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Die Hütte

Alles ist schwarz. Komplette Finsternis. Sieht so das Jenseits aus? Spürt man da noch etwas? Spüre ich etwas? Mir ist so. Meine Gelenke fühlen sich an wie eingerostete Scharniere. Noch bewegt sich nichts, aber mir ist, als stünden sie unter Spannung und gleich würden sie sich unter lautem Quietschen einen kleinen Ruck bewegen. Aber ich bin zu schwach. Die Spannung erschlafft. Enttäuschend, doch ein Zeichen von Leben. Und ist das Dunkel doch nicht vollkommen? Noch kein Licht. Nur weniger dunkles Grau und Rot. Kann ich die Lider heben? Ein Schimmer kämpft sich durch meine Wimpern auf die Netzhaut. Ein Flackern, Flammen, Feuer. Bin ich noch in der Maschine? Dann ist es nur aufgeschoben. Warum musste ich aufwachen? Bleibt ja nur Verbrennen oder Ersticken. Was ist mit Peter? Er hatte bestimmt mehr Glück. Ich erinnere mich. Das Letzte, was ich sah, war, wie er neben mir seinen Sitz verlassen hat. Nicht freiwillig. An die Kabinendecke geschleudert. Vermutlich starke Kopf- und Wirbelfrakturen. Das Zurückfallen wird auch nicht ohne Konsequenzen geblieben sein. Das konnte ich aber schon nicht mehr wahrnehmen. Ein loses Teil ersparte mir durch seinen Kopftreffer weitere Eindrücke des infernalischen Chaos. So ein definitives Ende war nicht geplant. Es sollte doch nur das Ende unserer zweijährigen Zeit bei den Ärzten ohne Grenzen sein. Hilfe für alle in diesem Teil des brasilianischen Urwalds. Zwei Jahre Volllast, aber unglaublich befriedigend. Immerhin beeindruckend, was die lokale Naturmedizin mit ihren Kräutern und Pflanzenextrakten alles kann, aber so viele Leben, wie wir durch für uns alltägliche Medizin retten konnten, werden wir zu Hause im Rest unseres Lebens nicht mehr schaffen können. Nicht mal, wenn dieser Vogelschwarm nicht unseren Weg gekreuzt hätte. Hoch waren wir wohl noch nicht. Es hörte sich an wie eine kurze Kugelsalve gegen den Rumpf. Rauch aus dem Propellertriebwerk. Die stehenden Blätter. Dann der Fall, der das Flugzeug unter Peter wegsacken ließ. Läuft die Zeit langsamer? Wieso kann ich mir die Gedanken alle so in Ruhe machen? Das Feuer kommt nicht näher. Frisst mich nicht auf. Die Luft. Ich atme sie, doch sie ist nicht heiß und dick von verbranntem Kunststoff. Nur warm und sogar wohl riechend. Ich öffne meine Augen.

Das ist jedenfalls keine havarierte Propellermaschine. Ein rechteckiger Raum. An der Wand vor mir tanzen Schatten. Hinter mir muss ein Feuer brennen. Mein Gefühl kehrt mehr und mehr zurück. Ich liege weich. Leicht erhöht. Vermutlich ein Fell über Stroh. Ich versuche meinen Kopf zu drehen. Er pocht! Soviel Fühlen hätte auch nicht gleich sein müssen. Ich stöhne vor Schmerz. Eine Hand hält mich, kriecht unter meinen Kopf, hebt ihn leicht an. Von hinter mir schiebt sich ein Körper in mein Blickfeld. Eine alte, eine sehr alte Frau. Sie spricht. Ich verstehe kein Wort. Ein paar wenige Brocken habe ich in der Zeit hier gelernt. Was ich noch gelernt habe, dass fast jeder Stamm einen eigenen Dialekt spricht. Keiner meiner Brocken hat Ähnlichkeit mit den Worten der Frau. Aber sie wirkt beruhigend. Ihre zweite Hand hält einen Becher. Sie flößt mir etwas ein. Dankbar schlucke ich. Hinter ihr bemerke ich ein weiteres Bett. Ein Fell liegt über etwas. Über jemandem. Ein Bein ist sichtbar. Eine helle Hose. Peter! Lebt er auch. Ich kämpfe mich weiter hoch. Die beruhigende Stimme wird lauter. Ein Schwall aus dem Becher rinnt in meine Kehle. Ich schlucke. Alles wird wieder schwarz. Und still.

 

Ich erwache wieder. Diesmal geht alles schneller. Die Erinnerung, die Orientierung. Der bekannte Raum. Das Gesicht der Frau über mir. Sie lächelt. Zieht das Fell, das mich bedeckt hat, von mir. Sie legt ihre Hände auf meine Brust. Sie wirkt ernst. Konzentriert. Raunt etwas. Fast singt sie. Ihre Hände wandern tiefer. Über meinen Bauch. Tiefer. Ihre Augen lachen.  Es beginnt in mir zu kribbeln. Wir wollten zusammen zurück. Peter die Praxis seines Onkels übernehmen. Heiraten, eine Familie gründen. Er ist einfach zauberhaft. Der perfekte Mann für mich. Noch dazu sein Name. Henriette! Wie ich meine Eltern für diesen Namen gehasst habe. Aber nun! Henriette von Holm. Immerhin erträglich. Ich blicke zum anderen Bett. Außer dem Bein ist nichts zu erkennen. „Peter“, sage ich leise und sehe die Frau wieder an. Ihr lachendes Auge verliert eine Träne. Wieder sinke ich erschöpft in den Schlaf.

 

Es ist so schön. Ich öffne mich ihm. Seine Zunge findet mich, taucht in mich ein. Ein Feuer, das aus meiner Mitte bis in die Zehen und Haarspitzen mich übernimmt. Hände auf meinen Brüsten, die sie sanft kneten, an meinen Nippeln ziehen, sie vorsichtig zwirbeln. Das kann doch kein Traum sein. Ich öffne die Augen.

Die alte Frau steht lächelnd neben mir. Ihre warmen Hände verwöhnen meine Brust. Ich blicke hinüber. Das Bett ist unverändert. Eine junge Frau steht neben Peter dahinter. Was geschieht hier? Lust zuckt durch meinen Körper. Ich hebe den Kopf. Sehe zu meinen Beinen. Ein junger Mann kniet zwischen ihnen, vergräbt seinen Kopf in meiner Weiblichkeit. Oh Gott, wenn Peter das sähe. Es wäre aus, bevor es richtig begonnen hätte. Ich kämpfe. Ich bin zu schwach. Ich genieße. Die junge Frau schlägt das Fell über Peter zurück. Seine Beine liegen frei. Die Hose nur noch in Fetzen. Seine Mitte ist nackt. Ruhig wie der ganze Mann liegt sein Gemächt wie im Koma. Die Frau greift in eine Schale. Reibt ihre Hände mit deren Inhalt sorgfältig ein. Dann hebt sie ihn an, beginnt ihn zu reiben. Ganz langsam streicht sie über Peters weichen Wurm, der mir in seiner Härte so viele schöne Momente bisher geschenkt hat. Er beginnt wie ihre Hände zu glänzen, entwickelt unverkennbar ein Eigenleben, wächst und benötigt die stützende Hand der Frau bald nicht mehr. Die nimmt stattdessen sich seiner Hoden an. Massiert sie gekonnt, bis auch sie im Feuerschein schimmern. Für Eifersucht ist keine Zeit, denn auch mein Besucher versteht sein Geschäft. Ich spüre meine Nässe, höre sie an seinem Schlürfen. Ich winde mich in meiner Lust ihm entgegen. Genieße seine schnelle Zunge und das schnelle Reiben der Nachbarin an meinem Mann. Auf einmal stülpt sie ihren Mund über die harte Kuppe der Eichel und saugt, was er in meiner Ahnung verspritzt. Dann kommt sie zu mir herüber gelaufen und löst den Jüngling an meiner Liebespforte mit ihrer Zunge ab. Was sie meinen Lippen da unten zu kosten gibt, versetzt mich sofort in Ekstase. Ich schreie, ich zucke. Ich fliege, ich falle. Dann ist wieder alles dunkel und still.

 

Monotones Brummen drängt in mein Bewusstsein. Zieht mich aus meiner Traumwelt in die Realität. Alles ist hell. Eine Reihe kleiner runder Fenster. Ich bin in einem Flugzeug. War alles nur ein Traum? Nein! Das ist ein Jet-Triebwerk vor meiner Scheibe.

„Dr. Becker?“, spricht mich eine Frauenstimme an. Ich drehe meinen Kopf zu ihr.

„Was“, beginne ich, doch sie legt mir beruhigend die Hand auf die Schulter.

„Bleiben sie nur ganz ruhig liegen. Ich bin Dr. Wright. Wir haben ihnen ein Schlafmittel gegeben. Sie sind auf dem Heimweg. Wir sind schon mitten über dem Atlantik. Soweit wir feststellen konnten, haben sie alles wie durch ein Wunder glimpflich überstanden. Lediglich starke Prellungen und eine schwere Gehirnerschütterung haben sie bei dem Absturz davon getragen. Außerdem hatten sie natürlich Glück, dass die Leute aus dem Dorf sie gefunden und aus dem Wrack gezogen haben. Nach der vielen Ruhe sind sie nun einigermaßen über den Berg.“

„Peter, Dr. Holm“, bringe ich gerade so heraus.

Sie nimmt meine Hand.

„Leider waren sie die einzige mit so viel Glück, Frau Becker. Dr. von Holm konnten die Leute zwar lebend aus dem Rumpf bergen, aber seine Verletzungen waren zu schwer. Ein Wunder, dass er überhaupt so lange in dem Dorf am Leben geblieben ist. Von der Pflanze, mit deren Extrakt die seinen Stoffwechsel runter gefahren haben, hatte ich noch nie gehört. Er verstarb auf dem Weg in das Camp, von dem sie der Hubschrauber zu uns gebracht hat.“

Gewissheit hatte ich schon vorher gehabt. Es jedoch von jemand Drittem zu hören, ist nochmal etwas anderes. Die Träne wuchs und kullerte über meine Wange. Reden hilft gegen die Traurigkeit.

„Peter und ich, wir wollten zu zweit etwas Neues beginnen.“

Wieder beruhigt sie mich, indem sie meine Hand in ihre nimmt und sanft drückt. Dann legt sie sie mir auf den Bauch.

„Ich weiß nicht, wie sie das gemacht haben. Was auch immer sie nun neu beginnen. Zu zweit sind sie dabei in jedem Fall.“

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Texte: Alle Rechte liegen beim Autor
Bildmaterialien: by pixabay
Tag der Veröffentlichung: 03.01.2017

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