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"Du kannst alles."

Blondes Haar, tiefblaue Augen, ein wunderschön platzierter Muttermal auf dem Hals, zum Küssen einladende Lippen, dichte und dunkle Augenbrauen, und eine Ausstrahlung, die ich so noch kein zweites Mal gesehen habe. Kurz gesagt: die Perfektion in Person. Für mich war er das.

Nun war es schon fünf Jahre her, dass ich ihn zum ersten Mal gesehen habe, aber trotzdem ist es so, als ob ich ihn immer wieder aufs neue kennen lernen würde. Denn jedes Mal, wird mir warm, die Röte schleicht sich in mein Gesicht, mein Hals schnürt sich zu und meine Augen weiten sich. Er raubt mir einfach den Atem, und das seit fünf Jahren. Fünf hoffnungslosen Jahren.

Wir lernten uns auf der Schule kennen. Von der fünften zur neunten Klasse saßen wir Tag ein, Tag aus im selben Raum; fünf mal die Woche. Und mit jedem Tag der verstrich, wuchs mein inneres Verlangen nach ihm. Zunächst unterdrückte ich es, oder sagen wir mal, wusste ich nicht, wie intensiv dieses Verlangen noch werden würde. Immerhin war ich ja erst elf Jahre alt, und er auch. Doch mit jedem Jahr, mit jedem Geburtstag, mit jedem Zeugnis, wusste ich immer mehr, was ich wollte: ihn. Nur ihn. Und ich sollte Recht behalten, denn ich hatte seitdem keinen anderen Jungen mehr im Kopf als ihn. Dabei kann ich nicht behaupten, er hätte sich großartig für mich interessiert, viel für mich getan, nein. Aber es waren Kleinigkeiten, die mich dazu brachten, mich in ihn zu verlieben. Sei es ein kleines Kompliment, seine Bemühungen mir zu zeigen, dass er etwas kann; Kleinigkeiten eben. Ich kann mich zum Beispiel noch genau daran erinnern, wie er mir an dem letzten gemeinsamen Frühstuck als Klasse, gegenüber von mir saß. Meine Lehrerin bat uns, einen kleinen Vortrag über ein bestimmtes Thema zu formulieren und ihn anschließend vorzutragen. Meine beste Freundin, Ich, ein anderes Mädchen und er bildeten eine Gruppe. Wir schrieben alle etwas auf, diskutierten darüber und hatten den Vortrag sogut wie fertig. Dann mussten wir entscheiden, wer vortragen sollte. Obwohl ich gar nicht mal so schlecht darin bin, melde ich mich selten freiwillig, immerhin bin ich allgemein ein eher schüchterner Typ, und mir fällt es auch schwer Augenkontakt mit Menschen zu halten. Sei es in einem Gespräch, ein kuzer Blick im Bus oder eben bei einem Vortrag. Also sagte ich, dass ich es eher ungern tun würde. Da kam er mit einem Satz, der mit seit zwei Jahren immer noch im Kopf rumschwirrt, dabei bin ich mir sicher, dass er einfach nur nett sein wollte.. 

"Du kannst alles."

 

Keiner ist perfekt.

Und obwohl er anders ist als all' die anderen, ist er nicht in dem Sinne perfekt, wie es der Duden beschreiben würde. Sondern in meiner. Und ich habe Perfektion schon immer als den Zustand beschrieben, wo mich selbst kleine Fehler nicht schönen, und die Schönheit der Person so sehr strahlt, dass ich die Imperfektionen ausblende, und es irgendwie eben die sind, die diese Perfektion ausmachen. Er zum Beispiel hatte viel, was mir gefiel. Sei es sein makelloses breites Grinsen, seine dunkelbraunen Wimpern die in die Länge schlugen, wie er einerseits der extrovertierteste Junge der Welt sein konnte, und andererseits der schüchternste, den ich je gesehen habe. Er hatte immer viel zu sagen, nicht mit Worten, aber mit Blicken. Blicke, die mich träumen ließen, die mir die Angst nahmen. Er war in so vielen Hinsichten meine Rettung. Dafür werde ich ihm nie danken können, da ich dazu nie den Mut aufbringen werde, denn dazu müsste er die ganze Geschichte wissen. Und mittlerweile hat er sich verändert. Er ist nicht mehr der höfliche Junge, der einem mit seinem Lächeln alle Ängste nehmen kann, er ist auch nicht mehr der ehrgeizige Junge, der auf Parties verzichtete zu trinken, um anderen, die es nicht taten, aus der Patsche zu helfen. Er war so ehrenvoll. Er war. Mittlerweile hatte er sich der breiten Masse angeschlossen. Parties, Rauchen, Mädchen, eine isolierende Schale und keine Individualität mehr.

 

"Amélie!", eine angenehme Stimme riss mich aus meinen Gedanken. Es war die von Mel, meiner besten Freundin. Sie war ein wunderschönes aber unscheinbares Mädchen. Mit ihren langen blonden Haaren, ihrer zierlichen aber kurvenreichen Figur, ihrem herzförmigen Muttermal auf der Wange und vor allem, ihrem makellosen Charakter war sie ein guter Fang, aber kein Junge war hell genug um dies zu raffen. Stattdessen interessierten sie sich für Mädchen wie Fiona, die nichts tat, als mit Jungs auszugehen, ihnen ihre Zunge aufzudrängen, und dann zu behaupten, der Typ sei ihre große Liebe. Aber soll mir Recht sein. "Entschuldigung. Ich war in meiner Welt." So nannte ich es, wenn ich so tief in Gedanken versunken war, dass ich nichts, was um mich herum geschah, wahrnahm. "Hast du schon gehört, Fiona hat wieder 'n Neuen. Diesmal einen, der schon Auto fahren darf." Ich strich mir meine dunkelbraunen Haare aus dem Gesicht, und legte sie hinter meine Ohren. "Wenn sie nur wenigstens hübsch wäre, aber.." "Du sagst es", wandte Mel ein, "nichts an ihr ist schön. Rein gar nichts. Und mit ihrem Charakter brauche ich ja gar nicht anzufangen." Ich nickte Mel zu, und dachte über ihre Aussage nach. Und sie hatte Recht. Fiona war kein schönes Mädchen, vor allem nicht von Natur aus. Sie war allerdings genau der Typ Mädchen, der bei den Jungs ankam: groß, blond, sehr blond.., leicht zu haben, sehr dünn, blaue Augen. Zwar behauptete jeder Junge, er würde sie hässlich finden, oder auch, dass er nie etwas mit ihr anfangen würde. Nach ein paar Wochen erfuhr man, wie diese Junge auf der letzten Party was mit ihr hatte. Lustig, nicht? Auch er war einer davon.. Er hatte sich auf einer Party so zur Bessinungslosigkeit getrunken, dass er mit ihr rummachte, dabei hatte sie (ungelogen) fünf Minuten davor noch einen Freund. Aber für ihn, für Finn, hatte sie laut eigener Aussage eine Schwäche. Erst vor kurzem musste ich mir von einer gemeinsamen Freundin anhören, wie Fiona Finn als ihre große Liebe schlechthin betitelte, an sich keine große Sache, so nannte sie jeden ihrer Flirts, aber in dem Fall, war es wirklich so, dass sie immer mal wieder auf ihn stand. Was er so fühlte, und fühlt, das kann ich euch nicht sagen, ich hatte immer viele Vermutungen, aber nie konnte ich eine verifizieren. Nie.. "Amélie, hast du mich gehört?" Erneut riss mich Mels Stimme aus meinen Gedanken. Ich fixierte meinen Blick auf ihren, auch wenn es mir schwer fiel, und signalisierte ihr so, dass ich ihr zuhören würde. "Ich hatte dir ja erzählt, dass Finn und Fiona rumgemacht hatten letzten Samstag. Was ich dir nicht gesagt habe, ist, dass ich Lena gefragt habe, ob sie da mehr wisse. Sie meinte, sie hat ihn darauf angesprochen und er meinte, er konnte nicht reagieren." "Das heißt, was?" "Dass er es nicht wollte. Sie hat die Nummer abgezogen wie mit Phillip." "Armselig." "Fiona eben." Mel wusste, was sie mir damit für Fragen nahm. Sie wusste immer, wie sie mich aufmuntern konnte. Ich konnte mich eben voll und ganz auf sie verlassen, so wie sie auf mich. Wir brauchten selten viele Worte, um das zu sagen, was wir wirlich wollten. Meistens reichten Gesichtsausdrücke. Nicht mehr, und nicht weniger.

Die zehnte Klasse war bereits wie im Flug verflogen. Nicht mehr lange, und wir hatten Sommerferien, und danach würde es um Punkte gehen. Es war das erste Jahr der Oberstufe, man wollte es kaum glauben. Oberstufe. Bald schon waren wir alle aus der Schule raus, nur noch zweieinhalb Jahre. Ich hatte zunächst wirklich Angst vor der Oberstufe, immerhin waren es keine Klassen mehr, sondern Kurse. Das heißt, du musstest, ob du wolltest, oder nicht, neue Freundschaften schließen. Man hat Leute kennengelernt, von denen man vorher nicht einmal den Namen wusste. Wie zum Beispiel von Luise, Catrin oder auch Lena. Mit denen hatte ich mich gegen meine Erwartungen angefreundet, aber damit war ich mehr als nur zufrieden, denn sie alle waren toll. Das war etwas, dass ich behaupten konnte. Mit denen hatte ich viele Kurse, es würde früher oder später darauf hinauslaufen. Eine Person, mit der ich keinen einzigen Kurs hatte, war Finn. Zéro.

 

Alle außer mir?

Er war immer so unnahbar, zwar begehrt von allen Seiten, aber selbst hat er nie eine auserkoren. Zumindest nicht so, dass man es mitbekommen hatte. Man hörte nie von irgendwelchen Flirts, oder Rumgemache auf Parties. Das hörte man nie über Finn. Dafür war er zu anständig - dachte ich, er hatte zu hohe Ansprüche - dachte ich..


"Von Fiona auf Melissa. Hmm.. kein Geschmack der Junge." Mel sah mich an und runzelte die Nase. "Wie konnte er nur erst was mit Fiona haben, und dann mit Melissa? Er war doch nie so." "Frag mich nicht." Melissa war nicht dick, oder besonders entstellt. Das war sie keineswegs, aber sie war ein Mädchen, dass zu enge Klamotten trug, die sich zu stark schminkte, unreine Haut hatte, sich die Augenbrauen zu radikal zupfte und sich ihre Haare durch den Föhn und das Glätteisen ruiniert hatte. Sie war auch nicht besonders intelligent, oder nett. Sie wirkte immer etwas unbeholfen, wusste nie so ganz, wer ihre Freunde sind. "Immerhin war er diesmal erneut betrunken. Er ist im Bus sogar vom Sitz gefallen." "Nicht gerade sexy." Mel versuchte die Stimmung aufzulockern, so wie sie es immer tat, wenn sie merkte, ich war kurz davor in Selbstmitleid zu versinken. Aber diesmal konnte sie es nur hinauszögern.

In meinem nächsten Kurs saß ich zwar im Klassenzimmer, aber meine Gedanken wanderten aus dem Fenster, legten sich auf die Wolken, die den Himmel schmückten und trieben so vor sich hin. Es war nun mal so, dass ich mir früher gesagt hatte: "Er will mich nicht? Ok. Er will ja auch keine andere." Zwar nicht die beste Methode sich über jemanden hinwegzutrösten, aber es war eine, die für den Anfang reichen sollte - tat sie zwar keineswegs, aber ich wollte es versucht haben. Die traurige Wahrheit war nun mal, dass ich das nicht mehr behaupten konnte. Denn Fiona und Melissa hatten in einer Nacht das geschafft, was ich die letzten Jahre versucht hatte: ihm nahe sein. Ich hatte mir schon immer vorgestellt, wie sich wohl seine Händer auf meiner Hüfte anfühlen würden, oder seine Augen, wenn sie mich von oben nach unten begutachteten, und ihnen gefallen würde, was sie sahen. Oder wie seine Lippen sich anfühlen würden, wenn sie meine jemals berühren würden. Aber davon konnte ich nicht mehr ausgehen, denn ich war jemand, der sich nie betrank. Ich hielt einfach nichts von Alkohol, und dem Rausch. Und ich hatte Angst. Angst, mich zu blamieren, Dinge zu verraten, die ich so nicht sagen wollte. Denn es war nie so, dass ich nicht wollte, dass er weiß, was ich fühlte, aber ich wollte nicht diejenige sein die es ihm sagt. Nicht mit Worten, sondern mit Taten. Er sollte von selbst drauf kommen, so wie die in den Büchern, in den Filmen. Ich wollte auch so einen unvergesslichen Moment erleben, und ich wollte ihn mit ihm erleben, mit keinem anderen. Aber er wusste das nicht, merkte das nicht, und würde das wahrscheinlich nicht einmal wissen wollen..

 

Oder?

Kleinigkeiten machen den Unterschied

Früher war es so, dass oft Jungs an mir Interesse hatten. Sie kamen immer auf mich zu, haben mit mir geredet, mir ihre Aufmerksamkeit geschenkt.. Auch Finn tat das. Es war zwar nur die fünfte und sechste Klasse, aber ich behalte gut und gern so Dinge im Kopf; denn nach meiner Auffassung, hat alles seine Bedeutung. Wir haben oft miteinander gesprochen, in der Pause zusammen rumgehangen. Es war ein guter Anfang. Aber leider blieb es dabei, denn er und eigentlich so ziemlich jeder andere verlor das Interesse an meiner Person.

 

"Gehen wir heute zusammen zu Lenas Party?" Ich nickte Mel zu. Lena machte jedes Jahr mindestens zwei Parties außer ihrem Geburtstag, und es war immer sogut wie die ganze Stufe eingeladen. Auch Finn, Melissa und Fiona. Und natürlich würde es wieder Alkohol geben, eben genau die Ausrede die Finn brauchte um mit irgendeinem Mädchen rumzumachen. Wie sollte es anders sein? "Kommen Jule und Helena mit uns mit?" Mel überlegte kurz und zuckte mit den Schultern: "Ich denke schon, wissen tue ich nichts." Und ich konnte mich nicht halten, Mel hatte einfach diese Art, wie sie sprach und sich gestikulierte, die mir immer ein Lächeln aufs Gesicht zauberte. "Hast du schon gehört, dass sich Fiona im selben Verein wie Finn angemeldet hat?" "Warum wohl?", brachte ich mit viel Ironie aus meinem Mund heraus. "Auf jeden Fall sagt sie, sie hat erst später gemerkt, dass es sein Verein war." "Sicher, wer soll ihr denn das bitte glauben?" Catrin und Luise kamen auf uns zu und wirkten so, als ob in ihnen eine große Neuigkeit verborgt war, die jede Sekunde aus ihnen heraussprudeln würde. "Ratet mal wer nicht eingeladen ist heute zu Lena!" Mel und ich zuckten mit den Schultern und warteten gespannt auf eine Antwort. "Fängt mit F an." Finn?.. oder doch.. doch nicht.. "Fiona." Wir brachen alle in Gelächter aus. "Wie sie das wohl aufnehmen wird..", deutete Mel an. Denn das war nicht das erste Mal, Fiona wurde selten eingeladen. Kaum einer wollte sie wirklich da haben. Meistens hörte man nichts davon wie sie reagierte, aber heute in der Schule bekamen alle mit, wie sie eine Diskussion mit Lena darüber führte, ob sie nicht doch kommen könne, und, dass es ja total unfair wäre, wenn sogut wie alle außer sie eingeladen wären. Aber Lena ließ sich nicht umstimmen, und das fand ich gut. Nicht nur, weil ich Fiona nicht sonderlich mochte, aber weil es unverschämt war sich mehr oder weniger selbst einzuladen..

Mel und ich hockten im Pausenraum, denn Mathe fiel aus, und wir wollten noch mal ausgiebig über den Vorfall sprechen. "Sie dachte sicher es hätte wieder geklappt, so wie bei Melissa." "Wie?" Ich guckte Mel verdutzt an. "Naja, sie hat sich doch zu Melissas Geburtstag selbst eingeladen, also sie hat gefragt, ob sie kommen kann. Dann meine Melissa nein, aber Fiona ist trotzdem gekommen - ohne Geschenk." "Typisch.." Bevor ich noch was hinzufügen konnte, kam Finn in den Pausenraum, schaute sich um und setzte sich an den großen Tisch, an dem ich und Mel auch saßen. Mel und ich schauten uns an, dabei sendeten meine Augen ein 'SOS' an Mels. Ich war nunmal ganz und gar nicht selbstbewusst. Nicht mehr. Das ging über die letzten Jahre alles verloren. Und es war besonders unvorhanden, sag ich mal, wenn Finn in meiner Nähe war. Er löste einen seltsamen Gemütszustand bei mir aus: mir wurde innerlich warm, außen war ich kalt, ich spürte mein Herz schlagen, ein Knoten bildete sich in Magen und Hals und meine Augen weiteten sich. Ich wollte nie wissen wie das aussah, war jetzt sicherlich nicht so ansprechend. "Amélie? Du hast doch Bio Lk, oder?" Er hatte mich tatsächlich angesprochen, sicher das erste Mal seit Wochen. "Ja, warum?" "Ich schreib nächste Woche Klausur, hab aber kaum was verstanden, wir hatten bisher auch nur dreimal Unterricht." "Klar, was hattet ihr denn bisher?" "Ruhepotential." Angespannt und auf eine komische Art und Weise unter Druck gesetzt, erklärte ich ihm alles was ich dazu wusste. Ich würde euch so gern beschreiben, wie unbeschreiblich süß es war, als er mich gefragt hatte, ob ich helfen kann. Denn dabei hatte er immer einen speziellen Gesichtsausdruck. Er war teils schüchtern, teils dankbar, teils bezirzend.. einfach unbeschreiblich. "Danke, Amélie." Dann nahm er sich seinen Bio-Ordner und lernte, bis einige seiner Freunde vorbeikamen und er mit ihnen den Raum verließ. "Weißt du, er hätte auch mich fragen können, aber hat dich gefragt." Und Mel hatte Recht, denn sie war im anderen Bio-LK. Aber ich wollte nicht mehr zu viel in kleine Sachen reininterpretieren.  Das hatte mich die letzten Jahre am meisten verletzt. Ich hatte soviel reininterpretiert, in ein "hallo", in ein Lächeln, in allem was er tat. Dabei war es meistens einfach etwas, was er jedem schenkte.. "Und jetzt, hast du Pause. Denn jetzt reden wir über Xenia. Ich kann dir gar nicht sagen wie sehr ich sie hasse!.." und so fuhren wir fort über Xenia zu reden, ein undankbares, arrogantes, herablassendes Mädchen, das aber immer alles bekam, was sie wollte. Und kaum ein Wimpernschlag entfernt, war die Party. Einerseits freute ich mich ja wirklich, andererseits hatte ich meine Bedenken.. was würde passieren? Würde überhaupt was passieren?

"That" Party.

Parties - der Ort, wo Finn sich bedingungslos betrank, und sich daneben benahm. Aber bisher, war ich nie auf den Parties, wo das geschah, und heute fühlte es sich so an, als ob sie da war. Die Party, auf der ich auch mal mitbekommen würde, wie er sich daneben benimmt. Wo ich auch mal Augenzeuge war, und nicht nur durch überlieferte Infortmationen mitbekam, was los war.. 

 

 "Und, glaubst du ich werde es heute endlich mal miterleben?" "Ich hoffe nicht, du wärst nur enttäsucht." Mel hatte da nicht ganz Unrecht. Ich hatte immer ein gutes Bild von Finn, weil er bis vor kurzem ein sehr anständiger Junge war. Man konnte ihm einfach nichts nachsagen. Wer weiß, ob ich es verkraften würde, ihn angetrunken zu sehen? "Du hast wahrscheinlich Recht. Aber die Neugier ist da." "Aber warum reden wir nur über Finn, ich dachte Julian gefalle dir auch?" Das stimmte auch. Julian war früher in meiner Parallelklasse, erst durch gemeinsame Kurse in der Oberstufe kam man dazu sich kennenzulernen. Er war durchaus attraktiv, auch wenn kein Vergleich zu Finn, er war intelligent, zurückhaltend aber dennoch in der Lage für sich einzustehen. Es half mir oft mit ihm zu sprechen, wenn ich eigentlich das Verlangen hatte, mit Finn zu reden. Aber es kam mir falsch vor, Finn zu ersetzen, und noch fälscher Julian dafür zu benutzen, denn ich mochte ihn. "Du weißt doch, was ich dazu sage." "Und du weißt, dass ich finde, dass Finn genug Zeit hatte. Vielleicht ist Julia schlauer." "Wenn es nur mehr Leute wie dich gäbe." "Gute Dinge gibt es selten, so wie dich." Und nein, sie wollte mich nicht aufmunten, oder sich einschleimen, sie wollte einfach, dass ich weiß, dass ich durchaus liebenswert bin. Denn so war Mel, sie wusste, dass man so Sachen hören wollte, aber auch, dass sie wahr sein mussten - zumindest für die Person, die sie behauptet.

Eine Stunde verging, bis ich Finn das erste Mal sah. Er kam etwas später und hatte davor mit einigen Jungen vorgetrunken. Er war zwar leicht angetrunken, aber nicht so, dass er sein perfektes Bild bei mir zerstören konnte. Zu meinem Erstaunen, sprach er mich an. Und das hatte er lange nicht mehr. Denn wir hatten schon länger nicht mehr miteinander gesprochen, und ich war einfach nicht in der Lage in anzusprechen. Ich kam mir seltsam vor, ich war einfach zu schüchtern. "Amelie! Dich sehe ich gar nicht mehr." Seine Stimme war noch genauso wie ich sie in Erinnerung hatte. Tief, männlich, aber so warm, dass sie einen mit dieser Wärme erfüllte. "Wir haben ja keinen Kurs zusammen." "Stimmt." Er lächelte, das Lächeln, das ich schon so oft versucht hatte zu beschreiben, aber immer dran gescheitert war. "Warum kommst du erst jetzt?" "Lieber zu spät als zu früh." Wenn er nur wüsste, was ich am liebsten in diese Wörter interpretiert hätte. "Oder als nie." "Genau. Du verstehst einen auch echt immer." Und da war einer der Momente, mit denen ich nicht umgehen konnte. Ich musste ein neues Gesprächsthema einleiten, und das fiel mir schwer. "Und wie gefällt dir die Party so?" "Ich bin doch gerade erst gekommen." "Ja.." Dumme Frage. "Aber gut." Ich lächelte ein aufgezwungenes Lächeln, weil ich mich innerlich so schämte, und am liebsten selbst eine Ohrfeige geben würde. Und dafür, dass ich es wollte, wollte ich mir eine noch viel größere geben. Ich mein, es ist nichts dabei mit ihm zu reden, warum fällt mir das so schwer? Und warum kann ich nicht damit umgehen, dass es mir schwer fällt? Bevor ich Finn weiteres fragen konnte, kam einer seiner Freunde und nahm ihn mit. Bevor er ging, winkte er mir zu. Mel hatte das Gespräch beobachtet und kam auf mich zu. "Er hat dich angesprochen. Das ist doch gut!" "Ist es das?" Ich war mir nicht so sicher, immerhin lieferte ich ihm so dumme Fragen und aufgezwungene Lächeln, die ich eigentlich nur Leuten gab, die ich nicht mochte. Und ihm. Dabei mochte ich ihn ja, aber ich war mir immer unsicher, ob er das überhaupt wusste. Ich hab mich nämlich oft so benommen, als ob es nicht so ist. Denn ich spreche ihn nie an, ich blocke Gespräche ab, oder leite sie in sinnlose Fragen.. Ich war unbeholfener als eine Schildkröte auf einem gefrorenem See. Ich machte einen Schritt vor, weil ich mutig sein wollte, doch fiel bei jedem auf meinen Po. Eine schmerzhafte Erfahrung.

Die Party verlief ohne große Skandale, Prügelein oder allgemein Ereignisse. Zumindest bis zum Ende.. Ich lief alleine rum, ich hatte nicht wirklich Spaß gehabt an dem Abend. Es war nunmal einfach nicht schön mitanzusehen, wie sich Finn ein Bier nach dem anderen reinpfeiffte. Und noch schlimmer war, dass es sogut wie alle taten, sprich, jeder zweite war besoffen, wusste nicht mehr was er sagte, tat oder sollte. Und zunächst ist ja auch noch ales lustig und spaßig, wenn es so ist, aber man muss nur einem die falsche Frage stellen, und schon rastet er aus. Und das solte dann doch nochmal auf der Party passieren. Die meisten Leute waren draußen, zum Rauchen, oder auch, weil die Raucher draußen waren und man mit ihnen abhängen wollte. Ich hatte genug von den Leuten und lief ins Haus, genauergesagt in Lenas Zimmer, dort war niemand, und ich wollte ein wenig Stille. Sagte ich, da war niemand? Nun,ja in ihrem Zimmer nicht, aber im Bad das an ihrem Zimmer anlehnte schon. Und es war kein anderer als Finn. Und wer war natürlich bei ihm? Fiona. "Amélie!", entwich es dem betrunkenen Finn mit einem peinlich berührtem Grinsen. Fiona hingegen, die eben noch geschätze 3cm vor ihm stand, wich zurück und guckte ich leicht beschämt an. "Was machst du hier?" Ich entschied mich, dass ich heute einfach mal aussprach, was ich dachte, und direkt war und einfach so, wie ich es sein wollte.. also sagte ich zu ihr: "Ich wollte ein ruhiges Plätzchen finden, mein Kopf tut weh, und ich ertrage die ganzen Betrunkenen nicht. Was ist mit dir, oder besser euch?" "Ich denke du hast Augen im Kopf." Die hatte ich zwar, aber doch bemerkte ich erst jetzt, was hier abgegangen war. Fiona hatte sich an Finn rangemacht, erneut. In einem Badezimmer, erneut. Ja, das hatte sie getan. Finn hatte sich derweil in Lenas Zimmer begeben und sich aufs Bett gesetzt. "Ich geh dann jetzt mal lieber." "Nein, brauchst du nicht, ich hatte eh vor zu gehen." Und tatsächlich, Fiona nahm ihre Tasche und ging. Einfach so. Und das hieß: ICH war ALLEINE mit FINN. "Du, ich.. Fiona und ich wir haben nicht. Wir..", sagte er nervös. "Du musst dich ja nicht vor mir rechtfertigen." "Was, wenn ich das aber will? Du sollst nicht denken, dass ich was von ihr will, oder so." Ich entschied mich mal nicht seinem unglaublichem Charme zu verfallen, sondern ihn einfach mal konkret zu fragen, was er sich dabei gedacht hatte. Und ob er überhaupt gedacht hat. "Nunja, die Situation war ja schon ziemlich eindeutig, ich bin ja nicht blind oder dumm. Weißt du, du solltest einfach mal dazu stehen, du hast es ja schonmal getan." Er wollte gerade etwas sagen, da unterbrach ich ihn: "Und jetzt sag nicht, dass du damals nichts mit ihr hattest, ich weiß das, alle tun das. Und ganz ehrlich, wenn du dich dafür schämst, oder sonst was, dann lass es doch einfach." Sein Lächeln, seine posiive Ausstrahlung verschwand, er wurde ernst: "Du hast Recht. Aber nur, weil man weiß, wie man es machen sollte, heißt es noch lange nicht, dass man es auch so tut." Recht hatte er, trotzdem konnte ich einfach nicht verstehen, was er an Fiona fand - was überhaupt einer an ihr fand. "Vielleicht solltest du es versuchen, und nicht noch einmal genau das selbe tun." "Ich war betrunken - naja, ich bin es auch jetzt." Schwache Ausrede, Finn, ehrlich, fällt dir nichts besseres ein? Aber das wollte ich ihm jetzt nicht vorwerfen, ihm schien es wirklich nicht gut zu gehen. "Ist alles okay?" "Mir ist ein wenig schlecht.." Und noch bevor irgendwas getan werden konnte, übergab er sich, nicht nur vor mir, sondern auch teilweise auf mich. Ich wollte zwar schon immer mal was von ihm haben, aber sein Erbrochenes war da keinesfalls das, woran ich gedacht habe.. "Oh mein Gott, tut mir Leid, Amélie. Ich mach das sauber." "Ist schon ok, also ich mach das selber sauber, du legst dich einfach hin. Ich bring dir gleich etwas Wasser, und Kaugummi." "Danke.." Ich lächelte ihm zu, und verschwand für kurze Zeit im Bad. Ich zog mein Oberteil aus, und zog eins von Lena an, dass ich mitgenommen hatte - da hatte sie bestimmt nichts gegen. Dann machte ich meins sauber und ließ es zum trocknen im Bad. Das verprochene Wasser hatte ich schon parat, und auch Kaugummi fand sich schnell in Lenas Zimmer. "Hier." Ich reichte im den Becher, und er gurgelte damit und spuckte das Wasser ins Waschbecken. Dann nahm er ein Kaugummi und setzte sich neben mich aufs Bett. "Warum tust du das?" "Warum tue ich was?" "Du könntest mich einfach hier zurück lassen, wie Fiona und deinen Spaß haben, aber stattdessen hilfst du mir. Warum?" "Du brauchst Hilfe, ich kann doch nicht einfach gehen und dich dir selbst überlassen. Das ist einfach nicht meine Art." "Ich dachte immer du magst mich nicht." Ich hatte also Recht.. durch mein merkwürdiges Verhalten habe ich ihm genau das zu verstehen gegeben, was nicht der Wahrheit entsprach. Und ich wollte ihm sagen, dass ich es zwar tat, aber mi fehlte der Mut. Vielleicht würde er es mir abnehmen. "Warum nicht?" "Ich mag dich." Da, da war es, und es war nicht schwer. Und es hatte ihm sein unwiderstehliches Lächeln auf die Lippen gezaubert. "Kann ich mich hinlegen?" "Klar." Keine Sekunde später hatte er seinen Kopf auf meinen Schoss gelegt und schaute mir ins Gesicht. Es schien, als wollte er was sagen, hatte es sich aber doch anders überlegt. "Ich wusste nicht, dass du dir Gedanken darüber machst, ob die Leute dich mögen - vor allem, ob ich es tue." Er schloss seine Augen, und begann zu reden: "Ich würde gerne sagen, ich wäre einer der Leute, die es nicht interessiert, was andere sagen, aber so bin ich nicht. Mir ist es wichtig, manchmal sogar sehr." Danach folgte eine lange Pause, ehe er fortfuhr: "Deshalb sollte keiner wissen, dass wirklich was mit Fiona gelaufen ist. Es ist mir peinlich, dass ich auf sie herein gefallen bin. Aber, manchmal, da sind Gefühle nicht gewählt." Wenn das nicht mal eine Ohrfeige war.. er mochte sie also wirklich. "Also magst du sie schon?" "Ich dachte, dass ich es tue, aber spätestens seit heute, weiß ich, dass ihr egal ist, was mit mir ist, also sollte es mir auch egal sein, was mit ihr ist." "Das denke ich auch." Danach sagten wir nichts mehr. Ich wartete bis es ihm besser ging, ehe ich ihn fragte, ob ich seinen Bruder anrufen soll, der ihn abholen kommt. Und er willigte ein. Also rief ich ihn an, und wartete, bis Finn gegangen war.

"Wo warst du den gesamten Abend? Ich hab dich seit Stunden nicht mehr gesehen!", Mel war in Sorge gewesen. "Ich muss dir EINIGES erzählen. Du wirst es mir nicht glauben.."

Umgekehrtes Spiel?!

Normalerweise war ich es, die sich nach Gesprächen oder klitzekleinen Momenten mit Finn sehnte, doch seit der Party, war er es, der immer wieder kurze Gespräche suchte. Und das gefiel mir anfangs ja auch, wirklich, aber mit der Zeit weckte dies Dinge ihn mir, die ich nicht haben wollte: HOFFNUNGEN.

 

"Und weißt du, er redet immer wieder mit mir, zwar über nichts großes, aber du kennst mich ja.." "Ja, Amélie, ich weiß, du bildest dir dann darauf was ein, ich weiß. Aber vielleicht sind die Dinge diesmal auch so, wie du sie siehst." "Du denkst doch nicht wirklich, dass Finn, DER Finn was von MIR. M-I-R will.. In keiner normalen Welt, wäre das der Fall." "Dann hast du ja Glück, dass diese Welt alles andere als normal ist, UND, dass Finn so gut wie hier ist, und er dich sicher ansprechen wird. Und du wirst mir gleich alles erzählen. Alles." Und schon war sie auch weg, und Finn war da. "Hey, Amélie." "Hey." "Was hast du jetzt?" "Philo, du?" "Biologie." Und da war er, mein Einsatz das Gespräch zu leiten - und wir wissen alle, dass das keine Stärke von mir ist. "Was ist gerade euer Thema?" Wie ich mir schon dachte. Gut gemacht, Amélie.. "Synapsen. Also nichts all zu interessantes." Warum war er so nett? Warum kam er auf einmal so oft auf mich zu? WARUM? Und da entwich mir eins: "Warum?" Wenn das nicht mal blöd klang. "Ich Synapsen uninteressant finde?" Sein Blick bestätigte meine Vermutung.. und da ich ja eh mal wieder ein seltsames Gespräch eingeleitet hatte, beschloss ich einfach zu fragen, was ich wissen wollte. "Warum bist du so nett zu mir." "Darf ich nicht?" "Doch, aber.. es wundert mich halt." "Du warst ja damals auch nett zu mir." "Ist doch selbstverständlich, dass ich dich bei oder eher mit sowas nicht alleine lasse.." "Ist es ja eben nicht." Sein Blick fiel auf den Boden, dann hebte er seinen Kopf an und guckte mich mit großen Augen an: "Ich kenne kaum jemanden wie dich, der einfach so nette Dinge tut." Wenn du mal wüsstest, was ich da für Hintergedanken hatte, Jüngchen.. Dann wäre das nicht mehr deine Ansicht der Dinge.. "Und ich denke, ich sollte mich revangieren." "Indem du mit mir redest?" Sorry, aber du bist jetzt auch kein Star, der einfach so denken könnte, dass ein Gespräch mit dir genauso viel Wert ist wie eine öffentliche Demütigung zu verhindern. "Nein, nein, das meine ich nicht.. Ich will dir nur sagen, dass ich dir auch jederzeit helfen werde. Deswegen wollte ich dir das geben." Er reichte mir einen Zettel, auf dem stand eine Nummer. SEINE Nummer. "Danke, ich werde sicher auch mal Hilfe brauchen. Hoffen wir, du bist der, der mir dann helfen kann." "Notfalls mach ich mich zu dem." "Ach, komm!" Dann lachten wir beide. "Naja, ich geh dann jetzt mal los, wir sehen uns!" Ich winkte ihm nach, und blieb zurück. 

Out of your league

Ich weiß gar nicht, ob ich das schon mal erählt hatte, aber auf einem Geburtstag hatten eine Freundin und ich Finn mal ausgequetscht. Auf wen er denn schon mal so stand etc.. Und mein Name, MEIN Name war dabei. Könnt ihr euch das vorstellen? Ich konnte es nicht, dabei hatte ich es ja aus seinem Mund gehört! Aber ich fand einfach, dass ich nicht in seiner Liga spielte - und ich denke da würden genug Leute zustimmen.

 

"Hast du ihm denn jetzt mal endlich gschrieben?", bedrängte mich Mel. "Nein. Ich weiß nicht, was ich schreiben sol.." "Wie wäre es erstmal mit einem Hallo oder so?" "Ich weiß auch selbst, wie man Gespräche anfängt, aber danach das, das fällt mir schwer, und das weißt du." "Vielleicht nimmt er dir das ja ab, daran merkst du ja dann auch, ob er überhaupt mit dir reden will." "Die Erkenntnis brauche ich nicht, er will es ganz bestimmt nicht." "Deshalb hat er dir auch seine Nummer gegeben." Guter Einwand.. "Trotzdem, ich hab da schon gewissermaßen Angst vor. Ich will keine Abfuhr." "So kannst du aber auch nicht punkten, also komm." "Wenn er mich heute anspricht, dann mach ich es." "Dann freut es mich dir zu sagen, dass es ganz danach aussieht." Grinsend starrte mich Mel an. Und bevor ich schalten konnte, sprach mich Finn tatsächlich an: "Hey. Kommt ihr heute auch zu Niks Party?" Wir waren leider nicht eingeladen, aber sollte ich ihm das so sagen? Stattdessen, tat es Mel: "Uneingeladen wäre doch sehr unhöflich." "Ich kann das klären, dann könnt ihr auch kommen." Verwundert fragte ich ihn: "Das willst du machen?" "Klar. Warum, nicht?" Vielleicht, weil du sowieso kein Interesse hast, uns beide da zu haben? "Danke.", sagte Mel. "Bis heute Abend dann. Amélie? Schreib mir einfach, damit ich deine Nummer hab, dann schicke ich dir die Adresse." "Mach ich." Und mit einem Lächeln, das nur er besaß verschwand er dann auch schon wieder. "Und jetzt sag kein einziges Wort mehr. Er mag dich. Schraub dich nicht so runter. Hörst du? Das erlaube ich dir nicht!" Mel hatte gesprochen. Laut würde ich meine Zweifel nicht mehr äußern, und wer weiß, vielleicht würde sie so ganz verschwinden..

Ich nahm mein Handy und suchte seine Nummer, dann schrieb ich ihm auf Whats App eine Nachricht.

"Hey. Ich bin's, Amélie."

"Cool :-). Hier ist die Adresse Anhang "

"Danke. Dann sehen wir uns später!"

"Ja, cool. Bis später :-D"

Und schon was das kleine Gespräch zu Ende.. und ich hatte das Gefühl, heute Abend würde etwas gutes passieren. Oh, ja. Das musste es einfach. Ich hatte da so ein Gefühl, und bisher gab es auch nur Hinweise, dass dieses Gefühl vielleicht doch nicht so abwägig war..

Gefühle - Täuschend echt, oder einfach echt?

Gefühle sind so eine Sache.. nie weiß man, ob man sich auf sie verlassen sollte. Und man kann es auch nie wissen, denn wissen kann man nur das, was feststeht, und Erlebnisse die noch bevorstehen, die mit Gefühlen zusammenhängen sind da nicht einzuordnen. Also, geben wir doch den Gedanken auf, dass wir alles und jeden kontrollieren können. Das Leben besteht aus Entscheidungen, eine reiht sich an die nächste an, bis man irgendwann so viele Entscheidungen getroffen hat, dass das Schicksal eine trifft - und man stirbt. Und diese Entscheidungen musste man treffen.. und man tat es selbst, wenn man keine traf, denn dies setze wieder heraus, dass man sich so entschieden hat.. Aber genug, es geht hier ja nicht um meine Gedanken über das Leben und wie man es am besten führt, oder? Wobei ich dazu noch eins sagen will: NEVER LET FEAR DECIDE YOUR FATE..

 

Mel war nicht angespannt an diesem Abend, im Gegensatz zu mir. Denn ich wollte heute mutig sein. Und dies habe ich zwar schon oft gesagt, aber heute musste ich es einfach mal wirlich sein. Ich musste es einfach! "Beruhig dich, Amélie." "Es ist doch alles in Ordnung." "Dein Blick wackelt durch den gesamten Raum. Ich seh doch, wenn du nervös bist.." Mel kannte mich eben. "Du weißt ja was ich mir vorgenommen habe.." "Und du wirst es auch durchziehen. Jetzt, sofort!" Mel deutete an, dass Finn nicht weit von uns entfernt stand. Er war zwar nicht allein, er stand bei Nick, aber sowas sollte mir egal sein. Ich sollte in der Lage sein, dort hinzugehen und ihn anzusprechen. Und ohne wirlklich darüber nachdenken zu können, begannen meine Füße bereits auf ihn zu zu gehen. Je näher ich ihm kam, desto breiter wurde mein Grinsen. "Hey, Finn." "Amélie.. alles gut?" Hatte er schon wieder getrunken? Seine Stimme klang höher als sonst, und er zog die Worte länger als gewöhnlich. "Ja, was ist mit dir?" "Bisschen, bisschen getrunken hab ich. Muss erstmal mehr holen, kommst du mit?" Obwohl ich nicht trank, nickte ich und folgte ihm. Dann standen wir alleine vor einem Schrank. Gerade als er die Tür öffnen wollte, hielt ich seine Hand fest und schüttelte den Kopf. "Gibt's ein Problem?" "Finn.. das letzte mal als du getrunken hast, hast du mich voll gekotzt. Ja, es gibt eins. Du solltest erstmal kürzer treten, findest du nicht." "Ach, komm. Das war nur ein mal. Ich darf trinken. Du kannst mir nichts.. verbieten." Er war wie ausgewechselt. Er war nicht Finn. "Ich sag ja nur, denk nochmal nach, bevor du einfach drauf los trinkst." "Aber die anderen...", dieser Satz brachte mich in Rage. Hier ging es um niemand anderen als dich, Finn. Um dich. Was interessieren mich denn die anderen? "Ja, aber du bist Finn. Du kannst machen, was du willst, nicht, was die anderen tun." "Jetzt weiß ich, warum alle so über dich reden." Was? Was wollte er mir denn jetzt damit sagen? "Was heißt denn so?" "Naja, alle sagen, du seist ne Spaßbremse." "Und damit haben sie Recht?" Er sagte nichts, schaute mich bloß mit großen Augen an. "Wenn es dir heute wieder beschissen geht, kannst du dir ja jemanden anderen suchen." Irgendwie hatte dies anschienend einen Schalter bei ihm umgelegt. Denn er richtete sich auf, und hielt nun mich am Arm. "Nicht gehen." "Was, wenn die Spaßbremse, aber genau das will?" "Tut mir leid. Tut mir leid.." Ich stand jetzt mit dem Rücken zu ihm. Also nahm er mich von hinten in den Arm, und legte seinen Kopf auf meine Schulter. "Nicht gehen." Hatte ich wirklich recht mit meiner Vermutung? Bahnte sich hier wirklich was an? Egal was es war, es machte mich unendlich glücklich. Es machte mich glücklich, der Person nahe zu sein, die mir alles bedeutete. "Sprich mit mir." "Wenn ich dich was frage, würdest du mir ehrlich antworten?" "Selbst, wenn ich lügen wollte, angetrunken fällt mir das etwas schwer." Während er also geduldig darauf wartete, dass ich ihm eine Frage stellte, drehte er mich behutsam um, so dass wir jetzt Gesicht an Gesicht voreinander standen - nur noch Zentimeter trennten uns. Die Nähe machte mich nervös, aber ich genoss sie trotzdem, so gut es ging. Ich wollte ihn fragen, ob er mich so mochte, wie ich ihn. Ich wollte endlich Antworten. Und die Geduld kam nach fünf Jahren einfach zu einem Ende. Ich hatte weder Lust, noch Zeit, länger darauf zu warten - egal, was die Antwort war, ich musste sie jetzt wissen. "Wenn ich dir sage, dass ich dich mag, schon lange. Sehr lange. Was, was würdest du dazu sagen?" Es war nicht die beste Wortwahl, solche Gefühle zu äußern, aber Wörter waren nie meine Stärke. "Was heißt mögen, und was heißt sehr lange?" Er lächelte - ein gutes Zeichen. "Fünf Jahre. Und ich mag dich halt. Alles an dir. Schon immer. Du warst irgendwie immer der Mittelpunkt für mich. Ein Lächeln von dir hat mir zehntausende beschert.." Okay, wenn das nicht mal die Wortwahl war, die man vor 1000 Jahren benutze.. "Und, das ist dein völliger Ernst?" Jetzt konnte ich noch alles zurück nehmen, so tun als ob alles ein Scherz war, wieder feige sein, aber das würde heißen: KEINE ANTWORT. "Mein völliger Ernst, ja. Und ich hätte wirklich gern eine Antwort." "Ich weiß nicht." Dann folgte eine lange Pause. Also in allen Filmen, in denen es ein Happy-End gab, klang dies aber anders. Aber ich weckte Hoffnungen, indem ich mich daran erinnerte, dass dies hier kein Film ist, es ist mein Leben. "Ich mag dich schon, du bist anders, irgendwie ehrlicher als der Rest. Und klug, und hübsch, aber ich weiß nicht, ob ich dich auf die Art mag." Das fühlte sich nach leichter Backpfeife an. Autsch. Ich guckte ihn erwartungsvoll an. "Ich kann dir nichts versprechen." "Egal." Nach fünf Jahren, wäre der bloße Versuch, einfach mehr Wert als eine eventuelle totale Enttäuschung. Er kam näher, und ließ seine Hände auf meine Hüfte gleiten, während ich meine Hände um seinen Hals legte. Und dann küssten wir uns - das erste mal. Und für mich was es das erste Mal überhaupt. Und ich wollte immer noch nicht so ganz glauben, was hier gerade geschah. Und nach fünf Minuten war der Traum immer noch nicht verblast. Wir küssten uns immer noch. Mund auf Mund. Und mit jeder Minute wurde es intensiver, so dass er mich mittlerweile gegen die Tür hielt. Dabei hebte er mich - und, dann öffnete sich die Tür. Erschrocken ließen wir voneinander ab. Vor uns stand Nick: "Was ist denn hier los? Ihr haltet den ganzen Betrieb auf, gibt mal paar Flaschen Alk raus." Finn gab ihm einen Kasten Bier und dann standen wir da, beide leicht beschämt, und ertappt, als wäre es jetzt Zeit Worte sprechen zu lassen, und keine Taten. Worte, die viel entscheiden würden. Finn lachte, und das brachte auch mich kurz dazu. "Okay, das war unerwartet." "Was?" "Dass wir uns küssen." "Warum?" "Du schienst nie Interesse an mir zu haben." "Aber du an mir, oder was?" "Das weiß ich nicht. Ich weiß ja selbst nicht so ganz.." Anscheinend hatte der Kuss bei ihm nicht das geweckt, was ich erwartet hatte. Und ich weiß, ich kann ihm da keine Vorwürfe machen, aber es verletzte mich doch ganz schön. "Okay.." "Ich denke, wir sollten ein ander mal darüber reden. Und vielleicht treffen, alleine. Ich brauche da einfach wirklich Zeit." Ich nickte, und verließ den Raum. Und weil mir zum weinen zu Mute war, suchte ich das Badezimmer auf.

Ansel

Ich weiß nicht. Das war also die Antwort, die ich nach fünf Jahren bekam. Ein einfaches und simples ich weiß nicht. Okay, okay, okay, ich darf ihm nichts vorwerfen - fnaudihfa , tue ich aber! Wie kann er nur? Hätte er nicht lügen können? Dann wäre ich wenigstens für etwas länger glücklich als nur einen Moment.. und jetzt musste ich auch noch heulen, auf einer Party - wo Leute es sehen können..

 

Doch, das Bad war nicht frei. "Bin noch nicht fertig." Gottseidank, war der Typ nicht auf Klo gewesen, sondern nur eine rauchen am Badezimmerfenster. Er war etwas älter als ich, groß und muskulös. Seine Haare waren braun , kurz und formten leichte Wellen. Seine Augen waren braun und standen etwas enger zusammen, als üblich, und auch seine Nase hatte einen kleinen Höcker, aber was wirklich wunderschön an ihm war, waren seine Lippen. Voll, herzförmig und rechts unten setzte ein kleines Muttermal dem Ganzen nochmal einen Deckel auf. Er sah schon gut aus.. "Entschuldigung." "Normalerweise klopft man doch.", sagte er mit einem halben Grinsen. Ich schloss die Tür hinter mir und setzte mich auf den Klodeckel. "Hättest ja abschließen können." "Nee.. wollte gucken, ob sich irgendwer interessantes hier hin verläuft." "Und?" "Zu früh zum Urteilen." Ich versuchte mir inzwischen unauffälig die Augen trocken zu wischen, denn die ersten Tränen waren bereits runtergekullert - doch ohne Erfolg. "Hast du geweint?" "Wenn ich nein sage, ist die Chance gering, dass du mir glaubst oder?" "Würde ich so sagen." "Ja, dann: Ja." "Und warum?" "Ist irgendwie persönlich." "Du kannst das ruhig jemandem fremden sagen, ich weiß ja nicht mal, wer du bist." "Touché. Klingt natürlich dumm, wenn man so darüber nachdenkt, aber ich stehe seit längerem auf einen gewissen Typen, hab ihn heute endlich gefragt, ob er was empfindet, und alles was er sagen konnte, war ein 'Ich weiß nicht', nicht besonders zufriedenstellend.." "Du weißt schon, dass Jungs und Mädchen zwar das selbe sagen, aber nicht das selbe meinen, oder?" "Wie bitte?" "Nun ja, ein 'ich weiß nicht' kann bei uns auch heißen 'ja, aber irgendwie will ich es nicht wahrhaben oder bin nich manns genug es laut auszusprechen' natürlich kann es auch ein nettes 'nein' sein, oder das, was es auch normalerweise heißt, aber.. ok, ich hab den Faden verloren." "Schon, ok. Ist nicht so wichtig." "Wenn es dich zum weinen bringt, sollte es das aber sein." "Deshalb war es ja dumm darüber zu weinen." "Vielleicht." "Sag mal, warum rauchst du allein auf dem Klo." Ich wollte nicht länger über mich sprechen. "Thema ablenken, huh? Noch nicht. Also, erzähl mir mal die gesamte Geschichte." Und das tat ich, und danach ging es mir entgegen aller meiner Erwartungen besser. "Ich würde sagen, du bist in ein gerissenes Arschloch verliebt, aber ich denke, dass willst du nicht hören." Nein, das wollte ich in der Tat nicht. "Warum denkst du das?" "Schwer zu erklären, es ist einfach so, er war aufeinmal nett zu dir, und dass diese Fiona dann auch einfach so abgehauen ist, glaubst du wirklich, ein solches Mädchen gibt ihre Beute so leicht auf? Ich weiß nicht.." "Du weißt schon, dass es hier um mein Leben geht, keinen Film, in den irgendwelche Wetten abgeschlossen werden oder sonst was." "Ich würde nur sagen, du solltest besser aufpassen, lass dich nicht blenden. Mehr sag ich nicht.. wenn du auf die Schnauze fallen wilst, dann tue das nicht, mir egal." "Nicht besonders nett." "Aber ehrlich.", zwinkerte er mir zu. Und das stimmte, er war ehrlich, was wollte man mehr. "Wie heißt du?" "Wenn das nicht eigentlich ein Geheimnis bleiben sollte." "Es geht um deinen Namen, nicht deine Lebensgeschichte." "Vielleicht erzählt er ja eine." "Dann eben nicht." Ich stand auf und öffnete die Tür. "Ansel. Und, deiner?" "Ich kenn deinen Namen, du die Geschichte zu meinem, find ihn doch raus." Überraschende Worte, irgendwie geheimnisvoll, irgendwie so gar nicht ich - oder vielleicht doch? Ich weiß nicht, es klang zumindest gut. Ansel lachte, und öffnete seinen Mund für die letzten Worte, die ich an dem Abend von ihm hören würde. "Interessant genug."

"Und wie ist es gelaufen?", fragte mich Mel auf dem Nachhauseweg. "Ich weiß nicht.", war die einzige Antwort die hier passte.

Und erneut: Echt oder gespielt?

Die Worte "ich weiß nicht" schwirrten immer noch in meinem Kopf. Und auch die Enttäuschung saß noch tief, sehr tief. Ich wollte einfach nicht glauben, dass er erst so zu mir ist, mich dann küsst, und dann nichtmal wirklich etwas sagt. Was wollte er damit erreichen?.. Und Ansel, hatte er Recht? Sollte ich etwas vorsichtiger sein? Und Mel, sollte ich Mel erzählen was passiert ist? 

 

"Mel?" Mel guckte mich verblüfft an. "Und davon konntest du mir nicht noch am selben Abend erzählen? Ihr habt euch geküsst, das ist doch toll!" "Aber was er gesagt.." "Stopp. Stopp. Bitte, bitte sieh doch erstmal das Gute, nur für einen Tag, du freust dich nie über irgendwas! Aber das solltest du, wirklich." Mel und ich waren bei mir zu Hause, sie hatte nach der Party bei mir geschlafen. "Aber, auf dem Klo, da war so ein Kerl, der meinte, dass Finn ein Arschloch sei, nicht mehr nicht weniger." "Und dieser Kerl, kennt der Finn?" "Nein, ich glaube nicht." "Ja, dann glaub dem doch nicht, ich - ich kenne Finn, und ich sage, er traut sich noch nicht, dir zu sagen, was er denkt, und wer weiß, vielleicht weiß er es wirklich nicht. Und überhaupt, wer ist der Kerl?" "Sein Name, ich hab noch nie so einen seltsamen Namen gehört. Ansel." "Der Name.. Beschreib den mal, ich glaube ich kenn den." "Groß, muskulös, braune leicht lockige Haare, braune Augen und richtig schöne volle Lippen." "Ich glaube, dass ist der Freund von Nicks Schwester." "Vielleicht kennt er Finn dann ja doch, und weiß mehr als wir." "Amélie!" "Was!?" "Du schreibst ihm jetzt einfach." "Ich will aber nicht." "Ja, dann." Sie stand auf und ging zu meinem Handy. Scrollte zu seinem Namen und tippte ein Können wir reden? "Und jetzt schick ab." Sie drückte mir mein Telefon in die Hand. Ich sah die Worte an. Können-wir-reden. Drei Worte, die aber viel verändern könnten. "Ich will das wirklich nicht, ich sehe ihn ja schon übermorgen, da spreche ich ihn drauf an, hier könnte er lügen." "Guter Einwand, aber tue es auch." 

 

Und zwei Tage später hatten wir Schule, und angespannt stieg ich morgens in den Bus und hörte "You got the love" von Florence+the Machine. Das Lied weckte bei mir immer viel Emotionen - sogar Gänsehaut. Genau genommen hatte ich mir immer vorgestellt, dass Finn mich irgendwo zum ersten Mal küsst, und, dass ein Lied wie dieses spielt, jedes Gefühl, das in mir aufkeimt einfängt und so alle sehen können, was ich für ihn - und er  hoffentlich für mich, fühle. Tausend Szenarien hatte ich in meinem Kopf konstruiert. Kino, Park, große Veranstaltungen wie der Abi Ball.. doch am Ende war es eine 'Abstellkammer' im Haus eines Jungen, den ich kaum leiden kann, und das Lied das gerade spielte, war sicher auch nicht passend. Aber was soll's, wahrscheinlich sollte ich mich freuen, so wie Mel es mir geraten hatte. Und die Kommentare von diesem Ansel musste ich endlich vergessen, aus meinem Kopf kriegen. 

 

In der Schule dann, dauerte es sehr lange, bis ich Finn zu Gesicht bekam. Ich sah ihn erst in der Mittagspause. Er saß im anderen Ende des Raumes, und war mit seinen Freunden beschäftigt. Also, entschloss ich mich dazu, ihm zu schreiben. Ein bloßes "Hey" war es, was meine Finger auf mein Handy tippten. Direkt schaute ich zu ihm rüber, nach wenigen Sekunden vibrierte sein Handy. Er schaute einen kurzen Moment drauf, dann zu mir und lächelte. Ein paar Sekungen bekam ich ein "Hey zurück..

 

A: Hast du kurz Zeit?

F: Jetzt?

A: Ja..

F: :-)

A: ??

F: Komm in fünf Minuten zum Brunnen beim Hausmeister, ich warte da :-)

A: Danke.

 

Und schon stand er auf und ging, wahrscheinlich erzählte er den anderen, er würde sich eine rauchen. Nach einigen Minuten stand auch ich auf und ging raus, und machte mich auf den Weg zum Brunnen. "Du willst sicher reden, nicht?" Ich nickte. Er schlug mit seiner Handfläche auf den Platz neben sich und signalisierte mir so, dass ich mich dort hin setzen solle. Dann nahm er meine Hand mit der einen Hand, und streichelte sie mit der anderen. Er zeichnete kleine Kreise mit seinem Finger auf meine Handfläche und lächelte dabei auf den Boden herab. "Ich war mir nicht sicher, ob du nochmal mit mir reden würdest. Du warst ziemlich sauer, also so kamst du mir vor." "Was heißt sauer, ich bin einfach ein wenig enttäuscht gewesen." Ich wollte, dass er was sagte, was mir neue Hoffnungen geben würde. Irgendwas was den Schmerz von dieser Nacht - diese Enttäuschung, von mir nehmen würde. Aber er sagte nichts. Stattdessen stand er auf und zog mich hinter sich her. Wir liefen über den Schulhof, dann die Treppe runter zu den Parkplätzen, und blieben dann vor einem Auto stehen. "Das ist meins.", sagte er stolz. "Du hast ein Auto?" "Ja, also genaugenommen darf ich ja noch gar nicht alleine fahren, aber mein Onkel arbeitet ja hier in der Bank, und er wollte mir heute eine Freude machen." Die ganze Zeit schon grub er nervös in seiner Tasche nach etwas. Und dann, plötzlich, holte er etwas raus: einen Schlüssel. Er schloss die Türe auf, und schon saßen wir zusammen in seinem Auto. Völlig perplex, konnte ich nichts sagen, und auch aus Trotz. Er sollte mit mir sprechen, nicht ich, immerhin bin ich auf ihn zu, und seine Antwort steht noch aus. Doch statt etwas zu sagen, beugte er sich über die Kopplung zu mir und küsste mich. Dabei streichelte er mit seinem Daumen meine Wange. Einerseits wollte ich das, doch ich wusste, dass dieser Kuss bedeutete, dass er nicht reden wollte, und ich hatte Angst, dass er es nie tun würde. Nach einigen Minuten, drückte ich ihn von mir weg, und sah ihn einfach nur an, wie er da saß. Mit seinen blonden kuzen Haaren, seinen großen blauen Augen, und seinem wohlgeformten Mund, der - wie sein gesamter Gesichtsausdruck, nichts aussagte. Er war wie ein Rätsel, ich konnte nicht erahnen, was er gerade dachte. "Was denkst du gerade?" Ich wollte es wissen, und er sollte es mir sagen. Er musste, irgendwo hatte er ja noch eine Schuld zu begleichen, nicht? "Wir reden ein anderes Mal darüber, okay? Die Pause ist schon fast vorbei." Immernoch war sein Gesichtsausdruck blank - man wurde nicht schlau aus ihm. Das einzige was ich jetzt wusste, war, dass ich sauer war. Diesmal hatte er sogar weniger als ein "Ich weiß nicht" gesagt, nämlich eigentlich nichts. Nichts brauchbares. Dankeschön dafur, Finn.. "Okay, wir sehen uns." Voller Frust stieg ich aus seinem Auto aus und wollte in Richtung Schule laufen, als ich ein "Wir können doch zusammen zur Schule zurück laufen." hörte, aber ich entschloss mich so zu tun, als hätte ich es nicht gehört. Ich wollte jetzt Abstand, ich hatte keine Lust, so zu tun, als ob, ich wollte mit ihm ein Gespräch darüber führen, dass war nunmal so. Doch er lief mir nach, und hielt mich am Arm. "Bist du sauer?" "Schon." Er grinste mich an, völlig unpassend wie sich versteht. "Ich dachte, wir treffen uns lieber woanders zum reden, nicht in dem Auto, sondern zu Hause bei mir. Diesen Freitag, du weißt ja wie man zum Tennisplatz kommt, warte einfach da an der Haltestelle, gegen fünf Uhr bin ich da." Das hörte sich in meinen Ohren stark nach Ausrede an, oder der nächsten Gelegenheit einem Gespräch auszuweichen wohleher.. aber ich konnte nicht anders als zu lächeln. Immerhin hatte Finn mich zu sich nach Hause eingeladen. ER hatte es getan, ohne, dass ich ihn drängen musste. "Ok." "Sehr gut, und jetzt komm, wir haben nicht mehr viel Zeit."

 

In Mathe dann nutze ich die Zeit, um Mel davon zu erzählen. "Ich wollte heute mit Finn reden. Hab mich mit ihm am Brunnen getroffen, und dann sind wir zu seinem Auto gelaufen. Und naja, haben eigentlich so gar nicht geredet." "Sondern?" Mel schaute mich mit der Neugier eines kleinen Kindes an. "Er hat mich geküsst, dann war ich irgendwie sauer. Wollte gehen, er ist hinterher und meinte, er will, dass ich am Freitag zu ihm komme." "Das klingt doch gut." "Ja, es ist eine Chance, irgendwie seine letzte." "Übrigens, dieser Ansel, der war heute hier, und hat sogar nach dir gefragt." "Geht gar nicht, der weiß ja meinen Namen nicht." "Der hat ja auch nur nach einem Mädchen gefragt, dass wie du aussieht. Er meinte bestimmt dich." "Ich verstehe. Naja, der wollte sicher zeigen, dass er meinen Namen rausfinden kann. Unglaublich, dass er das so ernst genommen hat." "Also ich fand es lustig, keiner ist auf dich gekommen, also er ist noch ohne Erfolg." "Schön, dass meine Stufe mich nicht kennt." "Es gibt ja schon ziemlich viele brünette Mädchen, mit braunen Augen. Und alle sind sogar klein, so wie du." "Sehr gute Ausrede. Sehr gut.." "Ach, komm schon!"

 

Freitag. Das würde DER Tag sein. Der Tag, an dem ich ihn endgültig zur Rede stelle, wenn er nicht freiwillig spricht. Das werde ich tun müssen, um nicht völlig an dem Phänomen Finn kaputt zu gehen..

Freitag

Finn. Ich hatte noch gar nicht wirklich begriffen, was die letzen Wochen passiert war. Ich hatte ihn geküsst, er hatte mich geküsst. Es war tatsächlich passiert. Und es war wunderschön. Und ich wollte mehr. Ich wollte ihn kennenlernen, besser als jeder andere zuvor. Ich wollte alles über ihn wissen. Und jetzt bietete sich der Freitag an. Denn das würde der Tag sein, an dem ich zu ihm fahren würde. Freitag. Und heute war schon Freitag. Nur noch Schule und ein paar Stündchen standen zwischen uns.

 

"Und ihr trefft euch heute also?" Ich nickte, dabei erfüllte sich mein Gesicht mit einem breiten Grinsen. Auch Mel grinste über beide Backen, allerdings merkte ich, dass es nicht nur wegen mir war. Da steckte noch was anderes hinter. Irgendwas war da. "Willst du mir was erzählen?" Hibbelig bewegte sie ihren Kopf auf und ab - also war da was. Was großes, sie benahm sich sonst nicht so. Doch was könnte das nur sein? "Du bist nicht die einzige die sich heute trifft." "Wer ist der glückliche?" "Das wird dich nicht freuen." Was? Mich nicht freuen? Wer könnte das sein? Und vor allem, meistens waren Mel und ich uns immer einig, wenn es um Menschen ging. Ich mochte die Leute nicht, für die sie genau so wenig übrig hatte. "Nik." Ich mochte ihn tatsächlich nicht. Für mich war er ne Hülle, sah gut aus, aber hatte nichts drauf. Aber Mel wusste schon was sie tat, und ich wollte nichts falsches sagen. "Solange es keiner wie Mo ist. Oder schlimmer.. Kai." "Also fängst du nicht an, ihn schlecht zu reden?" "Nur, wenn er es verbockt, dann ja, jetzt? Nein. Keine Sorge. Du wirst deine Gründe haben, ich kenne ihn ja nicht mal." Moment, seit wann waren die beiden sich so nah? "Seit wann ist da denn was im Busch?" "Seit der Party bei ihm. Du warst ja weg, und da kam er auf mich zu und meinte, er hätte mich auch so eingeladen, aber er wusste nicht, ob es nicht seltsam wäre, weil wir ja eigentlich nichts miteinander zu tun haben. Dann fingen wir an zu reden, über vieles. Er ist viel interessanter als er anfangs wirkt. Du würdest ihn auch mögen, wenn du ihn besser kennenlernen würdest." "Warum hast du mir nicht eher was gesagt?" Beschämt flüchtete ihr Blick - wanderte durch den Raum. "Ich, es ist ja nichts ernstes, und ich fand Finn hatte Vorrang." "Denk nicht so. Du kannst sowas immer direkt sagen. Ich will doch wissen, wie es dir geht. Dir helfen. Okay?" "Okay!"

 

Nach einer anstrengenden Stunde Biologie, einer weiteren Stunde Geschichte und noch ein paar weiteren, machte ich mich auf den Weg nach Hause, nur um da meine Tasche umzupacken, und mich auf den Weg zu Finn zu machen. Ich musste drei verschiedene Busse nehmen, aber das war es mir wert. Ich wollte endlich mutig sein, endlich mein kleines Glück finden. Und es musste einfach mit Finn sein. Es musste einfach. Im Bus dann, bekam ich eine SMS von ihm. "Ich freue mich schon." Und das tat ich auch, ich schickte ihm einen glücklichen Smiley zurück, und lehnte mich in den Bussitz zurück. Einige Minuten später merkte ich, wie sich eine Person neben mich setze, ich öffnete meine Augen und schaute nach links. Dort saß mit einem breiten Grinsen Ansel. "Hallo, Namenlose." "Ansel." Er hatte seine Haare geschnitten, sie waren jetzt ganz kurz. Man merkte kaum noch, dass sie einmal Locken bildeten. "Amélie.", sagte ich und reichte ihm die Hand, so als ob wir uns zum ersten Mal sehen würden. "Ein französischer Name?" "Meine Mutter liebt Frankreich, sie erzählt auch oft, wir würden aus Frankreich stammen, aber das bezweifle ich dann doch." "Und, wohin geht's? Du wohnst doch nicht hier irgendwo. Ich hätte dich bestimmt schon früher gesehen." "Ich fahre zu einem Freund." "Ich verstehe, also hat es geklappt?" "Wird sich noch zeigen." "Sicherlich weißt du es mittlerweile, ich kenne Finn." "Ja, wirklich?" "Naja, also ich erfahre genug, um mir ein Bild zu machen. Sagen wir so." Er lächelte schief und legte seinen Arm auf meine Lehne. "Du musst ja gleich schon raus, Madame." Ich hätte ihm wohl einen falschen Namen nennen sollen, aber kann man wohl nichts mehr ändern. "Wohin fährst du eigentlich?" "Zum Tennis. Ich spiele seit ich denken kann." "Cool, ich wünschte ich hätte auch etwas durchgezogen. Irgendwas." "Manche können so viel, da macht man lieber nichts." Im Gegensatz zu mir, konnte er echt mit Worten umgehen.. Es klang immer herrlich was er zu sagen hatte, oder genauergesagt, wie. "Ich muss dann jetzt raus." "Ich wünsche dir viel Erfolg." Er zwinkerte mir zu, und stand ebenfalls auf. "Aussteigen können wir noch zusammen."

An der Bushaltestelle war noch nichts von Finn zu sehen. "Soll ich mit dir warten?" "Musst du nicht zum Training?" "Ich kann ruhig warten, komm, setz dich." Er zeigte auf die Sitze der Bushaltestelle. Nun saßen wir nebeneinander. "Darf ich dich was fragen?" "Klar." "Was ist Nik so für ein Kerl?" Wenn ich schon mit dem Freund der Schwester von dem Typen hier saß, mit dem Mel sich treffen würde, bietete sich ein kleines Verhör doch perfekt an. "Ich frage wegen meiner Freundin. Sie trifft sich heute mit ihm." "In der Hinsicht ist er unterschiedlich. Es gab Mädchen, an denen gefiel ihm nichts als das Äußere, aber es gab auch schon die ein oder andere, mit der er wirklich viel unternahm, viel machte. Ich kann dir da nichts genaues sagen, tut mir leid." "Schade." "Ich bin auch gar nicht mehr mit seiner Schwester zusammen." "Nicht?" "Sie hat Schluss gemacht." Komischerweise lachte er kurz laut auf und zog die Brauen hoch. "Was? Warum?" "Lange Geschichte. Ein ander Mal, vielleicht." "Falls wir uns nochmal sehen, zwei mal ist das, was die meisten erwarten, die zwei Male haben wir schon hinter uns." Er nahm einen Zettel und schrieb etwas auf, und gab ihn mir. "Da, du hast die Wahl. Das ist meine Nummer, wenn was ist, kannst du schreiben. Langeweile zählt auch." Ich nahm den Zettel und steckte ihn in meine Jackentasche. "Guck mal, da kommt dein Finn schon. Ich lass dich dann jetzt allein." Er winkte mir zu, so wie ich ihm, und ging dann über die Straße zum Tennisplatz. "Hey, sorry, ich musste noch aufräumen, und bisschen was vorbereiten." Dann küsste er mich auf den Mund. Und schon hatte ich ihm alles verziehen. "Nicht schlimm, ich hatte ja Gesellschaft." "Das war doch der Freund von Niks Schwester, nicht?" "Genauer gesagt, der Ex." "Uch, nach so vielen Jahren, krass." "Wie lange waren die beiden denn zusammen?" "Lange, mehr weiß ich nicht."

 

Sein Zimmer war klein. Man kam rein und links stand ein Bett an der Wand, rechts ein Kleiderschrank. Gegenüber von der Tür war ein großes Fenster, vor dem ein Schreibtisch stand. Rechts davon war ein Fernseher an der oberen Ecke des Zimmers angebracht. An der Wand hangen diverse Auszeichnungen, Urkunden und einige Fotos von Sportveranstaltungen. "Wow, du hast da echt was, in dem du gut bist." "Wenn man etwas mag, fällt es einem leicht, gut darin zu sein." Er stand hinter mir, und legte seine Arme um meine Taille und küsste meinen Nacken. "Ich bin echt froh, dass du gekommen bist." Ich wollte irgendwas sagen, irgendwie zeigen, dass 'froh' kein Ausdruck war, für das was ich in mir spürte. Ein fünf jähriger Wunsch schien tatsächlich noch in Erfüllung zu gehen. Ich legte meine Hände auf seine, und führte sie an meinen Mund, um sie zu küssen. Noch wollte ich nicht reden, denn Reden könnte all' das hier zerstören, ich wollte es noch ein wenig genießen. Doch nun unterbrach er diesen Akt der Liebe. "Ich hab uns etwas zu essen gemacht. Komm mit. Aber warte, ich verbinde dir die Augen." Und tatsächlich, er nahm einen Schal und band ihn mir über die Augen und führte mich durch Räume, die ich noch nie gesehen hatte. Dann waren wir dort angekommen, wo er mich hinbringen wollte. "Lass die Augen noch zu, auch wenn ich dir den Schal schon abnehme, ja?" Ich nickte. Dann löste er den Schal und nahm meine eine Hand und sprach: "Jetzt." Ich öffnete die Augen und konnte aus dem Staunen nicht mehr herauskommen. Er hatte das ganze Wohnzimmer mit Rosen geschmückt, auf dem Tisch standen Salat und Nudeln mit Tomatensoße. Aber dort war noch was. Ein Brief. "In dem Brief steht die Antwort auf deine Frage." "Kann ich ihn jetzt aufmachen?" Finn lächelte schief und gab mir ein Nicken. Ich nahm den Brief also in die Hand und sah auf den Umschlag.. Die Schrift war krakelig und mein Name stand drauf. Allerdings falsch geschrieben, dort stand nämlich Ammeli, allerdings durchgestrichen, und erst daneben stand mein Name richtig geschrieben. Und ich fragte mich nur, ob man nicht einfach einen neuen Umschlag hätte nehmen können. "Schön, dass du doch weißt, wie man meinen Namen schreibt." "Lies ihn einfach, dann verstehst du es schon." Also öffnete ich ihn und las leise in mich hinein:

 

Liebe Ammeli,

du bist schön. Für mich das schönste Mädchen. Ich mochte dich von Anfang an. Und das will ich dir hiermit sagen. Ich hoffe du magst mich auch, und wir können Freund und Freundin sein. 

 

(dann ging es erst ein paar Zeilen weiter unten weiter, die Schrift schon viel ordentlicher.)

 

Diese paar Zeilen habe ich in der siebten Klasse geschrieben, und seitdem hat sich nichts geändert. Für mich bist du die schönste. Und ich finde immer neue Sachen, die mir an dir gefallen, sicherlich auch, weil du über die Jahre viel dazu gelernt hast, dich entwickelt. Aber irgendwie scheinst du mich nicht sonderbar zu mögen. Trotzdem wollte ich dir diesen Brief jetzt noch schicken.

 

(dann erneut, ein paar Zeilen waren frei, und dann stand erst wieder Text.)

 

Auch dieser Brief ist etwas länger her. Den habe ich in der neunten geschrieben. Aber ich hab mich nie getraut ihn abzuschicken. Ich dachte wirklich, du magst mich nicht. Aber jetzt, wo du mir gesagt hast, was die wahren Gründe waren, musste ich diesen Brief aufbewahren, falls ich nochmal den Versuch starten wollen würde, mutig zu sein. Ich mag dich auch sehr, Amélie. Auch lange. Genau so lange wie du. Und sicher mindestens nochmal genau so lang. 

 

Finn

 

"Du hast das geschrieben? Für mich?" "Ja, ich hab dir immer wieder Sachen geschrieben. Aber hab mich nie getraut dir irgendwas davon zu geben." Ich umarmte ihn. Ich wollte ihm zeigen, wie dankbar ich war. Wie viel mir diese paar Worte bedeuteten. "Also, sollen wir essen?" "Gerne." Und dann aßen wir zusamen, und redeten und teilten unsere Gedanken, und es war einfach besser als ich es mir je erträumt habe  - denn es passierte. Er und ich, zusammen, alleine, ein Gespräch führend, das wirklich Bedeutung hatte, all' das geschah hier und jetzt. Und ich wünschte ich hätte diesen Moment in ein Marmeladenglas stecken können und ihn da drin lassen. Die Zeit anhalten und nur noch diesen Moment leben, auf ewig. Aber das ging nicht. das Leben hatte keine Fernbedienunng. Man konnte nichts beeinflussen, man konnte nur hoffen und warten. Und warten und hoffen. Und vielleicht würde sich das Hoffen und Warten lohnen und vielleicht auch nicht. Aber mehr konnte man nicht machen. "Schade, dass du gehen mussst." "Danke nochmal, für alles. Ich weiß das wirklich zu schätzen." Dann lief ich in den Hausflur und drückte den Knopf neben dem Aufzug. "Amélie?" Ich drehte mich um und sah zu ihm rüber. Er hielt etwas in der Hand. Eine Box. "Ich hab noch was für dich." Er kam auf mich zu, gab mir einen Kuss und gab mir dann die Box. "Mach sie zu Hause auf, okay?" "Okay." Dann fuhr mich der Fahrstuhl runter, weg von ihm und dem Moment, den ich immernoch in ein Marmeladenglas stecken wollte. An der Bushaltestelle wartete ich nur kurze Minuten, dann saß ich schon drin und fuhr nach Hause. Als ich vor meiner Haustür stand, suchte ich nach meinem Schlüssel, doch stattdessen fand ich in der Jackentasche nur einen Zettel. Erst war ich verwirrt, doch ich erinnerte mich schnell: Ansel. Ich sah auf den Zettel, und musste kurz lachen. Doch war ein großer Smiley mit offenem Mund, in der eine Nummer stand. In einem der Augen stand Ansel und in dem anderen Auge "Melde dich". Ich fand die Idee ganz lustig, kurz bevor ich ihn wegschmiss, speicherte ich die Nummer und fand schließlich meine Schlüssel, die mir den Weg zu meinem Haus erlaubten.

 

Marmeladenglasmomente. Nicht ohne Grund heißen sie, wie sie heißen. Sie sind so kostbar und vielleicht auch klein, aber man will sie nicht missen müssen. Man will sie behalten. Man will jedes kleine Detail behalten, selbst so absurde Dinge wie es gerochen hat, als man den Moment erlebt hat. Und diese Momente waren selten, aber heute hatte ich so einen.

 

 

Hochmut kommt vor dem Fall

In meinem ganzen Leben gab es eine Sache, die mich immer zu Entscheidungen zwang: die Neugier. Aber es gab eine Sache, die noch viel zwinginder war, vor allem, wenn Finn involviert war: Angst. Natürlich hatte ich gelernt, dass eben genau diese mich von Dingen abhält. Aber es ist immer einfacher Sachen zu sagen, als sie zu tun.

 

Mittelgroß. Rechteckig. Weiß. Goldene Schleifen. Und mein Name stand drauf. Die Rede ist von der Box, die mir Finn mitgab. Ich sollte sie zu Hause aufmachen, und das wollte ich auch. Aber ich kam nicht davon ab, mir erst auszumalen, was drin sein könnte. Und warum sollte ich sie überhaupt erst jetzt aufmachen? Alleine.. warum, wollte er nicht sehen, wie ich mich darüber freue. Oder.. war dort gar kein Grund zur Freude? Aufeinmal hatte ich wieder Angst. Ungewissheit. Alles aus meinen Selbstzweifeln resultierend. Aber es war alles da. Sicherlich - hoffentlich, ohne Grund.. aber Angst war ein großes Wort für mich. Sie hatte mir schon einge Sachen verbaut im Leben. So viel konnte gesagt sein. Aber diese Kiste war nicht da, um ungeöffnet rumzuliegen, also machte ich sie auf. Ich hob also den Deckel langsam hob, und schaute rein. Ein kleiner Anhänger, und ein Brief. Ich nahm den Anhänger in meine Hand und sah ihn mir an. Es war ein Amulett. Klein, rund und ein kleiner Stein in der Mitte. Erst nach einiger Zeit, merkte ich, dass man ihn öffnen konnte. Das tat ich auch. Das Bild das ich dort drin fand, verwunderte mich. Finn und ich waren zusammen vor einem mittelhohen Baum, wir trugen Sportklamotten und waren einige Jahre jünger. Ich konnte mich gar nicht erinnern, dass es so ein Foto von uns gab. Wir beide, allein? Aber dann sah ich es mir genau an. Neben mir stand eigentlich noch jemand, Finn hatte sie oder ihn einfach nur weggeschnitten, dabei aber die Schulter nicht ganz wegbekommen. Schon mal kein Grund zur Besorgnis, aber da war ja noch der Brief.. Den nahm ich in die Hand und öffnete ihn. Und ohne zu zögern, begann ich zu lesen..

 

Liebe Amélie,

dieser Brief soll dir einiges erklären. Einiges, was du vielleicht nicht verstehen wirst, weil selbst ich es nicht tue, aber er soll helfen. Du weißt jetzt, was ich für dich empfinde, und auch wie lange. Somit auch, wie sehr. Und ich bitte dich, vergesse das nicht, auch, wenn ich auf der Party meinte, ich wüsste nicht, was ich fühle, das weiß ich schon.. aber ich weiß nicht, wie ich das angehen soll..Und ich weiß auch gar nicht, wie ich dir das schreiben soll, und ich hätte mir gewünscht, ich hätte mich getraut dir das zu sagen, aber ich kann nicht. Ich hätte nicht ertragen, deinen Blick zu sehen, wenn du das erfährst. So gehe ich das Risiko ein, dass du mich hasst, aber ich vertraue in dich und, dass du verstehst, warum ich das hier überhaupt mache, und dann noch wie. 

Es geht darum, dass wir erstmal nicht zusammen sein können. Dafür gibt es Gründe. Zum Beispiel Julian. Es sollte eigentlich nicht so an dich gelangen, aber er mag dich nunmal auch. Und er ist mein Freund, ich könnte ihm das nicht antun, zumindest nicht noch mehr hintergehen, als sowieso schon. Ein anderer Grund ist, dass ich eigentlich andere Prioritäten in meinem Leben momentan habe, nämlich den Sport. Es ist wichtig, dass ich überzeuge, vor allem jetzt, wo mein Abi nicht so großartig wird. Und, wenn wir zusammen wären, weiß ich einfach, dass ich jede Sekunde meiner Zeit mit dir verbringen würde, nicht mit Sport. Ich weiß, nur wenige haben dafür Verständnis, aber ich glaube, du kannst es aufbringen. Und der letzte Grund ist, dass ich noch einiges klären muss mit Fiona. Sie hat einen falschen Eindruck, von meinen Gefühlen und dem, was ich mir für uns vorstelle - naja, ein uns in dem Sinne gibt es gar nicht, nur weiß sie das nicht. Aber ich muss da echt einiges klären, sonst fällt ja nicht nur auf mich, sondern auch auf dich ein schlechtes Licht.

Ich kann dir nicht sagen, wie weh mir das tut. Und auch nicht, wie lange das andauern wird, ich hoffe ich kann Problem eins und drei schnell lösen, Problem zwei hängt leider nicht nur von mir ab. 

Vergiss nicht, was ich für dich fühle. Als Erinnerung trage das Amulett, so sehe ich auch, dass du an mich denkst. Ich hoffe du verstehst mich, ich hoffe das wirklich.

 

Finn

 

Ich konnte es nicht glauben, es war doch eine Ohrfeige. Mitten auf meine Wange, wobei.. eher auf beide. So nah war ich dran, und es war so kurz davor perfekt zu sein, und jetzt sollte ich einfach hinnehmen, dass es "erstmal" nicht klappen würde? Ich.. es fühlte sich nach Ausrede an, nach totalem.. argghh! Wie sollte ich ihm jetzt glauben? Aber was hätte er auch davon, wenn er lügt? Das wäre sehr viel Aufwand für eine Lüge.. Mit diesem Gefühl lag ich dann die halbe Nacht wach, um dann nur drei Stunden zu schlafen. Um 4:47 war ich dann wieder wach. Und da ich immer noch aufgewühlt war, und einfach nicht wusste, was ich denken soll, beschloss ich ihm zu schreiben.

 

A: Jetzt weiß ich mal nicht weiter. Können wir bitte darüber reden? 

 

Ich erwartete natürlich keine Antwort, wer war schon um die Urzeit wach? Aber ich bekam eine.

 

F: Kannst du auch nicht schlafen?

A: Wie soll ich denn auch schlafen? Ich muss die ganze Zeit an deinen Brief denken.

F: Es tut mir wirklich leid, dass ich dir das so gesagt habe.

A: Ist das denn wirklich, was du willst?

F: Es geht ja nicht immer nur darum, was ich will. Sondern, was ich verantworten kann.

A: Glaube mir, ich würde dir und dem Sport nicht im Wege stehen. Ich weiß, wie viel er dir bedeutet, ich würde dich auch unterstützen. Und es tut mir weh, dass du mir nicht einmal eine Chance geben willst, dir das zu zeigen! Deshalb glaube ich dir nicht so ganz..

F: Du glaubst mir nicht? 

A: Nein, es fühlt sich einfach so an, als ob du eine Ausrede suchst, dafür, dass wir es nicht versuchen.

F: Ich sage es dir ein letztes Mal. Ich MAG dich. Und das tue ich wirklich, schon seit wir uns kennen. Und ich bin auch nicht glücklich mit der Situation, aber ich kann einfach gerade nicht.

A: Bist du deswegen noch wach?

F: Ja.. ich mache mir Gedanken, wie ich das Ganze am schnellsten löse. Nach heute habe ich einfach gemerkt, wie sehr ich die Zeit mit dir genieße. Ich würde das gerne jeden Tag so haben, aber vor allem wegen Julian geht das momentan nicht. Und ich glaube dir auch, dass du mich unterstützen würdest, was den Sport angeht, aber du musst dann von Anfang an wissen, dass da nicht immer viel Zeit da sein wird, leider.

A: Solange überhaupt Zeit wäre, in der wir zusammen sind ist mir das sowas von egal! Und, bist du dir bei der Sache mit Julian sicher? Ich habe davon noch nie etwas gemerkt.

F: Ja, er hat es mir gesagt. Schon öfter, auch, wenn betrunken.

A: Ich habe davon noch nie irgendwas mitbekommen! Deshalb wundert mich das so.

F: Bei mir hattest du ja auch nichts gemerkt.. weil ich es nicht gezeigt habe ;-)

A: Gutes Argument! :-p

F: Mit Fiona habe ich schon gesprochen.

A: Wirklich?

F: Ich habe doch gesagt, ich will mich schnell um alles kümmern!

A: Was hat sie gesagt? Viel eher.. was hast du gesagt?

F: Dass ich Dinge klarstellen will, und zwischen uns nichts laufen wird. Und sie mich in Ruhe lassen soll, da es da jemanden anderen gibt. Ich denke, du weißt wer :-)

A: Ja.. :-p Und, was meinte sie?

F: Natürlich hat es sie gar nicht gestört, und sie hätte ja nie Interesse gehabt ;-D Typisch..

A: Und, hat dich das gestört?

F: Ist mir egal..

A: Ich habe auch nie verstanden, was du an ihr fandest.

F: Ist ja jetzt Vergangenheit.

A: Wollte sie nicht mal wissen, wer der "jemand anderes" ist?

F: Jetzt wo du es sagst... komischerweise nicht, aber das ist jetzt wirklch geklärt. :-D

A: Und, wie willst du es Julian sagen? 

F: Das ist noch so ein Grund, warum ich noch wach bin. Ich weiß es nicht. Ich weiß nichtmal, was ich sagen soll. Ich will ja keinen Streit. Und Julian ist auch ein guter Freund von mir, hat immer zu mir gehalten. 

A: Weiß er nicht, dass du.. 

F: Nein, niemand weiß das, außer dir. Über sowas rede ich nicht gern. Hast du eine Idee, wie ich es ihm sagen könnte?

A: Rede nicht um den heißen Brei, sag es ihm direkt, bleib aber nett.

F:  :-)

A: Ich kann gar nicht glauben, dass das hier gerade wirklich passiert.

F: Dann fang mal an, denn es passiert, Madame Amélie!

A: Nicht so frech, mon ami..

F: Ich muss schlafen, hab heute noch ein Spiel, da sollte ich noch ein wenig Schlaf tanken.. Müsste ja jetzt klappen, ist alles etwas geordneter.

A: Viel Glück! Und schlaf gut :-)

F: Du auch :-)

 

 

Es tat gut, mit ihm darüber zu reden, denn jetzt wusste ich, dass es keine Ausrede war, sondern einfach seine Art. Er wollte nichts anfangen, bevor Sachen nicht geregelt waren. Das musste ich für den Moment akzeptieren, aber ich war mir sicher, schon bald wäre das Glück wieder auf meiner Seite! Wenn da nicht Mel wäre, sie sah die Dinge natürlich anders, und mir war auch klar wieso. Sie war - anders als ich, nicht im Bann von Finn, sie war neutral, hatte eine objektive Sicht auf die Dinge. Ich hatte sie noch am selben Tag zu mir gebeten, ich wollte jetzt endlich darüber reden, und wer war da besser geeignet?

 

"Er hat dir das in einem Brief gesagt? Naja, gesagt klingt ja noch ganz nett.." "Hättest du dich getraut das direkt anzusprechen?" "Nick hat es wenigstens getan." "Nick hat was getan?" "Vergiss es, wir reden über dich, nicht über mich." "Mel, bitte, sag einfach was los ist. Was hat er getan?" "Er meinte zu mir, dass er mich nicht als seine Freundin haben will." "Weshalb? Er kann froh sein, dass sich so jemand wie du Interesse an ihm hattest." "Sieht er anders, er hat wohl nicht das von seinen Freunden gehört, was er hören wollte." "Wie .. wie meinst du das, Mel?" "Es kann doch kein Zufall sein, dass er mir jetzt mit sowas kommt, das war nachdem er mich vorgestellt hat. Ich bin mir sicher, da irgendwo liegt der Grund, denn er wollte mir keinen wirklichen nennen." "Ach, Mel.. und du denkst, du denkst bei Finn ist das nicht anders?" "Naja, überleg mal.. ihr habt euch bisher immer nur zu zweit getroffen, immer abgeschottet. Ob im Abstellraum, in seinem Auto zwei Straßen neben unserer Schule oder bei ihm.. ihr wart nie im Kino, in der Stadt oder auf irgendeinem Fest oder so." "Das ist anders." "Was ist anders?" "Er.. du kennst doch Julian, du weißt doch, was er anscheinend empfindet. Was wäre, wenn er uns dann sieht?" "Ich weiß nicht, Amélie, ich sag nur, überdenk jede Möglichkeit!" Und da war es wieder.. die Frage danach, ob er die Wahrheit sagte, ob es stimmte. Und diesmal war es anders, diesmal war es nicht mein Zweifel, sondern der von Mel, und sie war immer ehrlich - was nicht immer nett war, aber Ehrlichkeit schätzte ich schon immer und bei Finn wusste ich nicht, ob er ehrlich war. Aber ich wollte ihn nicht noch einmal fragen.. 

 

Zweifel.. sie hindern uns oft daran, dass zu erreichen, was wir könnten und auch wollen. Aber es ist nicht leicht über sie hinweg zu sehen, und das würde es auch nie. Aber gerade das war es, warum es sich lohnte seine Zweifel zu begraben: nur wer riskiert kann gewinnen.

Dare to win

Gefühle. Sie sind Teil eines jedermanns Lebens. Niemand kann sich von ihnen fernhalten, sie meiden. Niemand kann behaupten keine zu haben, oder je gehabt zu haben. Sie machen uns Lebewesen aus, uns Menschen. Sie definieren uns, und steuern unser Handeln. Unsere Wünsche, unsere Interessen, uns. 

 

Ich verbrachte das Wochenende bei Mel, immerhin brauchte sie jetzt eine Freundin, und jetzt war ich an der Reihe für sie da zu sein. Sie brauchte mich, jemand der sie zu schätzen weiß, nicht so jemand wie Nick, der einfach die Meinung anderer über seine eigene stellt. "Ich glaub immer noch nicht, dass ich mich auf den eingelassen hab." "Aber so lange wart ihr ja gar nicht zusammen, es ist doch nichts passiert. Du hast ja nicht mit ihm geschlafen, du wirst ihn schnell vergessen." Mel wirkte nachdenklich, sie sah hoch zu mir und schüttelte den Kopf. Ich verstand nicht ganz was das zu bedeuten hatte. "Wenn das so ist, werde ich ihn nicht schnell vergessen." "Du hast mit ihm geschlafen? W-warum hast du mir davon nichts gesagt?" "Ich wollte nicht, dass du denkst ich sei eine Schlampe. Denn das bin ich nicht." Ich nahm sie in den Arm und gab ihr einen Kuss auf den Kopf. "Das weiß ich doch. Du kannst mir wirklich alles sagen, ich werde dich nicht verurteilen. Das würde ich nie machen." Es war kurz still, bevor Mel zu reden begann: "Es war zwei Wochen, nachdem wir uns auf der Party besser kennengelernt hatten. Er hatte mich zu sich eingeladen, er hatte extra überall Sonnenblumen hingestellt, und mir gesagt, wie er sich daran erinnern konnte, dass es meine liebsten waren. Er hatte auch was gekocht, und meinen Lieblingsfilm hatte er auch runtergeladen. Es war alles perfekt. Er hatte an alles gedacht, wirklich alles. Und im Verlauf des Abends ist es halt passiert. Es war nicht unbedingt schön, es war irgendwie komisch, aber ich glaube das lag einfach daran, dass es das erste Mal war. Danach hatten wir noch ein paar Male miteinander geschlafen, da lief es besser ab. Es war nicht so seltsam, nicht so unbeholfen." "Ich verstehe Jungs wirklich nicht. Er kann doch nicht erst so aufmerksam sein, und dich dann so fallen lassen. Das ist doch kein Verhalten." "Das ist typisch für ihn, ich hätte es mir doch denken können, Amélie." "Es tut mir nur so leid, Mel, es sah so gut aus, du warst so glücklich." "Das bin ich auch ohne ihn." 

Bis Sonntag hatte sich Finn kein einziges Mal bei mir gemeldet. Ich hatte schon überlegt ihm zu schreiben, aber es war wirklich nicht meine Aufgabe das Ganze aufrecht zu erhalten. Außerdem wusste ich nicht, was ich ihm hätte schreiben könnte. Es gab viel eher Sachen, die ich fragen wollte, Sachen, die  ich aber nicht fragen konnte. Doch bevor ich mich noch mehr in Gedanken verfing, bekam ich eine Idee. Sie würde nicht mir helfen, aber Mel. Ich nahm mein Handy und tippte was ein, und schickte es ab. Es war eine Idee, es war ein Versuch. Vielleicht hatte er eine Idee, vielleicht wusste er mehr.

 

ANSEL: Oh la la, die Französin. Wie kann ich helfen?

AMELIE: Es geht um Nick. Bist  du sicher, dass du da nicht helfen kannst?

ANSEL: Kommt drauf an :-)

AMELIE: Ich hatte dir ja von meiner Freundin erzählt. Es ist nicht besonders gut ausgegangen, er hat ihr keinen wirklichen Grund genannt, ich dachte, vielleicht könntest du da ein bisschen nachfragen.

ANSEL: Und was hätte ich davon? ;P

AMELIE: Das schöne Gefühl mir und meiner Freundin geholfen zu haben ;PP

ANSEL: Hmm.. na gut, wie heißt denn deine Freundin?

AMELIE: Mel, eigentlich Melanie, aber den Namen mag sie nicht besonders.

ANSEL: Also Mel. Ich frag mich mal durch und melde mich dann.

AMELIE: Dankeschön

ANSEL: S'il vous plaît, mes amis.

AMELIE: ...

ANSEL: Ich konnte nicht anders :-D Wie läuft es bei dir denn?

AMELIE: Gute Frage, er hat sich seit Freitag nicht mehr gemeldet.

ANSEL: Mach dir kein Kopf. Ich mach mich dann jetzt mal an die Arbeit :-DD

 

"Mit wem schreibst du da? Hat sich Finn gemeldet?" Mel stand in einem Handtuch vor mir und starrte auch mich herab. Ich saß im Schneidersitz auf dem Boden und lachte kurz auf. "Ich hab jemanden um Hilfe gebeten." "Um Hilfe ge-be-ten? Wen? Für was?" "Ansel. Wegen der Sache mit Nick." "Ansel? Ist das der Exfreund von Nicks Schwester, der Ansel?" "Also ich kenne nur den. Und da das kaum einer weiß, ist er doch der richtige Befrager." "Gute Idee, ich wusste gar nicht, dass ihr Kontakt habt."

Noch am selben Tag bekam ich eine erneute von Ansel, hingegen keine von Finn.

 

ANSEL: Ich hab mit Nick versucht zu reden, es war etwas schwer, er hatte sich betrunken.

AMELIE: Hast du denn was raus bekommen?

ANSEL: Er meinte, sie hätte ihn betrogen.

AMELIE: Das wüsste ich aber.

ANSEL: Deshalb hab ich ja weiter gefragt.. ;-)

AMELIE: Und ?!?!?!?

ANSEL: Jemand namens Mo hatte ihm gesagt, dass er was mit ihr hatte, und sie einfach zu haben sei, ergo sicher schon den ein oder anderen Typen hinter sich hat.

AMELIE: Und deshalb hat er sich getrennt? Weil er sie für eine Schlampe hält? Er ist hier der Gigolo.

ANSEL: Gigolo also. Wie gesagt, ich habe gefragt, das ist was ich in Erfahrung gebracht habe.

AMELIE: Aber sie ist keine Schlampe, er war ihr erster, also..

ANSEL: Gerüchte sind nichts schönes, das wissen wir alle.

AMELIE: Hättest du nichts sagen können?

ANSEL: Ich denke sie sollte ihn aufklären, nicht ich. :-)

AMELIE: Danke nochmal.

ANSEL: Kein Ding! :-))

 

...

 

ANSEL: Ich habe auch Finn heute gesehen, er war bei Nick, als ich gegangen bin.

AMELIE: Er war bei Nick?

ANSEL: Ja

AMELIE: Weißt du was er dort gemacht hat?

ANSEL: Ihn nachhause gebracht, und bisschen da geblieben. Als ich da war, ist er gegangen, sah aus, als ob er länger nicht geduscht hatte oder mit Nick feiern war. Ich weiß nicht genau.

AMELIE: Hmm, auch hierfür danke.

ANSEL: Schlaf gut.

AMELIE: Du auch

ANSEL: Zzzz... ;p

 

Ich erzälte Mel also von dem, was Ansel in Erfahrung gebracht hatte. Sie war außer sich vor Wut, wollte alles aufklären, aber ich musste sie dran erinnern, dass sie das alles offiziell gar nicht wusste. Sie musste ihn dazu bringen es ihr zu sagen, erst dann konnte sie was dagegen unternehmen. Sie wollte auf der nächsten Party mit Nick reden, denn sobald er betrunken war, sprach er wie am Band.

 

 

Get to know the secret

Wut. Sie treibt uns immer wieder an. Meistens ist das Ergebnis nicht positiv. Im Gegenteil, man vermaselt mehr, als man rettet. Aber das Gehirn leitet nicht die Wut, und auch sonst nichts, was jemandem vor dem Ausbruch jener retten kann.

 

"Ich kann es nicht glauben. Ich werde Mo eine verpassen, sobald ich offiziell davon weiß." Um das offiziell macht Mel Anführungszeichen und lacht kurz, aber dann ist die Wut direkt wieder da. "Ich werde dir helfen, sowas geht einfach gar nicht!" "Danke, Amélie." "Das ist doch selbstverständlich." "Hast du eigentlich mal wieder etwas von Finn gehört?" "Nicht wirklich."

In der Schule bin ich ihm auch aus dem Weg gegangen, wobei das auch immer automatisch passierte. Doch am Mittwoch sah ich ihn vor der Schule. "Amélie!" Ich schaute mich um, es fühlte sich nicht so an, als ob er wirklich mich meinte, aber bei meinem Namen, konnte er nur mich meinen. "Amélie, soll ich dich mitnehmen?" Um ihn herum standen einige Jungs, auch Julian. Ich verstand nicht so ganz, was er da tat. Und auch nicht, warum. "Du willst mich mitnehmen?" Er kam auf mich zu und legte seinen Arm um mich und lächelte mir zu. "Also komm." Ich sagte kein Wort mehr, und lief einfach neben ihm her. Wir bogen um die Bushaltestelle und suchte nach seinem Mofa. "Wie willst du mich auf dem Mofa mitnehmen?" "Ich darf Auto fahren." "Wie?" "Mein Vater hat da so eine Sonderreglung rausgehauen, frag mich bitte nicht wie, aber das rote Auto da gehört mir. Und du bist die erste, die ich mitnehme." "Die erste? Kommt danach etwa noch jemand?" Ich entlockte ihm ein nervöses Lachen und sah, wie er sich nach vorn beugte. Er küsste mich. Uns hätte jeder sehen können. Dann schaute er mich an. "Ich habe es Julian mehr oder weniger gesagt, es dauert nicht mehr lange." Ich sprang in seine Arme und konnte mich vor Freude kaum halten. "Du weißt wo ich wohne?" "Ich führe dich aus, nichts nach Hause." "Keine ganze Sätze mehr?" "Keine Zeit, steig ein!" 

Wir fuhren sehr lange, und hielten an einem See. Ich hatte ihn noch nie gesehen, aber ich hatte mich direkt verliebt. "Wow." "Nur halb so schön, wie du." "Hör auf." Ich schlug ihm krz auf die Schulter, dann küsste ich ihn vorsichtig. Er legte seine Arme um mich und küsste mich immer wieder, bis er dann meine Stirn küsste und auf den See hinaus blickte. "Ich habe Essen dabei, ich hoffe du bist ein Obst und Salatfan." "Darf ich dich was fragen?" "Natürlich." "Warum hast du dich nicht eher gemeldet, ich hatte ein ganz komisches Gefühl, Finn." "Tut mir leid, ich wollte erst alles klären, was ich klären konnte. Und zu fünfundsiebzig Prozent ist es das ja jetzt auch." 

Wir hatten einen schönen Tag, haben nicht mehr über Probleme gesprochen, sondern über uns. Wir haben uns besser kennengelernt. Ich weiß jetzt mehr über ihn und seine Beziehung zu ihrem Bruder. Oder warum er Profisportler werden möchte, aber immer wieder an sich zweifelt. Ich habe ihm auch von meinen Zweifeln erzählt. Ich wollte schon immer Schauspielerin werden, aber der Beruf ist weder sicher, noch ist es einfach Fuß zu fassen. Er wollte mich ermutigen, aber es hat nichts geholfen, Zweifel bleiben bestehen. Aber ich war unendlich dankbar dafür, einen ganzen Tag mit ihm zu verbringen. Es war nett - mehr als das, es hat mich aus einem kleinen Loch gerissen. Seine Gesellschaft lässt mich alle Sorgen vergesen, alles, was an dieser Welt schlecht ist und alles, was mir Sorgen bereitet. Selbst als ich über genau diese gesprochen habe, habe ich sie vergessen können, weil mich seine blauen Augen daran erinnerten, wie schön die natürlichen Dinge im Leben sind. Wie die einfachsten Dinge einem mehr als alles bedeuten können. Und er fing an mir mehr zu bedeuten, als mir wohlmöglich lieb war.

Die nächsten paar Tage sprachen wir immer mal wieder über unserem Handy, und trafen uns auch zweimal, aber nach drei Wochen kam dann ein kleiner Rückschlag. Es war auf einer Party, wir sind das erste mal zusammen auf eine gegangen. Wir waren erst in einem kleinen Cafe etwas essen und ein bisschen reden. Als wir ankamen, hatten die ersten bereits getrunken, und konnten sich kaum halten. Auch Nick hatte sich gut angetrunken, und Mel wich ihm nicht von der Seite - sie würde es ihm heute also sagen können. Ich war froh, dass sie solange gewartet hat, und die Chance nutzen wollte, alles klar zu stellen. Das Problem sollte auch ein ganz anderes werden: Julian. Er war völlig betrunken, und als er Finn und mich sah, kam er auf uns zu. "Seid ihr jetzt offiziell zusammen?" Ich anwortete nicht, erwartete aber auch keine von Finn. Wir hatten darüber noch nicht gesprochen. Nicht einmal Ansatzweise. Aber wir hatten beide ein Gefühl, eine Antwort, da war ich mir sicher. "So ziemlich, ja. Aber wir haben das doch geklärt." "Ach, haben wir das?" Julian klang nicht wirklich aggressiv, sondern eher verletzt. Er tat mir schon leid, aber er hatte nie um eine Chance gebeten, und ich war mir nicht sicher, ob ich ihm eine gegeben hätte. Besonder erwachsen war sein Auftreten ja nicht. "Nun ja, ich denke, du kannst nicht auf ihn sauer sein." Er sah mich verdutzt an und hob die Augenbraue. "Ich entscheide ja nichtmal wen ich mag, wie soll er dann darauf Einfluss haben?" Julian sah mich nicht mehr an, sondern starrte Finn an. Dieser stand verwurzelt dort und stand dem Blick fest. "Ich glaube du solltest gehen, Julian. Du hast mehr getrunken, als jedem hier lieb ist." Dann drängte sich Finn an ihm vorbei, doch Julian hielt ihn an der Hand und schubste ihn zurück. "Wir sind nicht fertig, Bruder." Plötzlich ist Finns Auftreten komplett anders, und er ist aufeinmal sehr wohl aggressiv. "Ich habe gesagt es ist so, also ist es so. Und glaub mir, derjenige, der sich hier blamiren würde, wärst du, nicht ich." Julian will Finn gerade eine verpassen, da stelle ich mich in den Weg, und Julians Faust trifft die Luft knapp über meinem Kopf. "Lasst das sein. Das bringt nichts. Lass uns einfach gehen, Finn." "Nein, ich will bleiben." Er nahm meine Hand und zog mich durch das Wohnzimmer auf den Balkon. "Es tut mir leid." "Es muss dir nicht leid tun, es ist nicht deine Schuld." "Er kommt nicht wirklich gut damit klar, Amélie.." "Aber er hat doch auch nie etwas versucht, also.." "Das ist es ja, er hat das Gefühl nichteinmal eine Chance gehabt zu haben. Nichteinmal  die Möglichkeit gehabt zu haben, selbst wenn er sie eigentlich gehabt hätte. Verstehst du?" Ich nickte. Dann nahm ich seine Hand und sah ihm ins Gesicht. Er sah ganz blas aus im Mondlicht, und jedes einzelne Muttermal wurde sichtbar. Selbst das kleine über seinem Mund, dass ich nicht besonders mochte, aber immer mehr zu lieben schätzte. Ich sah ihn an, und war wunschlos glücklich, denn man sah direkt, dass er nicht nur von außen, sondern auch von innen wunderschön war. Und jemand so schönes gehörte mir - so sehr wie ein Mensch einem anderen Menschen gehören konnte. Nicht in Form von dinglichem Besitz, aber emotional gehörte er mir und ich ihm.

Nachdem wir ein bisschen Zeit zusammen verbracht hatten, beschlossen wir uns eine kurze Pause von einander zu gönnen. Ich suchte also Mel. Aber bis ich sie fand vergingen mehrere Minuten. Und das, obwohl die Party in einer nicht all zu großen Wohnung stattfand. Ich fand sie schließlich in einem kleinen Zimmer, in dem nur ein Tisch mit PC drauf stand. Sie war mit Nic und die beiden redeten. Ich wollte gerade gehen, da sah mich Nic. Mir fiel sofort auf, wie rot seine Augen waren, und ich wusste nun, dass er geweint hatte. "Ich geh sofort, ich wollte nur kurz nach Mel sehen, aber.." Ich drehte mich um und verließ den Raum. Was auch immer das war, Mel hatte ihm wohl das ein oder andere gesagt. Ihm klar gemacht, was los ist, und was los sein sollte. Ich wartete bis sie raus kam, aber als sie auch nach zwanzig Minuten noch nicht rausgekommen war, beschloss ich mich nach anderen Menschen umzusehen, die noch nicht völlig weggetreten waren. Aber es war kaum jemand zu finden. Also ging ich ins Bad. Dort war niemand, also checkte ich mein Make-Up nochmal. Alles saß wo es sitzen sollte, nur mein Lippenstift war halb abgetragen. "Und wie gefällt dir die Party?" Vor Schreck fiel mir der Lippenstift aus der Hand und ich schaute mich um, konnte aber niemanden sehen. Dann sah ich, wie jemand in der Badewanne hinter dem Duschvorhang saß.. "Entschuldigung, aber.." Dann zog er an dem Vorhang und sein Gesicht kam zum Vorschein: es war Ansel. "Das wir uns immer an solchen Orten finden müssen." "Komm, setz' dich zu mir." "In Ordnung." Ich setze mich an die andere Ecke der Badewanne und legte meine Beine über die Kante der Badewanne. "Und du hörst hier also Menschen beim Pinkeln und so weiter zu?" "Oh ja, genau. Und beim kotzen, dürfen wir natürlich nicht vergessen." "Bist du alleine hier?" "Ne, mit ein paar Freunden, nur sind die inzwischen alle völlig weggetreten. Sowas kann ich nicht ab." "Da bist du nicht der einzige. Mir gehen besoffene Leute auf mega auf die Nerven. Ist denen das denn kein Stück peinlich?" "Darum geht es ja, es soll einem nichts mehr peinlich sein, liebe Amélie." "Touchée." "Und du bist mit Finn hier?" Ich nicke. "Also hat alles so geklappt, wie du wolltest?" "Komischerweise ja." "Freut mich, ich wünsche euch viel Glück weiterhin." "Danke. Und was ist bei dir?" "Oh oh davon brauche ich erstmal eine Pause, viel zu viel Stress." "Toll, etwas auf das ich mich freuen kann." Er hob die Augenbraue, und zwinkerte mir dann zu. "Aber dieser Stress kann gut sein, nur war er das bei mir irgendwann nicht mehr. Es hat sich halt einfach nicht gelohnt." "Warst du denn wirklich verliebt?" "Ich dachte es, aber im Nachhinein bin ich sicher, dass ich es nicht war. Ich glaube allgemein war ich es bisher nicht." "Noch nie?" Er sagte nichts, aber ich wusste, dass das kein Verneinen war. "Wie stellst du dir verliebt sein denn vor?" "Die Person ist mir in jeder Hinsicht wichtiger als ich und mein eigenes Wohl. Die Person bringt mich in den absurdesten Launen zum Lachen, mit ihr ist alles sowohl einfacher als auch schwerer und alles sowie nichts tut weh. Einfach ein Überdruss an Gefühlen, sowohl gut als auch schlecht. Liebe ist nicht so einseitig ausgelegt, wie die meisten meinen, deshalb klappt es da ja auch nicht. Man muss den Ausgleich früh finden, sonst hasst man den anderen irgendwann nur noch." "So habe ich das noch gar nicht betrachtet." "Ich hoffe ich habe dir da jetzt nichts kapputt gemacht, aber du hast gefragt und ehrlich sein wollte ich da schon." "Ne, ist alles in Ordnung. Ich finde nur, dass du Recht hast. Und das es so offensichtlich ist, da schockt es mich, dass ich das nicht selbst so für mich definiert habe." "Na dann, bittesehr, Amélie." "Du sagst meinen Namen sehr gerne, nicht?" "Isch weiß nischt wovon du reddesst.", brachte er mit dem schlechtesten französischen Akzent aller Zeiten hervor. "Als ob dein Name schöner war, ich habe den noch nie gehört gehabt, bis wir uns begegnet sind." "Muss ja nicht zwangshaft was schlechtes sein." "Touché.." "Schon wieder? Ich bin wohl ein wortgewandter Junger Mann." "Eventuell, eventuell aber auch nicht." Ansel und ich unterhielten uns noch sehr lange, auch, wenn zwischendurch immer wieder irgendwelche Leute reinkamen, erst als Finn reinkam wurde die Stimmung etwas getrübt. "Was ist denn das hier, Amélie?" "Du kennst ja Ansel.." "Ja, ich kenne ihn..", er schaute verhasst zu ihm rüber, "was machst du mit ihm in einer Badewanne? Ich suche dich seit Ewigkeiten, auch Mel sucht dich." "Tut mir leid, ich hab niemand anderes gefunden, der noch nicht betrunken war und -" "Komm jetzt bitte." Mir war die Situation sichtlich peinlich. Aber nicht, weil ich mit Ansel in einer Badewanne gesessen habe, sondern aufgrund von Finns Reaktion. Das war nun wirklich unangebracht. "Guten Abend, Ansel. Wir sehen uns." Er winkte leicht beschämt und schloss dann seine Augen und entspannte.

Vor dem Bad sah mich Finn abwertend an und schüttelte den Kopf. Ich ließ seine Hand los, die er bis eben noch hielt und verschrenkte meine Arme. "Was ist dein Problem, Finn?" "Mein Problem? Soll ich auch weg sein, und du findest mich neben einer Ische in einer Badewanne? Was soll das?" "Es war aber nicht so, wie es aussah. Er ist mein Freund." "Du kennst ihn nicht, deshalb verstehst du mich auch nicht, Amélie." "Dann klär mich auf." "Das ist seine Masche. Er spielt dir den lieben Kerl vor, den verständnissvollen Typ, der alles kann und alles weiß. Jemand der dir helfen will, und am Ende steckt er dir seine Zunge in den Hals." "Das glaube ich nicht." "Warum? Bin ich nicht so glaubwürdig wie er, oder was?" Seine Stimme wurde immer lauter, sowie sein Gesicht immer roter. "Nein, das ist es nicht, aber warum sollte er so etwas tun?" "Weil er das für sein Ego braucht, deshalb." "Selbst wenn er das vor hätte, kennst du mich nicht gut genug, um zu wissen, dass ich das was wir haben niemals riskieren würde?" "Ich vertraue dir ja, aber es ist einfach kein schöner Gedanke zu wissen, dass du bei so einem bist." 

Nachdem Finn und ich das Problem vorerst geregelt hatten, suchte ich Mel. Sie wartete draussen vor der Haustür auf mich. "Mel!" Mit verheulten Augen kam sie auf mich zu und ich nahm sie so feste ich konnte in meine Arme. "Sch.. was ist denn los?" "Er will mich einfach nicht." "Was meinst du?" "Er meint, er war zwar in mich verliebt, aber das er das gar nicht wollte." "Was ist das denn für eine scheiße!?" "Vor allem hat er mich erst angeschrien wie ein Gestörter, was ich denn hier mache, dann hat er geheult, warum auch immer und dann hat er mich mehr oder weniger nur beleidigt." "Und du hast dir das einfach so gegeben?" "Nein, natürlich nicht. Ich habe ihm eine geknallt und klar gestellt, dass ich keines der Dinge bin, die er von mir denkt." "Und was war dann?" "Er hat mich geküsst, ganz kurz, und dann ist er aus dem Zimmer." "Können die nicht einfach mal sagen, was die wollen?" "Ich kann das auf jedenfall nicht mehr. Ich habe alles getan, was ging. Ihm die Wahrheit gesagt, ihm nochmal gesagt, wie viel er mir bedeutet, aber anscheinend ist das egal." "Willst du gehen?" "Ehrlich? Ja, sofort!" "Komm, ich sag Finn bescheid. Du kannst dann heute bei mir schlafen." "Danke." "Keine Ursache, Mel."

Freundschaften - Der Schlüssel zum Glück

 Freundschaften. Sie waren mir früher nicht so wichtig, wie sie es jetzt sind. Ich weiß jetzt, dass Freunde einen Großteil von einem selbst ausmachen. Das ist nun mal so. Und das ist auch nicht schlimm, solange sie einen nicht völlig definieren. Und ich hatte was Freundschaften betraf sehr viel Glück. Vor allem in Melanie, aber auch Jule, die momentan auf einem Austausch war, sowie auch Luise, hatte ich sehr gute Freunde gefunden. Es war nicht zu leugnen, dass Melanie meine beste Freundin war, aber mir lagen alle meine Freunde sehr am Herzen. Und wenn sie litten, litt ich mit.

 

"Ich kann das immer noch nicht glauben. Können die nicht einfach mal dazu stehen, was sie fühlen? Und was ist das für eine Aussage 'Ich will diese Gefühle nicht besitzen'? Das kann doch nicht deren Ernst sein. Die denken sie machen sich das so leichter, aber glaube mir, Mel. Sie machen es sich schwerer. Und bald, da wird er es merken, und das wirst du dann merken." Mel weinte immernoch. Ihre Augen waren bereits rot und verquollen, und auch der Haufen Taschentücher neben ihr konnte da nichts leugnen. Sie war am Boden. Und das konnte ich sehr gut verstehen, dass was sie durchmacht, genau das war meine größte Angst. "Aber ich freu mich, dass es bei dir gut läuft. Ich hatte wohl unrecht." Ich wollte erst nicht über mich reden, wollte ihr nicht mehr oder weniger unter die Nase reiben, dass bei mir alles super war. Aber ich wusste, dass sie das ablenken würde. Und ich wusste wohin ich das Thema lenken könnte. "Ja, es ist alles gut ausgegangen. Die ersten Tage waren echt schön, ich hoffe, dass es auch so bleibt. Wobei wir heute schon unseren ersten kleinen Streit hatten." "Streit? Weshalb? Ich hoffe nicht wegen mir?" Mel sah zu mir, ihre Augen weit aufgerissen, so wie auch ihr Mund. "Nein, keine Sorge. Wegen Ansel." "Ansel.. wieso denn wegen dem?" "Ich war ja auf der Suche nach dir, aber konnte dich nicht finden, da habe ich ihn gefunden. Hab mich zu ihm in die Badewanne gesetzt." "In die Badewanne?" Ich konnte ihr ein kleines Lachen entlocken und lachte mit. Erst jetzt begriff ich, wie dumm das klingen müsste. "Ja, aber keine Sorge, wir hatten beide mehr als genug Klamotten an. Auf jeden Fall war Finn mega sauer, als er mich dort gefunden hat. Und meinte etwas von wegen, Ansel sei total komisch was Mädchen betrifft. Er meint, er ist immer erst total hilfsbereit und, dann ganz plötzlich will er mehr." "Ich kenne Ansel ja nicht, sonst könnte ich da jetzt mehr zu sagen. Aber ich glaube nicht, dass Finn jemand ist, der sich so etwas ausdenkt. Das kann ich mir nicht vorstellen." "Das kann ich auch nicht, aber du müsstest Ansel kennenlernen, er ist eine ganz tolle Person." Da kam mir eine Idee. Ansel würde bestimmt nichts versuchen, wenn er sich in jemanden verlieben würde. Und in wen könnte man sich besser verlieben, als meine beste Freundin? Sie war wunderschön und hatte Grips. Das würde ihn bestimmt umhauen, auch, dass sie total belesen ist. Das müsste einfach passen. "Ich finde wirklich, du solltest ihn kennenlernen." Mel sah kopschüttelt zu mir rüber. Es war auf jeden Fall zu früh, aber ich hatte ja nicht von heute gesprochen. Oder Morgen. Es war noch genügend Zeit.

Mein Handy klingelte, auf dem Display stand Ansels Name. "Es ist Ansel. Warum ruft er mich denn an?" "Geh ruhig ran, mach Lautsprecher an. Ich bin auch ganz leise." "Alles klar." Ich nahm den Anruf entgegen.

"Hey, Amelié. Ich hoffe es ist noch nicht zu spät um anzurufen." Ich sah auf die Uhr, es war kurz nach eins..

"Ich bin jedenfalls noch wach. Warum rufst du an?" 

"Ich wollte fragen, ob es Stress gab. Ich will nicht, dass du dir das kaputt machst, woran du so lange gesessen hast. Vor allem nicht wegen mir." Mel sah kritisch zu mir rüber, ich zuckte mit den Schultern.

"Es ist alles in Ordnung, Finn war einfach etwas angetrunken."

"Du musst nich lügen, ich kenne Finn und seine Meinung zu mir."

"Woher?" 

"Ich war mit der Schwester seines Freundes zusammen. Da kriegt man sowas mit."

"Auf jeden Fall musst du dir keinen Stress schieben, es ist alles in Ordnung."

"Das hoffe ich. Ich will wirklich nicht-" 

"Ich weiß, danke."

"Gute Nacht, Amelié."

"Gute Nacht."

Ich legte auf und schaute rüber zu Mel. Diese zuckte mit den Schultern und sah erwartungsvoll zu mir herüber. "Warum hat er nicht einfach eine Nachricht geschrieben? Auf What's App oder Facebook." "Das ist eine sehr gute Frage, aber so gut kenne ich ihn auch nicht." "Also das klang schon sehr nach dem, was Finn meinte. Ich wäre da vorsichtig." Wenn das stimmte, wäre es keine gute Idee, ihn ihr vorzustellen. Mel hatte mehr verdient. Aber ich bekam das Gefühl nicht los, dass die beiden sehr gut miteinander klar kommen würden. "Du solltest ihn kennenlernen, einfach, damit wir die Dinge klarer sehen." Eine Lüge war nicht das schönste, aber es war auch keine völlige Lüge. "Immerhin war er immer sehr nett und ein guter Freund bisher. Den kann ich dir doch nicht etwa vorenthalten." "Sag was du willst, ich habe deinen Plan durchschaut, aber ich spiele mit. Das ist gar kein Problem. Ein bisschen Ablenkung würde mir nicht schaden." "Sehr gut. Dann schlafen wir jetzt auch, oder willst du immer noch den Film gucken?" "Das fände ich schon nicht schlecht, wenn ich ehrlich bin." "Dann den Film, und danach schlafen."

 

In der Schule fehlte Mel die ersten zwei Stunden, denn sie hatte das Privileg jeden Montag zur dritten Stunde zu haben. Dafür hatte ich das Privileg, Jule vor ihr wiederzusehen. Wir hatten jetzt gemeinsam Chemie, und sie ist gestern Nach angekommen, was heißt, sie müsste heute in der Schule sein. Und gerade als ich die Treppen zum Chemieraum hochlief, sah ich sie vor dem Chemieraum stehen. Um sie herum waren eine Menge Leute, die sie natürlich sehr vermisst haben - die netten Leute aus der Stufe eben. Achtung, Ironie! Aber das war eines der Themen über das Jule und ich uns gern abließen. Diese Heuchlerei, und dieses falsche Getue, es war durchaus unterhaltsam. Ich grinste Jule noch ein bisschen an, bis sie mich sah. Dann lief ich auf sie zu, und umarmte sie ganz fest. Auch ihr Griff war sehr fest, so fühlt sich das halt an, wenn man sich länger nicht gesehen hat und man sich wirklich gefehlt hat. 

"Du bist so braun geworden, unglaublich. Jetzt bin ich das einzige blase Schwein hier." "Ach, komm. Dafür hast du was ganz anders, wie ich höre." Ich war verwirrt, wovon sprach sie? "Ich bin auch ein wenig sauer, dass du es mir nicht erzählt hast. Und allgemein, die letzten Wochen hast du dich, und Mel auch, fast nie gemeldet. Gaaar nicht nett." "Wovon sprichst du?" "Na von Finn!" Natürlich.. sie fehlte etwas länger, und ich hatte mich längere Zeit nicht gemeldet - sehr freundlich von mir.. aber das würde sie mir bestimmt verzeihen, bei dem ganzen Trubel. "Ja, das war der Grund, warum ich mich nicht gemeldet habe." "Ich bin auf Mels Grund gespannt." "Glaub mir, ihrer ist genau so gut, wenn nicht besser, bzw schlechter.. ich weiß nicht." "Ich möchte alles hören. Wirklich alles, und Chemie ist nicht so wichtig, da kannst du mir das doch bestimmt zuflüstern, nicht?" "Ach, Jule. Du solltest wirklich aufpassen in Chemie.", witzelte ich rum. 

Nachdem ich ihr von mir erzählt hatte, und allem was mit anfiel. Sprich Finn, Ansel und ein bisschen Mel, wollte sie mehr über Mels Situation wissen, aber es fühlte sich nicht nach meinem Geheimnis an. Da müsste Jule schon warten, bis Mel da war und es ihr sagen konnte. Das stand für mich fest. Da würde auch kein Betteln helfen. 

 

Ich hatte seit dem kleinen Streit nichts von Finn gehört, machte mir aber keine Sorgen. Erst als er in der Schule wortlos an mir vorbeigegangen war, keimte in mir eine Sorge. Dann zwei, dann drei, und dann ein paar mehr. Ich wartete bis zu vierten Stunde, bis wir einstündige Pause hatten um mit ihm in Ruhe reden zu können. Ich fing ihn vor seinem Bioraum ab.

"Finn?" Er sah mich diesmal an, sprach allerdings immer noch kein Wort. "Bist du sauer?" Er schaute mich weiter stumm an, dann atmete er tief aus und sah mich an. Sein Blick war blau, würde ein Poet jetzt sagen. Er sah wirklich traurig aus, und ich hoffte einerseits, dass es wegen etwas anderem war, aber andererseits, was hätte ihn noch so runterziehen können? Und warum sollte er es an mir auslassen? "Ich bin nicht unbedingt sauer, aber mir haben einige Dinge wirklich nicht gefallen." "Es tut mir leid wegen Ansel. Ich kann wirklich verstehen, wie das ausgesehen haben muss, aber für mich ist und bleibt er ein Freund. Du bist mein Freund." "Ich wusste nicht, ob dir das wirklcih noch bewusst war." "Warum sollte es das nicht?" "Du hast lieber deine Zeit mit Ansel verbracht, als mit mir. Weißt du wie lange ich dich gesucht habe? Du hast nicht einmal nach mir geguckt." "Was soll das heißen?" "Ich wollte mit dir Zeit verbringen, und ich dachte auch, dass du das wollen würdest. Aber da habe ich mich wohl geirrt." "Nein, das stimmt so nicht. Ich verbringe sehr gerne Zeit mit dir." "Warum warst du dann bei Ansel, nicht bei mir?" "Es hatte sich einfach so ergeben, ich habe ihn ja nicht gesucht ich habe ihn einfach gefunden. Ich wäre auch bei jedem anderen meiner Freunde geblieben. Und man vergisst sich auch mal in der Zeit, nicht?" "Dir hätte es also gefallen, wenn du mich stundenlang gesucht hast, und mich dann bei Fiona oder so findest? Wärst du nicht sauer?" "Bei Fiona ist das was anderes, sie steht offensichtlich auf dich." "Glaub mir, Ansel tut das auch." "Er steht also auf dich?" Ich versuchte die Stimmung zu lockern, aber bis auf ein leichtes Zucken seiner Lippen, brachte mir das nicht viel. "Ich dachte wir reden hier ernsthaft." Er machte einen Schritt auf die Tür zu, die nach draußen führte. "Du gehst doch jetzt nicht allen ernstes?" "Das hatte ich vor, weil sich nicht mit dir reden lässt. Gib doch einfach zu, dass es nachvollziehbar ist." Ich wollte das nicht zugeben, denn für mich war es nicht so. Es sah danach aus, aber es war nicht so. Bei Fiona wäre das ganz anders gewesen, aber Ansel und ich waren nur Freunde. Wir hatten nie Gefühle füreinander, oder es mal miteinander versucht auf die ein oder andere Weise. Er hingegen..  Da ich nichts sagte, verschwand er durch die Tür. 

Es dauerte ein paar Minuten bis ich mich beruhigt hatte, und ich ging auch nach draußen. Ich wollte nocheinmal mit ihm reden, und die Dinge ein für alle mal klarstellen. Aber auf das was ich sah, war ich nicht vorbereitet. Er hatte sich zu Fiona gesetzt und hielt ihre Beine auf seinem Schoss. Sein Gesicht war zwar eher abwesend, aber ihres war voller Stolz und Gier. Und als sie mich sah, steigerte sich das nur. Dann strich sie über seine Wange, er schaute sie nur komisch an, dann fiel sein Blick auf mich. Ich wollte mich erst nicht darauf einlassen, auf sein dummes Spiel, mir zu demonstrieren wie er sich gefühlt haben muss, aber ich war ein Mensch mit Gefühlen. Und die brodelten gerade nur so vor mich hin. Ich lief auf die beiden zu, dabei schubste er ihre Beine von seinem Schoss und stand auf. Fiona schaute verdutzt zu ihm hoch und dann mit böser Miene zu mir. "Ist das dein Ernst, Finn?" "Es war immerhin deiner." "Das ist nicht dasselbe." "Aber so hat es auf mich gewirkt, das sollte dir auch etwas bedeuten." "Es tut mir ja leid. Ich wollte nicht, dass du dich schlecht fühlst, oder gar vernachlässigt. Aber ich bin das erste mal nicht nur auf mich alleine gestellt, ich brauche halt noch etwas Übung." "War das so schwer?" Plötzlich formte sich ein breites Grinsen auf seinem Gesicht und er nahm meine Hand und streichelte meine Handknochen. Mir gefiel das besonderns, und ich glaube er hatte das bereits gemerkt. Ich war kein Fetischist, aber ich stand auf Hände. Für mich waren sie immer etwas ganz intimes, und es war etwas ganz besonders die Hand eines anderen Menschen zu halten. "Das ist doch jetzt nicht dein Ernst!" Ich hatte Fiona fast schon vergessen, aber sie selbst hatte sich natürlich nicht vergessen. "Sorry." war das einzige, was Finn ihr entgegnete, bevor er sich mit mir unter den größten Baum auf dem Schulhof setzte.

"Was hälst du von einem Abendessen diese Woche?" "Ich wäre dem nicht abgeneigt." "Gut, Amelié, dann haben wir wohl ein Date." "Und ich freue mich jetzt schon dir meine gesamte Aufmerksamkeit zu schenken." "Rate mal, wer sich noch mehr darauf freut."

 

Die nächste Zeit verbrachten wir immer mehr Zeit. Und die Momente hielten die Zeit an, unsere Zeit zusammen war mein Glück. Ich hatte schon vergessen, warum es nicht von Anfang an so war, aber so war das Leben nicht. Es lässt einen nicht vergessen. Es wartet, bis man sich erholt hat, dann schlägt es wieder zu. Wie eine Bombe, die zweimal detoniert. Und meine Bombe, auch bekannt als mein Leben, würde nochmal detonieren.

Es war ein paar Wochen später, vielleicht knapp zwei Monate später, da meldete sich Ansel erneut bei mir. Er rief mich an, und die Neugier iin mir, ließ mir nur eine Wahl: ich muss dran gehen.

"Hey."

Innerhalb der wenigen Sekunden hatte ich mir mehrere Szenarien ausgmalt, was er sagen würde, aber ein einfaches Hey war nicht dabei. War es nicht dabei, weil ich doch mehr wollte? Eine Entschuldigung zum Beispiel.

"Hey." 

"Ich wollte mich mal wieder melden, fragen wie es dir geht."

"Mir geht es gut, danke." Ich wollte gemein sein, aber das war nicht das, was er verdient hatte. "Dir?"

"Ich würde sagen, schlecht."

"Was meinst du mit schlecht?" Hatte Finn doch Recht? Würde Ansel mir jetzt sein Herz ausschütten? 

"Die letzten Wochen waren nicht besonders schön."

Ich konnte hören, wie er weinte. Ich wollte etwas tröstendes von mir geben, aber ich wusste nicht was.

"Was ist denn passiert? Beruhige dich. Wo bist du, ich komme." 

Ich hatte mir schon meine Jacke umgeworfen und hatte die Tür geöffnet, und dort stand er dann. Ich legte auf und schaute auf ein Wrack hinauf. Seine Haare waren nun viel länger, sie fielen ihm bis in die Augen und gestylt waren sie auch nicht. Er trug eine Sweathose und ein dunkles Tshirt.

"Ansel."

"Ich wusste nicht, wo ich sonst hin soll."

Ich konnte nicht vergessen, dass er mir oft genug geholfen hat. Ich war jetzt an der Reihe. Finn mag ihn vielleicht nicht, aber für mich war Ansel ein Freund. 

"Was ist denn passiert?" 

Statt mir zu verraten, was los war, indem er sprach, fiel er auf seine Knie und fing bitterlich an zu weinen. Ich hockte mich zu ihm und legte meine Arme tröstend um ihn. Sein Kopf ruhte auf meiner Schulter, und ich konnte spüren, hier ging es nicht um eine Kleinigkeit. Irgendwas schlimmes muss passiert sein. Nur, was?

 

Es dauerte noch ein wenig, bis er sich beruhigt hatte und bereit zu reden war. Zuvor saßen wir gemeinsam auf meinem Zimmerteppich und ich tröstete ihn, während er seinen Gefühlen freien Lauf ließ. Er hatte sich mir geöffnet, mir sein Herz ausgeschüttet, aber auf eine ganz andere Weise.

"Willst du mir nicht sagen, was los ist?"

"Meine Vater ist tot." 

Und die Worte hatten ihn gerade erst verlassen, da fing er erneut zu weinen an. Ich legte meine Arme nun fester um ihn und versuchte ihn zu stützen. Denn er weinte nicht ruhig vor sich hin, es war als würde er flüchten wollen. Vor seinen Gefühlen, vor seinem Leben. Wahrscheinlich auch vor mir, aber ich bezweifle, dass er wirklich Freunde hatte. Nicht, weil er sie nicht verdient hat, aber gerade deshalb. Leute, die Dinge verdienen, besitzen sie nicht. Leute, die Dinge nicht verdienen, besitzen mehr als nötig.

"Ansel, es tut mir so leid. Was, was ist denn passiert?"

"Ich habe es dir nie erzählt. Nicht, weil ich dir nicht vertraue, ich tue das, wirklich. Aber es war nicht wirklich mein Problem. Ich wusste nicht, ob ich es einfach so erzählen könnte." 

In mir keimte die dunkle Vermutung, dass es hier um etwas ginge, womit jemand in unserem Alter eigentlich keinen Kontakt haben sollte. Und ich sollte Recht behalten.

"Mein Vater war schon seit längerem krank. Es sollte ihn eigentlich nicht töten, zumindest hat er mir das immer erzählt. Aber er ist es letzendlich doch. Es ist jetzt drei Wochen her.."

"Warum kommst du erst jetzt?"

"Ich wollte nicht einmal jetzt kommen, aber ich brauchte endlich jemanden. Meine Mutter, ihr geht es noch schlechter als mir. Er hat ihr wohl das selbe wie mir erzählt. Ihr erzählt, dass wir noch Zeit hätten. Dass es ihm gut ginge, dass es ihm noch gut ginge." 

Seine Augen wurden zwar gläsrig, aber er war nun stärker und weigerte sich Tränen zu lassen. Ich umarmte ihn auch nicht länger, ich hielt nur noch seine Hand und hörte ihm weiterhin aufmerksam zu. Er sprach noch lange Zeit davon, wie sein Vater vor drei Jahren erkrankte. Er wollte mir nicht sagen, woran, und ich war einverstanden damit. Es war immerhin egal, welche Krankheit es war, für mich war klar, dass jede Krankheit nicht zu unterschätzen war. Und deshalb spielte es keine Rolle, ob es Krebs, Aids oder sonst was war. 

Weiterhin erzählte er mir von seiner Familie. Er sprach von seinem älteren Bruder Noah. Er war vor fünf Jahren bereits ausgezogen und lebt nun in Australien. Er hat sich dort ein Leben aufgebaut, und ihm hat man es verheimlicht. Man hat ihm nichts von der Krankheit gesagt. Ansel hatte die Aufgabe es ihm nachträglich zu sagen. Nur war er jetzt zu spät. Noah war anfangs sauer, ist es bestimmt immer noch, aber er war hier für die Beerdigung. Inzwischen ist er zurück in Australien und erzählt seinem Sohn, dass er einen Opa verloren hat. 

Ansel erzählt mir, dass Noah und er sehr eng befreundet waren, und Ansel seit dem Abgang seines Bruders nur sehr schwer ehrlich zu Leuten sein konnte. Vor allem mit Beziehungen tat er sich schwer, aber er wollte nicht völlig alleine sein und sah darin seine einzige Möglichkeit ein bisschen Nähe zu erfahren. Er erzählt mir auch von einem alten Freund, namens Leon. Sie waren sehr gut befreundet, für Ansel war es sein einziger Freund, aber mit der Zeit kamen Probleme auf, und auch das lebte sich auseinander. Als Ansel dann etwas mit seiner Freundin anfing, war es endgültig gelaufen. 

Er erzählt mir auch, dass ihm alles leid tut, was er mir angetan hat. Allerdings sei das nie seine Absicht gewesen. Er wollte mir nie weh tun, er wollte mich beschützen. Und auch jetzt noch, war er kein Fan von Finn.

"Ich möchte wirklich kein Arsch sein, eigentlich will ich das Gegenteil sein."

"Ich weiß schon, du magst Finn nicht, das ist okay."

"Es ist nicht nur das. Ich habe kein gutes Gefühl, ich hab bisher eher schlechte Dinge über ihn gehört."

"Worüber redest du?"

"Ich sage das, weil ich selber keinen Heiligenschein trage, deshalb kann ich ihn eigentlich nicht verurteilen, aber ich möchte, dass du das weißt."

"Was genau?"

"Er und Nic haben eine Liste. Mit Aufgaben, und diese haben sich immer auf Mädchen bezogen. Kriege die und jene innerhalb von so und so vielen Tagen rum. Erzähle der, dass ihr Freund sie betrogen hat und bringe sie dann dazu, ihn zu betrügen. So lächerliche Mutproben halt."

"Das hört sich nach alten Zeiten an."

"Schon, aber so ein Verhalten, das schaltet man nicht so einfach ab. Ich will nur, dass du weißt, dass es auch gefährliche und unschöne Seiten gibt an Beziehungen."

"Das ist mir schon klar. Dank dir kenne ich mich da schon ein wenig aus. Okay, nicht dank dir, dank mir. Tut mir leid."

"Ist schon in OrdnungIc. Ich wollte dich auch nur warnen, du bist mir wichtig, Amélie."++

 

Perspektiven sind das A und O

Kennt ihr das? Wenn ihr etwas wisst, und euch denkt, es ist doch so offensichtlich aber sonst kaum einer es bemerkt hat? Sei es nur, wie schön jemand ist und er selbst ist sich dessen nicht bewusst, oder dass jemand einfach einen ganz bestimmten Einfluss auf Personen hat? Finn hatte so einen. Nicht nur auf mich. Aber er schien davon nie was gemerkt zu haben.

 

"Wir sind jetzt schon so lange ein Paar, aber wirklich glauben kann ich es immernoch nicht."

"Amélie, jetzt glaub es einfach mal und freue dich."

"Ich freue mich doch!" 

Wir hatten endlich Ferien und konnten unsere Zeit so planen wie wir es wollten. Ich verbrachte meine Zeit meistens mit Finn, Mel oder anderen Freunden, wie zb auch Ansel. Letzteres freute Finn nicht so, aber er hatte sich damit angefreundet, dass Ansel nunmal ein Freund für mich geworden ist. Und Ansel brauchte auch einen Freund. Es war nicht einfach für ihn. Sein Vater war nicht mehr. Und seine Mutter brauchte auch lange um sich wieder aufzurappeln. Sein Bruder konnte nicht wirklich helfen und auch sonst hatte er keinen. Men Versuch Mel und ihn zu verkuppeln ging auch gehörigst in die Hose. Stellt sich heraus die beiden haben keinerlei Chemie! Nichtmal ein Gespräch konnten die beiden führen. Naja, ich hatte mein bestes gegeben.

Heute sind Mel und ich auf die große Blumenwiese gegangen. Die Sonne schien und es war perfektes Wetter um sich einfach mal faul aufs Ohr zu legen.

"Ich kann nicht glauben, dass du dachtest Ansel wäre etwas für mich. Genau der Typ Junge der meine Nerven strapaziert."

"Und Nic war so der Traumprinz?"

Mel lachte laut auf. Inzwischen konnte man mit ihr reden und es war okay. Ihr Herz war vielleicht nicht zu hundertprozent verheilt, aber es war auf dem richtigen Weg! 

"Darum geht es mir ja, ich will keinen Traumprinzen. Ich will einfach einen anständigen Jungen, der aber auch mal die Hosen anhat. Okay, mal auch nicht, aber-"

"Och, Mel! Nie kannst du Ernst bleiben, oder?!"

Plötzlich wurde Mel dann doch ganz ernst, und ich war für einen Moment lang verwirrt. Was hatte sie gesehen? Ich schaute also in die Richtung, in die sie schaute. Ich brauchte nochmal einen Moment um zu verarbeiten, was ich gerade sah. Es waren Finn und Nic mit zwei anderen Mädchen. Nic hatte seine Arme um das eine Mädchen, Finn saß neben dem anderen Mädchen, das ihn anschmachtete. 

"Komm!" Mel wollte aufstehen und hingehen, aber ich wollte sitzenbleiben und sehen was passiert. Ich wollte nicht die Freundin sein die überreagiert. Ich wollte nicht die sein, die jemandem eine Szene machte.

 

Wir beobachteten die Vier lange. Nic und das eine Mädchen kamen sich ziemlich nahe, wenn man versteht. Finn hielt zwar immer Distanz zu dem Mädchen, aber nur zu sehen, dass er bei dem Mädchen den Blick auslöst, den er bei mir ausköst, das tat mir weh. Kannten sie sich? Wusste sie genau das von ihm, was auch ich wusste? War das, wieso er Ansel nicht bei mir wollte? Hatte er Angst, dass Ansel und ich uns näher waren oder genauso nahe? Was ist das nur, dass Beziehungen einen um so vieles eifersüchtiger machen? 

"Ich kann nicht verstehen, wie du dir das so ruhig ansehen kannst. Ich wäre schon viermal rüber gegangen!"

"Ich auch." 

Mel und ich sprangen vor Schreck kurz auf. Ansel hingegen lachte sich nur schlapp.

"Wollte euch nicht erschrecken..wobei wozu lügen, genau das wollte ich. Was schaut ihr euch da an?"

"Wir schauen uns Nic und Finn an, in Begleitung von zwei Mädchen."

Ich spürte wie Ansel mich ansah und es ihm leid tat. Ihm leid tat, dass er Recht behalten hat, in gewisser Hinsicht.

"Und warum sitzt ihr hier und schaut es euch nur an?"

"Amélie will nicht voreilig handeln."

"Was machst du überhaupt hier, Ansel?"

"Ich bin verabredet."

"Tatsächlich? Mit wem?" 

"Wäre doch langweilig euch das jetzt schon wissen zu lassen."

Ansel saß noch eine ganze Weile mit uns, dann ging er zu seiner Verabredung. Mel und ich sahen uns weiter das Spektakel an. Und wir hatten uns schon damit abgefunden das nichts passieren würde, als das eine Mädchen Finn auf die Wange küsst und ihn dann an der Stelle streichelte. Immernoch blieb ich sitzen, immerhin war alles von der dummen Kuh initiiert.. Doch dann traute ich meinen Augen nicht. Das Mädchen lehnte sich zu ihm und küsste ihn auf die Lippen. Ich wartete darauf, dass er sie wegstoß, aber nichts geschah. Im Gegenteil, er legte seine Hand auf ihren Rücken und drückte sie leicht an sich. 

Ich war so in Schockstarre, ich hatte nicht gemerkt, dass Mel schon längst auf dem Weg zu Finn war. Als sie ankam, hatte sich der Kuss schon zu mehr entwickelt.. Ich konnte nicht hören was Mel sagte, aber sie war wütend, aufgebracht. Finn fühlte sich ertappt, man sah die Angst in seinen Augen. Und als Mel auf mich zeigte, und sein Blick auf mich fiel, sah ich ihn wie niemals zuvor. Voller Reue. Aber was nützte die schon? Wäre ich nicht, pardon, Mel nicht dazwischen gegangen, wer weiß was die beiden getan hätten? 

Als ich aufstehen wollte, stand Finn bereits vor mir und versuchte sich zu erklären, sich zu entschuldigen, aber wirklich zuhören konnte und wollte ich nicht. Ich ließ ihn stehen und lief zur Bushaltetelle und stieg in den ersten Bus ein. Er fuhr nicht zu mir nachhause, aber ich wollte ja nur weg, egal wo dieses weg war.

 

Mein Telefon klingelte unzählige Male, aber ich wollte nicht rangehen, erst als ich Mels Namen sah, fasste ich mir ein Herz und hob ab.

"Ja?" 

"Wo bist du?" 

"Ich sitze im Bus. Ich fahre jetzt schon zum zweiten Mal die selbe Strecke." 

"Steig aus und ich komme dahin. Du solltest jetzt nicht alleine sein. Den Fehler habe ich gemacht, den sollten wir nicht nochmal tun. Ich meine wozu hast du mich und ich dich? Genau für so verkorkste Situationen, stimmt es?" 

"Du hast Recht. Bin ausgesteigen. Burgholder Weide. Ich warte, in Ordnung?"

"Bleib da, ich beeile mich."

Ich dachte sie käme mit einem Bus, aber stattdessen kam sie im Auto. Am Steuer saß Ansel. 

"Steig ein, wir fahren wohin und dann reden wir, okay?" 

Ich nickte und stieg ein.

 

"Vielleicht macht man in der Jugend einfach öfter so Erfahrungen. Wer weiß, vielleicht kommt ja was gutes bei rum? Vielleicht verbindet uns das. Vielleicht macht uns das zu besseren Freundinnen."

"Ich verstehe es nur einfach nicht. Wieso macht er sowas? Auch noch dort? Irgendjemand hätte das doch bestimmt gesehen? Muss ja nicht ich sein, oder du."

"Vielleicht solltest du mit ihm reden. Ruf ihn an. Jetzt sind wir ja da, deine wahren Freunde. Mit uns an der Seite hälst du das doch locker durch!"

Und sie hatte Recht. Ich musste wissen, wieso.. also wählte ich seine Nummer und rief ihn an.

"Amélie?"

"Ja, ich bins."

"Lass mich das bitte erklären."

"Ich will aber nur die Wahrheit, wag es nicht mir irgendwelche Lügen zu erzählen. Egal, wie sehr es mich verletzen sollte, denn glaub mir, verletzt bin ich schon."

"Ich will dich nicht anlügen."

"Wieso hast du das dann getan?" 

"Wir sind schon so lange zusammen, und ich liebe dich, das tue ich. Du gibst mir das Gefühl, dass ich ein guter Mensch bin. Du machst mich glücklich."

"Und warum machst du das dann kaputt?" 

"Wie gesagt, wir sind schon so lange zusammen, und wir haben es noch nie..."

"Es geht um Sex? Du.."

"Jein. Ich meine, du solltest mir doch genug vertrauen, es hätte doch passieren müssen. Wir lieben uns, wir sind uns so nahe, wir haben schon so oft beim anderen übernachtet, aber.. Und Nic meinte, dass es ein Zeichen dafür ist, das etwas nicht sitmmt. Und ich weiß nicht, seitdem ich das wusste, ich war nicht mehr so glücklich wie davor.."

"Warum hast du das nie angesprochen?" 

"Ich habe es versucht, aber du hast es nie verstanden. Und ich.. ich weiß nicht, wieso ich es nicht direkt mal angesprochen habe."

"War das heute das erste Mal, dass du ein anderes Mädchen geküsst hast?"

"Nein."

"Nein und weiter!?" 

Ich war so unbeschreiblich sauer, er hatte mich also tatsächlich öfter betrogen.

"Als ich bei Nic war, war Fiona da."

"Fiona? I-ist das d-dein Ernst?" 

"Sie war sehr aufdringlich und ich konnte mich nicht wehren, da ist es halt zu mehr gekommen."

"Ich kann nicht glauben.. ich habe es dir so oft gesagt, so oft.."

"Ich dachte auch immer, dass ich stärker wäre." 

"Ich dachte immer du wärst ein guter Mensch, ein anständiger Junge, der nach mehr Sucht als körperlicher Nähe, aber da habe ich mich ja wohl innorm geirrt." 

"Ich will doch auch dieser Junge sein! Für dich. Wenn du mir noch eine Chance gibst."

"Zwischen wollen und sein ist ein großer Unterschied. Und ich kann dir das nicht verzeihen, niemals!"

"Aber ich dachte, dass wir uns lieben?"

"Und findet du, dass das was du getan hast das irgendwie unterstützt? Ich liebe dich, das tue ich. Ich liebe dich so sehr, dass ich schon fast so doof wäre und dir verzeihen würde, obwohl du mich verletzt hast und das immer wieder tun wirst.. Ich liebe dich so sehr, dass es mich dumm macht. Ich kann das nicht. Ich sollte mir selbst wichtiger sein."

"Ich verspreche dir, ich werde dir nie weh tun, wenn du mir noch.."

"Ich will und werde dir keine zweite Chance geben! Du scheinst nicht der Junge zu sein, der ich dachte .. oder du hast dich verändert, ich weiß es nicht.. "

"Amélie, Fiona hat mich doch verführt, und das Mädchen eben, das auch!"

"Und du hast sie gelassen, alle beide! Man kann auch nein zu soetwas sagen. Und wenn man jemand anderes liebt, sollte man das ohnehin sagen. Was ist daran so schwer zu verstehen?"

"Bitte, bitte. Ich liebe dich. Ich will nicht, dass das zwischen uns endet. Vor allem nicht so."

"Dann reise in die Vergangenheit und erinnere dich selbst mal daran wie Beziehungen und Lieben funktionieren! Denn du hast anscheinend von keinem Ahnung."

"Ich habe Fehler gemacht. Fehler, die ich nicht verstehe. Ich will nichts von Fiona, sie bedeutet mir nichts."

"Warum dann dein dummes Verhalten?"

"Ich sage dir doch, ich weiß es nicht. Es war aus dem Moment heraus, ich habe nicht nachgedacht."

"Und was ändert das? Du hast mich erniedrigt, mir weh getan."

"Ich hatte nur das Gefühl, dass wir uns auseianderleben."

"Wieso? Es ging uns wie immer."

"Aber du bist Ansel näher gekommen, ihr wart so eng befreundet, ihr habt so viel miteinanander geteilt."

"Und was? Man hat Freunde, auch männliche als Mädchen."

"Das zwischen euch, ich glaube nicht, dass es Freundschafft ist. Wie er dich ansieht. Und wie du darüber hinwegschaust und.. vielliecht hatte ich Angst, dass du mich verletzt und bin dir deshalb zuvorgekommen."

"Das ist das lächerlichste, was ich je gehört habe!" Ich fing an zu weinen, die Wut und Trauer brach aus mir raus. 

"Lächerlich? Wie konnte ich mir sicher sein, dass du dich nicht in ihn verliebst?"

"Weil ich doch dich liebe, ich habe immer nur dich geliebt. Es gab noch nie jemanden anderes für mich! Du hattest mich in deinen Bann gezogen, bevor ich wusste wer du bist. Bevor ich wusste, wie du bist. Und als ich dich kennenlernen durfte, da war es vorbei, ich war auf ewig in dich verliebt. Und wirklich gewusst wieso habe ich nie, es war einfach immer so. Aber ich dachte so läuft es mit der Liebe. Und ich habe dir schon so oft gesagt, wie sehr ich dich liebe und ich bezweifle gerade, ob du je wirklich zugehört hast."

"Worte und Taten sind zwei verschiedene Sachen."

"Das musst du mir nicht sagen, ich sehe ja was du tust und sagst. Zwei widersprüchliche Dinge."

"Aber wir lieben uns doch! Sollte das nicht reichen?"

"Das hätte es, aber hat es nicht. Ich kann dir nicht mehr vertrauen, du hast mich verletzt, mich bloßgestellt.. wie wenig Selbstachtung müsste ich haben um dir zu verzeihen?"

"Oder wie viel Liebe, das hat nichts mit wenig Selbstachutng zu tun.."

"Du hättest mir also verziehen, wenn ich mit Ansel was gehabt hätte?"

"Nein."

"Warum soll ich dir verzeihen?"

"Weil ich keine Gefühle habe für diese Weiber. Du hättest Ansel nie ohne Gefühle geküst.."

"Deshalb ist es auch noch nie passiert."

"Lüg dich nicht an, du weißt selbst, du liebst ihn. Ich kann das sehen, ich und jeder den wir kennen!"

"Schwachsinn!" 

"Du hast mich auch bloßgestellt, weißt du das?"

"Was meinst du, Finn?"

"Wenn meine Freunde dich mit Ansel sehen, sie sagen mir ständig, dass ihr was habt, was wir nicht haben werden. Und dass du doch offensichtlich auf Ansel stehst. Und wieso ich mit dir zusammenbleibe.. ich wurde so oft als Lusche bezeichnet, weil ich meinte, dass ich dich liebe und dich kenne."

"Vielleicht sind deine Freunde einfach Arschlöcher."

"Also liebst du Ansel nicht?"

"Nicht so wie du es gern hättest, nein."

"Bist du dir da wirklich sicher, Amélie? Es gibt Dinge, die sieht man selbst nicht, bis jemand anderes es einem sagt. Und du, du liebst Ansel. Vielleicht liebst du mcih auch, aber du kannst nicht zwei Jungs lieben, und mit beiden in Kontakt stehen."

"Mir ist egal, was du denkst, was ich fühle. Ich habe nur dich geliebt. Ich weiß nicht, was ich unbewusst fühle, aber die Person, die ich immer bei mir wollte, die warst du! Rede dir ein was du willst, damit du dich besser fühlst. Aber du hast uns kaputt gemacht! DU hast das gemacht! Nicht ich oder irgendwelche Gefühle meinerseits, sondern deine Untreue."

"Also willst du des beenden?!"

"Du hast es schon beendet, Finn. Du hättest mit mir reden müssen, bevor du solche Scheiße baust. Ich will dir ja verzeiehen, aber ich kann nicht. Ich kann einfach nicht. Ich wäre nichtmehr glücklich an deiner Seite. Ich hätte immer Angst, dass du mich erneut betrügst, dass du nicht sagst, was dich stört, dass du dich enifach nciht so verhälsts wie man es als Freund sollte."

"Ich will aber, dass du weißt, dass ich dich liebe. Ich liebe dich und ich hasse mich für das, was ich getan habe. Und ich.. ich würde es zurücknehmen, ich .. ich hoffe wirklich, dass du mir eines Tages doch verzeihen kannst. Ich werde warten. Ich warte auf dich."

Und dann legte ich auf. Ich konnte nichts mehr sagen, ich wollte nichts mehr sagen. Alles was ich wollte, war mich in mein Bett kuscheln.

 

Manches kann man nicht schön reden.. anderes schon

 Manchmal passieren einem Dinge und man weiß nicht wieso. Man fragt sich ob da irgendein Sinn hintersteckt. Meistens ist kein Sinn hinter schlechten Dingen. Alles passiert wahllos und ohne Sinn und Zweck. Genaugenommen macht das Ganze keinen Sinn: Logik, Gefühle, Verstand, Impulse, Vergangenheit, Zukunft, Sehnsucht..

 

"Ich bin so froh, dass wir Ferien haben. Ich könnte ihn nicht über den Weg laufen."

"Oder Fiona."

"Danke, die habe ich fast vergessen.."

"Je früher du dich damit auseinandersetzt, desto früher bist du die Schmerzen los."

"Mel, es fühlt sich an, als würde ich immer Angst haben davor mich nochmal zu verlieben."

"Wer redet hier denn davon sich zu verlieben? Entlieben steht an. Du musst Finn vergessen. Er ist nicht der, der du dachtest. Er ist es nicht wert von dir geliebt zu werden. Ich sage dir, er wird bald bestimmt mit Fiona anbändeln. Er weiß doch gar nicht was Liebe ist."

"Ich will beide nicht mehr sehen, wenn ich ehrlich bin. Vor allem nicht zusammen."

"Ach, Amélie.. du musst aber. Deshalb musst du stark werden und über solchen Dingen stehen."

"Wie? Ich komme mir vor wie bei einer dieser Shows mit versteckten Kameras. Erst ist alles ok, dann nicht, dann doch.. und am Ende bin ich einfach nur verarscht worden."

"Ich glaube nicht, dass Finn die Intention hatte dich zu verletzen, aber er ist einfach ein dummer Junge, der es nicht besser weiß. Sowas gibt es."

"Und wie fühlt man sich besser? Das hilft doch alles nicht.."

"Sieh es so: Du warst mutig genug zu deinen Gefühlen zu stehen und dich verletzbar zu machen indem du es der Person sagst. Und erst war  alles gut, aber wie so vieles im Leben, läuft nichts ohne Komplikationen ab."

"Danke, dass du versuchst zu helfen. Dafür liebe ich dich! Und wehe ich sehe dich irgendwann als beste Freundin einer anderen, das würde ich nämlcih wirklich nicht ertragen!!!!" 

"Ach, Amélie, was denkst du denn von mir?"

 

Wenn Mel nicht bei mir war, lag ich im Bett rum und schaute mir irgendwelche Sendungen auf Rtl an. Den Leuten da ging es oft schlechter als mir und das bereitete mir Freude. In der selben Zeit wuchs auch meine Liebe für Horrorfilme. Es war irgendwie beruhigend zu sehen, dass mein Problem eigentlich keins war im Vergleich zu denen, die andere hatten. Ja ok, solche Filme haben wenig mit der Realität zu tun, aber es half und ich war wirklich dankbar dafür. Dafür musste ich mich nun wirklich nicht schämen, oder?

 

Jedenfalls vergingen die Tage und ich war schneller als gedacht wieder die Alte. Ich konnte wieder lachen, wieder aus dem Bett aufstehen, mich mal wieder anziehen, einfach wieder was für mich tun, mich gut fühlen. 

Unwahre Wahrheiten

 "Danke, dass du mich heute zur Schule fährst, Anse."

"Kein Thema, ich dachte mir du kannst ein wenig meiner wunderbaren Gesellschaft vertragen."

"Aber immer doch."

"Außerdem halte ich ihn dir auch gerne vom Hals, wenn du willst."

"Nein, danke. Ich kann das selber ganz gut. Mel ist wirklich Expertin darin schnell über sowas stehen zu können."

"Also keine Gefühle mehr für Finn?"

"Nicht so wie sie mal waren. Er ist mir nicht egal. Ich will schon, dass es ihm gut geht. Aber es muss nicht mehr mit mir sein. Ich weiß nicht, ob das Sinn macht."

"Naja, er ist deine erste große Liebe, die vergisst man nie. Die spürt man auch irgendwo immernoch. Alles normal."

"Na dann, brauche ich mir ja keine Sorgen machen."

Ich umarme Ansel und steige aus dem Auto.

"Abholen willst du mich nicht zufällig auch, oder?"

"Ich schaue mal was sich machen lässt."

"Dankee."

 

In der Schule dauerte es eine ganze Weile, bis ich auf Finn traf. Ich konnte sehen, dass er noch nicht soweit war wie ich. Denn er schaute mich an wie ganz am Anfang. Ein Teil in mir wollte auch, dass es wie damals war, aber ich wusste es besser. Vielleicht haben wir uns mal geliebt, und tun das in gewisser Weise immernoch, aber es soll nicht sein. Es hat nie keine Probleme gegeben, und das lag nicht daran, dass keiner von uns mal in einer Beziehung war, sondern einfach, dass es nicht passte. Manche Dinge konnte man nciht erklären.

Meine nächste Aktion machte für viele bestimmt auch keinen Sinn. Denn ich ging auf Finn zu und umarmte ihn. Es dauerte ein wenig bis er es Verstand und mich auch umarmte.

"Du hasst mich nicht?"

"Komischerweise nicht."

"Aber du liebst mich auch nicht mehr, oder?"

Seine Augen waren leicht gläsrig, aber ich würde nicht lügen.

"Ich werde dich in gewisser Hinsicht immer lieben, aber so wie es mal war? Nein."

"Ich werde mir nie verzeihen uns zerstört zu haben."

"Ich glaube du hattest Recht mit manchen Dingen, die du gesagt hast. Ich habe mir selbst Dinge verschwiegen, weil ich wollte das wir funktionieren."

"Redest du von Ansel?"

"Ich würde nicht sagen, dass ich ihn liebe, aber es ist schon anders mit ihm als mit anderen Freunden. Und wer weiß, was wäre, wenn ich Dinge zugelassen hätte?"

"Ich sollte sauer sein, oder?"

"Vielleicht. Ich weiß es nicht, jedenfalls bist du ja nicht alleine schuld wie die DInge gelaufen sind."

"Ich hätte uns aber noch retten können, denkst du nicht?"

"Ich weiß es nicht."

Finn gibt mir einen Kuss auf die Wange und drückt mich nochmal fest an sich.

"Ich weiß jetzt schon, so wie ich dich geliebt habe, so werde ich niemanden lieben."

"Wir sind jung, denkst du nicht, dass es sich nur jetzt so anfühlt?"

"Nein, du bist die erste Person, die ich geliebt habe. Das wird immer etwas ganz besonderes bleiben. Ich würde immer zu dir zurück. In einem Wimpernschlag. Ich würde alles für dich tun."

"Dann sei offen für neues, halt dich nicht an mir fest."

"Ich werde es versuchen."

 

Das Gespräch mit Finn war wirlich nochmal gut für mich. Ich wusste, dass er es ernst gemeint hatte mit mir und ich wusste, dass er mich geliebt hat, und dass er es noch tat. Aber ich muss feststellen, dass ich ihn länger nicht mehr so geliebt hatte, wie am Anfang. Nic hatte nicht Unrecht. Finn und ich waren sehr lange zusammen, mehrere Monate, aber hatten nicht miteinander geschlafen. Und ich wusste jetzt, dass das ein Anzeichen dafür war, dass ich in gewisser Hinsicht nicht glücklich war und den Moment nicht mit ihm teilen wollte. 

Und der Grund dafür war: Ansel. Seitdem er wieder in mein Leben getreten war nach der Sache mit seinem Vater, ist er mir sehr ans Herz gewachsen. Er hat mir so viel erzählt von ihm, mir so viel Vertrauen geschenkt, und ich habe ihm unbewusst so viel preisgegeben, mehr als Finn gegenüber. Mit Ansel war alles irgendwie wie ein Reflex, es war einfach alles ganz natürlich und logisch. Aber ich hatte mich noch nicht getraut mit Ansel darüber zu sprechen. Darüber, dass ich unsere komplette Freunschaft ruinieren könnte, weil ich mehr will. Und wenn er das nicht woltle, was würde das heißen? Ende der Freundschaft in neun von zehn Fällen. Denn ich wusste, dass Mel dafür keine Rezeptur hattte um soetwas erträglich zu machen.

Nach der Schule wartete ich auf dem Parkplatz auf Ansel. Es dauerte länger als üblich, aber nach fünfzehn Minuten war er dann auch da. 

"Tut mir leid für die Verspätung, ich musste noch jemanden anderen absetzen."

"Jemand anderesn?" fragte ich, als ich mich ins Auto setzte. Es roch nach einem Frauenparfüm.

"Eine Freundin." grinste Ansel vor sich hin.

"Warum hast du nichts erzählt?"

"Sie ist nur eine Freundin."

"Und warum grinst du dann so?" Ich versuchte zu lächeln, aber bei dem Gedanken, dass er an jemand anderem bereits Gefallen gefunden hat, tat mir weh.

"Ich grinse doch gar nicht. WIe war denn dein Tag?"

"Fiona bin ich gottseidank nicht über den Weg gelaufen, aber Finn."

"Wie war es?"

"Ich kann sicher sagen, keine Gefühle mehr für Finn meinerseits. Bei ihm sieht es noch anders aus."

"Selbst schuld würde ich sagen. Er hatte doch alles perfekt, er hat es ruiniert."

"Er war ja nicht ganz alleine Schuld."

Ansel fuhr los und es dauerte bis er weiter nachhakte.

"Was meinst du damit?"

"Ich war nicht immer ganz ehrlich zu ihm, oder zu mir."

"Wie meinst du das?"

"Du hast das Telefonat doch gehört. Er denkt ich hätte für jemand anderes Gefühle."

"Für mich?"

"Das meinte er, ja."

Die Möglichkeit war hier, den Mut zusammenzunehmen und es ihm zu sagen. Auch, wenn nebenbei im Auto nicht unbedingt das war, was ich mir vorgestellt hatte, aber es war dann still im Auto. Er redete erst wieder, als wir vor meinem Haus geparkt hatten.

"Lass dir nicht einreden du hättest Gefühle. Du bist die Einzige, die sicher weiß, was sie will."

"Ich glaube aber er hatte vielleicht Recht." 

Ich schaute aus meinem Fenster und bereute, was ich gesagt hatte. Sein Kommentar ließ doch durchscheinen, dass er nicht wollte, dass ich für ihn Gefühle habe. Unsere Freundschaft war gerade eben auf den Kopf gestellt.

"Bist du dir da wirklich sicher? Ich hatte nicht das Gefühl, dass du für jemand anderes als Finn Augen hattest."

"Weißt du was, es tut mir leid. Ich hätte nichts sagen sollen. Ich weiß, du.. wir sind nur Freunde."

Ich wollte aussteigen, aber er schloss die Türen.

"Du musst lernen zu reden, auch über Dinge, die dir unangenehm sind."

"Ich weiß nicht, warum mir Finn es sagen musste, damit ich es realisiere, aber ich bin wirklich glücklich, wenn ich bei dir bin. Du gibst mir das Gefühl, ich wäre es wert gewollt und geliebt zu werden. Du gibst mir das Gefühl alles tun zu können, keine Angst zu brauchen. Und ich konnte dir so viel anvertrauen, meine tiefsten Wünsche, Träume, aber auch Ängste."

Ansel schweigt kurz. Er scheint sich zu sammeln. Ich sehe schon, wie er die richtigen Worte sucht um mir zu sagen, dass er mir wahrscheinlich falsche Signale gesendet hat, und dass es nicht das ist, was er will..

"Du sagst also, dass du.."

"Ich glaube ich liebe dich, Ansel. Nicht Finn oder sonstwen. Dich, meinen besten Freund."

Er öffnet die Türen und steigt aus dem Auto. Ich schließe meine Augen und atme tief aus. Die Tränen kullern mein Gesicht runter und ich versuche nicht zu schluchzen. Dann höre ich wie die Tür neben mir sich öffnet. Ich steige aus dem Auto aus.

"Ich weiß, ich hätte nichts sagen sollen, du bist.. du-"

Doch dann spüre ich Ansels Lippen auf meinen und wie Elektrizität sich in meinem Körper breit macht. Meine Hände gleiten auf seinen Hinterkopf und ich gehe ihm mit den Händen durch die Haare, während er seine Hände auf meine Hüften gleiten lässt und mich an sich zieht. Wir küssen uns einige Zeit, bevor er von mir los lässt.

"Ich hätte nicht gedacht, dass es den Moment wirklich nochmal geben würde."

"Wie meinst du das?" 

"Für mich warst du seit ich dich gesehen habe, jemand ganz besonderes. Und als ich dich dann kennenlernen durfte, ist es um mich geschehen, BOOM, hoffnungslos verliebt."

"Du.. du warst die ganze Zeit verliebt, in mich?"

"Natürlich. Wie kann man sich nicht in dich verlieben?"

"Wieso.."

"Wieso ich nie was gesagt habe? Ich wollte einfach in deiner Nähe bleiben, und du warst so glücklich mit Finn, ich wollte das nicht zerstören."

"Aber.."

"Das eine Mal damals, ich hab daraus gelernt. Man darf nie fremdgehen, und dafür sorgen, dass es einer tut. Man muss Geduld haben und auf das Beste hoffen."

"Ich kann das gar nicht glauben."

"Und ich erst. Jetzt müssen wir nur daran arbeiten, dass aus uns auch was wird, was hält."

"Ich gebe mein Bestes."

"Mhmm.."

Und dann küsste mich Ansel erneut. Wir beide konnten uns nicht zurückhalten, aber er noch weniger als ich. Aber wenn ich daran denke, wie lange er darauf gewartet hatte, konnte ich es ihm nicht übel nehmen. Im Gegenteil. 

 

Meistens ist es so, dass der Mensch lügt. Er belügt sich selbst, andere, jeden, den er belügen kann. Meistens um sich zu schützen, Dinge einfacher zu machen, andere nicht zu verleltzen, nichts zu riskieren, aus Bequemlichkeit, aus so vielen unterschiedlichen Dingen. Aber glaubt mir eins, es ist immer besser ehrlich zu sein. Klar, es tut oft weh, kompliziert vieles, bringt einfach Probleme, aber im Nachhinein tut lügen mehr weh kompliziert mehr und bringt mehr als nur Probleme. Deshalb versprecht mir eins, seid immer zu euch selbst ehrlich, zu andren, zu allen, zu denen ihr ehrlich sein könnt!

 

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 01.10.2013

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
An die schönen Dinge des Lebens.

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