zwischen uns hin und her und verließ wortlos das Zimmer. Wahrscheinlich würde das noch ein Nachspiel haben. >>Ich hab was für dich.<< murmelte Ten verhalten und hielt mir eine CD hin. >>Du und Bran wart im Sommer doch in Nevada.Das sind die Videos und die Fotos.Wenn du willst kannst du sie dir anschauen.<< Ich nahm die CD entgegen und drehte sie zwischen den Fingern.Wir beide wussten das keiner von uns es ertragen könnte,diesen Film zu sehen.Nicht wenn Bran so vor uns lag. >>Danke.<< Meine Stimme versagte fast und ich drehte mich zum Fenster weg. Nicht weinen,nicht wenn Ten dabei ist mahnte ich mich selbst und atmete tief ein. >>Ich geh besser<<,murmelte er und drückte kurz meine Schulter.Ich hörte seine Schritte auf den Boden und dann fiel die Tür ins Schloss.Ich legte den Kopf in den Nacken und sagte mehr zu mir selbst als zu Bran:>>Glaubst du,es gibt noch Hoffnung?<<

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Drei Tage später war ich wieder bei Bran. Es hatte sich etwas verändert,aber es konnte auch sein,dass ich mir das nur einbildete. Aber eines war sicher: hören konnte er uns. Ich sah das Zucken unter seinen Augenlider. Kaum sagte ich etwas,zuckten seine Augen zu mir. Es sah beängistigend aus,als hätte man ihm die Augen zugenäht. Seine Lippen waren zu einem schmalen Strich zusammengepresst.Ich hatte die Hoffnung,dass er kämpfte.Gegen das Koma,gegen seinen eigenen Körper kämpfte und wieder bei vollem Bewusstsein sein wollte.  >>Ich wünschte,das alles würde schneller gehen.<< flüsterte ich.Wieder das Zucken. Ten saß mir gegenüber, den Kopf in die Hände gestützt und sah zweifelnd auf seinen Bruder hinab. >>Er hat mir immer gesagt, dass uns nur die Grenzen halten,die wir uns selbst setzen. Glaubst du,dass ist wahr?<< Das Zucken ging in Tens Richtung.

>>Ja.Ich meine,der Arzt hat gesagt,Bran müsste eigentlich tot sein. Aber er lebt noch.<< erwiderte ich und griff nach Brans Hand.Ich spürte wie das Blut durch seine Adern floß.Ich wollte,dass Ten ging.Nicht weil ich ihn nicht hierhaben wollte.Ich wollte etwas an Bran kontollieren,aber Ten musste dafür verschwinden. Als hätte er meine Gedanken erraten, stand er auf und murmelte:>>Ich gehe nach unten.Sag mir,wenn was anders ist.<< Ich nickte brav und sah ihm nach,als er aus hinter der Tür verschwand.Dankbar verdrehte ich die Augen nach oben und zog die Decke von Bran.Grollend zog ich das komische Hemd weg,dass jeder der Patienten im Krankenhaus bekam und betrachtete Brans Oberkörper.Ich sah die Narben,die er schon seit Jahren hatte,die eingebrannten Muster,die zusammen das Federkleid eines Raben bildeten und dazwischen die bleiche Haut. Sein Brustkorb hob und senkte sich ruckartig.Etwas schien ihm Probleme zu bereiten.Ich ahnte,dass es das Beamungsgerät war.

Ohne nachzudenken,drückte ich den Rufknopf. Ein paar Minuten später stürmten der Arzt gefolgt von ein paar Krankenschwestern in den Raum.>>Untersuchen sie ihn<<,befahl ich ihm. Verwundert starrten sie mich an. >>Wirds bald?<< Ein Ruck ging durch den Köper des Arztes und mit zornfunklenden Augen untersuchte er meinen Freund. Ich sah den Unglauben in seinen Augen und lächelte triumphierend. Er flüsterte den Schwestern etwas zu und sie machten sich an den Geräten zu schaffen. Mit einem Mal ging ein heftiger Ruck durch Brans Körper.Ich hörte sein gequältes Stöhnen.Dann war Ruhe.Ich bekam Angst.Was,wenn er jetzt tot war? Doch der Arzt starrte mich entsetzt an. Er flüsterte:>>Der Junge braucht keine Geräte.<<

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>>Sie wollen mich verkackeiern<< Jap,ich habe wirklich verkackeiern gesagt. Der Arzt schüttelte den Kopf. >>Nein. Er liegt noch immer in einer Art Koma,aber er braucht die Geräte nicht .Das ist unglaublich. Er müsste tot sein.<< Vorsichtig ging ich zu Bran. Ich hörte,wie sein Atem über die Lippen flog,es gab ein pfeifendes Geräusch. Seine Stirn war kühl,als ich meine Hand auf sie legte. Seine Haut zitterte und ich wusste,könnte er seinen Körper kontrollieren,würde er jetzt zurückzucken. Ein dreckiges Grinsen lief über mein Gesicht und ich blickte den Arzt an. Und dann sagte ich Brans Lieblingsspruch:>>Wer schon nicht überzeugen kann,soll wenigstens für Verwirrung sorgen.<<Ohne ein weiteres Wort rauschte ich aus dem Zimmer.

An diesem Abend schaute ich mir die Videos an,die auf der CD waren. Bran motzte und meckerte,er wollte gar nicht auf den Bildern sein. Es tat seltsam gut,ihn so zu sehen. Grinsend und total in seinem Element. Ich hielt den Film an und muserte das Bild auf dem Monitor. Bran saß auf einem Feld und schaute blinzelnd in die Kamera. Seine Haare hatten einen violetten Stich und seine Zähne blitzten. Erst jetzt fiel mir auf,dass auf seiner Handfläche etwas geschrieben stand. Ich vergrößerte das Bild. 

Onè Moun Sa Nepe Ak Touye

Ich hatte die Worte schon mal gehört. Von einem Verwandten. Er hatte gemeint, mein Vorfahre Aleister Crowley hätte sie einmal benutzt. Sollte Bran ein Anhänger dessen Kults sein? Er wusste wie sehr ich unter meinem Erbe litt. Die Narben in meinem Nacken waren Beweis genug.  Jemand hatte mir "Das Große Tier 666" in den Nacken gebrannt,als Erinnerung daran,wer ich war. Einerseits hasste ich Aleister dafür,dass ich so behandelt wurde,aber andererseits faszinierte er mich auch. Das Verlangen,in das Okkulte einzutauchen, war verlockend und brannte unter meinen Nägeln.Zögernd stand ich auf und stellte mich vor den Spiegel. Ich suchte nach Ähnlichkeiten mit Aleister.

Einem Aussenstehenden wären sie nicht aufgefallen,aber mir schon. Ich hatte das gleiche dunkle Haar,die gleichen dunklen Augen und die gleiche Nase wie er. Ich biss die Zähne zusammen.Meine Kieferknochen traten hervor und die Ähnlichkeit war noch gravierender. Wütend wandte ich mich ab. Was redete ich mir ein?Das ich alles ändern konnte?Das ich meine Herkunft verbergen könnte?Plötzlich packte mich ein seltsames Gefühl und fast genauso seltsame Gedanken schoßen durch meinen Kopf. Ja, verdammt, ich war Aleister Crowleys direkter Nachfahre und ja,verdammt, ich war fast sein Ebenbild. Und ehrlich, ich war in dem Moment stolz drauf. Wer konnte schon sagen,dass sein Vorfahre als Inkarnation des Teufels gegolten hat?Von solchen Gedanken geplagt schlief ich spät abends ein und vergaß fast die Worte,die auf Brans Hand gestanden hatten.

6

Nach einer Woche hatte Brans Zustand sich deutlich verbessert.Zwar hatten die Ärzte ihn wieder angeschlossen,aber seine Gesundheit machte große Sprünge. Die Worte auf seiner Hand beschäftigten mich immer noch,so dass ich Buch um Buch wälzte,auf der Suche nach der Bedeutung. Frustriert musste ich zugeben, dass es gar nicht so einfach war. Schließlich kauerte ich in meinem Sessel und knabberte an meinen Fingernägeln. Draußen stürmte es und ich hatte keine Lust,vor die Tür zu gehen. Wo zum Teufel konnte ich diese Worte noch finden?Vielleicht half mir das Fotoalbum meiner Familie auf die Sprünge.Das Buch war dick und staubig.Unbewusst schlug ich die Seite auf,auf der die Fotos von Aleister Crowley geklebt waren.Mit einem innerlichen Stöhnen verfluchte ich mich selbst und den morbiden Humor des Schicksals. Eine flatternde Zettelecke nahm meine Aufmerksamkeit ein.Ich packte sie und zog vorsichtig dran.Das Foto verschob sich und ich hielt einen kleinen Zettel in der Hand.Mit spitzen Fingern faltete ich ihn auseinander und holte zischend Luft. In fein säuberlicher Schrift stand dort:

Onè Moun Sa Nepe Ak Touye= Ehre dem Schwert und dem Tod

Das waren die Worte,die ich verzweifelt gesucht hatte.Brans Worte.Aleisters Worte.Manson. Der Name war pötzlich in meinem Kopf.Manson,der Nachname meines Freundes.Aber da war noch etwas.Mein Lieblingssänger, Marilyn Manson.Manson.Nein.Charles Manson,genau.Der Massenmörder. Sollte Bran mit ihm verwandt sein? Hatte er deshalb diese Worte auf der Hand stehen?Um eine Erklärung für die Taten zu haben?

Ich hatte nie darüber nachgedacht.Ich war immer mit meinem Schicksal beschäftigt gewesen.Das Läuten der Türglocke ließ mich hochschrecken. Mit einer schnellen Handbewegung warf ich das Buch zur Seite und ging zur Haustür. Davor stand meine Tante.Erschrocken schaute sie mich an und ich schaute zurück.Warum war sie so entsetzt?Einer alten Gewohnheit folgend legte ich den Kopf schief. Plötzlich riß sie den Mund auf und begang zu schreien:>>Aleister Crowley!Er ist in den Sohn meiner Schwester gefahren!<< Sie keifte wie verrückt und schlug mit einem Kreuz nach mir. Wütend fauchte ich wie eine gereizte Katze und stieß das keifende Weib in den Vorgarten zurück.Sie kreischte noch lauter und die Nachbarn streckten den Kopf aus dem Fenster. >>Still!<< herrschte ich sie an und hob die Hand.Sofort war meine Tante ruhig und schaute wimmernd zu mir auf.Ich hätte sie nicht geschlagen,aber die Androhung reichte aus. >>Verschwinde<< Ich ruckte mit dem Kopf Richtung Straße.Zitternd wankte meine Tante zurück.Gelassen schaute ich meine Nachbarin an und verzog die Lippen zu einem diabolischen Grinsen.>>Wer hat Angst vorm schwarzen Mann?<< flüstete ich mit beschwörender Stimme und trat in mein Haus zurück.

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Drinnen rieb ich mir den Unterarm.Das Kreuz hatte einen deutlichen Abdruck hinterlassen und eine kleinere Schnittwunde,aus der Blut quoll.Ohne nachzudenken leckte ich es ab und nahm wieder das Familienbuch zur Hand. Bedächtig blätterte ich durch die Seiten,bis ich ein Foto von meiner Tante fand. Damals hatte sie noch normal ausgesehen.Nicht so durchgeknallt wie jetzt.Schulterzuckend warf ich das Buch wieder zurück in die Ecke. Meine Familie war mir so gut wie egal.Meine Eltern waren tot,Selbstmord, und der Rest einfach nur verrückt. Was hatte ich noch mit ihnen zu schaffen, abgesehen von ein paar Briefen aus der Klapse,die mich dazu einluden, Weihnachten dort zu verbringen? Ob ich wohl auch verrückt werden würde?Und was hatte meine Tante damit gemeint,Aleister Crowley sei in mich gefahren?Die restliche Nacht lag ich mit offenen Augen im Bett und machte mir so meine Gedanken darüber. 

 Der nächste Tag war strahlend schön.Die Sonne schien,die Vögel sangen und die Nachbarskinder spielten auf der Straße.Und ich war grantig wie nie.Ich hatte fast  nicht geschlafen und Bran lag immernoch im Koma.Niemand hielt mich in der Eingangshalle zum Krankenhaus auf,also ging ich gradewegs zu ihm. Er lag ausgestreckt im Bett, wie hätte es den sonst auch sein sollen?Seine Haut hatte wieder den gewohnten Goldton mit einem Stich rot,der ihn als Indianer kennzeichnete.Prüfend beugte ich mich über ihn.Seine Augenlider zuckten und ich grinste.

>>Mich legst du nicht rein.<< flüsterte ich und strich über seine Nase. Seine Lippen zuckten. Grinsend ließ ich mich auf den Stuhl neben den Bett fallen.>>Weißt du,du hast mal gesagt,schrekliche Dinge verändern Menschen. Ich glaube,du hast recht.Ich bin nicht mehr so wie früher.Ich weiß nicht mal, ob ich noch Magnus bin. Vielleicht bin ich Marius.Der Name gefällt mir besser.Aber meine Eltern mussten mich ja immer beim Zweitnamen rufen.<< Während ich gesprochen hatte,war mein Blick auf die Decke gerichtet gewesen,so dass mir der wellenartige Krampf,der Bran plötzlich überlief,entging.Ich hörte nur sein dunkles Stöhnen und schaute ihn an. Wieder erfasste ihn so ein Krampf.Es sah aus,als würde seine Haut Wellen schlagen. >>Bran?<< Er reagierte heftig auf meine Worte.Sein Kopf flog zu mir herum und er rang abgehackt nach Luft.Ohne nachzudenken riss ich die Schläuche aus seinem Gesicht und er sog gierig die Luft ein. Dann öffnete er den Mund,ich konnte seine Eckzähne aufblitzen sehen und er schrie: >>Marius!<<. Die Krämpfe rissen seinen Körper hoch,er saß aufrecht im Bett und öffnete mit einem grauenhaften Schrei die Augen.

Plötzlich schien jegliche Kraft seinen Körper verlassen zu haben und er sackte in sich zusammen. Schnell fing ich ihn auf und hielt meinen Bran wieder in den Armen.Er zitterte am ganzen Körper,seine Knochen standen hervor und er flüsterte:>>Marius.Marius.Marius.<< Es klang wie ein Mantra.>>Shhh...Alles ist gut. Ich bin da. Alles ist gut.Du bist zurück.<< Schluchzend vergrub ich mein Gesicht in seinen Haaren.Es roch so vertraut süß wie damals.Bran stieß mich von sich. Bevor ich fragen konnte was los war,riss er sich die Nadeln aus dem Arm. Sein Blut spritzte durch den Raum und mit einem weiteren Schrei war er auf den Beinen. Er tobte wie ein Wahnsinniger,zerfetzte das Krankenhaushemd mit seinen Fingernägeln und schrie etwas in haitanisch.

Ich ließ ihn toben. Nach einer Weile hatte er sich beruhigt und stand schwankend vor mir.Blut rann seine Arme hinab und der Blick seiner fast weißen Augen huschte nervös durch den Raum. >>Du weißt nicht, was ich gesehen habe Marius.<< Seine Stimme war heiser.Schnell schoß seine Zunge hervor und fuhr über die aufgeplatzten Lippen.>>Ich habe gemordet.Blut klebte an meinen Händen.Ich war Charles Manson. Und du... du warst Aleister Crowley.Du warst böse,und doch ...du warst auch Marius.Und ich war auch Bran. Und ich habe dich geliebt.Deine Stimme,sie war immer da.Und Tens.<< Langsam ging ich auf ihn zu. Seine Nägel waren scharf wie Rasierklingen,seine Eckzähne verlängert und aus Silber.Ich wollte nicht von ihm gebissen werden. >>Ich weiß.Ich war immer da.Ich habe immer geglaubt,das du zurückkommst.Du weißt nicht,wie sehr ich dich vermisst habe.Komm her.Lass dich umarmen.<< Behutsam schloss ich ihn in die Arme. Erst passierte nichts,aber dann erwiderte er meine Umarmung und ich hatte meinen Bran wieder.Endlich.

8

Es hatte sich viel getan. Fast zwei Monate ist es nun her, dass Bran wieder wach war. Sein unglaubliches Erwachen war der Gesprächsstoff für viele Geschichten und jagte den Ärzten Angst ein. Zudem war Brans Psysche schwer angeschlagen gewesen und die Feinfühligkeit des Arztes,Dr. Gordon, ist ja mittlerweile bekannt. Das eine kam zum anderen und Brans Eckzähne fanden ihren Weg in den Arm des Arztes. Eine Anzeige kam nie zustande.

>>Es regnet.<< flüsterte Bran und stütze das Kinn auf seine verschränkten Arme. >>Ich weiß Bran.<<. >>Nein, das meine ich nicht. Es regnet.<< Besorgt schaute ich meinen Freund an. War er vollkommen übergeschnappt? >>Bran?Alles in Ordnung?<< Er drehte sich zu mir um und blickte mich eindringlich an. >>Es regnet.<< wiederholte er eindringlich. Ich setzte dazu an, ihn gehörig anzufauchen, als mir wieder einfiel, dass wir einmal einen Code ausgemacht hatten, der "es regnet" hieß. >>Oh, meine Tante kommt.<< Bran verdrehte die Augen. >>Wow, wo hast du das nur her? Eigentlich sitzt sie schon seit fünf Minuten im Wagen und überlegt, ob sie klingen soll. Hat klein Marius ihr etwa Angst eingejagt?<< Jetzt war es an mir, die Augen zu verdrehen. Aber ich stand wirklich auf und trat vor die Haustür. Meine Tante kletterte aus dem Wagen und schlich auf mich zu. >>Magnus. Ich hab gehört, du willst mit dem Jungen wegziehen.<< Ich zuckte die Schultern. >>Er ist böse, Junge. Ganz, ganz böse. Nimm das Kreuz und schütze dich vor ihm.<< Okay, jetzt war die Tonne voll. Mit einer schnellen Handbewegung packte ich das Kreuz und warf es über die nächstbeste Hecke.>>Tante, hör auf und verzieh dich zu deinem Mann in die Klapse! Bran ist mein Freund, meine Bestimmung, mein Schicksal! Zieh Leine, es ist meine Sache was ich tue!<< Meine Tante trat einen Schritt zurück.

>>Hau.Ab.Oder ich werde hier mal böse. Kusch!Kusch,Kusch,Kusch!<< Ich wedelte mit der Hand, wie um eine Katze zu vertreiben.Und meine Tante drehte sich um und fuhr davon. >>Ist was Schatz?<< Bran trat neben mich und legte den Arm um meine Schulter. >>Nee. Hab nur den letzten Rest meiner Familie verstoßen. Aber ich hab ja dich.<< erwiderte ich und küsste mein sogenanntes Schicksal zärtlich auf die Wange.

Aleister Crowley-Anhang

Edward Alexander Crowley (der sich später in Aleister umbenannte)

wurde 1875 in Leamigton Spa geboren und verstarb 1974 im Netherwood-Hotel bei Hastings.

Seine Leiche wurde in Brighton zu Lesungen aus seinem Buch "Liber Al vel Legis/ Buch des Gesetzes" verbrannt und seine Asche an seinen Nachfolger als Führer des "Ordis Templi Orientis", seiner Sekte, überreicht.

 

1903 zog Aleister nach Boleskin/Schottland und heiratete das Medium Rose Kelly. 1904 traf er auf den Geist Aiwass, der ihn dazu brachte, sein Buch innerhalb von drei Tagen zu schreiben.

Er war bekannt für seine sexuelle Aktivität und Drogensucht. Angeblich brandmarkte er seine Geliebten mit einem Medaillon, auf dem "Das Große Tier 666" stand, nach dem Tier aus der Offenbarung.

Impressum

Texte: M. Hellcraze
Tag der Veröffentlichung: 07.11.2013

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Für Bran & Ten.

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