Cover

THE PEOPLE

Alex Sanchez (Diego Boneta), 17

 

 

 

Aaron Johnson (Colton Haynes), 18

 

 

 

 Amy Johnson (Candice Accola), 17

 

 

 

 

 Annie Germaine (Holland Roden), 17

 

 

 

 

 Cole McCohen (Drew Van Acker), 18

 

 

 

 

 David  Faulkner (Julian Morris), 29

 

 

 

 

Ethan Shark (Dustin Milligan), 18

 

 

 

 

 Faye McCohen (Troian Bellisario), 17

 

 

 

 

 Jake Arkinson (Chris Zylka), 19

 

 

 

 

 Jamie VanHouton (Lucy Hale), 16

 

 

 

 

 Jill Edwardsen (Gillian Zinser), 17

 

 

 

 

Loreen Cocca (Crystal Reed), 20

 

 

 

 

 Miguel "Spike" Sanchez (Tyler Posey), 19

 

 

 

 

 Noel Van Houton (Brant Daugherty), 18

 

 

 

 

 Raven Sanchez (Shay Mitchell), 17

 

 

 

 

 Vivian Cocca (Lily Collins), 21

 

 

 

  

Phil Dawnton (Daniel Sherman), 18

 

 

 

 

 Heather Moore (Maddie Hasson), 17

 

NEBENCHARAKTERE:

 

 

Xenia Chapston, 16 (Rachel Thevenard)

 

Fiona Kress, 15 (Elle Fanning)

 

 

 Noah Simmons, 21 (Ethan Peck)

 

 

Leyla Getaffi, 17 (Ashley Benson)

 

 

 

Jan StCloud, 23 (Joseph Morgan)

 

Heather Moore

Und noch ein Umzug - laut meiner Mutter ja der letzte, aber das waren die zwei davor auch. Und das neuste neue Zuhause war Jacksonville. J-a-c-k-s-o-n-v-i-l-l-e. Hört sich das nicht schon bescheuert an? Aber was soll man machen, was soll ICH machen? Ich war nur noch einmal das neue Mädchen, aber diesmal würde ich mich nur auf eines konzentrieren: Schule. Denn Freunde wären nicht lange welche.. das war ganz sicher nicht der letzte Umzug.

 

"Heather, Schatz? Komm aus dem Bad, ich muss zur Arbeit." "Was hab ich damit zu zun?" "Dein Roller ist noch nicht da, ich muss dich fahren." "Ich bin dann viel zu früh an der Schule." "Besser als gar nicht oder zu spät, also komm." Und schon saß ich gewzungenermaßen und viel zu früh im Auto meiner Mutter auf dem Weg zur Schule. "Danke fürs Mitnehmen." "Komm, so hast du Zeit dir die Schule anzugucken." Und das tat ich dann, weil eine Stunde laufend schneller vorbei ging als sitzend. Das Gebäude war leer, genau so wie die Bücherei, die komischerweise schon offen war, nur auf dem Parkplatz waren einige Autos. Da ich niemanden finden konnte, beschloss ich mich am Haupteingang aufzuhalten. Irgendwer musste ja mal kommen. Und tatsächlich zehn Minuten später kamen ein paar Typen in Trikots und machten sich auf den Weg zum Sportplatz. Weitere fünf Minuten später folgte noch ein letzter gutaussehender Typ. Groß, gut gebaut, dunkle Haare und stahlblaue Augen. Gerade als er an mir vorbei ging, fiel ihm etwas aus seiner Tasche. Er bemerkte es nicht, und war schon verschwunden, bevor ich ihm was sagen konnte. Ich hockte mich hin und hebte das Objekt auf. Es war ein Foto. Eines dieser Fotos, die man in einem Automaten machen konnte, wo am Ende vier verschiedene Fotos zu sehen waren. Ein in jeder Ecke des Papiers. Er war mit einem Mädchen, einem schönen braunhaarigen Mädchen. Auf dem ersten Bild schnitten beide Grimassen. Sie schielte und streckte dabei die Zunge raus, während er seine Augen weit aufriss und sein Kiefer nach rechts verschob. Auf dem zweiten erkennt man, wie beide aus vollem Herzen lachen und sich dabei angucken. Auf dem dritten Foto gibt er ihr einen Kuss auf die Wange und sie hält ihre Hand vor ihren Mund, den sie weit aufreist. Das vierte Foto, verdeckte ich halb mit meinem Daumen, aber ich konnte mir denken, was für eins es war. Und tatsächlich, als ich meinen Daumen vom Foto nahm konnte man sehen, wie sie sich küssten. Ich drehte das Bild um und konnte "Noel+Faye" entziffern. Ich beschloss ihm zu folgen, um ihm das Bild zurückzugeben, allerdings konnte ich ihn nur auf dem Sportplatz ausfindig machen. Dort fand das Morgentraining stand. Also beschloss ich zu warten.

Währenddessen lief mir auch seine Freundin über den Weg, die allerdings am Arm eines anderen Typen hang. Ebenfalls groß, gut gebaut und dunkelhaarig aber doch ein ganz anderer Mensch. Und es war nicht irgendein Typ, denn sie küsste ihn so, wie sie diesen Noel auf den Bildern küsste, und sah ihn auch so an. Obwohl das Bild alt zu sein schien, wollte ich das Bild zurückgeben. Kurz vor Schulbeginn fand ich diesen Noel dann an einem der Spinds. "Hey." Verwundert sah er mich an, und lächelte nur stumm. "Dir ist eben was aus der Tasche gefallen." Ich hielt ihm das Bild hin. Nachdem er mich nochmals verwirrt ansah, schaute er runter und sah das Bild. Sein Lächeln schlug in eine ernste Mime um und er riss das Bild aus meiner Hand. "Danke." Ohne mich eines weiteren Blickes zu würdigen, schmiss er das Bild in seinen Spind und knallte die Tür zu. Dann stand er da, die Hand immer noch an der Spindtür, den Blick auf den Boden gerichtet. "Ich geh dann mal, wollte dir nur das Bild zurückgeben." Langsam drehte ich mich um und ging. Der Typ sah definitiv netter aus auf den Bildern, als er es in echt war. Aber Bilder halten ja nicht nur Momente fest, sondern auch Phasen, vielleicht war er in der nächsten angelangt, und den Typen von den Bildern gab es gar nicht mehr. Ich war auch nicht mehr das Mädchen aus Kansas, das gern malte. Noch weniger war ich das Mädchen aus Michigan, das um dazuzugehören Chearleader wurde. Aber es gab Bilder, die würden mich immer als das Mädchen festhalten. 

"Das ist Heather. Sie ist neu an der Schule. Willst du selbst noch was sagen, Heather?", fragend sah mich die Lehrerin an, aber ich hatte wirklich kein Interesse, also schüttelte ich den Kopf und wartete bis sie mich einem Platz zuwies. Letztendlich wurde es ein schöner Platz ganz vorne in der Klasse, aber das war nur ein Kurs, dachte ich mir, und setze mich mit aufgesetzem Lächeln in die erste Reihe. Neben mir nur Mädchen und Jungs, denen man ansah, was Priorität in ihrem Leben hatte: die Schule und das Lernen. Und lustigerweise, wollte ich ja genau das sein ab jetzt, also warum auch nicht bei den Leuten sitzen, oder? Doch bevor ich weiter meinen Gedanken horchen konnte, tippte mich das Mädchen neben mir an, als die Lehrerin mit dem Rücken zu uns stand. Als ich mich zu ihr umdrehte und sie fragend ansah, was los war, legte sie nur genervt einen Zettel auf meinen Tisch und sprach kein Wort. Der Zettel war klein und hatte weder Linien noch Kästchen, es war leer, ich nahm es in die Hand und sah, dass sehr wohl etwas drauf stand, allerdings auf der Rückseite. Ich las die paar Worte, und war nicht sicher, ob der Zettel wirklich an mich war, immerhin kannte mich keiner, wer sollte mir denn schreiben? Aber ich konnte durchaus ein "an Heather" ausmachen. Und erneut las ich den Zettel: "Ich hoffe ich kann das wieder gutmachen." Aber wirklich etwas damit anfangen konnte ich bis zum Ende der Stunde nicht. Als ich den Klassenraum verlassen wollte, hielt mich jemand am Oberarm fest. Durch Angst geritten, löste ich den Griff und schaute hastig nach hinten, um zu sehen, wer es für nötig hielt mich so grob anzufassen. Es war Noel, der seltsame Typ vom Foto. "Wäre nett, wenn du mich los lässt." "Hast du den Zettel bekommen?" "Der war von dir?" Er schaute mich mit einem breiten Grinsen an, nun sah er viel mehr dem Typen auf dem Foto ähnlich, aber sympatisch war immer noch was anderes. "Und was willst du jetzt von mir?" "Ich wollte dich einladen, auf einen Kaffee." "Trinke ich leider nicht.", grinste ich ihn genervt an. Das war noch so eine Sache, die ich oft erlebt habe. Man kommt neu an eine Schule und alle Jungs interessieren sich für einen, und erst ist alles schön, aber sobald der erste sein Ziel erreicht hat, hat man schon ein Image, das sicherlich keiner will. Ich wollte diesen Fehler nicht nochmal machen, dieses Mal war Schule nur der Ort, wo ich lernen würde. Mehr nicht. "Dann zum essen, oder tust du das auch nicht?" "Nicht mit dir. Aber, danke." Ohne ihm die Chance zu geben, noch etwas zu sagen, machte ich mich auf den Weg zum nächsten Fach. Die Suche dahin gestalltete sich etwas schwerer als gedacht. Also sprach ich irgendwen an, stellte sich raus, dass dieser jemand auch dahin musste, wo ich hin musste. "Und wie heißt du nochmal?" "Heather." "Ich bin Aaron." Er reichte mir freundlich grinsend die Hand und fuhr dann mit ihr durch seine Haare. Er war definitig sympathisch - und gutaussehend. "Danke, dass du mir den Weg zeigst." "Kein Ding, ich wäre eigentlich nicht mehr hier, aber naja." Sicher interessierte mich, was er damit meinte, aber, wenn ich ihn das jetzt fragen würde, dann würde ein Gespräch resultieren, und ich würde diesem Lächeln nicht mehr widerstehen können und mein bestes geben, ihm nahe zu kommen, also nein. Nein, Heather, nein, du wirst das nicht. Bedanke dich nochmal, und gehe einfach. "Danke, nochmal. Ich setz mich dann." "Gern. Sehen uns." So, überstanden. Mein nächster Kurs war Chemie, es war nicht interessant, wir haben zwar experimentiert, aber das war nie meine Stärke gewesen, also ließ ich diesen Kurs genau wie alle anderen an mir vorbei ziehen. 

Nach der Schule fuhr ich dann zu einem Café der Stadt. Ich hatte mir vorgenommen einen Nebenjob anzufangen, Geld fürs College musste langsam wirklich mal in meinem Interesse liegen. Also schaute ich mir ein Café aus namens "The Crew". Innen war alles recht hell, denn die Fenster waren groß und so war der Raum lichtdurchflutet, schon etwas merkwürdig für ein Café. Es waren kaum Leute anzutreffen, bis auf einige Angestellte. Eine war so freundlich und sprach mich an. "Hallo, kann man dir helfen. Siehst neu aus." "Woher wissen Sie das?" "Erstmal, es heißt du, nicht Sie. Und zweitens, ich arbeite sogut wie immer und jeden Tag, ich hätte dich schonmal gesehen. Also, wie kann ich dir helfen?" "Können Sie.. ich meine, kannst du mir sagen, mit wem ich für einen Nebenjob reden muss?" "Wie alt bist du denn?" "Ich bin achtzehn Jahre alt." "Alles klar, der Chef ist außer Haus, und allgemein  fehlen uns ein paar Leute. Du kannst heute auf Probe anfangen." "So schnell geht das?" "Dank mir, natürlich. Heute bist du Bedienung, wenn es gut klappt, arbeitest du in der Woche jeden Tag außer Dienstag von fünf bis acht Uhr, okay?" "Gerne." "Da wäre nur eins, wie heißt du?" "Heather Moore." "Okay, morgen bringst du auch deinen Lebenslauf mit und alles was sonst dazu gehört." "Danke." "Ich bin übrigens Loreen." Loreen also. Sie war schön, zwar nicht so, wie die Mädchen aus den Filmen, da sie etwas markanter war, etwas spezielles hatte. Irgendwie war sie sowohl süß als auch sexy, sofern ich das als Frau beurteilen kann. Die erste Stunde war kaum was los, doch gegen sieben Uhr brummte der Laden. Loreen meinte da war das Training in der Schule zu Ende und alle kamen hier her um Sandwiches und Cola zu bestellen. Unter ihnen waren sowohl Aaron, als auch Noel. Noel war zwar mit den anderen gekommen, saß allerdings alleine an einem Tisch und lieste in seinem Geschichtsbuch rum. Aaron saß mit den anderen an einem großen Tisch. Obwohl ich die Bedienung war, nahm Loreen mir den Tisch ab. Und sie schien oft hier zu sein, denn sie verstand sich prima mit allen, vor allem mit Aaron. 

Nachdem meine Schicht nun zu Ende war, fragte mich Loreen ob sie mich mitnehmen soll. "Wäre schon sehr nett." Also gab mir Loreen ihren Helm und ließ mich hinter sich auf ihrem Roller Platz nehmen. "Ich habe eigentlich auch einen Roller!", schrie ich ihr zu. Aber trotz meiner immensen Lautstärke bat sie mich es zu widerholen, und verstand es erst, als ich es mir förmlich aus der Seele schrie. "Und wo ist er?" "In der Werkstatt!!" Vor meinem Haus bedankte ich mich noch einmal. "Kein Ding, wir brauchen wieder Leute, die meisten sind aus der Stadt, studieren oder sind einfach nur weg." Und obwohl es kein bisschen zum Thema passte, platze eine Frage aus mir heraus: "Woher kennst du Aaron? Warst du auch mal an der Jacksonville High?" "Schon, aber daher kennen wir uns nicht. Mein Ex-Freund ist mit dem Mädchen zusammen, dass er seit seiner Kindheit kennt. So irgendwie.. also durch meinen Ex kam ich in den Freundeskreis, und ja. Wieso fragst du? Gefällt er dir?" "Nein, also klar sieht er gut aus, aber ich will mich auf die Schule konzentrieren, es ist mein letztes Jahr. Ich hab nicht mehr viel Zeit meine Noten zu retten." "Ja besser ist es, Jungs machen nur Probleme." "Ich weiß, Neugier ist nichts schönes, aber kennst du auch Noel?" "Ja, er ist der Ex von der jetzigen Freundin meines Ex." Also war Noels Exfreundin Faye mit dem Exfreund von Loreen zusammen. Ich wusste also wer ihr Exfreund war. Der große, ebenfalls gut gebaute, ebenfalls dunkelhaarige attraktive Junge an der Seite von diesem Mädchen namens Faye. "Wieso fragst du nach Noel? Der spricht seit Wochen kaum noch mit irgendwem." "Tatsächlich? Er hat mich erst heute angesprochen." "Das mit Faye verarbeitet er nunmal auf seine Weise, er kapselt sich ab und paukt ohne Ende." "Naja, ich sollte das lieber alles gar nicht wissen. Zumindest nicht wissen wollen." Sowohl Loreen, als auch ich brachen in Gelächter aus. Sie war wirlich nett, und eine Freundin würde mir nicht schaden. Eine nicht. Und sie war auch keines dieser Highschool Mädchen, sondern eine erwachsene Frau. 

Zuhause angekommen, war meine Mutter in der Küche. Es roch stark nach Käse, also war sie sicher dabei Kartoffelgratin zu kochen. Das Gericht, was uns beiden sehr gut schmeckte. "Wie war dein Tag, Schatz?" "Er war okay, ich habe auch so gut wie meinen ersten Nebenjob in der Tasche." "Und, schon Freunde gefunden?" "Vielleicht, da war ein Mädchen, das sehr nett war." "Ihr könnte ja dann zusammen lernen." "Nein, eher nicht. Sie ist eine Arbeitskollegin." "Auch gut. Willst du mir helfen?" Und das tat ich dann. Ich schnitt Kartoffeln in Scheiben, und rührte die Creme-fraîche an. Gegen acht Uhr aßen wir dann zu zweit vor dem Fernseher, bis jemand an der Tür klingelte, da meine Mutter im Gegensatz zu mir noch aß, stand ich bereitwillig auf und ging zur Tür. Ich öffnete sie und war erstaunt. Noel stand dort mit einem Kaffee in der Hand. Verwirrt sah ich ihn an. "Woher weißt du wo ich wohne?" "Die Schule hilft da einem gern." Er reichte mir den Kaffee und grinst mich provokant an. "Ich hab nicht gelogen, als ich meinte, dass ich Kaffee hasse." "Du wirst dich wohl dran gewöhnen müssen. Denn wir werden bald schon zusammen einen trinken." "Nein, das glaube ich nicht." "Oh, doch. Du wärst nicht die erste, die.." Ich unterbrach ihn: "Du kennst mich nicht. Du hast noch nie sojemanden kennengelernt wie mich. Versuch es einfach nicht. Ich werde meine Entscheidung nicht ändern, vor allem, nachdem du immer noch was zu verarbeiten hast." Erneut schlug sein Grinsen in eine ernste Mime um, so wie heute morgen am Spind. "Du meinst Faye.." "Ja, ich meine das Mädchen auf dem Foto. Warum hast du überhaupt noch das Foto, wenn sie schon längst bei jemandem anderem in den Armen liegt?" "Sie ist und bleibt Teil meines Lebens. Außerdem war sie die erste Freundin die ich hatte, mit der ich es ernst meinte." "Lass mich raten, sie aber nicht mit dir. Du hast sie so geliebt, und sie dich nicht. Da gab es immer einen anderen.", meine Stimme voller Inorie und Sarchasmus sollte ihm klar machen, dass er sich nicht zum Opfer machen musste. Er war nicht der erste, der verletzt wurde. "Das bringt es auf den Punkt." Erst dachte ich, dass er rumscherzt, aber anscheinend hatte ich es tatsächlich auf den Punkt gebracht. Ich konnte es in seinen Augen sehen, die jetzt den Boden observierten. Er war wirklich verletzt. Ich hatte gedacht, er wäre einfach in seinem Stolz verletzt - was er sicher auch war, aber er war vielmehr dem Liebeskummer verfallen. "Tut mir leid, ich wusste nicht." "Ich geh jetzt." Und als ob ich keine andere Wahl hatte, oder als ob irgendwas in mir doch den Jungen von dem Foto gefunden hatte, bat ich ihn rein. Wir gingen runter in mein Zimmer, das in unserem Keller vorzufinden war.

"Ich wollte wirklich kein Arsch sein. Oder Schlampe? Wie lautet die weibliche Form von Arsch?" Der eben noch so betrübte Noel lachte nun aus voller Kraft. "Ich denke Arschloch passt immer." "Tut mir jedenfalls leid." "Schon ok. Ich kann mir denken, was du dachtest. Der Sportler hatte sich ein Mädchen geangelt, das ihn verlassen hat für einen anderen und er war nur auf seinen Ruf bedacht." "Aber, wenn du offensichtlich noch nicht über Faye hinweg bist, warum willst du mit mir ausgehen?" "Ich fand dich interessant." "Wir können einen Deal machen, sobald du dich völlig von Faye  trennst, dann werde ich mit dir ausgehen." "Ich glaube nicht, dass ich das kann, sie gehört irgendwo immer zu meinem Leben. Und das Foto zum Beispiel erinnert mich daran, wie schön es sich anfühlen kann, anfangs. Wie es mal war." Er war viel tiefgründiger als ich dachte, und auch verletztbarer. "Dann, sobald du es sogut es geht geschafft hast. Deal?" "Deal." Und nach ein paar Gesprächen darüber, wie die erste Liebe einen verändert, wie sie einem übel zu spielt, nachdem sie einem das Beste des Besten gezeigt hat. Wie sie einfach immer wieder von vorn beginnen wird, wie sich alles mit jedem wie ein Erstes Mal anfühlen wird. Über Dinge, die ich mit einer Freundin hätte bereden können, aber ich hatte nie eine echte. Zumindest trennten sich unsere Wege. Darüber wollte ich auch sprechen, aber noch nicht jetzt. Aber ich war mir sicher, dass ich es Noel hätte sagen können. Denn in den nächsten Tagen verbrachte ich viel Zeit mit ihm in der Schule. Wir lernten zwar hauptsächlich zusammen und sprachen nur ab und an über private Sachen, aber es tat gut, sich doch jemandem zu öffnen. Und genau so gut tat es, dass sich jemand einem öffnete. Jemand, der sich anscheinend in den letzen Monaten von allen Freunden abgewandt hatte. Selbst zu seiner Schwester sei vieles anders geworden, laut ihm. Sie war in einer on-/off-Beziehung mit einem gewissen Jake und deshalb immer sehr gut oder sehr schlecht gelaunt und hatte nie Zeit oder Lust mit ihm zu reden. Und seine Mutter war auch keine Ansprechpartnerin. Die einzige zu der er sprach war seine Cousine Jill. Sie war die einzige, die ihm das Gefühl gab wirklich helfen zu wollen. Und jetzt war ich da. Ich konnte und wollte ihm dabei helfen. 

Aber er war nicht der einzige Freund, auch mit Loreen hatte sich schon so etwas wie eine Freundschaft gebildet. Und so kam ich auch dazu mit Aaron zu sprechen, der mir wirklich gefiel. Anders als in Noel, sah ich in ihm mehr als einen Freund. Noel und ich waren uns bereits zu nah, wir waren in so kurzer Zeit schon zu guten Freunden geworden, ich hätte mir nie mehr vorstellen können - ok, nicht nie, aber nicht jetzt. Bei Aaron war das was anderes. Er war mit ein Geheimnis, allerdings schien er an Loreen älterer Schwester Interesse zu haben, die übrigens genau so schön war wie Loreen selbst. Ihr Name ist Vivian. Ein sehr extrovertierter Mensch, der immer gute Laune hatte und diese verbreitete. Loreen war auch oft gut gelaunt und immer nett, aber eher introvertiert. Was mir auch auffiel war, dass sie nie auf die Anmachversuche von Kunden einging, selbst bei den wirklich heißen nicht. Auf meine Frage warum, antwortete sie nur, dass sie keine Lust mehr hat. Und momentan auch keine Kraft für das Ganze. Sie hatte das schonmal, und Spike, das ist der Exfreund, hatte sie daraus geholt , nur um sie wieder reinzustürzen. Verständlich, dass man da wieder eine Pause sucht. Ich versuchte sie aufzumuntern, und war mir sicher, dass der nächste Prinz sie suchte und er bald kommen würde. Natürlich lachte sie darüber nur, aber ich war mir da sicher. Ein Junge musste einen guten Grund haben um Loreen auszuschlagen. Und Spike schien den zu haben: Faye. Sie war, laut Loreen, seine erste Liebe, und manchmal gab es nur die erste und einzige, und die Idee hatte er sich fest in den Kopf gesetzt.

Alles in allem ist Jacksonville ein schöner Zwischenstopp, ich hoffe ich bleibe hier bis zum Abschluss. Es ist ja nur ein Jahr, das musste meine Mama doch hinkriegen: Ein Jahr ohne Umzug. 

Loreen Cocca

Natürlich ist viel Zeit vergangen, mittlerweile so um die drei Monate, aber Zeit heilt nicht alle Wunden. Nicht bei mir. Einerseits habe ich Spike verziehen - er hat es ja nicht aus Bosheit getan, aber andererseits war ich einfach immer noch verletzt. Und deshalb hab ich beschlossen erstmal nichts ernstes anzufangen. Ablenkung war auch nicht mehr das, wonach ich suchte, vor allem, weil es niemanden gab der dafür in Frage kam.. 

 

Vivian warf eine Socke in meine Richtung. "Hey! Hörst du mir überhaupt zu?" Ich warf die Socke zurück, und sprang neben ihr aufs Sofa. "Tut mir leid, ich war in Gedanken." "Loreen, du bist schon fast nie da, also hör mir zu, wenn ich mit dir reden will." "Ich bin einfach total ausgelaugt, es tut mir leid." Sie rollte kurz mit den Augen - allerdings nicht aus Bosheit, sie wollte mich zum Lachen bringen. Früher, als wir klein waren konnte ich das nicht, und sie schon, und immer wenn sie es gemacht hat, habe ich es versucht und dann sind wir in Lachen ausgebrochen. "Also, ich habe einen Job gefunden! In der Bank. Und das, obwohl ich.. du weißt schon." Für einen kurzen Moment verschwand das Glänzen in ihren Augen. "In der Bank?" Doch meine Stimme zauberte es ihr wieder auf die Lippen, und sie grinste mich an. "Loreen, darf ich dich was fragen?" "Klar. Du bist meine Schwester. Wer, wen nicht du?" "Warum bist du seit Spike nicht mehr ausgegangen?" "Du weißt warum." "Wir hatten das Ganze schonmal, Loreen. Manche Typen sind halt arschig, so ist das. Du darfst nicht allen diesen Stempel verpassen!" "So ist es aber leichter." "Leicht heißt nicht gut, Loreen." Doch bevor ich irgendwas sagen konnte, klingelte es an der Tür. "Ich geh schon.", schrie Vivian auf und rannte zur Tür. Sie nahm den Hörer der Freisprechanlage in die Hand und fragte ruhig: "Wer ist da?" Nach einigen Sekunden fügte sie hinzu: "Ah, ok. Ich komme runter, bis gleich." Dann hang sie den Hörer wieder an die Sprechanlage und grinste mich an. "Wer war das?", fragte ich neugierig. "Aaron, wir fahren nach Atlanta. Die IMAGINE DRAGONS geben dort ein Konzert, und er hat noch Karten bekommen." Ich schaute verwundert auf den Kalender. "Es ist Freitag, sollte er nicht zur Schule?" "Vergiss die Schule, er und ich fahren zum Konzert." "Mir gefällt nicht, was du da machst." "Was mache ich denn?" sagte sie langsam und zog dabei die Brauen hoch und runter. "Du weißt das ganz genau. Bitte, vergiss nicht, er ist mein Freund und ein guter Kerl." Vivian zog nur ihre Schultern hoch und verließ die Wohnung, nachdem sie sich umgezogen hatte. Meine Tätigkeit für heute war im Crew zu kellnern.

"Und hast du schon Freunde gefunden, Heather?" Es war bereits Nachmittag, und ich war nicht mehr alleine mit meiner Schicht, was gut war, da jede Sekunde die ganzen Sportmannschaften kommen würden. "Ja. Mit Noel verstehe ich mich ganz gut.. ich kann ihn gut verstehen, ich glaube man trauert jemandem, den man wirklich mochte, noch sehr lange nach." "Das stimmt." "Oh.. entschuldige, ich habe nicht mitgedacht, lass uns lieber über was anderes sprechen." Aber ich reagierte nicht, ich wollte doch reden. Ich musste. "Ich glaube es gibt immer einen in der Beziehung, der mehr will. Der mehr tut. Derjenige will ich nicht mehr sein." "Vielleicht solltest du dich dann mal auf was neues einlassen." "Ich glaube nicht, dass es das ist, was ich brauche." "Das musst du wissen. Aber ich.." Doch lautes Gebrüll brachte unser Gespräch zum Schweigen. "Toll, das sind ja viel mehr als sonst. War heute ein Spiel? Oder gar ein Tunier?" Fragend sah ich Heather an. Sie nickte nur und begab sich zu den ersten Tischen. Ich hingegen blieb an der Bar und erfüllt die Bestellungen. Bis ich angesprochen wurde. Ein gutaussehender, junger Typ mit leichten blonden Locken und markanten Gesichtszügen. "Man darf sich doch sicherlich an die Bar setzen, oder?" Leicht irritiert gab ich ihm ein Nicken. Wo durfte man sich denn nicht an die Bar setzen? "Bist du auch an der Jacksonville High?" "Oh, nein. Die Highschool habe ich hinter mir." "Also keine 16 mehr?" Ich stellte ihm ein Glas hin und schaute ihn an. "Was darf ich dir zu trinken bringen?" "Überrasch mich." Ich schenkte ihm also Cola ein und begab mich weiter an die Arbeit. Ich hatte nun wirklich keine Lust auf sowas. Der Typ war zwar heiß, aber sicherlich 17. "Danke sehr." "Bitte." "Sag mal,.." "Eigentlich würde ich gerne weiter in Ruhe arbeiten." Er zog einen Mundwinkel nach oben und sah mich herausfordernd an. "Wie du willst. Nur noch eins." Ich atmete laut aus und schaute ihn direkt an, was unmittelbar dazu führte, dass ich doch lächeln musste. "Deinen Namen wüsste ich gern." "Loreen." Er schaute mich stumm an - immer noch den einen Mundwinkel nach oben gezogen. "Willst du mir deinen nicht verraten?" "Ich denke nicht." Interessant, was sollte das bewirken? Für mich machte ihn das nur umso unbrauchbarer. Wirkliches Interesse schien der nicht zu haben.. wobei, vielleicht war das genau was ich brauchte. Aber nicht heute. Nein. Und vor allem nicht so ein junger Typ. Dann nahm er sein Glas in die Hand, stand auf und lief zu einem der vollen Tische und setzte sich dazu. 

"Wer war eigentlich der heiße Typ, der dich angesprochen hat?" Mit einem breiten und allzu neugierigem Grinsen im Gesicht sah mich Heather an. "Ich habe keine Ahnung. Er wollte mir seinen Namen nicht verraten." Ich versuchte mein vermeintliches Dessinteresse auch ihr zu vermitteln, aber ihr Blick verriet mir, dass es nicht so war. Im Gegenteil, irgendwas beunruhigte sie. Ihr Blick war für einen Moment starr, dann richtete er sich auf mich und wirkte besorgt. Als mein Blick auf den Eingang fiel, wusste ich was los war. Spike und Faye. Zusammen. Im Crew, da wo ich arbeite. Na, toll. "Ich bediene ruhig weiter." "Mach das." Während mich Faye keines Blickes würdigte, sah Spike öfter zu mir rüber. Sein Blick war voller Schuld und voller Sorge, und ich hätte gern gewusst, was er mir noch zu sagen hatte, aber ich sollte langsam wirklich darüber hinweg kommen. Immerhin war er es ja, warum ich also nicht?

Eine Stunde war vergangen und die beiden saßen immer noch in der Bar. Langsam wurde das Lokal leerer, da die meisten bereits gegangen waren, oder gerade dabei waren zu gehen. Doch nicht Faye und Spike, die bestellten gerade die dritte Runde Getränke. Was für mich bedeutete, ich durfte den Blick noch ein paar weitere Minuten ertragen. Doch als ich dachte, das Schlimmste sei überstanden (zwei Stunden mitansehen zu müssen, wie dein Ex seine neue begafft) passierte es. Spike stand auf und kam auf mich zu, er setzte sich tatsächlich an die Bar und schwieg mich an. Verwirrt sah ich ihn an. "Dein Ernst? Setzt dich an deinen Tisch oder geh." "Ich wollte mit dir reden, ich will nicht, dass es so zwischen uns ist." "Ist es aber. Und das ist nicht meine Schuld." "Hab ich auch nicht sagen wollen. Aber du bist mir immer noch wichtig, ich will, dass wir normal miteinander reden können. Und ich denke du hattest jetzt deine Monate Zeit um damit abzuschließen." "Ändert nichts daran, wie ich darüber fühle. Ich kann dir nicht vertrauen. Und mir ihr wil ich schon gar nichts zu tun haben." Mein Blick richtete sich an Faye, die zu uns rüber sah und sich ein Lächeln aufzwang. "Also wird das jetzt immer so sein? Du hasst mich und ich kann da nichts gegen tun?" Ich wollte nichts mehr sagen, aber eine Frage stellte sich mir noch. "Wenn ich dir so wichtig bin, warum hast du nicht Dinge geklärt, bevor du mit Faye.." Aber mitten im Satz verschwand die Kraft, die ich dafür benötigte. "Loreen, ich weiß nicht, warum ich es so getan habe. Das was ich weiß, ist, dass es mir leid tut! Und ich will nicht, dass du mich hasst. Du hast mir geholfen, und auch meinen Geschwistern. Du bist ein toller Mensch, den ich einfach nicht missen will." "Ich weiß, dass es dir leid tut, und ich bin mir sicher, irgendwann können wir wieder anders miteinander umgehen, aber nicht jetzt." "Okay, ich werde warten." Dann winkte er Faye zu sich und verließ das Lokal. Heather kam im nächsten Moment direkt zu mir und sah mich fragend an. "Es ist alles okay. Er wollte nur, dass ich ihm verzeihe. Aber dafür ist es noch zu früh."

Als ich dann endlich Feierabend hatte und die Tische abräumte, erkannte ich den blonden Typen von der Bar. Er saß als einziger Gast an einem runden Tisch in der Ecke und sah mich keck an. "Kann man dir helfen, namenloser Typ?" "Mein Name ist Phil." "Doch nicht so an Geheimnissen interessiert?" "Darf man dir helfen?" Und ohne eine Antwort zu bekommen, nahm er mir das Tablett weg und positionierte darauf ein Glas nach dem anderen. "Gehört dir der Laden?" "Nein, aber der Chef hat momentan familiäre Dinge zu klären, also irgendwie schon. Momentan." "Und, wie alt bist du, wenn nicht 16?" "19. Aber, wieso fragst du mich nicht das, was du wirklich willst." "Was wäre das denn?" Er ließ das Tablet stehen und setzte sich zu mir auf eine der Bänke. "Ob ich mit dir schlafen will." Er lachte laut und kam näher. "Warum denkst du, dass sei meine Absicht?" "Welche haben Anmachen denn sonst?" "Gutes Argument." Es folgte ein kurzes Schweigen. Ich lächelte ihn inzwischen an, genau wie er mich - mal wieder nur mit einem seiner Mundwinkel nach oben gezogen. "Und was ist deine Antwort?" Ich lehnte mich nach vorne und küsste seine Lippen. Erst zurückhaltend, es war ja auch ungewohnt, schon länger her. Aber als ich dann seine Arme auf meinem Körper spürte, stieg mein Verlangen und ich packte ihn und zog ihn näher an mich, küsste ihn hart. Doch dann wich er von mir ab. "Ist etwas?" "Willst du es echt hier tun?" Also nahm ich ihn mit zu mir, Vivian war ja weg und somit war keine andere Person da.

Als wir dann so in meinem Bett lagen, nachdem wir miteinander geschlafen hatten, fühlte ich mich wieder leer. Das gute Gefühl, dass währenddessen da war, war einfach weg. Als ob es nie da gewesen wäre. Es war wiedermal nur Schmerz da. "Ich hätte nicht gedacht, dass es klappt." "Hmm?" "Du scheinst mir nicht so dumm zu sein, wie der Rest, der drauf reinfällt." "Weißt du, nicht nur Jungs haben Bedürfnisse." "Ich weiß das, doch die meisten tun so, als ob es da einen Unterschied gibt bei Mann und Frau. Aber den gibt es nicht. Gefällt mir, dass du es auch so siehst." Er hatte Recht, natürlich gab es keinen Unterschied zwischen Mann und Frau was das Verlangen anging, aber die meisten taten wirklich so, als ob. Schreckliche Gesellschaft, aus Lügen geformt und zum Lügen verdammt. "Sag mal Phil, wie kommt es, dass ich dich noch nie gesehen habe hier?" "Du bist doch nicht so eine, die in das hier mehr interpretiert, oder? Denn, so wie du fragst.." "Quatsch, nein.. Ich weiß schon, worauf ich mich hier eingelassen habe. Vergiss die Frage." "Bin nicht aus Jacksonville, komme aus Carter." "Drecksloch." "Ja, mag schon stimmen, aber das macht sowas hier doch viel einfacher." Am nächsten Morgen, als ich aufwachte, lag er noch in meinem Bett. Er war ja echt ein kleiner Macho, aber für eine Nacht war das kein Thema, ich würde ihn sicher kaum sehen. Er war ja nichtmal aus Jacksonville. 

Doch da sollte ich mich irren, er kam oft ins Crew. Sehr oft. Und jedes Mal landeten wir am Ende zusammen im Bett. Ich kam mir fast schon lächerlich vor, aber alle waren sich so sicher, das mir das helfen würde, also warum nicht? Wobei meine Schwester große Probleme mit meinem Verhalten hatte. Als Phil dann zum vielleicht zwölften Mal aus unserer Wohnung lief, war es mit ihrerer Geduld am Ende. "Du weißt schon, dass ich nicht sowas meinte." "Ach, nicht? Was machst du denn?" "Wie, was mach ich denn?" "Vergiss es." "Nein, komm. Sag, was du zu sagen hast." Ich weiß nicht warum, aber ich war einfach dauersauer. Irgendwie pisste mich alles an, Phil beruhigte mich wieder, aber meine Schwester fand immer einen Weg es zu versauen. "Du bist gar nicht mehr so, wie ich dich kannte." "Bedank dich bei Sp.." "Vergiss ihn! Lass ihn los! Du musst ihn begraben in deinem Kopf. Er hat dich betrogen, dich verlassen. Es ist aus!" Das hatte mich getroffen. Ich fühlte mich schon die ganze Zeit einfach beschissen, weil ich nicht von ihm los kam, und sie verdeutlichte es mir bei jeder Gelegenheit. "Ich weiß, dass ich darüber hinweg sein sollte. Aber du kennst ihn nicht. Du weißt nicht, wie es zwischen uns war." "Es war so, ja. Aber du musst nach vorne sehen, und damit meine ich nicht belanglosen Sex. Wenn dir dieser Phil so gefällt, dann geh mit ihm auf ein Date, rede mal mit ihm." "So war das nicht abgemacht." "Ja, das was du abziehst auch nicht, also änder was." Und Vivian hatte Recht. So ging es nicht weiter. Entweder musste ich das mit Phil beenden, und ihm sagen, dass ich nicht mehr für diese lockere Affäre zu haben bin, oder ich musste ihn fragen, ob.. aber ich war mir eigentlich ziemlich sicher, dass er keinen Bock hatte auf was ernstes. Das stand fest.

Ich rufte ihn an und bestellte ihn zu mir. Kaum war er durch die Tür, schon zwang er mir seine Lippen auf und versuchte mich auszuziehen. "Stop." Verblüfft sah er mich an, nachdem er von mir abließ. "Was ist los?" "Ich wollte eigentlich mit dir reden." "Reden? Wirklich? Okay, dann reden wir. Schieß los!" Er setzte sich auf die Couch, seine Arme auf die Lehne und seine Beine auf den Tisch. Ich setzte mich gegenüber auf das Sofa und schaute ihn an. "Ich weiß was kommt, dir wird das zu viel. Du hast jemand anderen kennengelernt. Das hättest du mir auch simsen können.", entgegnete er mir mit einem breiten Grinsen. "Ich hab geahnt, dass du nicht so eine bist." "Es bin nicht direkt ich, die ein Problem hat. Meine Schwester meint, ich sollte es ruhiger angehen lassen." "Du lässt dir das von deiner Schwester vorschreiben?" "Klingt seltsam, aber ja. Sie hat wohl Recht, das hat sie immer." "Also keinen anderen kennengelernt? Komisch, sonst kommt das immer." "Hattest du auch schon mal was ernstes?" "Eher nicht. Braucht doch keiner." Enttäuscht und in meiner Vermutung bestätigt nickte ich. "Willst du noch was sagen, oder kann ich gehen?" "Ne, hat sich erledigt." "Wenn noch was ist, sag es mir ruhig." "Du würdest mich auslachen." "Ach ja?" Er lehnte sich nachvorne und grinste, während er seine Brauen hochzog. Er war echt ein selstbewusster junger Mann, der sehr gut im flirten war. "Ich hatte gedacht, wir könnten uns treffen." "Kein Problem." "Ich meine nicht so wie bisher, anders." "Ich weiß." "Ich bin verwirrt." "Ich nicht. Am Samstag nimmst du dir frei, ich hol dich um sechs ab." Dann küsste er mich auf den Mund und ließ mich verwirrt zurück. Ein seltsamer Typ, aber durchaus mit Potential.

 

Ich hatte mich jetzt doch gegen meine Instinkte auf jemanden eingelassen. Jemand, den ich nicht begriff. Er sagte das eine, tat aber auch das andere. Was wollte er nur? Und, woher kam er aufeinmal? Und warum konnte ich nicht aufhören an ihn und seine stahlblauen Augen zu denken? Oder an seine leicht gelockten Haare, die ihm mittlerweile leicht in die Augen fielen, wenn er kein Gel benutzte? Pscht.. Loreen, sei nicht so ein Mädchen. Ganz ruhig, es war ein Versuch. Und diesmal musst du gefasst sein, dass du auch verletzt werden kannst.

Jill Edwardsen

In letzer Zeit habe ich mich so sehr um andere gekümmert, hauptsächlich Noel, aber auch Jamie hatte oft ihre Probleme... ich hab ganz vergessen mich um mich zu kümmern. Oder um Ethan. Und Ethan bedeutet mir alles, er gibt mir Halt, Kraft und einfach alles, was ich brauche. Ich würde mich wirklich gern mal wieder um mich kümmern, aber gerade jetzt scheint mich Noel dringend zu brauchen, genau wie Jamie.

 

"Ich bin echt froh, dass du von deinem komischen Aggresionstrip runter bist. Das war ja furchtbar." Noel lachte mich an, und nahm mich kurz in den Arm. "Danke, dass du da warst. Hätte nicht jeder gemacht." "Für was hat man denn Familie?" "Aprospos Familie, wie geht es Rick eigentlich?" "Wir schreiben ab und an, ihm geht es gut. Er kommt uns demnächst auch besuchen, ich hoffe deine Mutter hat nichts dagegen." "Ach, die merkt doch eh gar nichts. Die kannst du vergessen." "Ihr kommt nicht so gut klar, oder?" "Nein, aber was soll's." "Hat sie dir eigentlich mal erzählt, wer dein Vater ist?" "Nein, weder Jamie noch ich, wissen wer es ist. Wir wissen nichtmal, ob wir denselben haben." Noel sah mit leeren Augen aus dem Fenster. Irgendwie wollte ich ihn aufheitern, irgendwas nettes sagen. Irgendwas. "Sag mal, was läuft da eigentlich mit dieser Heather?" "Sie ist eine gute Freundin geworden. Nicht so gut wie du, aber immerhin." "Also ist sie nur eine Freundin?" Ich zwinkerte ihm kurz zu, und es zeigte Wirkung, denn er lächelte. "Ich mag sie schon sehr gerne, aber ich glaube sie hat eigentlich gar kein Interesse an mir." "Wieso glaubst du das?" "Ich hatte sie um ein Date gebeten, noch bevor wir Freunde geworden sind, da hat sie gesagt, ich solle erstmal über Faye hinwegkommen. Naja, was soll ich sagen, es klang sehr nach Ausrede." "Ach, Noel.. lad sie einfach mal ein, deine Mutter ist sowieso unterwegs, und ich kann mit Ethan auch ausgehen, dann bist du alleine hier.. ok, fast alleine." 

Also überließ ich Noel das Haus, und traf mich mit Ethan - es war das erste Mal seit Wochen, dass wir mal wieder ein Date hatten. "Wie läuft es eigentlich im Turnier?" Ethan küsste mich zunächst und grinste mich dann an. "Was ist?" "Ich habe ein Hotelzimmer gebucht." "Mit welchem Geld?" "Das ist eine der guten Nachrichten, die ich dir mitteilen wollte. Ich habe einen gutbezahlten Teilzeitjob gefunden. Im Plaza Hotel, deshalb auch das Zimmer." "Du wohnst doch jetzt nicht da?" "Quatsch, aber ich komme jetzt leichter an Zimmer, und es ist auch günstiger als üblich." "Hört sich gut an." Ich schaute ihm in die Augen, und sah wie stolz er war. Und wie glücklich, und das machte mich glücklich. Jemanden zu haben, der auf so kleine Dinge so unendlich stolz war, und der einen mit dieser guten Laune in nullkommanichts anstecken konnte. "Ich liebe dich, Ethan." Ohne wirkich darüber nachzudenken, hatte ich es ausgesprochen. Und es war das erste Mal, das erste Mal, dass ich diesen Worten wirklich Tiefe verliehen hatte. "Und ich liebe dich, Jill.", brachte ein noch glücklicherer Ethan raus und nahm mich in seine Arme. "Wir müssen sofort zum Auto, und dann zum Hotel." "Hast du das Zimmer schon gebucht?" "Nein, ich.." "Dann bleiben wir doch lieber im Auto, da fing alles an." "Stimmt, in meiner hässlichen Karre.. da hat es angefangen. Das beste, was mir je hätte passieren können." Ich legte meine Arme um ihn und küsste ihn auf den Mund. Es war ein langer Kuss, einer, der ihm zeigen sollte, wie sehr ich ihn liebte. Und obwohl der Kuss so unendlich lang war, war er nicht genug, ich wollte ihm irgendwas geben, irgendwas zeigen.. "Ich wünschte ich könnte dir zeigen, wie glücklich du mich machst." "Das tust du, Jill. Immer, in jeder Sekunde, die du mit mir verbringst, sehe ich, warum ich dich liebe, und spüre, dass es bei dir nicht anders ist." "Bist ja 'n ganz schöner Poet." "Das schönste Mädchen verdient nur die schönsten Worte." 

Nachdem wir uns im Auto unserer Liebe hingegeben hatten, fuhren wir nachhause, immerhin hatte ich Noel nur für den Abend frei gegeben, nicht für die Nacht. "Sollen wir wirklich rein? Ich kann das Hotelzimmer immernoch buchen." "Quatsch, ich bezweifle eh, dass Noels Plan aufgegangen ist. Wobei, eher mein Plan." Als wir dann das Haus betraten, hörten wir viel Geschrei, so als ob sich jemand streiten würde. Wir gingen also die Treppe hoch, wo der Lärm herkam. Es kam aus Jamies Zimmer. Diese brüllte Jake an und hatte Tränen in den Augen. Ich schickte Ethan weg, und versuchte zu trösten. "Was ist hier los? Was ist passiert?", doch keiner der beiden antwortete mir, sie stritten einfach weiter. Deshalb wurde ich lauter, und fragte nochmal: "Was ist hier los? WAS IST PASSIERT?!" Diesmal reagierte Jake. "Jamie hat mal wieder einen ihrer Eifersuchtsanfälle." "Oh ja, so nennen wir das also, wenn du dich daneben benimmst." Irgendwas war wohl passiert.. "Aber geh jetzt Jill, das hier geht dich nicht an, es geht niemanden was an außer Jake und mich." Dann drängte mich Jamie aus ihrem Zimmer und schloss die Tür. Ein wenig enttäuscht, und auch wütend, ging ich hoch in mein Schlafzimmer. "Unglaublich, sie hat mich einfach rausgeschmissen, gar nicht gesagt, worum es geht. Kein Wort.." "Jill, ich weiß, du willst dich immer um sie kümmern, und auch um Noel - wobei er älter ist , aber du kannst das nicht. Und sollst auch nicht. Das ist deren Leben, sie müssen lernen damit alleine klarzukommen, verstehst du?" "Ich muss ihnen sehr wohl helfen." "Jill, du bist deren Cousine, nicht deren Mutter." "Aber die beiden hatten nie wirklich eine Mutter, nicht so wie ich sie hatte." "Psch.. die beiden sind bisher gut allein klar gekommen, zumindest so gut es geht, von daher musst du ihnen die Chance geben dies auch weiterhin zu tun." "Aber es ist so schwer.. manchmal ist die Lösung so offensichtlich, aber keiner der beiden sieht sie je.. ist es da nicht gemein, denen nicht zu helfen?" Ethan nahm mich in den Arm und flüsterte in mein Ohr: "Jill, Jill, Jill.. es geht hier nicht um dich, das ist deren Leben, die müssen selbst entscheiden, Fehler machen.. und daraus lernen, sonst werden die beiden nie klarkommen. Hör auf zu versuchen deren Mutter zu sein. Außerdem wolltest du dich doch mehr um mich kümmern." Ich schaute auf, und sah einen grinsenden Ethan, der dazu noch die Brauen rauf und runter bewegte. "Nicht so egoistisch Ethan." Doch anstatt was zu sagen, schaute er mich nur weiter grinsend an. Nach einer gewissen Zeit küsste er mich schließlich, doch bevor wir irgendwas tun konnten, klopfte es an der Tür. Ich öffnete sie und sah Noel vor mir stehen. "Was ist los?" "Können wir kurz reden?" Ich schaute kurz zurück zu Ethan, der mir kurz zunickte und somit zeigte, dass es okay war, wenn ich kurz mit ihm reden gehen würde. 

"Also, worüber willst du reden?" "Ich habe Heather eingeladen, ihr erzählt, dass ich über Faye hinweg bin, dass es in meinem Zimmer kein sichtbares Foto mehr von ihr gibt, und dass somit unser Deal aussteht. Zunächst war sie auch ganz gut drauf, wir haben gekocht, gelacht.. doch dann, ich wieß nicht was war, irgendwas hat ihr glaub ich die Laune verdorben. Aufjedenfall war sie kurz im Bad, wobei kurz etwas untertrieben ist, sie war da ganz schön lange drin.. und danach wollte sie unbedingt nach Hause. Ich durfte sie nichteinmal nach Hause fahren, sie bestand drauf alleine zu fahren. Und ich weiß jetzt einfach gar nicht, was ich damit anfangen soll. Was.. was heißt das jetzt?" Das war natürlich eine gute Frage.. "Noel, das Problem ist, ich kenne Heather nicht, ich kann unmöglich wissen, warum sie sich so verhält wie sie es nunmal tut. Bei Faye war das was anderes, ich habe sie kennengelernt und wusste einiges über sie. Ich kann dir da echt nicht sicher was sagen, es wären alles Vermutungen." "Das ist egal, sag, was du denkst." "Ich glaube, sie wollte dir wirklich eine Chance geben, aber als sie dann kurz alleine war, wurde ihr klar, dass irgendwas nicht passt.. vielleicht hat sie auch einen Anruf bekommen, ich meine, warum sollte man sonst so lange im Bad bleiben. Und vielleicht war dieser Anruf von einem ihrer früheren Freunde, jemandem an dem sie noch hängt. Du bist ja nicht der einzige, der da länger für braucht." "Also du glaubst, da ist irgendwer, der ihr noch was bedeutet?" "Könnte ich mir gut vorstellen, ja." "Mhmm, reden will sie darüber auch nicht. Ich habe ihr danach gesimst, gefragt, ob alles okay sei." "Und was meinte sie?" "Sie hat noch nichts geschrieben." 

Am nächsten Morgen war am Frühstückstisch seltsame Laune, Jamie war sauer, Noel war nachdenklich, Ethan war schon auf der Arbeit, Jake war mitten in der Nacht gegangen und ich saß emotionslos am Tisch. Ich wollte wirklich beiden helfen, aber Ethan hatte schon recht. Ich konnte zwar, aber sollte nicht. Die beiden mussten lernen da selbst rauszukommen. Nach dem Frühstück, legte ich mich ins Wohnzimmer auf die Couch, mir war etwas schwindelig, und ich fühlte mich nicht gut. Ich weiß nicht genau wann, aber auf einmal saß Jamie am Fußende der Couch. Sie lächelte mich an, und trotz Schmerzen und Schwindel versuchte ich zurückzulächeln. "Tut mir leid, dass ich dich gestern rausgeschickt habe, Jill. Aber ich glaube es bringt nichts darüber zu reden, was passiert ist. Es würde alles nur schlimmer machen." "Habt ihr euch gestritten?" "Ja, wie immer. Und ich weiß nicht, vielleicht habe ich wieder überreagiert, aber, wenn mich was stört, dann sage ich das auch." "Das ist auch gut so." "Geht's dir nicht so gut?" "Ich weiß auch nicht, mir ist einfach schlecht." "Kriegst du deine.. du weißt..?" "Nein, nein... die kommen seit ein paar Wochen gar nicht mehr." Und da, als ich es ausgesprochen hatte, kam mir eine Idee, eine Vermutung, was mit mir los war. "Hol mal bitte Noel, Jamie." Jamie nickte, und rief nach Noel. Dieser kam zu mir und nahm meine Hand, bevor er zu mir sprach: "Was ist los? Was hast du?" "Du musst mich zum Arzt fahren, jetzt." 

Im Auto erzählte ich Noel, was ich vermutete: "Ich glaube.. es könnte sein, dass ich schwanger bin." Noel drehte sich verblüfft zu mir um, und schaute mich fragend an. "Ja ich weiß, zu doof zum verhüten.. einmal, einmal auf Loreens Party, da haben wir es ohne getan." "Ich hab ja nichts gesagt, wie lange vermutest du das schon?" "Erst seit jetzt, mir sind ja kaum Symptome aufgefallen. Ich hatte.. Was soll ich nur machen, wenn es so ist?" In mir kam Panik auf. Wie in Gottes Namen sollte ich das Ethan erzählen? Oder meinem Bruder? Und wie sollte ich das bezahlen? Und ich konnte ja schlecht, noch jemanden ins Haus meiner Tante mitschleppen. "Das würde nur Probleme geben." "Abwarten, Jill. Außerdem ist ein Baby nichts schlimmes, im Gegenteil. Ist zwar eine Herausforderung, aber du bist doch die geborene Mutter, von daher macht dir keine Sorgen, wir werden dir auch alle im Zweifelsfall helfen." "Danke, Noel." "Ist das Mindeste." 

Im Behandlungsraum wartete ich nochmal auf meinen Arzt. Als er dann reinkam, war ich etwas verblüfft. Es war ein relativ junger, gutaussehender Mann. "Guten Tag, mein Name ist Dr.McCohen." Scheiße, scheiße, scheiße.. McCohen? Wie in Faye McCohen? Das war doch nicht ihr.. "Guten Tag, ich bin Jill Edwardsen." "Warum bist du hier, mein Kind?" "Ich glaube ich bin schwanger." "Hmm.. was bestätigt dich in deiner Annahme?" "Ich habe seit mehreren Wochen keine Menstruation mehr, und heute morgen habe ich mich zweimal übergeben. Schlecht war mir auch." "Was heißt mehrere Wochen?" "8 Wochen, also zwei Monate könnten es schon sein." "Okay, wir werden einige Tests durchführen, dann setzt du dich ins Wartezimmer, bis ich dich wieder reinhole, ist das in Ordnung?" Ich nickte ihm zu, fürhte die besagten Tests durch und setzte mich zu Noel ins Wartezimmer. "Der Arzt.. das ist Fayes Vater." "Ich wusste nicht, dass er wieder in den USA ist, sonst hätte ich dich woanders hingebracht." "Schon okay, ist auch egal, wenn ich schwanger sein sollte, werden es sowieso bald alle wissen." Bevor wir länger darüber reden konnten, betrat Fayes Vater den Raum und bat uns nach innen. Diesmal wollte ich Noel dabei haben, was vielleicht nicht die beste Idee war. "Schön dich wieder zu sehen Noel. Ist schon länger her. Bist du Mrs.Edwardsens Freund?" "Nein, sie ist meine Cousine. Kennen Sie Ethan? Das ist ihr Freund." "Oh, entschuldigt. Ich.. warum begleitet Sie nicht Ihr Freund, Mrs. Edwardsen?" "Ich wollte erst wissen, was los ist. Ich.." "Schon, ok." Danach war es für einen Moment still, während sich Dr. McCohen irgendwelche Papiere durchlas. "Das Ergebniss ist eindeutig, Sie sind schwanger, Mrs.Edwardsen." Ich spürte, wie ich bleich wurde, und ich alle meine Sinne für einen Moment verlor. Es war also wirklich so, ich war schwanger. "In welchem Monat?", brachte ich raus, bevor mir Tränen das Gesicht runterliefen. "Sie sind in der sechsten Woche, noch ziemlich am Anfang, aber es schaut gut aus. Ich bitte sie, ab jetzt regelmäßig zu Untersuchungen zu erscheinen, am besten mit ihrem Freund zusammen. Oder noch besser mit Ihren Eltern." "Die leben nicht mehr.." "Pardon, das wusste ich nicht." "Schon ok." "Dann mit ihrem Erziehungsberechtigten." "Meinem Bruder also, perfekt." "Hier, das ist meine Karte, über die Nummer können Sie mich jederzeit erreichen." Er gab mir eine Karte und lächelte mich an. "Darf ich Sie was fragen?" "Natürlich, nur zu." "Wie sage ich das überhaupt jemandem?" "Nun, das liegt ganz an Ihnen und der Person, der sie es sagen. Ich kenne Ethan, er wird sich bestimmt freuen. Und ich glaube auch ihr Bruder, wird sich in erster Linie freuen, nachdem der Schock verdaut ist. Mein einziger Tipp ist, sagen Sie es ihnen direkt und ins Gesicht. Keine SMS oder E-mail, oder was weiß ich." "Vielen Dank."

Während der Fahrt nach Hause, sprach ich kein Wort. Noel hingegen redete ohne Punkt und Komma. Er versuchte mich zu trösten, mir zu sagen, dass Rick sowieso bald kommt, und wir es ihm gemeinsam sagen können. Und auch, dass er so wie McCohen denkt, dass Ethan sich freuen wird. Und wegen dem Geld und allem was anfallen wird, würden sie sich als Familie kümmern. Aber trotzdem, so sah mein Plan nicht aus, ich wollte heiraten und dann ein Kind kriegen, und ich wollte sicherlich nicht so früh Mutter werden. 

Abends als Ethan dann nach Hause kam, wartete ich in der Küche auf ihn. Er sah mir an, dass irgendwas nicht stimmte. "Was ist los, Schatz?" "Ich muss dir was sagen. Und ich weiß nicht, wie du reagierst. Ich habe Angst, dass du.." "Psch.. was es auch ist, sag es einfach." "Mir war heute schlecht, also bin ich zum Arzt gegangen." "Bist du krank?" Ethans Augen wurden ganz groß und füllten sich mit Angst. "Nein, ich war beim Frauenarzt. Ich bin schwanger, Ethan." Ethan sah mich an, seine Augen wurden kleiner, und irgendwann kniff er sie leicht zusammen, als ich mir genauer ansah, sah ich, dass er lächelte. Er schien sich tatsächlich zu freuen. "Schwanger? Von mir?" "Von wem denn sonst?" Ich warf eine Serviette nach ihm, doch verfehlte um einiges. Er kam näher und hockte sich vor mich hin. Dann gab er meinem Bauch einen Kuss. "Hallo, Baby. Du wirst die besten Eltern aller Zeiten haben, das verspreche ich dir." Dann stand er auf, und gab mir einen Kuss. "Wir packen das, zusammen, du und ich." 

 

 Ich hatte es endlich geschafft, mich auf mein Leben zu fokusieren, auf mich und Ethan. Auf meine Familie, auf alles, was noch auf mich zukommen würde. Aber ich hatte keine Angst mehr. Diese Angst hat mir Ethan genommen. Er hat mich stark gemacht, und dafür war ich ihm unendlich dankbar. Dafür, dass er mir jeden Tag zeigte, warum er mich liebte. Mich, und niemanden sonst. Danke, Ethan.

Jamie VanHouton

Bisher hatte ich zwei feste Freunde, erst Spike und jetzt Jake. Und ich war mir mittlerweile sicher, ich war für Jake nur die zweite Wahl, die andere Option - sowie bei Spike. Klappt es mit der Erstwahl nicht, kommt man zu Jamie..

 

"Hat sich das mit Jake geklärt?" "Ich habe ihn seit dem Abend nicht mehr gesprochen." "Was war denn überhaupt los, Jamie?" Jill schaute besorgt - wie immer, aber dieses Mal steckte noch irgendwas in ihrem Ausruck. Sie sah aus, als ob sie ein Geheimnis hütete. "Er ist mir fremdgegangen." "Jake? Aber er, man sah doch, dass er.." "Mich liebt? Dass ich nicht lache, der Typ liebt nur sich selbst und Sex." "Bist du sicher, dass du.." "Ich hatte schon länger die Vermutung, er hat irgendwem dauernd gesimst, das macht er nie, nichtmal bei mir.. und dazu kam, dass er oft Abends nicht konnte.. und dann hab ich ihn gesehen." "Mit wem denn?" "Mit Heather." "Noels Heather?" "Ja, mit dieser Heather." "Ich wusste gar nicht, dass die beiden sich kennen. Hast du das deinem Bruder erzählt?" "Nein, ich will ihm das nicht.. es geht ihm endlich besser und das soll so bleiben. Jake und Heather wissen auch nicht, dass ich sie gesehen habe." "Worüber haben Jake und du dann gestritten?" "Ich hab ihm gesagt, ich hätte vieles gehört und viel gelesen auf seinem Handy.. nicht, dass ich ihn gesehen hätte. Ich wollte sehen, ob er die Eier hat, mir die Wahrheit zu erzählen." "Ich glaube, du solltest da ehrlich sein, Jamie." "Ich denke, dass sollte ich selbst entscheiden, Jill. Wie und wann ich das regel." Dann stand ich auf, und verließ unser Haus. Ich wollte einfach raus, meinen Kopf frei kriegen und etwas Zeit für mich nehmen. 

Ich hatte mich entschieden, ans Flussufer zu fahren und mich etwas in die Sonne zu legen. Ich hatte dazu eigentlich keine Zeit, ich hätte eigentlich üben müssen, immerhin standen Prüfungen an, aber ich hatte zum lernen echt keine Kraft mehr. "Jamie?" Ich öffnete meine Augen und schaute in zwei vertraute Gesichter: Raven und Alex. "Hey, was macht ihr denn hier?" "Raven hat gleich ihrenTermin hier um die Ecke, da dachte ich, ich hole ihr vorher noch ein Eis." Ich wollte irgendwas nettes sagen, irgendwas lockeres, irgendwas was von meinem tatsächlichen Schmerz ablenkt, aber ich bekam nichts heraus. Stattdessen starrte ich die beiden nur an. Dabei fiel mir vor allem Raven auf. Sie war ganz anders, Haare und Klamotte waren anders, irgendwie strenger und weniger sexy - irgendwie ganz anders als man sie bisher kannte. Sie war mal meine beste Freundin gewesen, vor Annie, vor Spike .. aber das war lange her. Diese Raven sah ich nicht mehr, die Raven vor mir war kaputt. "Wie geht's dir Raven?" "Ich denke gut. Ich komme klar." Selbst ihre Stimme war anders, irgendwie leiser. Auch Alex sah seine Schwester mit schmzererfüllten Augen an. Auch er schien etwas in ihr zu missen. "Wir müssen jetzt los, war schön dich zu sehen, Jamie." "Kann ich mitkommen?" Alex sah zu Raven, diese sagte nichts, guckte ihn nicht einmal an. Ihr Blick richtete sich an den Himmel. "Klar, ich muss sowieso immer im Wartezimmer warten, etwas Gesellschaft tut einem sicherlich gut." 

"Wie lange ist sie schon hier?" "Seit vier Monaten. Zuerst dachten wir, sie hätte ein Problem mit dem Gefühl der Liebe, schwer zu beschreiben.. also sie hatte das Gefühl keiner würde sie lieben. Aber es hat sich herausgestellt, dass sie eine Psychose hat." "Hört man da Stimmen?" "Ja, und wahrscheinlich hat sie von da das Gefühl bekommen. Wir haben nur Glück, dass die Ärzte das früh entdeckt haben, sonst wäre sie wahrscheinlich nie wirklich wieder gesund geworden." "Ich hätte für sie da sein müssen. Sie war immerhin meine Freundin, und sie hat ja sonst niemanden." "Sie hat Spike und mich. Ich hätte viel eher was von Aaron erwartet, immerhin war er mehr oder weniger der Auslöser." Danach schwiegen wir für eine Zeit. Alex' Blick wanderte dabei durch den Raum. Wahrscheinlich schaute er sich die anderen Patienten hier an, und war froh, dass seine Schwester nicht so war. Die anderen zwei Patienten war ein kleiner Junge mit verrückten Augen und eine Frau ohne Augenbrauen die immer wieder einen unverstänlichen Satz vor sich hinbrabbelte. "Wie läuft es mit Amy?" "Mit Amy? Nun ja, in den letzten Monaten haben wir uns kaum gesehen, wegen Raven, aber sie kommt damit gut klar." "Und du auch?" "Ich denke schon. Wie sieht es mit Jake aus?" Ich wollte ihn erst anlügen, sagen, dass alles toll ist, aber das wäre eine Lüge und ich wollte ihn nicht anlügen. Alex war mir gegenüber immer ein echter Freund gewesen, also sprach ich was ich dachte: "Er hat mich betrogen." Alex lachte kurz, merkte dann, dass es ernst war und nahm mich in den Arm. "Tut mir leid, dass ich gelacht habe, aber ich dachte wirklich das sei ein Witz." "Schon okay, du musst mich auch nicht umarmen." Ich drückte ihn von mir weg und zuckte kurz mit meinen Mundwinkeln. Alex schaute mich mitleidig an, dann schlug sein Blick in Wut um. "Irgendwer sollte Jake eine verpassen." "Darum kümmere ich mich schon, keine Sorge." 

Nach der Sitzung waren wir mit Raven ein Eis essen, sie wirkte zwar etwas lockerer, aber immernoch zurückhaltend. Später fuhr mich Alex zu Jakes Haus und wünschte mir viel Erfolg bei der Mission "Jake spüren lassen, was es heißt zu leiden". Ich klopfte an Jakes Tür und wartete, und wartete - aber nach fünf Minuten habe ich immer noch keine Antwort gehabt. Ich schrieb Jake eine SMS: "Jake, hier ist Jamie, komm sofort herunter und öffne mir die Tür. Ich habe dir was zu sagen." und keine Minute später öffnete er mir die Tür. "Ich stand unter der Dusche, tut mir leid, wenn du warten musstest. Komm rein." "Nicht nötig. Ich wollte die nur etwas sagen." "Ist irgendwas los?" "Ich weiß das von dir und Heather." "Was soll da sein? Ich kenne Heather doch gar nicht." "Ich habe recherchiert.. ihr wart schonmal auf der selben High School." "Mag sein, aber da läuft nichts." "Ich habe euch gesehen. Es ist immerhin nicht sonderbar schlau, es in meinem Badezimmer zu treiben." "Es war ein Fehler, ich.." "Nein, ich mache Schluss. Endgültig. Und ich verlange noch eine letzte Sache von dir." "Nein. Du machst nicht Schluss mit mir." "Genau das will ich aber, Jake. Wir hatten immer nur Stress, also warum sollte ich dir deinen Seitensprung verzeihen?" "Ich dachte wir lieben uns." "Deshalb bist du mir also fremdgegangen? Mit dem Date meines Bruders, nicht zu vergessen." "Ich lasse dich nicht gehen." "Das wirst du wohl müssen." Ich lief die drei Treppenstufen runter und wollte meinen Schlüssel rausholen da griff mich Jake grob an den Armen und schaute mir tief in die Augen. "Du willst also wirklich, dass zwischen uns Schluss ist?" "Habe ich eine Wahl? Ich werde dich ganz bestimmt nicht teilen. Und sowieso.. du hast dir nur die ersten Wochen Mühe gegeben, danach war ich für dich eh nur noch gut, wenn du Sex wolltest." "Wenn es das ich was ich wollen würde, würde ich jede Woche eine andere.." "Dann mach das ab jetzt, viel Spaß." "Du verstehst nicht, ich brauche dich!" "Hättest du dir vorher klar machen müssen, es ist aus. Und ich erwarte von dir, dass du das mit Heather sein lässt. Noel geht es gerade erst wieder gut, da soll er nicht gleich wieder abstürzen." Ich stieg in mein Auto, öffnete aber das Fenster, da Jake wild dagegen schlug. "Du verlässt mich und erwartest, dass ich das tue, was du mir sagst?" "Genau, du schuldest mir etwas, würde ich sagen." "Weißt du was? Hau ab! Ich brauche dich nicht, ich kann jede andere haben. Jede!" "Viel Spaß dabei." Ich fuhr weg.

In den nächsten Tagen bekam ich eine SMS nach der anderen von Jake. Mal ging es darum, wie sehr er mich liebte, mal darum, wie egal ich ihm sei und, dass er jetzt erst recht loslegen würde mit Heather. Was er nicht wusste, war, dass er mir genau in die Karten spielte. Natürlich tat es mir für Noel leid, immerhin hatte er einen weiteren Fehlgriff getätigt, aber er würde Jake die Strafe geben, die er verdient hatte. Und die Aktion würde ihm sicherlich dabei helfen, die ein oder andere kennenzulernen. Natürlich der Plan war für mich um einiges besser, als für meinen Bruder, aber das war mir jetzt auch egal.

Es dauerte neun weitere Tage bis Noel von Jake und Heather erfuhr.. Es war ein Donnerstag, es war nach einem Fußballspiel. Noel hatte die beiden in der Umkleide erwischt, dabei waren er und Heather auf einigen Dates und er hatte sich durchaus Hoffnungen gemacht. "Heather.. deshalb hat sich Jamie von dir getrennt? Lief das schon während das mit euch noch hielt?" "Könnte man so sagen, das mit Heather und mir geht, seit sie hier ist." Jake war arrogant wie eh und je, so kannte ich ihn gar nicht, aber er hatte sich die Monate über sowieso geändert. Noel sah kurz zu mir rüber, bevor er Jake eine verpasste. Jake fiel gegen eine Wand und hielt sich danach sein Kiefer, bevor er auf Noel losstürmte. Doch Noel übte selbst Druck auf Jake, so dass Jake am Ende auf dem Boden lag. Dann verpasste Noel ihm noch zwei, man hörte förmlich wie Jakes Nase brach. Die gesamte Zeit schrie Heather rum und versuchte einzugreifen, wurde allerdings immer von diveren Leuten zurückgehalten. "Komm, Noel, ist das alles?" Jake grinste breit, so, dass man sah, wie seine Zähne von Blut überzogen waren. Noel hatte bisher keinerlei Wunden. Doch dann stellte Jake Noel ein Bein und schlug ihm eine gegen seinen Kiefer, so, dass Noel schmerzverzehrt seinen Kiefer hielt. Dann schlug Jake noch ein paar mal zu, verfehlte ihn aber immer wieder. Noel schubste Jake weg, so dass dieser erneut gegen eine Wand knallte und sich am Kopf hielt. "Das ist für Jamie, und dafür, dass du das allerletze Arsch überhaupt bist." Noel verpasste Jake einen Kinnhacken. Damit war Jake bewusstlos geworden, und Noel richtete seine Aufmerksamkeit auf Heather. "Du wusstest, was für eine Bedeutung das mit uns für mich hatte. Du wusstest es, warum, warum.." "Ich wollte dir nicht weh tun, aber ich kann nichts daran ändern, dass ich dich nicht will." "Ich hab mich wohl in dir geirrt. Dir zu vertrauen war echt ein dummer Fehler." Heather hielt Noel am Arm und schaute ihm in die Augen: "Noel, ich mag dich, aber nicht so. Ich wusste nicht, wie ich dir das sagen sollte." "Aber mir was vorspielen war in Ordnung?" "Ich wusste mir nicht zu helfen, es tut mir leid." "Ja, mir auch."

Noel stieg in sein Auto, fuhr aber nicht los. Er saß dort einfach, und starrte in die Ferne. Ich setzte mich auf den Beifahrersitz und nahm seine Hand. Sie war blutig, und wund - nur für mich. Und urplötzllich fühlte ich mich schlecht. Ich hatte mein Befinden über seines gestellt, ich hatte ihn vor der Schule bloßgestellt - also indirekt, aber ich hätte es verhindern können und habe es nicht. "Du wusstest es, nicht?" Ich nickte. Er befreite seine Hand aus meinem Griff und hielt damit fest das Lenkrad fest. "Und wieso hast du nichts gesagt?" "Ich.." "Du wolltest, dass ich ihn vermöble, nicht?" "Ja.. ich wusste nicht, was Heather dir bedeutet." "Ich denke das wusstest du ganz genau, Jamie. Dank dir habe ich mich nicht nur öffentlich lächerlich gemacht, ich bin mir sicher ich kriege einen Verweis. Aber ich war ja so blöd drauf einzugehen." Daran hatte ich gar nicht gedacht. Noel hatte Jake auf dem Schulgelände zur Sau gemacht, normalerweise bedeutete sowas einen Schulverweis.. und da er im Sport aktiv war, könnte er auch da zu Einschränkungen kommen. Alles nur, weil ich Rache wollte. "Ich wollte, dass jeder weiß, was er für ein Arsch ist. Und was für eine Lusche." Noel schrie mich nicht an, er belehrte mich nicht, schmiss micht nicht aus dem Auto, nein. Er fuhr nach Hause, sagte unserer unbrauchbaren Mutter nichts und auch sonst sagte er nichts. N-i-c-h-t-s. Und ich kannte ihn, er konnte das monatelang durchziehen. Das eine Mal hatte er mich so bestraft, als ich seinen Kanarienvogel entkommen lassen habe. Und da gab es noch das andere Mal, als ich unsere Gartenhütte in Brand gesetzt hatte und unserer Mutter erzählt hatte, er war das. Da war er 8 und 14 Jahre alt, beide Male nahm er die Schuld auf sich, sprach aber nicht mit mir, er behandelte mich wie Luft. "Bitte tu das nich, Noel." Doch er reagierte nicht, er packte weiter seine Taschen. "Ich will das nicht, ich will uns nicht so sehen." Aber ich hatte wohl keine Wahl.

 

 

Rache.. jedes Kind wusste, dass es falsch war, aber welches Kind konnte dem schon widerstehen? Ich nicht.. aber im Gegenteil zu allen anderen war ich doof genug, meinen unglaublich tollen Bruder mitrein zu ziehen. Am Ende hatte er alle Probleme und ich war nicht viel glücklicher als vor der Aktion.

Jake Arkinson

"Du hast dich verändert" - diesen Satz habe ich in letzter Zeit oft hören müssen. Von Jamie, von meiner Mutter, von meinen Freunden. Spirch, allen. Nur eine, eine einzige Person hat mir diesen Satz kein Mal vor die Füße geworfen: Heather. 

 

In den letzen Tagen hatte ich Zeit mich zu beruhigen, das mit Jamie sacken zu lassen. Einerseits wollte ich sie bei mir haben, andererseits war ich wirklich erleichtert und froh darüber, dass sie mich verlassen hatte. Und da war ja auch noch Heather, die vor allem nach der Prügelei bei mir war. Ich mein, ich sah schon ziemlich zugerichtet aus.. blaues Auge, aufgeschwollene Lippen und auch meine Fingerknöchel sahen ziemlich mitgenommen aus. Ich fühlte mich so wie ich aussah: scheiße.. Und nachdem ich gemerkt hatte, das Jamie genau das geplant hatte, wurde alles nur noch schlimmer. Und ich entschloss mich zu ihr nach Hause zu fahren. 

An ihrer Haustür wartete ich lange auf eine Antwort, ich hoffte auf jeden, außer auf Noel. Jamies Mutter machte mir letztendlich auf. "Oh, hallo Jake.. was, was ist mit einem Gesicht passiert?" Hatten Jamie und Noel ihr es nicht gesagt? Naja.. ich wusste, dass die beiden nicht die beste Beziehung zu ihrer Mutter hatten, aber das, das war wirkich seltsam. "Guten Tag, Miss VanHouton, könnten Sie Jamie kurz an die Tür holen?" "Sie macht sich fürs Fußballtraining fertig, müsste jeden Moment kommen. Willst du solange drin warten?" "Nein, danke, ich warte einfch hier." Misss VanHouton lächelte kurz, und schloss die Tür. Es dauerte fünf Minuten, vielleicht auch sieben, bis Jamie mir die Tür öffnete. "Och, Jake.. was machst du denn hier? Wenn Noel dich sieht.." "Ja, was dann?" Meine Stimme war viel aggressiver, als ich es vor hatte, aber es zeigte Wirkung. Jamie sah mich mit großen Augen an. "Ich weiß, dass du das alles insziniert hast, Jamie. Und weißt du was? Ich werde dafür sorgen, dass Noel von der Schule fliegt." Jamie lachte kurz - leicht arrogant, und schüttelte den Kopf. "Hör mir zu, Jake. Das hier ist alles deine Schuld, und das was Noel gemacht hat, du hast genau das verdient. Vergiss nicht, du bist das Arschloch gewesen, nicht ich. Und vergiss auch nicht, was für Bilder ich von dir habe.. die vor ein paar Jahren." So kannte ich Jamie gar nicht, sie war .. mutig und wusste genau was sie wollte. "Ich denke, Noel wir auch ohne meine Hilfe viel Ärger kriegen, mehr als dir lieb ist. Wird er dir das verzeiehen? Und die Fotos? Überleg es dir noch mal, denn du hast mir ganz andere Fotos von dir geschickt." "Du weißt, der Unterschied wäre, du verteilst Kinderpornos und ich bloß ein paar alte Bilder von dir. Und vergiss nicht, die Fotos sehen gut aus, glaubst du es stört mich, wenn alle sehen, was für einen tollen Körper ich habe?" Die Drohung war wohl nach hinten los gegangen. "Jamie, hör, ich weiß, ich war ein Arsch, aber du kannst nicht so mit anderen Menschen umgehen." "War schön mit dir zu reden, aber ich muss jetzt los." Sie nahm ihr Fahrrad und wollte gerade losfahren, da packte ich sie am Arm. "Lass los, sonst rufe ich Noel. Und zu deinem Glück ist auch Rick, Jills Bruder hier, ich würde das also sein lassen." "Weißt du, was ich sein lassen würde?" "Sprich." "Wohl eher hätte sein lassen sollen.. meine Zeit mit dir zu verschwenden." "Sagt der Junge, der mehr Selbstzweifel hat, als alle meine Freundinnen zusammen." "Welche Freundinnen?" Jamie warf mir einen motzigen Blick zu, und fuhr los.

Als Heather später bei mir war, erzählte ich ihr von dem Treffen - wohl eher Zusammentreffen, mit Jamie. "Jake, verhalte dich nicht wie ein Arschloch." "Warum nicht? Sie hat das alles geplant, sie wollte, dass Noel es rausfindet und mich zusammenschlägt. Ist dir das egal?" "Komm, bitte, lass es." "Ich lasse es sein, sobald sie gelitten hat, wie ich es tue." "Jake, sie hat gelitten, deshalb reagiert sie doch erst so!" "Ich sehe keine Verletzungen." "Ja, weil sie nicht sichtbar sind, sie trägt sie in sich. Und du weißt genau so gut wie ich, dass diese Verletzungen immer da bleiben, dein blaues Auge hingegen wird bald weg sein, so als ob es nie da gewesen ist." "Aber.." "Kein aber, Jake. Lass es, du bist besser als das. Du weißt das, du, du bist kein Schläger, kein Fertigmacher, du bist Jake. Und Jake sein heißt, einfühlsam sein, lieb, aufmerksam." "Ich weiß nicht ob Jake sein das bedeutet.. es ist, als ob ich jemand anderes wäre." "Wir alle verändern uns, das ist normal." "Ich will aber dieser Jake bleiben, das war ein guter Jake." Heather legte ihre Hände um meinen Hals und sah mich an. "Du bist und bleibst der beste Jake" dann küsste sie mich, "wenn du auf mich hörst." "Ach, ist das so?" Wir grinsten uns an, ehe wir uns langsam anfingen zu küssen, und kurz bevor ich ihr Oberteil ausgezogen hatte.. "Jake, ich.. noch nicht, ich bin noch nicht bereit mehr zu..", hörte ich Heather schüchtern in mein Ohr flüstern. "Schon ok, es ist okay. Gar kein Problem. Dann liegen wir hier einfach, und hören Musik." Ich legte mich also hin, und Heather legte sich zu mir, und ich nahm sie in meine Arme. "Was willst du hören?" "Egal, irgendwas." Und ich machte meine Musikanlage an, und es lief "Civilian" von Wye Oak. "Das Lied ist echt schön." "Ja, ein kann man nicht lassen, Jamie hört wirklich gute Musik." "Das ist von Jamie?" "Sie hat mir immer wieder CDs gebrannt, Musik war echt ihre Passion." "War?" "Ich weiß nicht warum, aber irgendwann hat sie aufgehört, ich habe nicht gefragt warum, habe nicht gefragt, ob ich schuld war.. ich nehme an, irgendwas ist passiert." "Darf ich dich was fragen? Ich will eine ehrliche Antwort." "Frag mich alles, was du willst." "Hast du Jamie geliebt?" "Ich denke schon, sie war für mich lange die eine, das einzige Mädchen, dass in meinem Kopf war, deshalb hat es damals nie mit uns geklappt." "Aber, was hat sich geändert?" "Oft liebt man eine Phantasie, irgendwas, was man sich in seinem Kopf ausgemalt hat, und Jamie war anders, als ich es in meinem Kopf ausgemalt hatte. Die Illusion sie sei die eine, die war weg. Und bei dir, bei dir ist es irgendwie anders rum." "Wie meinst du das?" "Ich hab dich vorher nie wirlich wahrgenommen, als.. du weißt, aber jetzt wo wir hier so liegen, ich könnte mir nicht vorstellen, wenn ich lieber hier bei mir hätte." Heather hielt plötzlich meine Hand und küsste sie: "Bei mir kommst du meinem Bilde im Kopf nicht nahe, du bist einfach noch viel besser. Besser als die Illusion."

Am Montag dann, musste ich zum Direktor. Vor dem Büro saß auch schon Noel und wartete. Er hatte nicht viel abgekommen, sein Kinn war etwas aufgeschrammt und seine Hände aber ansonsten sah er unversehrt aus. Das würde dem Direktor sicher schnell zeigen, wer wie viel Anteil hatte. "Jake?" Noel schaute mich nicht an, sein Blick war auf den Boden gerichtet, aber dennoch sprach er zu mir. "Es tut mir leid, ich bin wirklich zu weit gegangen, ich hab mich da echt von meinen Gefühlen verleiten lassen. Natürlich war das, was du getan hast scheiße, aber ich hatte nicht das Recht dir eine Lektion zu verpassen, nicht eine solche krasse.. Es tut mir wirklich leid." Das war keine lahme Entschuldigung, sie war zwar kurz, aber er meinte sie ernst. "Schon ok, ich denke ich brauchte das, ich war kurz davor jemand ganz schlimmes zu werden. Danke, dass du mir die Augen geöffnet hast." "Wie.. wie denn das? Und vor was?" "Ich war ein ziemliches Arsch geworden, bin es teilweise sicherlich immer noch, aber ich arbeite jetzt daran." Bevor Noel noch irgendetwas sagen konnte, holte uns der Direktor in sein Büro. Das Gespräch dauert ziemlich lange.. und anders als ich es noch vor ein paar Tagen wollte, hatte ich jetzt nur ein Ziel: das Noel (und ich?) ungeschorren davon kamen. Und ich hatte Glück, wir beide mussten einen Monat nachsitzen, und mussten einige Wochen in der Schulcafeteria aushelfen, aber das war besser als ein Verweis. Vor dem Büro dankte mir Noel noch kurz, und entschuldigte sich ein weiteres Mal, aber ich sah dazu keinen Grund. Es tat ihm leid, und er meinte es so, das reichte mir. 

Im Gegensatz zu mir - und wahrscheinlich allen anderen, war Jamie mit dem Ergebnis nicht zufireden. In der Schule kam sie kurz vor der letzen Stunde zu mir und brüllte mich vor versammelter Mannschaft an. "Es reicht dir nicht, mich einmal bloßzustellen, nein, jetzt hast du auch noch meinen Bruder auf deine Seite gezogen. Was hast du ihm erzählt? Und deine Schleimerei bei ihm, von wegen danke und du hast mich gerettet, wem willst du etwas vor machen? Glaubst du wirklich, irgendeiner hier glaubt dir? Irgendwer?" "Jamie, bitte, lass uns das woanders klären, nicht hier." "Oh nein, jeder soll wissen, dass du das größte Arschloch bist, das die Welt gesehen hat. Du bist ein Betrüger, ein Lügner, ein Schläger, ein Droher und ein Weichei - wie habe ich es nur solange mit dir.." "Du mit mir? Weißt du wie anstrengend du bist? Für mich warst du immer das Traummädchen, das süße kleine Mädchen, die nicht eine böse Ader besitzt, aber hat sich herausgestellt, dass ich falsch lag. Du bist eine manipulative, hinterhältige, eifersüchtige und kontrollsüchtige kleine Schlampe." Jamies Augen füllten sich langsam mit Tränen, und ich begriff, dass ich hier eine grenze Überschritten hatte. "Jamie, es e-es tut mir leid!" Aber da war sie schon davongelaufen. Und als alle Leute um mich herum tuschelten und mir dabei zusahen, wie ich mich selbst bloßgestellt habe, bekam ich einen Anruf. Es war Jamie. Ich hebte ab. "Jamie, i-ich." "Gut gemacht." Und dann legte sie auf. Es war also alles wieder nur zu ihren Gunsten. Sie hatte das alles so geplant, keine Minute anders. Und als ich gerade dachte, das schlimmste sei hinter mir, sah ich Heather, die nur ihren Kopf schüttelte. "Heather, ich.." "Ja? Was wolltest du, Jake? Du hast es nicht sein lassen, du hast dich auf die Scheiße eingelassen." "Aber ich wusste nicht, dass.." "Natürlich nutzt sie deine Emotionalität gegen dich, das musst du doch begriffen haben." "Ich weiß nicht, wie ich so dumm sein konnte. Aber ich richte das, ich bringe das in Ordnung." "Nein, du lässt es sein. Rede einfach nicht mit ihr, gib ihr Zeit um das alles zu verarbeiten." "Also soll ich sie einfach damit durchkommen lassen?" "Ja. Sie wird schon früh genug merken, dass ihr das nichts bringt, wenn du ihr nicht die Kraft gibst dir weh zu tun." "Du hast Recht." "Natürlich habe ich das." 

Die nächsten Wochen war es ruhig, Jamie hatte nichts weiteres gestartet um mir zu schaden, oder noch schlimmer Heather. Ich hatte mich schon an den Gedanken gewohnt, dass sie es endlich hat sein lassen, da kam die größte aller Attacken gegen mich.. Als ich am Mittwoch in die Schule kam, glaubte ich meinen Augen nicht. Überall an der Wand hangen Bilder von Jamie. Bilder auf denen sie fast nackt war, sie trug nur eine Unterhose. Bilder, von denen ich angedroht hatte, sie zu veröffentlichen. "Da hattest du aber Glück, Alter.", sagte ein Kerl, mit dem ich noch nie gesprochen hatte. Ein weiterer klopfte mir auf die Schulter und gab mir ein widerliches Lächeln. "Ich, ich muss hier weg." 

"Jake?", vor mir stand Heather. Sie sah leicht verärgert aus. "Ich frage dich das nur einmal, warst du..?" "Nein, ich habe die Bilder nicht aufgehangen." "Wer hat die Bilder noch außer dir?" "Jamie, nur Jamie.." "Sie.. langsam geht sie echt zu weit, wenn sie behauptet, das warst du, kassierst du eine Anzeigt, Jake." "Ich weiß." "Du musst mit ihr reden. Klär das endlich.." Und da ließ mich Heather stehen. Ich nahm mein Handy und wählte Jamies Nummer. Sie ging ran. "Hast du die Bilder gesehen?" "Wir müssen reden." "Komm zum Crew."

Im Crew saß ich dann und wartete auf Jamie. Da kam Loreen und setzte sich zu mir. "Solltest du nicht in der Schule sein, Jake?" "Ich muss etwas klären." "Mit Jamie?" "Ja, genau.." "Die ist tougher als sie ausschaut. Hast du sie schon mal Fußball spielen sehen? Da sieht man den Charakter eines Menschen.. und sie spielt brutal." "Ich wusste gar nicht, dass du sie mal gesehen hast.." "Ich musste Raven öfters abholen, mache das teilweise immernoch, deshalb hab ich das ein oder andere Training schon mal gesehen." "Raven? Aber du bist doch nicht mehr mit.." "Schon, aber sie hat kaum jemanden, deshalb helfe ich im Notfall aus. Sie vertraut ja auch nicht jedem." Loreen stellte mir eine Cola-Dose auf den Tisch und zwinkerte mir zu. "Geht aufs Haus, aber verrate es keinem.", sagte sie kurz bevor sie aufstand und mich allein am Tisch zurückließ. Nach fünf Minuten dann, kam Jamie. "Hallo." "Ja, spars dir. Was willst du?" "Wer bist du?" Ohne meine Gedanken zu sortieren, huschte es mir raus. Diese Jamie war mir völlig fremd, ich kannte sie nicht. Ob im Ferienlager oder meine Jamie.. das war sie nicht, oder gab es meine Jamie nie? "Spielt das eine Rolle? Was willst du?" "Hör auf." "Aufhören? Womit?" "Mit der scheiße, die du hier abziehst. Ich kann eine Anzeige kassieren für die Bilder." "Weiß jemand, dass du sie aufgehangen hast?" "Nein." "Wozu dann die Aufregung?" "Du wirst das doch bestimmt rumerzählen und meinen Ruf komplett zerstören." "Hab ich Bilder von dir aufgehangen oder du von mir?" "Ich habe keine Bilder aufgehangen." "Mal sehen, wie das bald rüberkommen wird." Ich verstand nicht ganz. Bis sie dann ihr Handy umdrehte und mir zeigte, dass sie unser Gespräch aufgezechnet hat. Und tatsächlich, die erste Frage hatte ich fehlleitend beantwortet. "Jamie, bitte, lass es sein." "Sein lassen? Warum?" "Wie viel Hass trägst du denn in dir? Es tut mir leid, dass ich dich betrogen habe, was soll ich denn tun, damit du mir vergibst?" "Nichts kannst du da tun. Das ist es ja. Du wusstest genau, dass mir soetwas schon mal passiert ist, und trotzdem." Ich nahm ihre Hand, und genau in dem Moment funkelte die alte Jamie in ihren Augen. Sie sah mich mit großen Augen an, und schaute dann auf unsere Hände. Ich nahm meine Hand weg und entschuldigte mich, aber sie weinte trotzdem. "Es, Jamie es tut mir wirklich leid, ich weiß nicht, warum ich das so angegangen bin, aber ich.. ich habe dich nie verletzen wollen." "Hast du aber, und nicht gerade wenig." "Du kannst doch jeden anderen haben, was willst du bei mir? Wir passen nicht zusammen, kein Stück." "Ich wollte aber, dass es klappt und du schienst endlich mal richtig zu sein und dann warst du es plötzlich doch nicht." Ich stand auf, setzte mich zu ihr, und nahm sie in den Arm. "Mach dich nicht zum Affen, nur weil ich ein Arsch war, ok?" 

 

Manchmal versteht man Menschen nicht, und manchmal da tut man es doch. Manchmal auch beides - man versteht sie und versteht sie nicht. Jamie war so jemand. Ich verstand ja, dass sie verletzt war, aber das was sie tat... das war sie nicht. Außer ich lag falsch, wer weiß das schon so genau. Aber ich wollte nicht mehr großartig nachdenken, jetzt war es an der Zeit einfach mal das Leben zu leben. Mit Heather an meiner Seite war es auch mehr als lebenswert.

 

 

Raven Sanchez

Psychose - ein schwere psychische Störung, die mit einem zeitweiligen weitgehenden Verlust des Realitätsbezugs einhergeht. Ich leide an einer affektiven Psychose, so steht es in meiner Akte. Erst Manie und jetzt die Depression.. Emotionen sind mir ein Fremdwort. Meine Krankheit ist endogen, sie ist aus meiner psychischen Veranlagung entstanden. Durch eine Behandlung und Medikamente soll mir geholfen werden.. SOLL..

 

Es ist lange her, dass ich etwas empfunden habe, und fast spüre ich Sehnsucht. Die Sehnsucht nach Gefühlen, nach Emotionen, doch alles scheint mir so unerreichbar. Es ist unerreichbar. Vor kurzem hatte ich noch so viel Liebe in mir, für meine Familie - Mutter, Vater und Brüder.. und Aaron. Aber jetzt? Nichts.. "Raven, an was denken Sie gerade?" "Ich denke über Gefühle nach." "Erzählen Sie mir genauer davon." "Ich will wieder irgendwas fühlen, schlecht, gut, verliebt, liebeskrank.. ich will.." "Das ist doch schonmal ein gutes Zeichen." "Aber ich kann es nicht, es ist falsch." "Falsch?" "Sehen Sie doch wo ich gelandet bin." "Raven, ich muss Sie dran erinnern, dass das nichts mit Ihnen zu tun hat." "Sie haben doch gesagt ich hätte eine affektive Störung, heißt das nicht, dass sie in mir veranlagt ist oder war?" "Man kann das nicht so sagen, nicht direkt." "Versuchen Sie es nicht, Mrs Burton. Ich bin psychisch krank, nicht dämlich." 

Vor dem Gebäude wartete Loreen auf mich. "Wie war die Sitzung heute?" "Wo ist Alex?" "Er konnte nicht kommen, Amy hat Stress gemacht, da ist er zu ihr." "Ich verstehe." "Aber wir können was unternehmen, willst du zu mir kommen? Meine Schwester ist nicht da, wir können zusammen einen Film gucken. Du darfst auch aussuchen." Ich zwang mir ein Lächeln auf - spürte dabei, wie falsch es sich anfühlte, wie gekünselt es war, aber meine Mitmenschen wollten keine echte Freude, ihnen reichte auch die aufgesetzte. Aber Loreen war anders "Ich kenne dieses Lächeln, Raven, ich habe es erfunden. Wenn du lieber nichts machen willst, kein Problem. Ich dachte nur, ein wenig Gesellschaft würde dir gut tun." Und da war er, ein Funken Emotion: Dankbarkeit und Erleichterung. "Du suchst den Film aus." "Okay." Loreen zwinkerte mir zu und nahm mich in den Arm. "Keine Sorge, dir wird es gut gehen, schneller als wir alle denken, schneller als du denkst." Die Frage war nur, wollte ich das? Einerseits wollte ich fühlen, andererseits war es so auch nicht schlecht. Alle waren irgendwo zufrieden, war das nicht ausreichend? 

"Ich wäre für X-Men, die Filme werden gar nicht geschätzt." "Probieren wir es." Wir sahen uns die ersten zwei Filme an, und bevor wir den dritten anfangen konnten, betrat eine junge Frau die Wohnung. Sie war in Begleitung von einem jungen Mann - Aaron. Loreen kniff die Augen zusammen und fluchte vor sich hin, dann stand sie auf und lief auf das Mädchen zu. Währenddessen fiel Aarons Blick auf mich. Ich konnte ihn nicht zuordnen, wusste nicht was er fühlte. Ich sah weg und hörte nur wie Loreen im Hintergrund was sagte von wegen "Du solltest doch nicht kommen. Und dann auch noch mit ihm. Vivian, bitte.. ich war gerade dabei ihr gute Laune - naja, du weißt.." Damit sich keiner schlecht fühlte, sprach ich dazwischen: "Es ist okay, Loreen. Wirklich kein Problem." "Aber ich dachte er war der Ausklös-" "Hat sich herausgestellt, dass ich es selbst war. Er hat da keine Schuld dran." Ich sah rüber zu Aaron, und sah seine Emotion nun ganz offen: Wut. "Wäre vielleicht mal angebracht, dass jedem zu erzählen. Ich werde von so vielen Leuten dumm angemacht, und das nur wegen dir." Loreen schlug ihn leicht und sah ihn wütend an. "Das tut mir leid." "Ich geh jetzt. Danke für den Abend, Vivian. Tschüss Loreen."  Er umarmte Loreen, und gab dann Vivian einen Kuss auf die Wange ehe er verschwand. Loreen schaute danach Vivian böse an, allerdings zuckte diese nur mit den Schultern und ging in ihr Zimmer. "Das tut mir unendlich leid, Raven. Ich weiß gar nicht, es tut mir leid." "Es ist kein Problem, aber ich würde doch gerne nach Hause fahren." "Ich bring dich." "Danke."

Zuhause fragten meine Eltern und Brüder das übliche: "Hast du deine Medikamente genommen?" "Wie war die Sitzung?" "Geht es dir besser?" Aber wirklich Interesse hatte nur Alex bewiesen, und der ist dadurch in Probleme gestürzt. "Hat sich Amy beruhigt?" "Ich habe keine Ahnung, Raven. Es ist gerade wirklich nicht einfach." "Tut mir leid, dass ich dein Leben so versaue." Alex rüttete sich auf und nahm mich in den Arm. "Sag das nicht. Ich bin dein Bruder, du kannst mein Leben nicht versauen, außer du verlässt mich. Okay?" "Tut mir leid." Er war neben Loreen der einzige, der sich nicht zufrieden gab mit einem Lächeln und ein paar gelogenen Worten. Er wollte Genesung, er wollte seine Schwester, und ich hatte Angst, dass diese ihm nicht gut tun würde, noch weniger als das, was aus ihr geworden war - meine Wenigkeit. "Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie sehr es mir das Herz bricht, dich so zu sehen." "Ich wollte das nicht." "Ich weiß, ich weiß. Vergiss nie, dass ich dich liebe. Ich hab immerhin nur einen Zwilling." Und da, wieder ein Funken Emotion: Liebe und Dankbarkeit. 

In meinem Zimmer sah es mittlerweile ganz anders aus, als von vor paar Monaten. Die Wände waren nicht länger violett, sie waren weiß. Meine Wände waren nicht mehr mit Postern zugemült, und mein Schrank war nicht voller kurzer Kleider und Röcke. Auch meine Schminke lag unbenutzt rum auf meinem Schminktisch. Mein Handy klingelte auch nicht mehr jede Sekunde, ich verschickte keine anzüglichen Bilder, verschickte keine zweideutigen Nachrichten, war kein Objekt mehr. Aber manchmal klingelte es dann doch, so wie jetzt. Es war Aaron. "Es tut mir leid, wenn ich heute grob war, aber mir fällt es schwer damit umzugehen. Mit dir umzugehen." "Ich mache dir keinen Vorwurf, du solltest dir auch keinen machen." "Habe ich auch nie, es gibt viele Dinge die ich sagen will, aber die sollte ich nicht sagen." "Du kannst sie mir sagen." "Ich kann nicht, das wird dir nur schaden. Versteh das. Vielliecht, wenn es dir besser geht." "Und was, wenn dieser Tag nie kommt?" Keine Antwort mehr. Und meinerseits keine echte Reaktion. Irgendwie war mir das egal, es war nicht relevant. Nicht hier und jetzt. In meinem Zimmer wurde es mir zu still, zu viel von mir, zu wenig von der Welt. Ich ging ins Wohnzimmer und erwischte Faye und Spike mehr oder weniger beim  Rummachen. "Spike, deine Schwester ist hier.", kicherte Faye und winkte mir. "Komm, setzt dich zu mir. Wie geht es dir?" Na toll, wieder diese Frage.. "Wie soll es mir gehen?" "Raven.." Miguel sah mich bedrängt an, und verlangte anscheinend von mir, höflich zu sein. "Tut mir leid, Miguel. Aber du kannst mich nicht zwingen zu deinen Freundinnen nett zu sein." "Bei Loreen ging es doch auch." "Loreen ist Loreen, Faye ist.. naja Faye." Fayes Gesicht sprach Bände. Sie war geschockt, aber auch irgendwo verletzt. Viele Abfuhren hat sie ja nicht erleiden müssen, ihr sind alle verfallen, früher oder später. Miguel auch. Anfangs dachte ich, dass sie ihm gut tun würde, aber irgendwie ist deren Beziehung anders. Miguel und Loreen waren locker - nicht so aufgesetzt, aber Faye und Spike benahmen sich irgendwie anders sobald der andere da war. "Seit wann nennt sie dich Miguel?" Faye wollte nichts ansprechen, was sie betraf, sollte mir recht sein. War ja nicht meine Beziehung. "Ich nenne ihn Spike, weil er sich dazu entschieden hat. Loreen hatte ihm da die Augen geöffnet." "Sollte ich ihn auch so nennen, oder was?" "Faye, es ist wirklich schön zu sehen, dass du dir Mühe gibst, aber ich will keinen Small Talk, ich suche Alex, er ist nicht in seinem Zimmer." Spike zeigte in den Garten, und da sah ich ihn. Ihn und Amy. Und war verblüfft,  dass es mir eben nicht aufgefallen war. Ich ging raus und merkte, wie Amys verhasster Blick auf mich fiel. "Alex, das ist doch nicht dein Ernst. Seid ihr neuerdings siamesische Zwillinge oder was?" "Amy, bitte, rede nicht so." "Pff, ich bezweifle, dass es eine Rolle spielt, wie ich mit ihr rede. Es wird nichts beschleunigen, noch etwas verlangsamen." "Alex, es ist ok, ich bin immernoch ein Mensch, man kann mit mir reden." "Siehst du, sie sagt es selbst." "Amy, es tut mir leid, aber meine Eltern haben kaum Zeit, und Spike nimmt sich keine Zeit.. ich hab es ihr versprochen, versprochen, dass ich ihr helfe." "Alex, ich weiß, es ist nicht unbedingt einfach, aber du kannst mich nicht so stark vernachlässigen. Ich bin auch Teil deines Lebens." "Amy, bitte. Ich will nicht darüber reden, vor allem, wenn sie dabei ist." "Dann schick sie weg!" "Das kann ich nicht." "Das reicht, ich geh jetzt."

"Hat Amy sich beruhigt?" "Nein, aber das ist mir jetzt egal. Total egal. Sie muss Verständnis aufbringen." "Jeder sollte so einen Bruder haben wie dich." Alex nahm mich in den Arm und hielt mich stumm. Er küsste meinen Kopf und ich spürte wie er weinte. Wie seine Tränen auf menien Kopf fielen, ich konnte es spüren. Aber nicht aufgrund von irgendeiner Art Zwillingstelekinese.. sondern einfach, weil ich es spürte. Ich konnte es fühlen. Und ohne Vorwarnung, liefen auch mir die Tränen runter, und ich fragte mich was nur los war.. und da merkte ich, dass ich nun da angekommen war, wo ich nicht hin wollte: die bipolare Störung. Und da begann ich richtig zu weinen, mir liefen die Tränen runter, salzige Tränen, die immer mehr wurden, bis ich plötzlich rumschrie, und dann doch wieder die Umarmung meines Bruders suchte, woraufhin ich wieder weinte. Und er schien glücklich zu sein, glücklich darüber, dass ich etwas empfinden konnte. Ihm war egal, dass ich ihm eine verpasst hatte, ihn kurzzeitig angeschrien habe, er war glücklich.

 Die nächsten Tage ist nichts passiert, bis ich meine nächste Sitzung hatte bei Mrs. Burton. Es war das erste Mal, dass noch jemand im Wartezimmer saß. Es war eine junge, schlanke Frau mit sehr blauen Augen. Ihre Haare waren lockig und dunkelbraun, sie sah zu mir rüber und begrüßte mich. "Hey." "Hi.", entgegnete ich ihr. "Weswegen bist du hier?" "Ich hab eine bipolare Störung." "Interessant. Ich bin gezwungenermaßen hier, jemand besteht drauf." "Ich bin auch nicht freiwillig hier." "Naja, das hier gehört zu meinen Auflagen, ich muss das hier machen." "Auflagen?" "Entweder das hier, oder Gefägnis. Ich bin ja nicht blöd." "Wie heißt du?" Doch bevor sie antworten konnte, rief mich die Sekräterin in Mrs. Burtons Zimmer. "Guten Tag, Raven." "Guten Tag." "Nun, wir sind jetzt so weit, wir können dir endgültig richtige und wikrsame Medikamente verschreiben. Das hilft mit deinen Emotionsschwankungen. Du wirst aber trotzdem kommen müssen. Ich würde heute gerne noch mal mit dir über deinen Freund reden." "Aaron?" "Ich meine so war sein Name." "Er will mir Dinge sagen, von denen er nicht denkt, dass ich sie hören sollte. Hört sich stark danach an, dass er mich hasst." "Ich denke, ich sollte mit ihm sprechen, dann können wir zu dritt eine Sitzung starten, und du wirst endlich in der Lage sein es zu verarbeiten. Ihn zu vergessen." "Aber ich will ihn zurück." "Wir werden sehen, was das Gespräch ergibt." 

Zuhause angekommen, saß Miguel am Esstisch und laß ein Buch. "Hey." Er schaute auf, und senkte seinen Blick  direkt. "Was, was ist los, Miguel?" "Ich verstehe ja, dass es dir schlecht geht, aber du kannst nicht in meinem, sowie in Alex' Leben rumfuschen. Alex mag es nicht sagen, aber ihn stört das auch." "Es tut mir leid, ich.." "Raven, es tut mir ja auch weh dich so zu sehen, aber bitte, laß deine Wut nicht an Faye und Amy aus." "Ich versuche es, wirklich." 

Ein paar Tage später sitze ich erneut bei meiner Therapeutin. Aber diesmal nicht alleine, denn auch Aaron ist da. Die beiden haben zunächst allein gesprochen und mich dann dazu gerufen. Nun werde ich endlich erfahren, was Aaron mir sagen will. "Ich habe mit Aaron gesprochen, Raven, und ich denke, wir können einen Versuch starten. Er sollte dir sagen, was los ist. Das sollte er wirklich." Dann nickt sie zu Aaron rüber, dieser schaut zur Seite, dort wo ich sitze und schließt für einen Moment seine Augen. Bevor er sie öffnet, beginnt er zu sprechen: "Seit du krank bist, fühle ich mich scheiße. Und dafür hasse ich dich. Alle schauen mich komisch an, und keiner sagt was, aber mir ist klar was sie denken. Sie halten mich für schuldig. Als hätte ich dir etwas angetan, und dafür, ja dafür hasse ich dich. Und ich weiß, dass es falsch ist, aber es ist nunmal so. Und jedes Mal, wenn ich dich ansehe verspüre ich den Drang dir eine zu verpassen. Du bist nicht die einzige, die verletzt ist, die das wegstecken muss. Und ich glaube weder du, noch sonst wer hat daran gedacht." "Ich hab an dich gedacht." Er steht auf, und plötzlich schreit er statt zu reden: "Ich hasse dich, Raven. Und nicht nur das, dank dir fällt es mir schwer überhaupt irgendwem näher zu kommen. Du hast mich von Anfang an nicht gewollt, also lass die Lügen. Ich hätte dir deine Lügen nie glauben sollen!" "Das stimmt nicht, ich habe dich nie angelogen!" "Sei ehrlich, wusstest du nicht von vornerein, dass dir all' das schaden würde? Und du hast mich nicht geliebt, sondern nur gewollt, sei ehrlich." "Du lügst. Du bist der Lügner. Ich habe dir immer die Wahrheit gesagt. Jedes Mal! Ich liebe dich, Aaron. Damals, heute und morgen auch. Ob du damit klar kommst oder nicht." "Ach komm, hör auf. Ich will nichts von dir hören. Du wolltest hören, was ich zu sagen hab. Das hab ich getan und jetzt werde ich gehen." "Also hab ich Recht. Du warst der Lügner. Du hast gelogen. Du hast mich nie geliebt, sonst würdest du mir jetzt helfen." "Tut mir leid, Raven, aber ich kann dir nicht helfen. Ich habe dich geliebt, aber das ist jetzt vorbei." "Liebe geht nicht so einfach vorbei." Er schaut mich mit finsternem Blick an, und schüttelt seinen Kopf. "Ich brauche dich, Aaron. Bleib bitte hier." "Ich kann nicht." Und dann merke ich, dass ich ihn endgültig verloren habe und aus mir strömt eine Flut an Tränen. Ich hätte nicht gedacht, dass ich jemals so weinen würde, aber ich hatte vieles nicht erwartet, was dennoch eingetreten ist.

Zuhause angekommen, ist keiner da. Alex ist mit Amy aus, Spike ist arbeiten und meine Eltern sind auch auf der Arbeit. Ich bin das erste Mal seit Monaten alleine zu Hause. Die Stille frisst mich auf, und ich habe den Drang jemanden anzurufen. Aber ich habe niemanden. Freunde hab ich nie gepflegt, nur Jill war mal das, was man eine echte Freundin nennen kann. Also rufe ich sie an. "Guten Abend, Jill. Ich wollte fragen, ob du rüber kommen kannst. Ich hätte wirklich gerne eine Freundin bei mir." Ich hoffe, dass sie immernoch der herzensgute Mensch von damals ist. Nicht nachtragend, nicht gemein, und ich habe Glück. "Natürlich kann ich vorbeikommen, ich bin gleich da." Ich lege auf, und laufe durch das Haus. Meine Mutter hat überall in der Wohnung verteilt Bilder von uns. Viele sind von früher - Bilder,auf denen wir wie eine Familie aussehen. Und selbst Spike, Alex und ich sehen aus wie ganz normale Geschwister. Aber das sind wir nicht, wir halten in Extremsituationen zueinander, aber, wenn alles wieder in Ordnung ist, wenden wir uns voneinander ab. Ich finde das traurig. Früher sah ich das anders, früher gefiel mir das. Ich hatte meine Freiheit. Ich hatte meine Affären, meine Toyboys, die alles tun würden, um mich zu haben. Aber mittlerweile wollte mich niemand. Aber das wollte ich ändern. Ich würde nicht sein wie die alte Raven, die sich maß- und hemmungslos jedem hingibt, der ihr zusagt, aber auch nicht die Raven, die einem Jungen hinterhertrauert, der sie längst abgeschrieben hat. Die neue Raven würde tun wonach ihr ist, und heute ist mir nach Spaß. 

"Wozu hast du dich so schick gemacht?" "Wir gehen aus." Als aus mir diese Worte sprudeln, sieht mich Jamie verwirrt an. Sie trägt eine Jogginghose und ein Top auf dem ein großer Stern abgebildet ist. Ich hingegen trage ein korall farbenes Kleid, das eng anliegt und all' meine Vorzüge hervorhebt. "Ich denke nicht, dass ich so ausgehen kann." "Komm, Jamie, ich hab dir schon was rausgelegt." Ich zeige hinter mir auf die Couch. Dort liegt ein blaues Kleid, das ab der Taille Federn aufgenäht hat, und einfach perfekt zu Jamies Rundungen passt. "Das Kleid ist wunderschön." "Ich hatte dir das gekauft, aber nie gegeben." "Warum? Was war passiert?" "Annie. DU hast dich mit ihr angefreundet, und ich war sauer, hab das Kleid aber behalten. Hatte gehofft es dir irgendwann mal zu geben." "Danke." Jamie lächelt mich an, so wie am ersten Tag, als wir uns gesehen haben. Das war vor zwei Jahren, da hat mein Bruder sie eingeladen, war aber noch nicht da, als sie es schon war. Ich hatte es bis jetzt nicht gemerkt, aber es gab doch jemanden, der mir mehr fehlte als Aaron. Jamie. "Ich bin froh, dass du gekommen bist. Und jetzt, zieh dich an, damit wir los können."

Wir fahren mit Jamies Wagen zwei Städte weiter nach Naston, dort gibt es einen riesigen Club, der selten nach Ausweisen fragt. Drinne angekommen erstreckt sich der Spaß über drei Stockwerke. Auf dem oberstern Floor gibt es sogar einen Whirpool, der den gesamten Floor mit Schaum bedeckt. "Ich glaube immernoch nicht, dass wir reingekommen sind, Raven." "Ich war früher sehr oft hier. Hier ist es nicht so schwer jemanden attraktiven zu finden." Ich zwinker ihr zu, aber ihr Lächeln verschwindet. Sie sieht micht stattdessen besorgt an. "Raven, ich weiß du willst Ablenkung, aber bitte, in kleinen Schritten." "Mach dir keine Sorgen, ich werde nicht zur Raven von damals. Ich will einfach nur ein bisschen Spaß, ich will einen netten Jungen. Für heute, und nur für heute. Ich verspreche es." Sie nimmt meine Hand und drückt sie fest. "Danke." 

Wir tanzen uns durch die Meute, bis zur Bar und bestellen uns einen Drink. Ein paar nette Kerle spendieren sie uns, und zwei von ihnen kommen auf uns zu. Der eine hat kinnlange Haare, die er zu einem Zopf gebunden hat. Seine Augen leuchten selbst im Dunkeln blau auf, und geben seInen blonden Haaren mehr Fülle und Leuchtkraft. Der andere hat kurzschorene schwarze Haare, die seiner dunklen Haut schmeicheln, sowie seinen vollen Lippen. Das wird meiner sein. "Ich bin Marlon, das ist Niall.", sagt der dunkelhäutige und reicht mir seine Hand. Ich drücke sie, während ich leich lächle und stelle uns vor: "Ich bin Raven, und das ist meine wunderschöne Freundin Jamie." Niall schleicht sich an mir vorbei, und geht auf Jamie zu, die leicht schüchtern seine Hand nimmt und sich mit ihm an die Bar setzt. Ich hingegen weiß genau was ich will, und wie ich das erreiche. Ich lege meine Hand auf seine Brust und lehne mich nach vorne um etwas in sein Ohr zu flüstern. Wollen wir tanzen? Er schaut mich kurz von oben nach unten an, lächelt kurz und greift meine Hand und wir laufen zusammen zur Tanzfläche. Die Musik dröhnt aus allen Ecken und ich will Nähe spüren. Ich drehe mich mit dem Rücken zu ihm und lege meine Hände über meinen Kopf, während ich mich mit meinem Po seinem Bein nähere. Erst jetzt fällt mir auf, dass er viel größer ist als ich. "Von wo kommst du?" Ich drehe mich um und lege meine Hand erneut auf seine Brust. "Jacksonville, ist eine Stunde von hier entfernt." "Ich kenn die Stadt, ich ging dort früher zur Schule." Er ist also älter als ich, viel älter. "Und von wo kommst du?" "Ich studiere hier in Naston. Niall ist mein Mitbewohner, wir studieren zusammen." Ich lege meine andere Hand in seinen Nacken und streichle ihn dort, wo auch Aaron nur Haarstummel hatte. Aaron.. ich darf nicht an ihn denken, ich bin aus anderen gründen hier. Heute widme ich mich Marlon. Ich bewege nun auch meine Hand, die auf seine Brust liegt, und kicher ein wenig. Es schadet nie, sich dümmer zu stellen als man ist. Man wird dabei ja nicht dummer, zumindest ich nicht. Sein Lachen wird zu einem Grinsen und er beugt sich nach unten. "Du weißt genau was du willst, stimmt?" "Ich weiß auch gut, wann ich es will." Ich beiße mir kurz auf die Lippe. Ich sehe ihn an, und weiß sofort, er will mich. Und ich werde ihn mir holen. Ich drücke mit meiner Hand, die auf seinem Nacken ruht, nach unten und zeihe seine Lippen an meine. Ich schaue ihm noch einmal tief in die Augen - im selben Augenblick legt er seine Hand auf meinen Rücken. Ich packe seine Hand, und führe sie weiter nach unten, an meinen Po. Dann leg ich meine Hand an seine Wange und streichle sie. Ich will ihn nicht direkt küssen, ich will erst seine Nähe spühren, ohne ihn wirklich intim zu berühren, aber er wird ungeduldig. Er lehnt sich nach vorne und erhascht einen kurzen Kuss, dann drückt er mich fester an sich und küsst mich heftiger. Meine Hände wandern von seiner Wange an seinen Nacken, auch ich presse ihn so nah wie ich kann an mich. Ich will ihn, aber hier geht es schlecht. Ich unterbreche einen Kuss und spreche in sein Ohr, er küsst dabei meinen Nacken und hört zu wie ich ihn bitte, woanders hinzugehen. 

Wir schleichen uns ins Bad, und schließen ab. Es ist niemand sonst hier, nur er und ich. Den Weg von der Tanzfläche bis hier hin, hat er mich in seinen muskulösen Händen getragen. Abgestellt hat er mich am Waschbecken. "Ich glaube es ist an der Zeit ein bisschen Stoff fallen zu lassen.", platzt es aus mir heraus. Marlon und ich lachen, aber er verschwendet keine Zeit. Er greift nach seinem Shirt und zieht es aus, so dass seine Muskeln erst jetzt richtig zur Geltung kommen. Dann tritt er näher an mich und hebt mein Kleid an, mit seinen Händen greift er nach meinem Slip und zieht es runter. Ich greife nach seinem Reißverschluss und ziehe heftig an der Hose, so dass sie mit einem Ruck hinunter fällt. Er sieht mich jetzt noch gieriger an, als schon die ganze Zeit. Er kommt zu mir und ich greife nun auch nach seinen Boxershirts. Nun hängen auch diese kurz über seinen Schuhen. Er lacht kurz, als wäre es ihm peinlich nackt vor mir zu stehen, also ringe ich mich dazu mein Kleid komplett auszuziehen. Ich trage nur noch meinen BH, aber von unserer Ungeduld gelenkt, bleibt er erstmal an. Er nimmt mich in den Arm und drückt mich gegen eine Wand. Meine Hände drückt er ebenfalls noch oben, so dass er in mich eindringen kann. Und es fühlt sich gut an, und ich weiß, dass dies total menschlich ist, aber trotzdem fühle ich mich wie ein Tier, denn ich will mehr. "Schneller.", ist das einzige das ich rausbringe, und genau das tut er auch. Er bewegt sich schneller, hefiger, fährt mit seinen Händen meinen Körper entlang und küsst mich jedesmal hastig. 

"Ich, normalerweise mach ich das nicht. Nicht auf dem WC." Marlon hat seine Hose längst wieder an und sucht nach seinem T-Shirt. Ich trage es hinter mir in einer Hand. Er gefällt mir viel besser ohne Oberteil. "Ich würde das gern auch sagen, aber das wäre gelogen." Er guckt mich verwirrt an, und lacht. Er hält es für einen Witz, aber ich will die Dinge klarstellen. "Ich habe das früher fast jedes Wochenende getan." "Ich hoffe doch jedesmal mit Verhütung." "Genau wie jetzt, ich bin ja nicht dumm. Schwangerwerden ist noch nicht eingeplant." Ich bin schockiert, wie locker ich mich ihm gegenüber öffnen kann, aber ich bin dankbar. Das hier ist meine Normalität, und ein bisschen von ihr einzuatmen tut mir nunmal gut. Er kommt näher und gibt mir einen Kuss. Ich bin verwirrt, ich hätte nicht damit gerechnet, dass er jetzt noch Zärtlichkeiten sucht, aber das tut er. Er streichelt meine Wange und blickt mich lange an. "Ich finde es gut, dass du deinen Spaß suchst. Wir sind jung, was sollen wir sonst tun?" "Du bist der erste der das so sieht. Nomalerweise bin ich die Schlampe. Oder auch die Verrückte. Beides scheint ein gängiger Name für mich zu sein." "Ich würde das nicht sagen, du bist einfach wie du bist, und das ist genau richtig so. Nur weil andere Leute nicht so leben, heißt nicht, dass sie das nicht gern würden." "Danke." "Ach, kein Ding. Aber ich hätte wirklich gern mein Shirt." "Also mir gefällst du ohne besser.", grinse ich vor mich hin. "Mir gefällst du auch besser ohne Kleid, aber siehe da, du darfst es tragen." Ich reiche ihm sein Shirt, und gebe ihm einen langen Kuss. Er ist ein guter Junge. Einer von denen, die alles erreichen werden, was sie wollen. Und das wünsche ich ihm auch. "War schön dich kennengelernt zu haben." Er schüttelt den Kopf. "Wir werden uns wieder sehen." Und ohne ein weiteres Wort zu sagen, tritt er aus dem Bad. Ein paar Minuten später, nachdem ich meine Haare gerichtet, und mein Make-Up aufgefrischt habe, verlasse auch ich das Bad und suche nach Jamie. Sie sitzt auf einer Couch, halb auf, halb neben ihr ist Niall. Er küsst sie am Hals und hält sie an der Hüfte, sie hat ihre Hände auf seiner Brust und hat die Augen geschlossen. Sie sieht glücklich aber angespannt aus, und zunächst verwirrt mich das, aber dann sehe ich es. Jake ist hier. Ihr Exfreund Jake. Er ist hier, mit Heather. Die beiden tanzen, aber Jakes Augen sind nur auf Jamie gerichtet. Und als hätte sie es gemerkt, zieht sie Niall an ihren Mund, und knutscht heftig mit ihm rum. In mir keimt Stolz auf, denn ich bin nicht die einzige, die sich ihren Trieben hingibt. Und ich will gar nicht wissen, wie lange Jamie ihren wiederstanden hat. Als wir noch befreundet waren, war sie Jungfrau, und ich bin mir ziemlich sicher, dass sie das immernoch ist. Denn als Niall auf die Tür zeigt und etwas sagt, schüttelt sie den Kopf. Sie küsst ihn, aber er wendet sich von ihr ab. Er ist aus einem anderen Grund hier, als sie. Ich gehe zu ihr, setze mich und nehme ihre Hand. "Der war ohne Frage nicht auf deinem Niveau, Süße." "Ich weiß, der war dumm wie Brot. Aber küssen konnte er gut." Aus mir entweicht ein Lachen, und auch Jill lacht. Aber dann ist sie still und guckt rüber zu Jake, der Heather ganz nah an sich hat und sie ansieht mit einem Blick, der Bände spricht. Ich weiß, dass sie ihm etwas zeigen will, und ich will ihr helfen. "Vertraust du mir?" Jamie schaut mich verwirrt an, sie hat keine Ahnung, was ich vorhabe. Ich nehme ihr Schweigen als ja und reiße sie auf die Tanzfläche. Wir sind nicht nah, aber auch nicht weit von Jake entfernt. Er kann uns sehen, aber nicht hören. Ich lege ihre Hände um meinen Hals und lege meine auf ihren Po. Sie will ausweichen, aber ich sehe sie an, und bitte sie das nicht zu tun. "Vertrau mir, das wird schlimmer sein, als alles was du ihm antun kannst." "Ich vertraue d-" Sie hat keine Zeit mehr zu Ende zu sprechen, denn da habe ich schon meine Lippen auf ihre gepresst. Erst nur kurz, ich sehe sie an, und sie hat es verstanden. Sie holt mich näher zu sich, und wir küssen uns erneut. Erst vorsichtig, dann immer gieriger, immer wilder. Mit meinen Augen sehe ich zu Jake rüber, er steht dort, mit offenem Mund und sieht verletzt aus. Das ist gut, aber nicht gut genug. Ich gleite mit meiner Hand unter ihr Shirt, sie weicht kurz zurück, aber auch das lässt sie zu. Sie kichert und greift mit ihrer Hand in meine Haare. "Das ist verrückt." "Aber es klappt." Jill dreht sich um, und sieht wie Jake wütend aus dem Club verschwindet. 

Gegen drei Uhr morgens sind wir an ihrem Haus, sie ist auf der Fahrt eingeschlafen, und ich bin gefahren. Mit Alkoholeinfluss und ohne Führerschein. An der Tür wartet Noel, der zum Auto kommt und rein schuat. Sein Blick spricht Bände. "War klar, dass sie sobald sie mit dir abhängt abstürzt." Ich schaue ihn an, er ist nicht wie der Rest. Er nimmt mich so hart dran wie ich es verdiene, er schont mich nicht, weil es mir vielleicht oder vielleicht auch nicht schlecht geht. "Wir hatten jedenfalls Spaß." "Wer ist Auto gefahren, wenn Jamie schäft?" "Ich." "Du hast doch garkeinen Führerschein, und betrunken bist du auch." Ich lächle stumm vor mich hin. "Du schläfst heute bei uns, komm rein." "Nein, ich rufe.." "Komm rein, bevor ich es mir anders überlege." Er macht die Tür auf und nimmt Jamie in seine Arme. Er hat die letzten Wochen über viel mehr Sport getrieben, seine Arme sind viel muskulöser, und sein Gesicht männlicher - er hat sich einen Bart stehen lassen. Im Haus bringt er Jamie hoch, dann setzt er sich zu mir in die Küche. "Was habt ihr gemacht? Wo wart ihr? Ich dachte Jamie fährt nur mal kurz zu dir rüber." "Wir waren in Naston, in einem Club." "Wie seid ihr reingekommen?" "Die verlangen nach einer gewissen Uhrzeit keine Ausweise mehr." "Echt toller Club. Und woher hat sie dieses Nuttenkleid? Bestimmt von dir.." "Du magst mich nicht, stimmt's? Hast du noch nie." Er lacht, und guckt mich dann ernst an. "Was soll ich bitte an dir mögen? Du warst meiner Schwester eine schlechte Freundin, jetzt wo du sie brauchst, kommst du und sie ist naiv genug um dir einfach so zu verzeihen. Und obendrein bist du eine verrückte Schlampe." Noel ist nicht nur muskulöser, sondern auch viel abweisender, als er eh schon war. So wäre ich wahrscheinlich auch ohne Medikamente und Stimmungsauflockerer. "Seit wann bist du so? Seit Faye?" Er guckt mich noch grimmiger an, als ich es mir jemals hätte vorstellen können. Er kommt näher, und sieht mir tief in die Augen. "Du gehst jetzt besser schlafen." 

Als ich am nächsten Morgen aufwache, ist Jamie im Bad. Ich laufe runter in die Küche und sehe Noel. Er isst Haferflocken mit kleingeschnittenen Bananen. Auch Jill und Ethan sind da, beide essen je ein Rührei mit einer Scheibe dunklen Brot. "Guten Morgen." "Guten Morgen.", erwidern Jill und Ethan. Noel guckt mich nur angeeckelt an. "Hättest du nicht vorher duschen können?" "Jamie ist in der Dusche, ich denke nicht, dass sie mich da gern dabei hätte." Sowohl ich, als auch Jill und Ethan lachen aus vollem Halse, nur Noel guckt ernst aus der Wasche. "Komm mit, ich zeige dir meine Dusche, so kannst du unmöglich nach Hause." Also folge ich Noel in sein Zimmer. Es ist das erste Mal, dass ich es sehe. Es ist größer als das von Jamie, und nicht so pink. Er hat alles in grau und grüntönen gehalten. Neben seinem Bett entdecke ich ein Bild. Aber es ist nicht Faye die drauf zu sehen ist, sondern ein blondhaariges Mädchen - Heather. Er merkt, worauf mein Bilck fällt, und packt das Bild in seine Kommode. "Entschuldigung, ich war nur.." "Neugierig?", er zieht die Augenbrauen hoch und zeigt auf die Tür neben seinem Schreibtisch, "dort ist mein Bad, nimm eines der gelben Handtücher. Dort steht auch noch etwas Shampoo von Faye, du kannst es benutzen." "Danke." Anstatt etwas zu sagen, verlässt er den Raum. 

"Du hast in Noels Dusche geduscht?", Jamie schaut mich belustigt an. "Die Wirkung von Alkohol hält bei dir schon ziemlich lange an, nicht?" Jamie holt mit ihrem Kissen zum Schlag aus, doch ich wehre ab. "Jamie? Warum bist du gestern nicht mit Niall rausgegangen?" "Ich wollte nicht." "Es wäre doch nur.." "Sex? Für mich gibt es da kein nur, Raven. Ich habe bisher.. ich habe bisher nur mit Jake geschlafen, und, vergiss es.." "Naja, wir haben ihn auch so zum Kochen gebracht.", ich zwinker ihr zu und lache. Auch sie lacht. "Das war schon seltsam, ich habe davor noch nie ein Mädchen geküsst." "Lüge!" Jamie schaut mich konfus an. "Vor deinem ersten Treffen mit Spike, da haben wir doch geübt, weißt du noch?" "Schon, aber das war was anderes." "Jetzt hast du mit allen drei Sanchez was am Laufen gehabt.", scherze ich rum. "Oh mein Gott, du hast Recht! Das ist mir noch gar nicht aufgefallen." "Und sag mir, wer ist dein Favorit?" Jamie schaut traurig auf den Boden, und reibt sich kurz an der Stirn, dann schaut sie auf. "Alex." Und ohne Vorwarnung beginnt sie zu weinen, und ich verstehe gar nichts mehr. "Was ist los?" "Nichts. Nichts, es ist nur, ich wünschte ich hätte so jemanden wie ihn, jemand der einen zu schätzen weiß. Aber er hat Amy." "Glaub mir, er mag dich auch, die Sache mit Amy ist nur aus Gewohnheit, das hat er nur nicht gemerkt. Sie werden sich trennen, genau wie beim ersten Mal, glaub mir." Da hatte ich noch keine Ahnung, wie recht ich noch haben würde.

 

Liebe, es gibt sie in allen Formen. Freundschaft, Familie oder doch die Liebe, die am meisten verbreitet ist: Romantische. Ich kenne alle Formen, und ich kann sagen, alle haben ihre Vor- und Nachteile, die Frage ist nur, ob die Vorteile die Nachteile überwiegen, der Rest spielt keine Rolle.

 

 

Alex Sanchez

Zweite Chancen. Manchmal werden sie genutzt, manchmal nicht. Aber kann man immer sagen, dass es am Willen gescheitert ist? Oder sollte es einfach nie sein..

 

 "Ganz ehrlich, Alex. Du hast dich die letzten Wochen fast nie gemeldet.", schreit mich Amy durchs Telefon hindruch an. Sie hat recht. Ich habe mich nur noch selten gemeldet, aber das lag nie daran, dass ich nicht wollte, ich konnte nicht. Entweder ich musste mich um Raven kümmern oder ich hab mich mal um mich gekümmert, sprich die Schule. "Amy, bitte, sei nicht so." "Wie soll ich denn sein?" "Sei bitte einfach du selbst." "Genau das bin ich. Du bist nicht du selbst. Und ja, Raven war krank, aber ihr geht es doch schon viel besser, warum sehen wir uns dann immer noch so selten?" "Fußball und Schule sind auch Teil meines Lebens." "Dann gewöhn' dich schonmal daran, dass ich es bald nicht mehr sein werde, wenn die Dinge so bleiben.." Das kann sie doch nicht ernst meinen. "Das meinst du nicht ernst." "Das bezweifle ich wirklich, Alex." "Ich will das nicht am Telefon besprechen, ich komme rüber." "Nein. Ich komme." Dann legt sie auf. 

Ich gehe runter in die Küche und sehe Raven zusammen mit Jamie. Die beiden haben die letzten Wochen viel unternommen, sind sich endlich wieder näher gekommen. Es freut mich wirklich meine Schwester glücklich zu erleben. Sie geht wieder oft aus, und macht wieder die ein oder andere Bekanntschaften mit Jungs, aber es ist nicht mehrso, wie es mal war, es ist alles in einem Maße. "Hey, Alex! Was ist los?" "Nichts, was soll los sein?" "Du reibst deine Hände, das machst du nur, wenn du nervös bist." Jamie sieht besorgt zu mir, Raven isst genüsslich einen Yogurt und ignoriert mich. Das macht sie schon etwas länger, warum weiß ich allerdings nicht. "Es ist alles in Ordnung, Jamie, danke." "Ich wollte dich übrigens zu Noels Party einladen." "Wann ist die?" Jamie guckt auf ihre Uhr und dann zu mir. "Heute Abend ab acht, hast noch ein bisschen Zeit." "Danke, ich werde gucken, ob wir kommen." "Es ist die erste Party Noels seit.. weiß ich gar nicht, es ist lange her. Er will dich bestimmt da haben." "Deshalb lädt er mich auch selbst ein?" Sie entlockt mir ein Lachen, und ich bin ihr dankbar. Die letzten Wochen fällt es mir schwer, nicht komplett angespannt zu sein und am laufenden Band besorgt. "Komm, ich bin doch viel wichtiger als Noel. Und ich hoffe doch auch hübscher." Doch ich kann ihr nicht antworten, einerseits, weil die Tür klingelt, und andererseits, weil ich mich in den letzten Wochen dabei ertappt habe, immer öfter an Jamie zu denken, und nicht an Amy. Ich nicke Jamie zu und lege einen Sprint zur Tür hin.

"Amy, komm doch rein!" "Danke, Alex." "Am besten gehen wir nach oben." "Gut." Wir schleichen nebeneinander zu meinem Zimmer und setzten uns auf meine Couch. Ich sitze ganz rechts, und sie ganz links. "Es wird wieder nicht klappen." "Aber das muss es." "Wieso, Alex? Liebst du mich so sehr? Ich sehe doch selber, dass es nicht so ist." Ich würde am liebsten sagen, dass ich sie genug liebe, um es ein halbes drittes Mal zu versuchen, aber es fühlt sich nicht richtig an. "Ich weiß nicht, Amy. Ich liebe dich schon, glaub mir, aber es ist anders." "Es spielt auch gar keine Rolle mehr, ob du mich liebst, denn ich glaube nicht, dass Liebe was bringt, wenn alles andere dagegen spricht." Sie ist ganz kühl. So kenne ich sie gar nicht. Normalerweise würde sie losheulen, weinen und alles geben, aber das Feuer in ihr ist erloschen. Und das Feuer ist ihre Liebe für mich. Sie ist weg, aber sie will es nicht aussprechen. "Du liebst mich nicht mehr, stimmt's?" "Es tut mir leid, Alex. Ich ertappe mich immer wieder, wie ich mir wünsche frei von dir zu sein. Aber es gibt auch die Momente, wo ich dich bei mir haben will, wo ich nicht an ein Leben ohne uns denken kann. Und auch nicht denken möchte." "Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Geschweige denn tun soll." Amy nimmt meine Hand und blickt mich an. Ihre Augen sind ernst und sie durchbohrt mich fast, denn obwohl sie ernst sind, stecken auch viel Leid darin. "Es ist meine Schuld, ich habe es diesmal vermaselt, ich habe dir das Gefühl gegeben, du seist nicht wichtig. Und irgendwann, habe ich das auch geglaubt, weil du mir das vermittelst hast." "Tja, dann haben wir es wohl beide verkackt. Beide je einmal." Ich nehme sie in meinenn Arm und drücke sie so fest an mich, wie ich kann. "Wir werden sehen, ob wir auch ein drittes Mal zueinander finden." "Vielleicht.." Amy steht auf, und verlässt den Raum. Sie ist weg. Und ich weiß immer noch nicht wie es mir gehen soll. 

Ich gehe ins Bad und gönne mir eine Dusche. Ich will frei von Gedanken werden, aberletztendlich bringt es das Gegenteil zum Vorschein. Ich denke und denke und mein Kopf platzt. Was will ich? Alleine sein, zurück zu Amy? Oder doppelt zurück zu Jamie? Und wenn wir schoneinmal dabei sind, was will ich nach der Schule tun? Ich hab nur noch ein Jahr. Beziehungsweise eineinhalb.. 

Ich nehme mir ein Handtuch und binde es um meine Hüfte. Meine Haare könnten zwar auch ein Handtuch gebrauchen, aber ich entschließe mich dazu, sie einfach so zu lassen. Bevor ich aus dem Bad gehe, putze ich mir noch kurz die Zähne und dann gehe ich auch schon aus dem Bad. "Oh, da warst du. Wir haben dich gesucht." Jamie sitzt auf meinem Bett und hält etwas in ihren Händen. "Was machst du hier, Jamie?" "Wir wollten dich fragen, ob du mit zur Party willst." Ich antworte ihr nicht, richte aber stattdessen meinen Blick auf ihre Hand. Sie bemerkt es und legt es aufs Bett. Es ist eine Fotocollage.. "Tut mir leid, ich war etwas neugierig." Ich nehme die Collage in die Hand. Es sind lauter Fotos von Faye, Amy undmir. Von früher, von ganz früher und eins von heute. Wir sehen immer glücklich aus, und unzertrennlich. Und das, obwohl wir es nicht mehr sind. Wir sind nicht mehr so eng befreundet, aber wir lieben uns trotzdem. "Ihr wart echt schon immer die besten Freunde, oder?" "Ja klar, wir waren immer überall zusammen, dass musst du.." "Ich bin ja nicht hier aufgewachsen." "Oh, stimmt ja. Das vergesse ich immer. Ich meine, ich kenne dich genauso gut, wie die beiden auf den Fotos. Wahrscheinlich kenne ich dich inzwischen sogar besser als die zwei." Ich merke, wie mir eine Träne die Wange entlang läuft, und wie sich Jamies Lächeln bei dem Anblick in eine traurige Miene verwandelt. Sie steht sofort auf, und nimmt mich in den Arm. "Es ist alles in Ordnung, Alex." "Amy und ich, wir sind nicht mehr.." "Ich weiß, sie hat es uns gesagt. Deshalb bin ich wirklich hier, ich wollte dich trösten. Raven ist schon weg, sie ist zur Party." Ich merke wie sie sich aus der Umarmung lösen will, aber ich brauche das jetzt noch ein bisschen. Ich greife fester um sie, und lege meinen Kopf auf ihre kleine, zierliche Schulter. Sie streicht mit ihrer Hand über meinen Kopf und streichelt mich dann im Nacken. Das erinnert mich an unsere frühere gemeinsame Zeit, das tat sie immer dann, wenn sie mir nahe sein wollte. Und obwohl es damals eigentlich nur körperlich bleiben sollte, tat es das nicht. Für mich tat es das nicht, ich hatte mich schon in sie verliebt, aber ich hatte es ihr nie gesagt. Jetzt schien es mir aus irgendeinem absurden Grund passend zu sein. Aber ein kleiner Fehler schlich sich ein, oder war es gar keiner? "Ich liebe dich, Jamie." Sie löst sich abprupt aus meiner Umarmung und schaut mich entsetzt an. Ich hätte es nie sagen sollen. Es vergehen Minuten, und keiner sagt etwas. Wir sehen uns nur an. "Jamie, ich.." Doch sie unterbricht mich. Sie hält ihre Hand an meinen Mund und schüttelt den Kopf. Ihr Brustkorb füllt sich mit Luft, die sie langsam wieder entweichen lässt. "Du liebst mich nicht, Alex." Ich konnte ihr darauf keine Garantie geben, aber wer konnte das denn wirklich? Auf Liebe Garantie geben? Ich kenne da keinen.. "Ich fühle, dass ich dich liebe. Jetzt in diesem Moment, und schon länger." "Sag das bitte nicht, bei sowas bin ich sehr naiv und.." Ich lasse ihr gar keine Wahl, ich habe schon längst die Initiative genutzt und sie geküsst. Und ich merke, wie sie sich mir hingibt, und ihren Körper entspannt. Nur um mich kurze Zeit später mit voller Wucht aufs Bett zu schubsen. "Wehe, du verarscht mich, Mister Sanchez." Sie grinst kurz und dann hockt sie auf mir und küsst mich. Ich halte sie an der Taile und genieße, wie mein Körper sich an ihren schmiegt. Ich genieße, wie wir uns nahe kommen, und letztendlich so nahe sind, dass wir uns nicht mehr näher kommen können. "Ich liebe dich auch, Alex." Sie grinst, und auch ich bin glücklich. Das hier fühlt sich richtig an. Und gut. Und das obwohll ich vor ein paar Stunden noch wegen Amy geweint habe, aber jetzt ist sie aus meinem Kopf raus. Ich bin vollkommen zufrieden. 

"Bringst du mich nach Hause? Kannst dann auch gleich dort bleiben, für die Party." "Ich bring dich am besten, und danach muss ich erstmal schlafen." "Du bist ein riiiiichtiger Langeweiler, mein Lieber.", witzt sie herum. Dann küsst sie mich sanft. "Ich fahre einfach alleine. Schlaf gut." "Ich kann dich auch bringen." "Ich fahre lieber, du schläfst ja schon halb." Und als hätte irgendjemand einen Zauber gesprochen, war ich bereits tatsächlich im Halbschlaf. Aber ich höre noch wie sie zuckersüße Worte spricht: "Du bist eine ganz andere Nummer, Alex. Du bist echt. Das mit dir ist echt." Und dann geht sie.

Am nächsten Morgen wache ich auf, und Miguel sitzt an meinem Bett. "Guten Morgen, Schlafmütze. Du hast echt Glück, dass heute Samstag ist." "Wie viel Uhr ist es?" "Es ist drei Uhr nachmittags." "Oh mein Gott." "Jamie wartet unten, ich war verwirrt. Ich war ja schließlich hier die letzten Tage. Was ist passiert? Faye weiß auch von nichts." "Faye ist auch hier?" "Ja, sie hat hier geschlafen." "Zwischen mir und Amy ist Schluss." "Denkst du es ist dann Jamie gegenüber fair, naja.. du weißt schon." "Ich bin mir sicher." "Du bist dir immer sicher, und am Ende bist du es gar nicht." "Diesmal ist es anders." "Inwiefern?" "Sie macht mich glücklich, ohne viel dafür zu tun." "Ich hoffe wirklich, du bist ihr sicher. Immerhin haben genug Sanchez' der kleinen Jamie das Herz gebrochen." Danke, Bruder. Ich hatte gut verdrängt, dass ihr beiden auch was hattet. "Ich weiß was ich tue, Miguel." "Ist in Ordnung, ich wollte es nur wissen. Und du solltest es auch Amy sagen." "Mache ich später." 

Jamie steht zusammen mit Raven unten. Sie ist heute besonders schön, denn sie ist glücklich. Und das ich der Grund dafür bin, macht mich umso mehr glücklich. "Guten Morgen, ihr schönen Mädchen. Aber du bist besonders schön." Ich nehme Jamie in den Arm und küsse sie in den Nacken. "Guten Morgen, Langschläfer." Und nach wochenlangem Schweigen spricht auch Raven mit mir. "Dir wird es jetzt besser gehen, Alex." Dann zwinkert sie mir zu und verlässt das Haus. "Was war das? Und warum haut sie direkt ab?" "Sie hat einen Termin." "Egal, auf was hast du denn Lust heute?" "Ich würde wirklich gerne essen gehen." "Gut, dann gehen wir zu Loreen." 

Bei Loreen ist es sogut wie leer. Deshalb haben Jamie und ich freie Platzwahl. Wir setzen uns in die hintere Ecke des Ladens und warten darauf, dass Loreen oder Heather unsere Bestellung aufnimmt. Ich hoffe sehr, dass es nicht Heather ist die kommt, und ich habe Glück. "Guten Abend, ihr beiden. Was kann ich euch bringen?" "Ich hätte gerne Pommes und dazu einen Burger. Den mit Parmesan und extra Tomaten." "Und was darf ich dir bringen, Jamie?" "Ich hätte gerne Penne mit Tomatenkäsesoße." "Kommt alles sofort." Loreen gibt die Bestellung an der Küche ab, und läuft dann zu einem relativ großen, gutgebauten dunkelblonden Typen und gibt diesem einen Kuss. "Ich wusste gar nicht, dass sie.." "Endlich von Spike los ist?" "Ja." "Also ich finde es gut. Wobei ich sagen muss, dass die beiden für mich durchaus sehr gut zusammen gepasst haben. Auch besser als er und Faye." 

Jamie und ich reden gerade über Fußball, als jemand ganz bestimmtes durch die Tür kommt: Amy. Sie schaut zu uns rüber, und zu meiner Überraschung kommt sie auch zu uns. "Hey. Das ging aber schnell." In ihrer Stimme erkenne ich zwar keine Eifersucht, aber dieser Kommentar ist trotzdem bissiger als er vielleicht sein sollte. Weder ich, noch Jamie könnten jetzt noch was sagen, was irgendeinen Sinn macht. "Naja, ich würde mal sagen dein Versprechen zu Beginn unserer Beziehung kann ich jetzt nur noch ernster nehmen." Sie schlug mir leicht auf die Schulter und lachte, bevor sie sich dann an einen Tisch setzte und wartete. "Das war jetzt aber wirklich komisch."  Doch bevor ich antworten kann, kommt Loreen mit unseren Bestellungen. "Seit wann seid ihr beiden denn wieder zusammen?" "Seit gestern." "Und seit wann ist mir ihr Schluss?" Loreen deutet mit ihrem Kopf auf Amy. "Seit gestern.", antworte ich ihr. "Ich wünsche euch trotzdem viel Glück." "Danke, wir dir auch mit.." "Phil." Sie schaut zu ihm, und er zwinkert ihr zu, dann redet er mit seinem Kumpel. "Er scheint dich wirklich glücklich zu machen. Das freut mich." "Danke, Alex. Ich bin auch wirklich froh, ihn gefunden zu haben." 

Als Loreen geht, fällt mir auf, wer sich zu Amy gesetzt hat: Faye. Die beiden sitzen da, schauen alle paar Sekunden rüber, und lachen dann. Ich fühle mich unwohl, und ich merke auch Jamie an, dass ihr das nicht wohl ist. "Es tut mir leid." "Es ist ja nicht deine Schuld, Alex. Aber ich verstehe es nicht." "Sie ist in ihrem Stolz verletzt, das war es schon." "Ich verstehe nicht.." "Wir waren ja schon einmal zusammen. Damals ging es auseinander, weil ich mich neu verliebt habe, als wir noch zusammen waren. Diesmal war es genau so. Es war zwar beide Male beidseitig, aber trotzdem stört sie das doch ein wenig mehr als mich." "Ich glaube ich verstehe." 

Im Laufe des Abends kommen immer mehr Bekannte, und Jamie und ich müssen uns immer mehr Leuten erklären. Die meisten nehmen das auch locker auf, aber so Leute wie Aaron oder auch Amy selbst, scheinen damit ihre Probleme zu haben. Mittlerweile sitzen Raven, Noel, Ethan und Jill mit am Tisch. 

"Ich glaube immer noch nicht, dass du Rich eingeladen hast." "Es bot sich nunmal an, meine Mutter wird erstmal nicht da sein. Die muss davon ja nicht unbedingt etwas mitbekommen, oder?" Jamie sah Noel wutentbrannt an, so als ob er den Teufel höchstperslnlich eingeladen hat. Um was es ging, konnte ich der Unterhaltung nicht entnehmen. Als Ethan sich dann noch einmischte, raste Jill wutentbrannt aus dem Lokal, und Ethan ihr hinterher. "Ein echtes Traumpaar die beiden, nicht?" Noel witzelte rum. "Das hörte sich schon ernst an, also lustig finde ich das nicht." Noel sah mich urteilend an, und flüsterte mir zu: "Ich denke das hörte sich so an, als ob es dich nichts angeht." Dann klopfte er mir auf die Schulter und lehnte sich zurück. Raven, die neben ihm saß, warf ihm erst einen giftigen Blick zu, und dann sagte sie etwas, für das ich ihr am liebsten applaudiert hätte: "Ich glaube du solltest mit dem Denken aufhören, scheint nicht unbedingt zu deinen Stärken zu gehören. Und klar, Jill und Ethan sind längst kein Traumpaar wie du und Heather, oder du und Faye, da hast du Recht." Dann nahm sie einen Schluck Bier und begab sich auf die Tanzfläche. Noel wendet sich zu Jamie: "Du kannst dir auch nichteinmal eine normale Freundin suchen, oder? Unglaublich." Dann stand er auf, und ging an die Bar. "Geh du ruhig tanzen, ich geh mit dem reden." "Bist du dir sicher, Alex?" "Ja, ganz sicher."

"Was ist los mit dir, Noel?" "Was mit mir los ist? Ihr Sanchez kennt einfach kein Halten. Ob dein Bruder, deine Schwester oder du. Ihr mischt euch überall ein, macht alles kaputt, und dann soll keiner etwas dazu sagen? Pff.. du hast Glück, dass ich längst aufgegeben habe, meiner Schwester zu sagen, was am besten für sie wäre. Denn du bist das definitiv nicht." "Wir mischen uns überall ein?" "Ja. Dein Bruder bei Faye und mir. Du bei Faye und deinem Bruder, bzw mir. Und deine Schwester hurrt doch sowieso nur rum." In mir stieg die Wut so schnell an, dass ich ohne zu merken, Noel schon eine verpasst hatte, bevor ich zu sprechen begann: "Sag noch einmal so etwas über meine Familie, und ich zeig dir was Schmerzen sind." "Kann ich dir auch zeigen." Noel lächelte, man sah seine Blutverschmierte Lippe, die seine Zähne rot färbte und dann stand er auf um auszuholen. Er traf mich an meiner Nase. Ich spürte wie das Blut nur so aus ihr heraus strömte und ich für kurze Zeit das Gleichgewicht verlor. Bevor ich oder Noel noch einmal ausholen konnten, kamen Phil und sein Kumpel und hielten uns auseinander. Auch Jamie stand jetzt neben mir. "Wieso könnt ihr euch nicht einfach mal vertragen?" Zusammen mit Raven verschwand sie aus dem Lokal. Dann ging auch Noel, aber ich hatte Lust mir die Kante zu geben. Der Tag hatte mich kompett gefordert, das brauchte ich jetzt. Und da Loreen keine Moralapostel war, gab sie mir auch ein Bier nach dem anderen. "Willst du drüber reden, Alex?" "Ich kann machen was ich will, ich krieg immer die Scheiße meiner Geschwister ab, aber nie ein Dankeschön von denen." "Ich kann zumindest für Spike sprechen, dass er sehr wohl zu schätzen weiß, dass du dich immer wieder so einsetzt. Aber er zeigt das nicht unbedingt." "Wir sind Brüder, er sollte dazu wirklich in der Lage sein." Plötzlich saß Phil neben mir und legte den Arm um mich. "Deine Nase sieht besser aus als seine Lippe." Er wollte mich also aufmuntern. "Gib ihm auch ein Bier aus, Loreen." "Danke, Alter." "Kein Ding. Bier ist immer eine Lösung." "Nein, Kumpel. So darfst du nicht denken. Für jetzt mag es gut sein, aber morgen musst du dich allen Problemen stellen. Auch dem Arschloch von eben." "Aber ich bin es satt. Ich will nicht mehr helfen müssen, alles ausbaden. Immer muss ich mich darum kümmern. Selbst Jamie gibt mir jetzt die Schuld an allem." "Jamie ist.." Loreen antwortet für mich: "Seine Freundin, alias die Schwester von dem Arsch." "Kopf hoch, Alex. Ich bin mir sicher sie hasst ihn gerade mehr als dich." "Danke, Alter." "Kein Ding."

Zuhause angekommen gehe ich direkt auf mein Zimmer. Doch als ich rein gehe, ist dort schon jemand: Jamie. "Ich habe auf dich gewartet." "Wenn du Schluss machen willst, denk dran, ich l-" "Nein, du Schwachkopf. Ich möchte mich entschuldigen für meinen Bruder. Er ist mal wieder drunter und drüber. Ich weiß echt nicht, was jetzt schon wieder sein Problem ist." "Also bist du nicht sauer?" "Sagen wir mal, nur ein bisschen." Von mir fällt ein riesen Stein und ich bin einfach nur überglücklich. "Du weißt gar nicht, wie glücklich du mich machst." "Wahrscheinlich so sehr, wie du mich." 

 

Zweite Chancen hin oder her. Ich will mein Leben ab jetzt immer direkt packen. Nur noch das machen, was ich will. Mit wem ich will. Wo ich will und wann ich will. Ich will meinen Willen durchsetzen. Das ist ab jetzt meine Priorität. Und momentan will ich nur eins: bei Jamie sein.

 

Ethan Shark

Ein Baby. Mein Baby. Das Baby von mir und Jill. Das wird uns auf ewig zu einer Familie machen. Und obwohl es mich überrascht, macht mich das überglücklich. In Jill habe ich die Perfektion aller Dinge gefunden. Mein Leben wird niemals schön sein, wenn sie nicht da ist. Ich brauche sie. Und sie braucht mich. 

 

"Ich musste ihn anrufen." "Ja, ist schon in Ordnung. Ich weiß, dass ich seine Hilfe brauche. Aber ich habe Angst." Ich nehme Jills Hand und streichle sie ganz sanft. "Du brauchst keine Angst zu haben, mit mir an deiner Seite." "Du sagst das so einfach, bisher hast du nichts getan, außer dir ein Job zu suchen." "War das nicht das einzige, was ich zu tun hatte?" "Ach, und wo soll unser Kind bitte aufwachsen?" "Du willst doch wohl keine eigene Wohnung. Das werde ich mit einem Nebenjob niemals finanzieren können." "Aber bei meiner Tante zu wohnen ist besser? Ach, Ethan." Seit der Schwangerschaft ist Jill ständig geladen, ganz anders als sonst. Es ist bereits vier Monate nachdem wir von der Schwangerschaft erfahren haben. "Du kannst froh sein, dass ich noch nicht fett bin. Ich würde dich hassen, wenn ich fett werde." Sie fängt kurz an zu weinen, dann schreit sie mich wieder an, warum ich sie unbedingt schwängern musste. "Ich werde jetzt deinen Bruder abholen, du bleibt einfach hier."

Ich fahre zum Busbahnhof, und halte Ausschau nach Rich. Ich kenne ihn kaum, aber ich weiß wie er aussieht. Und ich kenne seine Nummer. Ich rufe ihn an, doch es kommt keine Antwort. Ich rufe erneut an, und dann geht er endlich ran. "Hey, Ethan!" "Hey, wo bist du?" "Ich bin in dem kleinen Cafe. Ich unterhalte mich gerade mit einem hübschen Mädchen. Komm einfach vorbei." "Bin gleich da." Na toll, ich hatte ganz vergessen, was Rich für ein Womanizer war. Dort angekommen, konnte ich sehen, wie er mit einem mittelgroßen blonden Mädchen das dort als Service-Kraft arbeitete, flirtete. Im Gegensatz zu mir, weiß er nicht wie ich aussehe, also muss ich auf ihn zugehen. "Rich! Ich bin es, Ethan." Er nimmt mich in den Arm und gibt mir einen Klapser auf den Rücken. "Jill hat ja doch noch guten Geschmack bewiesen. Das hier ist Amy. Amy das ist Ethan." Ich schaue zur Service-Kraft und bin verblüfft die Amy zu sehen, mit der ich zur Schule gehe. "Ich kenne Amy, wir sind auf der selben Schule." Amy bringt kein Wort heraus, starrt hingegen Rich an. "Wirklich? Ich gebe dir trotzdem mal meine Nummer. War nett dich kennenzulernen, Amy." Dann gibt er ihr einen Zettel, nimmt sich seinen Bagel und wir verlassen zusammen den Bahnhof. Im Auto erzählen wir uns voneinander. Und er erzählt mir von seinen Erfahrungen außerhalb Jacksonville, und wie sehr ihm Jill fehlen würde. Und das glaubte ich ihm auch. Jill hatte mir immer nur gute Dinge über Rich erzählt. Er war immer ein anständiger Bruder zu ihr gewesen, er hat sie beschützt, ihr Dinge beigebracht, sie von Dingen ferngehalten. Er war das, was man einen Bruder nennen konnte. In dem Moment als Rich Jill sieht, bestätigt sich all' das. Er rennt auf sie zu, und nimmt sie fest in den Arm. Dann küsst er sie auf den Kopf, sowie auf die Wange. Dann drückt er sie nocheinmal und witzelt rum, dass sie zugenommen hätte. Wenn er nur wüsste.. 

"Warum musste ich denn so dringend herkommen? Und wo sind Noel und Jamie?" Jill und ich hatten die beiden gebeten, erst später hinzuzukommen. "Wir würden d-d-..." Jill konnte es nicht raus bringen, also nahm ich ihre Hand und versuchte ihr Kraft zu geben, beziehungsweise selbst Kraft zu schöpfen. "Wir, naja eher Jill ist schwanger." Rich ist leise, und auch Jill. Aber beide gucken sich an. Ich weiß nicht genau, was das bedeutet, noch was ich tun soll. Zu allem Übel fängt Jill dann auch noch an zu weinen, aber bevor ich sie in den Arm nehmen kann, ist Rich schon da. "Es ist alles in Ordnung, Jill. Du brauchst wirklich nicht weinen." "Ich wollte das nicht, aber ich konnte es doch nicht einfach umbringen." "Das erwartet doch auch keiner, psch. Beruhige dich. Ich und Ethan..", er schaut mich fordernd an, "wir werden dir beide helfen." "Siehst du Jill, sogar dein Bruder sagt, dass alles gut wird, glaube mir doch endlich." Sie drückt meine Hand, und lächelt mir zu. "Wie lange bist du schon schwanger?" "Seit vier Monaten, beinahe schon fünf." "Dafür sieht man aber nichts." "Der Arzt sagt, sie gehört zu den Frauen, die einfach nicht zulegen, da sie auch sonst nicht dazu veranlagt sind." "Also seid ihr in Behandlung und geht auch regelmäßig dorthin?" "Natürlich." "Wie finanziert ihr das?" "Naja, ich habe zwei Nebenjobs, da kann man genug zusammenkratzen dafür." "Jetzt bin auch ich da, ich werde euch helfen." "Danke, Rich. Du bist der beste Bruder aller Brüder. Danke, danke, danke." "Es ist alles in Ordnung."

Nach dem Gespräch war Jill so erschöpft, dass sie sich schlafen gelegt hat. Noel und Jamie waren immer noch nicht zurück, deshalb saßen Rich und ich alleine in der Küche. Er war immer noch entspannt, aber er hatte mir gegenüber eine ganz andere Haltung. "Ich will jetzt nicht wie eine Moralapostel klingen, aber wart ihr zu doof zum verhüten?" "Nicht ganz, wir haben es schon mit getan, aber anscheinend hat es nicht immer geklappt." "Unglaublich. Ich hätte niemald gedacht, dass sie in dem Alter einen Freund hat. Jetzt wird sie Mutter." "Wie nimmst du das so locker?" Denn alles was er sagte, tat er mit einer Leichtigkeit, mit einer Freude, die ich an seiner Stelle nicht nachempfinden könnte. "Wir haben unsere Eltern verloren, es sind nur Jill und ich. Eine dritte Person wird uns nicht schaden, beziehungsweise vierte. Du bist ja auch Familie, Alter." "Danke, Rich." "Es ist nur die Wahrheit. Jill hat mir immer nur positives über dich berichten können, ich hab gar keine andere Wahl als dich zu mögen. Sonst würde ich sie noch verlieren, also vermasel es nicht." "Niemals! Jill ist mein Leben. Sie ist alles. Ich habe auch fast niemanden mehr." "Sie hat mir von deinem Bruder erzählt, das tut mir leid." "Danke." 

Am nächsten Morgen fahren wir alle zusammen zu Dr.McCohen. Ich warte im Wartezimmer, während Jilll und Rich reingehen. Es dauert diesmal viel länger als sonst, und ich frage mich, was los ist. Nach gefühlten Jahrzenten kommen dann Jill und Ethan raus. "Es wird ein Junge.", schreit Jill und rennt auf mich zu. Ich begreife erst nicht, und erst als sie es ein zweites, drittes und sogar viertes Mal schreit, begreife ich, was los ist und schließe sie fest in meine Arme. "Ein Junge?" "Unser Junge." Sie wischt sich Tränen von den Augen, und gibt mir einen großen Kuss auf den Mund. "Ich kann es gar nicht abwarten, bis es soweit ist." Und auch ich kann es nicht abwarten. Ein Junge, unser Junge.. "Wann willst du es eigentlich den anderen sagen?" "Ich habe alle heute zu Noel eingeladen. Wir sollten das langsam echt ansprechen." 

Gegen Abend trafen alle nacheinander ein: Aaron, Vivian, Loreen, Jake, Alex und auch der ganze Rest. Es war komisch alle auf einmal hier zu haben, auch, weil sich nicht mehr alle miteinander verstanden, aber heute sollte es um was viel wichtigeres gehen. "Ich hab euch alle aus einem ganz besonderen Grund hier eingeladen." Jill konnte man die Freude förmlich ansehen, sie strahle pure Lebensfreude aus, und das machte mich endlos glücklich. "Ethan und ich werden bald Eltern sein von einem Jungen." Loreen war die erste, die aufstand und Jill umarmte. "Glückwunsch, wenn jemand von uns es schafft, dann ihr. Und ihr habt ja uns, für alle Fälle." "Danke, Loreen." Danach umarmten alle Jill und wünschten ihr Glück. Alle bis auf Aaron. Er saß am Tisch und schüttelte vehement den Kopf. "Habt ihr denn gar keine Angst? Eure Zukunft ist im Arsch." "Aaron, wenn du nichts nettes zu sagen hast, sei einfach leise.", fauchte ihn Amy an. Aber er lachte nur kurz und kam auf mich zu, legte seinen Arm um mich und flüsterte mir ins Ohr: "Vor allem dein Leben ist im Arsch. Du kannst alle deine Träume begraben, Alter. Du wirst nie erfolgreich sein, und ganz nebenbei, glaubst du wirklich, dass du und Jill das schafft? Und ich meine nicht nur das Baby, sondern euch.. ich glaube nicht, dass ihr auf ewig zusammenbleibt." "Was ist dein Problem?!" "Mein Problem? Ich habe keins." Er grinste mir direkt ins Gesicht. "Ich weiß gar nicht, warum ich dich eingeladen habe. Jemanden so verbittertes wie dich braucht kein Mensch. Du bist nur neidisch, dass ich jemanden gefunden habe, mit dem man eine Familie gründen kann. Und wegen meinen Träumen, genau das war mein Traum. Eine glückliche Familie zu haben." "Ich bin verbittert? Ach, bitte." "Immerhin hat dich Vivian immer noch nicht rangelassen." Sein Grinsen wich einem finsteren Blick. Er kam einen Schritt auf mich näher zu. "Pass auf was du sagst." Ich schubste ihn leicht von mir, da holte er zum Schlag aus, traf mich allerdings nur an der Schulter. Ich ballte meine Hand zu einer Faust und schlug ihm mitten ins Gesicht. Direkt triefte Blut aus seiner Nase, und er kam auf mich zu und drückte mich gegen die Wand und schlug mir in den Magen. Bevor ich nocheinmal zum Schlag ausholen konnte, kamen Noel und Spike und hielten Aaron von mir fern. "Was soll das denn? Kannst du dich nichteinmal benehmen?", fauchte Vivian und verließ das Haus. Aaron rannte direkt hinter ihr her. Und man konnte aus dem Fenster erkennen, dass er vergeblich versuchte sie zu beruhigen. Sie ging einfach weiter. Dann stellte er sich vor sie, und man sah, wie verzweifelt er war. Er mochte sie, und sie spielte mit ihm. Dabei konnte man genau, dass sie ihn auch mochte, aber man konnte auch sehen, dass sie genau das nicht wollte. Aaron legte seine Hand auf ihre Wange und stützte seine Stirn an ihre und schaute ihr in die Augen. Sie jedoch schloss ihre Augen und drückte ihn nach einigen Sekunden von ihr weg und rannte dann zu ihrem Auto, mit dem sie dann endgültig wegfuhr. Aaron setzte sich auf den Bürgersteig und warf mit kleineren Steinen auf die Straße. "Ich muss zu ihm raus. Das ist nicht seine Art, irgendwas muss passiert sein." "Bist du sicher, dass du der richtige jetzt bist dafür, Ethan?" "Ja, Jill. Mach dir keinen Kopf. Ich komme gleich wieder." 

Ich ging raus und setze mich neben ihn auf den Bürgersteig. "Tut mir leid, Alter. Das eben war vollkommen kindisch. Natürlich schaffen du und Jill das. Ihr seid die einzigen die es auf die Reihe kriegen." "Danke. Aber was ist denn mit dir los? Warum bist du so ausgeflippt?" "Es ist wegen Vivian. Ich gebe ihr alles, ich höre immer zu, ich gebe ihr das Gefühl, sie ist die wertvollste Person auf der ganzen Welt, ich schaue niemanden außer ihr an, ich habe seit Monaten nicht mehr mit anderen Mädchen geflirtet. Ich versuche all' das zu sein, was sie will. Und letztens da hat sie mich geküsst, und kurz bevor es dann ernster wurde, hat sie mich zurückgewiesen. Einfach so, ist dann ausgeflippt und meinte ich solle doch gehen. Dann ist sie am selben Abend noch zu mir gefahren, und es ist doch passiert, aber am nächsten Morgen war sie weg. Sie hat mich wieder kurz ignoriert, und dann irgendwann kam sie wieder an, und hat sich entschuldigt, meinte, sie wüsste nicht, was sie will. Immer diese scheiße. Warum kann es bei mir nicht einfach mal unkompliziert ablaufen? Was ist denn mit mir, dass sich alle so schwer tun?" "Ich kann dir das echt nicht beantworten, Aaron. Nur Vivian kann das, und sie ist da anscheinend nicht bereit zu. Ich kann dir nur sagen, dass nichts einfach ist. Bei mir und Jill hat es auch nicht unbedingt auf Anhieb geklappt. Es gab da ja auch noch die Sache mit.." "Aber ihr seid jetzt glücklich, ich kämpfe seit Monaten - nur, für was? Sie wird mich nie wollen." "Lass sie einfach mal zappeln. Ruf nicht an, melde dich nicht. Nichts. Danach wirst du eindeutig merken, was sie will oder auch nicht. Lass nicht mit dir spielen. Du bist dafür viel zu gut, Alter." "Danke, Ethan. Wirklich, manchmal vergesse ich, was für ein Glück ich mit meinen Freunden habe."  

"Und, was war los mit Aaron?" "Er ist einfach.. er hat Liebeskummer. Vivian geht scheiße mit ihm um, glaub mir, ich hätte an seiner Stelle nicht anders reagiert." "Ich dachte Aaron wäre über Vivan hinweg." "Oh nein. Und seit kurzem läuft da auch immer wieder mal was. Und dann tut sie so, als wäre nichts. Du als Frau wirst da vielleicht schlauer draus. Ich verstehe das nicht, Jill. Gottseidank bist du nicht so." "Noch nicht. Vorsichtig, mit den ganzen Hormonen ist nicht zu spaßen." "Ich mache mir keine Sorgen." "Aber zurück zu Vivian.. ich denke es ist offensichtlich. Sie liebt Aaron, aber sie will es nicht wahr haben. Wohlmöglich, weil sie sich das nicht so vorgestellt hat." "Aber ist es nicht immer so? Wer plant schon, in wen er sich verliebt. Oder wann. Oder wie oder.." "Ja, aber sie hat viel verpasst, es ist einfach noch mal ein Stück weit anders für sie, Ethan." "Man geht doch trotzdem nicht so um mit Leuten die man mag." "Ich kann dir da auch nicht viel mehr zu sagen. Und Aaron muss das für sich klären. Auch, was er überhaupt will. Nach dem Beziehungstyp schaut er mir nicht gerade aus." "Aber ich sah nach dem Vorzeigefreund aus?" Ich lege meinen Arm um ihre Schulter. Wir sitzen zusammen auf unserem Bett und lassen den Abend revu passieren. "Natürlich.. du warst der heimliche Freund deiner Therapeutin. Eigentlich sogar unserer Therapeutin. Wenn das nicht mal eine gute Ausgangsposition ist." "Und vergiss nicht, ich war potentieller Vater eines Kindes." "Wer wohl der Vater ist.." "Miranda hatte genug Bekanntschaften, sie hat ihn bestimmt nicht gefunden, Jill. Bei dir war die Suche ja schnell beendet, weil du anständig bist." Jill lehnt sich gegen meine Schulter und streichelt meine Brust. "Ich liebe dich, Ethan. Du bist meine Familie. Mein Herz." "Ich liebe dich auch, Jill Edwardsen. Und es wird niemanden geben, den ich jemals so lieben werde, außer dich.." Ich küsse ihren Bauch und dann sie. 

 

Familie. Man kann sie sich nicht aussuchen, vorerst. Aber sobald man seine eigene kleine Familie plant, kann man sehr wohl entscheiden. Und ich habe mich eindeutig richtig entschieden. Wenn es eine Person gibt, die ich über alles liebe. Mehr als mich und mein Leben, dann ist es Jill. Jill ist mein Leben. Meine Liebe. Meine Familie. Sie ist alles, was jemals Bedeutung haben kann. Und in sich trägt sie jemanden, der das alles noch viel bedeutsamer machen wird. Unser kleiner Junge wartet darauf, dass wir ihn in den Arm schließen können - und oh ja, warte auch ich auf diesen Tag.

 

(NOCH NICHT BEENDETES KAPITEL)

Aaron Johnson

Liebe. Sie kann in zwei Richtungen laufen, eine davon bezeichnet man als "Glück", die andere als "Pech". In meinem Leben nimmt sie bisher immer nur die eine Richtung: Pech. 

 

"Aaron, warum meldest du dich nicht? Was für ein Freund bist du?" Es war das dritte Mal diesen Abend, dass mich Vivian anrufte und nur rumschrie. "Ich? Hast du schon einmal deine Rolle bedacht? Ich kann mich nicht von dir so benutzen lassen, ich kann n-.." Aber da hatte sie erneut aufgelegt. Ich konnte immer noch nicht begreifen, was das für eine Frau war.. "Aaron, wirklich, heb doch nicht ab." Cole hatte Recht, ich sollte nicht mit mir umgehen lassen. Aber.. "Es ist einfacher zu sagen, und zu verstehen, als es dann auch zu tun. Ich will einfach nur hören, dass es ihr leid tut und sie mich mag. Sie mich braucht.. endgültig. Kein Rückzieher, keine Ausreden." "Das wird nicht passieren. Glaub mir. Sie ist kein Mensch, der Liebe zulässt. Loreen war da ja auch nicht wirklich anders." "Loreen hatte trotzdem bisher zwei Beziehungen, und in beiden ging sie auf." "Davor hatte sie keine. Erst Spike konnte sie dazu bringen. Und das hat bestimmt auch nicht auf Anhieb geklappt. Und mal davon abgesehen, warum ausgerechnet Vivian?" "Hast du sie dir mal angeguckt? Ich habe noch nie so eine perfekte Person kennengelernt. Und trotz all' dem ist sie nicht abgehoben, sie ist normal. Nett, hört zu und einfach eine gute Freundin.. ach, was soll ich großartig sagen, es ist einfach so." "Ich bin mir sicher, am Ende hasst du sie wie du Raven jetzt hast." "Das war was vollkommen anderes, Cole." "Sei mir nicht böse, Aaron, aber ich bin mir da ganz sicher." "Wieso?" "Weil du dich in die Mädchen verliebst, die du sehr schwer halten kannst. Wenn Vivian jetzt schon kaum zugeben kann, dass sie dich mag, glaubst du das wird sich ändern? Irgendwas in ihr wird immer ein bisschen auf Abstand gehen. So wie Raven damals. Und du wirst damit nicht klarkommen, du wirst wieder daran zerbr-" "Zerbrechen? Ich bin gar nicht daran zerbrochen, ich war sauer. So wie es jeder gewesen wäre." "Du verstehst mich nicht, Aaron. Vivian wird sich dir nie vollkommen öffnen, wenn sie jetzt mit dir so umgeht. Hast du noch nie (500) Days of Summer gesehen? Sie ist deine Summer." "Was laberst du da? Was soll das für ein Film sein?" "Guck ihn einfach." "Pff.. tu nicht so, als ob du alles wüsstest. Zwischen dir und Annie ist doch immer noch nicht viel gelaufen." "Du vergisst auch, dass sie viel durchmachen musste, und immer noch durchmacht." "Geht sie immer noch zur Therapie?" "Ja, natürlich. Und sie macht ja auch Fortschritte, und sie versucht mich dran teilhaben zu lassen. Bald bin ich bei einer Sitzung dabei." "Oh, viel Spaß. Bei mir ist das ja super gelaufen." 

Am nächsten Morgen fuhr ich mit Amy zur Schule. "Aaron, hast du mein kleines Notizbuch gesehen?" "Willst du mich verarschen? Natürlich nicht?" Amy schenkte mir einen Augenrollen, und gab mir einen kleinen Schubser. "Pass doch besser auf dein Zeug auf." "Ich würde dir auch am liebsten sagen, worauf du besser aufpassen solltest. Dein Verhalten bei Noel war echt peinlich." "Fangen wir wieder damit an? Lass es gut sein, Amy. Kümmer dich um deinen Scheiß." In letzter Zeit stritten wir uns eigentlich nur noch. Es gab keinen Tag, an dem wir nicht mindestens einmal den jeweils anderen anschrien. Oft auch grundlos. "Aaron, wirklich es gibt keinen beschisseneren Bruder als dich." "Und du bist also die Vorzeigeschwester?" "Pff.. ich kann es kaum abwarten, bist du endlich die Schule fertig hast und aus meinem Leben verschwindest." Ich hielt mitten auf dem Weg an. "Steig aus. Du kannst ab jetzt zur Schule laufen." "Ganz bestimmt nicht." "Ich habe nämlich dein beschissenes Notizbuch, und ich glaube einige Leute würden den Inhalt nicht gerne lesen, also raus." "Erpresst du mich gerade?" "Ja. Geh. RAUS." "Du bist so ein Arsch, Aaron." Ich gab ihr das Notizbuch. "Ich habe Kopien, also denk nicht einmal dran." Eingeschnappt nahm sie ihre Tasche und stieg aus, ohne ein weiteres Wort zu sagen. 

"Ich hab gehört du hast deine Schwester heute zur Schule laufen lassen." Noel lachte sich schlapp. Seit ein paar Tagen, hat er sich wieder an Cole und mich erinnert. Er wollte ständig abhängen, und mir kam das gelegen, auch ich brauchte Ablenkung, aber es endete immer damit, dass er irgendwelche Weiber abschleppte und ich an der Bar saß und mit Loreen redete, bis auch sie Feierabend hatte. "Du hättest hören sollen, wie sie mit mir gesprochen hat." "Aaron, du kannst sie doch nicht einfach rauswerfen." "Glaub mir, wäre Faye so drauf, Cole, würdest du genau.. du vielleicht nicht, aber jeder andere würde genau das tun." "Da stimme ich zu.", warf Noel ein. "Wie auch immer, ich bin froh euch mitteilen zu können, dass eure erste Stunde ausfällt." "Und das sagst du uns erst jetzt?" "Wo wäre da den sonst der Spaß, Jungs?" Cole rannte den Flur entlang, bis er auf Annie traf. Noel und ich hingegen steuerten den Fußballplatz an. Wir setzen uns auf die Tribüne und schauten einem Sportkurs zu. "Also einige davon sind ja schon recht heiß." "Noel, die sind alle zwei, wenn nicht drei Jahre jünger." "Das bist du auch." "Wie bitte?" Ich verstand nicht, worauf er hinaus wollte. "Na Vivian, sie ist doch drei Jahre älter." "Das ist anders.." "Wieso? Vivian soll sich auf dich einlassen, aber ich darf mir die hübschen Ladys nichteinmal angucken? Doppelmoral würde ich das ja nennen." "Ist in Ordnung, ich hab's verstanden." "Vielleicht verstegst du sie dann auch endlich ein Stück weit besser." "Aber es sind nur drei Jahre.." "Würdest du dich mit einer von da unten einlassen?" "Weißt du, ich werde genau das tun, weil ich solche Dinge nicht wichtig finde.. auch wenn es was komplett anderes ist." "So gefällt mir das." Noel stand auf, und ich folgte ihm. "Welche willst du, Aaron?" Ich schaute mich um. Bis auf drei Mädels war der Rest wirklich nicht mein Ding - und alle sahen nicht drei, aber fünf Jahre jünger aus. Ein Mädchen gefiel mir. Sie hatte schulterlange Haare, rotblond, und stahlblaue Augen. "Ich nehm die rothaarige." "Gut, dann bleibt die blonde für mich." Noel zuckte mit den Brauen, und lachte als er auf die blonde zuging. Ich hingegen ging zur rothaarigen. Als ich vor ich stehen blieb, sah sie mich verwundert an und wollte gehen. "Hey, hau doch nicht gleich ab. Ich wollte mich vorstellen, ich bin Aaron." "Ich weiß wer du bist." Entgegen meiner Erwartung klang sie nicht begeistert, aber angewidert. "Und du bist?" "Xenia." Ich wusste nicht ganz, was ich ihr sagen sollte, wirklich Interesse gezeigt hatte sie nicht. "Du siehst nicht aus wie fünfzehn." "Bin auch sechszehn, wenn das einen großen Unterschied macht." "Du bist schön." "Danke." Früher hätte sie schon längst irgendein Zeichen gegeben, dass sie mich will. Entweder war mein Charme weg, oder sie war einfach eine harte Nuss. So wie alle Mädchen, an die ich geriet. "Hast du heute Abend schon was vor?" "Nein." Sie schmunzelte, und legte ihre Haare hinter ihr Ohr. Es war nichts großes, aber ein kleines Zeichen. "Dann hol ich dich ab?" "Nur weißt du nicht, wo ich wohne." "Gib mir deine Nummer, dann kannst du mir deine Adresse geben." "Ach, wirklich?" Ich gab ihr mein Handy, und sah ihr zu, wie sie ihre Nummer eingab. Dann wählte ich die Nummer, und sah zu, wie sie an ihr Handy geht. "Ich wollte nur mal überprüfen ob das auch deine Nummer ist." "Schlauer Junge." Dann legte ich auf, und ging. Auch Noel schien erfolgreich gewesen zu sein. Er sah zumindest glücklich aus. "Und wie heißt deine?" "Fiona. Deine?" "Xenia. Aber sie ist sechszehn, nicht fünfzehn." "Fiona auch. Fünfzehn wäre doch echt ne Nummer zu jung." "Ja, aber wir sind uns einig, achtzehn und einundzwanzig ist was anderes." "Klar, Mann. Fünfzehn ist noch ein Kind, du bist erwachsen." "Sehr gut."

Gegen sieben Uhr holte ich Xenia dann ab. Ich laufe also langsam zur Tür und überlege kurz, bevor ich dann endlich an die Tür klopfe. Es dauert ein wenig, aber dann öffnet sie die Tür. "Du bist aber spät dran. Ich dachte schon, du kommst nicht mehr." Ich hebe eine Braue, und lache dann. "Du bist ganz schön vorlaut, weißt du das?" "Aber das wusstest du ja, nicht?" Sie greift nach einem Mantel, der rechts neben ihr auf einem Ständer hängt und schließt die Tür hinter sich. "Na komm, welches ist dein Auto?" Ich zeige auf das Auto mit der offenen Tür. "Vielleicht solltest du deine Tür in Nachbarschaften wie dieser schließen." Xenia zwinkert mir zu, und lächelt dann das erst Mal. Ich erwidere ihr Lächeln, und schüttle kurz den Kopf. Dieses Mädchen hat was, sie hat Biss. 

Ich wollte erst mit ihr irgendwo schick essen gehen, aber ich hab mich schließlich für etwas anderes entschieden. "Nur damit du weißt, da wo wir hingehen, ist dein Outfit definitiv zu schick." Xenia lächelt stumm, und schaut sich in meinem Wagen um. Sie findet einen Pullover und riecht dran. "Könnte besser riechen, findest du nicht?" Sie hält mir das Shirt unter die Nase, und wirft es dann wieder nach hinten. Sie braucht drei weitere Versuche, bis sie zufrieden ist. Dann zieht sie ihr Kleid hoch, und ich bin mehr als verwirrt. "Du ziehst dich jetzt um? Einfach so neben mir?" "Ich hab einen ganz normalen Körper, das ist keine Schatztruhe, die ich da mit mir herum trage. Warum also nicht?" Ich schaue sie an, und sie lacht erneut - sie ist viel positiver, als sie auf den ersten Blick schien. "Und wohin willst du dein Kleid hintun?" "Meine Tasche ist wohl groß genug, aber richte du mal deinen Blick auf die Straße, nicht auf mich." Erneut zwinkerte sie mir zu, diesmal war mir das allerdings etwas peinlich. Sie hatte Recht, ich hatte wirklich mehr auf sie, als auf die Straße geschaut. Wir fahren noch ein paar Minuten, bis wir da sind - in diesen Minuten spricht keiner. Stattdessen dröhnt Musik aus dem Radio. "Wir sind da, Madame." "Na endlich." 

Wir steigen aus, und ich hole die Decke und den Korb raus. "Du bist mit mir an den Strand gefahren?" "Heute soll man von hier aus Sternschnuppen sichten können. Ich dachte mir, ich kann.." "Soll ich dir mal einen Tipp geben?" Sie fällt mir mitten ins Wort, und ich schaue sie verdutzt an. Ich habe doch nur versucht nett zu sein, und sie unterbricht mich direkt wieder? "Wenn du willst das jemand dich mag, sei es ich oder sonst wer, lass dieses Schnulzengelabber. Darauf fährt kein Mädchen rein, mit dem du wirklich abhängen willst." "Woher weißt du, dass es nicht meine Art ist?" "Weil du keine Lusche bist." Sie lächelt mich erneut an, und setzt sich dann auf die Decke, die ich frisch ausgelegt habe. "Ehrlich gesagt, glaube ich, dass ich genau das bin." "Da würde mich aber echt interessieren warum." Sie klopft den Platz neben sich sauber, und ich setze mich zu ihr. Keine Sekunde später und wir liegen auf dem Boden und schauen in den noch beinahe leeren Himmel. "Ich habe kein Glück, wenn es um Beziehungen geht." "Ja und? Wer hat das schon." "Na jeder." "Das reden die sich nur ein. Meine Freundin, Michele, sie hat einen Freund. Er heißt Tony. Für sie ist er perfekt und einfach das Beste, dass ihr jemals passiert ist. Hört sich doch ziemlich toll an, nicht? Das Problem ist nur, dass Tony Tony ist. Ihm reicht nicht die Gesellschaft eines Mädchens, er braucht mehrere. Michele weiß das auch, aber sie ignoriert das. Sie kreiert sich ihr falsches Glück und reibt es allen unter die Nase. Alle wissen es beser, aber aus Mitleid sagen sie nichts. Wenn es bei dir nicht klappt, dann, weil die Leute ehrlich sind." Ihre Geschichte hatte durchaus etwas, ich erkannte, dass nicht alles was glänzt aus Gold war. Und vielleicht galt das auch für Vivian. "Kann ich dich etwas fragen?" "Klar." "Gehen auch zwei Dinge?" "Natürlich." Sie greift nach meiner Hand und streichelt sie, zuerst fühle ich mich unwohl, aber dann lasse ich es zu. Irgendwie gefällt es mir doch. "Da ist ein Mädchen. Sie heißt Vivian, sie ist ein paar Jahre älter. Und für sie ist das ein Problem. Wenn wir unter uns sind, dann ist sie das netteste und tollste Mädchen überhaupt. Aber sobald jemand anderes dabei ist, bin ich nur der Freund. Wenn wir alleine sind, dann küsst sie mich. In der Öffentlichkeit fasst sie mich kaum an, als ob dann alle merken würden, dass.." "Stop. Bevor du weiter redest, ich weiß worauf das hinaus läuft. Meine Antwort ist nein." "Nein?" "Nein. Sie schätzt dich nicht so, wie du es verdienst hast. Vivian ist eine Bitch. Umso früher du das begreifst, desto besser." "Alle sagen mir das, aber.." "Sei nicht Michele, Aaron." Sie hat Recht. Ich kann Zeichen nicht übersehen. Vivian kann sagen was sie will, für sie bin ich nur ein Freund, der dann gut ist, wenn sie ihn gebrauchen kann. Sex ist da manchmal keine Ausnahme. Aber andere Typen sind das auch nicht - ich darf die Zeichen nicht übersehen. Die Anrufe, die laufende Dusche, wenn ich komme und sie mich abwimmelt. Es gibt da eindeutig genug Zeichen. "Was war deine andere Frage?" "Warum hast du ja gesagt zu dem Date." "Man hört viel über dich, Aaron. Ich wollte mir mein eigenes Bild machen." "Und?" Sie dreht sich auf ihre Seite, und ich kann aus dem Augenwinkel erkennen wie sie mich anstarrt und dann ihre Augen schließt. "Die haben alle keine Ahnung." "Was sagen alle denn?" "Ist das wichtig?" Sie lächelt und öffnet ihre Augen wieder. Ich kann nicht anders - ich drehe mich zu ihr und schaue ihr tief in die Augen. Dieses Mädchen hier, sie könnte es sein - aber ich will mich nicht erneut auf etwas einlassen, was mir nur schaden könnte. Meine Wahl war bisher immer eine schlechte. "Worauf wartest du?" Ich konnte ihr ansehen, dass sie auf etwas wartete: einen Kuss. Die Art wie sie sich ihre Lippen leckte. Und ich konnte nicht leugnen, wäre ich spontan, würde ich das bestimmt machen. "Hast du Angst?" Ich schaue ihr einfach nur auf die Lippen, nun ist auch meine Hand auf ihre Wange und streichelt diese sanft. "Ich kann dir nicht versichern, dass ich dich niemals verletze, Aaron. Aber ich bin ehrlich, wenn ich sage, dass das nicht meine Absicht ist. Ich mag dich." "Aber du kennst mich nicht." "Das hier wäre nicht unser erster Kuss, Aaron." Ich bin verwirrt, nicht unser erster Kuss? "Ich glaube du verwechselst, da etwas, X-..", doch bevor ich zu Ende sagen kann, was ich vor hatte, spüre ich den Druck ihrer Lippen auf meinen. Dann spüre ich ihre Hand, die meinen Nacken massiert und wie ihre Lippen sich immer wieder an meine schmiegen. Ohne jede Vorwarnung lässt sie dann von mir ab. Sie steht nun am Meerufer und ich stelle mich zu ihr. "Ich erinnere mich. Die Party vor zwei Jahren, der Schrank." Sie dreht sich um und lächelt mich an. "Damals hast du mich verletzt, es wäre nur fair, wenn ich dir das selbe antue, aber ich muss gestehen, dafür mag ich dich zu sehr, Aaron. Du bist ehrlich, nimmst dir was du willst und du gibst niemals auf. Was kann sich ein Mädchen mehr wünschen als das?" "So siehst du das also." Sie nickt und umarmt mich. Ich spüre ihren Kopf der an meine Brust lehnt und wie ihre schlanken Arme auf meinem Rücken ruhen. "Erzähl mir etwas über dich." 

Die nächsten paar Stunden reden wir darüber, was wir alles schon erlebt haben. Sie erzähl mir davon, dass Michele nicht ihre Freundin ist, sondern sie selbst. Sie war das Mädchen, das nicht einsehen wollte, was abging. Der Junge hätte genauso gut ich sein können - wenn wir das Alter als Maßstab nehmen, der ihr immer wieder aufs neue das Herz gebrochen hat. Sie hatte Angst vor dem, was kommen würde, wenn sie sich lossagen würde. Erst vor ein paar Monaten beschloss sie sich, dass sie jemand anderes sein wollte. Sie nannte sich nicht mehr Michele, sondern benutzte ihren Zweitnamen als Rufnamen. Auch ihre Haare schnitt sie ab und färbte sie rotblond. Sie sah nicht mehr aus wie Michele, und war auch nicht mehr wie Michele. Sie war nicht mehr ängstlich, sondern fordernd. Sie war nicht mehr schüchtern, sondern sexy und selbstbewusst. Sie wusste wer sie war, und was sie damit anstellen konnte. Das wusste sie ganz genau. 

Auch ich erzählte ihr alles, was es zu erzählen gab. Ob von Amy, die mir manchmal mehr als nur auf die Nerven ging, oder von Raven und der Tatsache, dass ich selbst damit noch nicht abschließen konnte. Ich verstand immer noch nicht, wie es so weit kommen konnte. Wie sie so geworden war.. Aber auch von Vivian erzählte ich nochmal im Detail. Genau wie von Noel und seinen Aggressionsproblemen. Und davon, wie er mir das mit Raven immer wieder unter die Nase reibte. Er habe ja von Anfang an gesagt, dass das kein gutes Ende nehmen würde. 

Vor ihrer Haustür war ich dann doch sehr traurig, dass ich bald wieder allein sein würde und genug Zeit hatte über Dinge nachzudenken, wo es nichts zu überdenken gab. Xenia hatte mir heute oft genug gesagt, dass es keinen Zweck hatte. Und sie hatte Recht - jeder hatte Recht. Ich bin sicher, selbst Loreen würde zustimmen, wenn ich sie fragen würde. Loreen.. ich könnte mich allgemein mal wieder bei ihr melden. Ich weiß zum Beispiel gar nichts über ihren Freund.. "Hallo?? Jemand da?" "Tut mir leid, ich war in Gedanken versunken." "Du könntest noch rein kommen, meine Eltern sind nicht da. Und mein Bruder interessiert sich nicht dafür, was ich tue oder auch nicht." Sie hebt ihre Augenbraue und grinst mich verlockend an. Und obwohl ich es besser weiß, kann ich nicht anders, als einzulenken. Ich folge ihr in ihr Zimmer, und als die Tür sich schließt, habe ich sie schon halb ausgezogen, genau wie mich selbst. Sie lässt nicht von mir - genau so, wie ich nicht von ihr lassen kann. Ihr Körper fühlt sich warm und weich an. Ich küsse ihren Hals und öffne dabei ihren BH. "Wenn es dir zu schnell geht.." "Ich weiß genau wozu ich dich eingeladen habe, Aaron." Sie presst ihre Lippen auf meine, und ich falle in ihr Bett - meine Arme um sie. 

Am nächsten Morgen spüre ich keine Reue, nur Angst. Angst, dass sie mehr erwartet hat von mir, dass ich irgendwas nicht nach ihrem Sinne gemacht habe. Aber zu meiner Freude, ist sie immer noch von mir angetan. "Vivian ist echt doof, so etwas wie dich gehen zu lassen." "Aber Tony war besonders intelligent?" "Genau genommen ja, aber das wusste er einfach zu gut. Zu viel Selbstüberzeugung ist wie Gift." "Wie kommt es, dass ich Tony nicht kenne?" "Er ist weg gezogen." "Hat es deshalb zwischen euch geendet?" "Nein, das war nur ein nettes Extra." "Vivian könnte gerne auch darüber nachdenken." "Nein, nein.. sie darf gern sehen, was sie sich entgehen lässt." Xenia legt ihren Kopf auf meine Brust, und streichelt meine andere Brust. "Das ist das erste Mal, dass ich bei jemandem über NachT geblieben bin. Also, dass es am nächsten Morgen diese Nähe gab. Sonst gab es immer nur ein Schweigen und Unbehagen." Sie lehnt sich vor und gibt mir einen Kuss. 

Noch am selben Nachmittag treffe ich mich mit Noel. Ich fahre zu ihm rüber, obwohl ich weiß, dass die Wahrscheinlichkeit Raven dort zu sehen höher ist, als sie bei mir anzutreffen, bin ich bereit es zu wagen. Zu meinem Glück ist Jamie nicht da, und somit auch keine Raven. Jill und Ethan liegen zusammen auf der Couch - Jills Bauch ist gewachsen und ich erwische mich selbst dabei, wie ich schmunzeln muss. Die beiden sehen so glücklich aus - ich wünsche ihnen all das Glück der Welt. "Jill und Ethan, warum haben die beiden noch nicht geheiratet?" "Das ist eine gute Frage. Wohlmöglich wartet Ethan auf einen besonderen Moment, oder auf genug Geld." Noel gibt mir einen Klapser auf den Rücken und lacht mich an. "Erzähl mir von deinem Date." "Xenia.. sie ist ein echt tolles Mädchen. Und erinnerst du dich an die blonde Michele?" "Die jüngere aber definiiv heiße?" "Genau die.. das war Xenia, sie hat sich nur etwas verändert. Und lässt sich jetzt bei ihrem Zweitnamen rufen." "Dann hattest du die Süße ja schon." "Nein nicht wirklich. Erst gestern." "Echt? Du hast sie rumbekommen? Meine hat rumgeheult, von wegen das wäre ihr erstes Mal. Und es wäre besonders." "Kann ich dich etwas fragen?" "Klar." "Warum hast du dich seit der Sache mit Faye so verändert? Du warst nie ein Aufreißer, ein Sprücheklopfer.. du warst immer ehrenhaft. Du hast immer scharf ausgewählt - nicht jede war etwas für dich.." "Ich bin jung, Aaron. Ich werde nicht das Wahre finden. Jill und Ethan hatten einfach Glück. Aber die beiden sind davor durch so viel Scheiße kaputt gemacht worden, wer hätte es mehr verdient als die beiden? Ich bin es satt, so zu tun, als ob Beziehungen irgendwohin führen. Oder Sex irgendwas magisches ist. Das ist einfach nicht so. Nicht mehr für mich. Ich war der Liebe offen, ich war mir so sicher.. und bei Heather.. Dort lief es nicht viel besser. Ich brauche das Drama nicht." "Genau so lebt Raven auch, hat sie damals zumindest. Dafür hast du sie gehasst." "Ich tue das immernoch, Aaron. Jetzt habe ich einfach einen Grund dafür." 

"Und ist es was ernstes mit Xenia?" "Ich kann dir das nicht sagen, Noel. Ich glaube es wäre gut, wenn ich von all' dem mal Abstand nehmen würde." "Das wäre auch eine Idee. Aber sei nicht dumm, wenn sie dir gefällt, dann lass sie das auch wissen." Ich war mir im Unklaren darüber, was ich eigentlich wollte. Natürlich war Xenia ein nettes Mädchen, aber vielleicht wäre eine Pause das beste für mich. "Ich weiß nur, dass ich eines tun muss." 

 Ich stehe bei Loreen und Vivian vor der Tür. Die Klingel habe ich schon längst betätigt, aber noch macht mir keiner auf. Dabei kann ich genau hören, dass jemand da ist. Es dauert zwei Minuten, bis mir jemand endlich die Tür öffnet. Es ist ein großer blonder Junge mit leicht gelocktem Haar und blauen Augen. "Hey." Ich kenne ihn, aber ich kann ihm keinen Namen zuordnen. "Hey, ich bin Aaron, ist Vivian da?" "Ja, aber sie ist ein wenig beschäftigt, wenn du verstehst." "Das ist kein Problem, ich kann warten. Falls das kein Problem für-", bevor ich zu Ende reden kann, taucht Loreen neben dem Jungen auf und lächelt mich an. "Hey, Loreen." Sie kommt näher an mich heran und gibt mir eine große Umarmung. "Du wartest hier, ich weiß, was du ihr sagen willst. Und jemand sollte das auch." "Du weißt es?" "Wir haben in letzter Zeit nicht viel miteinander gemacht, aber ich kenne dich, Aaron. Du bist nicht doof und du hast Respekt vor dir. Das hier musste irgendwann geschehen. Komm setz' dich mit uns auf die Couch." Ich gebe dem jungen Mann meine Hand und stelle mich vor: "Hallo nochmal, ich bin Aaron." "Ah, du bist Aaron. Ich bin Phil." Statt mir die Hand zu geben, umarmt er mich und schlägt mir auf den Rücken. Es ist nicht aggressiv, eher freundschaftlich. "Loreen hat mir viel über dich erzählt. Du bist ein guter Typ, tu das, warum du hier bist. Aber vorher, X-Men oder Spiderman?", er hält zwei DVDs vor mein Gesicht. "Eindeutig X-Men."

Phil und Loreen scheinen echt glücklich zu sein, und das gibt mir Hoffnung. Loreen hat - genau wie ich, viel durchgemacht, und hat letztendlich ihr kleines Glück gefunden. Ob es hält oder nicht ist egal, für den Moment ist sie glücklich. Nach zwei Filmen kommt endlich jemand aus Vivians Zimmer - nur ist es nicht Vivan, sondern ein gutgebauter junger Mann der einfach auf die Haustür zusteuert und direkt verschwindet. Keine Sekunde später schubst mich Loreen von der Couch. "Jetzt geh schon!" Und auch Phil nickt mir zusprechend zu. Es müsste mich eigentlich überraschen, dass mir Loreen zu so einem Gespräch rät, aber das versichert mich nur in der Annahme, dass bei Vivian keine Gefühle im Spiel sind. Zumindest nicht solche, wie ich sie gern hätte.

Ich öffne die Tür und schließe sie direkt hinter mir. Vivian sitzt vor ihrem Schminktisch. Ihr Gesicht erkenne ich nur im Spiegel davon. Sie hat kaum etwas an und scheint erst nicht zu merken, dass ich im Zimmer stehe. "Wir müssen reden." Sie dreht sich um und schreit kurz hysterisch auf. "Wie wäre es mit anklopfen, ich könnte nackt sein. Genau genommen bin ich es ja fast." Sie verdreht die Augen und wirft sich einen Bademantel über. "Du hast es vergessen, aber ich habe dich schon oft genug nackt gesehen." Sie schüttelt mit dem Kopf und setzt einen genervten Blick auf. "Worüber willst du denn mit mir reden, Aaron? Ich stehe nach wie vor nicht auf dich." "Ich weiß das, und jetzt weiß ich, dass ich etwas besseres als dich verdient habe. Jemand der so mit mir umgeht, sojemanden brauche ich nicht." "Was soll das heißen?" "Ich möchte nichts mehr mit dir zu tun haben, Vivian. Weder Freundschaft, noch sonst irgendwas." "Das glaubst du ja wohl selbst nicht." "Du hast dich so sehr verändert, ich weiß gar nicht, was ich an dir gefunden habe." Vivian steht auf und kommt auf mich zu. Sie legt ihre Hand auf meine Wange und will mich küssen, aber ich drücke sie von mir weg. "Das ist mein Ernst." "Du kommst wieder, das weißt du selbst gut genug." "Ich werde kommen, aber nicht für dich. Sondern für Loreen. Sie ist eine echte Freundin." "Deshalb hast du dich in letzter Zeit so viel mit ihr beschäftigt, klar." "Dabei geht es nicht um Freundschaft, Vivian. Loreen und ich sind gut genug befreundet, um da weiter zu machen, wo wir aufgehört haben. Wärst du nicht gekommen, ich und sie hätten wie Bruder und Schwester werden können." "Na gut, dann hau ab." Ihr Gesicht lässt keinen Ausdruck zu. Sie sieht mich emotionslos an und mir fällt es nicht schwer aus dem Zimmer hinaus zu laufen, ohne mich umzudrehen.

"Wie ist es gelaufen? Hast du ihr deine Meinung gesagt?" "Freunde sind Vivian und ich jedenfalls nicht mehr. Das ist geklärt." "Sehr gut, sie muss verstehen, dass sie sich nicht so benehmen kann." "Danke, Loreen." "Danke? Wofür?" "Das du immer noch so nett bist, dabei war ich so lange nicht für dich da." "Du hattest deine Probleme, Aaron. Das verstehe ich. Hauptsache, wir unternehmen jetzt wieder mehr miteinander." "Das lässt sich einrichten." Loreen schenkt mir eines ihrer schönsten Gesten: ein Lächeln.

Zuhause angekommen sitzt Amy auf dem Sofa. Ich setze mich zu ihr und umarme sie. "Was soll das?" Sie schaut mich verdutzt an und wirft mir einen bösen Blick zu. "Es tut mir leid. Ich sollte netter zu dir sein." "Schon ok, ich bin ja auch nicht gerade der Engel in Person." Dann sitzen wir schweigend nebeneinander und schauen zusammen Fernsehen.

 

Manchmal muss man sich sein Glück selbst schmieden. Und manchmal muss man sich eingestehen, dass nicht alles was glänzt, Gold ist. Vieles malt man sich schöner aus als es ist, weil man sich wünscht, es wäre anders. Einsicht ist der erste Schritt zur Besserung. Und den bin ich gegangen.

  

UNBEENDET

Noel VanHouton

 Unzufrieden. Das hörte ich immer wieder. Jeder war es. Egal ob meine Freunde oder Familie. Jeder hatte was zu meckern an mir. Und ich weiß, perfekt bin ich keineswegs - aber es ist immer noch mein Leben. Sollte ich das nicht so führen, wie ich das möchte? Also ich würde eindeutig sagen, ja!

 

Jamie rast in mein Zimmer und schreit: "Du könntest echt ein bisschen netter sein zu Raven, Noel." Sie hatte Recht, ein bisschen netter könnte ich schon sein. Aber warum? Sie war nicht nur eine Schlampe, sondern war kurz davor meine Schwester in eine zu verwandeln. Zumindest Klamottentechnisch. "Du könntest dir auch mal anständige Freunde ins Haus holen." "Ach, so wie deine fünfzehnjährige blonde Ische, die hier immer wieder antanzt?" "Welche blonde Ische?" "Na, diese Fiona." "Sie ist sechszehn." "Nein, Noel. Das ist sie ganz bestimmt nicht, sie ist gerade fünfzehn geworden." Na, toll. Ich hatte fast Sex mit einem halben Kind - gottseidank war sie dazu nicht bereit gewesen. "Wimmel sie einfach ab, ich habe kein Interesse an ihr." "Sag ihr das selbst, sie steht unten an der Tür." 

Ich laufe zur Tür und kann nicht vermeiden, dass mich die dünnen Arme Fionas umschlingen. Allerdings drücke ich sie direkt von mir und schaue sie verdutzt an. Seit dem sie bei dem einen Date nicht weiter gehen wollte, hatte ich das Interesse verloren. Und da ich jetzt schlauer war, konnte ich das als Grund nehmen, warum ich sie nicht mehr sehen wollte. Danke, Jamie. "Was machst du hier?" "Ich dachte ich komme vorbei. Du antwortest auf keine meiner SMS, deshalb.." "Das hat einen Grund. Warum denkst du, ich würde dich sehen wollen? Und woher weißt du wo ich wohne?" "Du wolltest immerhin mit.." "Ja, jetzt bin ich schlauer, und ich würde das unter keinen Umständen mehr machen wollen. Also, geh bitte." "Was meinst du?" "Du bist erst fünfzehn Jahre alt, sehe ich so aus, als würde ich mich auf ein Kind einlassen?" Sie beißt sich auf die Lippe und schluckt ihre Tränen runter. "Ich kann eines nicht austehen, Fiona. Und das sind Lügen." "Und ich kann eines nicht ausstehen, und das sind Arschlöcher." Sie rennt die Treppe runter und steigt in ein großen weißen Jeep. Ich versuche zu entziffern, wer am Steuer sitzt, aber ich kann die Person nicht identifizieren. 

"Du wolltest mit ihr schlafen? Noel! Die ist nicht nur jung, die ist auch wirklich unter deinem Niveau." "Du denkst ich habe Niveau? Das ist ja mal was neues, Jamie." Sie gibt mir einen leichten Schlag gegen mein Bein. "Jamie, beruhige dich. Er wusste nicht, dass sie so jung ist.", verteidigt mich Ethan. Und auch Jill nickt mit vollem Mund. "Wer will noch eine Portion Salat?", fragt Rick und gibt uns allen noch ein paar Läffel mehr Salat. "Was hat sie dir denn gesagt, Noel?" "Na, dass sie sechszehn Jahre alt ist, Rick." "Ich würde ihr nicht mal glauben, dass sie vierzehn ist, die sieht blutjung aus.", lacht Rick und gibt Jamie ein High-Five. "Na gut, ich war etwas naiv. Aber es ist ja nichts gelaufen, von daher ist doch alles gut."

In der Schule ist erst nichts besonders anders, aber in der Mittagspause spüre ich die Augen aller Schüler auf mir. Irgendwas ist los, aber ich weiß nicht was. "Habe ich das Gefühl, oder gucken mich alle dämlich an?" "Dich gucken alle dämlich an.", bestätigt Cole meine Annahme. "Lass uns einfach zu Aaron und Amy setzen. Die hören bald schon auf zu gucken." Wir setzen uns also zu den Johnsons und essen, aber die Blicke weichen einfach nicht von mir. Und Amys Blick verrät mir, dass sie mehr weiß, als sie mir sagen will. "Du weißt etwas, spuck es aus." Sie guckt kurz weg, als ob sie es mir nicht sagen will, aber dann schaut sie mich neugierig an und ich weiß, sie weiß mehr. "Man hört da so ein paar Dinge über dich.." "Dinge? Was für Dinge?" "Fiona behauptet, dass du sie gezwungen hast mit dir zu schlafen." "Entschuldige?" Ich breche in Gelächter aus, aber Cole, Aaron und Amy schauen mich verwirrt an. "Das ist nicht zum Lachen, Noel. Wenn sie damit zu Polizei geht.." "Es stimmt aber nicht. Aaron weiß das." Aaron nickt kurz und spricht mit halbvollem Mund: "Das stimmt. Er hätte rumgeprallt, aber er hat mir gesagt, dass er es versucht hat, als sie nicht wollte, ist er gegangen. Das passt auch zu dem Noel, den wir kennen." Amy schaut mich leicht angewidert an. "Du wolltest mit so einem jungen Ding..?" "Ich wusste nicht, wie jung sie tatsächlich ist." Amy schaut rüber zu Fiona und wirft ihr einen bösen Blick zu. "Die meisten glauben ihr, aber es gibt auch Leute die es nicht tun. Ich hab das eigentlich nicht geglaubt, dank Faye." "Was hat Faye damit zu tun?" "Na ja, sie hat vielen erklärt, dass du so etwas nie tun würdest." Ich war zwar irgendwo immer noch sauer auf sie, aber das hat ein ganzes Stück Wut ausgelöscht. "Ich muss jetzt noch zu Mr.Jenkins. Er hat irgendwelche Papiere für Annie, die ich abholen muss." "Ich komm mit, Cole. Ich muss noch zu Mrs.Foller." Cole und Aaron standen auf und ließen Amy und mich alleine am Tisch zurück. "Du musst etwas unternehmen, Noel." "Was soll ich denn machen?" Ich hatte keine Angst, Fiona war nicht böse genug, um das durchzuziehen. "Soll ich mit ihr reden? Ihr klar machen, was für eine scheiß Situation sie dir damit bereitet?" "Lass das lieber, am Ende motiviert sie das nur mehr." Amy lacht, und auch ich kann mein Lachen nicht unterdrücken. "Und überhaupt, warum würdest du dich einmischen wollen?" "Weil sie lügt. Lügen.. das ist so eine Sache, ich kann das gar nicht ab. Außerdem will ich mich mal für Gerechtigkeit einsetzen, warum also nicht üben?" Sie schenkt mir ein Lächeln und nimmt meine Hand. "Ich kümmer mich darum." Die Situation verwirrt mich. Amy und ich haben noch nie miteinander gesprochen, und trotzdem ist sie so nett zu mir. Genau genommen sollte sie mich sogar hassen. Immerhin bin ich der Exfreund ihrer besten Freundin. Und bei Mädchen hat doch immer der Junge schuld, nicht? Aber bevor ich sie auch nur noch eine Sache fragen kann, steht sie auf und geht auf Fiona zu. Dann gehen die beiden zusammen raus. Ich sehe weder Amy noch Fiona noch einmal in der Schule.

"Noel, siehst du was passiert, wenn du nicht vorsichtig bist? Jetzt denken alle mein Bruder ist ein Pädophile." "Übertreib nicht schon wieder, Jamie." Ich hätte erwartet, dass sie wütend ist, aber sie scheint das Ganze nur zu amüsieren. "Warum ist das so lustig für dich?" Sie umarmt mich und gibt mir einen Kuss auf die Wange. "Ich hatte dich einfach nicht für so doof gehalten, lieber Bruder." Ich setze mich ins Wohnzimmer zu Rick und Ethan auf die Couch. Wir gucken Fußball, da klingelt es plötzlich an der Tür. Es ist Alex, er geht hoch zu Jamie und da klingelt nochmal die Tür. Darüber war ich nicht unbedingt froh, aber sie ist alt genug um selbst zu wissen, was sie will und wer ihr gut tut. Wenn nicht, wäre ich nicht abgeneigt Alex eine oder zwei zu verpassen.

"Hey." "Amy, hi. Das ist lustig, denn eben ist Alex erst gekommen." "Ich weiß, ich hab ihn gesehen." "Warum bist du nicht mit ihm rein?" "Alex und ich, da ist sehr viel kaputt." Ich hatte ganz vergessen, dass Alex eigentlich mit Amy zusammen war, als er sich in meine Schwester verliebt hatte. "Das tut mir leid, aber Alex wird überbewertet." "Das kann ich nur bestätigen." Aber ihr aufgezwungenes Lächeln ließ auch anderes durchblitzen. Sie vermisste ihn - ob als guten Freund oder mehr, konnte ich nicht näher sagen. "Egal, ich bin hier, weil ich mit Fiona geredet habe." "Was hast du gesagt?" "Willst du mich vielleicht vorher rein lassen, es ist ein bisschen kalt." Ich hatte ebenfalls vergessen, sie reinzubitten. "Klar, komm wir gehen in mein Zimmer." 

Amy setzt sich auf mein Bett und schaut sich um. Ihr Blick bleibt an einem Foto von Faye und mir hängen. "Warum hast du davon noch Bilder?" "Ich behalte alles. Erinnerungen sind wertvoll, egal ob schlecht oder gut." "Faye hat genau das selbe Bild auch in ihrem Zimmer. Es hängt an ihrer Fotowand." "Wirklich?" "Ja. Sie hat genau das selbe gesagt." Ich schaue mir das Bild näher an. Es ist eines der ersten Fotos von uns zusammen. Wir stehen nebeneinander vor einer großen grünen Wand. Ich weiß gar nicht mehr wo das war, aber ich weiß, dass Cole das Bild gemacht hat. Damals war Amy mit ihm zusammen. Es war mit das einzige Mal, dass wir etwas zu viert unternommen hatten. "Du warst auch da." "Stimmt. Cole hat das Bild gemacht." "Ja, danach ist er hingeflogen." "Genau genommen habe ich ihn geschubst." Ich lache, und auch Amy kann ihr Lachen nicht verstecken. "Warum hast du ihn geschubst?" "Ich wollte das Bild machen, er hat mich nicht gelassen." "So ein Arschloch.", der Sarchasmus schwappte gut rüber. Amy setze an: "Ja, und obendrein so dumm." "Warum hat es mit euch nicht geklappt?" "Es ist irgendwie immer das selbe. Meine Freunde verlieben sich einfach fremd. Und dann gehen sie meistens auch fremd. Cole und Alex.. beide." "Das tut mir leid. Ich reiße die ganze Zeit alte Wunden auf, besonders nett ist das nicht." "Es ist schon okay, darüber zu reden tut gar nicht mal so weh, wie man sich das vorstellt. Ich komme klar." "Also ich kann das nicht." "Über Faye und Spike sprechen?" "Das verletzt mich." "Sie hat dir sehr viel bedeutet, nicht?" "Ich glaube das war das einzige Mal, dass ich verliebt war. Ich dachte bei Heather wäre es ähnlich, aber das war nur.. ich wollte es, weil ich dachte es würde klappen. Aber nicht mal das hat hingehauen." Ich lache, aber diesmal klingt es beinahe schon gruselig. "Davon hat mir Aaron erzählt. Sowas ist echt fies. Ich verstehe nicht, wie manche Leute das machen können." "Das kann ich dir genauso wenig erklären." Wir sitzen noch ein paar Minuten da und reden darüber, wie wir beide ähnliches durchmachen mussten. Sogar beide mehrmals. 

"Bevor ich es vergesse, ich bin nicht hergekommen um über irgendwelche Exfreunde zu reden. Es geht um Fiona. Ich habe mit ihr gesprochen, und es tut mir leid, aber ich glaube sie ist bereits zur Polizei gegangen." Plötzlich ist die Angst da, von der ich vorher keinen einzigen Funken spüren konnte. "Aber.." "Xenia, die rothaarige mit der mein Bruder irgendwas am laufen hat - oder auch nicht, keine Ahnung, die hilft ihr. Aber ich glaube, sie glaubt Fiona. Sie denkt wirklich, du hast sie vergewaltigt." "Das ist doch unglaublich! Wie kann sie mir so etwas antun?!" Ich trete gegen meinen Stuhl und setze mich zu Amy aufs Bett. Erneut nimmt sie meine Hand, aber diesmal ist es schon weniger seltsam als beim letzten Mal. "Ich habe ihr gesagt, dass genug Leute auf deiner Seite stehen, und ihr die Anzeige nichts bringen wird." "Danke." Amy lächelt mich an, und ich bin ihr so dankbar. Ohne mich wirklich zu kennen, hat sie so viel getan. Sie hat mit einem fremden Mädchen gesprochen, andere aufgeklärt, dass das Ganze nur eine Lüge ist und ist extra Abends noch zu mir gefahren um mir davon zu berichten. Nach den ganzen Wochen, wo alle nur an mir meckern, und keiner etwas Gutes in mir gesehen hat, habe ich das gebraucht. "Ich kann dir nicht sagen, wie dankbar ich bin, Amy." "Ist schon gut, ich kann doch nicht so ein Mädchen damit durchkommen lassen. Und du bist ein Freund meines Bruders, ich bin quai verpflichtet dir zu helfen." Erneut entlockt sie mir ein Lachen, und das war in letzter Zeit wirklich nicht einfach bei mir. Bis auf Jill und Jamie hat das schon lange keiner mehr wirklich geschafft, mir ein aufrichtiges Lachen zu entlocken. Ich streichle ihre Hand, sie guckt runter und dann schaut sie mir direkt in die Augen. Ich hebe meinen einen Mundwinkel an und streichle ihre Wange. Doch bevor ich mich selbst fragen kann, ob ich das wirklich tun sollte, klopft es an der Tür und ohne auf eine Antwort zu warten, öffnet sie sich bereits. 

Es sind zwei Polizeimänner. "Sind Sie Noel VanHouton?" Ich nicke. "Es liegt eine Anzeige gegen Sie vor. Wir würden Sie gern mit aufs Revier nehmen." Ich stehe auf und will raus. "Damit wir sicher stellen, dass sie nicht abhauen, und es sich um einen dringlichen Verdacht handeln, müssen wir Ihnen Handschellen umlegen." "Das dürfen Sie nicht.", schreit Amy auf. Der dickere Polizeimann schaut sie verwirrt an. "Entschuldigen Sie, junge Dame." "Solange es sich nicht um einen Mord handelt, dürfen Sie das nicht." Der dünnere Polizeimann flüstert etwas, und der dicke packt die Handschellen wieder weg. "Kommen Sie mit, Mr.VanHouton." "Ich komme mit." "Tut mit leid, aber wie Sie sicher wissen, dürfen nur Erziehungsberechtigte mit zum Revier.", der dicke Mann ist etwas gekränkt und steckt mehr Sarchasmus in seine Aussage als nötig. Dafür kassiert er einen bösen Blick von Amy. Ich drehe mich um, als mich die beiden Polizisten wegzerren. Sie sieht ängstlich aus - vielleicht hat sie mir irgendwas nicht gesagt. Sie winkt mir zu und senkt ihren Blick. 

"Es liegt der Verdacht vor, sie haben ein fünfzehnjähriges Mädchen vergewaltigt." "Das stimmt nicht." Meine Mutter, die neben mir sitzt schaut mich an und schaut dann zu den Polizisten. Das Ganze hier ist auf jeden Fall zu viel für sie. Mich überrascht auch, dass sie sie aufgabeln konnten. Seit drei Wochen hatte ich sie nicht für eine einzige Sekunde gesehen oder gesprochen. "Sind Sie sicher, dass sie keinen Anwalt wollen?" "Nein, ich bin unschuldig, warum sollte ich da einen brauchen?" "Sie sagen also, dass sie Fiona Kress nicht vergewaltigt haben?" "Wie bereits gesagt. Ich wollte mit ihr schlafen, das stimmt. Als sie meinte, dass sie sich dafür nicht bereit fühlt, bin ich gegangen. Im Nachhinein habe ich erfahren, dass sie erst fünfzehn Jahre alt ist, und hab ihr gesagt, dass ich keinen Kontakt mehr haben möchte. Am nächsten Tag hat sie die Anzeige gestellt und in der Schule Gerüchte verbreitet." "Sie sagen also, dass das Mädchen lügt und sich für eine Abfuhr rächen möchte?" "Genau." "Das reicht uns erstmal. Geben Sie uns bitte Namen ihrer Freunde, die wir ebenfalls verhören sollte nach Ihrer Meinung." "In Ordnung." "Vielen Dank. Einen schönen Abend noch, Mr.VanHouton." "Danke, Ihnen auch." 

"Ich kann nicht glauben, wo du reingeraten bist, Noel. Ich habe dich für einen intelligenten jungen Mann gehalten." "Mich wundert, dass du überhaupt Gedanken an mich verschwendest." "Rede nicht so mit mir, ich bin deine Mutter." "Bist du nicht, warst du nie." "Noel, das ist nicht fair." "Niemand hat gesagt, die Wahrheit sei fair. Sie ist hart und gemein." "Ich würde ja mehr Zeit mit euch verbringen, aber ich kann euch nicht ohne Arbeit ernähren. Und die Fortbildungen brauche ich um meinen eigenen Salon zu eröffnen. Außerdem sorge ich mittlerweile nicht nur für drei, sondern sieben oder wer weiß wie viele Köpfe." "Rich hilft doch genug." "Rich ist seit ein paar Wochen da, Noel. Davor war es nicht gerade einfach euch alle zu ernähren. Und Jills Baby.." "Ich verstehe ja, dass du hart arbeitest. Aber du bist trotzdem nie für uns da. Jamie und ich kennen nicht mal unseren Vater." "Sobald Jamie bereit ist, lasse ich es euch wissen. Aber.." "Du sagst das jedes Mal." "Noel, bitte. Ich fahre dich jetzt nach Hause. Für die nächste Zeit bin ich da, solange das Problem hier existiert. Danach muss ich die Seminare nachholen." "Du bleibst hier?" Das macht mich glücklich. Meine Mutter hat meiner Meinung zwar viel falsch gemacht, aber eine Mutter kann man nicht nicht lieben. 

"Ich kann es gar nicht glauben, wie kann man nur solche Lügen verbreiten?" Jamie war viel aufgebrachter als ich - die anfängliche Phase, wo sie alles als Witz sah, war wohl vorbei. Ich hatte Vertrauen in die Welt. Man musste mir einfach glauben, immerhin erzählte ich doch die Wahrheit, und sie tat das nicht. Würde das nicht auffallen? Früher.. oder später. "Nicht jeder wurde so erzogen, wie es sich gehört, Schatz." Meine Mutter war auch nicht mehr sauer, sondern eher verblüfft. Es war so eindeutig, es war so klar, dass das alles ein schlechter Scherz war, warum sah die Justiz das nicht? "Ach, Mutter, bitte." "Jamie, deine Mutter hat Recht, nicht jeder lernt was richtig oder falsch ist." "Hoffentlich bringst du das deinem Kind bei." Inzwischen war Jills Bauch ein wenig angewachsen. Es würde bestimmt nicht mehr lange dauern, bis man endlich das kleine Geschöpf in den Händen hielt. Wir freuten uns alle schon sehr darauf, Jamie fast noch mehr als Jill und Ethan. Selbst meine Mutter hatte sich schnell angefreudet mit der Idee. Vor allem nachdem sie Ethan auch wirklich mal kennen gelernt hat. Und verstanden hat, warum wie alle so viel von ihm halten. Wie konnte man das auch nicht? Er war ein zielstrebiger, aber realistischer und junger Mann. "Wer sagt für dich eigentlich aus?" "Aaron und seine Schwester Amy. Vielleicht auch die Freundin von Fiona." "Warum würde sie das tun?", Jamie war verblüfft von meiner Antwort. "Sie steht auf Aaron."

 

Verhör mit Aaron Johnson

"Guten Tag, es ist richtig, dass Ihr Name Aaron Johnson ist?" "Das ist korrekt." "Sie sind ein Freund von Noel VanHouton?" "Ja." "Inwiefern können sie uns weiterbringen mit unseren Ermittlungen bezüglich des Vergewaltigungsvorwurfs von Miss Fiona Kress?" "Ich kenne Noel, er hat so etwas nicht nötig. Er hat selbst eine jüngere Schwester, diese beschützt er mit allen Mitteln. Er würde jemandem nie das antun, vor dem er seine Schwester beschützen möchte." "Das alleine soll Sie als Zeugen wichtig machen?" "Nein. Ich bin ein Freund von Fionas Freundin. Ihr Name ist Xenia Chapston, Michele Xenia Chapston." "Erläutern Sie das bitte." "Sie hat mir erzählt, dass Fiona nach dem einzigen Date mit Noel ganz normal drauf war. Sie war glücklich, dachte es würde gut laufen. Nach ein paar Tagen war klar, dass es das nicht tun würde. Dann hat sie angefangen es zu erzählen. Fiona muss eine gute Lügnerin sein, denn Xenia glaubt ihr, aber ich finde das ja merkwürdig." "Vielen Dank, Mr. Johnson."

 

Verhör mit Amy Johnson

"Guten Tag, es ist richtig, dass ihr Name Amy Johnson ist?" "Ja, das stimmt." "Sie sind eine Freundin von Noel VanHouton?" "Sozusagen. Ich bin die Schwester seines besten Freundes." "Inwiefern können Sie uns weiterhelfen ?" "Ich habe mit Fiona Kress gesprochen, und ich habe einige Unstimmigkeiten gefunden." "Erläutern Sie das bitte." "Sie war nicht anders. Sie war wie immer. Es gab keine Spur von seelischen Verletzungen. Außerdem kamen die Anschuldigungen sehr spät." "War das alles?" "Ja." "Vielen Dank."

 

Verhör mit Michele Xenia Chapston

"Guten Tag, es ist richtig, dass ihr Name Michele Xenia Chapston ist?" "Ja." "Sie sind eine Freundin des Opfers, korrekt?" "Ja." "Können Sie uns etwas zum Vorfall sagen?" "Meine Freundin und ich wurden beide von älteren Jungs auf ein Date eingeladen. Ich ging mit Aaron Johnson aus, sie mit Noel. Seit sie von dem Date wusste, war sie total glücklich und war voller Vorfreude. Nach dem Date ging es ihr auch gut. Aber dann wurde sie komisch. Irgendwie traurig, und dann ein paar Wochen später erzählte sie mir davon. Noel hat sie zum Sex gedrängt, meinte sie. Sie mochte ihn, ja, aber sie war dazu noch nicht bereit. Aber das hat ihn nicht-" "Reden Sie ruhig weiter, Miss Chapston." "Es hat ihn anscheinend nicht abgehalten. Als ich Aaron darauf angesprochen habe, hat er sofort Noel in Schutz genommen. Er wäre kein Typ dafür." "Hat Mister Johnson Ihnen auch erzählt, dass er die Abfolge der Geschehnisse für ungewöhnlich hält?" "Ja. Er hat auch Recht, es war schon komisch. Aber Fiona würde sich sowas nie ausdenken, würde niemals so etwas behaupten, wenn es nicht auch passiert wäre."  "Danke, Miss Chapston."

 

Nach drei Wochen kam die Justiz noch immer zu keinen neuen Ansätzen in der Ermittlung. Bislang hatten sie nur erreicht, dass ich suspendiert wurde. Deshalb hatte ich viel Zeit nachzudenken, und einige Dinge zu bereuen, die ich getan hatte. Und auch Dinge, die ich nicht getan hatte, bereute ich inzwischen. Der Vorfall zeigte mir nochmal, dass Hass einen Menschen verunstaltet. Fiona war eigentlich ein süßes Mädchen, aber meine Abfuhr hatte sie zu einem hässligen Schatten ihrer selbst gemacht. Ich wollte alle meine offenen Rechnungen begleichen. Ich hatte nicht viele, nur zwei.

"Guten Tag, Mrs McCohen. Könnte ich zu Faye?" "Hallo, Noel. Wirklich schön dich hier zu sehen. Wie geht es dir denn? Ich habe von den Vorwürfen gehört - es ist wirklich nicht schön, auf was für Lügen manche Menschen kommen." Lustig, selbst die Mutter meine Ex-Freundin wusste es schon. Alle wussten es. Selbst Xenia hatte sich von Fiona abgewandt. Alle außer die Justiz, und nur deren Urteil war wichtig. "Danke. Mir geht es gut, und ich habe Vertrauen, alles wird gut." "Faye ist in ihrem Zimmer. Ich wünsche dir weiterhin viel Kraft!" "Vielen Dank." 

Ich klopfe an die Tür und warte bis ich ihre Stimme höre. Während ich so vor ihrer Tür stehe, male ich uns eine andere Zukunft aus. Eine, in der wir immer noch glücklich waren. Miteinander, nicht mit anderen. Wie oft und für wie lange ich es mir gewünscht habe. In mir gab es immer noch - und würde es auch für immer, den Teil geben, der in ihr das perfekte Mädchen sieht. Sie bleibt meine erste große Liebe, und bis keine noch größere mein Leben kreuzt, bleibt sie besonders. 

"Noel?" Die Tür stand offen, und Faye schaute mich an. Ich war so versunken in Gedanken, ich hatte vergessen die Tür zu öffnen. "Es tut mir leid. Ich weiß gar nicht, ob ich mich auch mal bei dir entschuldigt habe. Ich war so ein Arschloch, ich schulde dir eine Entschuldigung." Ihre Augen sind nass, aber nicht durch mich. Irgendwas ist passiert. "Ist alles in Ordnung?" Sie schüttelt den Kopf und bricht in Tränen aus. Was war los? Und was sollte ich jetzt tun? Sie in den Arm nehmen? War das ok? War das in Ordnung? Ich tat es einfach, denn nur da rumzustehen hielt ich für falsch. Also legte ich meine Arme um sie und verlor mich für einen Moment in der Vergangenheit. "Beruhige dich, alles ist gut." Sie schüttelte nur den Kopf und ich konnte nichts tun, um sie zu beruhigen. Wir standen drei Minuten im Türrahmen. Ich hielt sie im Arm, während sie einen Wasserfall weinte. Erst nach drei Minuten beruhigte sie sich, und wir betraten ihr Zimmer. 

"Tut mir leid, es ist nur, so viel läuft gerade schief." "Mein Leben ist bestimmt schlimmer als deins." Für einen kurzen Moment verschwindet jegliche Anspannung in ihrem Gesicht und sie schenkt mir kurz ein Lächeln. "Du bist bald frei, und alle werden diese Schlampe hassen." "Du glaubst ihr also nicht?" "Tut das denn jemand außer ihre Eltern, die dummen jungen Mädchen und anscheinend die Polizei?" "Komischerweise nicht." Sie sieht mich fragend an, während meine Munkwinkel sich nach unten ziehen. VIelleicht hat mich die Sache doch mehr mitgenommen, als ich dachte. "Wieso komischerweise?" "Ich hätte gedacht, dass genug Leute der Sache Glauben schenken würden." "Noel, ich kenne dich. Und auch viele, viele andere kennen dich gut genug. Du bist kein Heiliger, aber du würdest so etwas niemals tun. Man muss nur sehen, wie du mit Jamie umgehst." "Danke." "Keine Ursache. Ich würde mich gern bedanken, für deine Entschuldigung. Aber das war nicht nötig, du hast weniger falsch gemacht als ich, findest du nicht?" "Schon, aber ich wollte das eigentlich nicht sagen." "Ist schon ok. Ich habe einfach scheiße gebaut. Genau wie jetzt." "Also wirst du es mir doch erzählen?" "Hast du denn Zeit?"

"Zwischen Spike und mir läuft es nicht mehr so gut. Wir entwickeln uns ein wenig auseinander. Ich habe mehr für die Schule getan. Mich für diverse Stipendien beworben. Ich hab auch mehr fürs Team gemacht, ich will das wirklich. Er hat mich nicht megamäßig unterstützt, aber er hat mich machen lassen. Er hat ja auch selbst Ziele. Er hat sich eine kleine Band aufgebaut, sie spielen manchmal - die letzten Tage auch bei Loreen." Da war also das Problem: Eifersucht. "Er hat sich zwar von ihr getrennt für mich, aber ich hab das Gefühl, als wäre er mit ihr viel glücklicher gewesen. Und er hat es letztens im Streit auch indirekt gesagt." "Ihr Mädchen interpretiert immer viel falsch, du -" "Er hat gesagt 'Loreen hat nie so einen Aufstand gemacht, sie wusste auch von meinen Gefühlen zu dir. Ich habe sie doch für dich aufgegeben, sie spricht nicht mehr mit mir. Was willst du noch? Hätte ich doch nie-' und dann ist er wütend abgehauen." "Faye, nimm dir das nicht zu Herzen, im Streit sagt man schon mal sowas." Ein Teil in mir war glücklich, irgendwie gönnte ich es ihr nicht glücklich zu sein - und dafür hasste ich mich. In unserem Alter handelt man oft unüberlegt, man macht, und tut - das Denken kommt später. Ich hätte genau so gut derjenige sein können, der sich in jemand anderes verliebt. "Ich habe seit drei Tagen nicht mehr mit ihm gesprochen. Aber ich war bei seinem Auftritt bei Loreen. Ich habe ihn gesehen. Wie er sich darum bemüht hat mit ihr zu reden. Sie hat ihn abblitzen lassen, dann hat sie mit ihrem Freund zusammen hinter der Bar gearbeitet. Er bereut es bestimmt inzwischen, und.." "Und du nicht, deshalb ist es so schwer." "Ich würde einfach gerne wissen, was er denkt. Er sagt nie was er wirklich denkt. Er ist so ein verschlossener Typ. Er gibt sich Mühe mit mir Dinge zu teilen, aber im Endeffekt behält er doch alles für sich. Und mit Loreen wirkte alles so anders. Ich will ihn nicht verlieren." "Das wirst du nicht. Er will Loreen zurück, aber als gute Freundin." "Woher willst du das wissen?" "Weil ich uns gerne als Freunde erleben würde. Warum sollte er da so andere Vorstellungen haben?" Sie nahm mich in den Arm und flüsterte mir etwas zu: "Danke, dass du endlich dazu bereit bist." 

Ironischerweise musste ich als nächstes zu Spike. Ihm gegenüber hatte ich mich auch oft wie ein Arschloch verhalten, das wollte ich wieder gut machen. Ich fand ihn vor seinem Haus an seinem Motorrad. Vielleicht sollte ich auch auf Zweiräder umsteigen, es sah schon recht cool aus. "Hey." Er sah mich verdutzt an, und schraubte dann weiter an seiner Maschine. "Ich bin hier um mich zu entschuldigen. Ich habe dich nie besonders gut behandelt. Für mich warst du erst nur die Absicherung für Jamie, dann das Arschloch, das mir Faye weggenommen hat. Ich hab nie daran gedacht, dass du dich vielleicht einfach nur endlich dazu entschieden hast, dass-" "Schon gut." "Aber-" "Noel, ich bin kein nachtragender Mensch. Und ich weiß, wie das für dich ausgesehen haben muss. Du musst mir das nicht erklären." "In Ordnung." Ich hätte bestimmt direkt gehen soll, aber irgendwie wollte ich nicht einfach so gehen. Nicht nachdem ich Faye so traurig erlebt hatte. "Kannst du mir einen Gefallen tun?" "Kommt drauf an." "Ich war bei Faye. Sie, es geht ihr nicht gut. Sie denkt du bereust die Sache mit euch. Rappel dich auf und überwinde deinen Stolz und sag ihr, dass es nicht so ist." Spike schwieg. Hatte Faye vielleicht doch Recht? "Ich bin mir da nicht sicher." "Aber wieso? Was hast du an Faye auszusetzen?" "Nichts, aber, wenn man lange Zeit über etwas fantasiert, von etwas träumt und man es dann hat - es ist nie so, wie man es sich gewünscht hat." "Es muss aber nicht zwangsläufig schlechter sein." "Das sage ich nicht, es ist einfach anders. Und es ist so kompliziert - mit Loreen, es war.." "Wenn es einfach ist, kann es nicht gut sein, Spike." "Ich bin mir da einfach unschlüssig, Noel." 

Nach dem langen Tag wollte ich nur schlafen gehen, aber als ich unser Haus betrat, saß ein Polizist in der Küche und sprach mit meiner Mutter und Rick. "Noel, Schatz! Fiona hat gestanden, dass alles nur ein Racheakt war." "Was? Warum? Ich meine.." In mir breitete sich eine riesengroße Freude aus. Ein Felsbrocken an Last fiel von mir herab. Meine Mutter konnte sich nicht halten und nahm mich direkt in den Arm. "Sie ist von ihrer Geschichte abgewichen, die Polizisten konnten sie dann zu einem Geständnis drängen." 

Den Abend verbrachte ich mit meiner Familie, wir feierten und waren einfach alle erleichtert. Meine Mutter entschied sich sogar trotzallem noch eine Woche zu bleiben, bevor sie erneut wegfuhr. Vor allem Jamie freute sich darüber besonders. Und auch ich war froh, dass meine Mutter für kurze Zeit noch bei uns bleiben würde. Sie würde immer die Frau bleiben, die tun könnte was sie wollte, ich würde sie lieben. Selbiges galt auch für Jamie. Meine Familie stand über allem. Und auch Jill, Ethan und Rick gehörten dazu. Wir waren eine große glückliche Familie - so fühlte es sich an dem Abend an. Und mein Wunsch war es, dass es so bleiben würde. 

Ich lag noch lange Zeit in meinem Zimmer wach - es war auch noch nicht besonders spät. Ich dachte nach, wie so oft. Dankbarkeit machte sich in mir breit. Denn obwohl mein Leben nicht immer leicht gewesen war, und ich viel durchmachen musste, hatte ich gelernt und war gewachsen. Klopf, klopf. Jemand stand vor der Tür. "Herein!" Die Person betrat mein Zimmer und legte sich neben mich auf mein Bett. Ich drehte den Kopf und sah Amy. "Ich hab eben von den guten Neuigkeiten gehört, ich wollte vorbeikommen und mir ein danke abholen." Wir grinsten uns beide an, und konnten uns dabei kaum ansehen, ohne vor Gelächter auszubrechen. "Warum sollte ich dir danken?" "Denkst du die Polizei hat ohne Grund nachgehackt? Aaron und ich haben für dich ausgesagt." "Also hast du tatsächlich für mich ausgesagt." "Natürlich. Niemand sollte unschuldig sein, aber für schuldig erklärt werden." "Das ist also der Grund?" Ich drehte mich zu ihr und strich ihr Haar sanft zurück, welches ihr ins Gesicht fiel. "Einer der Gründe." Ich hätte sie gern geküsst, aber irgendwas sagte mir, es war zu früh. Nicht von meiner Seite aus, sondern von ihrer. Sie vertraute mir noch nicht genug. Aber das würde sie noch.

 

Ich hatte nur ein Leben, ob meins oder nicht, war egal. Denn das würde nich darüber entscheiden, was alles so passieren würde. Die Menscheit ist grausam, und berechnend. Man musste immer auf der Hut sein, sich nie in Sicherheit wägen. Mit allem rechnen. Ich war glücklich, ich hatte viel Glück - Freunde, Familie und sogar Fremde die auf meiner Seite standen, deshalb war ich vor Ungerechtigkeit geschützt. Aber dieser Schutz hat keine Garantie, deshalb war ich umso dankbarer. 

 

 

 (UNVOLLENDET)

Faye McCohen

 Unsicherheit. Sie endet abrupt, und kommt genau so schnell wieder. Eifersucht. Sie kennzeichnen die selbigen Dinge. Liebe. Sie sollte ewig andauern, und das tut sie bestimmt - aber es war so einfach Affektion mit Liebe zu verwechseln. 

 

Ich kann nicht sagen, dass ich Spike nicht liebe. Das tue ich, ohne Zweifel. Aber ich habe Zweifel daran, ob er mich wirklich liebt. Vielleicht hat er sich die Dinge anders vorgestellt. Vielleicht liebt er nur die alte Faye. Man kann nämlich nicht sagen, dass ich die Faye von vor zwei Jahren bin. Es ist viel zu viel passiert, was mich geprägt hat. 

"Faye?" Cole und ich haben es beide nicht einfach. Annie sieht nicht wirklich ein, wie tief ihre Probleme reichen. Und mein Bruder? Kann er ihr wirklich helfen? Ich glaube es nicht, und langsam sieht er es wohl selbst ein. Es ist schon traurig, dass man dem Menschen, der einem am meisten bedeutet, nicht die Angst nehmen kann. Aber ich denke, dass ist es, was das Leben ausmacht. Dass nichts einfach ist, was einfach sein sollte. "Ja?" "Ich brauche deine Hilfe." "Inwiefern brauchst du meine Hilfe?" "Es geht um Annie. Sie will nicht mehr zu ihren Sitzungen gehen, und ich kann sie irgendwie nicht vom Gegenteil überzeugen." "Inwiefern soll ich da die Hilfe sein? Wir waren nie Freunde. Ich weiß nicht mal, ob wir heute miteinander auskommen." Ich wollte helfen, aber ich fragte mich, ob es nicht außerhalb meiner Reichweite war. Annie lag mir nicht wirklich am Herzen - mir lag am Herzen, dass Cole glücklich war, dass war nur leider zwangsweise mit Annie verbunden. "Ich wollte eigentlich jetzt zu Spike. Ich muss mit ihm über etwas wichtiges sprechen." "Bitte, Faye." "Na gut, ist sie hier?" Er nickt, und ich folge ihm in sein Zimmer. 

"Dann geh' jetzt auch." "Aber.." "Nichts aber, ich möchte mit ihr alleine sprechen." Annie schaut mich verdutzt an - aber Cole toppt den Blick während er den Raum endlich verlässt. Es ist das erste Mal, dass ich mit Annie alleine in einem Raum bin. Erst jetzt fällt mir auch so wirklich auf, warum. Für mich war sie immer die hochnäsige kleine Göre, die alles bekommen hatte, was sie wollte. Und auch bei Cole war da nicht Schluss. Cole war immerhin noch mit Amy zusammen, als es mit Annie anfing. "Du willst mir also helfen?", um das letzte Wort macht sie Gänsefüße in die Luft und schaut mich voller Verachtung an. "Ehrlich gesagt, will ich nicht, dass Cole leidet. Und dafür solltest du gesund werden." "Ich bin gesund!", sie wirft ein Kissen nach mir und beginnt an zu weinen. "Ich habe genug davon. Alle sagen mir, dass es mir nicht gut geht, aber das tut es. Ich bin gesund. Ich bin gesung. Ich-ich.." "Dir geht es genau so scheiße wie uns, vielleicht nur ein bisschen schlechter, aber das reicht. Und du bist ja nicht die einzige, die-" "Komm mir nicht mit Raven. Dank ihr ist Jamie nicht mehr mit mir befreundet." "Das ist-" "Jamie war meine einzige Freundin. Ich habe niemanden außer meiner Mutter und Cole. Und-" Die Tränen häufen sich und ich kann nicht anders, als mich für sie schlecht zu fühlen. Also nehme ich sie in den Arm. Erst versucht sie meinen Griff zu lösen, aber dann ist es sie, die sich an mich klammt. "Du musst die Therapie fortsetzen." "Muss ich das wirklich? Kann es mir nicht so besser gehen?" "Nein. Cole wird dir nicht helfen können - ich weiß nicht, ob er das weiß, aber ich kann es dir garantieren. Jemand ohne Professionalität kann einem bei solchen Dingen nicht helfen. Du hast jemanden verloren, hast dabei zugesehen wie es passiert ist." "Ich habe auch jemanden gewonnen. Ich habe meinen Bruder kennengelernt. Jan." "Cole hat mir erzählt, dass er mittlerweile bei euch wohnt." "Ja, er hilft mir. Er kommt oft mit, darf aber leider nie mit rein. Ich glaube das würde helfen." "Du kannst das auch alleine schaffen, glaube mir." "Danke."

Nachdem ich mich für Cole mit Annie unterhalten habe, und sie mir doch ein wenig sympatischer geworden ist, bin ich zu Spike gefahren. Ich wusste nicht, was ich sagen würde, aber ich musste etwas unternehmen. Ich musste mein schlechtes Gefühl loswerden. Oder zumindest wissen, inwieweit es berechtigt ist. Also fuhr ich hin, bin an die Tür, habe geklingelt, bin mit auf sein Zimmer und habe ihn erstmal angeschwiegen. 

Er saß auf seinem Bett, schaute auf seine Hände, die er vorsichtig aneinander rieb. Um seinen Blick auf mich zu richten, hebte ich seinen Kopf mit meiner Hand und kam so nah ich konnte an ihn. Unsere Blicke trafen sich und ich fühlte diese Nähe, die ich nur von ihm so kannte. "Ich liebe dich, Spike." Es kam einfach so aus mir, es war nicht einmal beabsichtigt. Ich hätte es bereuen sollen, aber das tat ich nicht. Ich wollte eine Antwort, und wie sollte ich sonst eine bekommen? Nachdem lange Zeit keine Antwort in Form von Worten folgte, beschloss ich ihn zu küssen. Ich presste meine Lippen auf seine und küsste ihn so leidenschaftlich wie noch nie. Meine Lippen schmiegten sich förmlich an seine - ich konnte spüren, wie er es auch wollte, er ließ ja auch nicht von mir ab. Er hielt mich am Rücken fest, und ließ mich seine Nähe spüren. "Liebst du mich nicht?" Ich schaute ihn an, und er schaute mich auch an - mit diesen dunklen Augen, wie ich sie nur aus der Anfangszeit unserer Bekanntschaft kannte. Warum konnte er nie sagen, was er fühlte? Was er dachte? "Ich brauche eine Antwort." "Ich habe keine." "Aber küssen kannst du mich?" Ich löste mich aus seinem Griff, und verpasste ihm eine Backpfeife. So würde ich niemanden mit mir umgehen lassen. "Faye, bitte." "Was? Du willst nicht reden, und zum Rummachen bin ich garantiert nicht gekommen." Er greift mich am Handgelenk und zieht mich zu sich. "Ich will kein Arschloch sein, tut mir leid. Aber ich weiß nicht, in letzter Zeit fühle ich anders." "Liebst du mich nicht mehr?" Ich halte mit aller Kraft meine Tränen zurück, aber man hört es doch. "Daran liegt es nicht, natürlich liebe ich dich. Aber das ist nicht immer genug." "Rede keinen Unsinn. Wenn Liebe vorhanden ist, muss es klappen. Wird es klappen!" "Faye, ich liebe dich, wie könnte man das nicht. Aber ich habe das Gefühl, dass ich damit einiges aufgegeben habe, das ich nicht aufgeben wollte." "Redest du von Loreen?" "Auch." "Ich habe dir nie etwas verboten, tue ich jetzt auch nicht. Wenn du sie liebst-" "Ich liebe sie nicht, sie liegt mir trotzdem am Herzen." "Dann kämpfe um sie, ich bin sicher, sie würde dich gerne auch zum Freund haben."

Das Gespräch brachte nicht viel Gewissheit. Ich konnte es ihm nicht glauben. Und es war nicht Loreen, oder ein anderes Mädchen - irgendetwas anderes gab mir ein merkwürdiges Gefühl.

 

Um meinen Kopf freizubekommen, entschied ich mich dazu mich mit Amy zu verabreden. Also traffen wir uns in einem Club beinahe außerhalb von Jacksonville. Allerdings war Amy die ganze Zeit über angespannt, und ich konnte meinen Abend kaum genießen. Also brach ich das lange Schweigen. "Willst du mir sagen was los ist?" "Was würdest du sagen, wenn ich mich verguckt hätte?" "Kommt drauf an, würde ich sagen." Um wen konnte es gehen? Vielleicht kannte ich ihn auch gar nicht. "Und was würdest du sagen, wenn dieser jemand dein Exfreund ist?" Sie sah mich leicht besschämt an, und ich brauchte kurz einen Moment. "Geht es hier um Noel?" Sie nickt leicht zurückhaltend, und nimmt einen großen Schluck von ihrem Touchdown. Ich brauche einen Moment, aber ich möchte ihr nicht im Weg stehen. Allerdings sollte ich sie vielleicht doch warnen. "Du kennst ihn, bist du sicher, dass du es wagen wollen würdest?" "Ich weiß er hat seine Schwierigkeiten, aber das analysiere ich ja nicht während ich mich verliebe." "Ehrlich gesagt war ich überascht, dass du nie mit ihm zusammen gekommen bist." Amy schaut mich verwundert an und schüttelt ihren Kopf. "Wie darf ich das verstehen?" "Na er sieht sehr attraktiv aus, so wie du.. " "Genau genommen verstößt das gegen alle Regeln." "Weil wir diese mit Alex nicht schon auf verschiedenen Ebenen mehrfach gebrochen haben?" 

Nachdem ich ihr meine Erlaubnis gegeben habe, sich zu holen was sie will, waren wir beide plötzlich doch wieder gut gelaunt. So gut, dass wir uns beide auf die Tanzfläche getraut haben. Zunächst waren es nur Amy und ich, doch allmählich kamen immer mehr Leute auf die Tanzfläche. Nach ein paar Songs war es so voll, dass man sich kaum noch bewegen konnte. "Dich habe ich hier noch nie gesehen." Ich drehe mich um und schaue in ein sehr attraktives Gesicht. Ich brauche einen Moment um mich daran zu erinnern das ich das hier nicht tun kann. Er mag zwar verdammt gut aussehen, vor allem mit seinen grünen Augen, allerdings darf ich Spike nicht vergessen. Wir sind immernoch zusammen und noch wichtiger, ich liebe ihn immernoch. "Sorry.." Ich versuche mich von ihm abzuwenden, zunächst klappt es auch, aber nach einigen Minuten bekomme ich an der Bar einen Drink spendiert. "Vielleicht können wir doch kurz reden?" Beim Wort "REDEN" hebt er seine linke Augenbraue an. "Nein, danke." Ich suche nach Amy. Entweder ist sie in der Tanzmenge am untergehen oder ich sehe sie schlicht und einfach nicht. "Warum so abweisend?" Er streckt mir seine Hand entgegen. "Ich bin Zane." Ich schüttle seine Hand, mit der er sich danach durch die dunkelblonden Haare fährt. "Faye." "Beide Namen nur vier Buchstaben, wenn das kein Schicksal ist." Ich lache aus Höflichkeit und hoffe, dass Amy jeden Moment kommt und wir gehen können. Der Typ raubt mir jeden Nerv. Er legt seine Hand auf meine Hüfte und kommt mir ganz nahe. Ich schlage seine Hand weg. "Tut mir leid, wenn ich aufdringlich wirke, aber du gefällst mir nunmal." "Ich gefalle mir auch." Er lacht kurz und schmunzelt dann bevor er erneut spricht: "Ich gefalle dir doch bestimmt auch." Schlecht aussehen tut er nicht, so benehmen allerdings schon. Hinzu kommt.. "Ich habe einen Freund, der gefällt mir ganz gut." "Deshalb ist dein Freund auch hier, und nicht ich?" Ich rolle mit den Augen und trinke den Drink, den er mir bestellt hat. 

Nachdem Amy nach über einer halben Stunde verschollen ist, ist meine Beschäftigung Trinken gewesen. Eindeutig nicht die schlauste Entscheidung. Ich vergesse meine Sorgen und damit vergesse ich auch Spike. "Weißt du F-" "Schh.." Ich lege meine Hand auf den Hinterkopf von Zane und ziehe ihn ganz nah an mich und küsse ihn auf den Mund. Er scheut keine Minute und zieht meine Hüfte an sich. Seine Lippen wandern von meinen Lippen zu meinem Hals und wieder zurück. "Komm mit." Er nimmt mich an der Hand und wir verlassen den Club. Er öffnet einen kleinen weißen Wagen und wir setzen uns auf den Rücksitz. Wir hören nicht mit dem Küssen auf, und plötzlich kommen alle verdrängten Probleme hoch und ich schubse Zane von mir. Er knallt leicht mit dem Hinterkopf an die Fensterscheibe. "Ich hätte nicht gedacht, dass du es wild magst." Er packt mich schroff am Gesicht und zieht mich zu sich runter. Ich stoße ihn erneut von mir. Mir ist plötzlich warm und ich steige aus dem Auto aus. "Hey, ich dachte wir hätten Spaß." Ich schreite zurück zum Club, doch Zane packt mich am Arm und dreht mich mit meinem Gesicht zu sich. "Was ist denn plötzlich los?" "Ich habe dir doch gesagt, dass ich einen Freund habe." "Das dachte ich auch." Das ist nicht Zanes Stimme, sondern die von Spike. Er steigt gerade von seinem Motorad und zieht seinen Helm aus. Ich schaue mich verwirrt um. In dem Moment kommt Amy aus dem Club. "Ich habe dich überall gesucht, Faye. Wer ist das?" Ihr Blick fällt auf Zane. "Mir wird das hier zu dumm." "Hey, hey, nicht so schnell." Spike packt Zane am Kragen und drückt ihn gegen eine Wand. Dann dreht er sich zu mir um. "Willst du uns nicht mal aufklären?" "Es.. ich wollte nicht.." Er sieht angeeckelt zu Zane rüber. "Hast du ihr was gegeben?" Zane lächelt schief. "Faye, was hat er dir gegeben?" Ich kann nicht sprechen, ich schüttle nur den Kopf. "Deine Freundin ist einfach eine Sch-" Schon erwischt ihn Spikes Faust im Gesicht und Zane vergeht sein widerliches Lachen. "Sag das nochmal." "Deine Freundin hat mich geküsst, wir hätten bestimmt-" Noch eine Faust erreicht sein Gesicht. Diesmal spuckt Zane sogar Blut. "Du stehst wohl darauf, wenn man dich vermöbelt. Ich frage nur noch einmal, was hast du ihr gegeben?" "Nichts hartes, keine Sorge." "So Leute wie du sind Abschaum." "Leute wie ich?" "Lass meine Freundin in Zukunft in Ruhe.." 

Dann lässt er Zane gehen und dreht sich zu mir um. Amy sitzt inzwischen in ihrem Auto und wartet auf mich. "Amy hat sich Sorgen gemacht und du machst mit einem anderen Typen rum?" Ich sage nichts. Ich kann nichts sagen, und ich weiß auch nicht was ich sagen soll. "Faye, ich weiß wirklich nicht, ob ich das hier noch will. Heute war.." "Ich-" "Was du?!" Seine Stimme wird lauter und er tritt gegen einen Mülleimer. "Ich habe soviel aufgegeben für uns. Viel mehr als du denkst, und dann betrügst du mich und hast nicht mal den Anstand was zu sagen? Unfassbar." "Spike.." "Nenn' mich nicht so, du weißt genau das ich das nicht mehr will." "Ich weiß eben nicht, was du willst oder nicht! Du redest ja nie mit mir." "Alles ist meine Schuld, genau. Tut mir leid, Faye. Das nächste Mal lasse ich dich mit einem fremden Typen rummachen. Dir steht da nichts mehr im Weg." "Machst du Schluss mit mir?" Die ersten Tränen flüchten über meine Wangen. "Glaubst du wirklich ich verzeihe dir sowas, nachdem ich bereits meine Zweifel hatte?" Ich gehe einen Schritt auf ihn zu, doch er schüttelt den Kopf und hebt die Hände, als ob meine Nähe eine Krankheit auslösen könnte. "Ich liebe dich." "Nach dem heutigen Abend weiß ich nicht, ob das noch in irgendeiner Weise eine Rolle spielt." Meine Beine werden wackeliger und ich sitze plötzlich auf dem Boden. Nun hält die Tränen nichts mehr auf. Spike, Miguel, wie auch immer schaut nur zu mir herab. "Faye, du weißt wie wichtig du mir bist, aber das hier geht alles nicht mehr. Wieso warst du überhaupt in diesem Club feiern?" "Ich wollte mal wieder Spaß haben. Ich hatte nicht vor.." Er steigt auf sein Motorad. "Du kannst mich nicht einfach hier lassen!" "Amy ist doch hier, mich scheinst du ja nicht mehr zu brauchen." Ich stehe auf und stelle mich vor sein Motorad. Er sieht mich nicht an. Ich möchte ihn berühren, ihn zu mir drehen, aber er drückt mich zur Seite und zieht seinen Helm an. "Bitte geh nicht. Ich brauche dich." "Faye, geh bitte aus dem Weg." "Sag mir, dass es nicht aus ist. Es darf n-" "Faye, geh!" Ich bewege mich nicht. "Was willst du denn noch von mir? Egal was ich tue, alles ist falsch." Fühlt er sich wirklich so gefangen in unserer Beziehung? "Aber.." "Jetzt lass mich bitte gehen, wir reden ein ander Mal." 

 

"Ich kann nicht glauben, dass du ihn angerufen hast." "Tut mir leid, ich konnte ja nicht wissen, dass du dir direkt einen Typen anlächelst. Wieso hast du das überhaupt getan?" "Ich war betrunken." "Faye.." "Ich brauchte das, ich musst mal weg kommen. Ich hätte mir denken müssen, dass jemand das ausnutzen würde, aber vielleicht war mir das egal." Wir liegen zusammen in meinem großen Bett. Amy schläft heute bei mir. "Vorwürfe darf ich dir nicht machen, wenn ich so an mein Verhalten zurück denke.. aber ich verstehe es einfach nicht. Ich dachte du liebst Spike." "Miguel." "Huh?" "Er will ab jetzt anscheinend nur noch so genannt werden. Allgemein ist er anders. Ich denke er ist nicht glücklich." "Denkst du er gibt dir noch ein Chance?" "Ich denke nicht. Ich hoffe nicht. Für ihn ist es das beste, wenn wir uns trennen. Unsere Beziehung ist für ihn nur eine Bürde." Amy nimmt mich in den Arm und drückt mich ganz fest. "Ich werde dir beistehen, egal wie die Dinge ausgehen." "Danke."

Am nächsten Morgen schläft Amy noch als ich mich nach unten begebe. Ich bin total verschlafen und hatte mich nicht abgeschminkt, weshalb ich mehr als schrecklich aussehe, als ich in der Küche ankomme. Zu meiner Überraschung ist jemand entgegen meiner Erwartung in der Küche. Nur ist es weder mein Vater, noch meine Mutter oder gar mein Bruder. Es ist ein etwas älterer Junge mit dunklen Locken und einem grimmigen Blick. Wir starren uns stumm an. Ich erinnere mich daran was ich an habe und an mein allgemeines Erscheinnungsbild. Ich versuche unaufällig meine Haare ein wenig zu richten und verschrenke meine Arme vor meiner Brust, da ich mir nicht ganz sicher bin, ob ich einen BH anhabe oder nicht. Der Junge sitzt immernoch stumm an der Küchenbar und trinkt Kaffee. "Du musst Faye sein." Seine Stimme ist tief und kratzig, aber doch angenehm. Irgendwie ist sie mir auch bekannt, andererseits höre ich sie das erste mal. Ich überlege estwas zu sagen, aber am Ende sage ich nichts, stattdessen gucke ich ihn nur schief an. Wer ist er? Und wieso hat er den Ausdruck eines Toten? Er hat noch nicht einmal gelacht, oder sonst irgendwie Mimik in sein Gesicht gebracht. "Du erinnerst dich wohl nicht." Und wieder, andere würden schmunzeln, er steht nur auf und räumt seine Tasse in die Spühlmaschine. Mir bleibt kaum Zeit zu überlegen, wer er ist, denn mein Bruder kommt zur Tür rein. "Ich hab uns und den Mädchen Frühstück geholt. Meinst du wir sollen sie wecken?" Er läuft in die Küche und bleibt stehen. "Du bist ja schon wach, Faye. Erinnerst du dich an Noah?" Und da verstehe ich wer vor uns steht. Es ist der Sohn vom besten Freund meines Vaters. Der kleine miesepetrige Junge aus ganz alten Tagen. Bei der nicht vorhandenen Mimik hätte ich das durchaus merken können, gar müssen. Wie lange haben wir ihn jetzt nicht mehr gesehen? Seit sechs Jahren? Vielleicht noch länger? Wie alt er wohl ist.. "Ich will nicht unhöflich klingen, aber was macht Noah unangemeldet hier?" Cole verdreht die Augen. "Er hat sich angekündigt. Dad weiß bescheid, Mom auch. Ich wusste nicht, dass ich meine Gäste auch bei dir anmelden muss." "Und was macht er hier?" Noah greift in die Tüte, die mein Bruder mitgebracht hat, holt sich ein Brötchen raus und beißt genüßlich hinein. Cole guckt Noah an. "Sag es ihr selbst, ich wecke in der Zeit Amy." Noah kaut zu Ende und schaut mich gelangweilt an. "Das ist privat." "Bist ja noch netter als damals, dass das noch möglich war." Ich remple ihn beim vorbeigehen an und decke den Tisch. "Weißt du, du warst auch nicht immer ein Engel. Und was man so hört, klingt auch jetzt kaum nach einem Engel." "Wer sagt, dass ich einer sein will?" Er zieht unbeeindruckt die Augenbrauen hoch und beißt erneut in sein Brötchen. "Wie lange bleibst du?" "Lang genug." 

Das Frühstück läuft auch nicht viel besser. Cole und Noah unterhalten sich die ganze Zeit, während Amy schweigsam isst und ich langsam anfange zu begreifen, was ich gestern getan habe. Es dauert auch nicht lange, da geht Amy auch schon. Kurze Zeit später geht auch Cole. "Ich fahre Annie zu ihrer Therapie, seid so nett es geht zueinander, bin nicht lange weg." 

Am liebsten würde ich in mein Zimmer gehen, aber ich beschließe mich auf dem Sofa breit zu machen und mich mit ein wenig Fernsehen abzulenken. Zu meiner Enttäuschung setzt sich Noah dazu. "Ehrlich gesagt dachte ich, dass du woanders.." "Stell dich nicht so an." "Weißt du.." Doch bevor ich ihm einen Spruch reindrücken kann, klingelt die Tür. Ich stehe also auf und begebe mich an die Tür. Ich überlege nich lange und öffne sie. Zu meinem Unmut steht Spike dort. Oder wohl eher Miguel. Ich denke nicht, dass ich mich jemals an seinen richtigen Namen gewöhnen werde. "Hey.." Er schweigt. Erst jetzt fällt mir eine kleine Kiste auf, die er in seinen Händen hält. "Ich denke nicht, dass ich viel sagen muss, oder?" "Ich kann dich verstehen, auch wenn.." "Ich möchte nicht viel reden, Faye. Ich habe da wirklich keine Kraft mehr zu." Er ist genervt, und das kann ich auch verstehen, aber er soll wissen, dass er mir was bedeutet. Dass ich es nicht so gemeint hatte. Ich packe ihn am Arm. Er sieht mich emotionslos an, und ich weiß, dass die Entschuldigung nicht ihm, sondern mir etwas nützt. "Ich will nur, dass du weißt, dass ich dich liebe. Du wirst mir immer wichtig sein, und was ich gestern getan habe, das hast du keineswegs verdient. Ich verstehe, dass es mit uns keinen Sinn mehr macht, aber ich hoffe .." "Faye, ich möchte das wirklich nicht hören." Jetzt erst fällt sein Blick ins Haus und er sieht Noah. Sein Blick wird aufeinmal ganz hart. "Hast du dir etwa schon den nächsten geholt? Das ist ja unglaublich." Bevor ich es sagen kann, steht Noah auf und erläutert ihm: "Ich bin ganz sicher nicht der Nächste. Ich habe bereits eine Freundin, und selbst wenn nicht, niemals." Kaum den Satz beendet geht er in die Küche und holt sich was zu trinken. "Tut mir leid, ich bin nur..." "Es ist ok. Einmal eine Schlampe, immer eine, nicht wahr?" Ich weiß nicht wieso, aber ich bin sauer. Ich knalle ihm die Tür vor der Nase zu und lehne mich gegen die Tür. Ich höre wie er die Box hinstellt und wie dann kurze Zeit später sein Motorrad anspringt. 

"Es ist zwanzig Minuten her seitdem du dich da hingehockt hast, willst du nichtmal langsam aufstehen?" Ich schüttel den Kopf und ziehe meine Beine an meine Brust. Noah setzt sich gegenüber von mir hin. "Und das ist also dein Freund?" "Wohl eher mein Exfreund." "Selbst schuld." "Du weißt doch gar nicht was passiert ist." "Denkst du." Er steht auf und setzt sich auf die Couch. Wütend stehe ich auf und stelle mich vor ihn. "Woher willst du das wissen?" "Deine Freundin hat mich gestern vollgequatscht als wir beide in der Küche waren." "Das heißt gar nichts." "Deine Freundin redet viel, würde sagen ich weiß alles und geh aus dem Bild, ich will diese Sendung sehen!" "Nein." Er lehnt sich vor und drängt mich innerhalb von Sekunden zur Seite. Wie groß seine Muskeln sind, brauche ich hiermit nicht erwähnen. "Du bist wirklich ein Arschloch, als ob jemand wie du eine Freundin hat." "Freundin kann man sie nicht nennen, aber wir haben gelegentlich Spaß." Ich verdrehe die Augen. "Du solltest dich ja damit auskennen, Kleine." Vor lauter Wut rutscht mir die Hand aus und ich verpasse ihm eine Ohrfeige. Er greift nach meinem Arm und schaut mir in die Augen. "Schlag mich gern, wenn ich Unrecht habe. Aber wenn jemand bloß die Wahrheit ausspricht, hast du kein Recht ihn dafür zu schlagen." "Und du hast kein Recht in meinem Haus so über mich zu reden! Mir ist egal, ob mein Vater, meine Mutter und mein Bruder dich leiden können, ich tue es nicht. Und wenn du hier bleibst, dann kannst du mit einer täglichen Ohrfeige rechnen. Wieso, fragst du dich? Weil du ein Arschloch bist. Schon als Kind hast du mir nur Probleme bereitet." "Ich habe dir Probleme bereitet? Das wüsste ich aber." Seine Mimik ist immernoch wie eingefroren, was mich zur Weißglut treibt. "Hör auf so zu gucken!" "Gewöhn dich dran, du wirst mich öfter sehen müssen." "Als ob ein Lachen dich töten würde." Er steht auf und will gehen, aber ich bin noch nicht fertig. "Du willst schon gehen? Kannst wohl nicht mit Kritik umgehen was?" "Und du nicht, wenn du einmal nicht der Mittelpunkt bist, was? Soweit ich es entnehmen konnte, hattest du eine perfekte Beziehung am laufen und hast sie ruiniert, weil er neben dir auch ein Leben hatte. Und sag nicht, das stimmt nicht. Damit würdest du dich nur selbst anlügen." "Du kennst mich nicht." Er kommt einen Schritt auf mich zu und steht so nah, dass ich seinen Atem förmlich riechen kann: Erdbeermarmelade. "Ich brauche dich nicht gut zu kennen um zu wissen, wer du wirklich bist." "Ich bin lieber die, die ich bin als du." "Wirklich? Ich kenne nur wenige die lieber deprimiert, verzweifelt, egozentrisch und eitel sein wollen als erfolgreich, durchdacht und hilfsbereit." "Hilfsbereit? Du?" "Weswegen denkst du bin ich hier?" "Um mir auf die Nerven zu gehen. Weswegen sonst?!" "Ich bin hier um Cole beizustehen." "Weswegen?" Er schweigt, und das erste Mal sehe ich Emotionen in seinem Gesicht. Für einen kleinen Moment schaut er traurig auf den Boden. "Annies Mutter liegt im Sterben, und Cole muss für Annie da sein. Und ich kenne Cole, alleine schafft er es nicht." "Wieso weiß ich nichts davon?!" "Wie gesagt, wer will schon gern egozentrisch sein?"

Der Tag war für mich gelaufen. Ich lag nur noch im Bett rum und hörte die deprimierenste Musik, die ich finden konnte. Ich wollte keinen mehr sehen oder hören. Allein sein, das wollte ich. Nicht im Sinne von, ich bin wichtiger als der Rest, aber ich brauchte eine Pause vom Leben. Es war mir alles zu viel. Aber das Leben ließ sich nicht aufhalten, und so klopfte es schon bald an meiner Tür. "Ich möchte nichts außer allein sein." Trotzdem geht die Tür auf und ein erschöpfter Cole schaut zu mir herunter. "Bist du schon den ganzen Tag hier?" "So gut wie." "Noah hat mir erzählt was passiert ist." "Ach hat er das?" "Faye, ich wollte dir erzählen was los ist, aber ich habe gemerkt, dass du gerade deine eigenen Probleme hast." "Ich kann es einfach nicht sein lassen, tut mir leid. Ich wäre gerne eine bessere Schwester, zu der du immer kommen kannst, wenn was ist." "Dann lass mich auch der Bruder sein, der dir bei deinen Problemen helfen kann." "Du kannst mir nicht helfen. Ich bin und bleibe eine Schl-" "Sag das nicht. Das stimmt nicht." Cole setzt sich zu mir aufs Bett und nimmt mich in den Arm. "Wir sind jung, da ist sowas üblich. Und ja, auch mehr als einmal. Manche Fehler muss man öfter begehen, bis man sie vermeiden kann." "Weißt du, ich wünschte ich wäre wie du. Du bist ein guter Bruder, ein guter Freund, ein guter Sohn und obendrein bist du auch noch talentiert. Fair wurden die Gene bei uns nicht aufgeteilt." "Du weißt genau, dass das nicht stimmt. Ich bin auch viel hübscher." Ich weiß nicht wieso, aber er hat mir wirklich ein Lachen entlockt. "Tut mir auch leid, dass ich so scheiße war zu Noah. Ist wirkich nett von ihm für dich zu kommen." "Moment.. was hat er dir erzählt?" "Na, dass er dich unterstützen möchte, wegen Annie." Coles Blick wird hart und ich sehe, dass ihn etwas bedrückt. "Was ist denn?" "Noah ist nicht deswegen hier, zumindest nicht hauptsächlich. Er ist hier, weil er selbst krank ist und seine Eltern sich von Dad die beste Behandlung erhoffen." "Krank?" "Er hat einen Tumor." Und ohne es kontrollieren zu können, tut mir Noah plötzlich leid und ich spüre den Drang mich sofort zu entschuldigen. 

Ich klopfe also an die Tür unseres Gästezimmers. Nach ein paar Sekunden öffnet sich die Tür und er steht vor mir. Wahrscheinlich kann man mir es im Gesicht ablesen, dass ich es weiß, denn das erste was er tun will, ist die Tür schließen. Aber ich halte ihn auf. "Ich will mich nur entschuldigen." "Ja, aber warum?" "Spielt das eine Rolle?" "Ich möchte kein Mitleid, auch von dir nicht. Gerade von dir nicht." "Du hast eben was von Recht und Unrecht gesagt. Und ich hatte Unrecht damit dich so zu beschimpfen." "Ist ok." "Ist es eben nicht. Ich tue das immer. Sobald Leute die Wahrheit aussprechen, raste ich aus und werfe ihnen Dinge an den Kopf, die sie nicht verdienen." "Ich brauche dein Mitleid nicht. Und auch keine Entschuldigung. Jetzt nimm bitte deine Hand aus dem Türrahmen, sonst brauchst du gleich Eis für deine Hand." Erschrocken ziehe ich meine Hand aus dem Türrahmen und siehe, wie Noah mir die Tür vor der Nase zuklappt.

Später im Bett kann ich nicht aufhören über Noah nachzudenken. Er hat so ein großes Problem, eins das ihm eventuell das Leben kosten könnte, und ich schaffe mir meine Probleme selbst? Ich komme mir noch dümmer vor als eh schon. Und deshalb beschließe ich mich zu ändern. Ich werde lernen die Wahrheit zu akzeptieren, und werde nur noch das tun, was ich auch wirklich möchte und weiß, dass ich es nicht bereuen werde.

 

Schmerzen können physisch oder mental sein, aber eins sind sie immer, unerträglich. Und egal, ob man weiß, dass es jemandem noch schlechter geht, so denkt man lange, dass einen Gott höchstpersönlich bestrafen möchte. Ich habe mich oft so gefühlt, und nun weiß ich, dass ich dazu kein Recht hatte. Es gibt Menschen die haben nicht schlimmere Probleme, sondern reale Probleme, die sie sich nicht selbst erschaffen haben - ich für meinen Teil habe den Großteil meiner Probleme nur mir selbst zu verdanken, aber damit ist jetzt Schluss. 

 

Annie Germaine

 Familie. Für mich war das lange Zeit nur meine Mama gewesen. Im Laufe der letzten Monate habe ich nicht nur den besten Freund überhaupt dazu gewonnen, sondern auch einen Bruder. Aber ich befürchte, dass ich diesen Gewinn teuer bezahlen muss. Und ich befürchte auch, dass es mich diesmal völlig in den Abgrund treiben könnte.

 

"Und Raven, wie geht es dir?" "Mir geht es gut, ich.." Wenn ich eins nicht mehr ertragen kann, dann sind es die monatlichen Gruppentreffen. Mal abgesehen von Raven, vor der ich ungern über meine Probleme reden möchte, sitzen dort nur gruselige Leute. Ob es der Junge mit der Monobraue ist, das Mädchen ohne BH, der andere Junge mit dem Pferdegebiss oder das Mädchen, dass immer im Sekundentakt ihre Augen auf und zu macht. Die Leute machen mich verrückt. "Und Annie, wie geht es dir?" Mir geht es beschissen. Ich hasse alles und jeden. Vor allem diese Gruppe raubt mir den letzten Nerv." "Annie, sowas.." "Sowas kann ich nicht sagen? Sie raten uns doch zur Ehrlichkeit, das ist sie." Alle in der Gruppe sind stumm bis auf ein pummeligeres Mädchen mit einer großen runden Sonnenbrille. Sie ist sehr stark gebräunt und hat hellrot gefärbte Haare. Sie ist seit längerem hier, redet nie und trägt immer eine Sonnenbrille. Ich frage mich, ob sie eine Zwangsstörung hat oder ob sie einfach einen schlechten Modegeschmack hat. "Annie, wenn ich euch darum bitte, dass ihr dei Wahrheit sagt, dann geht es meist darum, dass ich offen und ehrlich sein sollte, wenn es um eure Probleme geht. Nicht, wenn es darum geht andere Menschen zu beleidigen." "Ich habe niemanden beleidigt, sondern lediglich gesagt, dass ich diese Gruppe nicht mag." Ein Mädchen fängt an zu weinen, und ein Junge nuschelt immer wieder das selbe Wort: Hass. Ich weiß nicht, ob es mir jetzt besser geht, aber ich hoffe so der Gruppe endgültig entkommen zu sein. 

Nach der Sitzung warte vor dem Gebäude auf Jan. Normalerweise holt mich Cole ab, aber er hat heute Training und seitdem Jan bei uns wohnt, ist es sowieso praktischer, wenn er kommt. Ich schaue auf mein Handy und bemerke, dass er bereits zwei Minuten zu spät ist. Für jeden anderen ist das kein Problem, aber für mich spielen sich Horrorszenarien im Kopf ab. Ich hoffe ihm geht es gut, aber ich kann nicht anders als anzurufen. Keiner geht ran. Er fährt wahrscheinlich.. hoffentlich.. Ich sehe mich um und entdecke Raven und das rothaarige Mädchen. "Raven!" Wir waren nie Freunde, aber ich brauche jemanden, der mir sagt, es ist alles in Ordnung. "Mein Bruder sollte mich abholen, aber er ist zu spät und geht nicht ran.." "Beruhige dich, Annie. Er fährt bestimmt und kann nicht rangehen, komm ich warte mit dir. Mona wartet auch mit." Ich nicke und setze mich zu den beiden auf die Bushaltestellenbank. Es dauert noch ganze fünf Minuten bis Jan endlich da ist.

"Du musst mr bescheid geben, wenn du später kommst." "Es tut mir leid, ich habe nicht mitgedacht." Ich drücke ihn ganz fest und gebe ihm einen Kuss auf die Wange. "Ich bin ja hier. Zur Wiedergutmachung können wir gerne essen gehen. Egal wohin du wilst, dorthin gehen wir."

Ich weiß nicht so wirklich wieso, aber nach allem was passiert ist, brauchte ich etwas neues, etwas das nur mir gehört. Ich habe mich für Musik entschieden. Eine Gitarre hatte ich schon, ich musste nur noch lernen wie man sie spielt. Es war bei weitem die beste Entscheidung meines Lebens. Es gibt nichts, was mich so sehr vergessen lässt, was mich so sehr beruhigt. Seit kurzem spiele ich nicht nur, ich singe auch. Es ist etwas, was mir Kraft gibt. Etwas, was ich aber nicht teilen möchte. Ich habe Angst es somit kaputt zu machen. Deshalb spiele ich auch nur, wenn ich weiß, dass niemand da ist. Aber heute war ich nicht alleine. "Du spielst sehr schön." Zu meiner Überaschung war es weder Jan, noch meine Mama oder Cole. Es war Leyla.. Die Tochter von dem Mann, der in diesem Haus gestorben war. "Ich weiß, es ist komisch, dass ich hier bin. Aber ich möchte dir und deiner Mom beistehen. Außerdem habe ich euch vermisst." Ich kann immer noch nicht glauben, dass sie wirklich hier ist. Ich habe so viele Fragen: Wie geht es dir? Wo lebst du? Was machst du? Wie bist du klar gekommen? Aber aus meinem Mund kommt nichts. Ich starre sie an. Sie setzt sich zu mir auf mein Bett und umarmt mich. Ich drücke sie unbewusst so fest wie ich nur kann. Langsam laufen mir auch die ersten Tränen die Wangen entlang. "Es tut mir so leid. Es tut mir so so leid.", sind die einzigen Worte die ich rausbringe. "Das muss es nicht. Es war und ist nicht deine Schuld." "Ich weiß, aber du hattest schon ein Elternteil verloren." "Solche Dinge passieren manchmal leider." Ich trockne meine Tränen und frage sie, was mir auf der Zunge brennt. "Geht es dir denn gut?" "Ja, es war schwierig. Mein Vater fehlt mir immernoch, aber er wird mir immer im Herzen bleiben als der mutige Mann, der uns alle gerettet hat. Er war ein guter Mensch und hat das nicht verdient. Aber genau so wenig haben wir es verdient unser Leben davon abhängig zu machen. Er würde nicht wollen, dass wir unser Leben wegwerfen aufgrund seines Todes." 

Wir redeten noch sehr lange über den Vorfall, wie es uns danach ergangen ist. Sie erzählte mir davon, wie sie bei ihrer Tante wohnte. Wie sie mehrere Therapien durchgemacht hat, wie sie den Sport für sich entdeckt hat und wie sie generell ins Leben zurück gefunden hat. "Woher weißt du das von meiner Mutter?" "Wir sind in Kontakt geblieben. Sie hat es mir kürzlich erzählt, und ich bin hergekommen." "Danke, das wird sie sicherlich freuen. Sie müsste auch jeden Moment hier sein." Und als hätte sie mich gehört, öffnet sich die Tür.

"Annie, mein Schatz. Ich muss noch-" Ihr Blick bleibt an Leyla hängen und sie erstarrt für einen Moment. "Leyla.. du bist wirlich gekommen." "Natürlich, ich muss dir doch beistehen." Meine Mom geht auf Leyla zu und umarmt sie. Und auch der restliche Abend verläuft mit Umarmungen, Tränen, lustigen und ernsten Geschichten und aufmunternden Worten ab.

Am nächsten Tag habe ich zwar keine Therapie, aber dennoch kann ich leider nicht den Tag mit Leyla verbringen, was ich wirklich gern getan hätte. Immmerhin muss sie es sein, die mich versteht und mir das Gefühl von Normalität geben kann. Allerdings haben Cole und ich uns bereits verabredet. Wir wollten in so ein romantisches Auto Kino gehen und davor noch etwas essen. Ich freue mich immernoch darauf, immerhin ist Cole so ziemlich der einzige der mir das Gefühl von Normalität gibt. "Alles in Ordnung?" "Erinnerst du dich an Leyla?" "Die Tochter von Vince?" Ich nicke nur. Seinen Namen zu hören fällt mir nicht einfach. "Sie besucht uns." "Wie geht es ihr?" "Ihr geht es gut. Sie ist stark, nicht so wie ich." "Annie.. du bist mehr als nur stark." Er nimmt meine Hand und küsst sie. "Versprich mir, dass du das immer von mir denkst." "Natürlich." 

Wir sprachen nicht nocheinmal über Leyla, Vince oder den Vorfall. Ich tat das nicht gern. Selbst die Therapie funktionierte erst nach Monaten. Und Mrs.Burton riet mir auch davon ab mit anderen Leute zu sprechen, solange wir einige Dinge noch nicht geklärt hatten. Ich hoffte sehr, dass wir bald diesen Punkt erreichen würden. Ich wollte soweit damit abschließen, wie man damit abschließen kann. Ich wollte ein normales Leben führen. Ich wollte wieder die Annie sein, die jeder kannte und die keiner bemitleidete. Die einzige Person die das tat - abgesehen von Cole, war Amy. Und das war auch nur der Fall, da Cole vorher ihr Freund war. Es war nicht das erste und einzige Mal, dass sie soetwas erleben musste. Dafür tat sie mir im Gegenzug aber leid. 

"Ich bin wirklich stolz auf deine Fortschritte, Annie." "Danke, Mrs Burton." "Deine Mutter erzählte mir, dass deine.. dass Leyla Gefatti hier ist?" "Das stimmt." "Ich denke es wäre gut, wenn sie kommen könnte. Sofern das für sie in Ordnung wäre. Ich denke das könnte euch beiden helfen." "Wir haben bereits darüber gesprochen." "Das ist gut, allerdings möchte ich mit ihr sprechen." "In Ordnung." "Zurück zu dir Annie. Ich möchte, dass du mir sagst, ob du Ängste hast." Ich kann ihr keine direkte Antwort geben. Es dauert ein wenig, bis ich eine ehrliche Antwort darauf finde. "Ich habe Angst davor, dass sie zurück kommt. Ich habe Angst, dass sie es nochmal tun wird. Sie ist immer noch da draußen." "Ich bin mir sicher, dass es für dich sehr schwierig sein muss zu wissen, dass sie nicht im Gefägnis ist. Allerdings ist sie in Behandlung, sie sollte also langsam mit ihren Problemen klar kommen." 

Als ich zuhause ankomme sitzen Jan und Leyla auf der Couch und unterhalten sich. Es ist merkwürdig die beiden zusammen zu sehen. Vor allem da Jan mein Bruder ist und Leyla fast meine Schwester geworden wäre. Ich warte noch ein wenig bevor ich ins Wohnzimmer laufe. Die beiden sehen glücklich aus, und scheinen sich gut zu verstehen. Wohlmöglich haben auch die beiden sich viel mitzuteilen, was dem jeweils anderen eine Hilfe sen könnte. Ich überhöre nur Bruchstücke des Gesprächs, in denen Worte wie Schicksal, Mut oder Angst fallen. Ich laufe nun endlich ins Wohnzimmer und setze mich auf das Sofa gegenüber. "Hey." "Hat Cole dich gefahren?" Ich nicke. "Ich wusste gar nicht, dass Jan bei euch lebt." "Ich habe meine Mom darum gebeten. Ich wollte meinen Bruder kennenlernen und es war das beste, was ich mir hätte wünschen können." Und das war es wirklich. Ich war immer traurig alleine zu sein. Allerdings hatte ich auch immer das Gefühl, dass etwas oder jemand fehlt, und inzwischen weiß ich, dass es mein eigener Bruder war, der mir fehlte. "Ich bin darüber auch sehr froh, Annie. Danke nochmal dafür." Leyla scheint wirklich glücklich und mental stabil zu sein, deshalb frage ich sie direkt. "Meine Psychologin meint, es wäre sehr gut, falls du kommen könntest zu einer Sitzung. Natürlich nur, wenn es für dich in Ordnung ist." "Das ist gar kein Problem." Sie steht auf und setzt sich zu mir. Dann nimmt sie mich in den Arm. Sie riecht angenehm nach Rosen und ein wenig nach Beeren. Früher wusste ich sie nicht zu schätzen, aber ich wusste immer, dass wir uns eigentlich gut verstanden hätten, wenn wir beide nicht so sturr gewesen wären. Sie war auch nett damals, ich allerdings war wenig von ihr angetan. Ich wollte niemanden neues akzeptieren. Die Scheidung meiner Eltern war schwierig genug für mich. Hätte ich damals gewusst, was noch alles auf mich zukommen würde. 

Es vergehen drei Tage bis ich zusammen mit Leyla zur Therapie gehe. Jan ist so nett und fährt uns. "Ich wünsche euch viel Erfolg. Danach gehen wir drei zusammen essen, in Ordnung?" Wir beide nickten und stiegen aus dem Auto aus. Jan fuhr weg. "Er ist wirklich nett." Ich nickte. "Für ihn muss es am schlimmsten gewesen sein." "Er war aber trotzallem unglaublich. Ich weiß nicht, was ich ohne ihn getan hätte." "Dein Freund scheint aber auch echt toll zu sein." "Ja, Cole ist perfekt. Du wirst nicht glauben wie weit in die Vergangenheit unsere Liebe reicht." "Genug geredet, lass uns zu deiner Psychologin, bevor ich es mir noch anders überlege." Sie lacht. Es ist ein ehrliches Lachen - es soll die Stimmung lockern, aber es kommt dennoch von Herzen. "Warte." Ich halte sie am Arm und drücke sie dann so fest ich kann. "Mir ist egal, wie ich mal war oder was passiert ist. Ich möchte, dass du Teil dieser Familie wirst." Ihre Lippen zucken als sie ein Lächeln bilden. "Versprochen?" "Versprochen." 

"Du bist also die Tochter des Verstorbenen?" Die Sitzung begann erst mit Fragen zum seelischen Zustand Leylas. Danach kamen immer direktere Fragen, bis diese kam. "Gibst du Annie die Schuld?" "Nein. Das habe ich auch nicht. Für mich gab es nur einen Schuldigen, und das war dieser Leon. Auch ihr wirklicher Bruder hätte es nicht wissen können." "Ändert die Tatsache, dass Annie wusste, dass Leon nicht ihr wirklicher Bruder war und ohne Polizei fortfuhrt etwas daran?" Leyla zögert und für einen Moment fürchte ich um unser eben abgegebenes Versprechen. "Es ändert nicht daran, wer wirklich die Schuld trägt. Außerdem hätte sie nicht wissen können, was passiert. Ich hätte nicht anders gehandelt." "In Ordnung. Gibt es etwas, dass du Annie sagen möchtest?" "Ich möchte nur, dass sie weiß, dass ich mich damals sehr darauf gefreut hatte eine Schwester zu bekommen. Ich hatte mich sogar schon über sie informiert, und ich wollte ihr gefallen. Neben der Tatsache, dass ich meinen Vater verloren habe, bedauere ich am meisten, dass wir uns verloren hatten. Ich habe sie in der kurzen Zeit bereits lieb gewonnen, und die letzten Tage haben mich darin bestärkt." "Worin bestärkt, Leyla?" "Ich möchte von ihrer Mom adoptiert werden. Ich möchte, dass wir eine richtige Familie werden, so hätte es mein Vater gewollt." "Was sagst du dazu, Annie?" "Natürlich. Es ist das mindeste! Ich bin mir sicher meiner Mom hat damit kein Problem."

Später saßen wir dann zusammen mit Jan im Steakhouse. Es war ein großes und sehr modernes Lokal in dem es die besten Burger Jacksonvilles gab. "Und, was habt ihr so beredet?" "Leyla und ich möchten, dass Mom sie adoptiert." Jan ist für einen Moment geschockt. Er hält seinen Burger ganze zwei Minuten vor seinem Mund ohne reinzubeißen. "Ist alles in Ordnung?" "Ich glaube, das wird Mom sehr gefallen." "Wie geht es ihr?" "Sie fängt mit den Therapien an, die ihr helfen sollen, allerdings werden wir ihr dann bei vielem helfen müssen." "Das ist schon okay. Sie hat so viel für mich gemacht, das ist das mindeste was ich für meine eigene Mutter tun kann. Und mit eurer Hilfe wird das auch kein Problem werden."

Wir hatten den Antrag für Leyla gestellt, da meine Mom sie legal als Tochter adoptieren wollte. Innerhalb von ein paar Tagen stand auch schon ein Termin, an dem wir alles regeln würden. Allerdings ging es meiner Mom schlechter. Sie schien nicht auf die neuen Therapien anzusprechen, und das zog nicht nur mich runter. Auch Jan schien das Ganze sehr mitzunehmen. Nachdem meine Mom verstanden hatte, dass Jan keine Schuld am Unfall hatte, war sie dazu bereit mit ihm eine Bindung aufzubauen. Für sie war er jetzt nur noch ihr Sohn, nicht der Freund von dem Mann, der ihren Ehemann auf dem Gewissen hatte. 

Eines Abends waren Mom und ich alleine zu Hause. Leyla war zu ihrer Tante gefahren um ihren restlichen Kram zu holen, und Jan hatte einen Auftrag bei der Arbeit. Wir saßen nur auf der Couch und haben einen Film geguckt. Es ging um drei Jungs die alleine im Wald ein Haus gebaut haben und weit weg von ihren Eltern leben wollten. Es war ein echt schöner Film. Allerdings war es so, dass als er aus war, es ganz still wurde. Und ich ahnte, welches Gespräch jetzt fällig war. Aber wirklich bereit dazu war ich eigentlich nicht. Meine Mom legte ihren Arm um mich und gab mir einen Kuss auf die Stirn. "Annie, mein Schatz.." Ich kann sie jetzt nicht angucken, wenn ich das tue, bricht alles aus, und das will ich nicht. Ich will nicht weinen, keine Schwäche zeigen. "Annie, ich weiß, dass das hier kein einfaches Gespräch ist, allerdings müssen wir beide das nunmal führen." Sie nimmt meine Hand und legt sie auf ihren Schoss, während sie diese feste drückt. "Ich liebe dich so sehr. Ich wünsche mir, dass du mich nicht verlieren musst. Aber es kann durchaus passieren, deshalb möchte ich dir einige Dinge auf den Weg mitgeben. Versprich mir, dass du weiterhin so unglaublich stark bleibst. Ich möchte, dass aus dir jemand wird, der immer glücklich ist, und alles getan hat um dieses Glück zu halten. Lass dir von niemandem die Freude verbieten, nur weil ich nicht mehr da bin. Dein Leben soll nicht enden, wenn meins es tut. Hörst du? Ich liebe dich so sehr. Ich wünschte ich könnte immer deine Hand halten und dir helfen, aber früher oder später ist das nicht möglich, Schatz. Vergiss bitte auch nie, dass du ohne mich nicht alleine bist. Du hast Jan, du hast Leyla und Cole. Kannst du mir all' das versprechen?" Ich schaue zu ihr hoch und sehe Tränen. Ich lege meine Arme um meine Mama und drücke so fest ich kann. Ich will sie behalten, so wie sie ist: stark, liebevoll.. Ich brauche sie so sehr. "Es wird nicht einfach sein, aber ich werde alles tun, was du dir wünscht."

Es vergehen einige Wochen ohne das sich etwas erwähnenswertes ereignet. Meiner Mama geht es weder schlechter, noch besser. Jan arbeitet nun rund um die Uhr um die Arztkosten abzudecken. Leyla wohnt inwzischen fest bei uns, und wir warten nur noch auf die Bestätigung, dass sie offiziell zur Familie gehört. Um zu zeigen, dass er zur Familie gehört, wird Jan seinen Nachnamen ändern. Leyla wird ihn lediglich an ihren alten dranhängen. Es läuft also alles gut. Doch dann ganz plötzlich geht es meiner Mom viel schlechter. Sie verliert ihre langen roten Haare. Sie verliert ihre zahlreichen Kurven. Ihr Apettit verschwindet. Ihre gute Laune und der Wille lässt nach. Irgendwann ist ihr Zustand so schlecht, dass sie nicht mehr nach Hause darf. Und ich bin froh darüber, dass sie nicht zuhause sterben wird. Nicht dort, wo ich nur gute Erinnerungen an sie haben darf. Ich will mein Haus nicht mit noch einem Tod verbinden. 

"Annie.." Meine Mom hat die letzen Male kaum gesprochen, sie hat lediglich geschlafen. "Jan.. Leyla.. Ihr seid alle hier." Ich nicke, und auch die anderen beiden nicken unter Tränen. Wir wissen alle, dass es nicht mehr lange dauern wird. Die Therapie hat nicht angeschlagen, und der Krebs frisst meine Mom von innen auf. Jemand von früher würde sie unmöglich so erkennen. Auch von ihrer Art ist sie anders. Sie hat aufgegeben. "Ich liebe euch so sehr Kinder. Seid immer füreinander da." "Ich liebe dich auch, Mom. Du bist mir das Wichtigste." Ich nehme ihre Hand und küsse sie, dann küsse ich ihre Wange. Auch Jan nimmt ihre Hand, während Leyla sich ans Fenster stellt. Sie will wohl, dass keiner sie hört oder sieht, aber ich weiß, dass sie weint. Mom schaut Jan an, und schaut mich an und schließt ihre Augen. Jan fasst mit seiner anderen Hand meine freie Hand und versucht mir Kraft zu geben. Ich weiß, dass er etwas tun oder sagen will, damit alles besser wird, aber es gibt nichts. Das hier ist das schlimmste, was mir jemals passieren wird. "Ich will nicht, dass sie geht. Sie ist doch meine Mom." Und schon fließen die Tränen, eine nach der anderen, ohne Pause. "Wir schaffen das, zusammen." Jan lächelt sich seine Tränen weg. Und plötzlich hören wir Mom laut aufatmen - das letzte Mal. In dem Moment bricht alles in mir ein. Mir wird warm, kalt. Dann bekomme ich keine Luft. Ich weiß nicht was genau passiert, wer die Krankenschwester geholt hat. Ich weiß nur, dass ich nicht gehen will. Ich will die Hand meiner Mutter nicht loslassen. "Nein, ich muss hier bleiben!", schreie ich. Ich kann sie nicht hier lassen. "Mom! Bleib bei mir!" Jans starke Arme greifen um mich und er löst meinen Griff von Mom. Ich spüre wie seine Tränen auf meinen Hinterkopf tropfen und er das Schluchzen nicht zurückhalten kann. Ich drehe mich von meiner Mom weg, weil alles zu viel wird und kuschel mich in die Arme meines Bruders. "Sie ist weg." "Psch.. alles wird gut." Aber das Gefühl habe ich nicht. Ein riesengroßes Loch ist in mein Herz gebohrt worden. Und ich kann nicht glauben, dass ein Herz so überleben kann. 

Ich gehe nicht in die Schule. Auch Jan arbeitet nicht, um bei mir zu sein. Es ist inzwischen drei Tage her, und viele Menschen rufen an, kommen vorbei, aber ich will niemanden sehen. Selbst Cole kann ich nicht sehen. Ich will einfach alleine sein. Selbst Jan wollte ich erst nicht sehen, da er mich von ihr losgerissen hat. In einigen Tagen ist die Beerdigung und ich weiß, dass mich das niedermachen wird. Meine Mom war das letzte das ich verlieren wollte, weil ich weiß, dass ich das nicht ertragen werde. Und ich weiß, dass ich mein Versprechen an sie wohl auch nicht halten kann.

 

Familie. Bei mir ist sie noch einmal geschrumpft. Nachdem meine Eltern sich geschieden haben, hat mein Vater uns verlassen. Er hat inzwischen eine neue Familie und verschwendet keinen Gedanken an uns - an mich. Wobei er nichtmal an Mom gedacht hat. Er war nicht mal bei der Beerdigung. Familie - das sind nur noch Jan und Leyla. Und ich weiß nicht, ob das genug ist um mich bei Sinnen zu halten.

 

Amy Johnson

Liebe. Ich hatte es so oft schon versucht, aber nie hat es geklappt. Ich war es satt. Ich nahm mir vor, es sein zu lassen. Für mich, Amy Johnson, war die Highschool zumindest ab nun eine jungsfreie Zone. 

 

"Ich kann immernoch nicht glauben, dass Veronica Germaine tot ist." Meine Mom war wie viele von uns immer noch unter Schock. "Das arme Mädchen. Annie muss so viel durchmachen. Ich hoffe du wirst das nie tun müssen, mein Schatz." Sie nimmt mich in den Arm und gibt mir einen Kuss. "Warum bist du bereits so früh wach an einem Samstag?" "Ich gehe schwimmen mit Noel." "Du machst ganz schön viel mit Noel.. ich weiß nicht, was ich davon halten soll." "Keine Sorge, Mama. Du wirst mich so schnell nicht mit Noel oder sonst einem Jungen sehen."

Eine halbe Stunde später holte mich Noel ab und wir fuhren an den Strand. Es war relativ warm und wir beide wollten ein wenig raus aus dem Alltag. Immerhin hat Noel keine einfache Zeit gehabt dank Fiona. Sein Ruf hat sehr gelitten. "Ist inzwischen klar, was sie mit Fiona machen?" "Sie muss Sozialstunden ableisten, außerdem ist sie nun auf Bewährung." "Und wie geht es dir mit der ganzen Sache?" "Ach, es ist schon ok alles. Ich habe ja immernoch einige Freunde. Allerdings gibt es immernoch Personen, die glauben ich wäre immernoch so ein Schwein, das.." Ich merke, dass er sauer wird und halte seine Hand. "Vergiss diese Leute." Er lächelt mich an und nickt. 

"Hat Faye sich inzwischen beruhigt?" "Ja, aber ich fühle mich immer noch schlecht. Dieser Noah war schon immer gemein zu ihr, und ich habe ihm Futter gegeben." "Als ob sie immer die perfekte Freundin war." "Da hast du Recht. Das doofe ist nur, wir waren beide oft genug schlechte Freundinnen, und das, obwohl wir früher wie Pech und Schwefel waren. Alex war auch immer dabei. Ich weiß einfach nicht, wieso sich Dinge immer ändern müssen." "Vielleicht hättest du Alex nicht daten sollen." Ich schaue ihn halb wütend, halb ertappt an und nicke kurz. "Das musste ich ja zweimal feststellen. Allgemein habe ich ja eher weniger Glück in der Liebe." "Aber ich bin so ein Glückspilz oder was?" "Wahrscheinlich verstehen wir uns deshalb so gut." "Vielleicht sollten wir es ja mal versuchen." Noel grinst mich an und ich merke nur, wie wütend es mich macht. Aber ich will nicht überreagieren, stattdessen lache ich kurz und gehe dann ins Wasser um zu schwimmen.

Nach seinem Kommentar, fällt es mir schwer mich normal zu benehmen. Wer so etwas sagt, der sagt es nicht aus Spaß, er sagt es, weil es die einzige Möglichkeit die Wahrheit auszusprechen. Ich habe lange überlegt, ob ich es ansprechen soll, habe mich aber letzendlich dafür entschieden. Ich habe die Autofahrt zurück abgewartet. "Noel?" "Ja?" "Gibt es etwas, was du mir sagen möchtest?" "Wieso?" "Naja, dein Kommentar, von wegen wir sollten es mal versuchen.." "Ach, das war doch nur Spaß." Seine Stimme wird dünn, und er vermeidet jeglichen Augenkontakt mit mir. "Wir wissen beide, das man sowas nie nur aus Spaß sagt." Für eine Zeit lang ist es sehr still im Auto, ich kann hören wie sein Griff um das Lenkrad sich verhärtet. Dann hält er an - immernoch ist es still im Auto. "Du weißt selbst, wenn ich es ausspreche, dann können wir keine Freunde mehr sein." So habe ich das noch gar nicht gesehen. Falls er wirklich Interesse an mir hat, wird es erst zum Problem, wenn es bestätigt ist. Es wird seltsam sein zwischen uns. Wir werden nicht wissen, wie wir miteinander umgehen sollen. Ich werde mich immer schlecht fühlen, weil ich ihn zurückweise und er wird sich mies fühlen, weil er Tag für Tag eine Abfuhr erhalten wird. "Hast du das nicht schon?" Sein Blick wandert zur Seite, und ich höre wie er laut ausatmet. "Fühlst du denn nicht auch mehr als Freundschaft für mich?" Es muss ihn viel Mut gekostet haben, mir diese Frage zu stellen, aber ich werde sie nicht beantworten. Ich will nicht darüber nachdenken. Ich will, kann, darf einfach nichts empfinden für irgendwen. Ich habe doch gerade erst beschlossen, dass ich wichtig bin. Das mein Blick auf meine Zukunft gerichtet ist.. "Nein." Ich will ihm keine Hoffnung geben oder mir die Gelegenheit länger darüber nachzudenken verschaffen. Es kann nur ein "Nein" sein. Noel fährt wortlos weiter. Während der Fahrt dreht er die Musik auf. 

"Danke." Er seufzt laut und schaut mich nichteinmal mehr an. "Noel.." "Geh bitte, Amy." "Aber-" "Aber was? Ich habe dich gebeten nicht zu fragen, es auf sich beruhen zu lassen. Jetzt können wir doch unmöglich Freunde bleiben." Erneut verhärtet sich Griff ums Lenkrad. Ich schnalle mich ab und umarme ihn. "Wir können doch versuchen Freunde zu bleiben. Du wirst dich sowieso schnell neu verlieben, niemand will mich für lange Zeit." Seine Arme legen sich nicht um mich, er bleibt starr wie ein Brett und schaut mich nicht an. Ich will ihn nicht so zurück lassen, das kann ich nicht. "Sag doch was." "Ich werde erstmal Abstand brauchen." Er klingt nüchtern, nicht sauer, nicht traurig. "Du bist nicht sauer?" "Ich bin nur sauer, dass ich es aussprechen musste.", ihm enthuscht ein Lacher, "Aber ich bin nicht sauer, dass du nicht mehr willst. Gefühle kann man nicht steuern, langsam muss man das auch mal akzeptieren. Aber ich hoffe du verstehst, dass ich erstmal Abstand brauchen werde." 

"Mom und Dad sind für paar Tage verreist. Das heißt du darfst wieder kochen, Amylein." "Dafür bin ich also da, gut zu wissen." "Komm schon, willst du dich von Cornflakes ernähren?" Aaron und ich haben uns in letzer Zeit zur Abwechslung mal wieder besser verstanden. Wir haben uns nie besonders gut verstanden, aber wir waren immer Bruder und Schwester. "Läuft immernoch was mit dieser Xenia?" "Jein." "Das musst du mir aber genauer erklären, Aaron." "Es fängt an kompliziert zu werden. Wir müssten langsam mal über gewisse Dinge reden, aber keiner von uns will anfangen. Und ich glaube, dass wir uns nicht ganz einig sein werden." "Willst du nichts ernstes?" "Ich weiß nicht, ob sie dafür die Richtige ist." "Wieso sollte sie das denn nicht sein?" "Sie ist so jung. Bald bin ich vielleicht schon am anderen Ende des Staats, das Timing passt nicht so gut." "Macht sie dich denn glücklich?" "Was heißt schon glücklich sein, Amy? Ich kann mit ihr Spaß haben." "Vielleicht solltest du das langsam mal klären, Bruderherz." "Ach, komm."

Ich habe nun Noel seit zwei Wochen nur flüchtig in der Schule gesehen. Es fehlt mir mit ihm Abends wegzufahren,mich über sinnlose und sinnvolle Themen mit ihm auszutauschen. Mir fehlt sein Lächeln, sein Humor, mir fehlt er einfach. "Alles in Ordnung bei dir? Du siehst nicht wirklich glücklich aus." Ich schaue zu meiner Linken und sehe Faye. Sie sieht nicht viel glücklicher aus als ich. "Willst du lieber über dich reden?" "Ich denke wir sollten allgemein reden, nach der Schule bei mir?" "Alles klar, ich werde vorbeikommen." Sie nickt und geht dann auch schon. Während ich sie beobachte wie sie geht, sehe ich Noel. Er redet mit drei Mädchen aus der Stufe unter mir. Sie sehen ihn alle an, als wäre er ein Geschenk Gottes. Er steht da und zeigt alles von seinem Charme. Als sein Blick kurz auf mich fällt, verharrt seine Mimik. Auf ein kleines Winken meinerseits reagiert er nicht, stattdessen redet er weiter mit den Mädchen. Vielleicht ist er doch sauer, oder er hat schon eingesehen, dass es an mir nichts gibt, was man längere Zeit lieben kann. 

Ich warte bis die drei Mädchen verschwunden sind und gehe zu ihm. Er kramt in seinem Spind und bemerkt mich erst recht spät. "Hey." Er schaut nur kurz, und zwingt sich ein Lächeln auf. "Wie geht es dir?" "Okay, denke ich. Und selbst?" "Du fehlst mir, Noel." Sein erzwungenes Lachen verschwindet, und er schaut mich mit gläsrigen Augen an. "Weißt du, ich wolte mich eigentlich nicht nochmal verlieben während der Highschool, Amy, aber du hast so viel für mich getan. Ich kann das nicht vergessen. Und so kann ich nicht länger dein Freund sein. Das würde mir nur noch mehr weh tun als es das schon tut. Und ich möchte mich nicht noch schlechter fühlen." Er schließt seinen Spind und schaut mir direkt in die Augen. Seine eisblauen Augen bohren sich in mich. Ich fahre mit meiner Hand durch seine Haare und ziehe sein Gesicht zu mir, so dass ich ihn küssen kann. Seine Arme legen sich für eine Sekunde fest um mich, ehe er mich von sich stößt und wortlos verschwindet. "Noel!" Doch er dreht sich nicht um, und ich begreife erst jetzt, was ich getan habe. Und zusätzlich muss ich mir eingestehen, dass ich mich vielleicht auch gegen meinen Plan verguckt habe. Aber ich kann das nunmal garnicht gebrauchen. 

"Es ist echt schwer zu Hause. Cole kümmert sich um Annie. Mom ist unterwegs, Dad versucht alles um für Noah die richtige Behandlung zu finden. Aber es scheint ihm nicht besser zu gehen.. Er ist nicht wirklich krank, aber mein Dad sagt, dass sich nichts an den MRTs ändert und das es langsam zu einem Erfolg kommen muss, sonst wird er schwierig. Es ist einfach so schwer den Tod um sich zu haben, Amy." Faye hatte echte Probleme. Sie hatte einen Bruder, der seiner Freundin beistehen musste, ihre Eltern waren nur noch am Arbeiten, dann war da noch Noah, mit dem sie nie gut klar kam. "Ich traue mich gar nicht, dir von meinen läppischen Problemen zu erzählen. Das ist gar nichts im Vergleich zu deinen." "Amy, Probleme sind kein Wettbewerb. Ein Problem ist immer eins, also erzähl mir ruhig, was dich bedrückt." "Du weißt ja, dass ich sehr viel mit Noel unternommen habe. Wir kamen sehr gut miteinander klar, ich denke zu gut. Er hat mir mehr oder minder von seinen Gefühlen erzählt, und ich wollte mich eigentlich mal auf mich konzentrieren. Und er hatte ja auch nicht vor, sich zu verlieben. Und ich dumme Kuh habe ihn heute geküsst." "Noel ist nunmal ein Romantiker. Er will das nicht wahrhaben, aber er liebt immer mit vollem Herzen und es braucht einen Fels, bis seine Liebe einen Knick erleidet. Siehe was Heather und ich erst veranstalten mussten, bis er sich umorientiert hat." "Du denkst also nicht, dass es schnell verfliegt?" "Bei Noel? Auf gar keinen Fall. Vor allem nicht bei den ganzen Dingen, die du für ihn getan hast." "Aber.. ich will das nicht." "Wieso?" "Beziehungen, Gefühle heißt immer automatisch Stress, Auseinander gehen und das will ich nicht. Noel und ich hatten eine so schöne Zeit, die soll nicht vorbeigehen nur weil wir uns beide dummerweise ineinander verguckt haben." "Aber so könnt ihr ja auch nicht wie früher Zeit miteinander verbringen." "Reden wir über dich.. wie geht es dir abgesehen von Annie, Noah..?" "Eigentlich ganz ok. Wir verstehen uns endlich wieder besser, bald geht Fußball los, alles ist sonst in Ordnung. Aber diese Sachen kann man nicht einfach so ausstellen."

Als ich Abends dann nach Hause kam, wartete Besuch in meinem Zimmer. Noel stand vor meiner Fotowand und hörte mich gar nicht, als ich rein kam. "Es tut mir leid." Er dreht sich um und küsst mich ohne jegliche Vorwarnung. Mein Körper schmiegt sich an seinen und ich lege meine Arme um seinen Hals. Seine Arme ruhen auf meiner Hüfte und drücken mich an seinen muskulösen Körper. Mit meiner Hand streichle ich seine Wange während ich meine Lippen nicht von seinen lassen kann. Er hebt mich hoch und presst mich gegen meine Fotowand. Mir entweicht ein kurzes Kichern, aber schon sind meine Lippen wieder an seinen. Ich hebe sein Shirt erst nur an, und ziehe es ihm dann aus. Er massiert mit seinen Händen die Seiten meines Bauches. Dann streift er mir mein Oberteil über den Kopf und wirft es sich hinter sich auf mein Bett, wohin er mich nun sanft hinlegt. Wir schauen uns an, und sind tatsächlich glücklich. Dann küsst er mich und die Dinge nehmen seinen Lauf. 

"Du weißt gar nicht, wie lange ich dich schon küssen wollte, Amy." Ich liege immernoch in seinen starken Armen und spüre die Hitze, die sein Körper ausstrahlt. Es ist schön seine Nähe zu spüren. Er gibt mir einen Kuss auf den Kopf und wir schlafen beide nebeneinander ein. 

Als ich am nächsten Morgen aufwache ist Noel im Bad. Ich kann hören, wie er eine Dusche nimmt. Ich klopfe an die Badezimmertür: "Noel?" Er hört mich nicht oder entscheidet sich dazu, mir nicht zu antworten. Es ist zwar erst ein paar Stunden her, und ich bereue nicht wirklich ihm nahe gewesen zu sein, aber für mich stellt sich immernoch die Frage, ob das Ganze mit uns Sinn macht. Nicht nur mein Bruder wird bald wegziehen. Auch Noel wird es sicherlich sehr bald schon in die weite Ferne locken. Da ist unsere Beziehung, falls es eine geben sollte, quasi automatisch vorbei. Aber, wenn wir keine Beziehung angehen, ist unsere Freundschaft nach gestern nun ein Ding der Unmöglichkeit. Wir könnten nie wieder zur sogenannten "Normalität".

"Also was ist das zwischen uns jetzt genau?" "Ich weiß, das klingt jetzt vielleicht doof, aber müssen wir dem einen Namen geben? Ich fände es schön, wenn wir einfach gucken wo uns das hier hinführt. Du wolltest keine Beziehung, ich wollte mich auch nicht ver- vergucken." Noel sah mich fragend an. "Das ist bestimmt das beste." Dann flog mir ein Grinsen ins Gesicht und ich küsste ihn. Er legte seine Arme auf meine Taille und ich saß schließlich auf seinem Schoss. "Bisher ist das Ganze hier doch sehr gut." Und dann küsste er mich erneut.

 

Und zum wiederholten Mal handelt mein Herz gegen meinen Kopf. Nur bin ich diesmal bereit beides in Einklang zu bringen, keines der beiden soll die Oberhand gewinnen. Gefühle sind gut, Logik ist gut, beides zusammen ist das Beste.

Noah Simmons

Man nimmt die meisten Dinge im Leben als selbstverständlich an, bis sie es nicht mehr sind. Bei mir war das so mit meiner Gesundheit. Nachdem ich von meinem Tumor wusste, waren mir ganz andere Dinge im Leben wichtig. Ich hatte keine Angst, ich hatte keine Befürchtungen, ich hatte nur eins, den Willen zu Überleben. 

 

Seitdem nun auch Faye von meiner Krankheit wusste, waren inzwischen alle im Hause McCohen extra vorsichtig und das ging mir gewaltig gegen den Strich. Für mich war klar, dass Mrs und Mr McCohen sich so verhalten würden, und auch bei Cole lag der Gedanke nahe, aber Faye? Wir haben uns nie wirklich verstanden. Wir waren einander immer ein Dorn im Auge, immerhin wollten wir beide so viel Zeit wie möglich mit Cole verbringen. Oft haben wir uns einander auch Streiche gespielt, alle waren immer davon überzeugt, dass wir uns eigentlich mochten, aber wir konnten uns nicht leiden, und mit den Jahren wurde das immer deutlicher. Dennoch hielten alle an dem Gedanken fest. Ich fande das immer lächerlich.

"Mein Vater hat gesagt, dass du heute eine Untersuchung hast." Ich sehe wie Faye sich ihr Frühstück in ihre Tasche steckt, und auf eine Antwort wartet. Sie lächelt mich an, und es ist mir unangenehm, weil ich das von ihr nicht kenne. "Jedenfalls kann er dich nicht abholen, deshalb werde ich dich fahren." "Du? Ich kann auch alleine Auto fahren." "Ich brauche das Auto aber heute Abend." Ich war mir nicht ganz sicher, ob das eine Lüge war oder sie das Auto wirklich braucht. "Alles klar, mein Termin ist um halb fünf." "Ich werde pünktlich sein." Dann gibt sie mir einen Klopser auf die Schulter, und geht.

Die paar Stunden die ich für mich habe, nutze ich um mich auf meine Arbeit konzentrieren. Aber wirklich Konzentration aufbringen fällt mir nicht einfach. Meine Gedanken schweifen ab. Was ist, wenn die Behandlung doch nicht kompatibel ist? Was ist, falls McCohen mir doch nicht helfen kann? Ich schüttel mich und erinnere mich daran, dass ich kämpfen wollte, kämpfen werde!

"Noah! Ich stehe jetzt seit drei Minuten draußen, hörst du die Hupe nicht, oder das Haustelefon?" Ich schrecke auf, und kann mich an die letzten Stunden nicht erinnern. Der erschrockene Blick auf Fayes Gesicht macht mein Gefühl nicht besser. Und dann greife ich mir ins Gesicht. Blut. Ich schaue an mir runter und sehe, dass meine Klamotten vollkommen blutübersehen sind. "Oh mein Gott. Geht's dir gut?" Sie kommt auf mich zu und fasst mir ins Gesicht und prüft, ob die Nase immernoch blutet. Ich schlage ihre Hand aus meinem Gesicht. "Es ist alles okay." Plötzlich sehe ich den Ausdruck in ihrem Gesicht, den ich von früher kenne. "Nichts ist okay. Du blutest, du hast unser halbes Sofa vollgeblutet, wie kanns du nur aufrecht stehen? Setz dich hin." "Ich will-" "Setz' dich gefälligst hin." Ich setze mich hin, weil ich langsam merke, dass ich weniger Blut in mir trage. 

Faye kommt mit einem nassen Tuch und einem frischen Oberteil. Erst entfernt sie mir das angetrockene Blut aus dem Gesicht, dann von meinen Händen, dann will sie mir mein Oberteil ausziehen, aber ich stoße ihre Hand zur Seite. "Jetzt sei keine Mimose. Ich hab schon genug Männer oben ohne gesehen, stell dich nicht an.", ihre Gänsefüßchen um Männer ignoriere ich. Sie zieht mir also mein Oberteil aus. Dann sehe ich erneut Schock in ihrem Gesicht. "Was, beeindruckt von meinen Muskeln?" Aber ihr Blick bleibt ernst. "Ist das normal?" Sie fasst mir unter die linke Brust und zeigt auf eine dunkelblaue Stelle. "Ja, manchmal passiert das nach'm Nasenbluten." "Du hast das also öfter?" Sie benutzt nochmals das nasse Tuch um das Blut zu entfernen und zieht mir das frische Oberteil an. "Schon ok, wenn du nicht reden willst. Aber wir sollten uns beeilen, wenn wir pünktlich sein wollen." Sie hilft mir auf, und stüzt mich den Weg bis zum Auto.

Im Auto schweigt sie zur Abwechslung mal, und ich finde das beruhigend. Erst gegen Ende der Fahrt spricht sie das Schweigen. "Warum willst du nicht mit mir reden?" Ich konnter mit einer Gegenfrage: "Warum willst du mit mir reden? Worüber auch?" "Ich weiß, wir waren nie große Fans voneinander, aber." "Aber was? Das müssen wir jetzt ändern, weil einer von uns einen Tumor hat? Glaubst du ich wäre netter zu dir wegen soetwas?" "Du? So wie ich es sehe, nein." "Weil ich nunmal so bin. Und lüge dir ruhig selbst einen vor, aber zu mir warst du noch nie nett." "Noch nie? Bist du dir da sicher?" "Ich wüsste nicht, was du meinst." "Ich sage nur, nasse Hose." Und ich hatte es tatsächlich vergessen, oder eher verdrängt. Ich war vierzehn Jahre alt, sie war erst zehn. Ich hatte mir auf dem Geburtstag von Cole in die Hose gemacht - jetzt weiß ich, dass das sogar ein Anzeichen für den Tumor war, damals natürlich nicht. Ich hatte mich im Badezimmer eingesperrt, aber das Bad hatte zwei Türen, und Faye kam durch die andere rein. Als sie mich gesehen hat, hat sie nicht gelacht. Ich hätte gewettet, dass sie mich ausgelacht hätte, immerhin haben wir uns gehasst. Und sie hätte das Cole erzählen können um mich zu blamieren. Aber das hat sie nicht. Stattdessen hat sie eine Hose aus Coles Schrank genommen, und eine Unterhose, sowie ein Handtuch. "Dusche einfach schnell, zieh dich um, und sag du wolltest mir einen Streich spielen. Deine Hose gebe ich meiner Mama, die macht die wieder sauber." , und dann ist sie gegangen. "Ich erinnere mich." "Ich kann sehr wohl auch zu dir nett sein, wenn die Umstände es erfordern. Und vielleicht gefallen dir die Umstände nicht, aber du kannst keinen unnötigen Stress meinerseits gebrauchen, also bin ich nett. Für Cole. Für deine Gesundheit." Wir waren bereis seit zwei Minuten da, also stieg ich wortlos aus und ließ sie im Auto zurück.

Als ich wieder bei den McCohens war, war keiner zu sehen. Alle waren unterwegs. Ich hatte hier niemanden oder nichts wohin ich gehen könnte. Das war nie ein Problem für mich. Ich hatte nie viele Freunde, wozu auch? Freunde sind kein Sammelobjekt, sondern wie ein Anker, der einem auf den Boden der Tatsachen zurückführen soll. Nicht mehr, nicht weniger. Besonders schade zu sehen war, dass ich die Leute die ich Freunde nannte, nie hätte so nennen dürfen. Keiner von ihnen interessiert sich jetzt für mich, jetzt wo ich ihnen keinen Nutzen bringen kann. Das war auch nicht anders zu erwartern, so hat es zumindest meine Exfreundin mir immer gesagt. Hatte sie Recht? War ich das Problem? Verdiene ich keine Freunde?

»Bist du jetzt taub?« 

Ich drehe mich um und schaue zur Tür. Faye stand dort mit einem Freund, ich glaube sein Name war Alex. 

»Ich hab geschlafen.« 

Eine kleine Notlüge kann ja nicht schaden.

»Oh, tut mir leid. Schlaf ruhig weiter. Wir wollten sowieso nur kurz ein paar Sachen holen und dann in die Bar.«

»Ich komme mit.«

Faye schaut verwirrt zu ihrem Freund. Dann zuckt sie mit den Achseln und geht sich umziehen.

»Ich denke mal das war ein Ja. Ich bin übrigens Alex.«

Sagt der Junge mit dem Lockenkopf.

»Noah.«

»Faye hat oft von dir erzählt. Aber um ehrlich zu sein waren es nie nette Dinge.«

»Dann war sie ehrlich. Nett bin ich nämlich nicht.«

Jemand hätte jetzt wohl gelacht und behauptet, es sei nur ein Scherz, aber ich war auch nur ehrlich. Ich war kein besonders netter Mensch. Meine Nettigkeit selektiert sehr stark. Nur wenige kommen in den Genuss Nettigkeit meinerseits zu erfahren. Faye war bis dato nicht wirklich einer davon.

»Willst du dich nicht lieber auch umziehen?«

Alex zeigt auf meine Klamotten, die aus einer Sweathose und einem T-Shirt bestehen. Ich nicke, und gehe die Treppen hoch um mich neu einzukleiden. Dabei laufe ich auch an Fayes Zimmer vorbei, die natürlich nicht die Tür verschlossen hat. 

»Weißt du, wenn du meine Vorurteile, wie du sie nennst, nicht bestätigen willst, dann solltest du das hier schließen.« Sage ich, als ich die Tür schließe. Sie selbst steht in Unterwäsche vor ihrem Schrank und wirft eines ihrer Kleider gegen die Tür.

»Unglaublich..«

 

»Und wieso genau willst du jetzt mit? Du darfst doch sowieso nicht trinken.«

»Seit wann ist Alkohol der Schlüssel für Spaß?«

»Ich sag ja nur.«

»Also ich finde das gut, dann können du und ich uns doch betrinken, Faye. Und Noah bringt uns sicher nach Hause.«

»Oh, verlasse dich mal nicht darauf, der könnte uns nur so aus Spaß auch ganz woanders absetzen, nichts mit sicher nach Hause bringen.«

Ich verdrehe nur die Augen und konzentriere mich aufs Fahren. Seitdem ich weiß, dass ich krank bin, hat mein Körper beschlossen das mir das schwerer fällt. Aber dennoch muss ich dran bleiben. Ich darf nicht mit Sachen aufhören, nur weil mein Körper nicht mehr der selbe ist. Das wäre nur der Anfang vom Ende. 

»Warum darf er überhaupt nicht trinken? Sportler?«

Ich bin überrascht. Ich hätte Faye so eingeschätzt, dass sie ihm es bis aufs kleinste Detail, das sie kennt, erklärt hätte. Sie merkt das wohl und grinst siegreich.

»Ich bin krank.«

»Oh, ist es was ernstes?«

»Kann man so sagen.«

Das sind immer die dümmsten Fragen, aber ich glaube man kann einfach nicht anders als sie zu stellen.

»Tut mir leid. Ich wünsche dir alles Gute.«

»Danke.«

Den Rest der Hinfahrt ist es ruhig. Keiner spricht mehr ein Wort.

 

In der Bar stellt mich Faye der Barfrau vor, Loreen. Auch ein paar anderen Kindern aus ihrer Schule stellt sie mich vor. Aber keiner von denen weckt mein Interesse. Allgemein weckt schon länger keiner mehr Interesse bei mir. Keiner ist interessant mehr heutzutage. Alle sehen gleich aus. Tun das gleiche. Denken das gleiche. Aufregende Menschen gibt es keine mehr, oder ich habe einfach nicht das Glück sie kennenzulernen. 

Ich sitze die meiste Zeit an der Bar, drinke Cola und schaue den Leuten zu. Das Mädchen an der Bar ist damit beschäftigt Geld zu verdienen. Sie ist nett zu Leuten, zu denen sie sonst nie nett wäre. Irgendwann wird sie abgelöst und sitzt dann selbst an der Bar, mit einem Typen. Den Rest der Nacht unterhalten die beiden sich, während sie sich ab und zu auch mal küssen. Sie scheinen glücklich zu sein. Aber ein Typ schaut die beiden an, als würde er ihnen ihr Glück nicht gönnen. Nach kurzer Zeit erkenne ich ihn. Er ist der Exfreund von Faye. Und, wenn ich ihr Drama richtig verstanden habe, ist er auch ein Exfreund von Loreen. Er schaut sich die beiden lange an, bevor er sich dazu entschließt den Abend zu nutzen. Irgendwann steht er mit einer Blondine rum, und wie Dinge sich so entwickeln, läuft dann auch was zwischen den beiden. Traurig, dass das Mädchen nicht weiß, dass sie nur ein Pflaster ist. Nicht mehr, nicht weniger.

»Von wegen man braucht kein Alkohol für Spaß. Aber du scheinst ja sowieso nie Spaß zu haben.«

Faye sitzt neben mir und kippt sich einen Tequilla runter. Sie grinst über beide Ohren und kann sich der Musik nicht entgegensetzen. Sie tanzt auf dem Stuhl, und schaut mich nochmals siegreich an. 

»Mit wem soll ich denn hier Spaß haben?«

Sie kommt näher und flüstert mir was zu.

»Weißt du, einmal können wir auch so tun, als würden wir uns verstehen. Du kannst mit mir Spaß haben.«

Sie lacht, aber ich kann das nicht. Mir ist einfach nicht zu Lachen zu Mute. Ich muss mir eingestehen, dass es in meiner Situation doch nicht schaden würde Alkohol zu mir zu nehmen. Aber genaugenommen würde mir genau das auch wiederum schaden. 

»Kannst du eigentlich lachen? Oder glücklich sein? Du warst ja noch nie besonders fröhlich, aber das tut ja echt schon weh einen Menschen niemals lachen zu sehen. Lach doch mal.«

Sie packt mit ihren Zeigefingern an meine Mundwinkel und versucht diese hochzudrücken.

»Komm schon. Lachen!«

Ich schlage ihre Hände aus meinem Gesicht, aber sie hört nicht auf.

»Darfst du wirklich nichts trinken?«

»Zwei Wodka-Soda.« 

Sage ich zur Barfrau.

»Uh, das mag ich aber nicht.«

»Wer sagt das einer für dich ist.«

Sie erwartet ein Lachen, aber ich gebe ihr keins. 

»Ich sage das.« 

Aber sie schenkt mir immer wieder eins.

»Langsam glaube ich, dass du mich vielleicht doch magst.«

»Verwechsel Mitleid nicht mit Sympathie.«

Jetzt entlockt sie mir doch ein Lachen, es ist schon krass wie ehrlich sie sonst ist, aber mit Alkohol verstärkt sich das alles noch einmal. 

»Oh, ein Wunder! Er hat gelacht. Unglaublich!«

Dann sind die beiden Wodka-Soda da, und ich kippe beide weg, bevor Faye auch nur einen in die Hand kriegen kann. Sofort merke ich einen Effekt. Mein Kopf brummt und mein Körper ist erfüllt von Wärme.

»Lass uns tanzen. Kannst das doch, oder nicht?«

 

Auf der Tanzfläche brauche ich ein wenig bis ich mich wohl fühle. Es ist so lange her, dass ich das letzte Mal ausgegangen bin. Meine Freunde haben nach meiner Erkrankung nie wieder gefragt ob ich nicht auch Lust hätte mitzukommen. Das erste Anzeichen, dass sie mich alle abgeschrieben haben.

»Hattest du schon mal eine Freundin?« schreit Faye, während die Musik ihren Schrei abdämpft.

»Was denkst du denn?«

»Es ist schwer vorstellbar, dass-«

»Ich hatte mehr als genug Erfahrung mit allem, womit man Erfahrung haben sollte.«

»Ich hätte dich ja eher als den Typen vermutet, der noch nie Sex hatte, und nach der Diagnose in den nächstbesten Puff rennt. Aber vielleicht lag ich da falsch.«

Der Alkohol lockert mich genug auf, um wirklich herzhaft darüber zu lachen.

»Einer aus meiner Selbsthilfgruppe hat das tatsächlich getan. Aber der sah eher aus wie der Typ.«

Ich zeige auf einen dünnen, blonden Schnösel der einen Pullover um die Schultern trägt. Faye hört zu tanzen auf und kommt näher und schreit in mein Ohr.

»Du warst in einer Selbsthilfegruppe?«

»Ja!«

»Der große, starke, emotionslose Noah braucht sowas?«

»Wer sagt ich sei emotionslos?«

»Na, dein ganzes Wesen. Ich hätte sogar gedacht, dass du a-sexuell sein könntest.«

»Wärst du das mal lieber, hättest dann noch deinen Freund, wobei der Augen für die andere hat.«

»Ach, der kann mir gestohlen bleiben. Der ist so eine Lusche. Hier haben alle keinen Arsch in der Hose.. Keiner weiß was er will. Wobei letzteres auch auf mich zutrifft. Aber..« Sie lacht, und ich lache mit. Irgendwie hat uns der Alkohol näher gebracht, weil wir nun beide über uns lachen können. Und da unsere Konverationen nur daraus bestehen den jeweils anderen nieder zu machen, tut das "unserer Beziehung" gut.

»Schön zu sehen, dass du über dich selber lachen kannst. Behalte das nüchtern mal ruhig bei.«

»Nur, wenn du das auch tust.«

Wir geben uns die Hand drauf und machen uns den Rest des Abends über andere Leute lustig.

 

»Ich dachte er sollte nicht trinken. Wer fährt uns denn jetzt nach Hause?«

»Siehst du! Ich wusste es doch, er würde es vermaseln.«

Alex war sauer, aber er hatte noch einen Ass im Ärmel: Miguel, der würde ihn auf dem Motorrad mitnehmen.

»Ich würde sagen, ich fahre. So viel getrunken habe ich doch nicht.«

Ich wusste einerseits, dass die Idee extrem schlecht war, aber ich wollte stark bleiben, Dinge tun wie sonst auch. Irgendwie würde ich schon fahren können, oder nicht?

In der Umsetzung sah das anders aus. Dreimal hätte ich uns fast gegen ein Auto oder eine Wand gefahren, aber in letzter Sekunde konnte ich es immer retten. 

 

»Du fährst echt scheiße Auto.«

»Du hättest ja auch fahren können.«

»Ich fahre auch scheiße Auto.«

Wir lachen erneut. Wir versuchen leise zu sein, immerhin ist es spät und Fayes Familie schläft bestimmt schon. 

»Danke.« 

Irgendwie verspürte ich den Drang ihr das noch zu sagen.

»Für was? Das ich dich abgefüllt habe?«

»Ja.«

Wir lachen erneut, und fallen dabei fast von der Treppe, die wir gerade hochgehen.

»Dafür hat mir noch nie jemand gedankt. Wie originell von dir. Aber gerngeschehen. Betrunken bist du wirklich erträglicher.«

»Erträglicher mit Alkohol? Vielleicht mochten meine Freunde mich deshalb nur dann. Aber wer braucht schon Freunde.«

»Na jeder! Ohne Freunde wärst du jetzt nicht hier, du hättest keinen guten Arzt. Vielleicht wärst du schon tot.«

Ich höre ein Lachen, es ist meins. Und ich kann nicht aufhören, Faye sieht nur verdutzt auf den Boden, als könne sie nicht glauben, was sie gerade gesagt hat. Irgendwann schwappt mein Lachen in Weinen. Sie hat Recht. Hätte ich nicht so ein Glück mit Cole, wäre ich eventuell schon tot. Daran habe ich noch nie gedacht. Ein Freund gibt mir die Möglichkeit mein Leben zu retten. 

»Oh mein Gott, tut mir leid. Ich wollte das nicht sagen. Tut mir wirklich leid.«

»Ach, schon gut. Vergiss nur bitte, dass ich geweint habe. Ich werde das nämlich tun.«

»Natürlich.«

Sie drückt einmal kräftig meine Schulter und geht dann in ihr Zimmer. 

 

Am nächsten Morgen haben sowohl Faye, als auch ich einen Riesenkater. Dr.McCohen ist darüber nicht erfreut, und will schon eine Schimpftirade auf Faye loslassen, da mische ich mich ein.

»Es war meine Entscheidung. Ich hab zwei Wodka getrunken. Faye wollte mir das ausreden, aber was hätte sie tun sollen? Mir das Glas aus der Hand schlagen?«

»Ja! Alkohol ist Gift für deinen Körper. Du musst das verstehen. Wie soll ich dich jetzt operieren? Noah, ich dachte du wärst vernünftig.«

»Dann war ich es halt einmal nicht. Dafür hatte ich Spaß.«

»Faye, wie konntest du ihn nur trinken lassen? Ich verstehe ja, dass er gewisse Dinge vergessen will. Aber hasst du ihn so sehr, dass du ihn sterben sehen willst?«

»Ich hatte doch keine Ahnung, ich.. Nein.«

»Manchmal verstehe ich euch wirklich nicht. Ich gehe jetzt zur Arbeit.. Noah, ich hoffe du verstehst, worum es hier geht und dass Verbote nur zu deinem Wohle verübt werden. Bitte, mach sowas nicht nocheinmal.«

»Es tut mir leid, Mr.McCohen. Ich, ich weiß auch nicht was los war.«

»Versprich mir einfach, dass das nur ein einmaliges Vergehen war, in Ordnung?«

»Versprochen.«

Und dann war er weg.

 

»Wieso hast du mich gedeckt?«

»Ich treffe meine Entscheidungen immer selbst. Wieso dir dann die Schuld geben?«

»Weil ich es hätte besser wissen müssen.«

»Es geht um mich, meine Gesundheit. Wenn es einer hätte besser wissen müssen, dann w-«

Ich spüre wie mir plötzlich schlecht wird, und irgendwas meine Speiseröhre hochkommt. Wunderbar, jetzt muss ich mich auch noch übergeben. 

»Noah!«

Faye springt auf, und versucht mich aufrecht zu halten. Wohlmöglich hat sie Angst, dass ich sonst daran ersticke. Nach einer gefühlten Ewigkeit ist auch diese Peinlichkeit vorbei. Meine Klamotten und der halbe Küchenboden sind jetzt mit Erbrochenem eingedeckt. Atmen fällt mir schwer, aber ich fühle mich besser, obwohl mein Kopf immernoch brummt.

»Geht's dir gut? Lass uns dich abduschen.«

»Ich schaffe das schon alleine.«

Aber in dem Moment als ich versuche aufzustehen, rutsche ich auch wieder ab.

»Cole! Cole!«

Faye versucht Hilfe zu holen. Als Cole dann in Pyjamas in der Küche steht, braucht er einen Moment. Als er realisiert was passiert ist, hilft er mir aus den Klamotten. Ich will erst nicht, aber Faye betont nur, dass es jetzt egal ist. Wir müssten mich ins Bad schaffen.

»Was habt ihr denn gemacht? Faye, kannst du nicht einmal keine Probleme machen?«

»Es ist nicht ihre Schuld.«

»Komm mir nicht so! Ich kenne meine Schwester. Sie kann vieles, aber auf andere Acht geben , das kann sie nicht. Sie denkt nur an sich, an Spaß und wie es ihr gut geht.«

»Das ist nich war. Cole, sag sowas nicht, ich bin doch deine Schwester.«

»Und genau deshalb kenne ich dich auch, geh jetzt, mach die Küche sauber.«

Faye geht, und ich weiß, dass Cole in gewisser Hinsicht schon Recht hat, aber das hier war anders. Ich hatte mich entschieden mich gehen zu lassen. Das war unabhängig davon, dass sie es wollte. Ich hatte schon lange vorher mit dem Gedanken gespielt.

»Diesmal war es nicht ihre Schuld. Und glaubst du ich hätte sie auf mich aufpassen lassen? Ich denke ja eher nicht.«

»Ich kenne nie nur sehr gut, ich weiß wie sie ist, und ich weiß auch, dass das nicht immer das Richtige ist.«

»Ist das Leben nicht zum Fehler machen da?«

»Nicht, wenn sie dich fast dein Leben kosten.«

 

Die nächsten Tage gingen Faye und ich uns aus dem Weg. Ich hatte das nicht aktiv geplant, es hatte sich nur so ergeben. Sie hingegen hatte das bestimmt aus gutem Grund getan. Allerdings verhielt sie sich auch anders als sonst, sie ging nicht mehr viel aus. Mal waren ein paar Freunde bei ihr, Amy oder Alex. Sonst hat sie eher wenig unternommen. Aber, da wir in einem Haus zusammen lebten, würde man sich früher oder später sehen.

»Ich wollte mich wirklich nochmal entschuldigen.«

»Brauchst du nicht. Ich entscheide Dinge selbst, deine Meinung macht da keinen Unterschied, glaub mir das ruhig.«

»Heute morgen kam das für dich an.«

Sie gab mir ein kleines Paket. Ich öffnete es sofort und schaute nach, was drin war.

»Was ist es?«

»Es ist von Vanessa.«

Faye guckte mich nur verdutzt an.

»Sie ist meine Exfreundin. Sie will kommen.«

Ich schmiss Paket samt Inhalt weg.

»Wieso schmeißt du das weg?«

»Wieso nicht?«

»Sei kein Zyniker. Sie ist deine Exfreundin, willst du sie nicht sehen?«

»Ganz ehrlich? Nein. Leute wie sie brauche ich in meinem Leben nicht.«

»Du bist also echt zu allen so.«

Für einen kurzen Moment hätte ich fast vergessen, dass Faye und ich wirklich nicht viel voneinander halten. Ihr Kommentar erinnerte mich daran, auch sie ist keine Freundin. Sie ist nur nett, weil es mir schlecht geht.

»Ich brauche einfach kein Mitleid, von niemandem. Deins ist schon schlimm genug.«

»Fang nicht wieder damit an, es-«

Ich gehe einen Schritt auf sie zu, und schaue ihr in die Augen.

»Wärst du so wie du bist, wenn ich gesund wäre? Nein. Du bist nur so, weil du denkst, dass man mit kranken Leuten so umzugehen hat. Lass es sein, sei wie immer zu mir. Hass' mich. Ich tu's doch auch.«

 »Jemanden wie dich kann man doch nur hassen.«

 

Wäre ich mal lieber noch einen Tag länger nett zu ihr gewesen. Ihre Rache für meine harschen Worte waren nämlich wirklich beschissen. Sie hat meine Exfreundin ausfindig gemacht und sie hierher bestellt. 

Als ich die Tür öffnete, und Vanessa dort stand, war ich geschockt.

»Noah! Ich bin so froh dich zu sehen!«

»Vanessa?«

»Ich weiß, ich bin zwei Tage zu früh, aber ich konnte nicht länger warten.«

Sie gab mir einen Kuss auf den Mund, als hätte sie vergessen, dass es vorbei war. Ich stieß sie zurück, und wischte meine Lippen ab. Bevor ich was sagen konnte, war jemand anderes schon schneller.

»Du musst Vanessa sein..«

Faye hatte so gut wie jeden Tag dieses Siegerlächeln im Gesicht, jetzt wusste ich endlich wieso.

»Ich bin ja so froh, dass du kommen konntest. Noah redet die ganze Zeit davon wie sehr er dich vermisst.«

»Nein, das habe ich nie getan!«

»Ach, sei nicht so schüchtern. Tu' nicht so auf hart.« 

Faye war hier wirklich zu weit gegangen. Vanessa und ich hatten nie Schluss gemacht, nie so wie man es unter normalen Umständen tut. Aber ich habe mich nie gemeldet, habe ihr keine Adresse gegeben - danke Mama, dass du es doch getan hast, und auch sonst habe ich sie aus meinem Leben geschmissen. Aber wirklich verstanden hatte sie es wohl nicht. Denn sie hing mir die komplette Zeit am Hals.

»Kann ich kurz mit dir reden, Faye?« 

»Natürlich. Entschuldige uns, Vanessa.«

»Bist du bekloppt?«

»Wieso? Ich finde sie hat das Recht dich zu sehen.«

»Und du hast das Recht sowas zu entscheiden?«

Ich schaute zu Vanessa rüber, sie war mehr als glücklich mich zu sehen, aber ich hatte keinerlei Gefühle mehr für sie übrig. Im Gegenteil, ich fragte mich was ich jemals an ihr gefunden habe.

»Ehrlich gesagt hatte ich eine Goth Chick oder so etwas erwartet, nicht einen Sonnenschein.«

Faye hatte Recht. Vanessa war das genaue Gegenteil von mir. Sie war immer fröhlich, glücklich, positiv und sah aus als käme sie aus Caliornia.

»Du weißt wirklich nicht was du getan hast. Dein Bruder hatte Recht. Ach, ich wusste das selbst doch schon lange.« 

Ich ließ sie wortlos zurück. Ich musste jetzt für klare Verhältnisse sorgen was Vanessa anging, das war jetzt wichtiger.

 

»Bist du gar nicht froh mich zu sehen?«

»Darf ich ehrlich sein?«

Sie nickte, und ich schüttelte meinen Kopf. Ich war wirklich nicht froh sie zu sehen.

»Aber.. ich dachte du liebst mich.«

»Ich dachte ich habe klar gemacht, dass für mich keine Beziehung mehr besteht.«

»Du kannst doch nicht einfach abhauen und .. Du bist krank, du weißt nicht was du tust. Du willst mich nur schützen, falls du stirbst, das brauchst du aber nicht. Ich bin und bleibe immer deine Vanessa.«

»Du bist schon lange nicht mehr meine Vanessa.«

»Sag das nicht, du meinst das nicht so.«

»Hör auf! Ich meine es genauso! Du machst mich krank. Und die Krankheit ist schlimmer als alles was mir bisher wiederfahren ist. Du versuchst mich zu ändern, du willst mir erklären wie es mir geht? Ich weiß ganz genau wie es mir geht. Meine Krankheit hat damit nichts zu tun. Ich liebe dich nicht.«

»Wieso schickst du mir dann das?«

Sie reicht mir einen Zettel, auf den bereits einer ihrer ersten Tränen tropft.

Auf dem Zettel ist ein Gedicht. Ich erkenne sofort, dass Cole es geschrieben hat. Und ich verspüre so viel Wut auf Faye. Wie kann sie nur so etwas tun? Das hier richtet sich nichtmals gegen mich, sondern gegen jemand völlig fremdes für sie. Wieso?

»Das ist nicht von mir. Das Mädchen von eben, sie dachte es sei lustig dir das zu schicken.«

»Wer würde so etwas tun? Wieso.. ich..«

»Sie hasst mich. Sie will mir das Leben zur Hölle machen. Und sie wusste, dass ich dich nicht mehr liebe, deshalb gab sie dir das und lud dich ein.«

»Ich frage mich echt womit ich das alles verdient habe. Ich liebe ein krankes Arschloch, welches mich anscheinend hasst und jetzt zahlt es mir seine Neue heim oder wie?«

»Sie ist nicht meine Neue. Definitiv nicht.«

»Ach, hör doch auf. Wir wissen genau, wie bei dir "Liebe" anfängt! Mich freut es nur, dass du sie früher oder später so verletzen wirst, wie mich gerade. Ich hoffe du kannst damit leben, dass du mich zur Närrin gehalten hast, dass du nichtmal so viel Respekt vor mir als Person hattest, Dinge wie ein Erwachsener zu klären. Sie scheint ein schlechter Mensch zu sein, so wie du auch. Ihr verdient euch.«

Ich hätte mich jetzt entschuldigen können, aber wofür? Ich hielt es für richtig wie ich die Dinge geregelt habe. 

»Ich denke du wusstest immer was für ein Mensch ich bin. Du wusstest es. Ich habe es dir immer wieder gesagt und gezeigt. Ich bin kein guter Kerl. Ich bin, bis auf wenige Ausnahmen, ein Egoist. Du bist niemand der das ändert. Ich bin euch alle satt. Ihr denkt alle ihr müsst mich ändern, und dass ihr die einzig Wahre seid, die das kann. Ich mag mich so wie ich bin. Ich brauche niemanden wie dich. Jemanden, der mir erzählt wie ich Dinge sehen muss, wie ich mich zu verhalten brauche oder wo ich falsch liege. Lass es stecken. Hau einfach ab. Tut mir leid, dass du umsonst hergekommen bist, und dass du dachtest ich hätte dir ein Gedicht geschrieben. Aber da zeigt sich nochmals, du kennst mich nicht. Ich kann und würde sowas nie tun!«

Ich schloss die Tür und ging in mein Zimmer. Ich musste mich abreagieren. Vanessa war wirklich kein Mensch, den ich in meinem Leben brauchte, egal wie lang dieses auch noch sein würde.

 

»Wir müssen reden.« 

Ich stürmte in Fayes Zimmer. Sie war nicht allein. Amy war dort, die beiden saßen auf dem Bett und schauten sich was auf dem Laptop an.

»Warte mal, du siehst doch ich bin beschäftigt. Und du weißt doch bestimmt wie man klopft, tu das ab sofort immer, wenn du unbedingt hier rein willst.«

Faye verrollte die Augen und sah von mir weg.

»Wir reden. Jetzt. Deine Freundin geht jetzt. Ihr könnte das hier wann anders machen.«

»Amy ist meine beste Freundin. Egal, was du zu sagen hast, es ist nicht wichtiger als sie.«

»Dann bitte ich deine Freundin, geh. Ich muss etwas mit Faye klären. Sie hat sich heute riesengroße Probleme geschaffen. Und ich will das klären, jetzt.«

Amy packte ihre Sachen zusammen und will gerade gehen..

»Hey, stopp. Du gehst doch nicht wirklich? Der hat hier nichts zu melden.«

Faye warf mir einen giftigen Blick zu.

»Er wird nicht gehen, also gehe ich. Wir können das hier ja verschieben. Gute Nacht.«

Beim Rausgehen rämpelte mich Amy nochmal an, bestimmt um zu zeigen, dass sie es nicht toll fand, aber keinen großen Stress wollte.

»Wo ist denn unsere liebe Vanessa?«

»Ich habe sie weggeschickt. Wieso hast du sie hergeholt?«

»Ich wollte dir einen Denkzettel verpassen. Du verurteilst mich für Dinge, die du nicht anders regeln würdest.«

»Du kannst doch nicht dritte Personen mitreinziehen. Ich kann Vanessa zwar nicht mehr sonderbar leiden, aber sie hat nicht verdient, dass jemand mit ihren Gefühlen spielt.«

»Dass jemand überhaupt Gefühle für dich haben kann.«

»Wenn du das so siehst, dann kann auch keiner welche für dich haben, denn wie du sagst, über kurz oder lang sind wir uns ähnlicher als es uns lieb ist.«

»Ich glaube auch nicht, dass mich jemand wirklich lieben kann. Das ist das Problem.«

Ich schweige. Was soll ich auch schon sagen? Ich bin niemand der lügt. Ich glaube ihr, dass sie das denkt, und so wie ich sie kenne, glaube ich auch nicht daran, dass jemand sie aufrichtig liebt ohne sich zu wünschen, dass sie sich änderrt, dass sie gewisse Dinge anders regeln würde. Und das schließt Liebe aus, zumindest nach meiner Definition.

»Danke, dass du mich jetzt nicht volllügst vonwegen ich bräuchte sowas nicht denken, da bist du der Erste.«

»Wieso sollte ich dich anlügen, damit du dich besser fühlst? Die Wahrheit hat jeder verdient, egal ob schmerzhaft oder nicht.«

Es herrscht kurz Stille. Ich weiß auch gar nicht, wieso ich nicht gehe, oder wieso sie mich nicht "bittet" zu gehen. 

»Von dir erwarten Leute also auch, dass du dich änderst?«

»Hast du gelauscht?«

Faye lacht kurz, und ich kann mein Lachen nicht unterdrücken.

»Bin zu neugierig, sorry.«

»Wenigestens bist du ehrlich.«

»Ich finde, was du ihr gesagt hast, war genau richtig.«

»Du gibst mir also Recht, unglaublich.«

»Naja, Menschen wissen doch immer vorher worauf sie sich einlassen. Du und ich, wir sind keine Lügner, keine Chameure, aber Leute denken, dass wir nur so tun als wären wir, wie wir nunmal sind. Und sie denken sie sind der Schlüssel zur Veränderung, sie denken, sie sind wie ein Engel, den der Herr geschickt hat um uns böse böse Menschen zu erlösen. Ich hatte viele Leute, die so dachten. Noel war so. Er sah Dinge in mir, die es gar nicht in mir gab. Aber er war gut, er hat mich das glauben lassen, bis ich ihm gezeigt habe, wer ich bin. Genauso war es bei Alex. Und auch bei Miguel war es in gewisser Hinsicht so. Ich dachte er würde mich verstehen, er wäre wie ich. Aber er war ein Chameur. Er ist in Wahrheit ein sehr guter Mensch, einer der alles für andere gibt. So jemanden habe ich nicht verdient, also beschloß ich es ihm klar zu machen. Ich wusste immer genau was ich tue. Ich lüge mich darüber an, aber ich weiß es eigentlich ganz genau. Ich habe immer die freie Wahl.«

»Weißt du, Vanessa ist nichtmal besonders toll, ich weiß nicht, ich glaube ich bin mit ihr ausgegangen, weil meine Mutter das erwartet hat. Aber meine Mutter redet sich auch ein, man könne mich ändern. Ich glaube sogar, sie dankt der Krankheit, weil sie denkt, sie würde mich aufweichen. Manchmal dachte ich das auch, aber ich bin einfach wie ich bin. Ob mit oder ohne Krankheit, mit oder ohne Vanessa.. Leute wie Vanessa nehmen sich nur wichtig, wollen sagen können "bevor ich ihn kennenlernte, war es so, aber dank mir, ist er jetzt genauso wie er sein muss" und ich bin keine Marionette. Dafür kann sie sich jemand anderes suchen.«

Faye fängt auf einmal an zu lachen.

»Mit dir ist es auch komisch. Man denkt "Oh, man kann sich mit ihr unterhalten", aber dann kommt sowas.«

Ich muss aber auch lachen, und ich kann nicht aufhören.

»Es tut mir leid, aber denkst du wirklich deine Mama dankt der Krankheit? Das hört sich wirklich nicht gesund an.«

»Ich bin mir da ziemlich sicher. Sie war nie Fan von meinem Musik-, Kleidungs- oder sonstigem Geschmack. Auch die meisten meiner Freunde hat sie gehasst. Ich glaube sie war sich nichtmal sicher, ob ich ihr Sohn war. Als wäre ich eins dieser Omenkinder.«

»Ich glaube es gibt nur einen, aber ich weiß was du meinst. Stelle dir nur vor, du hast einen Bruder wie Cole. Der wirklich ein Engel ist, der alles richtig macht. Der so viel richtig macht, dass ich bei ihm sogar wirklich zur besseren Person werde. Er hat lange Zeit nichtmals die Geschichten über mich geglaubt, bis es so viele waren, dass es nicht anders ging.«

»Weißt du, ich glaube Cole kennt dich ganz genau. Ich glaube er hat kein Problem mit dir als Person, sondern mit dem, was du dir selbst zumutest, weil du dir gewisse Dinge verbietest.«

 

»Ich kann immernoch nicht glauben, dass du vielleicht stirbst. Ich weiß, wir haben uns nie verstanden, aber du hast das nicht verdient.«

»Bist du dir da sicher?«

»Ich bin mir da mehr als sicher. Keiner verdient das.«

Faye steht auf und stellt sich vor ihr Fenster.

»Dinge wie Krankheiten haben nie Platz im Kopf, bis sie einen über Umwege oder geradeaus treffen. Oder hast du mal vorher darüber nachgedacht?«

Ich weiß nicht genau wieso, oder ich will mir nicht ganz eingestehen wieso, aber ich will ihr jetzt nah sein, also stelle ich mich neben sie.

»Ich habe nie vorher darüber nachgedacht. Jetzt denke ich ungewollt immer darüber nach.«

Sie sieht seitlich zu mir hoch und fasst mir an den Kopf.

»Tut es denn weh?«

Die Aufrichtigkeit in ihren Augen fesselt mich. So etwas sieht man nur noch selten.

»Manchmal.« 

Ihre Hand sucht eine Stelle an meinem Kopf, die vielleicht verrät was kaputt ist. 

»Du weißt schon, dass man nicht fühlen kann was los ist.«

Ich lache, aber sie bleibt ernst.

»Ich hoffe wirklich, dass du das packst.«

Sie lächelt mich an, und ich weiß, das dies einer dieser Momente ist. Tun oder nicht tun. Will ich es, oder nicht? Ist es richtig oder falsch?

Ich lege eine ihrer Haarsträhnen hinter ihr Ohr und streichle es sanft.

»Wer hätte gedacht, dass du jemanden auch sanft anpacken kannst?«

Ich grinse kurz, sie erwidert mein Grinsen mit einem kurzen Kichern. 

»Wovor hast du Angst?«

»Vor dir.«

»Der große Noah hat also Angst vor mir..«

Sie kommt einen Schritt näher auf mich zu und schaut mir tief in die Augen. Ich weiß, ich sollte sie jetzt küssen, sie so fest es nur geht an mich drücken und ihr einfach nahe sein, weil ich es wohl oder übel will. Sie ist wie ich. Sie ist direkt, ehrlich und versteht andere, aber prahlt mit der Eigenschaft nicht rum. Und vielleicht hat sie schon viel getan, was ich nicht gut finde, aber um ehrlich zu sein, hat sie Recht, die meisten Dinge habe auch ich getan. Ist es bei ihr in meinen Augen verwerflich, weil sie ein Mädchen ist? Oder hat mich immer gestört, dass sie diese Dinge nie bei mir versucht hat? Ist meine Ablehnung ihr gegenüber ein Resultat daraus, dass sie jedem Avancen gemacht hat, nur mir nicht?

»Warum sind wir noch nie früher in eine solche Situation geraten?«

»Ich hatte immer zu viel Respekt. Und ich hatte mir fälschlicherweise Miguel rausgepickt als die Person, die mich versteht, mich nicht verurteilt und mich nicht verändern will. Dumm muss man sein.«

Sie lächelt, und ich will sie wirklich küssen, aber etwas hält mich ab. Ich will es nicht wahrhaben, aber meine Krankheit tut es schon wieder. Sie sagt mir, lass es sein. Was, wenn du morgen nicht bist? Aber wollte ich nicht entgegen dem leben, was meine Krankheit mir bereithalten würde?

»Warum hast du nie dafür gesorgt?«

»Na, ich habe dich doch gehasst.«

»Mhmm, hast du das wirklich?«

»Wer weiß das schon, Faye.«

 

In der Nacht ist nichts passiert. Ich hatte nicht das Gefühl, dass es der richtige Zeitpunkt war. Ich könnte jeden Moment sterben, und so wie ich sie kenne, würde sie das nicht verkraften, wenn sie mir näher stünde. Ich musste dafür sorgen, dass sie mich wieder mit anderen Augen sieht. So ein schlechter Mensch ich auch sein mag, ich würde niemandem wissentlich weh tun, niemandem der mir - wenn ich ehrlich zu mir selbst bin, doch mehr bedeutet, als ich mir all' die Jahre zugestanden habe.

 

Der Mensch ist schon ein komisches Wesen, belügt sich selbst, um sich das Leben und die Welt drumherum zu erleichtern. Aber Ehrlichkeit währt am längsten. Auch die einem selbst gegenüber. Wie will man auch nur annähern glücklich werden, wenn man sich den wahren Schlüssel dazu verwehrt? Man nimmt einen der nicht passt, einen, der das Schloss zukleben will, verändern, aber man weiß genau, es gibt schon einen Schlüssel der passt. Und, wenn man den kennenlernt, sollte man diesen auch benutzen. Aber, wenn das Schloss bald zerbrechen könnte, sollte und darf man da überhaupt egoistisch die Kiste öffnen?

Cole McCohen

Es ist schon faszinierend wie relativ alles im Leben ist. Ich meine, kann man sicher sagen "Das ist das Schlimmste was mir je passiert ist."? Nein, denn man weiß nie, was einem noch bevor steht. Ich dachte immer Annies Ablehnung wäre das Schlimmste für mich. Dann war es der Überfall. Dann war es ihre Krankheit. Dann war es die ihre Mutter, und dann war es alles aufeinmal. Aber selbst all' das würde nicht "das Schlimmste" sein. Es war nichtmals das Schlimmste was mir dieses Jahr noch passieren würde..

 

Annie ist krank. Sie hat Angstzustände. Sie ist oft abwesend, und es ist anstrengend. Anstrengend, weil ich auch gern mal einen normalen Tag hätte. Einfach ausgehen. Einfach unbeschwert sein, aber mit Annie war das noch nicht möglich. Und nach dem Tod ihrer Mutter ist alles nur noch schwerer. Ich habe sie schon länger nicht mehr gesehen. Jan wimmelt mich immer an der Tür ab, manchmal ist es auch Leyla die mir sagt, dass Annie zur Zeit keinen sehen will. Ich habe die Zeit genutzt und mich wieder mit meinen Freunden getroffen. Ich habe sie alle viel vernachlässigt, aber keiner hat es mir übel genommen, dafür war ich dankbar.

Neben Annie ist auch Noah krank, mein langjähriger Kindheitsfreund. Er ist den meisten unsympathisch, aber ich kann nur sagen mir war er immer ein guter Freund. Und er hat mir vieles beigebracht.

»Wie geht es dir, Mann?«

»Ach, kann mich nicht beklagen. Hab bald die große Operation vor mir.«

»Sei mal ehrlich, Noah, macht das Ganze dir keine Angst?«

»Was denkst du?« Er lächelt eines seiner seltenen Lächeln, aber es ist gebrochen. Ich glaube mit Krankheiten ist es wie mit der Schwangerschaft. Dein Körper benimmt sich anders. Man nimmt Dinge anders wahr. Man fühlt alles intensiver. Das stelle ich zumindest bei Annie und auch bei Noah fest. Und bei Jill ist das ja nicht viel anders.

»Du schaffst das schon, ich glaube da fest dran.«

»Danke.«

 

Ich stehe vor Annies Haus und klingel. Heute werde ich mich nicht abwimmeln lassen. Annie kann das nicht mit mir machen. Kein Jan, keine Leyla oder sonst wer wird mich abwimmeln.

»Hey, Cole.«

»Hallo.« Ich stürme einfach durch die Tür und laufe hoch in Annies Zimmer. Aber es ist keiner hier. Und es sieht auch so als, als sei hier länger keiner gewesen.

Jan steht im Türrahmen hinter mir und ich bin erstaunt, dass er nicht sauer ist, aber vielleicht hat er auch Verständnis.

»Wo ist Annie?«

»Sie ist im Zimmer unserer Mutter.«

»Wenn es ihr so schlecht geht, wieso lasst ihr mich nicht zu ihr? Ich bin der einzige von uns, der die ganze Zeit an ihrer Seite stand! Man kann mich nicht so behandeln! Ich habe auch Gefühle!«

Ich stürme erneut an Jan vorbei und betrete das Zimmer von Annies Mutter. Die Jalousien sind unten und der Raum ist komplett in schwarz getränkt. Es braucht ein wenig, bis ich Annie sehe. Sie liegt im Bett ihrer Mutter und starrt an die graue Wand, an der ein altes Familienfoto hängt.

Ich setze mich auf die Bettkante und streichle sie sanft. Sie schreckt auf und fängt zu weinen an. Dann schaut sie zu mir hoch und stürzt sich auf mich. Sie drückt mich ganz fest an sich und weint mein TShirt voll. Auch ich drücke sie ganz nah an mich, und ich erwische mich dabei, wie mir die ein oder andere Träne die Wange lang läuft. Ich kann sie so nicht sehen.

»Wieso hast du mich nicht kommen lassen?«

Sie antwortet nicht, sie hat sogar ihren Blick von mir abgewendet.

»Annie.. rede doch mit mir«

Sie schüttelt nur vehement den Kopf. 

»Du musst mit mir reden, wie soll das hier sonst funktionieren?«

»Warum machst du das hier mit?«

»Wie bitte?«

»Sie dich doch an, Cole.. Du bist doch nicht glücklich mit mir. Du bist so ein einzig- und großartiger Junge, weißt du wie viele Mädchen sich um dich-«

»Hör auf! Ob du es glaubst oder nicht, es gibt nur dich für mich. Ich brauch es gar nicht anders zu versuchen. Selbst mit Amy, es war was ganz anderes. Wirklich glücklich machst nur du mich!«

»Aber ich bin nicht mehr die Annie, in die du dich verliebt hast.«

»Du bist immernoch Annie-«

»Das ist das Problem, ich glaube nämlich, dass ich nichtmehr ansatzweise die bin, die dir so gefallen hat.«

»Hör bitte auf! Wenn ich dir doch sage, dass ich dich liebe, und dass du mich glücklich machst, kann dir das nicht einfach reichen?«

Fürs erste hat Annie nichts mehr von sich gegeben. Sie lag im Bett ihrer toten Mutter, und ich saß auf dem Boden und hielt ihre Hand.

 

Später am selben Tag hab ich ihr dann geholfen ein Bad zu nehmen. Klar, sie war kein Pflegefall, aber sie war immernoch unter Schock und brauchte Hilfe, wo immer sie auch welche kriegen konnte. Also warum sollte ich sie nicht baden? Ich meine Jan als ihr Bruder, das wäre doch komisch. Und auch Leyla war ihr lange Zeit unsympathisch gewesen, da war ich doch die beste Lösung. 

Danach brachte ich sie in ihr Zimmer.

»Du musst wieder anfangen an dich zu denken. Deine Mom war toll, keine Frage, aber sie ist leider nicht mehr da, das ändert sich auch nicht.«

Ich lege sie in ihr eigenes Bett und decke sie zu. Ich lege mich zu ihr und nehme sie in den Arm. Sie krallt sich an meine Unterarme und drückt mich ganz fest an sich.

»Morgen kommt deine Psychologin hierhin, ich habe das organisiert. Sie wird uns den richtigen Weg für dich zeigen. Sie wird wissen, wie wir dir helfen können. Okay? Wir schaffen das.«

Und dann schliefen wir Arm in Arm ein. Annie schlief aber sehr unruhig, sie drehte sich immer wieder, sie zuckte auf und einmal wachte sie auch auf. Immer wiedeer nahm ich sie in den Arm und beruhigte sie.

 

»Erstmal danke, dass Sie das organisiert haben, Mr.McCohen.«

»Nennen Sie mich ruhig Cole, Mrs.Burton.«

»Danke, Cole. Sie müssen aber während der Sitzung draußen warten. Die Gespräche zwischen mir und Annie sind immernoch sehr privat.«

 

Nach einer eineinhalbstündigen Sitzung durfte ich endlich auch wieder in den Raum. Annie lag immernoch im Bett und starrte nur in der Gegend rum. Mrs.Burton sah sich im Zimmer um. 

»Also?«

»Ich darf nichts genaueres mit Ihnen besprechen, aber ich werde Ihnen einige Tipps geben, Cole.«

»Ich verstehe schon, dass sie mir nichts genaues sagen dürfen, aber..«

»Keine Ausnahmen. Tut mir leid. Jedenfalls, Annie geht es nicht gut. Ich habe ihr was verschrieben, das wird sie die nächsten zwei Wochen nehmen. Währenddessen werden ihre Launen stark schwanken. Sie müssen also sehr vorsichtig sein, und sich auf vieles einstellen. Sie dürfen auch nicht sauer sein, wenn sie mal lauter wird, oder sich über irgendwelche Dinge aufregt. Sie wird sehr überemotional sein.«

 

Ich bin zuhause und schlafe tief und fest als ich etwas an meinem Fenster höre. Ich stehe also auf und schaue raus. Annie steht im Garten und wirft Steine gegen mein Fenster. Und ich bin überglücklich, als ich sehe dass sie strahlt. Sie lächelt und freut sich. Das ist viel zu lange her.

Ich schiebe also mein Fenster auf und schaue hinaus. 

»Ich weiß, sowas macht eigentlich der Junge, aber fuck it.«

»Und wie willst du jetzt rauf kommen?«

»Ach, du machst einfach die Tür unten auf, steh auf!«

Ich lasse sie also ins Haus und wir schleichen uns zurück in mein Zimmer. Dort schubst sie mich auf mein Bett und zieht ihre Jacke aus. Sie trägt darunter ein hellrosanes Dessous, das ich ihr einmal gekauft hatte.

»Es steht dir wirklich ausgezeichnet.«

»Danke, ich weiß.«

»Geht's dir besser? Haben die Medikamente angeschlagen?«

»Mhmm, oh ja!« Sie setzt sich auf meinen Schoss.

Dann küsst sie mich, dabei spüre ich wie ihre Hände unter mein TShirt gleiten und ich weiß nicht ganz, ob ich sie nicht lieber aufhalten sollte. Immerhin bringen die Medikamente sie gerade hierzu.

»Vielleicht sollten wir reden-«

»Nichts reden.«

Sie küsst mich weiter, und nun sitze ich schon ohne Oberteil auf dem Bett. Ich lege meine Hände vorsichtig auf ihren unteren Rücken und sorge dafür, dass sie mir nicht vom Schoss fällt.

»Ich liebe liebe liebe liebe liiieeebe dich so sehr, Cole. Bleib immer bei mir, ja?«

Ich weiß nicht genau, was ich antworten soll. Also lächle ich sie nur an und küsse sie. Aber zu viel mehr lasse ich es nicht kommen. Immerhin ist sie nicht ganz klar bei Verstand und ich will das nicht ausnutzen.

 

Als ich am nächsten Morgen aufwache, ist Annie weg. Ich frage mich sogar, ob ich mir nur eingebildet habe, dass sie hier war, aber Faye versichert mir, dass Annie da war, sie aber sehr früh am Morgen gegangen ist. 

»Tut mir leid.«

»Was?« Faye schaut mich verwirrt an. 

»Wegen Noah, ich war ein bisschen strenger als nötig zu dir.«

»Ach, kein Thema. Schwamm drüber!«

»Wir wissen beide dein Bruder zu sein gibt mir nicht das Recht so über dich zu sprechen.«

»Da liegt was dran. Aber ich kann es dir irgendwo doch nicht verübeln. Ich habe mehr als genug getan um dich in die Lage zu bringen so über mich urteilen zu können. Oder so über mich zu denken.«

»Das ist das Problem. Ich will nicht, dass du denkst, dass ich so über dich denke, Faye. Du bist meine Schwester, meine einzige Schwester, ich liebe dich. Ich weiß, dass gewisse Umstände dich dazu getrieben haben, und selbst wenn nicht, who gives a fuck. Ich bleibe dein Bruder, solange du nicht zur Mörderin wirst, bleibe ich das auch immer hier.« Meine Hand liegt jetzt auf meinem Herzen und ich umarme meine kleine Schwester.

»Ich habe dich so sehr vernachlässigt.«

»Wie du schon sagst, die Umstände sind nicht unbedingt die normalsten.«

»Manchmal will ich einfach nur weg. Ich halte es nicht mehr aus. Allen die ich liebe, allen geht es schlecht.«

»Vielleicht musst du auch für ein paar Tage weg. Vielleicht tut dir das mal gut.«

»Und wer kümmert sich dann um Annie?«

»Ich würde das für dich tun.«

»Aber wäre es nicht sehr egoistisch von mir jetzt zu gehen? Immerhin ist ihre Mutter vor kurzem erst..«

»Du wirst immer Gründe finden, und du sollst ja nicht lange weg. Geh doch ein Wochenende weg. Nimm Noah und geh. Es wird dir bestimmt gut tun.«

 

Und das tat ich. Und wie viel Glück ich hatte. Noah hätte eigentlich schon längst flachliegen sollen im Krankenhaus, aber dank seiner kleinen Eskapaden musste mein Vater ein paar Dinge umsortieren und er würde die Woche danach erst operiert werden. Wir fuhren an das alte Fischershaus meines Opas. Er besitzt ein kleines Haus aus Holz an einem Waldgebiet, an dem ein See angrenzt. Früher waren wir oft hier, die ganze Familie. Noah war auch oft dabei, und man hat uns gezeigt wie man fischt. Inzwischen hatten wir beide den Dreh raus und sogar ein wenig Spaß dabei gefunden.

»Wie geht's dir eigentlich?«

»Ich würde gerne sagen "gut" aber das wäre eine Lüge, mein Freund.«

»Ich wünschte ich könnte dir Schmerz abnehmen. Dir helfen.«

»Glaub mir, das tust du. Du bist mein Freund, mehr oder weniger sogar mein einziger, ich könnte mir niemand besseres vorstellen um diese kostbare Zeit zu verbringen.«

»Rede nicht so.«

»Was meinst du, Cole?«

»Na, als ob es dich bald nicht mehr geben wird.«

»Denkst du nicht, ich sollte mich auch damit auseinander setzen? Immerhin ist die Operation nicht ohne, ich könnte draufgehen.«

Und dann fiel alles nochmal auf mich ein. Alles gleichzeitig. Die Schießerei bei Annie, Annies Probleme, der Tod ihrer Mutter, und auch, dass Noah bald eventuell nicht mehr da sein würde.. Was sollte ich noch alles aushalten müssen? Ich kam mir vor wie in einer schlechten Folge O.C California.

»Cole, hey, du brauchst nicht weinen, wirklich.«

Ich glaube Noah konnte mit allem noch schlechter umgehen als ich. Aber ihm sah man das gar nicht an. Er gab mir einen festen Klaps auf die Schulter und lächelte mir zu. Ihn lachen zu sehen war ein seltener Moment, genau wie mich weinen zu sehen. Und so saßen wir da, der eine weinte um den Anderen, und der Andere lachte, um den einen vom weinen abzuhalten. 

 

»Darf ich dich was fragen, Cole?«

Ich nicke Noah zu, als wir beide in unseren Betten liegen mit dem Licht geschlossen.

»Wärst du zufrieden, wenn du ausgelebt hättest?«

Ich weIß worauf er hinaus wollte. Er dachte darüber nach, ob er alles erlebt hat, was es zu erleben gab. Und natürlich hatte er das nicht, ich auch nicht, wer hat das schon in unserem Alter? Aber muss sich das Leben an so etwas messen? Kann es sich nicht an der Liebe messen, die wir wiederfahren haben? Oder muss es sich immer darin messen alles erlebt zu haben, was es zu erleben gibt?

»Zufrieden? Ich weiß nicht, aber ich hab genug für fünf Leben erlebt. Schlechtes, trauriges, gutes, unfassbares, unglaubliches, so so vieles, was selbst ich nicht in Worte fassen kann. Ich glaube zufrieden wäre ich auf alle Male. Ich war die beste Version von mir, die ich ausleben konnte und bin mir dabei selbst treu geblieben.«

»Das ist mein Problem. Ich glaube ich war in vielen Dingen zu zynisch, aber wäre ich es nicht gewesen, wäre ich nicht ich. Ich habe nicht das Gefühl, dass ich ein Loch hinterlassen würde, wenn ich..«

»Ich verspreche dir, wenn du.. - und ich bitte dich, unterstehe dich, bleibe einfach hier - du würdest ein großes Loch bei mir hinterlassen. Bei meinem Dad, meiner Mom und soweit ich sehen konnte, selbst bei Faye. Wir würden dich nie vergessen. Und deine Eltern. Deine Verwandten, und so viele Leute, von denen du gar nicht weißt, dass sie dich lieben.«

»Jeder sollte einen Freund haben wie dich, Cole. Immer da für einen, immer die richtigen Worte für einen. Du würdest wirklich jedem fehlen, der dich jemals kennengelernt hat.«

»Und du glaubst bei dir wäre das sehr anders?«

»Ja. Ich habe nicht viele Menschen berührt in meinem Leben. Ich bin ein emotionaler Krüppel, wenn man so sagen will.«

»Nur, weil die Leute, die du bisher kennengelernt hast, dich nicht verstehen, heißt das nicht, dass du nicht liebenswert bist, Noah. Bestimmt warst du auch einfach zu blind zu erkennen, wen du berührt hast.«

»Tut mir übrigens leid, du wolltest her um abzuschalten und ich rede ständig über den Tod.«

»Genau genommen redest du fast nie darüber, mich freut, dass du endlich die Kraft gefunden hast um dich mir anzuvertrauen. Das ist mir wichtig, dass du Dinge aussprechen konntest, die du loswerden willst. Leider hast du nämlich Recht, wir können uns nicht sicher sein, dass du noch viel älter wirst. So hart es auch ist, das mal auszusprechen. Und wenn du wirklich das Gefühl hast, dass du noch etwas zu erledigen hast, dann tue das.«

 

Den zweiten Tag redeten wir nicht mehr über Noah und seinen Tumor. Wir sprachen über schöne Erinnerungen, die wir geteilt hatten, aber auch solche, die wir nicht zusammen verbringen konnten. Wir sprachen aber nie über bedrückende Sachen. Dieser Tag gehörte der guten Dinge im Leben. Vielleicht auch minimal der Verleugnung, aber ab und zu braucht man den, um nicht am Leben kaputt zu gehen. Natürlich fragte ich mich auch, was wohl mit Annie ist, aber Faye hatte mir ihr Wort gegeben sich um sie zu kümmern, und ich hatte genug Vertrauen in sie, um dem Drang zu widerstehen mich bei Annie zu melden.

Aber irgendwann kam auch der Tag, an dem ich mich wieder meinem Leben stellen musste, aber mit ein paar neuen Erkenntnissen.

 

»Ich habe dich so vermisst.«

Annie gab mir eine lange Umarmung und ich sah in ihrem Gesicht das erste aufrichtige Lächeln seit langem, und das machte mich so unfassbar glücklich. 

»Ich dich auch.« 

Ich drückte sie immer fester an mich, und sie wehrte sich nicht dagegen. 

»Und wie war die Zeit mit Faye?«

»Wirklich gut. Mir sind einige Dinge klar geworden. Und Faye ist wirklich so toll, wie du es immer besschrieben hast. Vielleicht hättest du uns beide schon eher mal so lange aufeinander loslassen sollen.«

»Wieso? Was habt ihr beide zusammen gemacht?«

»Das wüsstest du wohl gern, Bruderherz.« Faye läuft die Treppe runter und trägt zur Umarmung bei.

 

»Was auch immer zwischen uns passiert, vergiss nie, du bist das erste Mädchen,das ich geliebt habe. Das erste Mädchen wofür ich Gedichte geschrieben habe, was mir gezeigt hat, wie schön so vieles doch sein kann.«

»Ob du es glaubst oder nicht, ich werde das nie vergessen. Genauso wenig werde ich dich vergessen, egal was passiert. Für mich bist du mein Anker, ohne dich wäre ich nicht mehr. Aber dank dir weiß ich wieder Dinge zu genießen.« Annie greift meine Hand und küsst sie.

»Was meinst du mit, "ohne dich wäre ich nicht mehr"?« Bei dem Satz setze mein Herz nämlich kurz aus.

»Ohne deine Liebe wäre ich bestimmt noch in dieser Dunkelheit, aber dank dir fühle ich mich besser als je zuvor. Auch dank deiner Texte.«

»Welcher Text?«

»Ich kenne dein Versteck, wo du alles aufbewahrst. Wenn es mir schlecht geht, lese ich sie.«

»Und meinst du ein ..?«

»Liebe ist für die Liebenden. Hass für die Hassenden. Tod für die Toten. Trauer für die Lebenden. Nichts ist ewig. Nichts ist endlich. Liebende leiden und hassen. Hassende lieben und weinen. Tote leiden und bereuen. Und Lebende? Leb das Leben, lieb die Liebe, ja, hasse selbst den Hass, sterbe den Tod, aber versprich es dir selbst, dass du erst geliebt, gehasst, geweint, gelitten, getanzt, gesungen, ja einfach gelebt hast. Ich habe es mir jede Nacht aufgesagt. Es ist erschreckend, wie gut du mich kennst, ohne es zu wissen. Wie du einfach immer weißt was ich brauche und mir es gibst, und du merkst es nichtmal.«

»Und dir geht es wirklich gut? Ich frage das letzte Mal, wenn du die Frage ehrlich bejahen kannst.«

»Mir geht es gut, wirklich. Meine Mom ist vielleicht nicht mehr da, aber ich habe dich, ich habe Jan, ich habe Leyla, und ich glaube, Faye und ich können auch endlich Freundinnen werden. Ich kriege alles in den Griff. Perfekt ist es nicht, aber ich arbeite daran. Ich fühle mich gut. Meine Medikamente sind endlich perfekt abgestimmt. Ich weiß, was ich fühle, und ich fühle mich gut, und das hauptsächlich dank dir.«

»Du weißt gar nicht, wie sehr ich dich liebe.«

»Bestimmt ungefähr so wie ich dich.«

Sie lacht, und es macht mich so unfassbar glücklich, dass ich sie anschaue und mir die Tränen kommen.

»Diese Seite von dir, sie hat mir so gefehlt. Dich glücklich zu sehen ist für mich das Größte überhaupt.«

Sie küsst mich und es fühlt sich das erste Mal nach langer Zeit wieder echt an. Es fühlt sich an, als ob alles genau so ist, wie es sein muss. Der Sturm ist vorbei, der Regen zu Ende, ja, die Sonne ist endlich am Himmel unserer Beziehung. Endlich.

 

 

Manchmal muss man mit Schmerz rechnen im Leben. Manchmal kommt eine große Dosis aufeinmal, mal kommt lange Zeit garkeine. Schmerz ist unvorhersehbar und man denkt.. unaushaltbar, aber glaubt mir eins: Nach jedem schmerzhaften Erlebnis kommt eins, dass einem das Leben wieder genießbar macht, manchmal sogar mehr als das. Also seid geduldig. Die Welt ist nicht nur schwarz, nicht nur weiß, Ying und Yang hat viel wahres an sich. Das Gute verbirgt sich im Schlechten, sowie das Schlechte im Guten. Nichts ist pur, selbst der größte Schmerz nicht, denn wenn nach Schmerz kein Glück kommt, dann kommt zumindest immer die Stärke.

Faye McCohen/Noah Simmons

Noah

 

Morgen ist es soweit, meine große Operation findet statt. Mein Kopf wird aufgebohrt und ein Teil meines Hirns, das nicht so ist, wie es sein sollte, wird entfernt. Mein Leben könnte morgen enden. Oder die Hoffnung auf Besserung, falls die OP nicht erfolgreich zu bewältigen ist. Aber im besten Fall bin ich endlich frei von der Angst jung zu sterben. Ich würde lügen, wenn ich sage, dass ich keine Angst habe. 

»Und deine Eltern kommen also?« 

Faye steht im Türrahmen meines Zimmers. Ich hatte sie die letzten Tage gemieden, seitdem ich gemerkt hatte, was ich inzwischen in ihr sah.

»Ja, sie haben es endlich geschafft auch mal zu kommen.«

»Wie meinst du das?«

»Du kennst das nicht, deine Eltern sind immer da für dich. Meine verhalten sich da sehr merkwürdig.«

Faye ist ganz still. Ich weiß nicht, was sie will, deshalb frage ich einfach mal frech nach.

»Wieso bist du wirklich hier?«

»Denkst du nicht wir sollten über neulich reden?«

»Was gibt's darüber zu reden?«

»Tu' nicht so, als hätte ich mir irgendwas eingebildet, was eindeutig da war.«

»Und was soll das sein?«

»Das hier zum Beispiel.«

Sie legt ihre Hand an meine Wange, wie aus Reflex, packe ich sofort ihr Handgelenk, aber ihre Hand wegbewegen tue ich nicht. Stattdessen sehe ich sie an. Aber schnell rüttle ich mich wach.

»Selbst wenn du Recht hast, was für einen Sinn hat das Ganze?«

»Warum muss bei dir immer alles Sinn machen? Lass dich mal fallen!«

»Den Luxus habe ich nicht, verstehst du das nicht, Faye?«

Ich streife ihre Hand von meiner Wange weg und sehe, wie eine Mischung aus Wut und Trauer in ihr hochsteigt.

»Du bist so ein Feigling.«

»Sei du mal mutig, wenn du dem Tod in die Augen schauen musst.«

»Und schon wieder! Glaubst du ich war noch nie in einer ähnlichen Situation? Ich habe gesehen, wie Leute gestorben sind! Unfassbar wie .. vergiss es. Dass ich überhaupt mit dir reden wollte, unfassbar.«

 

Faye

 

Es ist unglaublich was einige Leute sich für Gedanken rechtlegen. Noah ist so ein Feigling. Zu feige zum leben, zu feige zum sterben. So.. Es ist ja nicht als hätte ich gar kein Verständnis für seine Situation, aber ich weiß doch, was er will, was ich will. Oder bin ich einfach nur egoistisch? 

»Hallo. Du musst Faye sein, wie groß du schon bist.. ich bins, Lori, Noahs Mutter.«

Vor mir stand eine kleine etwas dickere Frau mit kurzen blonden Haaren. Sie sah gar nicht aus wie Noahs Mutter, weder wie ich sie in Erinnerung hatte, noch wie sich jemand die Mutter von einem Jungen wie Noah ausmalen würde. Hätte sie sich nicht vorgestellt, hätte ich sie nicht erkannt.

»Und ich bin Paul, schön dich mal wieder zu sehen Faye.«

»Hey, ich freue mich auch, Noah ist im Gästezimmer den Gang runter.«

»Das hat uns Cole auch gesagt, magst du uns begleiten?«

»Ehm,-«

»Super, danke Faye. Euer Haus ist so wunderschön, da wird man ja glatt neidisch, Faye.«

»Danke, Misses Simmons.«

»Es ist Miss Simmons, wobei es für dich ja sowieso Lori sein sollte, Faye.«

Ich hatte vergessen, "Lori" bestand darauf, dass wir sie dutzten und sie erwähnte den Namen, der Person mit der sie sprach ausnahmslos immer. 

Ich klopfe an Noahs Tür und als er die Tür öffnet, bin nicht nur ich schockiert.

»Was willst du noch?«

Er steht mit nassen Augen vor uns. Ich fühle mich direkt schlecht und will nur weg.

»Ihr versteht euch immernoch nicht? Faye, ich dachte du würdest verstehen, dass Noah Ruhe braucht. Und Zuneigung.. Och, Noah, Schatz, was hat sie denn gesagt?«

»Lori, Noah hat bestimmt einfach Angst, was soll Faye schon gesagt haben. Komm mal her, Junge.«

Noah wird in den Arm genommen, und ich stehe da und kann keinem mehr in die Augen gucken. Ich will einfach gehen, aber noch fiel das Stichwort nicht. 

»Danke, Faye, Peter und ich wären jetzt doch lieber allein mit Noah.«

»Kein Problem.« 

Und schon rase ich hoch in mein Zimmer. Ich habe einen Jungen der vor dem Tod steht tatsächlich zum weinen gebracht. Was für ein schlechter Mensch muss ich nur sein..

 

Noah

 

Meine Eltern waren also tatsächlich da. Während ich zu meinem Vater noch ein ganz annehmbares Verhältnis hatte, konnte ich - so grausaum es auch klingen mag - meine Mutter nicht leiden. Sie hat mich nie akzeptiert, meine Geschwister bevorzugt, mich versucht zu ändern, mich vor anderen schlecht geredet.. erst nachdem meine Krankheit bekannt war, wusste sie sich zu helfen. Für mich machte es das alles nur schlimmer. Mein Vater hielt es auch nicht ewig mit ihr aus, und verließ sie. Er hat inzwischen eine neue Familie, sogar zwei kleine Söhne, die ich kaum kenne. Meine ältere Schwester lebt in England und um ehrlich zu sein, weiß ich nicht ob sie wirklich verstanden hat, wie schlecht es um mich steht. Mein älterer Bruder studiert irgendwo, ich weiß nichtmal wo. Ihm war ich immer peinlich, in der Schule hat er geleugnet, dass ich sein Bruder bin. Ergo, der einzige Mensch mit dem ich mich halbwegs verstehe, ist mein Vater. Aber seitdem er eine neue Familie hat, ist seine Zeit stark begrenzt.

»Was hat Faye denn gemacht? Warum weinst du? Warum bist du sie so angegangen, Noah?«

»Mutter, es ist nichts.«

»Aber du weinst doch, Noah.«

Ich hebe meine Augenbrauen. Manchmal frage ich mich, ob sie sich selbst daran erinnern muss, mit wem sie spricht, oder wieso erwähnt sie immer die Namen der Personen, mit der sie gerade redet?

»Ich habe halt Angst, ok? Darf ich das nicht? Ist dir das nicht männlich genug? Zu emo?«

»Noah, so meinte ich das nicht. Ich sorge mich doch nur um dich.«

»Deshalb bist du so oft hier? Dad ruft mich wenigstens immer an und fragt wie es mir geht, aber du? Wieso bist du überhaupt gekommen? Bestimmt für dein Gewissen, nicht für mich.«

Mein Dad hätte früher gesagt, dass ich nicht so mit meiner Mutter sprechen soll, aber inzwischen stimmte er mir zu. Meine Mutter hatte für nur sehr wenig Leute wirklich was übrig, eine davon war sie selbst.

»Peter, sag doch was, wie lässt du deinen Sohn mit mir reden?«

»Meinen Sohn? Er ist unser Sohn und wir sind hier um ihm beizustehen, also hör auf ihn so zu bedrängen und zu durchlöchern. Schlimm genug, dass weder Meghan, noch Oliver gekommen sind. Er braucht uns jetzt.«

Ich lächelte meinem Dad zu, und er nahm mich nochmals in den Arm. Er war wirklich ein Mensch, der es allen recht machen wollte, deshalb hat er es auch so oft versucht mit meiner Mutter. Er hat gehasst, wie sie Oliver und Meghan immer als Vorzeigekinder präsentiert hat. Ich glaube er weiß es nicht, aber er hat mich immer bevorzugt, und ich weiß, dass es in gewisser Hinsicht so war, weil ich ihm leid tat, aber er liebt mich halt bedingungslos. Er hat mich immer so geliebt wie ich bin, meine Mom hingegen hat mich immer dafür gehasst, wie ich bin. Ich glaube sie hat sich geschämt für mich und mich so oft verschwiegen, wie es ging. Oliver war da nicht anders. Meghan war, bis sie nach England abgereist ist, eigentlich immer eine gute Schwester, aber in England hat sie wohl ihr eigenes Leben aufgebaut.

»Danke, Dad. Ich hätte nie gedacht, dass ich das sage, aber ich habe Angst, und ich brauche jemanden, der das hier mit mir durchsteht.«

»Wir sind hier. Ich wäre gern eher gekommen, aber ich wollte die Kleinen nicht mitnehmen und eher hat Ellen nicht frei bekommen. Aber ich habe mich so oft es ging gemeldet.«

»Dad, du hast jeden Tag angerufen, das ist mehr als jemand in meinem Alter erwarten darf.«

 

 

Faye

 

Ich sitze nun seit einigen Stunden auf meinem Bett rum und sehe mir alte Bilder auf dem Laptop an, als es an der Tür klingelt. Dann merke ich auch erst, wie spät es ist.

»Ja?«

Die Tür geht auf und Noah kommt in mein Zimmer.

»Ich wollte mich bedanken.«

»Für was willst du dich denn bedanken?«

»Ich weiß, dass du meine Eltern eingeladen hast, dich darum gekümmert hast, dass sie kommen.«

»Ich habe auch deine Geschwister angerufen, aber deine Schwester war nicht zu erreichen und dein Bruder, Oliver? Er.. ist ja egal.«

»Du brauchst mich nicht schonen.«

Ich schlucke einmal, bevor ich auch nur den Mund öffnen kann.

»Sein Worte möchte ich nicht aussprechen.«

Noah setzt sich auf mein Bett zu mir und guckt auf den Laptop. Ein Bild von mir und Cole ist zu sehen.

»Manchmal wünschte ich mir, ich und Oliver, oder ich und Meghan wären uns so nah wie du und Cole.«

»Dein Bruder ist ein Arschloch. Sowas verdient dich nicht.«

»Also verdient mich jemand nicht? So viel hälst du doch von mir?« Er lacht, aber ich will nicht dieses komische Spiel weiter spielen. 

»Wieso bist du hier? Du hast nichts wofür du dich bedanken musst.«

»Ich wollte dich nocheinmal sehen. Ich wollte nicht so auseinander gehen, wenn wir uns vielleicht nicht nochmal sehen werden.«

»Was redest du? Natürlich werden wir uns nochmal sehen.«

»Faye, ich werde am Hirn operiert, das ist kein Holzsplitter den man mir entfernt.«

»Mein Dad wird dich schon nicht sterben lassen, also sag sowas nicht.«

»Ich könnte sterben, Faye.«

Ohne es zu merken, verpasse ich ihm einen Schlag ins Gesicht. 

»Oh mein, ich, s- Ich wollte das nicht, aber du sollst sowas nicht sagen.«

»Schon ok.« Noah lacht wieder, und diesmal lache ich auch unwollend mit.

»Es ist nur, ich will sowas nicht hören, ich glaube daran, dass du aufwachst und endlich gesund bist.«

»Weißt du, das ist der Grund, warum letzens nichts passiert ist.«

Ich schaue ihn nur verdutzt an.

»Ich will dir nicht unnötig wehtun.«

»Merkst du denn nicht, dass es dafür vielleicht schon ein wenig zu spät ist?«

Ich nehme seine Hand und halte sie fest, als ob ihn das vor allem beschützt und er direkt geheilt ist. Aber leider ist er das nicht und er wird sich morgen unters Messer legen müssen.

 

 

Noah

 

Ich bin so ein Lügner, ich wollte mich nicht bedanken, ich wollte mich verabschieden, wollte sie nochmal sehen. Gut, vielleicht wollte ich ihr doch auch danken, aber das war nicht der Hauptgrund. Und jetzt wo sie meine Hand hält, merke ich, wie ich schwach werde. 

»Ich werde jetzt schlafen gehen.«

Ich stehe auf und laufe zur Tür, dann spüre ich wie sie mich fest drückt und nicht gehen lassen will.

»Pass auf dich auf, Noah. Sonst .. fehlt was großes.«

Ich drehe mich um und lehne mich gegen meine ganzen Prinzipien auf und küsse sie. Und das ist wohl das, worauf sie gewartet hat, denn sie zieht sich an mir hoch und plötzlich halte ich sie im Arm und knalle dabei gleichzeitig gegen die Tür. Ihre Hände sind wieder an meinen Wangen, während ich sie mit meinen Armen hoch halte und an mich drücke. Und wir küssen uns lange. Immer und immer wieder. Ich spüre, dass es überfällig war. Ich spüre eines der Dinge, die ich noch erleben wollte, falls ich doch jung sterbe: Lust. Ich kriege Lust aufs Leben. Auf die Liebe, denn vielleicht ist es das mit ihr, vielleicht ist es auch nur die Lust die im Überschwang des  Augenblicks lebt, wer weiß das, wen interessiert das gerade jetzt? Ich fühle mich so lebendig wie lange nicht mehr. Ich steuere aufs Bett zu und lasse sie fallen, im selben Moment zieht sie mir mein Oberteil aus und legt sich hin. Ich lege mich zu ihr und küsse sie immer wieder. Mund, Nase, Hals, Brust, Bauch.. Ich will ihr nah sein, und ich spüre wie auch sie meine Nähe sucht. Und ehe wir uns versehen sind wir ins so Nahe wie sich zwei Menschen nahe sein können. 

Es ist schon spät als wir im Arm des Anderen liegen und uns anschauen. Aber das ist egal, ich weiß jetzt, dass ich etwas habe, wo es sich für lohnt zurück zu kommen. Und ich werde alles mir Mögliche dafür tun, damit das hier nicht einmalig ist, damit das nicht der dramtische Höhepunkt einer kurzlebigen Romanze sein wird. 

»Ich würde gerne bleiben, aber ich glaube die ein oder andere Stunde Schlaf sollte ich doch versuchen zu bekommen. Bis bald.«

»Versprochen?«

»Ich werde alles tun dafür, versprochen.«

 

Faye

 

Es ist das erste Mal, dass ich es nicht zu einem Prozent bereue, dabei sollte es genau dieses Mal sein, dass ich jetzt schon mit Bereuen anfangen sollte. Denn er hat Recht, vielleicht wird es uns gar nicht gewährt sein weitere Zeit miteinander zu verbringen. Aber ich glaube genau das macht diesen Moment so besonders. Ich weiß, dass der Moment zählt. Jeder kleine Moment, den ich noch mit ihm teilen darf. Und ich hoffe, und irgendwie meine ich es auch wissen zu mögen, dass das nur der Anfang war.

»Ich werde beten, wie ich noch nie gebetet habe, das verspreche ich. Bis Bald.«

Er geht, aber kurz bevor er mich zurücklässt, lächelt er mir zu und es trifft mich. Eine erste Träne läuft mir die Wange entlang. Das darf nicht das letzte Mal gewesen sein. Und eine weiter Träne, während sich die Tür schließt. Und bei jedem Schritt den ich höre, fällt eine Träne, bis das Schluchzen hinzukommt und ich heulend in meinem Bett liege. Die Angst hat mich gepackt. Die Hoffnung ist noch da, aber die Angst ist es jetzt auch. Ich weiß nicht, ob es einfach daran liegt, dass das eben, dieses wunderschöne und so seltene Lächeln vielleicht der letzte Moment sein könnte, den ich mit ihm verbinde. Und das, das zerbricht mir das Herz. Er muss es schaffen, er darf es nicht nicht schaffen. Er verdient wie jeder andere ein Leben, das länger ist als knapp zwanzig Jahre. Er verdient es, sich zu verlieben. Freunde fürs Leben zu finden. Sein erstes eigenen Auto zu kaufen, ein eigenes Haus, einen Ring für eine ganz besondere Frau. Kinder zu kriegen, und deren Leben zu verfolgen, während man seins genießt. Er soll ohne Angst leben können, sich nicht dazu zwingen müssen vorsichtig mit Leuten zu sein. Er soll sich sicher fühlen, wenn er Gefühle investiert in Personen. Soll sich dabei nicht schuldig fühlen, nicht als ob er die Leute in die Falle führt. Er soll leben dürfen!

 

Dementsprechend schwierig verläuft der nächste Tag. Ich bin angespannt und kann mich auf nichts konzentrieren. Genaugenommen bin ich gar nicht erst aus dem Bett gestiegen. Ich traue mich auch nicht auf die Uhr zu gucken. Immer mehr schlechte Gedanken manifestieren sich in meinem Kopf. Ich kriege Angst. Ich weiß einfach nicht, wie ich zu reagieren habe.

Nach einer gefühlten Ewigkeit traue ich mich nach unten und setze mich in die Küche.

»Bist du gar nicht zur Schule gegangen?«

»Du bist doch auch hier, Mom.«

»Touché.«

Uns beiden entwischt ein kurzes Lachen, aber dann verfallen wir in eine angespannte Stimmung.

»Ich dachte ihr mögt euch nicht. Habe ich da was verpasst, Schatz?«

Ich brauche gar nichts sagen. Ich schaue sie nur an, und sie weiß sofort, was ich für Noah fühle.

»Darauf habe ich wirklich länger warten müssen als gedacht. Wir alle.«

»Was soll das denn heißen?«

»Dein Vater und ich haben zwischen euch immer was erahnt. Eltern haben nun doch sowas wie Superkräfte.«

»Da kennt mich ja jemand besser als ich mich selbst kenne.«

»Naja, läuft es denn nicht immer darauf hinaus? Jemanden den man hasst, den muss man nur besser kennenlernen, und dann weiß man, man hat Hass mit Liebe verwechselt.«

»War das bei dir und Dad auch so?«

Ich war dankbar für dieses Gespräch. Es lenkte meine Gedanken in eine gute Richtung.

»Wir haben euch das nie erzählt - weder dir, noch deinem Bruder.. aber vielleicht auch, weil es doch etwas seltsam ist.«

»Jetzt hast du mich aber neugierig gemacht!«

»Dein Dad, er war genaugenommen vergeben. Er war bereits am Studieren, ich hab noch daraufhingearbeitet. - ein wenig Geld verdient und gespart. Er kam immer in das Café, in dem ich gearbeitet habe und ich konnte meine Augen nicht von ihm nehmen. Ich hab ihn .. ich glaube heutzutage würde man das schon fast stalken nennen. Ich habe versucht mitzuhören, was er studiert und wie er heißt. Und dann habe ich mich vorgestellt. Als eine seiner Komilitoninnen. Ein bisschen Flunkern stört ja nicht, stimmt's?«

»Langsam machen mir meine eigenen Angewohnheiten gar nicht mehr Angst. Du bist ja nochmal ne ganze Schippe drauf.«

»Du kommst ja nicht von irgendwoher. Nun denn, ich habe mich vorgestellt und wir haben immer wieder mal was unternommen. Alles lief gut, bis er mit mir lernen wollte. Ich habe mich so dumm angestellt, dass ich aufgeflogen bin.. Beziehungsweise er wusste von Anfang an, dass ich mich eingeschlichen hatte. Er nahm es aber mit Humor und wir trafen uns öfter. Irgendwann hatte ich dann von seiner Freundin erfahren und ihn darauf angesprochen. Und ja, dann erfuhr ich von ihm, dass die Freundin mehr oder weniger arrangiert war. Und er schon länger an einer Trennung arbeite. Sprich, er wollte sich trennen, aber sie hat es genau genommen nicht akzeptiert. Und dann habe ich mich darum gekümmert.«

»Mom! Was hast du getan?«

»Naja, ich bin mit ihm auf einen Ball gegangen. Sie war dort und war sichtlich schockiert. Als seine Mutter dann kam, stellte er klar, dass er sich bereits mehrmals vergeblich von ihr getrennt hat. Die ersten Jahre unserer Beziehung war seine Mutter nicht besonders angetan von mir. Aber über die Jahre konnte sie sich doch mit mir anfreunden. Spätestens als ihr dann auf die Welt kamt.«

 

Wir saßen noch ein paar Stunden in der Küche, bis endlich jemand nach Hause kam. Es war mein Vater. Er war sichtlich angespannt und dies übertrug sich direkt auf uns.

»Seth..?«

Er schaute zu uns rüber und strich sich mit seiner Hand durchs Gesicht und fing an zu weinen. Ich hatte meinen Vater noch nie weinen sehen. Meine Mutter ging direkt zu ihm rüber und nahm ihn in den Arm. 

Ich stand nur dort und mir kamen die schlimmsten Erinnerungen hoch. Irgendwas schlimmes war passiert.. Konnte mein Vater doch nicht operieren? War der Zustand doch schlimmer als erahnt? Oder.. war Noah sogar gestorben? Mein Herz blieb stehen und auch ich fing an zu weinen.

»Hey, mein Mädchen..«

Mein Vater kam direkt rüber und nahm mich in den Arm. 

»Er ist tot, stimmt's?« 

»Nein, mein Schatz. Alles ist noch im grünen Bereich. Er ist nur noch nicht aufgewacht.«

»Ist das ein schlechtes Omen?..«

»Nicht zwangsläufig. Es ist für die Umstände aber durchaus im Rahmen. Mach dir keine Sorgen.«

 

Noch am selben Tag fuhr ich ins Krankenhaus. Ich war allein, weil ich dem allein gegenübertreten wollte.

»Guten Abend, Faye. Wie geht's dir, Süße?«

Schwester Samantha kannte mich seit ich ein kleines Mädchen war und grüßte mich herzlich.

»Hey Samantha. Mir geht's okay. Wie geht's dir?«

»Ach, kann mich nicht beklagen, Süße. Du willst bestimmt zu Noah.. eigentlich darfst du ja nicht, aber da ich dich kenne, werde ich was organisieren. Warte kurz hier.«

Es dauert nicht lang und ich stehe vor der Tür zum Zimmer. Er liegt alleine in einem komplett weißen Raum. Er selbst trägt ebenfalls weiß und liegt von Schläuchen und Maschinen umgeben im Bett. 

Es dauert allerdings doch etwas länger bis ich mich aufraffen kann in das Zimmer zu gehen.

Als ich mich endlich überwinden kann, setze ich mich neben ihm ans Bett und schaue ihn erst nur an. 

Dann nehme ich seine Hand und küsse sie. Erneut laufen mir die Tränen runter und ich bin sowohl glücklich als auch traurig.

 »Faye, meine Liebe. Was machst du denn hier?«

»Guten Abend, Lori. Ich wollte ihn nur kurz besuchen.«

Ich schaue an mir herunter und bemerke erst jetzt in welchem Zustand ich das Haus verlassen habe. 

Ich trage meinen Pyjama und bin ungeschminkt. Meine Haare traue ich mich gar nicht genauer anzugucken.

»Das wundert mich jetzt aber nach dem Vorfall letzens.«

Auch Noahs Vater ist da und schaut mich verduzt an, er lächelt allerdings im Gegensatz zu Lori.

»Lori, bitte. Das Mädchen besucht unseren Sohn, weil sie ihn gern hat. Daran ist doch nichts auszusetzen.«

»Paul, ich bitte dich. Sie - nichts gegen dich mein Schatz, die beiden können sich doch gar nicht leiden.«

»Du verstehst auch gar nichts.«

»Was verstehe ich denn nicht, Paul?«

»Mir liegt viel an Noah, Lori. Ich habe sie hergebeten, weil ich wollte, dass er das nicht alleine durchsteht, weil ich wollte, dass er es packt. Ich - ich brauche ihn.«

»Was soll das denn heißen? Wir wären gekommen, nur hatte uns vor dir keiner von einer Operation erzählt.«

»Noah wollte das nicht und mein Vater muss sich an solche Wünsche halten. Ich habe keinen Doktor zu verlieren und habe mir die Mühe gemacht euch zu erreichen.«

Es ist das erste Mal, dass ich Lori aufrichtig lachen sehe. Sie schaut zu Noah und schüttel lachend den Kopf.

»Er denkt er braucht niemanden, das tut er wirklich. Aber er braucht uns und wir, wir brauchen ihn.«

 

In dem Moment kommt noch eine Person in den Raum. Für mich ist es ein völlig Fremder, allerdings merke ich anhand von Loris Reaktion wer da vor mir steht: Oliver.

»Mom, Dad..«

Er umarmt seine Eltern und ignoriert mich zunächst vollkommen. Er geht auf das Bett hinzu und schaut Noah an.

»Warum ist er noch nicht wach?«

»Man weiß nicht warum, aber .. wir sind guter Dinge.«

Er sieht Noah ähnlich, aber Noah hat was eigenes - was markantes. Oliver hat ein kindlichereres Gesicht, wenn man das so sagen kann. Aber er ist ähnlich gut gebaut wie Noah.

»Du bist bestimmt das Mädchen das mich angerufen hat, oder?«

»Ja, das war ich..«

Ich erinnere mich an seine Worte und mir wird schlecht.

»Du hast nie mit mir gesprochen. Das war mein Mitbewohner.«

Jetzt wo er es erwähnt, klingt seine Stimme nicht wie am Telefon. Seine Stimme war außerordentlich tief, so wie die von Noah.

»Das würde ich hoffen. Es sind ein paar nicht so nette Worte gefallen.«

»Ich bin zwar kein Vorzeigebruder, aber Noah ist und bleibt mein Bruder. Ich werde immer wollen, dass es ihm zumindest gut geht.«

»F-Fa-Faye?«

Alle schauen auf das Bett. Noah hat die Augen noch zu, aber sein Griff um meine Hand festigt sich und er lächelt. 

»Hey, du hast es geschafft. Du hast dein Versprechen gehalten!«

Mir laufen die Tränen herunter.

»Noah, Noah, Mami ist auch hier.«

»Lori, reiß dich mal zusammen.«

Noah hatte definitiv Recht, sein Vater war kein schlechter Mann, aber seine Mutter war mehr als nur egozentrisch. Selbst sein Bruder verdrehte die Augen - die Favorisierung beruht wohl nicht auf Gegenseitigkeit.

»Danke.«

Seine Stimme klingt noch dunkler als gewöhnlich und er redet auch nur ganz langsam, aber ich bin froh, dass es ihm anscheinend gut geht.

»Ich gebe mal einem Arzt bescheid.«

»Oliver?«

»Ja, dein Bruder ist gekommen. Er war gar nicht am Telefon als ich angerufen hatte. Er ist extra für dich gekommen. Deine Eltern sind auch hier.«

Und erneut sehe ich einen Vater weinen. Noahs Vater steht am anderen Bettende und hält Noahs Hand. Ich kann sehen, dass er erleichtert ist und das macht mich glücklich.

Miguel "Spike" Sanchez

Als Jugendlicher denkt man die Welt dreht sich um einen selbst - normalerweiser tut man das. Ich habe noch nie so gedacht. Ich hatte immer andere Personen in den Mittelpunkt meines Lebens gestellt: Faye, Alex, Raven, meine Eltern. Jetzt war jemand anderes dran: Ich.

 

 

»Guten Morgen, Bruderherz. Fährst du mich zur Therapie runter?«

»Klar, wann müssen wir los?«

Müde schaue ich rüber zur Uhr und gähne dabei.

»Du hast zwanzig Minuten Zeit. Sollte für eine Dusche und ein kleines Frühstück reichen, also..«

»Glück für dich. Bin dann gleich soweit.«

 

Im Auto ist Raven still wie immer. Während sie sonst immer gut gelaunt ist inzwischen und vor Freude platzt.. ist sie auf dem Weg zur Therapie doch leise. Es ist erst durch die Gruppentherapie so. Sie erwähnt auch immer zu ein Mädchen, allerdings kann ich mich an keinen Namen erinnern. 

»Viel Erfolg, ich warte einfach hier auf dich.«

»Danke. Hab dich lieb.«

Ich nicke ihr zu und hole ein Buch aus dem Handschuhfach. Ich fahre zwar selten Auto, aber ich sorge immer dafür, dass ein gutes Buch im Handschuhfach liegt.

Ich bemerke gar nicht wie die Zeit verfliegt.

»Buh!«

Ich werfe vor Schreck fast das Buch gegen die Decke und schaue belustigt zu Raven, die so sehr lacht, dass ihr schon die Rotze aus der Nase hängt.

»Sorry, Bro. Ich kenne so eine Reaktion gar nicht von dir.«

»Alles gut. Erzähl mal, wie war es?«

»Also..«

 

(noch nicht beendet / in progress)

Raven Sanchez/Annie Germaine

 COMING SOON

Loreen Cocca/Vivian Cocca

COMING SOON 

Jill Edwardsen/Ethan Shark

COMING SOON

Ein ungewollter Gast

COMING SOON

Und was kommt jetzt?

COMING SOON

Impressum

Texte: All right reserve to me
Bildmaterialien: All rights reserve to their rightfull owners
Tag der Veröffentlichung: 26.01.2014

Alle Rechte vorbehalten

Nächste Seite
Seite 1 /