FAYE McCOHEN, 16 (Troian Bellisario)
COLE McCOHEN, 17 (Drew Van Acker)
AMY JOHNSON, 16 (Candice Accola)
AARON JOHNSON, 17 (Colton Haynes)
ALEX SANCHEZ, 16 (Diego Boneta)
RAVEN SANCHEZ, 16 (Shay Mitchell)
MIGUEL 'SPIKE' SANCHEZ, 18 (Tyler Posey)
NOEL VanHOUTON, 17 (Brant Daugherty)
JAMIE VanHOUTON, 15 (Lucy Hale)
ANNIE GERMAINE, 16 (Holland Roden)
ETHAN SHARK, 17 (Dustin Milligan)
JILL EDWARDSEN, 16 (Gillian Zinser)
NEUE GESICHTER:
Loreen Cocca, 19 (Crystal Reed)
Jake Arkinson, 18 (Chris Zylka)
Vivien Cocca, 21 (Lily Collins)
Es war ungewohnt Annie so zu sehen. Sie lag da, ohne sich zu bewegen, mit geschlossenen Augen - fast so wie Dornröschen. "Wach auf, Annie, du kannst mich nicht alleine lassen." Keine Antwort. War klar, wenn man dich mal braucht, bist du nie da. Ich stand auf, nahm meine Jacke und verließ das Krankenhaus. Ich entschied mich ins Cafe zu gehen, in dem Eva arbeitete. "Hallo, Claire, ist Eva da?" "Weißt du es noch nicht?" "Was, weiß ich noch nicht?" "Eva und Simon wohnen nicht mehr hier, ihr Vater hat einen neuen Job bekommen, in New York City." "Aber die haben da doch nur Urlaub gemacht.." "Blieb nicht dabei, tut mir leid, Jamie." "Kein Problem. Dann nehm ich ein Chai Latte, bitte." Ich setze mich an einen kleinen runden Tisch und wartete. Konnte das wahr sein? Hatten mich alle zurückgelassen? Ich mein, ok, Annie kann ja genau genommen nichts dafür, aber Eva? Das konnte nicht ihr ernst sein. Ich zückte mein Handy und wählte: "Auf Wiedersehen." Es war kurz und würde sie treffen, das war klar, und das wollte ich.
"Entschuldigung, du sitzt hier schon seit drei Stunden, und hast kaum was getrunken, kann ich dir irgendwie weiterhelfen?" Ich schaute hoch, vor mir stand ein eher kleines, schlankes aber wunderschönes Mädchen. Mandelförmige braune Augen, lange braune gelockte Haare, rote Lippen und einen breiten Kiefer. "Tut mir leid." "Brauchst dich ja nicht zu entschuldigen, aber, sollen wir jemanden anrufen? Geht's dir nicht gut?" "Ist alles ok, danke der Nachfrage." "Weißt du, ich hab jetzt Pause, ich setzt mich einfach dazu, ja?" Ich nickte ihr zu. Sie reichte mir ihre Hand: "Loreen." "Jamie." "Und, warum sitzt du hier alleine rum?" "Ich denke nach." "Worüber?" "Meine beste Freundin liegt im Koma, und meine andere ist umgezogen, einfach so." "Das ist scheiße." "Kannst du laut sagen." "Das ist scheiße!", schrie sie durch den Raum, und ließ den Ausruf in Gelächter ausklingen - so brachte sie auch mich zum lachen. Und alle im Cafe drehten sich zu uns um. "Man sagt das doch nur so." "Komm, ist doch nichts dabei." Toughes Mädchen "Danke." "Warte mal kurz." Sie lief zurück zum Tresen, redete kurz mit Claire, nahm ihre Jacke und kam auf mich zu: "Komm, steh auf." "Und die Rechnung?" "Welche Rechnung?", zwinkerte sie mir zu. Draussen standen wir auf einem halb leeren Parkplatz. Die einzigen Autos auf dem Parkplatz waren zwei Mini-Couper, ein BMW und ein Audi. War sie so reich? "Und, welches Auto gehört dir?" "Auto? Ich fahr kein Auto." Sie lief zum Ende des Parkplatzes und setze sich auf ein lilafarbenes Motorrad. "Komm, kannst meinen Helm haben." "Mein Ex-Freund hatte auch ein Motorrad." "Sexy." Und noch bevor sie das Wort zu Ende aussprach, fuhr sie los.
Wir fuhren außerhalb der Stadt, sie brachte mich ans Meer. "Das ist mein absoluter Lieblingsplatz. Hier kann man gut nachdenken, also worüber du auch immer nachdenken willst, nutze die Zeit." "Und was machst du?" "Schwimmen." "Aber.." Und bevor ich fragen konnte, worin, zog sie ihr Oberteil, ihre Hose und ihr BH aus und sprang ins Wasser. Und dann sah ich ihr zu. Sie lag auf dem Wasser, mit dem Gesicht nach oben und guckte in den Himmel. Es war mittlerweile Nacht geworden, also beobachtete sie wahrscheinlich die Sterne. Ich weiß nicht so genau warum, aber ich beschloss ihr zu folgen. Also zog ich mein Oberteil und meine Hose aus, und sprang in Unterwäsche ins Wasser. "Sag mal, Jamie, wie alt bist du?" "15." "Warum kommst du dann mit einer Fremden mit?" "Wie meinst du das?" "Ich könnte ja verrückt sein." Sie meinte es nicht erst, sie fragte einfach aus Neugier. "So siehst du nicht aus." "Gut. Lust was trinken zu gehen?" "Klar."
Loreen nahm mich mit in einen Club, ich war mir sicher, dass ich nicht rein kommen würde, aber sie schaffte es mich reinzubringen. "Wie hast du mich reingebracht?" "Ach, sag einfach danke, wie, ist ja egal." "Danke." "Brav." Ihre kurzen Antworten, ihre Attitude, alles an ihr gefiel mir, sie war so, wie ich nie sein würde: stark und selbstbewusst. "Komm, lass uns an die Bar, Jamie. Aber diesmal gibst du mir einen aus. Hast doch Geld dabei, nicht?" "Kein Problem." Ich zeigte ihr meine Kreditkarte. "Ob du damit weit kommst.. im Notfall lassen wir irgendwelche Kerle bezahlen." Loreen lachte, aber nicht, weil sie dies nicht ernst meinte, sondern, weil sie Spaß hatte. "Was für ein Typ gefällt dir denn, little Jamie?" "Groß." "Doch so versaut." Und erneut strömte aus ihr pure Lebensfreude. "Nein, so meinte ich das nicht. Er muss nur groß sein, mich beschützen, der Rest ist egal." "Süß." Von hinten kam ein Typ auf uns zu. Er war relativ groß, gebräunt, muskulös und hatte einen Millimeterschnitt. "Na, ihr schönen, seid ihr bedient?" "Wir wollten gerade bestellen, willst du das übernehmen?" Während sie sprach zog sie beide Augenbrauen hoch - sie hatte es einfach drauf. Einige Minuten saßen wir mit dem Kerl an der Bar, er erzählte uns, dass er Kevin heiße und er auf der Suche nach was lockerem war. Allerdings wich Loreen allen seinen Anmachsprüchen gekonnt aus. "Ok, Kevin. Danke für die Drinks, wirklich, aber mehr ist echt nicht drin, aber das Mädchen dahinten, die kleine Blonde, die hat dich ununterbrochen anguckt, versuch es da mal." Und sie hatte Recht, nach fünf Minuten verschwand Kevin mit der Blonden aus dem Club. "Du kannst das gut, oder?" "Übung macht den Meister." "Nein, sowas kann man nicht lernen." "Klar, ich war doch nicht schon immer so, Jamie." Und vielleicht hatte sie da Recht. "Egal, lass uns endlich tanzen!" Und schon stürmten wir auf die Tanzfläche, alle guckten uns an, alle kamen näher, fassten uns an.. Aber es war nicht unangenehm, es war einfach schön, pure Leidenschaft auf der Tanzfläche, doch da hörte ich eine mir bekannte Stimme. "Jamie?" Und ich wusste direkt, wer das war. "Spike? Was machst du hier?" "Was ich hier mache? Was machst du hier, du bist 15." Er kam näher und hielt mich am Arm fest. Doch Loreen interpretierte das falsch und stürmte auf ihn los. "Würdest du sie los lassen?" "Entschuldigung, wer bist du?" "Loreen. Du?" "Spike, ein Freund." "Lass sie trotzdem los, sie gehört dir ja wohl nicht." Und tatsächlich, er ließ von mir. "Komm, Jamie. Du hast hier nichts verloren." "Aber ich hab das erste mal seit Wochen Spaß, das erste Mal seitdem.." Er guckte mich mit großen Augen an. "Weiß dein Bruder hier von?" "Nein." "Irgendjemand?" "Als ob es jemanden interessieren würde." "Bitte, Jamie. Red nicht so." "Und du, tu nicht so, als ob du es tust, ich bin dir doch egal." Loreen lief zur Bar, und ich folgte ihr - aber auch Spike kam nach. "Also, Spike, ich würde sagen du beruhigst dich, ich passe ja auf Jamie auf. Ihr passiert schon nichts." Sie ist 15, und ist in einem Club voller Erwachsener, und die gaffen sie alle an." "Ja, und?" "Ja und? Entschuldigung, aber wie denkst du beginnt Missbrauch?" "Beruhig dich, hier trink was." Sie reichte ihm ein Glas Bier. "Oder, ist der Herr zu prüde?" Als ob sie ihn herausgefordert hätte, trank er das Glas mit einem Schluck aus. "Besser?" "Beurteilen wir später."
Wir verbrachten viel Zeit an der Bar, tranken, und ich hörte zu, wie sich die beiden unterhielten. Zunächst ging es darum, ob es richtig war mich hier rein zu lassen, dann um Motorräder, dann um Bier, Musik, Tanzen.. Bis wir dann endlich wieder auf die Tanzfläche gingen. Und während ich Spike zusah, wie er sich an Loreen antanzte, bemerkte ich, dass er das erste Mal tanzte, betrunken war und ein anders Mädchen zu begehren schien als Faye. Und eigentlich sollte mich das nicht freuen, aber genau das tat es, ich war froh ihn glücklich zu sehen, denn das machte mich glücklich. Wir verbrachten noch einige Minuten mit Tanzen, ehe wir aus dem Club gingen. Da saßen wir nun, Loreen und Spike am rauchen,und auch ich hatte meine erste Zigarette in der Hand. Ich nahm einen Zug, und pustete die Luft vorsichtig wieder aus. Für das erste mal, klappte es erstaunlich gut. "Danke für den Abend, Loreen." "Kein Ding, little J." "Unglaublich, wie jemand Fremdes einem den Tag so versüßen kann." Und da merkte ich, wie ich langsam müde wurde, und einschlief. Kurz darauf weckte mich Spike: "Komm, Jamie. Ich bring dich nach Hause." "Spike? Wo.. wo ist Loreen?" "Weg." "Wie, weg?" "Los gefahren, nach Hause, da wo ich dich auch hinbringen. Sie hat mir gesagt, du sollst morgen einfach um die selbe Zeit ins Cafe kommen, wenn du magst."
Zuhause wartete ich vor der Tür, doch ich musste sie nicht aufmachen, denn Noel war schneller. "Jamie, wo warst du?" "Unterwegs." "Ach, mit wem? Wo?" "Einer neuen Freundin, Spike war auch da." "Du hättest mir auch eine SMS schreiben können, denkst du nicht?" Er zog mich ins Haus und knallte die Tür zu. "Was ist los?" "Was los ist? Hast du vergessen, was vor kurzem passiert ist? Ich hatte Angst um dich, und du hast keinen Gedanken an mich verschwendet. Keinen einzigen." "Es tut mir leid." "Das hoffe ich." Ich umarmte ihn. "Ich liebe dich." "Ich dich auch, Schwesterchen. Aber mach sowas ja nie wieder!"
Der einzige Abend den ich bisher mit Loreen verbracht hatte, zeigte mir, dass man seine Trauer für einen Moment vergessen durfte, und auch sollte. Es gab keine andere Möglichkeit, und es war auch keine Schande. Es war einfach die einzige Möglichkeit das Ganze soweit es ging, zu verarbeiten.
Ich wachte mit einem Kater auf - was war geschehen? Ich konnte mich an nichts erinnern, ich suchte nach Indizien in meinen Hosentaschen, in meiner Jacke, nichts. Ich legte mich aufs Bett und atmete tief aus. "Verdammt." Da kam meine Mutter rein: "Spike?" Ich schaute zu ihr hoch: "Was ist?" "Können wir reden?" "Worüber?" "Ich wollte fragen, ob du nicht vielleicht doch zu einer Therapeutin willst. Was da passiert ist.. und du bist kaum noch zu Hause, ziehst durch die Straßen.. und bald fängt die Schule wieder an, so geht das doch nicht" Sie setze sich zu mir, und legte dabei ihre Hand auf mein Knie. "Schatz, ich bitte dich, eine Stunde, nicht mehr." "Wenn du dich dann besser fühlst." "Danke, Schatz." Ich zwang mir ein Lächeln auf. Bevor sie aufstand und ging, gab sie mir noch ein Kuss auf die Wange und streichelte mir durch die Haare. Während ich ihr zusah wie sie aus meiner Tür verschwand, bemerkte ich einen kleinen Zettel an der Innenseite der Tür. Ich stand auf und ging nah genug heran, um zu erkennen, was drauf steht. Es war eine Nummer. Lang genug um eine Handynummer zu sein. Ich nahm mein Handy in die Hand und wählte die Nummer. Es klingelte. "Ja?" Es war ein Mädchen, eine angenehme Stimme. Nur.. wer war das? "Wer ist da?" Ich wusste nicht, ob ich ihr antworten sollte. "Ich leg gleich auf." "Nicht." "Spike?" Sie kannte mich.. und noch wichtiger, sie erkannte mich. "Warum sprichst du nicht?" Ich überlegte lang, ich wollte wissen, wer es war. "Können wir uns sehen?" "Klar. Komm einfach an den See außerhalb der Stadt." "Klar." "Jetzt. Ich warte, Spike." Ich legte auf, duschte mich, zog mich an und lief runter in die Küche ein Frühstück für unterwegs einzupacken. "Spike? Wohin gehst du?" "Raus." "Mit wem?" "Weiß ich nicht." "Du musst aufpassen, du weißt inzwischen, wie manche Menschen ticken." "Das wusste ich davor auch, Mom. Keine Sorge, ich pass auf mich auf." "Ja, ich weiß wo das letzes Mal geendet hat." "Glaub mir." Meine Mutter schaute weg, und ließ mich raus. "Zum Abendessen bist du wieder da." Ich schenkte ihr ein Lächeln und verließ das Haus.
Als ich am See ankam, schaute ich mich um. Bis auf eine Decke, ein Motorrad und der dazu passende Helm war weit und breit nichts zu sehen. Ich setze trotzdem meinen Helm ab und legte ihn auf mein Motorrad. Ich setze mich auf die Decke die da lag und wartete; es dauerte nicht lang, da tauchte ein Mädchen aus dem Wasser auf. Und keine Sekunde später, wusste ich, wer sie war, woher ich sie kannte, warum ich einen Kater hatte, alles. "Loreen." "Ja, ach. Komm rein!" "Lieber nicht." "Muss ich erst rauskommen und dich holen?" Ich zog einen meiner Mundwinkel hoch: "Ich bleib lieber draussen." "Nein." Sie kam immer näher ans Land, und dabei bemerkte ich, dass sie nackt war. Kein Bikini, keine Unterwäsche, nichts. Ich konnte nicht anders als sie anzustarren, sie war.. perfekt. "Noch nie eine Frau gesehen?" Ich lachte und guckte hoch, sie stand nun vor mir. "So eine noch nicht." Sie kniete sich vor mir und zog meine Jacke aus, dann mein T-Shirt, meine Schuhe, meine Hose.. "Warte, was.." Doch mit einem Kuss brachte sie mich zum schweigen. "Nicht reden, lass mich einfach." Dann zog sie meine Unterhose aus und lief zurück ins Wasser. Dort angekommen schaute sie mich an: "Komm endlich!" Nackt, lief auch ich ins Wasser zu ihr, bei ihr angekommen presste ich meine Lippen auf ihre, und holte ihren Körper dabei nah an meinen. Sie nahm mein Gesicht in ihre Hände und ließ von mir, guckte mir dabei tief in die Augen: "Du gefällst mir, Spike." Ich küsste sie am Hals entlang, und führte meinen Mund an ihr Ohr: "Gut zu wissen." Da riss sie sich lachend von mir und spritze mir mit Wasser ins Gesicht. Ich sptizte ihr auch ein bisschen ins Gesicht, da kam sie auf mich zu und drückte meinen Kopf unter Wasser. Sie war zwar stark, aber trotzdem warf ich sie hoch, so, dass sie erst aus und dann ins Wasser fiel. Das erste mal seit langer Zeit, fühlte ich mich wohl, und gewollt..
"Sag mal, Spike. Du warst ja mit Jamie zusammen, warum? Du kommst mir nicht vor, wie der Typ, der was festes sucht." "Lange Geschichte. Geliebt habe ich sie nie, nicht so wie sie es wollte, es war immer eine andere." "Faye." Mein Herz blieb stehen. Woher wusste sie darüber bescheid? Anscheinend merkte sie mir an, dass ich mich fragte, woher sie das nur wisse. "Gestern, du hast mich so genannt, Spike." "Ich hab dich Faye genannt?" Sie lächelte mir an, also ja. Warum? "Was hab ich denn gesagt?" "Nur, dass du mich über alles lieben würdest, ich dir die Welt bedeute, dich es krank macht, dass sie mit Noel zusammen ist. Nur sowas, nichts besonders also.", witzelte sie rum. "Peinlich." "Ach, komm, das ist Liebe, das ist ok. Ist ja nicht so, als ob ich nicht schon mal so für jemanden gefühlt habe, Spike." "Du bist ziemlich cool drauf, weißt du das?" "Natürlich." Sie wirkte gar nicht arrogant mit dem was sie sagte, sie wirkte einfach selbstbewusst und stark. Ich nahm die Decke und deckte unsere Beine zu, unsere Haare waren immer noch nass, da half auch nicht, Klamotten an zu haben. "Danke." Ich schaute ihr genauer ins Gesicht. Und obwohl sie ungeschminkt war, ihre Haare nass und voller Algen, sah sie wunderschön aus. Ihr Profil war perfekt. Und auch nachdem sie sich umgedreht hatte und ich sie frontal begutachten konnte, änderte nichts meine Meinung, im Gegenteil, sie wurde bestärkt. "Du bist wunderschön, Loreen." "Oh, so leicht kriegst du mich nicht." Ich lachte leise vor mich hin. "Mag sein, dass ich dich gerne küsse, aber glaub mir, so lange eine andere in deinem Kopf ist, wird da auch nicht mehr passieren." "Nicht?" "Bist du gerne die zweite Wahl?" Und damit hatte sie Recht, niemand war gerne die zweite Wahl. "Ich meinte das aber ernst, du bist echt wunderschön, und man kann mit dir reden, du hörst zu." "Ist das nicht der Sinn eine Konversation? Zwei Leute unterhalten sich miteinander?" "Nicht jeder scheint das zu wissen, weißt du." "Gut erkannt.."
"Und du hast also auch schon mal geliebt?" "Klar." "Wie ging es aus?" "Er hat mich betrogen. Mit einem Kerl." "Das kann ich mir nicht vorstellen." "Warum?" "So jemanden wie dich verletzt man nicht wissentlch." "Er hat es. Und ich solte sagen, dass ich ihm nicht böse bin, aber selbst, wenn ich ihn heute sehe, habe ich das Bedürfniss ihm ein Bügeleisen ins Gesicht zu pressen." Ich lachte: "Zeig ihn mir, ich mach es." Da setzte sie sich wieder aufrecht hin, und sah mich an. "Sehr dummes Mädchen." Dann grinste sie mich an. "Ist was?" Sie kam näher und küsste mich sanft, dann begann sie meine Zunge mit ihrer zu streicheln. Es war angenehm, ungezwungen - und kürzer als erhofft. Als sie so neben mir saß, legte sie ihren Kopf auf meine Schulter und flüsterte: "Du wirst sie vergessen." "Und du ihm verzeihen."
Pünktlich zum Abendessen war ich zu Hause. "Spike, du bist ja gekommen." "Hatte ich doch gesagt." "Nur, weil du etwas sagst, heißt es nicht, dass du es tust.", warf meine Schwester ein. "Wo sind Alex und Dad?" "Bei Oma, die brauchte Hilfe beim Aufbauen der Möbel." "Aber Alex kann das doch gar nicht." "Warst du da? Nein. Also musste Alex mit." Sollte ich mich jetzt schlecht fühlen? Immerhin war ich jung, ich wollte leben, und genau das tat ich auch. "War lecker, bin oben." "Ja, weil Zeit mit deiner Familie verbringen ja so schrecklich ist." "Vielleicht ist es das." Das war es nicht, aber sie würde nie von diesem Gedanken abkommen, von daher, soll sie doch denken, was sie will..
Bis zu Beginn der Schule hatte ich Loreen nicht mehr gesehen, entweder arbeitete sie oder ich - oder wir waren schlichtweg zu müde um uns noch zu treffen. Dabei wollte ich das so sehr. Der erste Tag in der Schule war nicht leicht. Alle hatten erfahren was passiert war, alle wollten zu Annie, alle wollten mehr wissen, was hören, aber wir waren es alle leid. Immerhin war es nicht Klatsch und Tratsch, es ging hier um Menschenleben. "Widerlich." Noel stand neben mir, sein Blick auf eine große Menge Leute gerichtet. "Wie kann man nur so herzlos sein?" Er hatte Recht, aber die Frage konnte ich ihm nicht beantworten; ich ließ ihn stehen und ging in meinen Klassenraum. Der Unterricht zog nur so an mir vorbei, ich hatte keinerlei Interesse an dem, was Mr. Faulkner von sich gab, mehr interessierte mich, wie heruntergekommen er aussah. Seine Klamotten waren ungebügelt, seine Haare reichten im mittlerweile bis zu den Ohrläppchen und ein ungleichmäßig ausgeprägter Bart zierte sein Gesicht. Aber ich war nicht der einzige, dem das aufgefallen war, auch Cole guckte ihn fragend an. Aber nicht nur sein Aussehen hatte sich verändert, auch sein Unterricht. Statt viel reden und diskutieren, sollten wir ein Essay über einhundert Wörter schreiben. Selbst, dass einige Schüler den Klassenraum verließen und andere sich hinsaßen, wo sie wollten, störte ihn nicht. "Sag mal, Spike." Noel hatte sich neben mich gesetzt. Ich sah ihn fragend an. "Ist irgendwas?" "Wie meinst du das?" "Du weißt schon.. wie du mit mir umgehst?" "Was mache ich denn?" "Ach, vergiss es." Er saß da, knettete sich mit seiner rechten Hand die linke und wibbte unruhig mit seinem Stuhl hin und her. "Sag schon." "Ist es wegen Faye?" "Nein." Und es stimmte; Noel war mir nie besonders sympatisch, er kann sagen was er will, für mich war er ein arrgantes Arschloch, das nur auf Mädchen scharf war. Und das mit seiner Schwester hatte mir nur noch mehr verdeutlich, was ich von ihm halte." "Nein." "Was dann?" Er lachte beherzt. "Deine Art. Mag ich nicht." Sein Lachen fiel zusammen, er stand auf und verließ den Klassenraum. Aber schuldig fühlte ich mich nicht, ich war ehrlich, das war ich immer, lügen bringen keinen weiter.
Am Ende der Schule, als ich zu meinem Bike laufen wollte, stand dort Loreen. Sie lehnte sich auf dem Boden sitzend an ihr Bike und laß ein Buch. Ich bemerkte wie mir ein Lachen entwich, ich war überrascht. Aber auch froh, sie endlich wieder zu sehen. Ich lief auf sie zu und setze mich neben sie. Bevor ich was sagen konnte, blickte sie zu mir hoch: "Endlich." Dann lehnte sie sich zu mir nach vorn und gab mir einen Kuss. "Was machst du hier?" "Ich dachte wir könnten was unternehmen, ein paar Freunde machen später ne Party, kannst ja auch kommen." Ich stand auf, reichte ihr die Hand und hebte sie so hoch. "Klar." "Aber vorher zeigst du mir Faye." "So neugierig?" "Darf ich nicht?" Sie schaute erwartungsvoll zu mir hoch, also schaute ich mich um. "Da, mit dem dunkelhaarigen Typen, zufällig Jamies Bruder." "Sie?" Mit zusammengekniffenen Augen scannte sie Faye von oben nach unten und guckte mich dann mit einer hochgezogenen Braue an. "Wirklich, Spike?" Ich war verwundert, denn sie fragte mit einem unterton der sagte "Wie konntest du nur?" also fragte ich nach, was sie meinte. "Na, dieses Mädchen, sie ist.. eine von vielen, das kann ich dir direkt sagen, ich kann sie lesen, wie mein Buch, und es ist nicht besonders spannend. Sie ist zwar schön, aber charakterlos." "Mach mal halblang." "Du glaubst mir nicht? Wetten ich kann sie dir perfekt beschreiben?" "Versuch es." "Intelligentes aber naives Mädchen, siehe Freund. Unsicheres Mädchen, dass aber weiß, wie sie was haben kann, aber nicht, was sie überhaupt will. Deswegen nimmt sie alles, was sie will und denkt jedes Mal es wäre was ganz großes." Und desto länger ich Loreens Worte reflektierte, verstand ich endlich, warum Faye sich verhielt wie sie es tat. Und auch, warum sie wirklich Noel wollte - er zeigte ihr in übertriebenem Maße, was er von ihr hielt, er vergötterte sie, also glaubte sie ihm alles, was sich betraf. Aber, wie konnte es sein, dass Loreen Faye so durchschauen konnte? Und das noch, ohne je mit ihr gesprochen zu haben? Ich konnte das nach Jahren nicht. "Ich würde mal sagen ich habe Recht. Und ich meine das ja nicht böse, im Gegenteil, du hast einfach jemanden verdient, der dich schätzt."
Bis zur Party fuhren wir durch Jacksonville und genossen das gute Wetter. Das Haus, wo die Party statt fand, war groß aber nicht sehr luxuriös ausgestattet. "Und Freunde von dir wohnen hier?" "Nicht nur. Auch ich." "Interessant." Innen waren vier Leute, zwei Jungs und zwei Mädchen. "Du bist also Spike? Nicht schlecht, Loreen." "Ich weiß." Loreen schmiss sich zu den anderen auf die Couch. "Komm, Spike, ich beiß nicht, nicht vor den anderen." Also setzte ich mich dazu. Zunächst tranken wir nur Alkohol und redeten, doch mit der Zeit wurden aus dem Alkohol Joints und aus dem Gerede Rumgemache. Aber zu meinem Erstaunen, machte sich nicht Loreen an mich ran, sondern eine ihrer Mitbewohnerinnen, und sie hatte kein Problem, im Gegenteil, sie schmiss sich an ihre andere Mitbewohnerin, und das obwohl ich neben ihr saß. "Komm, Spike." Das Mädchen, von dem ich nicht mal den Namen wusste, wuschelte mir durch die Haare und fing an meinen Hals zu küssen. Aber das ganze war nichts für mich, also stand ich auf und ging raus. Dort lehnte ich mich gegen die Hauswand und trank den Wodka, den ich mitgenommen hatte. Nach ein paar Minuten folgte mir Loreen raus. "Komm rein, es ist doch viel zu kalt." Ich guckte sie verstört an. "Bist du sauer, weil ich Cassandra geküsst habe?" Sie lachte mich aus. "Spike, komm. Du hast doch nicht gedacht.." "Doch, hatte ich, Loreen." Sie setze sich neben mich und nahm mir die Flasche Wodka weg. "Ich dachte du magst Faye, Spike." "Ich weiß gar nicht mehr, was ich eigentlich will. Wer ich bin, was ich machen soll, wohin ich soll, was ich sagen soll." Sie nahm meine Hand und drückte sie, während sie mir sorgenvoll ins Gesicht blickte. "Was ist das hier, Loreen?" "Wir sind Freunde." Ich stand auf und ging zu meinem Bike. "Willst du jetzt einfach so gehen?" "Was soll ich hier? Zusehen wie du mit Alessandra rummachst?" "Cassandra." "Ist doch egal. Du weißt, was ich meine." "Ach, meine Freunde sind egal, nur du und dein Leben zählen also? Interessant, Spike. Da lag ich wohl mal falsch, denn ich dachte, dass du ein aufrichtiger Mensch bist, jemand, mit dem man reden kann." Sie war wütend und kam auf mich zu. Dann verpasste sie mir eine Ohrfeige. "Wach auf! Du weißt was du wilst, du weißt genau was du machen solltest. Also tue es gefälligst auch!" "Ich liebe dich. Ich liebe dich, Loreen." "Gut. Du solltest immer genau das sagen, was du denkst." Dann gab sie mir einen leichten Klatscher auf den Hals und ging in die Wohnung. Sie ließ mich stehen, ohne mich weiter zu blamieren stieg ich auf mein Bike und fuhr nach Hause.
Als ich ankam, waren alle am schlafen, also schlich ich in mein Zimmer. Als ich das Licht anmachte konnte ich nicht glauen, was ich sah. Auf meinem Bett lag Loreen. "Loreen?" "Hey." "Wie bist du reingekommen? Woher weißt du wo ich wohne?" "Jamie." "Was machst du hier?" Doch sie antwortete mir nicht, sie lächelte mich bloß an. Ich starrte sie an. Sie war einfach perfekt wie sie da lag, und trotz fehlendem Make-Up war sie wunderschön. "Willst du nicht zu mir ins Bett kommen?" Gerade wollte ich mich hinlegen, aber sie: "Na na na! Ohne Klamotten natürlich, fair ist fair." Sie hob die Decke, so dass mich ihr nackter mackelloser Körper anstarrte. Ohne eine Sekunde nachzudenken zog ich mein T-Shirt aus und schmiss es auf den Boden, ihm folgten der Rest meiner Klamotten. Ich legte mich zu ihr, und umklammerte mit meinen Fingern ihre. "Willst du keine Antwort?" "Auf was?" "Auf dein ich liebe dich." "Du brauchst nichts sagen, was du nicht fühlst, oder noch nicht. Es.." Sie unterbrach mich mit einem Kuss. "Ich liebe dich auch, Miguel. Natürlich tue ich das, seit dem ersten Mal, als du im Cafe warst." "Was?" "Vor zwei Jahren bist du gekommen, aber du warst vergeben, also musste ich meine Gefühle für mich behalten." "Und was ist mit deinem Ex-Freund?" "Er war nur eine Ablenkung." "Seit zwei Jahren? Aber, wenn du schon so lange da arbeitest, wie bist du mir nie aufgefallen?" "Weil ich nicht gearbeitet habe, Miguel, ich saß einfach da, ich arbeite erst seit diesem Jahr dort. Aber ist doch egal." Ich küsste ihre Hand, vom Handgelenk bis zu den Fingerspitzen. Doch ihr schien das nicht zu reichen, sie küsste mich hart und drückte mich dabei auf die Matratze. Dann hörte sie kurz auf und guckte mir tief in die Augen. "Ab jetzt heißt es nur noch du und ich." "Keine Faye, kein sonst wer." "Versprichst du mir das?" Auch sie war unsicher, auch sie wollte, dass ich ihr sage, wie sehr ich sie liebe, und diesmal dürfte ich nicht den Fehler machen und es verschweigen. "24 Stunden am Tag denke ich an dich. Ich vermisse dich, sobald du nicht mehr da bist. Du bringst mich zum lachen, du zeigst mir, was leben heißt, was es heißt, zu tun was man will und dabei einfach nur glücklich zu sein. Du hast mir gezeigt, wer ich bin." "Ach so wichtig bin ich dir?" "Ärgerst du mich?" "Nur ein bisschen." Sie grinste mich an. Und in dieser Nacht hatten wir das erste Mal Sex, und es war, als wäre es was ganz neues, als hätte ich es noch nie getan. Ich hatte mich das erste Mal dabei gefühlt, als ob es bedeutend wäre. Es war nicht einfach Sex, es war ihr Liebesbeweis an mich, und meiner an sie. Es war Liebe.
Am nächsten Morgen war sie schon weg, als ich aufstand, aber sie hatte einen Zettel da gelassen. Auf dem Stand: Ich weiß, nicht die feine Art, aber ich muss zur Arbeit, tut mir echt Leid. Ich warte wieder vor der Schule auf dich. Gestern war echt schön, Miguel, ich bin froh, dir endlich sagen zu können, was du mir bedeutest. Ich liebe Dich. Loreen. Und ich war ihr nicht böse, denn sie lügte mich nicht an, das tat sie nicht, keineswegs. Als ich runter ging, hielt meine Mutter mich an. "Spike, ich möchte nicht, dass du den ganzen Tag weg bist, und dann erst nachts wieder kommst." "Es tut mir Leid." "Dann mach es bitte nicht mehr. Willst du mir nicht eigentlich was sagen zu deiner neuen Freundin?" "Du hast sie gesehen?" "Ja, sie ist runter, hat mich gesehen und ist zu mir gekommen, hat sich vorgestellt." "Ich hätte dir noch von ihr erzählt." "Nettes Mädchen. Endlich bist du über dieses Mädchen hinweg." Mit dieses Mädchen war Faye gemeint.. "Sie hat dich nur unglücklich gemacht." Meine Mutter mochte sie nicht, das tat sie nie, warum wollte sie mir nie sagen, tut sie immer noch nicht. "Da hast du Recht." "Schön, dass du das endlich einsiehst, Spike." "Miguel, Mom. Mein Name ist Miguel." Sie sagte nichts, sie lächelte mich bloß an.
Und da wusste ich, wie wichtig ihr es war, ihren Sohn wieder zu haben, keinen Spike, keinen Abklatsch, sondern ihren Jungen. Miguel eben. Den Jungen, den ihr Loreen wieder gebracht hat. Die Loreen, die mir dir Welt bedeutete. Das Mädchen, was mir zeigt, wie sich Liebe anfühlen sollte. Aufregend, intensiv, sicher, einfach echt.
Es war schwer, zurück zukommen und festzustellen, dass viel mehr passiert war, als man dachte. Als man es sich je erträumen könne. Während ich im Urlaub war, wurde mein Bruder, Annie und ihr Stiefvater angeschossen. Meinem Bruder ging es schnell wieder gut, und Annie lag im Koma - es gab Hoffnung.. Aber nicht nur das war passiert, auch in dem Urlaub gab es die ein oder andere Sache, die vorgefallen war.
"Und ich weiß nicht was ich machen soll, Jamie. Ich mein, er scheint mich ja echt zu mögen, das zeigt er mir ja, aber ich kann es ihm einfach nicht glauben." "Ist das dein Ernst, Raven?" "Was ist denn?" "Meine beste Freundin liegt im Koma, und wir sitzen gerade an ihrem Bett, und du erzählst mir irgendwas über Aaron?" "Tut mir leid, ich dachte ich sei auch deine Freundin, so rein zufällig." Ich stand auf und lief zur Tür, als Jamie etwas sagte, was ich ihr so schnell nie verzeihen würde. "Tut mir leid, dass ich mir nicht deine ewigen Jungsgeschichten anhören will. Du bist unfähig jemanden zu lieben, genau so, wie jemand unfähig ist, dich zu lieben." "Dankeschön." "Das ist die Wahrheit, Raven. Und, dass wusstest du auch, bevor ich dir das gesagt habe. Du hast ja nicht ohne Grund diese Zweifel." "Man erkennt dich gar nicht wieder, widerlich, was aus dir geworden ist, Jamie." Und da drehte sie sich um und sagte kein Wort mehr zu mir, also verließ ich den Raum. Da kam mir Alex entgegen. "Was machst du hier? Und sag mir nicht, dass du nach Annie sehen willst, du willst du Jamie, stimmt's?" "Wenn du die Antwort kennst, warum fragst du dann?" "Ich dachte, dass mit euch ist vorbei." "Anscheinend nicht, aber ist ja nichts ernstes." "Sondern?" "Nur Sex." Ironie. Da habe ich mal Gefühle für einen Jungen, und mein Bruder wird zum Gigolo, denn seit den Ferien liefen bei uns Mädchen nur rein und raus. Die noch größere Ironie war, dass Spike, der früher auch gehirnlosen Sex hatte, nun eine Freundin hatte - die ich, wenn ich wollte oder nicht, einfach mögen musste.
"Raven, Schatz?" "Ja, Mama?" "Aaron wartet in deinem Zimmer auf dich." Oh mein Gott, er ist doch nicht tatsächlich zu mir nach Hause gekommen, oder? "Okay, ich geh schon hoch." "Raven.. wir wissen alle, was du gern tust, aber nicht da oben, und nicht, wenn ich da bin." Super, selbst meine Mutter hielt mich für eine Schlampe. Vielen Dank. Da ich aber keine Lust auf Stress hatte, nickte ich einfach und eilte nach oben in mein Zimmer. Da stand Aaron vor dem Fenser und starrte auf die Straße, erst als ich die Tür schloss, zuckte er kurz zusammen und drehte sich um. In dem Moment, war ich schockiert, denn ein Bluterguss zierte sein Auge. "Was ist passiert?" "Nichts." "Fang nicht so an, sag einfach, was los ist. Bitte." "Es war Cole." "Cole? Solltest nicht du ihm eine verpassen, immerhin besorgt er es deiner Schwester." "Nenn es nicht so." "Sorry." "Er war sauer, weil ich meinte, dass Annie es verdient hat, was gerade passiert." "Warum sagst du auch sowas? Ich mochte sie auch nie, kein Stück, aber das ganze Drama.." "Ich habe nicht nachgedacht, es ist einfach rausgerutscht." "Warum reagiert er auch so über? Er sollte schon längst über sie hinweg sein, nicht?" "Dachte ich auch, genau wie Amy.. da ist jetzt auch total die Kacke am dampfen." "Aber das ist ja nicht deine Schuld." "Doch, ist es. Aber egal.." "Musst du wissen, meiner Meinung nach, trifft dich keine Schuld." Und dann standen wir da, der eine starrte den anderen an. "Warum bist du hier, Aaron?" "Weil du nicht geantwortet hast." Mein Herz pochte. "Ich kann das nicht, Aaron. Nicht jetzt." "Findest du nicht, ich habe ein Recht, es zu erfahren?" "Einfach nicht jetzt, nicht heute. Ok?" "Ich weiß, ich sollte jetzt wohl verständnissvoll sein, aber ich fühle mich langsam echt verarscht, Raven. Du redest nie mit mir, vetraust mir nie etwas an, wie soll es dann mit uns funktionieren?" "Wahrscheinlich gar nicht. Man kann und will mich nicht lieben, vertraue mir da, ruhig." "Das hatten wir doch schon alles, ich habe dir doch tausend mal gesagt, was ich für dich empfinde. Ich habe es dir gezeigt, warum glaubst du es mir nicht?" Ich konnte es ihm nicht erklären, stattdessen lief ich zur Tür, öffnete sie und hoffte darauf, dass er verstehen würde, was ich wollte. "Gute Nacht, Raven. Ich komme wieder."
Am nächsten Tag hatte ich nur kurz Schule, allerdings sollte ich Annie beim Fußballtraining vertreten. "Du bist echt gut, Raven." "Danke, Faye, aber sei ruhig ehrlich, ich bin grottenschlecht." "Besser als Annie." Kurz konnte ich lachen, aber direkt danach merkte ich, worauf Faye hinaus wollte. "Was willst du wissen, Faye?" "Wie meinst du das?" "Du bist nie nett zu mir. Also, was willst du wissen?" Schuldig fiel ihr Blick auf den Boden und klammerte sich an eine Stelle, ehe sie mir erneut ins Gesicht sah. "Ich weiß, es sollte mich nicht interessierne, aber was läuft da zwischen Spike und der einen." Ich hatte es satt, Faye war kein Stück besser als ich, aber trotzdem wurde ihr nie nachgesagt, dass sie eine Schlampe sei oder sonst was. Sie war einfach immer das süße Mädchen, dass nicht wusste, was sie wollte. "Erstens, ist die eine Loreen. Zufällig seine Freundin. Zweitens, sollte es dir allmählich egal sein. Drittens, wenn du was wissen willst, und denkst, es geht dich was an, warum fragst du ihn nicht selbst? Und Viertens, denkst du nicht, er hat das verdient? Du hast ihn wie Dreck behandelt." Sie schien einzusehen, dass ich Recht hatte, und ging ohne etwas zu sagen. Und so als sie ging, bemerkte ich Jamie im Hintergrund. Sie übte mit Amy, und ignorierte mich dabei so gut wie möglich - so wie der Rest. Keiner interessierte sich dafür, dass ich da war.
Wieder zuhause angekommen, war ich mit Spike und Loreen allein. "Hast du Streit mit Jamie?" "Woher weißt du das?" "Sowas merke ich." "Ist klar Spike." "Wir hatten doch gesagt, Miguel." "Ich vergaß, du bist ja jetzt erwachsen und Spike ist ja so peinlich." "Komm, lenk nicht ab. Was ist passiert?" "Kurz gesagt, sie hat mich Schlampe genannt, und meinte, dass mich keiner liebt, und ich auch nie jemanden lieben könnte. Und anscheinend hatte sie Recht, immerhin hat Mum mehr oder weniger das selbe gesagt." Und so wie wir auf der Couch saßen, nahm mich mein Bruder in den Arm, küsste mich auf den Kopf, und meinte: "Bist du nicht. Du kannst mir nämlich erzählen was du willst, ich weiß genau, was mit wem passiert ist." "Wie meinst du das?" "Ich hab allen, die aus deinem Zimmer kamen, gedroht, sie zu schlagen, wenn sie mir nicht erzählen, was passiert ist. Und ich musste keinen zusammenschlagen, außer einen - allerdings, sah ich da keinen Bedarf." "Wie..?" "Aaron. Er hat nicht so über dich gesprochen wie der Rest, er war in keinster Weise abwertend. Sprich, alle anderen hatten die ein oder andere Verletzung." "Du bist tatsächlich der bessere Bruder, wer hätte das gedacht." "Und dabei ist der andere dein Zwilling, den ich abholen darf, und Mama auch. Bin gleich wieder da." Ich nickte, dann küsste er kurz Loreen und verschwand in der Nacht. "Erzähl schon, was hat es mit diesem Aaron auf sich?" "Ich weiß nicht so genau, er gefällt mir, und ich scheine ihm zu gefallen. Aber irgendwie habe ich das Gefühl, dass er es nicht so ernst meint, wie er denkt.." "Schwachsinn. Wir bilden uns viel ein, Jungs nicht. Jungs wissen genau, was sie wollen, meistens können sie sich das nicht eingestehen, und da es Aaron doch tut, sei froh. Jedes Mädchen würde sich das wünschen." "Aber da gibt es noch ein Problem." "Was ist denn?" "Wir haben nicht vehütet.." "Bist du schwanger?" "Ich bin nicht sicher, ich weiß es nicht." Und da flossen schon die ersten Tränen meine Wangen runter, aber bevor ich es bermekte, hatte mich Loreen schon in den Arm genommen. "Schon ok. Halt dir den Tag morgen frei, dann gehen wir zusammen zum Frauenarzt."
Die Schule verging wie im Flug, so dass schon der Besuch beim Arzt auf mich wartete. Loreen hatte mich von der Schule abgeholt und hingefahren. Ich hatte sie auch gebeten mit rein zukommen. "Guten Tag, Miss Sanchez. Wir machen dann jetzt den Test, die Auswertung dauer einige Momente, die können sie hier verbringen." "In Ordnung." "Ich würde Ihnen allerdings raten, nicht nur ein Kondom zu nutzen, sondern auch die Pille. Ich verschreibe Ihnen einfach welche, wenn Sie die nicht vertaten, kommen Sie einfach vorbei und wir suchen eine Alternative." "In Ordnung." Und mit diesen zwei Worten antwortete ich auch auf alle anderen Fragen, die der Arzt mir stellte. Die gesamte Sitzung lang, sagte Loreen nichts, sie hielt lediglich meine Hand und lächelte mich an - aber das war genau das gewesen, was ich brauchte. Als der Arzt reinkam, setze er sich an seinen Schreibtisch und fülllte ein paar Papiere aus, ehe er mir das Ergebnis verriet.. "Miss Sanchez, Sie sind nicht schwanger. Allerdings haben Sie sich eine Geschlechtskrankheit eingefangen. Chlamydien, ich verschreibe Ihnen ein Medikament, das nehmen Sie zwei Wochen ein, und dann kommen sie nochmal. Ihren Sexualpartner sollten sie auch zu einem Arzt schicken." "In Ordnung." Chlamydien? Von Aaron? "Auf Wiedersehen."
Die Fahr nach Hause schwieg ich, Loreen hatte am Anfang versucht zu reden, gab es aber nach einer Weile auf, erst gegen Ende, nahm sie das Gespräch wieder auf. "Raven?" Ich guckte ihr ins Gesicht. "Ja?" "Soll ich dich zu Aaron fahren?" Ich nickte - obwohl sie mich so kurz kannte, wusste sie immer, was sie tun musste, damit ich mich besser fühlte. "Danke, Loreen." "Ich warte dann hier, brauchst dich aber nicht zu beeilen. Nimm dir so viel Zeit, wie du brauchst. Ok?" "Klar." Also lief ich zu Aarons Haus und klingelte an der Tür. Amy öffnete mir die Tür. "Hallo." "Hey, ist Aaron da?" "Oben, in seinem Zimmer." Ich lief an ihr vorbei, und auch auch den Eltern, ich musste Aaron sehen. Und ohne an der Tür zu klopfen, betrat ich Aarons Zimmer. "Oh mein Gott." Er war gerade am masturbieren, als ich herein kam. "Ich geh nochmal raus." Mit erroteten Wangen nickte er. Nach drei Minuten öffnete er mir die Tür und ich setzte mich auf seinen Schreibtischstuhl, er sich auf sein Bett. "Willst du mir endlich sagen, was los ist?" "Ich dachte ich sei schwanger, bin ich aber nicht." Mit einem breiten Grinsen kam er auf mich zu und wollte mich küssen, doch ich drehte mich weg. "Ist was? Du wolltest doch kein Kind, nicht jetzt, oder?" "Natürlich nicht. Aber es gibt da noch was anderes." Verdutzt setze er sich auf sein Bett und sah mir in die Augen. "Ich hab Chlamydien. Und da.. da ich bisher nur mit dir Sex hatte, müssen sie wohl von dir sein." "Ist doch nichts schlimmes, mit Medikamenten geht das wieder weg." "Du verstehst es nicht, oder?" "Nein, erklär's mir." "Mit wie vielen?" "Hab ich doch nicht mitgezählt." "Sex bedeutet dir nichts, oder wie soll ich das verstehen?" "Kommt drauf an." "Auf was?" "Na, mit wem es ist." "Weißt du, du willst, dass ich dir glaube, dass du mich liebst, aber alles was du tust, und sagst.. du hattest gesagt, du hast nur mit Faye und vielleicht noch zwei, dreien geschlafen. Und jetzt sowas?" "Was hätte ich denn sagen sollen? Dass es zu viele sind, und ich sie nicht zählen kann? Dann hättest du mir erst Recht nichts geglaubt, und noch viel schlimmer, du hättest gedacht, ich sei ne Schlampe. Tut mir Leid, Raven, du bist nicht meine erste, aber ist es nicht viel bedeutender, dass du die bist, mit der ich mich wohl gefühlt habe? Bei der ich, ich sein konnte?" "Ich kann dir gar nichts mehr glauben." "Wenn du mir nichts glaubst, dann kannst du auch gehen. Ich lüge nicht, wenn ich sage, dass ich dich liebe, dass ich dich brauche. Aber wenn du mir nicht glaubst, heißt es für mich, du willst es nicht." "Aha. Auf Wiedersehen, Aaron." "Tschüss." Und ohne zu zögern, verließ ich sein Zimmer, lief runter und rannte raus zu Loreen ins Auto. Und sie fuhr mich nach Hause, ohne mich irgendwas zu fragen.
Am nächsten Morgen wachte ich neben meinem Bruder auf. "Spike?" Langsam öffnete er seine Augen, er brauchte ein wenig, um zu realisieren, was los war, aber dann lächelte er mich an. "Guten Morgen." "Was machst du hier?" "Wohl eher, was machst du hier, du bist bei mir im Zimmer." "Gute Frage." "Egal. Komm, ich mach dir Frühstück, und du sagst mir was los ist. Natürlich nur, wenn du willst." "Danke." Und tatsächlich, beim Frühstück erzählte ich ihm alles. Wie Aaron und ich angefangen hatten, nur so zum Spaß miteinander zu schlafen, er aber Gefühle für mich entwickelte, und ich auch, er sich die allerdings eingestehen konnte - ich ihm aber einfach nicht glauben konnte, dass sie echt waren. Und das einzige was Spike zu sagen hatte, war: "Geh zu ihm, und entschuldige dich. Er ist ein Junge, man hat nun mal das Verlangen nach Sex, und er konnte auch jede haben - auch jetzt, und er will dich. Und da sagt man, wir Jungs sein die unfähigen." "Weil du ja alles so perfekt hingekriegt hast, mit deinen Weibern." "Hey!" Spike nahm eine Weintraube und warf mich damit ab. "Bevor du mich fährst, kochst du mir aber das versprochene Frühstück." "Höre ich das Wort Frühstück?" Von der Treppe kam Alex herunter. "Ja, setz dich dazu." "Und was machst du, Spike?" "Eierkuchen." "Fauler Sack.", entwich es mir und Alex. Spike konnte nämlich sehr gut kochen, da war Eierkuchen nichts. "Wenn hier keiner anständig einkaufen geht, könnt ihr auch nicht mehr erwarten. Und steht mal auf. Alex, du suchst alles im Kühlschrank, was man verwenden kann, und du Raven schlägst schonmal die ersten Eier." "Und was machst du dann, Herr?" "Die Pfanne mit Öl bepinseln und die Gewürze raussuchen." Und da standen wir, die drei Sanchez' und kochten. Selbst mein Vater kam dazu, und half uns. Meine Mutter richtete den Tisch an. Und so kam es, dass wir alle mal wieder zusammen frühstückten, und redeten, eine Familie waren. Das waren wir selten. Fast nie. Ich konnte mich kaum noch an das letze Mal erinnern. Es gab andere Bilder, die sich in mein Hirn eingebrannt haben: meine Eltern, die sich streiten; meine Mutter die Spike anmeckert; mein Vater der mich anmeckert. Kurz gesagt: Streit. Das waren die Sanchez', die man kannte. Meine Eltern standen auch kurz vor der Scheidung, allerdings haben sie dann doch noch einen gemeinsamen Weg gefunden.
Als ich dann Abends so in meinem Bett lag, ringte mein Telefon. Eine SMS. Von Aaron. Ich meine das, was ich sage, Raven. Ich liebe dich, zumindest denke ich es. Mit dir um mich, da geht es mir gleich besser. Bitte, glaub mir doch. Ich wusste nicht, ob und was ich antworten sollte. Nach einer Minute schickte ich ihm eine Antwort: Okay. Und dann kam nichts mehr von ihm. Keine SMS, nichts. Zehn Minuten lang wartete ich. Vergeblich. Dann klopfte es an meinem Fenster, und als ich hinsah, erkannte ich Aaron. "Oh mein Gott." Ich öffnete das Fenster, und ließ ihn herein. "Was machst du hier? Wie bist du hier hoch gekommen?" Doch er sagte nichts, er umarmte mich fest. "Aaron?" Dann küsste er mich auf die Stirn und sagte: "Endlich." Wir redeten noch ein wenig, und spielten etwas Playstation3, ehe er ging. Und dann war es, als ich eine SMS bekam. Du wirst es nicht bereuen. Ich gehöre dir. Allein. Schlaf gut.
Hatte ich mich richtig entschieden? War ich naiv? Oder war ich einfach nur mutig? Würde ich jemals eine ehrliche Antwort darauf kriegen? Meint es Aaron wirklich ernst? Tue ich es?..
Ich konnte mich nicht beklagen. Ich hatte Cole an meiner Seite, Faye, und auch Alex und ich verstanden uns besser. Alles war perfekt - alles, was mich betraff. Denn Annie ging es nicht gut. Und je länger ich darüber nachdachte, desto ängstlicher wurde ich, dass Cole mich verlassen würde.
"Amy?" Aarons Ruf riss mich aus meinen Gedanken. "Was ist?" "Beeil dich, wir müssen gleich los, und du hast noch nicht einmal angefangen mit deinem Frühstück." "Ich habe keinen Hunger." "Musst du wissen." Er nahm meinen Teller und legte ihn in die Spüle. Dann drehte er sich um, und schaute mich an. "Sicher, dass alles ok ist?" "Nein." Ich stand auf, nahm meine Tasche und lief zur Tür. "Komm, wir müssen zur Schule." Aaron guckte leicht verdutzt und kam mir nach. Im Auto fragte er mich erneut, ob alles okay sei. Ich überlegte wirklich, ob ich mit ihm darüber reden sollte. Darüber, dass ich Angst habe Cole zu verlieren. Aber war das wirklich ein Thema, über das man mit seinem Bruder redet? Nein..
In der Schule machte ich mich auf die Suche nach Faye. Sie würde mir da bestimmt weiterhelfen können, immerhin war sie ja seine Schwester. Nicht? Es dauerte auch gar nicht lang bis Faye mir über den Weg lief. "Hey." Ich wusste, dass wir uns lange nicht mehr gesprochen haben. Ich wusste nicht mal wie es zwischen ihr und Noel lief. Aber, was ich auch wusste, war, dass wir uns immer gut verstehen würden, egal was passieren würde. "Kann ich dich was fragen?" "Klar." Sie legte ihren Arm um mich und lief mit mir durch die Schulflure, während ich ihr meine Ängste anvertraute. "Ich weiß es nicht, Amy." "Aber.." "Er hat sich verändert, wir reden nicht mehr so viel, er schreibt auch gar nicht mehr. Das war früher sein absolutes Hobby, und.. er ist jemand ganz anderes geworden. Ich glaube auch, dass er gern hier gewesen wäre, als das mit Annie passiert ist." "Irgendwie nimmt mir das nicht die Angst, Faye." "Die kann ich dir auch nicht nehmen. Du musst einfach mit ihm sprechen." "Gut, wo ist er?" "Zuhause, die ersten beiden Stunden fallen aus." Na toll. "Faye?" "Ja?" "Ist bei dir alles okay? Ich meine mit Noel jetzt." "Jein." Sie wandte ihren Blick von mir. Nun wanderte er nervös von Fliese zu Fliese. "Er kümmert sich nur noch um Jamie. Wir haben schon seit Tagen nicht mehr wirklich gesprochen. Langsam frage ich mich, wo das Ganze hinführen soll.. Vor kurzem war ich mir so sicher, er gab mir so viel. Mittlerweile scheine ich ihm kaum noch was zu bedeuten." "Du denkst zu viel. Jamie geht es gerade echt schlecht, da kann man nichts machen. Er ist ihr Bruder, er will nun mal für sie da sein." "Das soll er ja auch, wirklich. Aber er beachtet mich gar nicht mehr." Ich nahm sie in den Arm. Faye wusste nie genau, was sie wollte, nie. Deshalb hat sie es schon ganz schön rumgetrieben, wenn man mal genauer drüber nachdenkt.. Mein Bruder, Spike, Alex, Noel.. Aber sie tat mir trotzdem leid, denn sie schien ihn wirklich zu lieben, immerhin hat er sie über Spike hinweggebracht. "Das wird schon."
Anders als erwartet, war Cole zur dirtten Stunde noch nicht da, also schrieb ich ihm eine SMS. Wo bist du?? Ein paar Minuten später klingelte mein Telefon. "Ja?" "Sie ist wach. Ich war nur kurz da, um sie zu besuchen." "Cole?" "Sag Jamie bescheid, ach was, sag allen bescheid! Ich warte hier, bis gleich." Dann legte er auf. Ich konnte mich kaum bewegen, ich fühlte mich verarscht. "Amy?" Faye stand wieder neben mir. "Ist was?" "Sie ist wach, Faye. Er war da. Und natürlich musste sie aufwachen, als er da war." "Annie ist wach? Wow.. Ich geh und sag den anderen bescheid, nach der Schule fahren wir hin, dann kannst du mit ihm reden, ja?" Ich nickte, dabei war es mir nicht Recht. Ich wollte nicht dahin. Annie war für mich kein guter Mensch, sie hat nie irgendwas getan, um es zu sein. Nie. Warum sollte ich sie also besuchen? Würde sie mich besuchen, wenn ich an ihrer Stelle wäre? Ich glaube nicht. "Ich komme nicht mit, Faye. Ich geh jetzt nach Hause." Und das tat ich wirklich. Immerhin gehörte das Auto meinem Bruder, also lief ich den ganzen Weg nach Hause. Kurz bevor ich ankam, fuhr Alex an mir vorbei, und blieb stehen. "Amy?" Ich lief weiter, ich wollte jetzt nicht reden. Ich wollte meine Gedanken sortieren. Doch Alex stellte sein Fahrrad ab und lief hinter mir her. "Hey!" Ich drehte mich um. "Was willst du?!" "Schh.. was ist los mit dir? Warum bist du nicht in der Schule?" Ich wollte was sagen, wollte ihm sagen, dass es ihm egal sein konnte. Ihm sagen, dass ich selbst nicht mal weiß, warum ich so überreagierte. Aber es kam nichts raus. "Komm, ich fahr dich nach Hause. Es wird eng, aber du musst dich einfach nur gut festhalten." Zu Hause angekommen, versuchte Alex noch mal mit mir zu reden. "Willst du mir jetzt sagen, was ist?" "Annie ist wach." "Das ist doch nichts schlimmes." "Rate mal wer bei ihr war.. genau, Cole. Ich wusste es." "Was wusstest du? Das heißt doch gar nichts." Alex lachte und nahm mich in den Arm. "Sei doch kein Dummerchen, mit ihm und ihr, das hat aufgehört, bevor es angefangen hat. Komm, ich fahr dich hin, dann kannst du es selbst sehen." "Du musst doch zur Sch.." Er hielt mir seine Hand auf den Mund. "Keine Wiederworte!"
An sich wohl keine schlechte Idee - würde man meinen. Aber genau das war es, denn als Alex und ich gerade in Annies Zimmer gehen wollte, konnten wir durch das kleine Fenster an der Tür sehen, wie sie und Cole zusammen im Bett lagen. Sie in seinen Armen, seine Arme um ihre Taille, sein Blick auf ihre Augen gerichtet. Ich hielt Alex zurück, als er die Tür aufmachen wollte. "Nicht." Keine fünf Minuten hingen Coles Lippen an denen von Annie. Ich drehte mich vom Fenster weg. Setze mich auf den Boden, versuchte zu atmen. Alex sah mich verdutzt an, dann schaute auch er durch das Fenster. Anders als ich, brach er nicht in Tränen aus, sondern riss die Tür auf und lief auf Cole zu, um ihm eine zu verpassen. Annie kreischte rum, Alex solle von Cole runter. Doch Alex verpasste Cole einer nach der anderen, bis ein paar Pfleger das Zimmer betraten, und Alex von Cole wegtrugen. Alex riss sich von den Pflegern los und ging zur Tür, doch bevor er raus ging, drehte er sich noch einmal zu Cole. "Unglaublich, Cole. Wie dämlich du bist. Wage es ja nicht noch einmal mit Amy zu reden!" Er nahm meine Hand, hob mich hoch, und wir gingen zu ihm nach Hause. Dort machte er mir ein Tee, und entschuldigte sich dafür, dass er mich hin gebracht hatte. Danach regte er sich pausenlos über Cole auf. "Ich versteh diesen Typen nicht." "Es ist okay, Alex." "Nein, eben nicht. Wie kann er dir das antun?" "Ich bin wohl für alle nur der Trostpreis." "Sag sowas doch nicht!" "Wenn du genau nachdenkst, war ich auch deiner." Wir beiden lachten; sehr lange sogar. "Tut mir leid." "Muss es dir nicht. Du standest wie jeder auf Faye, nicht?" "Erinner mich bloß nicht daran." "Wieso?" "Ich weiß gar nicht, was ich mir dabei gedacht hatte. Oder sie. Wobei, sie denkt ja nie nach. Du hättest Spike mal sehen sollen, als sie anfing mit Noel auszugehen. Sie denkt nie an die Gefühle anderer, ihm ging es so scheiße. Ihr scheint es immer gut zu gehen." "Alex.. bitte." "Tut mir leid, Amy. Ich habe versucht darüber hinweg zu sehen." "Worüber? Dass sie deinen Bruder nicht wollte?" "Dass sie nicht mehr die Person ist, mit der ich befreundet war." "Glaub mir, Alex. Sie hat nie versucht jemanden zu verletzen, sie war nur auf der Suche nach ihr selbst. Danach, was sie wirklich will." "Willst du mir jetzt klar machen, sie hätte Minderwertigkeitsprobleme?" "So könnte man es nennen." "Sei nicht so naiv, Amy. Sie macht einfach was sie will, weil sie weiß, was sie mit ihrem Aussehen erreichen kann - und früher auch mal mit ihrer Art." "Ich bin nicht naiv. Du versetzt dich einfach nicht in sie rein." "Achso. Denk noch mal bitte nach, Amy." Ich ging auf ihn zu, und gab ihm eine Schelle. "Für was war die denn?" "Wach auf, Alex. Sie ist auch nur ein Mensch. Oder hast du noch nie jemanden verletzt?" "Nein, habe ich nicht." "Was ist mit Jamie?" "Das war nie was ernstes." Er meinte er ernst, er war davon überzeugt, dass er nie jemanden verletzt hatte. "Was ist mit mir?" "Dir ging es doch gut." "Bist du dir sicher?" "Du hast immerhin direkt danach jede Woche mindestens zwei Dates gehabt." Ich klebte ihm noch eine, wohl eher gesagt, wollte es, doch er hielt meine Hand fest. "Sei ehrlich, habe ich dich damals verletzt?" Ich wollte ihm die Wahrheit sagen, dass ich verletzt war. Ich hatte damals gelogen, für mich war das ganze nicht platonisch, für mich war er viel mehr. Er bedeute mir damals alles, einfach alles. Und die ganzen Nächte, in der er mich abblitzen ließ, sie kränkten mich. Aber ich konnte ihm das doch nicht an den Kopf werfen oder? "Amy?" Ich wollte nicht mehr reden. Doch er hörte nich auf meinen Namen zu nennen. Dann packte er mit seinen Händen fest meine Schultern, und sah mir tief in die Augen. Mit seinen braunen warmen Augen blickte er in meine, sie waren genau so warm und trügerisch wie damals - als ich dachte, das hätte alles was zu bedeuten. Ich hielt es hier nicht mehr aus, also lief ich zur Tür, doch Alex war schneller als ich und stellte sich vor mir in den Weg. "Sprich mit mir Amy!" Doch das wollte ich umgehen, also presste ich meine Lippen auf seine, um seine Worte zu ersticken. Als ich mich von ihm löste, guckte er mich mit großen Augen an. "Es tut mir leid, Alex." Er war sprachlos, und mir war die gesamte Situation so unangenehm, dass ich ihn zur Seite stieß und durch die Tür verschwand.
Zuhause angekommen hatte ich diverse Anrufe von Alex und auch Cole bekommen, doch ich wollte nicht reden. Ich wollte einfach nur meine Gedanken sortieren, etwas, was ich schon länger nicht mehr getan hatte. Weil ich den ganzen Tag in meinem Zimmer und unterwegs verbracht hatte, kam meine Mutter zu mir. "Amy, Schatz? Was machst du denn die ganze Zeit hier alleine?" "Nachdenken." "Worüber denn, Schatz?" Sie fuhr mir durch die Haare und gab mir einen Kuss auf die Stirn. "Cole hat Annie geküsst, Mama. Sie ist wach, und hat ihn direkt." "Das tut mir leid, Amy." "Mir nicht." "Ich verstehe nicht." "Ich auch nicht, das ist es ja." "Das wird schon wieder, jetzt komm runter essen, du hast noch nichts gegessen." Ich nickte, und folgte ihr nach unten. Dann aßen wir alle zusammen, meine Mutter, mein Vater, mein Bruder und ich. Wir redeten nicht, das taten wir nie, denn das Abendessen war nicht dafür gedacht zu reden. sagte mein Vater immer.
Abends lag ich wieder in meinem Zimmer, da rief Cole erneut an. "Amy?" "Was willst du?" "Es tut mir leid, wirklich. Ich.." "Muss es nicht, viel Glück euch beiden." Ich legte auf, doch er hörte nicht auf anzurufen. Nach einer Stunde stellte ich mein Handy aus. Ich lag noch nur so da in meinem Bett und dachte nach. Natürlich war ich verletzt, es tut immer weh zu sehen, wie sich jemand für einen anderen entscheidet. Aber Alex hatte bereits alles getan, was ich in dem Moment wollte: Cole eine verpassen. Alex hatte allgemein sehr viel getan für mich heute.. Kurz bevor ich einschlafen wollte, klopfte es an meinem Fenster. Ich machte das Licht an und lief hin. Anders als erwartet war es nicht Cole, sondern Alex. Also öffnete ich ihm das Fenster und ließ ihn rein. "Alex.. was machst du da?" "Ich wollte mit dir reden, aber du gehst ja nicht ans Handy." "Ja, ich habe es ausgeschaltet, Cole hört nicht auf anzurufen." Ein kurzes Schweigen erfüllte den Raum. "Du hast nicht geantwortet, Amy." "Worauf?" "Ob ich dich damals verletzt habe." "Ja, hast du." "Es tut mir leid, wirklich." "Kein Problem, du wolltest mich einfach nicht, so wie jeder." "Das stimmt nicht." "Doch, du hast mich angelogen, die ganze Zeit lang, hast du mir vorgespielt, dass du mich lieben würdest. Aber ich hätte es wissen müssen. Du wolltest mich ja nie." "Es tut mir wirklich leid, aber ich hatte da nicht die Gefühle für dich, die ich dachte. Als es mir klar wurde.." "Es ist ja nicht mal deine Schuld, ich bin doch das Problem." Mir liefen Tränen die Wange herunter. "Warum hast du nie gesagt, wie sehr dich das verletzt hat?" "Was hätte ich den sagen sollen?! Etwa, dass ich nichts sehnlicher wollte, als bei dir sein? Nichts mehr wollte als der wichtigeste Teil deines Lebens zu sein? Oder doch, dass ich dich liebe?" "Du liebst mich?" "Liebte, ich hab, ich hab.. vergiss es, es spielt keine Rolle." Er sah mir jetzt in die Augen. Es waren erneut diese warmen, braunen Augen, die mich glauben ließen, dass es auf der Welt nichts schlechtes gab, dass es nur gutes gab. Warum tat er mir das an? "Bitte, guck mich nicht so an. Du weißt nicht, was du damit bei mir auslöst." Doch er sagte nichts, er nahm mich an der Hüfte und drückte mich an sich. Dann küsste er mich. Einmal, zweimal, dreimal. Jeder Kuss wurde länger, sinnlicher, bedeutsamer. Ich legte meine Hände um seinen Nacken und führte ihn auf mein Bett. Dort zog ich ihn aus, so wie er mich. Und schon bald lagen wir auf meinem Bett, halbnackt umschlungen. Ich legte ihn auf das Bett, und setze mich auf ihn drauf, und küsste ihn auf Bauch, Brust und am Hals. "Amy?" Er würde mich doch nicht schon wieder abblitzen lassen, oder? "Was ist?" Er richtete sich auf und küsste meinen Hals, dann sah er mich an. "Bist du sicher, dass du es willst?" "Bist du sicher?" Er gab mir ein halbes Lächeln, das was mich früher schwach werden ließ - ach was, was mich auch jetzt schwach werden ließ. Ich zog meinen BH aus, und drückte ihn noch fester an mich. In den nächsten paar Stunden, hatten wir uns komplett ausgezogen und immer wieder die Nähe zu einander gesucht.
"Was nun?" Am nächsten Morgen lagen wir immernoch zusammen - und nackt, in meinem Bett. Es war der Morgen danach, dann, wenn man sich die Frage stellen musste: Was nun? Ich schaute ihn an, sein Gesicht war zur Decke gewandt und sein Blick war intensiv. "Was willst du?" Mit Angst in der Stimme stellte ich ihm diese Frage. Er wandte seinen Blick zu mir und lächelte. "Ich hätte es schon viel früher merken müssen." "Was meinst du?" "Gestern, als ich dich sah, wie du nach Hause gegangen bist, da habe ich mir was gewünscht. Ich hatte gehofft, dass du und Cole.. dass ihr euch getrennt habt. Oder als ich ihn geschlagen habe, ich habe es so genossen." "Was meinst du?" "Die besten Dinge vermisst man am meisten, wenn man sie nicht haben kann. Ich hab versucht mich hinweg zu trösten. Jamie, alle die anderen - sie haben nichts gebracht. Ich wollte dich, aber du schienst mich gar nicht zu beachten. Ich will dich, Amy. Und diesmal weiß ich warum. Weil du die einzige Person auf der Welt bist, die mir mehr bedeutet als meine eigene Person." Ich wusste nicht, was ich machen sollte. Ich hatte lange darauf gewartet. Ich küsste ihn so fest ich konnte. "Komm, ich mach dir Frühstück." Keiner aus meiner Familie stellte Fragen, weder meine Mutter, mein Bruder noch mein Vater. Wahrscheinlich konnten sie sehen, wie glücklich ich war. Und das war nicht das erste mal, das dies passiert ist, auch als mein Bruder das erste Mal zusammen mit Raven hier saß, wussten wir alle, dass schweigen das beste war - fürs erste.
In der Schule kam Faye auf mich zu. "Cole hat es mir gesagt, ich kann es gar nicht glauben. Es tut mir so Leid, liebes." Und da fielen mir die Worte von Alex zu Faye ein. "Ich dachte ihr redet nicht mehr miteinander." "Er kam nach Hause, total niedergeschlagen, da hab ich ihn gefragt.." Sie log. Sie wusste schon länger von seinen Gefühlen zu Annie. Und er hatte auch nicht aufgehört zu schreiben, überhaupt nicht, denn er schrieb immernoch über Annie. "Du brauchst nicht lügen." Sie begriff sofort. "Ja, ich wusste schon länger, was sich da anschlich, aber es stand mit doch nicht zu es dir zu sagen, und ich wollte nicht diejenige sein, die dich verletzt." "Aber genau das bist du jetzt." "Es tut mir leid." "Schieb es dir sonst wohin! Ich brauche dich nicht Faye, so wie auch Noel nicht mehr, und Spike, und Alex. Du bist bei allen unten durch, und das hast du dir selbst zuzuschreiben! Du denkst nur an dein eigenes Wohlergehn, oder hast du mich mal gefragt, wie es mir geht und dich wirklich dafür interessiert? Denn ich habe das immer." "Du hast das gerade nicht wirklich gesagt, oder?" "Weißt du, Faye, du spielst mit jedermans Gefühle, kannst du es ihnen übelnehmen, dass sie von dir los kommen? Oder hast du die ganze Zeit mal an Spike gedacht? Oder an Noel? Du hast beide hintergegangen. Aber Noel weiß ja nichts von der Nacht mit Spike, die im Auto, du weißt schon.. aber gottseidank, hat immerhin Spike erkannt, dass er besseres haben kann als dich!" "Ich kann doch nicht dafür, was um mich herum passiert. Spike und ich, das ist eine komplizierte Geschichte. Ich wollte nicht die sein, die.." "Was? Die leicht zuhabende? Genau das bist du, Faye. Jeder hatte dich schon. Ob Alex, Spike, Noel oder mein Bruder. Und du unterstellst Annie, dass sie eine Schlampe sei.. guck mal auf deine Liste!" "Das denkst du also über mich?" "Nein, das denke über das Ding, das du geworden bist. Melde dich erst, wenn du wieder die Faye bist, die ich meine Freundin nenne."
Ich ließ sie da stehen, obwohl sie noch einiges zu sagen hatte, immerhin schrie sie mir genug hinterher, ich solle doch stehen bleiben, und ich sei nur neidisch, dass ich nicht das haben kann, was sie hat. Aber genau genommen hatte ich mehr. Ich hatte eine tolle Familie, die hinter mir stand. Mein bester Freund erwiderte endlich meine Gefühle. Momentan war nicht alles perfekt, immerhin hatte ich Faye einiges an den Kopf geworfen, aber genau das brauchte sie, sie kann nicht durch die Welt spazieren, und vergessen, dass sie mit vielem andere beeinflusst, verletzt oder auch berührt. Und ich werde sie nicht fallen lassen, ich werde ihr helfen, aber erstmal braucht sie Zeit für sich.. so wie ich meine Zeit brauchte um gewisse Sachen zu registrieren.
Unglaublich, was sich Amy da erlaubt hatte. Einfach unglaublich. Woher nahm sie das Recht so mit mir zu reden? Mir ist schon klar, dass ich meine Fehler hab, aber sie kann mich doch nicht verantwortlich für all' das schelchte machen, das anderen zustößt. Ich habe mir ja nicht gewünscht, dass das alles mit Spike und Noel passiert - oder mit Alex und Aaron. Wirklich nicht. Oder??..
Die nächsten Tage sprach ich mit keinem. Mein Bruder versuchte Annie zu erklären, dass es ihm leid tat, er aber nichts dafür kann, was er für Annie empfindet. Noel war zwar nicht mehr die ganze Zeit damit beschäftigt auf Jamie aufzupassen, aber aufeinmal hatte er ein Problem mit Ethan und Jills Beziehung und ließ die beiden kaum außer Augen. Und sonst hatte ich auch schon keinen mehr, nachdem Amy mir all das an den Kopf wurf. Ich wusste also nicht wohin mit meinen Problemen. Ich entschied mich dafür zu Amy zu fahren, sie konnte das doch nicht ernst meinen. Als ich da war, öffnete mir Alex die Tür. "Hallo, Faye." Bevor ich fragen konnte, warum er bei Amy zu Hause war, kam sie auch schon. "Amy!" "Was willst du hier?" "Ich will reden." "Über was?" "Das, was du mir gesagt hast. Du bist doch meine Freundin, ich dachte immer du würdest mich verstehen." "Wie soll ich das, wenn du es nicht einmal selbst tust? Es ist so unverantwortlich dein ganzes hin und her. Spike oder Noel? Noel oder Spike?" "Es ist eben nicht einfach, beide bedeuten mir viel." "Trotzdem spielt man nicht mit deren Gefühlen, und das hast du pausenlos." "Aber ich.." "Wolltest das nicht, ich weiß. Du willst nie etwas böses, und wenn doch etwas passiert, ist es auch nicht deine Schuld, warum auch." "Ich hab mir das doch nicht gewünscht!" "Keiner wünscht sich sowas, trotzdem passiert es, und meistens auch aus gewissen Gründen. Oder hast du den beiden nie schöne Augen gemacht? Du hättest auch einfach allein bleiben können." "Ich geh jetzt." "Dann geh." Amy war noch nie so kalt zu mir. Nie.
In der Schule verbrachte ich den ganzen Tag erneut allein, keiner kam auf mich zu. Niemand. Nicht einmal mein eigener Freund. Also beschloss ich zu ihm zu gehen. Er stand vor seinem Spind und sprach am Telefon mit seiner Mutter, und regte sich darüber auf, dass sie Ethan so gut wie bei sich wohnen ließ. Ich stellte mich also zu ihm, doch er brauchte lange, bis er merkte, das ich da war. Als er endlich aufgelegt hatte, gab er mir einen harschen Kuss auf die Lippen. "Können wir reden, Noel?" "Worüber denn? Ich hab echt keine Zeit. Meine Mutter hat Ethan schon sogut wie bei uns einziehen lassen, er hat das Zimmer von Rick bekommen, der ja wieder ausgezogen ist, jetzt wo sich Jill eingelebt hat. Unglaublich." "Was ist daran denn so schlimm?" Er lachte kurz. "Dein Ernst? Jill und Ethan hängen nur noch aufeinander, das ist doch nicht gesund für eine Beziehung." "Sich nie zusehen auch nicht." "Was meinst du?" "Wann haben wir das letzte mal etwas unternommen?" "Willst du, dass wir mehr unternehmen?" "Ich will, dass du mich beachtest. Dass du so bist wie am Anfang, du gibst dir gar keine Mühe mehr." "Du hast es nie, Faye." "Wie bitte?" "Du hast Recht, ich gebe mir keine mehr, weil du dir auch mal welche geben kannst. Ich kann doch nicht der einzige sein, der hierdran arbeitet." "Du nennst unsere Beziehung Arbeit?" "Für mich ist es das, ich musste dir so lange klar machen, dass ich der richtige bin, inzwischen weiß ich gar nicht mehr, ob ich das wirklich bin." "Was? Das kann doch jetzt nicht dein Ernst sein.." "Ich hab immer an dich gedacht, dich vermisst, dir geschrieben, dir gezeigt, wie sehr ich dich liebe, du hast nie auch nur eines der Dinge gemacht, außer du brauchtest was. Und ich weiß, dass du mit Spike geschlafen hast, als wir schon zusammen waren, ich habe es nie erwähnt, weil ich an dich geglaubt habe." "Ich hab mich doch für dich entschieden, reicht dir das nicht?" "Ich weiß es nicht, ich dachte zunächst, dass es mehr als genug wäre." "Das glaube ich jetzt nicht. Weißt du was? Wenn du so denkst, mach ich dir deine Entscheidung leichter. Es ist AUS!" "Faye, komm, so meinte ich das nicht." "Ach ja? Wie dann?" "Einfach, dass du mir auch mal zeigen könntest, warum du dich für mich entschieden hast, und damit meine ich nicht Sex, ich habe nicht das Gefühl, dass du mich für mich liebst." "Das ist ja jetzt egal, brauchst du dir keine Gedanken mehr drum machen." "Du weißt schon, dass du mich gerade in allen meinen Zweifeln bestätigst." "Aber ich liebe dich doch! Ich hab es dir gesagt, ich hab dir alles gesagt. Alles. Was soll ich denn noch machen?" Er nahm mich in den Arm. "Es ist ok. Wir kriegen das schon hin, wir gehen heute Abend essen und reden noch mal bei klarem Verstand ok?" "Du bist viel zu gut zu mir." Er gab mir einen Kuss, einen langen, innigen. Er erinnerte mich daran, dass er so viel tat für mich. Mir so viel bedeutete, mir alles gab, was ich brauchte, um glücklich zu sein. Er war der perfekte Freund. Und er hatte Recht, ich nahm alles für selbstverständlich, ich sollte ihm auch mal ab und zu zeigen, dass er das immer noch ist. "Es tut mir so leid." "Es ist okay, wir reden einfach später drüber." Aber ich wollte es nicht, also das tat ich schon, aber er hatte besseres verdient als mich, alle hatten das. Ich hatte in jeder Hinsicht versagt! Als Schwester, als Freundin, als feste Freundin, und ich würde meinen Arsch verwetten, dass meine Eltern auch nicht mehr all' zu viel von mir hielten.
"Was machst du, Faye? Wohin willst du?" Mein Bruder stand hinter mir und sah mir dabei zu, wie ich meine Taschen packte. "Wonach sieht es denn aus?" "Weiß Mom davon? Weiß Dad davon?" "Nein, und du auch nicht, hörst du?" "Du verlangst das doch nicht wirklich von mir Faye, vor allem, wenn du mir nicht mal sagst, was du machst, beziehungsweise wo du hin willst!" "Doch, das verlange ich. Ich verspreche dir, ich werde mich bei dir melden. Und ich werde auch nicht lange weg sein, wirklich nicht." "Versprochen?" "Versprochen." Er nahm mich in den Arm, er hielt mich ganz fest. "Wehe du lügst mich an, Faye." "Du sagst Mom und Dad einfach, dass ich zu Oma bin, sag ich habe viel Stress, und wollte weg."
Nun stand ich also da, vor Noels Haus. Es war arschkalt, und stockfinster. Mitten in der Nacht, eben. Aber ich war ihm das schuldig. Ich schrieb ihm eine SMS: Ich steh unten vor der Tür. Komm. Ein paar Minuten später öffnete er mir die Tür. "Es ist zwei Uhr, Faye. Was auch immer das ist, kann es nicht bis morgen warten?" "Nein." "Nein?" "Ich werde gehen, für 'ne Zeit. Ich kann nicht hier bleiben, es ist alles gerade einfach nur scheiße." Er packt mich an den Armen, und guckt mir tief in die Augen. "Bist du hier, um mir zu sagen, dass du mich verlässt? In der Nacht, vor meiner Haustür." "Nein. Ich will, dass du mitkommst." "Aber wohin?" "Ist das wichtig?" "Für wie lange?" "Nicht lange, ich will, ich denke, wir sollten ein wenig Zeit miteinander verbringen. Nur du und ich." Seine Augen fahren durch die Nacht, er denkt nach, intensiv. "Faye, ich.. ich denke nicht, dass ich einfach gehen kann, nach all' dem, was passiert ist." "Du musst nicht mitkommen, wirklich nicht, aber ich hab schon so das Gefühl, dass ich dir nicht reiche. Und wenn du jetzt nicht mitkommst, sollst du wissen, dass es vorbei ist, endgültig. Denn ich kann dir nicht glauben, was du sagst. Wirklich nicht, so wie du mir. Und das hier, das ist mein Beweis." "Okay." Ein breites Grinsen erfüllt mein Gesicht. Ich beuge mich zu ihm nach vorne und gebe ihm einen langen Kuss. "Ich pack dann schnell alles, warte einfach im Auto." Und als ich so ihm Auto saß, und ihm durch sein Fenster dabei zusah, wie er seine Sachen nach und nach in einen großen Schwarzen Koffer packte, wusste ich, dass das genau das ist, was ich tun muss. Und er war auch davon überzeugt, was mich nur noch mehr darin bestätigte.
"Ich liebe dich, Faye." "Ich weiß." "Gut." "Ich dich auch, Noel. Du hast mich endlich von Spike losgelöst, das hätte ich keinem zugetraut." Ich schaute ihn an, er schien glücklich. Es tat gut, jemanden zu haben, der das meinte, was er sagte. Zumindest glaubte ich das.
Amy hin oder her. Ich musste an mich denken, zumindest fürs erste. Ich kenne Amy ja, sie wird das nicht aus Bosheit gemacht haben, sie wird ihren Grund gehabt haben.. und so hab ich meinen, um erstmal abzuhauen, einfach nachdenken, einfach unbesorgt sein. Und mit Noel an meiner Seite würde es nichts geben, was mir zustößen könnte. Nichts. Da bin ich mir sicher..
Es war nicht leicht, ganz und gar nicht. Ich wollte Amy auch nie wehtun, aber der Unfall hatte mir nur deutlich gemacht, dass Annie mir einfach mehr bedeutet, als ich es mir eingestehen wollte, und da konnte ich nun mal nichts gegen unternehmen. Aber als ob das nicht alles wäre, jetzt ist Faye auch noch abgehauen, und ich hab sie nicht aufgehalten, sie nicht ausgefragt, nichts.. Ich hab sie einfach gehen lassen.
"Cole? Wo ist Faye, sie ist nicht in ihrem Zimmer, nicht im Bad, nirgends." Ich konnte nichts sagen; ich wollte nicht lügen, ich wollte nicht sagen, was ich wusste, aber ich konnte auch nicht nichts sagen, oder? "Sie ist nicht in ihrem Zimmer?" "Nein. Dein Vater meinte, dass ihr Auto fehlt. Also, weißt du wo sie hin ist?" "Nein." Gottseidank musste ich nicht lügen, denn ich wusste nicht wohin sie ist, nur, dass sie weg ist. "Gut, wir warten erstmal ab. Sobald du etwas von ihr hörst, sagst du mir sofort bescheid, ja?" "Mach ich. Ich fahr dann jetzt zur Schule."
Vor der Schule blieb ich in meinem Auto sitzen. Ich hatte soetwas wie Angst. Doch ich hatte nicht genug Zeit um mir darüber Gedanken zu machen, denn Aaron klopfte an mein Fenster. Ich ließ das Fenster runter, und schaute in sein Gesicht. "Du weißt schon, dass ich das mit Annie weiß, oder? Das heißt, auch, was du meiner Schwester angetan hast, Cole." "Ich weiß." "Ich weiß? Ich dachte du würdest acht geben, weißt du.." "Ich will ja nichts sagen, aber du hast meine Schwester einfach so entjungfert und es mir lange nicht erzählt. Ich denke, da hatte ich auch das Recht, erstmal nach den richtigen Worten zu suchen." "Ich sag ja nicht, dass ich dir nicht verzeihe, für einen Streit kennen wir uns zu lang, und zu gut. Und ich weiß, dass man sich oft Gefühlen hingibt, aber ich hätte trotzdem mehr erwartet, Cole." "Du bist nicht sauer?" "Schon, aber ich werde nicht aufhören dein Freund zu sein. Aber ich will eine Erklärung!" Er setze sich zu mir, und hörte mir zu. Ich erzählte ihm von dem Moment, als ich das mit Annie erfuhr, was es mit mir anstellte.. wie ich an das Gedicht denken musste, dass ich ihr gegeben hatte. Soetwas hatte ich nie für Amy gemacht. Allgemein hatte ich lange nichts mehr gelesen, nicht geschrieben, ich war nicht mehr ich. Und er verstand das. Das tat er wirklich, und das war der Grund, warum ich ihm nie böse sein könnte. Denn er kannte mich besser, als jeder andere, wollte aber trotzdem, dass ich es ihm sage, damit ich es eben mal gesagt habe. Er wusste immer, was ich brauchte. Und heute war es, mir die Schuld zu nehmen, oder zumindest das schlechte Gewissen.
Heute war der erste Tag, an dem Annie wieder in der Schule war. Noch ein Grund Angst zuhaben. "Angst?" Aaron starrte mich an. "Du liest mich echt, wie ein Buch, nicht?" Er hebte die Brauen, gab mir zwei Klopfer auf die Schulter und lief zu Raven. Er sah das erste mal glücklich aus, war ja auch seine erste Beziehung; aber es war auch das erste mal, dass er verstand, warum die Männer in Filmen und Büchern so fühlten und sich dementsprechend ausdrückten. Früher hatte er das nie verstanden. Bevor ich weiterdenken konnte, blieb mein Blick an Annie kleben. Sie war umzingelt von vielen Leuten, aber sie suchte jemanden. "Cole!" Sie kam auf mich zu, umarmte mich und gab mir vor allen anderen einen Kuss. "Geht's dir gut? Wie kommt es, dass du schon zur Schule darfst?" "Ich soll so schnell wie möglich in den Alltag finden. Und außerdem wollte ich da raus, unglaublich, wie lange ich da einfach nur rumlag. Ich muss nur nach der Schule zur Therapie." "Soll ich dich begleiten?" "Meine Mom fährt mich, aber danke." Sie neigte ihren Kopf nach links und starrte an die Decke, während sie ihre Augen zusammenkniff. Sie dachte nach; währenddessen starrte ich sie wie ein verliebter Idiot an, wie der Idiot von vor zwei Jahren. Sie atmete tief ein, dann aus. "Ich glaube, wir sollten uns bei Amy entschuldigen. Ich will nicht mehr die sein, die keiner mag. Aber.. nunja, bei ihr habe ich den Start ja schon verkackt." "Das ist eine gute Idee." Ich legte den Arm um ihre Schulter und brachte sie zu ihrer nächsten Klasse.
Als ich zu Hause ankam, saßen meine Eltern in der Küche. Mein Vater hatte seinen Arm um meine Mutter gelegt, die weinte. Ich wusste natürlich, um was es ging: Faye. "Ist alles okay?" Mein Vater guckte zu mir hoch. Dann stand er auf, lief auf mich zu und verpasste mir eine Ohrfeige. "Für was war die denn?" Er zeigt mit seinem Zeigefinger auf mich, und wurde immer lauter: "Deine Mutter hat dich doch gefragt, ob du was weißt, wegen deiner Schwester. Und du hast ihr dreist ins Gesicht gelogen!" "Wo-h-h-h-e-r?" Und seine Stimme stieg weiter an. "Woher wir das wissen? Du hast dein Handy vergessen, sie hat angerufen." "Geht's ihr gut?" "Interessiert dich das wirklich? DU hättest sie nie gehen lassen dürfen, Cole. Jetzt müssen wir Miss VanHouton anrufen, und ihr wegen Noel Bescheid sagen, denn er ist auch dabei." "Davon wusste ich nichts." "Ich werde nicht mit dir darüber reden, du gehst jetzt sofort in dein Zimmer, den Autoschlüssel lässt du hier, ich werde dich absofort zur Schule fahren, und sobald Faye wieder hier ist, gilt das selbe für sie. Unglaublich, ich dachte echt, ihr hättet euch geändert in England. Und auch, dass euch das mit Annie was gezeigt hat, aber.." Die Wut kochte in mir. "Rede nicht über Annie, Dad. Du hast keine Ahnung. Du bist ja nie hier." Ich verließ das Haus und lief durch die Nachbarschaft. Ein Auto hielt neben mir an. Ethan und Jill waren darin. "Sollen wir dich mitnehmen?" Ich öffnete die Tür und stieg ein.
"Deine Eltern werden sich schon wieder einkriegen.", sagte Ethan aufmunterungsvoll. Jill hatte ihn wirklich verändert, das konnte man schon so sagen. Sie hatte ihn zur Vernunft gebracht. "Ich hoffe es." "Glaub mir, Eltern verzeihen einem alles. Und das werden sie dir auch Verzeihen, spätestens, wenn Faye wieder zurückt ist." "Du hast Recht, Jill.. also so sollte es sein." "Wir sind da, Annies Haus." "Danke, Leute. "Kein Problem", entgegneten beide.
Ich klopfte an Annies Tür, an der Tür war nun eine Kamera befestigt. Ihre Mutter war vorsichtiger geworden. Sie war es auch, die mir dir Tür öffnete. "Guten Tag, Cole. Komm ruhig rein. Annie ist oben in ihrem Zimmer." Man sah ihr an, dass sie versuchte das Bild von früher aufrechtzuerhalten: die starke unabhängige Frau. Aber so ganz, konnte ich es ihr nicht glauben, immerhin hatte sie ihren Freund verloren, und beihnahe ihre Tochter. "Danke, Miss Germaine." Ich ging also nach oben zu Annie. Dort lag sie auf ihrem Bett und laß ein Buch. Eine wie Alaska. "Ist es gut?" Sie sprang verschreckt auf, und wollte gerade das Buch nach mir werfen, als sie mich erblickte. Statt zu lachen, und mich belustigt anzuschreien, warum ich mich angeschlichen hatte. Aber stattdessen weinte sie, und fiel in meine Arme. Ich war verwirrt. "Was ist los?" "Ich.. Ich hatte Angst. Ich dachte du seist.." "Pscht.." Wie konnte ich nur so dumm sein? "Es tut mir so Leid, Annie." Doch im nächsten Moment riss sie sich von mir, wischte die Tränen weg und lachte. "Ach was, ich hab überreagiert. Vergiss es. Warum bist du hier?" "Lenk nicht ab, du kannst mit mir reden. Dir muss nichts peinlich sein." "Es ist nichts, ich habe mich kurz erschrocken, ist das verboten?" "Sicher?" "Ja." Du lügst Annie, dir geht es nicht gut, und du brauchst Hilfe, aber du willst sie nicht von mir.. noch nicht. "Weißt du, ich finde, wir sollten ins Kino. EIn neuer Film läuft an, den ich unbedingt sehen will." Ohne mir auch nur die Chance zu lassen, zuzustimmen, nahm sie meinen Arm und zehrte mich aus dem Zimmer. Ehe ich mich versah, saßen wir im Kinosaal. Dann im Restaurant. Dann brachte sie mich nach Hause, und fuhr gegen meinen Willen allein nach Hause.
"Wo warst du den ganzen Tag? Reicht es dir nicht, was deine Schwester getan hat?" "Ich hab da jetzt echt keine Lust drauf, Dad. Bitte." "Entschuldige? Deine Schwester.." "Ja, meine Schwester. Ich weiß, ja. Gut, schön. Ich habe sie gehen lassen. Tut mir leid. Sie hat mich ja nur drum gebeten. Oder weißt du, was in ihr vorgeht? Ich konnte es ihr ansehen; ihr ansehen, dass es ihr nicht gut ginge. Absolut nicht. Aber du und Mom, ihr habt immer nur so getan, als ob wir ein gutes Verhältnis haben. Sie und ich, wir haben zumindest wirklich eins. Deshalb hab ich sie gehen lassen, weil ich sie kenne. Sie ist intelligent, sie weiß, was gut für sie ist." Darauf wusste mein Vater keine Antwort.
Die nächsten drei Stunden warteten wir schweigend in der Küche, dass Faye zurückkommen würde. Als sie dann endlich da war, bekam sie Ärger, mächtigen. Aber meine Ansprache hatte meinen Vater dazu bewegt, die Strafen sein zu lassen. Er schickte uns dann hoch, und meinte, er wolle uns für den Rest des Tages nicht mehr sehen. Statt in mein Zimmer zu laufen, lief ich in das von Faye. "Es tut mir leid. Ich hab mein Handy hier vergessen." Statt mich anzuschreien, gab sie mir einen Kuss auf die Wange. "Ich will wieder eine gute Schwester für dich sein, ja?" "Wann warst du das nicht?" "Sei ehrlich, wir haben die letzten Wochen kaum miteinander gesprochen. Nichtmal über Annie." "Weil du sie nicht magst." "Ich werde ihr eine Chance geben, wenn du etwas in ihr siehst, müsste es doch möglich sein, dass ich es auch tue. Nicht?" "Danke. Was ist mit Noel, warum hattest du ihn dabei?" "Ich wollte ihn dabei haben. Er ist mein Freund." "Ich hätte nicht gedacht, dass er mitkommt, vor allem jetzt." "Ich auch nicht, er hat es mir dann auch übel genommen, wir haben uns gestritten. So wie immer." "Das gehört dazu." "Ich weiß.." Ich sah sie an, sie wusste nicht, ob sie mir das glauben sollte. Und ich wusste auch warum: Sie hatte nie eine Beziehung. Es war ihre erste, sobald es Probleme kam, lief sie weg. Das tat sie oft. Aber ich würde ihr helfen, denn das war ich ihr als Bruder schuldig.
Und auch ich wusste das, an Problemen musste man arbeiten. Annie würde etwas brauchen, bis es ihr völlig gut gehen würde, dafür musste ich Verständnis aufbringen, das war nunmal so. Und damit hatte ich auch kein Problem, wirklich nicht. Wirklich.. tat ich keineswegs. Tue ich keineswegs. Werde ich nicht.. Oder doch? - Jedenfalls muss ich so oder so damit klar kommen, denn ich wollte, dass es mit Annie klappt. Das musste es.
Ich war tatsächlich mit Faye abhauen. Irgendwohin. Es dauerte natürlich nicht lang, bis man uns auf die Schliche kam, aber ich konnte ihr den Wunsch nicht abschlagen. Das konnte ich einfach nicht. Ich dachte ja wirklich, dass ich sie liebte, wirklich, aber mittlerweile war ich mir da nicht so sicher. Sie war anders. Sie war egoistisch, ich hatte soviel gehört, soviel mitbekommen. Ich war mir nicht sicher, ob ich das alles akzeptieren konnte.
Der nächste Morgen war schwer, meine Mutter war sauer auf mich, und Jamie hatte auch nicht mit mir gesprochen seit der Sache. Nur Jill war neugierig: "Du bist also mit Faye einfach so weggefahren?" Ich nickte, ein wenig beschämt. "Wohin?" "Wir sind eigentlich nur rumgefahren, konnten uns nicht einigen wohin. Allgemein haben wir Meinungsverschiedenheiten gehabt." "Worüber?" "Die Sache mit ihrem Bruder und Annie, zum Beispiel. Oder auch die zwischen Alex und Amy, und die zwischen Spike und Loreen." "Stopp." Jill lehnte sich über den Tisch. "Sie hat mit dir über Spikes neue Beziehung gesprochen?" "Ja, da bin ich ausgetickt. Davor hatte sie mir noch gesagt, sie sei von ihm los. Aber den Eindruck habe ich nicht." "Komsiches Mädchen, mit dem du da angebandelt hast." Sie setzte sich im Schneidesitz auf den Stuhl und aß mit einem großen Löffel Eis. Und obwohl irgendwas in mir mich dazu aufforderte, ihr zu sagen, dass Faye ganz und gar nicht komisch sei, ließ ich es sein. Ich hatte keine Kraft mehr, mich andauern rechtfertigen zu müssen. Vor allem jetzt, wo ich mir nicht mal sicher war, ob ich noch mit ihr zusammen sein will. Denn es fühlte sich einfach nie danach an, als ob sie glücklich sei mit mir.
In der Schule kam Ethan auf mich zu, legte mir den Arm um die Schulter und sagte "Hat dir das Mädchen so den Kopf verdreht? Du hättest fast das Turnier verpasst, du weißt doch, dass da alle Scouts sind." Das hatte ich ganz vergessen, Fußball. Meine ehemalige und einzige Leidenschaft. Vergessen?!.. "Würdest du mir glauben, wenn ich dir sage, dass ich das komplett vergessen habe?" Ethan lächelte und wechselte das Thema: "Wie hat deine Mutter reagiert?" "Sie hat noch kein Wort mit mir gesprochen, komischerweise hat es sie dann doch mal interessiert, was ich mache." "Kein Wunder nach der Sache mit Annie. kaum einer lässt sein Kind hier das tun, was es will. Alle Eltern sind übervorsichtig geworden." "So habe ich das noch gar nicht gesehen." "Du solltest dich schon bei ihr entschuldigen, Alter. Aber nach dem Trainig, die Pause ist vorbei. Jetzt wird hart trainiert, und ich habe gehört, dass ein Neuer in unser Team gestoßen ist."
Später dann beim Training stieß tatsächlich jemand neues in unser Team. Sein Name war Jake Arkinson. Er war groß, blond, muskulös und gottseidank ein exzelllenter Spieler, also herzlich willkommen in unserem Team. Als ich ihn so ansah, kam er mir sehr bekannt vor, aber ich konnte ihn nirgends einordnen. Nach dem Training, luden Ethan, ich, Aaron und Cole ihn dann auf einen Burger ein. "Also, wie kommt es, dass du erst jetzt bei uns in der Mannschaft bist?" "Bin von meiner alten Schule geflogen, also musste ich mir eine neue suchen. Und ich würde nie auf Fußball verzichten." Ethan fragte neugierig, wie er von seiner alten Schule geflogen sei, aber Jake wollte darauf nicht antworten, sagte nur, dass es nicht schlimmes gewesen sei. Den restlichen Abend aßen wir Burger und guckten ein Spiel des AC Milan. Zum Abschluss brachte ich Ethan nach Hause, musste davor aber noch Jamie von Annie abholen und mitnehmen. Jamie öffnete die Beifahrertür und wollte sich setzen, als sie Jake sah. "Hallo?" Jake schaute Jamie von oben nach unten an, und lächelte. Ich verstand nichts, genauso wenig wie Jamie. "Ist irgendwas?", fragte Jamie erstaunt. "Nein, nichts.", antwortete Jake.
Zuhause fragte mich Jamie über Jake aus: "Wie alt ist er? Woher kennst du ihn? Was macht er hier?" "Ich weiß es nicht." "Warum nimmst du ihn dann mit?" "Er ist in meiner Mannschaft." "Was auch immer." Dann schmiss sie ihre Tasche auf den Boden, und setzte sich mit der Fernbedienung in der Hand auf das Sofa. Ich fragte sie keine Fragen darüber, warum Jake sie so anschah, denn die würde ich ihm schicken. Ich öffnete Facebook und gab Jake Arkinson ein. Ich scrollte und fand ihn, fügte ihn hinzu und schrieb ihn an.
N: Hey
J: Hey..
N: Kann ich dich was fragen?
J: Klar :-)
N: Kennst du meine Schwester??
J: ..
N: Jaaa??
J: Wir waren mal im selben Zeltlager. Aber sie scheint es nicht mehr zu wissen
N: Sie vergisst Gesichter eigentlich nie :-s
J: Ich.. sah anders aus, damals.
N: ??
J: Ein paar Kilos schwerer. Meine Haare waren auch viel länger.
N: Als ob! :-D
Jake schickte mir ein Bild, und er hatte nicht gelogen. Er hatte sogar ein Bild mit Jamie.. Wir schrieben noch ein wenig, bevor er offline ging, aber mich ließ das Gefühl nicht los, dass er mir was verheimlichte. Aber das würde ich noch herausfinden. Doch bevor ich noch mehr Gedanken an Jake und Jamie vergeuden konnte, bekam ich eine Nachricht von Faye.
F: Noel??
N: Was ist?
F: Glaubst du nicht, wir sollten reden?
N: Worüber?
F: DAS WEIßT DU GANZ GENAU -.-
N: Faye.. wenn was ist, dann sag es!
F: Vergiss es!
N: Ich dachte du wolltest reden?
F: Worüber denn? ;-)
N: Ich hab keine Lust hierdrauf, entweder du sagst jetzt was ist, oder nicht.
F: Seit wann bist du so?
N: Wie?
F: Eiskalt.
N: Seitdem du mir keine andere Wahl gelassen hast, Faye..
F: Komm vorbei, wir MÜSSEN reden. Bitte.
N: Jetzt?
F: Bitte. Wenn du willst, kann auch ich kommen.
N: Dann tu das.
Keine zehn Minuten später klingelte mein Handy, ich lief zur Tür runter und öffnete sie. "Danke." "Komm rein. Wir gehen hoch in mein Zimmer, alle anderen schlafen schon." Faye nickte und folgte mir schweigend in mein Zimmer. Bevor ich auch nur etwas sagen konnte, fiel sie mir um den Hals und weinte sich auf meinen Schultern aus. Es dauerte fünf Minuten bis sie sich beruhigen konnte und mir sagen, was los war. "Faye, nicht." "Es tut mir leid, es ist nur.. es fühlt sich an, als ob.." Doch sie sprach nicht weiter, sie nahm mein Gesicht in ihre Hände und gab mir vorsichtig einen Kuss. Dann lehnte sie sich zurück und schaute mir tief in die Augen. "Das ist nicht mehr das selbe." Und sie hatte recht. Ich nahm Faye in den Arm. "Ich weiß nicht was los ist, was anders ist, denn ich kann nicht sagen, dass ich dich nicht mehr liebe, Faye - auch, wenn ich mir das einerseits wünsche, aber.." "Es ist okay." Sie ließ von mir ab und zwang sich ein Lächeln auf. "Immerhin streiten wir nicht mehr." Ich hoffte, dass sie Recht hatte.
Am nächsten Morgen saßen zunächst nur Jamie, ich, Ethan und Jill am Tisch. "Ich hab mich von Faye getrennt, wohl eher wir haben uns voneinander getrennt." Es war kurz still, starre Blicke fixierten meine Person. Es dauerte lange, bis jemand was sagte, aber Jill bekam als erste ihren Mund auf: "Das tut mir leid, warum?" "Es war einfach nicht mehr so wie es mal war." "Aber ihr habt euch nicht gestritten, oder?" "Nein. Nein. Alles ok." Ethan sagte nichts, nur Jamie kam auf mich zu, umarmte mich und flüsterte in mein Ohr: "Du verdienst sowieso was besseres, und das kommt schneller, als du glaubst." Dann nahm sie ihre Tasche und ging zusammen mit Ethan und Jill zur Schule. Ich wollte auf meine Mutter warten, immerhin schuldete ich ihr noch eine Entschuldigung. "Noel? Warum bist du noch hier, du hast gleich Schule." "Ich weiß, ich weiß. Ich wollte mich nur entschuldigen, für das mit Faye. Es war dumm von mir, und ich habe dir unnötig Sorgen bereitet, es tut mir leid." Meine Mutter lächelte. "Jetzt geh aber, die Schule fängt an." "Du bist nicht böse?" "Schon, aber immerhin weißt du, dass es falsch war. Das reicht."
Meine erste Beziehung war nun vorbei, sie war anfangs echt toll, aber mit der Zeit hat man gesehen, dass es nicht gepasst hatte, Faye war nun mal nicht das Mädchen, das zu mir passte. Und das musste ich akzeptieren, egal wie sehr ich sie wollte, brauchen tat ich sie nicht.. Und das wusste ich jetzt, und jetzt konnte ich mich auf meine große Liebe konzentrieren: Fußball
Jamie VanHouton. Die Jamie aus dem Zeltlager - unglaublich. Ich hätte nie gedacht, dass ich sie noch einmal treffen würde. Und diesmal würde ich meine Chance nutzen. Das musste ich einfach, das war ich mir schuldig, einmal das zu tun was ich wollte. Mir das zu holen, was ich wollte.
Nachdem ich sie gestern gesehen hatte, und wusste, dass Noel ihr Bruder war, musste ich sichergehen, dass er mich mögen würde. Also suchte ich ihn am nächsten Schultag auf und sprach ihn an. "Hey." "Hey. Alles klar?" "Ja. Ich wollte nur, bitte zeig niemandem die Bilder. Ich habe sie dir geschickt, weil ich mir sicher bin, dass man dir vertrauen kann." "Keine Sorge. Die wird keiner sehen." "Gut, danke." "Sag mal, warum hast du Jamie nicht gesagt, woher du sie kennst?" "Sie soll mich nicht als die Person von damals sehen. Es hat lang gedauert, der zu sein, der ich jetzt bin. Es war ein weiter Weg. Du hast es ihr aber nicht gesagt, oder?" "Nein, das steht mir nicht zu." Noel war netter, als er aussah, als ich erwartet hatte. Das war gut, das brauchte ich, jemanden, der mein Freund sein konnte. "Sag mal, diese Woche ist ja das Turnier. Werden da wirklich Scouts sein?" "Ja, sie kommen jedes Jahr zum Turnier, wir müssten schon echt Pech haben, wenn sie uns dieses Jahr auslassen." "Wird es Extratrainings geben?" "Jein, inoffiziell. Du kannst gerne mitmachen, wobei du es nicht nötig haben wirst, du bist konkurrenzlos. Als Stürmer musst du nur den gegnerischen Stürmer ausgrenzen, und dank Cole, unserem Torwart, wird der keine Chance haben." "Wenn ich nur so überzeugen kann." Noel schlug mir auf die Schulter: "So meinte ich das nicht. Ich muss jetzt los, ich hab Chemie. Sehen uns dann beim Training!" Ich lief zu meinem Spint, öffnete ihn und legte meine Tasche rein. Ich hatte unerwarteter Weise eine Freistunde, und hatte mich entschlossen in der Schule zu bleiben. Also setzte ich mich in die Bibliothek.
"Der Typ aus dem Auto." Ich löste meinen Blick von den Büchern und schaute hoch. Mein Herz blieb stehen. "Ja, genau der." Es kostete Kraft ruhig zu bleiben, aber genau das musste ich jetzt tun. "Und dein Name?" "Du hast deinen Bruder nicht gefragt?" "Muss ich?" Sie schaute mich mit einem breiten Grinsen an. "Ich weiß, du heißt Jake." "Und du bist Jamie." "Genau. Woher??", sie sah verwirrt aus. "So hat dich dein Bruder genannt. Was machst du hier?" "Freistunde, der Projektkurs findet nur jede zweite Woche statt." "Das erklärt einiges." "Hat man dir das nicht gesagt?" "Nein." Wir schauten uns an, und vergaßen zu sprechen. Irgendwann fragte Jamie: "Kann ich mich setzen?" "Klar." Ich zog den Stuhl neben mir weg, sodass sie sich setzen konnte. "Oh, dankeschön." "Nichts zu danken." "Sag mal, warum bist du erst jetzt hier an der Schule, oder hat man dich einfach nie gesehen?" "Hab gewechselt. Es gab Probleme an der alten Schule." "Und du spielst also Fußball." "Ja, es gibt nichts besseres." "Ich weiß, bist nicht der einzige der spielt." "Du spielst auch?" "Ja, ich bin sogar gut, auch wenn wir momentan Pause haben.." "Das muss ich mal sehen." Und das war so, ich wusste nicht, dass sie spielte. Das machte sie nur noch begehrenswerter. "Dann kommst du zu einem meiner Spiele, sobald es soweit ist." "Und danach?" "Entschuldige?" "Danach, ich muss dir ja sagen, wie ich dich fand." "Fragst du mich nach einem Date?" "Hab ich das?" Ich zog meine Augenbrauen hoch, und tat so als sei ich verwundert. "Es wird aber noch lange dauern, bis es soweit ist." Jamie grinste. Hatte sie mich bisher wirklich nicht erkannt?
Den Rest der Woche hatte ich keine Zeit an Jamie zu denken, das Turnier stand an, und somit folgte ein Training nach dem anderen. Und schon war Freitag und das Turnier fand statt. Es war kein kleines Turnier, viele Mannschaften rund um Jacksonville kamen hier hin. Insgesammt zwölf Mannschaften. Zunächst waren wir in drei Gruppen mit jeweils vier Teams eingeteilt. Davon kamen die beiden Teams weiter, die aus den drei Spielen die meisten Punkte hatten. Die erste Runde überstanden wir ohne Verluste, wir hatten weder einen Punkt verloren, noch ein Tor kassiert. Geschossen hatten wir sieben, vier davon waren meinem Konto zuzuschreiben. Die sechs Teams, die die Gruppenphase überstanden hatten, mussten gegeneinander antreten, das Losverfahren entschied den Gegner. Die drei Siegerteams, zu denen wir gehörten, spielten alle gegeneinander. Das Team, mit den wenigsten Punkten schied aus. Die anderen beiden Teams traten erneut gegeneinander an. Auch das Finale konnten wir für uns entscheiden. Nach den Spielen bekamen Cole, ich, Noel, Aaron und Ethan jeweils Karten von Scouts, die wir uns anschauen durften. Wir hatten als Team überzeugt, und damit wir das gebürtig feiern konnten, lud ich alle zu mir. Das Team, deren Freunde und wiederum kamen die Freunde derer.
"Haben deine Eltern nichts dagegen?" "Ich wohne mit meinem Bruder hier. Meine Eltern leben in Italien." Noel war verwirrt. "Wie alt ist denn dein Bruder?" "26." "Glückspilz." "Naja, gut kochen kann er nicht." Bereits nach einer Woche, verstanden Noel und ich uns blendend. Wir waren gute Freunde geworden, und, dass ich was von seiner Schwester wollte, schien ihn nicht zu stören. Immerhin hat er es behauptet, als ich ihn gefragt hatte. "Kommt Jamie noch?" "Ich glaub sie ist schon hier, Jake. Du? Ich geh mal zu Aaron und Raven, die beiden scheinen Streit zu haben, sonst eskaliert hier gleich was." "Dann mach das mal lieber." "Du fragst also schon nach mir?" Jamie stand hinter mir. Sie war wunderschön. Sie trug ein weißes Kleid, das bis zu ihren Knien ging. "Du siehst großartig aus, Jamie." "Danke, du hast großartig gespielt. Hätte ich nicht gedacht." "Jetzt fehlt nur, dass ich weiß, wie du spielst." "Dafür hab ich was mitgebracht." Sie holte eine Videokassette aus ihrer Handtasche. "Hast du einen Videoplayer?" "Ja, in meinem Zimmer. Das ist oben.. willst du die mir jetzt wirklich zeigen?" "Ja, sogar gerne." Also gingen wir in mein Zimmer, nur um ein blondes Mädchen, und einen brünetten Jungen in meinem Bett zu erwischen. Ich sagte nichts, immerhin kannte ich nur deren Gesichter, nicht deren Namen. "Tut uns leid." Mit roten Gesichtern verließen die beiden mein Zimmer. "Wer waren die denn?" "Das waren Amy und Alex. Aarons Schwester und Spikes Bruder. Die beiden sind wieder seit kurzem zusammen, und.. du weißt." "Aaron kenn ich ja, aber wer ist Spike?" "Der Bruder von Raven, Aarons Freundin?" "In einer Woche kann ich nicht so viele Gesichter und Namen zuordnen. Aber egal, zeig mir dein Video." Und dann saßen wir da, auf meinem Bett und sahen uns ein Video an, auf dem Jamie verschiedene Tricks vorführte. "Du bist echt gut, Jamie." Bevor ich noch weiteres sagen konnte, schaute mich Jamie ernst an. "Das war in dem Jahr, wo wir uns kennengelernt hatten." Moment, sie wusste.. sie hat mich erkannt? "Warum hast du nicht gesagt, dass wir uns bereits kennen?" Jamie war immernoch ernst. "Vielleicht habe ich dich nicht direkt erkannt, und dann.." "Keine Lügen. Ich will die Wahrheit." "Die ist doch klar." "Ist sie nicht." "Ich habe mich dafür geschämt wie ich damals aussah, ich wollte nicht.." "Was wolltest du nicht?" "Dass du es wieder aus Mitleid tust." "Ich habe es nicht aus Mitleid getan, Jake. Es gab an dir nichts zu bemitleiden." "Ich wog fast 110 Klio, Jamie, ich hatte schulterlange Haare, ich sag furchtbar aus." "Aber du warst es nicht. Du warst der einzige, der nett war, der nicht nur ins Lager gekommen war um das erste Mal Sex zu haben. Du warst ehrlich." "Ich frage mich immer noch, wie du mich auch nur anfassen konntest." Jamie kam näher zu mir, und nahm mich in den Arm. "Red nicht so über dich. Du warst und bist ein toller Mensch. Und ich glaube nicht, dass es dir je jemand gesagt hat, dehalb tue ich das." Sie war kein Mensch, der lügte, deshalb konnte ich nicht anders, als ihr zu glauben. Sie hat mich damals tatsächlich gemocht. "Hast du dich deshalb nie gemeldet?" "Es tut mir wirklich leid, Jamie. Ich dachte einfach nie, dass du das wirklich wolltest." "Tat ich aber, ich hab gewartet, und nie kam dein Brief, und ich hatte deine Adresse nicht." "Tut mir leid." "Und ich hab dich direkt erkannt, Jake." "Woran?" "Deiner Narbe am Arm. Sie hat mir schon immer gefallen." Jamie stand auf, nahm ihr Video und kniete sich vor mich. "Weißt du noch, was ich dir damals erzählt hatte?" "Ja." "Es hat sich nichts geändert." Jamie war also noch Jungfrau, genau wie ich damals. Wir wollten es am letzten Abend tun, aber keiner von uns hatte sich getraut weiter zu gehen, wir haben uns nur geküsst, so wie die gesamte letzte Woche des Lagers zuvor auch. "Bei mir auch nicht, Jamie." "Gut, denn wir haben noch ein Versprechen einzulösen." Sie nahm den Schlüssel für meine Tür und spertte sie ab. Auch die Gardienen zog sie zu, und machte meine Schreibtischlampe an, und das große Licht zu. "Jamie, ich.. ich glaube nicht, dass du das willst." "Glaub mir, Jake. Ich hatte nach dir einen Freund, und da wollte ich es auch, es ist nur nicht passiert, weil er nicht wollte." Sie setze sich neben mich aufs Bett und legte ihre Hand auf meinen Oberschenkel. "Jemand hat dich abgewiesen?" "Ja. Wir haben halt nicht gepasst, nur hat er es vor mir gesehen." Genau wie du es wirst. Du wirst realisieren, dass du zu gut bist. Du willst das nicht.. Du.. Doch ich war schwach, ich konnte Jamie nichts abschlagen, und genaugenommen wollte ich das ja auch. Ich wollte sie. Und ich hatte mir gesagt: ich darf nicht wieder in dieses Loch fallen. Ich bin jetzt jemand anderes. Ich bin angekommen, ich bin endlich der Jake, der ich sein will. Und ich werde mir das holen, was ich will. Sie fing an meinen Nacken zu küssen, dann meinen Hals und schließlich meinen Mund. Langsam und vorsichtig brachte ich sie dann zum Liegen. Ich küsste sie nochmals sanft auf Wange, Mund, Hals ehe ich ihr ihr Oberteil auszog. "Wow." Man sah ihr den Sport an, den sie betrieb. Ihr Körper war perfekt. "Hör auf!" Dann zog sie mein Oberteil aus. "Dazu sagt man wow." Wir lachten beide, unerwarteterweise war alles genau wie damals, nur, dass es diesmal locker war. Es war, als ob wir uns sehr gut kannten, uns nie verloren hatten. Im Laufe der Nacht hatten wir es getan, und danach war es komisch. Einerseits war es schön gewesen, aber andererseits kam es mir vor, als hätten wir es überstürzt. Und ich wusste auch nicht so ganz, was das genau zu bedeuten hatte. Waren wir nun zusammen? Aber fürs erste wollte ich mich nur freuen.
Ich hatte auf diesen Moment gewartet. Ich wollte immer jemanden finden wie Jamie, weil ich mich bei ihr sicher gefühlt habe,denn trotz meiner Selbstzweifel gab sie mir das Gefühl, dass man mich lieben konnte.
Entgegen meiner Erwartung hatte es mit Raven doch noch geklappt. Sie und ich waren zusammen. Ein Paar. Aber vorgestellt hatte ich mir das Ganze dann doch anders. Was, wenn Raven doch Recht hatte? Wenn sie, es zwar wollte, aber nicht konnte?
"Wie läuft es mit Raven?" Meine Schwester schaute mich erwartungsvoll an. Sie war immer neugierig, und ich hatte nie ein Problem damit, weil ich nie Geheimnisse hatte vor ihr. Jetzt hatte ich eins. Ich hatte Raven dabei erwischt, wie sie mit einem anderen Kerl schlief. Und ich habe ihr verzeiht. Aber war das etwas, dass man seiner Schwester erzählte? Seinem besten Freund? Überhaupt jemandem? Vielleicht sollte ich sie das entscheiden lassen. "Willst du das wirklich wissen?" "Wenn es da was gibt, solltest du es jemandem sagen, und warum sollte nicht ich dieser jemand sein?" Sie hatte Recht. Aber es war der falsche Zeitpunkt. Ich entschloss mit dazu, zu warten. Heute Abend würde ich es ihr sagen, nicht jetzt. "Gut. Wir klären das heute Abend, es ist eine längere Geschichte." "Wehe du kneifst!"
Auf dem Weg zur Schule, drehte ich das Spiel um. "Wie läuft es mit Alex?" "Gut. Es ist anders als beim ersten Mal. Wir sind anders zueinander. Nicht so vorsichtig. Wir sagen direkt, wenn uns was stört, wir wollen, dass es diesmal klappt. Und nicht, weil wir die Probleme ignorieren, sondern sie angehen. Weißt du, das ist wichtig. Beim ersten Mal war alles aus Gewohnheit. Wir blieben zusammen, weil es keinen Grund gab es nicht zu sein; genauso wenig, wie es einen gab um es zu sein." War meine Schwester tatsächlich erfahrener als ich? Wusste sie mehr als ich? "Das freut mich. Ich hoffe, dass du diesmal nicht verletzt wirst." "Keine Sorge, nochmal werde ich das nicht, zumindest nicht, ohne auch ihn leiden zu lassen." Ihr letzer Satz war mit einem leichten ironischen Unterton geschmückt, und durch ein Zwinkern gekrönt. Sie liebte es nunmal solche Witze zu reißen.
In der Schule angekommen, traf sich das gesamte Fußballteam im Büro des Trainers. Einer nach dem anderen wurde ins Büro gebeten, um mit diversen Scouts über eventuelle Stipendien zu diskutieren. Während wir so warteten, beschloss ich mich an Cole zu wenden. "Cole?" Er nahm seine Kopfhörer ab und gab mir zu verstehen, dass er darauf wartete, dass ich ihm sagte, was ich wolle. "Können wir reden?" "Klar. Worüber?" "Was würdest du tun, wenn du Annie mit einem anderen erwischen würdest?" Erwartungsvoll schaute ich ihn an. Seine Stirn hatte Falten gebiltet, er dachte scharf nach. "Wenn ich in der Lage wäre rational zu denken, fragen warum sie es tat. Sonst gäbe es erst mal ne geborchene Nase für den Kerl." "Und was wäre ein guter Grund?" "Das ist die Frage. Gibt es überhaupt einen?" Und da hatte er die Frage ausgeprochen, die mir im Hals stecken geblieben war. Gab es überhaupt einen guten Grund? War ihrer einer? "Geht es hier um Raven?" Ich nickte. Und erneut bildeten sich Falten auf der Stirn Coles. "Weißt du, ich denke wir sollten heute ausführlich darüber reden." "Okay." Aus dem Hintergrund mischte sich eine Stimme in unser Gespräch ein: "Aaron Johnson?" "Ja?" "Kommen Sie rein, Sie sind jetzt an der Reihe."
"Sie sind also Aaron Johnson." "Ja, Sir." Der Mann gegenüber von mir lachte. "Nenn mich einfach Kyle." "Sind Sie sich sicher?" "Also, sag mir, seit wann spielst du Fußball, Aaron. Ich darf dich doch ruhig dutzen, oder?" "Ja, ja. Seit ich acht war. Da bekam ich mein erstes Trikot." "Du spielst außerordentlich gut, auch, wenn du ruhig auch mehr defensiv spielen könntest." "Manche Verluste muss man eingehen." "Du weißt, warum du hier bist?" "Es geht um Stipendien." "Nicht nur. Wir haben auch freie Plätze in Trainingsanstallten, eine begrenzte Anzahl. Aber wir haben uns dazu entschieden dich einzuladen." "Trainingsanstallten?" "Ja. Allerdings sind nur noch Plätze in Europa frei. Du müsstest für ein halbes Jahr dort hin ziehen." "Europa?" "Für Unterkunft, Verpflegung und alles weitere würden wir uns kümmern. Wir bräuchten nur dein Einverständnis, und natürlich das deiner Erziehungsberechtigen. Das Angebot steht." Er überreichte mir einen Stapel Unterlagen, und führte mich aus dem raus. "Lass dir das gut durch den Kopf gehen, Aaron."
"Unglaublich, dass du eingeladen wurdest. Keiner von uns wurde eingeladen, auch wenn uns mehr oder weniger ein späterer Platz sicher ist." "Ich weiß nicht, ob ich hin kann." "Natürlich kannst du!", Cole klang euphorisch. "Aber.. was ist mit Raven?" "Weißt du noch, von was du mir eben erzählt hast? Ist das nicht Zeichen genug, was du tun musst?" "Aber.." "Aaron, weißt du was für eine Chance das ist? Ich würde alles tun, um mit dir zu tauschen." "Und was wäre dann mit Annie?" "Die könnte sechs Monate warten. Sie hat schonmal gewartet. Mehr oder weniger." Cole lächelte, und gab mir zu verstehen, dass das mit Raven und mir nicht normal war. Es war keine übliche Beziehung. Und das war mir von vornerein klar, aber ich wollte es nicht unversucht lassen. "Danke, Cole." "Ich lass doch nicht zu, dass du dir deinen Traum verbaust. Sprich mit deinen Eltern, dir werden sich freuen, und wer weiß, vielleicht tut das auch Raven, und es klappt auch so. Mann kann nie wissen, wie jemand reagieren wird."
"Hast du vielleicht was vergessen?" Zuhause angekommen, schaute mich meine Schwester mit verschrenkten Armen erwartungsvoll an. "Wir haben doch noch Zeit. Aber ich muss vorher mit Mum und Dad über etwas reden, ok?" Amy nickte und ging in mein Zimmer, um dort auf mich zu warten. Ich stattdessen, ging zu meinen Eltern in die Küche, und zeigte ihnen die Unterlagen. "Wow, Europa.. Ich bin stolz auf dich, Sohn." Mein Vater packte mich am Nacken und schüttelte mich voller Stolz. "Wir wussten schon immer, dass du es schaffen wirst, wenn du dran bleibst.", fügte meine Mutter hinzu. Also stand nichts im Weg außer Raven. Ich ging nach oben, um mit Amy zu sprechen. "Also??", sprang sie mir entgegen, voller Neugier. "Sie hat mich betrogen." Die Freude und Neugier verschwand aus Amys Gesicht. "Wie bitte?" Wütend setzte sie sich aufs Bett und schaute mich verwirrt an. "Ich weiß nicht, warum ich es nicht direkt beendet habe." "Was hat sie dir denn gesagt?" "Das es einmalig ist. Sie wusste selbst nicht was sie da tat." "Wirklich, Aaron? Bist du so naiv?" Ich zuckte mit den Schultern und setze mich auf meinen Stuhl, und drehte mich auf diesem von links nach rechts und von rechts nach links. "Erzähl mir genau, was du da gesehen hast. Und wie und.." "Schon gut. Wir waren verabredet, ich war etwas früh dran, aber Spike ließ mich rein und ich ging in ihr Zimmer. Dort lag sie in ihrem Bett und man konnte das Wasser aus ihrem Bad hören. Ich fragte was los sei, und sie sagte nur, dass es nicht so sei wie es aussah. Anscheinend fand ihr Typ es aber lustig, ihr das zu versauen. Er sagte nämlich, dass man die Situation nur so verstehen könne, wie sie auch ist. Dann schickte sie ihn raus, zog sich was an und umarmte mich ganz fest. Sie erzählte mir irgendwas davon, dass der Typ aufdringlich war, und sie keinen anderen Ausweg sah. Ich weiß, klingt total lächerlich. Aber hätte ich mich von ihr getrennt.. würde sie das nicht total aus der Bahn werfen?" "Aaron, du kannst doch nicht so viel Rücksicht auf sie nehmen und dabei vergessen, wie es dir damit geht?" "Ich kann aber nicht so sein." "Vielleicht solltest du das, manchmal muss man auch anders handeln, als man es will. Und du wirst sie anrufen, und ihr sagen, was du davon denkst. Und wenn sie nicht die beste Entschuldigung der Welt raushaut, weißt du, was du tun musst!"
Ich nahm also meine Autoschlüssel und fuhr zu den Sanchez'. Alex öffnete mir die Tür, und ließ mich zu Raven ins Zimmer. Er klopfte an ihre Tür, und sagte, dass ich da sei. Doch anstatt die Tür zu öffnen kam ein "Warte!!!" aus ihrem Zimmer. Alex guckte mich erstaunt an. "Raven!? Ich mach jetzt die Tür auf." Und das tat Alex auch. Er öffnete die Tür einen Spalt, ehe Raven ihren Fuß so plazierte, dass sie nicht weiter aufing. "Ich sagte, ihr sollt warten." Alex Gesichtsaudruck versteifte. Raven schloss die Tür, bevor ich sehen konnte, was Alex gesehen hat. "Komm mit nach unten, Aaron." "Nein. Was ist da drin?" Ich schubste Alex zur Seite und öffnete die Tür. Diesmal hatte Raven keine Chance mich davon abzuhalten zu sehen, was sie zu verstecken versuchte. "Das ist nicht dein Ernst, oder?" Es war genau der Kerl, den ich auch vor drei Wochen in ihrem Zimmer gesehen hatte. Ich lief auf den Kerl zu und schlug ihm einmal kräftig ins Gesicht. Dann schubste ich ihn gegen die Wand und als ich gerade auf ihn los wollte, kam Alex rein und hielt mich fest. "Aaron, nicht. Du hast das nicht nötig." "Lass mich, los." Ich lief die Treppe runter und verließ das Haus, als mir Spike entgegen kam. Er sah mir meine Wut an. "Aaron? Was ist los?" "Lass mich vorbei." "Nein, du wirst nirgendswo so hingehen." Alex war mir gefolgt. "Alex? Was ist passiert?" "Unsere Schwester ist passiert." Alex war wütend, er hatte wohl genau wie ich mehr erwartet. Spike rannte die Treppe hoch, und man hörte nur noch, wie er Raven anschrie. Nach zwei Minuten kam der Typ, mit dem Raven was gehabt hatte, deutlich angeschlagen aus dem Haus, setze sich auf sein Motorrad und fuhr los. "Hätte ich das gewusst, ich hätte dich nicht hochgelassen." "Schon ok, es ist ja nicht dein Fehler." "Weißt du, ich hatte da meine Befürchtungen. Ich denke Spike hatte sie auch, auch, wenn er es nicht wahrhaben wollte. Er hat ihr Mut zugesprochen sich auf dich einzulassen. Ich glaube sie hat ihm damit genauso viel Schmerz bereitet wie dir. Er hatte nie wahrhaben wollen, dass sie ein Problem haben könnte. Weißt du, was ernsteres." "Meinst du eine Krankheit?" "Vielleicht auch eine Sucht." Nun kam auch Raven runter, allerdings war sie nicht am weinen, sondern war sauer: "Du bist so ein Arschloch, Aaron. Warum hast du das von mir verlangt?" Wie bitte? Hatte sie mich gerade einen Arschloch genannt? "Ist das dein Ernst, Raven?" "Als ob du nicht gewusst hättest, dass ich nunmal so bin. Du hast mich hierzu getrieben. Ich.. meine Brüder hassen mich jetzt, wegen dir." "Raven, lass das. Aaron ist an nichts schuld, und wir hassen dich nicht." "Halt du dich daraus, Alex. Du hast mich schon immer gehasst. Ihr alle habt das." Sie ging ins Haus und knallte die Tür hinter sich zu. "Unglaublich. Es tut mir echt leid, Aaron. Ich glaube das bestätigt nur das, vor dem wir alle Angst hatten." "Das macht die Situation nicht besser." "Ich weiß."
Zuhause angekommen erzählte ich Amy davon. Ich wusste nicht, was ich denken, fühlen oder tun sollte. Mit einem Schlag hatten sich alle meine positiven Gefühle für Raven in Hass verwandelt, aber genau das machte mir zu schaffen. Denn sie war labil, ich hätte wirlich sehen müssen, dass sie nicht in der Lage war eine Beziehung zu führen. "Aaron, ich sage es dir noch mal." "Nein, Amy. Es ist nicht so, dass sie das alles wollte. Sie ist krank." "Das wissen wir doch gar nicht." "Du hättest sie sehen müssen. Dafür kann es keine andere Erklärung geben." Und tatsächlich, innerhalb der nächsten halben Stunde rief mich Alex an, und erzählte mir, dass Raven einen Nervenzusammenbruch hatte, und im Krankenhaus lag. Sie würde eine Therapie benötigen um das Erlebte zu kompensieren. Und er riet mir zu dem Traininglager, es würde Raven helfen, wenn ich so weit es geht von ihr Abstand nehmen würde. Und das wollte ich auch. Also rief ich Kyle an, und sagte zu. In drei Tagen würde es los gehen.
"Du passt auf dich auf, ja?" Meine Mum nahm mich feste in die Arme. Und auch meine Schwester schloss sich der Umarmung an. Nur mein Vater schaute mich voller Stolz an und sagte nichts, außer zwei Sätze: "Ich bin stolz. Pass auf dich auf, mein Junge." Bevor ich eincheckte, und auf meinen Flieger nach Rom wartete, gab mir Amy einen Brief. "Alex hat drauf bestanden. Du sollst ihn aber im Flugzeug lesen." Dann gab sie mir einen Kuss auf die Wange und unterdrückte genau wie ich die Tränen. Und ich wartete bis ich im Flieger saß, ehe ich den Brief öffnete:
Lieber Aaron,
es tut mir Leid, wie ich mit dir umgegangen bin. Ich habe mich dir gegenüber falsch verhalten. Es war nie meine Absicht dich zu verletzen und dir solche Dinge an den Kopf zu werfen. Dazu hab ich kein Recht, du hast nur deinen Gefühlen Gehör geschenkt. Ich weiß das, und das tat ich auch immer. Du sollst wissen, es ist nicht so, dass ich nichts für dich gefühlt habe. Sonst hätte das Ganze nicht so schlimm geendigt.. im Gegenteil ich habe für dich mit jeder Faser meines Körpers Liebe empfunden. Ich hab noch nie so viel für jemanden empfunden. Nie. Aber diese Gefühle waren zu viel, sie - nicht du, stellten mich unter gewaltigen Druck. Ich wollte dir gerecht werden, wollte dich einfach. Warum sollte ich nicht versuchen glücklich zu werden, so wie alle anderen? Hatte ich es nicht verdient? Und du schienst mir eine sichere Lösung. Doch da gab es einen Fehler, den ich begang. Ich sein. Es tut mir wirklich leid, dass zu sagen, aber die Sache mit Jay - das ist der Typ, mit dem ich dich betrogen habe, lief schon vor dir und mir, es war rein körperlich.. aber ich konnte es einfach nicht - ich konnte mich nicht von ihm trennen. Er tröstete mich in den Momenten, in denen ich mich als schlechte Freundin sah. Auch für kleine Dinge fühlte ich mich schrecklich. Wenn ich dir nicht schrieb, oder deine Nachrichten zu spät sah. Ich weiß, wie dumm das klingt. Aber man hat mir gesagt, dass es für Leute wie mich normal sei, mich so hinwegzutrösten. Das heißt nicht, dass ich dich nicht geliebt und geachtet habe. Das habe ich, und tue ich bis heute. Ich kann verstehen, wenn du mich nichtieinmal mehr leiden kannst, aber ich musste dir das schreiben. Nicht nur, weil meine Therapeutin mir das aufgetragen hat, sondern weil ich will, dass du die Wahrheit kennst. Meine Wahrheit. Laut ihr (meiner Therapeutin) solltest du eigentlich nie diesen Brief kriegen, aber du verdienst ihn. Denn ich konnte mich nur schlecht fühlen, weil du perfekt warst. Verstehe das nicht falsch, ein Teil in mir macht dir Vorwürfe - aber dieser denkt irrational. Ich, die Raven die ich sein will, mache dir in keinster Weise welche. Es wäre schön, wenn wir wieder zueinander finden, wenn es mir besser geht. Aber das liegt an dir. Ich wünsche dir eine schöne Zeit in Europa. Denk nicht an mich, ich darf ja auch nicht an dich denken ab heute (zumindest nicht zu viel). Fair ist fair.
Raven
Ich war ihr dankbar für den Brief. Er nahm mir meine Schuld, und meinen Hass. Aber es kehrten keine Gefühle zurück. Und das würde in Rom so bleiben, denn da müssten ich mich auf meine Zukunft und meinen Traum konzentrieren. Ich hatte nur diese eine Chance. Und die wollte ich nutzen. Für Raven war momentan kein Platz. Für keine Frau war welcher da.
Ein Sanchez zu sein ist nicht immer ganz einfach. Es ist schwer. Sehr sogar. Man hat gewisse Normen an die man sich halten muss, wenn es nach meinem Vater geht.. und bisher denkt er auch, dass wir alle genau das tun. Doch seitdem das mit Raven passiert ist, ist er sehr vorsichtig geworden. Weder Amy noch Loreen durften über Nacht bleiben, und wir auch nicht zu denen. Mein Vater hatte neue Saiten aufgezogen.
"Unglaublich. Als ob wir Kinder wären." Spike guckte mich belustigt an. "Was ist?" "Naja, genaugenommen sind wir genau das: Kinder." "Als ob du es okay findest, was Dad gerade abzieht. Der ist eh nie zu Hause, warum tut er aufeinmal so, als ob er sich kümmern würde?" "Vielleicht, weil man wegen der Sache mit Raven auf ihn blickt. Was weiß ich, auf jeden solltest du dich daran halten. Fürs erste. Sonst wird alles nur schlimmer." Er klopfte mir auf die Schulter und lief aus dem Haus um mit seinem Motorraf zur Schule zu fahren. Bevor ich auch aus dem Haus konnte, rufte meine Mutter nach mir. "Was ist, Mum? Ich muss jetzt eigentlich los!" "Ich muss heute Überstunden machen, kannst du bitte nach der Schule zu Raven in die Klinik?" "Klar. Sag mal, Mum?" "Was ist, Schatz?" "Wann kommt sie denn wieder raus?" "Im Laufe der Woche, aber sie muss die Therapie fortsetzen." "Okay." "Danke, Schatz. Dann bis heute Abend."
"Unglaublich, was deine Schwester abgezogen hat." "Amy!" "Jetzt komm nicht mit von wegen, sie sei krank. Ich find es einfach total gemein. Im Gegensatz zu dir, weiß ich ja wie sich das anfühlt." "Amy.. bitte." "Nein, Alex. Es ist total unfair wie sie davon kommt. Wie alle damit davon kommen, nur weil sie ja so krank sein. Erst Annie, jetzt deine Schwester. Die beiden haben einfach keine Ahnung von Anstatt." Amy war sauer, aber ich wollte nicht, dass jemand so über Raven sprach. Ich war zunächst ja auch sauer, aber jetzt wusste ich mehr. "Also ganz ehrlich Alex, ich würde dir nicht verzeihen." Weil ich keinen Streit anfangen wollte, versuchte ich vom Thema wegzulenken: "Ich würde sowas auch nie antun. Sag mal, heute Abend könntest du doch vorbei kommen." Ich nahm sie von hinten in den Arm und küsste ihren Hals. "Mhmm." "Komm schon!" "Was ist mit deinem Vater?" "Ach der, der ist erstens nicht da, und es muss ja keiner wissen, dass du da bist." "Uhh, jetzt wird es spannend. Dann komme ich natürlich." Mit meinen Fingern nahm ich ihre Haare aus dem Gesicht und schaute sie an. "Sehr gut." Dann gab ich ihr einen langen sehnsüchtigen Kuss und ließ sie spüren, wie sehr ich mich auf heute freute.
"Alex?" Jemand hatte mir auf die Schultern getippt. Ich drehte mich um und sah niemand anderes als Faye. Da ich nicht wusste was ich sagen sollte, sagte ich nichts und schaute sie mit verschrenkten Armen erwartungsvoll an. "Alles okay?" Sie schüttelte ihren Kopf, dabei fing sie an zu weinen und wollte sich gerade umdrehen, da nahm ich sie in den Arm. "Hey, shhh. Nicht weinen." "Ich hab alles versaut." Ich wollte ihr sagen, dass es nicht so war, aber sie war gekommen und hatte alles durcheinander gebracht, so war es nunmal. "Können wir reden?" "Eigentlich habe ich jetzt Unterricht." "Bitte." Ich schaute mich um, ich wusste nicht, ob ich das konnte. Ob Amy damit einverstanden war, ich wollte sie ja auch nicht so schnell wieder verlieren. "Weißt du, ich glaube nicht, dass Amy.." "Alex, ich brauche jetzt einen Freund." "Okay, okay. Was ist denn passiert?" "Alles ist den Bach runter, seit ich hier bin. Du, Amy und ich reden kaum noch, also ihr mit mir. Ihr fehlt mir aber. Ich brauche euch." "Faye.. du bist..." "Ich weiß, ich habe mich verändert, ich war nicht ich." "Nein, du hast jeden um dich herum verletzt. Mich, Noel, meinen Bruder, Amy.. jeden, der dir was hätte bedeuten müssen!", unerwarteter Weise füllte sich meine Stimme mit Wut. "Ich wusste halt nicht, was ich wollte. Oder, was ich sagen durfte. Oder würdest du Loreen sagen, wenn du wüsstest, dass Spike sie betrügt? Mir stand das nicht zu." "Du hättest deinem Bruder ruhig sagen können, wie falsch es ist, was er da macht." "Aber es ist doch sein Leben." "Faye, bitte. Du hättest ihm helfen müssen." "Mir hat doch auch keiner geholfen! Ich wusste gar nicht für wen ich was fühlen sollte." "Gibt dir nicht das Recht, es mal mit jedem auszuprobieren." Irgendwie hatte ich verdrängt, dass auch ich einer derjenigen war, dem sie etwas vorgemacht hatte. "Es tut mir leid, Alex. Ich hätte dich an dem Abend nicht so angraben sollen." "Warum hast du es dann?" "Ich, ich war verletzt." "Und deshalb musstest du mich auch verletzen?" "Ich hatte nicht gewusst, was du für mich fühlst. Wirklich nicht, ich habe es dir nicht geglaubt. Ich dachte ehrlich gesagt, dass du.." "Dass ich was?" Ich war volkommen verwirrt. "Ich hatte gedacht, dass du einfach dein erstes Mal haben wolltest." "Du hättest mit mir geschlafen?" "Ja." Ihr Blick wanderte zum Boden hin und ihr Gesicht erfüllte sich mit Röte. "Es klingt doof, ich weiß. Aber ich dachte, du wolltest es einfach mal getan haben, und da es mit Amy nicht geklappt hatte, hättest du dir eingeredet, du liebst mich." "Genaugenommen hat es mir Raven eingeredet." Ich lachte, und auch Faye lächelte mich ungläubig an. "Ich will nur, dass du weißt, dass es mir leid tut. Ich hätte wissen müssen, was los ist. Ich hätte mich anders verhalten müssen. Schon alleine, weil du mein bester Freund bist. Und immer bleiben wirst." Ich nahm Faye in den Arm. "Wir reden heute mit Amy." "Danke für meine zweite Chance!" "Ich würde sie ja auch haben wollen."
Nach der Schule wartete ich im Auto mit Faye auf Amy. Anders als erwartet setze sich Amy still ins Auto und fragte mit ruhiger Stimme: "Du weißt, warum ich das getan hab?" "Ja, ich hab mich total scheiße benommen. Ich weiß auch nicht, was da in mich gefahren ist. Wirklich nicht. Ich war total egoistisch, eine riesen Schlampe und das schlimmste: eine miese Freundin." "Du warst es ja nicht immer, deswegen wollte ich ja, dass du wieder meine Faye wirst. Die liebe, kleine Faye, die nur für einen Mann was empfindet und du weißt, nicht mit jedem in die Kiste steigt." "Ja, darüber will ich nicht reden. Ich hatte nämlich bis dahin nicht realisiert, was ich da fabriziert hatte." "Ich verzeihe dir, aber sei bitte nie wieder so! Ich brauche dich doch, und nicht diesen Annie Abklatsch." "Deswegen tut es mir auch leid, ich hätte Cole was sagen müssen." "Es ist okay, immerhin hat mich das wieder zu Alex geführt. Und er macht mich glücklich." Ich fand schön, zu hören, dass zumindest zwischen uns drein alles wieder okay war. Also fuhr ich die beiden nach Hause.
"Hey, Loreen!" "Na, Alex? Alles fit?" "Du weißt schon, dass du nur Unterwäsche anhast?" "Wenn man hier nachts nicht so rumlaufen kann, dann eben tagsüber." Ich mochte Loreen, sie war keck. Und sie hatte es geschafft meinen Bruder glücklich zu machen. So glücklich, dass er und ich endlich wie Brüder miteinander umgingen. "Loreen? Du kannst doch nicht vor Alex so rumlaufen." "Du hast doch auch nur ne Boxershirts an!" Natürlich meinte mein Bruder das nicht ernst, sondern als Witz. Die zweite gute Eigenschaft, die Loreen bei ihm ausgelöst hatte. "Ich zieh mich dann jetzt an, und lass euch beide allein." Bevor sie dann endgültig ging gab sie meinem Bruder einen Kuss und zwinkerte mir zu. "Und, wie war dein Tag, Bruder?" Ich wusste nicht, ob Faye das richtige Thema war, aber ich wollte es irgendwie herausfinden. "Amy und ich haben uns mit Faye vertragen." "Wirklich?" Sein Blick wanderte nervös durch den Raum. Der Name schien noch immer was bei ihm auszulösen, ob er es wahrhaben wollte, war eine andere Frage. "Ja, sie hat sich entschuldigt. Sachen eingesehen." "Ich kann es nicht." "Was genau?" "Ihr verzeihen." "Du, ich meine, ihr habt Stress?" "Nein, aber, ich meine, ich werde nie ganz über sie hinweg kommen, ich weiß das, und dafür kann ich ihr nicht verzeihen." "Ich versteh gar nichts." "Alles hatte gepasst, weißt du. Ich liebte sie, sie mich. Aber das reichte ihr nicht, sie hatte sich für Noel entschieden, und immer wieder machte sie mir falsche Hoffnungen, damit kam ich lange Zeit nicht klar. Loreen war der erste Lichtblick. Sie hat mir direkt die Chancen gegeben, die ich verdient habe. Sie hat nicht so Spielchen gespielt, sie.. Auf jeden Fall ist da eine gewisse Abneigung gegenüber Faye, die immer weiter anwächst, und ich kann da nichts gegen ändern." "Viel zu kompliziert." "Das ist mein Problem, ich verstehe dieses Mädchen nicht, und deshalb hab ich Angst, was sie bei mir auslösen könnte. Ich bin glücklich mit Loreen, das soll nicht kaputt gehen!" "Das wird es nicht."
Als ich Nachts in meinem Bett lag, simste mir Amy, dass sie draussen im Garten wartete und ob ich ihr nicht die Tür öffnen könnte. Also ging ich runter. In dem Moment, als ich die Tür zum Garten öffnen wollte, öffnete sich die Haustür und ich hörte nur wie meine Eltern streitend ins Zimmer kamen. Ich betete, dass sie mich nicht gesehen hatten, aber wie blind hätten sie gewesen sein müssen. Mein Vater kam näher auf mich zu, und sah Amy im Garten. "Guten Abend, Amy. Ich würde dich gerne bitten, dass du jetzt gehst!" "Tut mir leid, Mr. Sanchez, das werde ich umgehen tun." Und schon war sie auch aus dem Garten verschwunden. "Dad, das war total peinlich! Und unnötig." "Unnötig? Erinnerst du dich, um was dich deine Mutter gebeten hatte, Sohn?" "Verdammt." Mein Vater verpasste mir eine. In meiner Not schaute ich zu meiner Mutter, nur um zu sehen, dass sie verstört am Küchentisch saß und sich die Augen ausheulte. War es so schlimm, dass ich Raven nicht besucht hatte? "Was ist mit Mama?" "Was mit Mama ist?" Mein Vater wurde fuchsteufelswild. "Deine Mutter hat dich nicht umsonst gebeten, nach Raven zu sehen. Sie ist labil, du weißt das doch." "So schlimm kann es doch.." "Wie bitte?" Die Stimme meines Vaters wurde immer lauter: "Sie denkt wir würden sie nicht lieben, glaubst du da sei es die beste Möglichkeit sie nicht zu besuchen?" "Ist Raven was passiert?" Die Wut meines Vaters schlug in Trauer um. "Sie hat versucht sich umzubringen." Mein Herz blieb stehen. Mein Atemweg war blockiert, keine Luft kam rein, keine raus. "Ist sie..?" "Nein, sie liegt auf der Intensivstation, sie haben ihr den Magen ausgepumpt. Sie hatte sich Zugang zum Arzneischrank gesichert.. und eine Überdosis genommen." "Es tut mir leid, ich.. mein Tag war heute sehr anstrengend, ich habe es vergessen." "Du bist ein Sanchez. Da hat man Pflichten, die führt man aus! Siehst du nicht, was sonst passiert? Jetzt hol bitte deinen Bruder, wir fahren zum Krankenhaus. Deine Schwester braucht uns jetzt. Alle."
Im Krankenhaus blieben wir die ganze Nacht. Meine Eltern erzählten Raven Geschichten von früher, Geschichten in denen wir noch gar keine Probleme hatten. In denen wir alle naiv waren, und nur Glück empfanden. Es war eine Geschichte, in der wir gar nicht wie die Sanchez wirkten, sondern wie glückliche Familien aus dem Fernsehen. Und so war es, früher waren wir eine Vorzeigefamilie. Doch mit den Jahren.. Es tut mir leid, Raven. Ich war schon lange kein guter Bruder mehr. Viel zu lange.
Jill
Ethan war echt ein guter Mensch, anders, als ich es erwartet hätte. Natürlich, ich habe ihn nicht unter den besten Bedinungen kennengelernt. Aber man muss manchen Menschen eine Chance geben, nicht jeder kann auf den ersten Eindruck hin überzeugen.. manchmal muss man es eben ein zweites, oder sogar drittes Mal versuchen. "Jill?" Ethan riss mich aus meinen Gedanken. "Was hälst du von meiner Idee?" "Welcher Idee?" "Surfen zu gehen." "Aber es ist schon spät!" "Da ist ja der Witz bei, komm!" Also fuhren wir los, an den Strand. Bis auf uns war keiner dort. "Du siehst so gut aus in deinem Anzug!" Ich guckte Ethan verwundert an. "Lügner. Niemand sieht in den Dingern gut aus." "Du schon." Ich ging auf ihn zu und gab ihm einen Eskimokuss. "Was war das denn?" "Mehr ist nicht drin für dein Geschwafel." "Was muss ich denn für mehr tun?" "Surfen!!!" Ich rannte mit meinem Board in der Hand los, und verschwand in der ersten Welle. Ethan folgte mir. Nach ein paar Wellen, legte ich mich aufs Brett und ließ mich treiben. "Danke, Ethan." "Für was?" "Es hat lang gedauert, nach dem Tod meiner Eltern wieder glücklich zu sein. Es ist nicht einfach gewesen, ich hab mich immer wieder schuldig gefühlt, wenn ich gelächelt habe." "Aber warum dankst du mir?" "Weil du derjenige warst, der mich vollkommen aus der Misere gezogen hat." "Ich weiß ja wie es dir geht, aber ich weiß auch, dass es keine Schande ist, weiterzuleben. Du darfst sie nur nie vergessen, und das würdest du sowieso nicht." "Weißt du, du bist viel intelligenter und wortgewandter als du aussiehst." "Wie darf ich das denn verstehen?" Ethan schubste mich vom Brett und spritze mich nass. "Und du bist viel netter als du aussiehst." "Erklärung bitte!" "Die hübschen Mädchen sind meist die gemeinsten." "Hast du etwa Erfahrungen gemacht?" Die Atmosphäre war locker, und wir redeten belustigt weiter. "Oh ja, vor dir gab es zahllose Abfuhren." "Und ich war die erste dumme, die dir incht den Laufpass gegeben hat, sehr intelligent von mir." "Oh ja." Ethan kam näher und legte seine Arme um meine Taille. "Ich liebe dich, Jill." "Ich liebe dich auch, Ethan." Dann folgte ein langer sinnlicher Kuss. "Lass uns gehen, es ist schon viel zu dunkel." "Da passt aber einer auf mich auf." "Als dein Freund, sollte ich das auch." Zuhause angekommen fanden wir eine böse Überraschung vor. Miranda saß in unserem Esszimmer. Und sie war schwanger. In dem Moment in dem Ethan sie so sah, rannte er wutentbrannt auf sie zu, und machte ihr einen Vorwurf nach dem anderen. "Ethan, beruhige dich!" Ohne auch nur ein Wort zu sagen, lief er an mir vorbei. "Was wollen sie hier, Professor Faulkner?" "Ich muss mit Ethan sprechen, ihn um etwas bitten." Einerseits wollte ich ihr die Fresse polieren, aber andererseits tat sie mir leid. "Weiß ihr Bruder, dass sie hier sind?" "Noch nicht." "Wo wollen sie schlafen?" "Ich dachte Ethan würde.." "Ethan wird nicht, nein.", Ethan war wieder in den Raum gekommen und hatte sich ein wenig beruhigt. "Was willst du, Miranda?" "Ich hatte nicht abgetrieben, es war eine ganz normale Untersuchung." "Ich habe Augen im Kopf, aber was willst du? Du meintest selber, dass das nicht mein Kind ist!" "Das Problem ist, ich weiß nicht, wessen Kind es ist. Deshalb wollte ich dich um einen Vaterschaftstest bitten."
Ethan
Unglaublich. Miranda hatte tatsächlich die Dreistigkeit einfach so bei mir aufzukreuzen, nach dem sie das Kind nie abgetrieben hatte. "Ich werde keinen machen. Weil das nicht mein Kind ist." "Die Wahrscheinlichkeit liegt aber nahe." "Warum kommst du dann erst jetzt? Haben alle anderen abgelehnt, nicht gepasst, und jetzt kommst du zu mir, damit du von mir Geld kriegst?" "Willst du nicht wissen, ob es dein Kind ist." "Nein, weil ich es nicht will. Ich würde dieses Kind hassen." Miranda stand auf und lief zur Tür. "Du kannst nicht so einfach gehen, Miranda! Ich verlange eine Entschuldigung. Du hast mich angelogen." "Mir tut es nicht leid, ich seh ja, wie unreif du bist. Auf Wiedersehen!" Dann knallte sie die Tür zu und war verschwunden. "Ist alles okay, Ethan?" "Nein. Nichts ist okay." Ich hatte seit Monaten keinen einzigen Gedanken an Miranda verschwendet, keinen einzigen verdammten Gedanken. Und nun, tauchte sie hier einfach auf. Einfach so. Für einen Vaterschaftstest. Als ob das mein Kind ist. "Ich versteh dich, aber du solltest den Test machen. Du musst wissen, ob das dein Kind ist." "Du weißt schon, dass das eventuell auch das, deines Bruders ist, oder?" Ihr war der Gedanke nicht gekommen, denn ihr Gesicht erstarrte und sie brauchte ihre Zeit um zu antworten. "Selbst dann, man braucht Gewissheit. Also, bitte, sei nicht so sturr. Es ist nur ein Test, und wenn es nicht deins ist, braucht sie sich niewieder bei dir melden." "Und wenn doch?" "Das sehen wir dann, wir gehen jetzt natürlich von der besseren Möglichkeit aus."
Am nächsten Tag kreuzte ich bei Mr.Faulkner auf. "Guten Tag, Mr.Faulkner." "Guten Tag, Ethan. Was machst du an einem Sonntag bei mir?" "Ist ihre Schwester nicht bei ihnen?" "Natürlich, tut mir leid, ich hatte total vergessen, dass.." "Ja, gut. Sagen sie ihr nur, ich werde den Test machen, aber ich will das alles übers Telefon geregelt wird. Ich will sie nicht sehen. "Werde ich ausrichten."
Es vergingen zwei Wochen, bis ich Miranda dann doch persönlich treffen musste. Doch es war eventuell der letzte Termin, den ich jemals mit ihr vereinbaren musste, denn ich würde erfahren, ob das Kind von mir sei. "Also gut, öffne den Briefumschlag. Bringen wir es hinter uns." Miranda nahm den Briefumschlag und öffnete ihn. "Ließ du zuerst." Ich nahm ihn also, und laß die ersten Zeilen Eine Vaterschaft ist zu 100% ausgeschlossen. Gottseidank. Gottseidank!!! "Ich bin nicht der Vater." "Das kann nicht sein." Verwirrt nahm Miranda den Brief und las ihn unter Tränen. "Das kann nicht sein. Du musst der Vater sein." "Was ist das Problem? Ist doch gut so, oder willst du ein Kind mit einem Teenager?" Dann würde Miranda plötzlich wütend und schrie mich an: "Du warst der letzte! Rick war es nicht, Ben war es nicht und auch Paul nicht. Und nun du auch nicht, das kann nicht sein." "Sicher, dass keiner auf deiner goldenen Liste fehlt?" "Ganz lustig, Ethan, es geht um eine Kind. Es muss doch einen Vater haben." "Ja, es tut mir ja leid, aber das ist nicht mein Problem." Obwohl es mir einerseits weh tat sie so zu sehen, nahm ich meine Jacke und ließ sie wütend, verwirrt und hoffnungslos in dem Raum zurück. Ich wollte einfach nichts mit dieser Frau zu tun haben. Sie hatte mich nur ausgenutzt.
Jill
Während ich zu Hause auf Ethan wartete, bekam ich eine SMS von ihm: Ich bin nicht der Vater. Und darüber war nicht nur er, sondern auch ich froh. Es war nie meine Vorstellung einen Freund zu haben, der ein Kind mit einer älteren Frau hat, die er hasst. Nein, das wollte ich ganz und gar nicht wissen. Nach einigen Minuten, kam Ethan dann endlich an. "Wie hat sie reagiert?" "Sie wurde wütend, und meinte keiner von den Möglichkeiten wäre der Vater, und nun ich auch nicht, und sie wisse nicht, wer es ist." "Aber Rick, hat sie ihn vergessen?" "Nein, sie meinte, er sei es nicht." "Und er hielt es nicht für nötig das mal am Telefon zu erwähnen? Unverschämt." "Sei einfach froh, dass er es nicht ist, und ich auch nicht." "Bin ich ja." "Aber?" "Er hätte es mir sagen können, oder vorwarnen.." "Du rufst ihn ja auch nicht all zu oft an, von daher." "Ethan!" "Ich mein ja nur." Er hatte ja Recht, aber ich war immer noch sauer auf meinen Bruder, dass er so früh weg gezogen ist. "Ich weiß, jetzt lass uns nie wieder über dieses Thema reden." Ethan kam näher und nahm mich von hinten in den Arm und küsste mich am Hals. "Sehr gute Idee, genau das wollte ich auch gerade vorschlagen."
"Jill?" Faye stand hinter mir und schaute mich erwartungsvoll an. "Ja?" "Ich weiß, wir sind keine Freunde oder so, aber du bist doch gut in Physik, nicht?" "Ja, wieso, brauchst du Hilfe?" "Ja, ehrlich gesagt schon." "Dann schlage ich dir Mr.Faulkner vor, der hat mir damals geholfen, als ich nicht klar kam." "Seit wann ist Mr.Faulkner denn bitte Physiklehrer?" "Ist er nicht, aber er ist extremst gut, und nunja, er kann sehr gut erkären." "Danke." "Gern." "Du, Jill? Wie geht's Noel?" "Ihr habt nicht mehr miteinander gesprochen?" Sie schüttelte den Kopf, und sagte traurig, dass er all ihre Anrufe ignorieren würde und auch nicht auf ihre SMS antworten würde. "Ich war gerade auf dem Weg nach Hause, ich kann dich mitnehmen, dann kannst du mit ihm reden." "Nein, schon gut. Ich wollte nur wissen, ob alles okay ist." "Naja, er trainiert in letzter Zeit ziemlich hart, er trainiert eigentlich nur noch.." Es war seltsam mit Faye zu reden, denn sie war eine der Personen über die ich mir hier kein Urteil erlauben wollte, auch wenn zunächst nur, weil sie mit meinem Cousin zusammen war, aber trotzdem, irgendwie war sie für mich ein sehr egoistischer Mensch.
"Heute hat Faye nach dir gefragt." Noel schaute mich nur kurz an, und fuhr mit seiner Arbeit am PC fort. "Bedeutet sie dir nichts mehr, oder warum gehst du nicht ans Handy, wenn sie dich anruft?" "Warum fragst du?" Noel wirkte leicht aufgebracht. "Nun ja, du warst unsterblich in sie verliebt, da hätte ich nicht erwartet, dass du so schnell darüber hinweg bist." "Ich hab dir doch gesagt, warum Schluss war, wir beide hatten keine Gefühle mehr füreinander." "Da vergisst man doch nicht, was man einmal für einander gefühlt hat, oder?" "Jill, bitte. Ich habe keinen Bock auf diese Scheiße jetzt." "Beruhig dich mal!" Noel war selten so aufgebracht, war war nur los? "Ich bin ruhig." Er schloss seine Augen und atmete tief ein, dann öffnete er nocheinmal seinen Mund: " Alles ist okay, so wie es ist. Oder siehst du das anders?" Dabei setze er eines der falschesten Lächeln auf, die ich je in meinem Leben gesehen hab. "Wenn du Probleme hast, lass sie an jemandem anderen raus, ich wollte nur nett mit dir reden." "Es hat dich keiner darum gebeten.." "Wer bist du? Mein Cousin würde nie so reagieren." "Vielleicht kennst du deinen Cousin nicht gut genug - vielleicht kennt keiner ihn."
Noel hatte mich echt auf die Palme gebracht an dem Abend, aber Ethan war ja da um mit mir darüber zu sprechen. "Noel war noch nie aggressiv, seltsam." "Ich wünschte wir könnten einfach weg, die Leute hier saugen einem echt jede positive Energie aus." "Aprospos, ich wollte dir da noch was sagen." Ethan klang euphorisch. "Ich höre?" "Ich hab für uns einen Trip nach Mailand gebucht für die Herbstferien." Ich konnte nicht anders, als ihn mit einem Kuss nach dem anderen zu befallen, denn Mailand war mein Traum. Ich hatte schon immer viel für Italien übrig, unglaublich, dass er mir so etwas schenkte. "Danke, danke, danke!" "Und das gute ist, die Ferien sind nicht mehr weit, also bald.. bald sind wir in Europa."
Meine Schwester und ich waren früher wirklich sehr verbunden. Wir waren wie Pech und Schwefel. Man konnte uns nicht trennen, aber heutzutage konnte ich nicht abwarten, bis sie mich wieder verlassen würde. Denn sie hat sich verändert, genau wie ich, und wir passten nunmal nicht mehr so zueinander wie früher, oder? Wie waren völlig verschiedene Menschen. Ich hätte mich nie so benommen wie sie es getan hat.
"Wie lange bliebst du noch Miranda?" "Bis ich eine Wohnung gefunden habe." "Hier? In Jacksonville." "Willst du das nicht, ist das ein Problem für dich?" Ja. "Nein, ganz und gar nicht." "Weißt du, ich fühle mich so verstoßen seit damals. Niemand guckt mich mehr normal an, selbst du, und du bist mein Bruder." "Tut mir leid, aber das was du gemacht hast.." "Ich weiß es war nicht korrekt, es war in jeder Hinsicht falsch." "Ich hätte nie gedacht, dass du so ein Mensch bist. Hast du ihn den geliebt?" "Nein, ich mein, er sah ja gut aus, er war total höfflich, unschuldig, und er gab sich so Mühe mir zu gefallen, es hat mir nunmal sehr geschmeichelt. Ich denke, ich hatte mir gewünscht, dass ich ihn so mögen würde." "Wann hast du es beendet?" "Habe ich nicht mal, er hatte mich mit einem anderen Typen gesehen, da hatte er beschlossen was mit Jill anzufangen." "Jill Edwardsen?" "Ja, meiner anderen Patientin damals. Ich glaube die tun sich gut gegenseitig. Beide haben vieles verloren, sie können viel nachempfinden, gut, dass sie sich gefunden haben." "Wenn du das so siehst, warum hast du es riskiert, es zu zerstören?" "Was meinst du?" "Indem du hier hin gekommen bist, hast du viel aufgewirbelt." "Ich habe nicht nachgedacht, David. Du kennst mich, das tue ich nie, deshalb ist es erst so weit gekommen." "Ich werde jetzt schlafen gehen, gute Nacht." "Nacht."
In der Schule konnte ich mich nicht all'zu sehr auf den Unterricht konzentrieren, deshalb gab ich allen meinen Klassen Schreibaufgaben, so dass sie diese in Ruhe bearbeiten konnten. Aber der ein oder andere, wollte dann doch lieber mit mir sprechen. "Mr.Faulkner?" "Was ist, Cole? Wie kann ich dir helfen?" "Ich wollte mit ihnen über Annie sprechen." "Mit mir?" "Ja, mein Vater ist nicht so oft da, und Sie.. ich denke Sie können mir helfen." "Schieß los." "Ich glaube Annie hat größere Probleme als sie sich eingesteht, oder mir. Sie versucht das zu überspielen, aber ich weiß, dass sie das Ganze noch nicht überwunden hat." "Ich dachte sie geht in Therapie." "Tut sie ja, aber ich denke nicht, dass es hilft." "Es handelt sich da ja um einen Profi, der wird schon wissen, was er tut. Mach dir da nicht all' zu große Gedanken drum. Es dauert wirklich lange, bis man mit anderen über sowas reden kann. Und wenn du doch Bedenken hast, dann geh und sprich mit ihrem Therapeuten. Okay?" "Sie haben Recht. Danke!" "Gern." Auch Coles Schwester kam an dem Tag auf mich zu, und bat mich um Nachhilfe.
"Danke, dass Sie dem hier zugestimmt haben. Physik ist das einzige Fach, wo ich schlechter als zwei stehe, das zieht den Schnitt dann doch sehr runter." "Ich verstehe das, wir werden daran arbeiten, wo hast du denn die meisten Probleme?" Bevor sie mir antworten konnte, kam Miranda in das Cafe, in dem wir saßen, und setzte sich einfach zu uns. "David, ich hab echt ein Problem, wir müssen.." "Mirande, siehst du nicht, dass ich beschäftigt bin?" "Wer ist das, sie ist aber ziemlich jung, damit du dich mit ihr triffst. Und dann sagst du was wegen mir." "Miranda! Das ist eine meiner Schülerinnen." "War Ethan nicht auch einer?" Faye saß völlig verwirrt am Tisch und blickte abwechselnd auf mich und Miranda. "Miranda, es reicht. Du gehst jetzt nach Hause, wir reden später." "Verscheuchst du mich?" "Ja, denn ich gebe hier Nachhilfe. Also.. wenn es dich nicht stört.." "Ich geh ja schon." Ich atmete tief ein, und noch tiefer aus. Ich konnte nicht glauben, was Miranda gerade abgezogen hatte. "Sie müssen sich nicht für ihre Freundin schämen, sowas kann passieren." "Meine Freundin? Nein, nein, dass war meine Schwester." "Ihre Schwester? Ah stimmt, zu ihr ist doch Jill gegangen.. und Ethan." "Ja, genau die. Aber ich würde nicht so gern darüber reden." "Mein Bruder und ich haben in letzter Zeit auch Probleme, er beschäftigt sich nur noch mit Annie, ich bin abgeschrieben." "Aber du weißt.." "Ja, mir ist schon klar, dass sie echt Probleme hat, aber wir hatten mal so eine gute Bindung, und jetzt.. nichts." "Meine Schwester und ich hatten auch mal eine gute Bindung, aber dann hat sie angefangen.. okay, das ist kein Thema worüber ich mit dir reden sollte." "Können Sie ruhig, wenn Sie wollen, ich werde nichts sagen." "Nein, das ist nun wirklich kein Thema worüber ich mit einer Schülerin reden sollte." "Was genau?" "Mein Privatleben."
Ich saß an dem Abend noch sehr lange mit Faye in dem Cafe. Und obwohl ich immer dafür war, nicht all zu freundschaftlich mit meinen Schülern umzugehen, konnte ich bei ihr keine Ausnahme machen. Sie war ein nettes Mädchen, dass dazu noch intelligent war, und eine gewisse Reife ausstrahlte, die ich so - zumindest davor, noch nie bei einem Schüler gesehen habe. "Also, wer war das Mädchen?" Miranda riss mich aus meinen Gedanken. "Eine Schülerin, habe ich doch gesagt." "Nur eine Schülerin?" "Ich mag zwar Faulkner heißen, aber das macht mich nicht zum selben Menschen wie dich. Du kannst da ja Unterschiede ziehen, ich tue das nicht. Schüler ist Schüler, und Schülerin ist Schülerin." "Ich mache ja nur Spaß. Ich wollte dir im Cafe sagen, dass ich eine Wohnung gefunden habe, allerdings bräuchte ich deine Bürgschaft." "Kein Problem, du hast ja eine Arbeit." "Ich werde die nächsten Wochen die Wohnung vorbereiten, so lange lebe ich noch bei dir." "Gut, damit kann ich leben." Miranda ging aus dem Zimmer, und ich versank erneut in Gedanken.
Die Schule war wieder kein Ort für mich an diesem Tag. Ich hatte kaum Lust selbst nachzudenken, konnte ich das dann von Schülern erwarten? Das bezweifle ich.. Trotzdem tat ich es. "Solange ich noch die letzten Klausuren korrigiere, macht ihr bitte die Aufgabe fünf auf Seite 59." Obwohl ich die Schüler um Stillarbeit gebeten hatte, sprach mich einer von ihnen an. "Mr.Faulkner?" Ich schaute hoch, es war Faye. "Hallo, Faye. Was kann ich für Sie tun?" "Ich würde gerne noch einmal mit Ihnen die letzte Physikaufgabe durchgehen, ich habe da doch noch ein paar Unklarheiten, und das kommt in der Klausur vor." "Ich gucke nur kurz, wann ich kann." "Am besten heute, ich schreibe schon übermorgen, und würde das auch üben nicht nur verstehen wollen." "Da haben Sie Glück, ich habe Zeit. Wir treffen uns einfach im Cafe, so wie vorgestern." "Das ist heute geschlossen, Ruhetag." Sollte ich sie zu mir einladen? Eine Schülerin? War das nicht etwas zu viel des guten? Aber andererseits, war sie nicht irgendeine Schülerin, sie war eine durchaus vertrauenswürdige Schülerin, die einfach nur Hilfe brauchte. "Dann kommen Sie zu meinem Haus. Ich gebe dir im Vertrauen meine Adresse, bitte missbrauche dies nicht." "Machen Sie sich keine Sorgen!"
"Also hast du das Prinzip verstanden?" "Das ist ja eigentlich total einfach, warum kam ich bisher nicht klar?" "Solange du es ja jetzt tust, ist es in Ordnung." Über den Abend hin verstanden wir uns immer besser. Wir waren sogar schon zum dutzen gekommen, auch wenn nur im Privaten - und das obwohl ich nie vor hatte mit irgendeinem Schüler irgendwas Privates zu unternehmen, aber gewissermaßen war es dieser Abend geworden. Während ich in der Küche Kakao zubereitete, lief Faye durch das Wohnzimmer und schaute sich alte Bilder von mir an. "Deine Schwester und du, warum seid ihr nicht mehr so eng verbunden?" "Es ist vieles passiert. Wir sind keine kleinen Kinder mehr, die miteinander spielen, sich ab und an streiten, und sich wieder vertragen um zu spielen. Wir sind erwachsene Leute. Wir haben uns jeweils ein Leben aufgebaut, und damit auch einen Lebensstil, und mit dem komme ich nicht so ganz klar." "Ich habe Angst, dass mir und Cole das auch einmal passieren wird, immerhin passiert es ja." "Wir haben doch schon geklärt, dass es wegen Annie so ist. Momentan." "Es war davor ja auch schon so. Ich glaube, er kam nicht mit meinem Lebensstil klar." "Mach dir kein Kopf, du bist jung, änder ihn, wenn er dir nicht gefällt." "Das habe ich vor, aber ich habe Angst, dass ich es nicht kann." "Was ist es denn, was ihn stören könnte, also was du denkst, was es ist." "Nunja, wie du sagst, ich bin jung. Ich weiß nicht alles, nicht einmal viel, nur genug um klarzukommen - aber manchmal weiß ich eben nicht einmal das. Ich tue oft unüberlegt Dinge." "Dinge, wie..?" "Mit dem besten Freund meines Bruders zu schlafen, mit meinem besten Freund rumzumachen, obwohl ich was von seinem Bruder will, und letzendlich, sobald ich erfahre, dass er auch was von mir will, beginne ich mit einem anderen eine Beziehung." Ich wusste nicht was ich sagen sollte, immerhin war das etwas sehr persönliches und vielleicht hätte ich lieber nicht weiterfragen sollen. Aber.. aber, das konnte ich nicht. Ich wollte es wissen, irgendwas in mir, wollte dieses Mädchen verstehen, auch wenn ein anderer sich vehement dagegen wehrte. "Warum fängst du mit einem eine Beziehung an, wenn du einen anderen wirklich liebst?" "Ich denke, ich hatte Angst." "Angst? Vor was?" "Davor, jemanden zu sehr rein zu lassen. Es ist einfacher jemanden zu mögen, und ihm Sachen zu sagen, anstatt jemandem diese Dinge zu erzählen die man liebt. Immerhin will man denjenigen nicht vertreiben." "Aber somit hast du es ja." "Und Noel habe ich mit der ganzen Sache auch wehgetan, ich mein, ich wollte ja etwas für ihn empfinden, ich habe es ja tief und fest geglaubt. Aber ich denke schon, dass ich eigentlich ganz genau wusste, dass ich Spike liebte, und nicht Noel - auch wenn ich für Noel Gefühle hatte, sie waren nie so stark wie die für Spike. Und jetzt, jetzt wo ich mich endlich getraut habe von Noel zu trennen, hat Spike sein Leben neu geordnet. Und das schlimmste ist, er scheint glücklicher denn je! Und Loreen, seine Freundin, die bringt echt nur das beste in ihm dafür - aber dafür hasse ich sie. Ich hasse sie dafür, dass sie das ist, was ich immer schon für ihn sein wollte." Spike also. Ein Mädchen wie Faye liebte also einen Jungen wie Spike. "Für das nächste Mal weißt du bescheid. Mut ist das einzige das belohnt wird, und mutig ist, wer sich holt, was er will. Egal welche Hindernisse im Weg liegen, an den meisten kommt man leichter vorbei, als man denkt." "Denkst du das wirklich, David?" "Sonst würde ich es dir nicht sagen." "Danke, sowohl für Physik als auch für dieses Gespräch, es ist schwer darüber zu reden. Aber bei dir.. da kommt es nur so heraus." "Nichts zu danken."
Die nächsten Tage in der Schule redeten wir ein wenig nach dem Unterricht, nicht mehr über Spike, oder Mut, sondern über Physik und Literatur. Faye war mir ans Herz gewachsen, ich wollte sie um jeden Preis schützen. Und eines Abends bekam ich auch die Chance dazu.. Es war ein ganz normaler Abend - jedenfalls für mich. Ein paar letzte Klausuren zu korrigieren, ein Kakao daneben und Musik die währenddessen lief. Bis mein Telefon klingelte. "Ja, hallo?" "David! David, ich.. kannst du mich abholen?" Die Person klang in Sorge. "Wer ist da?" "Faye. Faye McCohen." "Ist alles in Ordnung?" "Nein, bitte. Ich bin bei Noel vorm Haus, ich schick dir die Adresse." "Ich komme." Ein paar Minuten erreichte ich Noels Haus. Es fand eine Party stand, und draussen wartete Faye. Ich stieg aus und lief auf sie zu. Dann umarmte sie mich: "Danke, können wir bitte schnell gehen?" Aber bevor wir auch nur daran denken konnten in Richtung Auto zu laufen, kam ein aufgebrachte Noel zum Vorgarten hinaus und brüllte rum: "Du gehst noch nicht! Wir sind hier nicht fertig, nichteinmal ansatzweise." "Ich will nicht mit dir reden, Noel." "Ich will wissen, wieso du das getan hast." "Ich weiß es nicht, okay, ich habe keine Ahnung." In seiner Rage hatte mich Noel nicht bemerkt, erst als ich ihn bat nicht so rumzuschreien, fiel sein Blick auf mich. "Mr.Faulkner? Was tun Sie denn hier?", sagte er mit einer agressiven Haltung. Sehr gute Frage, nur gab es darauf keine gute Antwort. "Lass ihn in Ruhe, Noel. Nur weil du jetzt Frust hast, musst du den nicht an jedem auslassen." "Ist das noch einer deiner Typen oder was? Brauchst du jetzt schon Lehrer?" Faye wandte sich von Noel ab und fing dabei an stumm zu weinen. "Noel, bitte. Lassen Sie es gut sein." "Ach kommen Sie! Jeder weiß doch was für ein Flittchen sie ist." "Wie redest du so über sie? Ihr wart doch mal.." "Zusammen? Mir hat das auch was bedeutet, aber der Schlampe da hat es nichts bedeutet. Angelogen hat sie mich, monatelang. Und nicht eine anständige Entschuldigung nichts. Wissen Sie, bis vor kurzem wusste ich gar nicht, was alles so abgegangen war, ich konnte nicht wirklich begreifen, was dies hieß. Aber jetzt.. nachdem ich weiß, was sie so mit.. sie kann es Ihnen ja selbst sagen. Anscheinend hat sie selbst zu Ihnen eine engere Beziehung als erlaubt." "Noel, ich bitte dich, du wirfst hier heftige Anschuldigungen in den Raum! Sowas dulde ich nicht." "Ich habe sie doch im Cafe gesehen, und wie sie sich letzens verabredet haben, habe ich auch mitbekommen. Ich bin ja nicht dumm." "Das war rein schulisch." "Wenn sie das so nennen wollen. Sagen sie ihr: ich will nicht, dass sie nocheinmal hier hin kommt. Und für eine Entschudligung ist es in jedem Fall zu spät." "Unglaublich dein Verhalten. Auf Wiedersehen."
Die gesamte Autofahrt über hatte Faye kein Wort gesprochen. Sie saß auf dem Sitz, starrte auf die Straße und bewegte sich kein Stück. Vor ihrem Haus, fragte ich sie, ob alles okay sei, keine Antwort. "Willst du, dass ich dich rein begleite?" Sie schüttelte den Kopf, dann senkte sie ihn nach unten. "Wissen Sie, er hat Recht. Während ich mit ihm zusammen war, da habe ich mit Spike geschlafen, ich war untreu. Ich verdiene das." "Keiner verdient so etwas. Du hast einen Fehler gemacht, das ist menschlich." "Jetzt rede es nicht schön. Ich bin und bleibe eine.." "Sag es nicht, denn das bist du nicht. Manchmal da tut man so Dinge. Manchmal.." Als ich sie so anschaute, verheult, von sich selbst enttäuscht und einfach nur am Boden, merkte ich, dass sie trotzalldem etwas ausstrahlte, sie war wie eines der Mädchen aus den Filmen, in denen das Mädchen einem so vertraut war, aber trotzdem so geheimnisvoll. "Manchmal, was?" "Ist Mut alles. Das hab ich dir ja schonmal gesagt." Sie hob ihren Kopf und schaute mich beschlosen an. "Mut, also. Sich das holen, was man will." "Genau. Und ab jetzt tust du das." "Ab sofort?" "Ja, fang an." Dann lächelte sie breit. "Ich will noch nicht nach Hause. Können wir nicht noch ein wenig zu dir, meine Eltern denken sowieso, ich bin auf einer Party." "In Ordnung."
Bei mir angekommen, öffnete ich die Tür und das Licht, doch ich hatte keine Zeit etwas anderes zu tun, denn Faye hatte mich zu sich gezogen und mich geküsst. Auf den Mund. Und ich hatte nicht unternommen, im Gegenteil. Ich schloss mit halber Sicht die Tür und drückte Faye gegen diese. Dann beugte ich mich zu ihr und küsste sie, dabei fuhren meine Hände von ihrer Taille bis auf ihren Arsch. Sie lachte. Weder ich, noch sie schienen zu begreifen, was wir da eigentlich taten, die Lust leitete uns. Bis meine Schwester die Tür öffnete und uns unterbrach. "Wusste ich es doch. Von wegen nur eine Schülerin, von wegen du bist anders. Heuchler!" "Miranda, was machst du hier?" Faye hatte sich aus Scham ihr Oberteil gegriffen, dass ich ihr kurz zuvor ausgezogen hatte, und lief zur Tür raus - wortlos. "Ich bin noch nicht ausgezogen. Und jetzt sagst du mir, warum du mich für Dinge hast, die du selbst tust." "Das ist anders." "Wie bitte?" "Du hattest keine Gefühle für.." "Gefühle? David, das ist noch viel schlimmer." "Bitte, ich will nicht darüber reden, ich kann ja selbst kaum glauben, dass ich das getan habe. Bitte verurteile mich nicht." "Das werde ich nicht, weil ich mir gewünscht hätte, dass du es nicht getan hättest." "Es tut mir leid. Ich hätte ein besserer Bruder sein müssen." "Ich habe dir schon längst verziehen."
Ich war also genau wie meine Schwester. Ich hatte die Grenze überschritten. Ich hatte eine Schülerin geküsst. Ich hätte sicherlich auch mehr gemacht, denke ich. Und das schlimmste ist, ich hatte wirklich was übrig für diese Schülerin. Sie war anders. Sie war einfach das, was ich immer mir gewünscht hatte. Aber ich wusste, dass es falsch war. In der Schule hatte ich Faye zunächst nicht gesehen, erst in der letzten Stunde hatte sie bei mir Unterricht. Und am Ende der Stunde bat ich sie zu mir. "Hey, wir sollten reden." "Ich weiß, dass dir das Probleme bereitet, aber du hast gesagt, manchmal da muss man mutig handeln, auch wenn es dumm ist. Und ich wollte dich küssen. Ich wollte einmal meinen Gefühlen direkt nachgeben, aber keine Lustgefühle.. ich habe dich echt gern, David. Ich kann mit dir über alles reden, alles." "Ich versteh dich, mir liegt auch viel an dir." Ich nahm ihre Hand und sah ihr dabei in die Augen: "Ich habe noch nie so ein Mädchen getroffen, ich will das du das weißt. Du bist ein besonderes Mädchen, intelligent, reif, geheimnisvoll, wunderschön und herzensgut, aber meine Gefühle zu dir, die, ich kann sie nunmal nicht.. wir können nicht." "Ich weiß, dass es nicht geht." "Aber ich will, dass du weißt, dass Wollen und Können zwei verschieden Dinge sind, ja?" Sie lächelte. Sie begriff, sie wurde nicht sauer, oder pampig - nichts davon, sie verstand es. Und das war, was ich unteranderem so an ihr mochte. "Ich bin mir sicher, schon bald hast du jemanden anderen, mit dem du so reden kannst, ich wünsche es dir." Dann zwang sie sich ein Lächeln auf, und hielt Tränen zurück. "Ich wünsche dir das selbe, ich meine.. Ihnen." Ich ließ ihre Hand los, und sah, wie sie mein Klassenzimmer verließ. Was ich nicht wusste war, dass irgendjemand uns gesehen hatte. Denn kurz bevor sich Faye umdrehte, verschwand jemand, den man kurz hat durch den Türrahmen sehen könen. Und ich hoffte, dass dieser jemand die Situation nicht verstanden hatte, das hoffte ich sehr.
Noel
Ich konnte es nicht ertragen. Das erste Mal hatte ich mich einer Person geöffnet, und die hat es schamlos ausgenutzt, nunja, sie hat es nicht ausgenutzt, aber sie hatte mich hintergegangen. Mich angelogen, und es nicht mal für richtig gehalten, mir das zu sagen. Und mit Spike hat sie auch geschlafen, während unserer Beziehung, und das sicherlich nicht nur einmal. Schrecklich, was die Liebe einem antun kann. In mir hat sie nichts anderes getan, als Hass zu schaffen. Hass auf die Liebe, Hass auf die Welt, Hass auf meine Naivität, Hass auf Spike und Hass auf Faye.
Faye
Ich hatte ja schon viel Scheiße gebaut. Das hatte ich wirklich - gar keine Frage.. aber was hatte ich mir nur gedacht mit David - ich meine Mr.Faulkner.. Aber irgendwie mochte ich ihn, und das sollte nie verboten sein, oder einen dazu veranlassen sich schlecht zu fühlen, oder? Sollte ich mit jemandem darüber reden? Nur, wer würde dies verstehen? Mein Bruder? Oh Gott, nein. Der mag ihn, das mache ich nicht kaputt. Amy? Nach unserem letzten Streit waren weder sie, noch Alex eine Möglichkeit. Aber wen könnte ich denn noch fragen? Doch nicht.. doch nicht etwa Spike? Ich nahm mein Handy und scrollte im Telefonbuch runter.. Aaron, Alex, Amy .. Cole .. Jamie .. Noel... Spike. Ich wählte seine Nummer, und hielt mein Handy an mein Ohr. "Hallo?" "Hey." "Hey, Faye. Ist was passiert? Warum rufst du an?" "Ich brauche jemandem zum reden." "Und da denkst du an mich?" "Bitte, ich weiß nicht, wen ich sonst fragen soll." "Ich kann das nicht, Faye. Tut mir leid." Bitte, leg nicht auf, ich brauche dich, Spike! "Bitte.." Meine Stimme verdeutlichte was in mir vorging: ich war verzweifelt. "Ich kann das wirklich nicht, Faye. Du kannst nicht erwarten, dass ich springe, sobald du ankommst." "Ich weiß." "Du hast mich abgewiesen." "Darum geht's doch gar nicht." "Für dich. Aber, du hast doch keine Ahnung, was in mir vorgeht." "Entschuldige mal, aber du hast doch Loreen, also warum sollte ich annehmen, dass dich das immer noch vBeschäftigt?" "Weil du mich besser kennst." Irgendwie hatte ich mir das Ganze nicht so vorgestellt. Nach all'dem hatten Spike und ich den Draht zueinander komplett vorloren. Wir waren nichteinmal Freunde - auch Bekannte fiel mir schwer über die Lippen. Wir waren dort wo wir angefangen hatten. Wir waren Fremde. "Es war ein dumme Idee dich anzurufen, es tut mir leid." Und dann drückte ich den Knopf, der dieses Gespräch beendete. Dann atmete ich tief ein und verfiel nur mehr in Selbstmitleid.
Noel
In der Schule fiel es mir noch schwerer als sonst Faye über den Weg zu laufen. Sie war irgendwo immer noch in meinem Herzen verankert, und ich hatte Angst, dass sie das irgendwo immer bleiben würde. Da war es auch nicht hilfreich sie mit einem Lehrer, einem LEHRER zu erwischen. Was sollte ich nur davon halten? - Oder auch ihr? Und sollte ich sie drauf ansprechen? "Ist alles okay, alter?" Ausgerechnet Aaaron riss mich aus meinen Gedanken. "Ja, was soll denn sein?" Er hob seine Augenbrauen, als ob er - genau wie ich, sehr genau wisse was los war. Sicherlich tat er es zu 50%, aber er kannte den anderen Teil der Geschichte nicht. Noch? Wer weiß. "Du, ich muss was erledigen." "Klar, bis später dann!" Und ohne Verzögerung machte ich mich auf den Weg zu Mr.Faulkner. "Guten Morgen." "Was kann ich für Sie tun, Noel?" "Was denken Sie denn?" "Ich habe keine Ahnung, also sprich." "Ich weiß bescheid. Ich habe es gesehen." "Ich verstehe nicht." "Naja, Sie und Mrs.McCohen." "Ich erinnere dich nochmal daran, dass deine Anschuldigungen schwer wiegen. Sprich nichts aus, wenn du nichts darüber weißt." "Ich weiß, was ich gesehen hab, Mr.Faulkner." "Und das wäre?" "Sie hatten ein inniges Gespräch, darüber das Können und Wollen nicht das selbe ist, Sie haben ihre Hand gehalten, und sie hat Sie angesehen, so wie sie mich angesehen hat. Dieser Blick, der einem das Gefühl gibt, man sei doch was wert. Aber das ist alles nur Schein." "Noel, bitte. Du hast da etwas falsch verstanden." "Nein, ganz und gar nicht. Faye kommt klar. Sie kommt klar.. so wie diese kleine Schl.." "Halt dich zurück!" Damit hatte er sich doch verraten? Wobei, schon allein, dass er sie damals abgeholt hat, war Beweis genug. "Noel, darf ich Sie was fragen?" "Versuchen Sie es." "Was willst du mir damit sagen? Was ist dein Problem?" Dass sie mich verarscht hat. Mich nie geliebt hat, so wie ich es tat. Und, dass sie sich mit jederlei Männern davon ablenkte, dass sie in Wirklichkeit doch eh nur Spike wollte.. - Aber das würde ich ihm nicht sagen. "Wenn Sie schlau sind, wissen Sie es schon. Es wartet auch auf Sie." "Ich kann Sie nur darum bitte, diese Anschuldigungen nicht zu äußern." "Sie haben Glück, dass mein bester Freund Sie mag und schätzt. Sonst hätte der Direktor schon längst davon erfahren." Und das war mein Abgang. Ich ging, und ließ diesen armen Mann zurück, mit der Angst, dass sich mein Frust weiter auf ihm entladen würde.
Faye
Ich lief durch den Schulkorridor, in ständiger Angst Spike zu begegnen. Dieses Telefonat war mir so peinlich, was hatte ich mir nur dabei gedacht? Oder wollte ich doch nur mal wieder seine Stimme hören? Ich hatte ihn schon vermisst. Das kann ich nicht bestreiten. Aber ich wollte nicht, dass er da mehr reininterpretierete, oder, dass ich es mal wieder tat. Vor allem nicht jetzt, nicht wo wieder ein zweiter in meinem Kopf rum schwirrt. David Faulkner. Aber ich hatte keine Zeit mehr weiter darüber nachzudenken, denn der Typ, der mich nur noch wie Dreck behandelte, packte mich am Arm und flüssterte mir aggressiv zu: "Wir müssen reden, allein." Von meiner Neugier geleitet, folgte ich ihm in den Abstellraum. Seltsamer Ort, wenn ich bedenke, was hier schon mal stattgefunden hatte. "Also..?" "Ich weiß es." Was meinte er? "Was?" "Ich sage nur Mr.Faulkner." Ich musste das jetzt klug angehen. Ich schubste ihn leicht. "Komm, wir haben das doch geklärt, lächerlich bist du." "Ich habe euch gehört." Er klang nicht länger aggressiv, sondern traurig. Und auch seine Augen wurden größer und glänzten. "Bitte, sag mir, dass ich es falsch verstanden habe." Bitte, sag DU mir, dass ich träume, was geht hier ab? "Noel, du kannst doch mich doch nicht beschimpfen die letzten Wochen, und mir dann so kommen!" "Was soll ich denn dann sagen? Du hast meine Gefühle die ganze Zeit augenutzt, nur um über Spike hinwegzukommen, dabei konntest du ihn haben." "Warum denkst du das? Ich habe dich gemocht, sehr sogar. Genug. Ich dachte, da würde mehr kommen." Noel, der sich eben noch gegen die Tür lehnte, rutschte an der Tür entlang auf den Boden und saß da. Sein leerer Blick fing sich an der Wand hinter mir. "Weißt du, Faye. Du kannst dir nicht vorstellen, wie es ist, eine Beziehung zu führen, in der du den Anderen über alles schätzt und ihn liebst, und du dir so sehr wünscht, dass dieser das auch tut, dass du einfach Sachen ignorierst und entschuldigst, die nicht zu ignorieren und entschuldigen sind. Aber ich wollte das so sehr, wollte so sehr, dass das klappt, dass du mich liebst, mir war egal, dass du offensichtlich in einen anderen verliebt warst, und sogar mit im geschlafen hast, während wir zusammen waren." "Ich hätte nicht gedacht, dass du jemand bist, der so tiefe Gefühlte entwickeln kann, vor allem für mich." "Jemand wie ich? Ich bin doch auch nur ein Mensch! Und, mal so nebenbei, ich kenne niemanden, der nicht alles dafür tun würde, um dich an seiner Seite zu haben. Du hast ja selbst Mr.Faulkner rumgekriegt." "Habe ich nicht.. also nicht so, wie du es dir vorstellst." "Nicht?" "Es gab einen langen Kuss, in einer Nacht, in der er für mich da war, in der du mich fertig gemacht hast." "Empfindest du was für ihn?" "Ich weiß es nicht, der Moment war schön, und die Gespräche mit ihm sind einfach nur unglaublich, aber ich weiß, dass es nicht geht. So gern ich es auch versuchen würde." Noel schwieg. Er schien sich zu sammeln. Was er wohl dachte???..
Noel
Ich hatte sie also tatsächlich angesprochen, aber ich konnte einfach nicht anders. Ich brauchte Antworten. "Ich will.." Ich brach ab, ich wollte nichts mehr sagen, ich wollte einfach, dass sie mich endlich so ansah, wie ich sie. Sie sollte mich lieben. Sie sollte mich einfach nur mit einem Kuss von diesem Leid befreien. Mehr wollte ich doch nicht. Nicht mehr, nicht weniger. "Ich wünschte, du wärst, was ich wirklich wollte. Es wäre so viel einfacher. Aber einfach ist nicht gut. Und gut nunmal nicht einfach." "Du bist für niemanden einfach, Faye." "Aber auch nicht gut für irgendwen." "Fühlst du so?" "Du hast mir ja auch nichts anderes vermittelt." Faye nahm ihren Mut zusammen, und setze sich neben mich auf den Boden. Ich nahm ihre Hand und sah ihr in die Augen. "Es tut mir so leid, alles, was ich dich genannt hab. Ich war enfach nur eifersüchtig, sauer und frustriert. Du bist perfekt, Faye. Für mich wird es keine zweite wie dich geben. Das weiß ich jetzt schon." Ich schien sie überfordert zu haben, denn sie ließ meine Hand los und schüttelte nur vehement den Kopf. "Ich will nur, dass du weißt, dass du alles andere als eine Schlampe bist. Du hast ein großes Herz, manchmal zu groß, und du hast einfach das Pech, dass die meisten das wissen, und manche dies eben auszunutzen wissen." Ich stand auf, so wie auch Faye. Bevor ich aus dem Raum ging, umarmte sie mich fest: "Nur, weil ich dich nicht zu schätzen weiß, heißt das nicht, dass es keine tun kann." Und dann war sie auch schon weg. "Aber du solltest diese Person sein." Den gesamten Tag hörte ich nichts mehr von Faye. Erst gegen Abend, da stand sie aufgewühlt vor meiner Tür. "Was ist los?" "Du solltest doch keinem davon sagen." "Das habe ich auch. Nichts." "Warum habe ich dann einen Anruf von meinem Bruder bekommen, dass ich David anzeigen soll? Weißt du wie David dasteht?" "Cole würde soetwas doch nie tun.. das sind - das sagt er nur aus der Wut heraus." "Mag sein, aber jetzt weiß er es. Und ich würde gern wissen von wem." Ich hatte wohl vergessen, ein wichtiges Detail zu erwöhnen. "Ich war nicht alleine, als ich euch gesehen hab." "Wer war noch da?" "Du wirst es nicht glauben, aber es war Spike.." "Und du erzählst mir das erst jetzt?" "Ich dachte nicht, dass er einen Grund hatte, das irgendwem zu erzählen, tut mir leid." "Schon okay. Ich geh das klären."
Faye
Ich fuhr also zu Spike. Vor seiner Tür nahm ich mein Handy raus, und schickte ihm eine SMS,in der ich ihm darum bat, vor die Tür zu kommen. Nach genau acht Minuten, stand er dann vor mir. Ich ließ ihm keine Zeit, irgendwas zu sagen, gar zu denken. "Warum hast du es meinem Bruder erzählt?" "Weil er sowas wissen sollte." Er war gelassen. Tatsächlich, ihn kümmerte es kein Stück, dass er mir und David damit einen Haufen Probleme bereitet hat. "Du weißt schon, was das für Folgen hätte haben können?" "Weißt du es denn?" "Jetzt spiel dich hier nicht so auf!" Nach so kurzer Zeit, hatte ich schon den Punkt erreicht, wo ich ihn einfach nur noch anschrie. "Du hattest kein Recht, es irgendwem zu sagen! Das war meine Privatangelegenheit." "Faye, du wirst mir wohl zustimmen, wenn ich dir sage, dass du deinen Verstand verloren hast. Das ist dein Lehrer, von dem sollst du lernen, nichts anderes." "Vielleicht tue ich das. Ich lerne zum Beispiel, was es heißt, wenn jemand zu seinem Wort steht." "Ich dachte, da wären wir nicht mehr." "Vielleicht ja, vielleicht nein.. scheint dir ja komplett egal zu sein, was mit mir ist!" "Das denkst du also?" "Das seh ich doch. Du hast deine Loreen gefunden, hast endlich eine bessere Beziehung zu deiner Familie, alles läuft toll, seitdem du mich nicht nur aus deinem Leben, sondern auch Gedanken verbannt hast. Bei mir hingegen, läuft alles scheiße." Spike war sprachlos. Ich hatte wohl was ausgesprochen, das er so nicht gedacht hatte. Diese Stille hielt lange Zeit an.. in der ich ihn einfach nur ansah. Und er mich mit großen Augen anstarrte. In seine großen braunen Augen sah, und einfach nur darüber nach dachte, wie es wohl gewesen wäre, wenn ich mich damals anders entschieden hätte. Was wäre aus uns geworden? Wäre er jetzt auch dieser noch bessere und glücklichere Spike? Oder war ich einfach nicht dazu bestimmt, jemanden glücklich zu machen? Ein Klingeln riss mich aus meinen Gedanken, und ich sah, dass es eine SMS war. Von David. << Hey, Faye. Ich weiß, eigentlich hatte ich dir gesagt, dass ich dich ziehen lassen wollte. Aber irgendwas sagt mir, dass das ein immenser Fehler wäre. Ich würde gerne mit dir reden. Wenn du das auch willst, dann fahr zu mir. Ich warte auf dich. David :-) >> Und da war meine Antwort, ich war anscheinend genauso wenig die Antwort auf Spikes Zufriedenheit, wie ich die auf Noels. Aber da war ja noch Möglichkeit Nummer 3: David Faulkner. Ein liebevoller, gebildeter, gesprächiger Mann, der wirklich glücklich zu sein schien - MIT MIR. Und mich brauchte. Und auch ich, brauchte jemanden, der mir das gab, was ich mir von ihm verprach. Aber die Angst, ihm das selbe anzutun wie Noel, die saß mir im Nacken. "Was ist?" Spike wartete auf eine Antwort. "Ich geh jetzt. Zu David. Und ich warne dich, wehe du sagst noch jemandem, was du da gesehen hast. Es geht niemandem etwas an. So viel kann ich ja noch von dir erwarten!" "Wenn es das ist, was du für richtig hälst." "Selbst wenn es falsch sein sollte, wenn ich das so machen will, dann mache ich das so."
"Hey, Faye." "Bevor ich auch nur in deine Wohnung trete, musst du zwei Dinge wissen. Mein Bruder weiß hier von, und ich denke wir werden ihm noch erklären müssen, was das hier auf sich hat. Er soll dich nicht verurteilen.. und.." "Stopp, stopp. Dein Bruder war schon hier, er war sauer.. zunächst, aber dann hat er es verstanden. Er ist nicht sauer, nicht mehr." Unglaublich, das hatte er unaufgefordert für uns getan, dafür, dass das hier auch nur die kleinste Erfolgschance hatte. "Da ist nochwas.. ich will, dass du weißt, dass ich immer noch bestimmte Gefühle für Spike habe. Sie sind nunmal da. Aber ich habe ebenso Gefühle für dich, starke Gefühle, von denen ich denke, glaube, dass sie mehr werden können. Ich kann es dir nicht versichern. Ich will nicht, dass du dir verarscht vorkommst. Wirklich nicht. Ich will es versuchen, aber nur, wenn du damit einverstanden bist, also, wenn es dir nichts ausmacht." David lächelte breit, und lehnte sich zu mir um mich zu küssen. "Das du es versuchst, reicht mir völlig. Ich will nur eine Chance, niemand kann bei sowas eine Garantie geben." Und da hatte er Recht, wer könnte mir sagen, ob das was ich jetzt fühlte, auch immer so bleiben würde? Gefühle sind nunmal sprunghaft, man sollte sich nicht zu viel auf sie verlassen. Denn sie sind meist nur temporär.
Spike.. Ich war glücklich mit ihm, ich hatte mit ihm die Liebe gefunden, die ich lange Zeit nicht mehr erlebt hatte. Er hat mich verändert. Mir gezeigt, dass Gefühle nichts sind, was Schwäche auszeichenen, im Gegenteil. Sie machen einen Stark. Aber in letzer Zeit kam er mir verändert vor.. irgendetwas, genauer gesagt, irgendwer war wieder in seinen Gedanken: Faye. Und das, obwohl ich ihn gerade brauchte, ich brauchte jemandem zum Reden.
Loreen
"Loreen?" Spike riss mich aus meinen Gedanken. Wir waren in einem Cafe, so wie jeden Samstag. "Glaubst du nicht, ich sollte es jemandem sagen?" Schon wieder wollte er über Faye und ihrer Beziehung zu ihrem Lehrer sprechen, das fünfte Mal an dem Tag. Ich hatte es satt. Ich war es einfach nur leid, ich wollte nicht, dass er so über sie dachte. Natürlich, er hatte Grund sich Gedanken zu machen, aber musste das immer vor mir sein? Er hatte noch einen Bruder, der sie vor allem besser kannte. Wobei ich glaube, dass keiner Faye kannte, keiner durschaut dieses Mädchen. Keiner außer mir. "Vielleicht solltest du mit Alex darüber sprechen." "Aber ich will wissen, was du tun würdest." "Mir nicht so viele Gedanken machen, es ist ihre Angelegenheit. Und die von deinem Lehrer. Warum denkst du also darüber nach?" "Ist es denn nicht irgendwie meine Schuld?" "Wie meinst du das? Wie könnte das jemals deine Schuld sein?" "Sie war letze Woche bei mir. Sie wollte mich zur Rede stellen, weil ich es ihrem Bruder erzählt hatte." Sie war also bei ihm gewesen. Und er hatte es mir nicht gesagt, nett. "Und was hat das mit der Beziehung zu tun?" "Ich glaube sie war eigentlich wegen was anderem da." "Du weißt schon, dass ich deine Freundin bin und man sowas eigentlich.." "Pscht. Du bist ja keine normale Freundin, du bist ein unglaubliches Mädchen, das komischerweise nie eifersüchtig ist. Brauchst du auch nicht." Dann kam er näher, und küsste mich in den Nacken. "Ich liebe nämlich nur dich." Und keine Sekunde später, hatte ich das dümmste Grinsen aller Zeiten im Gesicht, das, was ich immer hatte, wenn ich in Spikes Nähe war. Ich war immer noch genau so in ihn verliebt wie am ersten Tag. "Ich liebe dich auch.", flüsterte ich, während ich mich umdrehte um ihn auf den Mund zu küssen. "Also ich denke du redest einfach mal mit deinem Lehrer, nicht mit ihr. Immerhin sollte er es allemal besser wissen." "Dass ich darauf nicht selbst gekommen bin."
Spike
Am Montag ging ich direkt in Mr.Faulkners Klassenzimmer. Er war noch nicht da, also setze ich mich an den vordersten Tisch und wartete. Nach einigen Minuten, kam er ins Zimmer. "Guten Morgen, Miguel. Kann ich dir helfen?" Wut keimte in mir auf. War das sein Ernst? Dachte er, ich wüsste nichts davon? "Ich will mit Ihnen reden. Über Faye." Sein Gesicht verkrampfte sich, und sein Blick wanderte durch den Raum. "Woher weißt du davon?" "Ich habe es gesehen." "Hast du es Cole erzählt?" Mr.Faulkner wurde wütend und kam sehr nah an mich heran. Er dachte wohl er könnte mir Angst machen, aber die hatte ich nicht. "Ja. Das was ihr beiden tut, ist falsch. Sollten nicht vor allem Sie das besser wissen?" "Hör mal zu.." "Nein, hören Sie mal zu. Ich weiß nicht, was sie sich von Faye versprechen, oder was allgemein ihr Anliegen ist, aber lassen Sie es sein. Andernfalls melde ich es dem Direktor." "Drohst du mir?" Nun kam er noch näher, der Versuch mit Angst zu bereiten scheiterte aber erneut. "Ja. Ich kenne Faye, sie weiß nicht, was gut für sie ist. Aber ich schon. Sie sind es nicht, also bitte ich sie ein letzees Mal: Lassen Sie sie in Ruhe!" Er verstummte. Ich verpasste ihm ein kleinen Schubser und verließ den Raum. Da kam mir Faye entgegen. "Was hast du darin getan?" "Sachen geklärt." "Hatte ich dir nicht gesagt, dass das meine Privatangelegenheit ist?" Ich konnte nicht fassen, wie naiv Faye war. "Dir muss doch klar sein, dass dies total verrückt ist. Du kannst doch nicht einfach.." "Lass es sein. Alles, halt dich einfach hier raus." Und dann zischte sie wutentbrannt ab. Von hinten tippte mir jemand auf die Schulter. Es war Alex. "Was war das gerade?" "Ich wollte nur..", ich hielt inne. Er wusste nichts von Faye und Faulkner. Er wusste es nicht. Und sie hatten sich gerade erst wieder angenähert - und Faye riskierte wieder alles.. Ich konnte es ihm trotzdem nicht sagen, ich musste sie dazu bringen, es ihm zu sagen. Mehr konnte ich nicht. "Ich war etwas ungeschickt. Bin gegen sie gelaufen, da war sie mal wieder total am überreagieren.." "Spike, bitte. Geh ihr aus dem Weg, sie hat andere Sorgen." "Andere Sorgen?" "Sie fällt fast in Physik durch." Falsch, sie stand dort gut. "Sagt sie das?" "Sie muss deshalb Nachhilfe nehmen, ist fast nie zu Hause." Ich verstand.. sie lügte, um genug Zeit zu haben, sich mit Faulkner zu treffen. Was eine dreiste Aktion.
Loreen
Immer wenn Spike in der Schule war, hatte ich nichts besseres zu tun, als in die Stadtbibliothek zu gehen, und mir irgendein Roman auszusuchen, den ich lesen konnte. Ich nahm vier Bücher in die Hand und setze mich an einen Tisch in der Ecke der Bibliothek. Damit war ich für die nächsten Stunden beschäftigt. Mir fiel es immer sehr schwer, mich für einen Roman zu entscheiden. Deshalb suchte ich mir mehrere aus, und las die ersten zwanzig Seiten, das beste Buch leihte ich mir dann aus. Als ich mich für eines entschieden hatte, und die anderen drei in die Regale zurück brachte, fiel mir jemand ins Auge. Ein junger Mann, der haargenau aussah wie Aaron, nur war er in Europa, also konnte er es nicht sein. Doch, dann schaute der junge Mann in meine Richtung, und sein Blick verriet ihn. Es war Aaron. "Aaron?" Sein Blick fiel auf den Boden, als ob er ihm Antworten bietete. "Was machst du hier? Solltest du nicht in Europa sein?" "Ich bin rausgeflogen, wenn man das so sagen kann." "Seit wann bist du wieder da?" "Heute morgen." "Was ist denn passiert?" "Ich hab mich verletzt." Er zeigte auf seinen Fuß. Und tatsächlich, er hatte einen Gips, unbegreiflich wie ich ihn eben noch übersehen hatte. "Ist es sehr schlimm?" "Ich bin immerhin rausgeflogen, mit der Begründung, dass es zu lange dauern würde, bis es wieder verheilt." Er war enttäuscht, das konnte man ihm direkt ansehen, und er tat mir leid. "Darf ich dich auf einen Kaffee einladen? Dann kannst du mir alles erzählen." "Würdest du dir wirklich die ganze Geschichte anhören?" "Ja, wenn du mir versprichst, dass du mir dann zuhörst." "Klar, kein Ding!" Wenn Spike nicht reden wollte, musste ich es einem anderen erzählen, ich musste es einfach rauslassen.
Spike
Nach der Schule wartete ich auf Faye. Sie konnte doch nicht wieder so etwas abziehen, das konnte sie einfach nicht. Als sie dann endlich raus kam, war sie aufgelöst. Bis sie mich sah, dann schlug ihre Stimmung in Hass um. Ihren Rucksack schmiss sie auf den Boden, dann rannte sie auf mich zu und verpasste mir eine. Dann wollte sie erneut ausholen, doch ich hielt ihre Arme fest. "Was ist in dich gefahren?" "Was ist in dich gefahren?! Du solltest dich doch raushalten!" "Ich kann doch nicht mit ansehen, wie du dich wegschmeißt, alles für einen Mann riskierst, mit dem du keine Zukunft hast." Ihre Wut wuchs, und ihre Stimme wurde lauter: "Ich hasse dich dafür. ICH HASSE DICH!" "Beruhig dich, die Leute können dich hören." "Sollen sie doch! Sie sollen wissen, dass du irgendwie immerwieder dafür sorgst, dass es mir scheiße geht." Und dann schlug ihre Stimmung erneut um. Sie war nicht sauer, sondern traurig. Abertausend Tränen kullerten ihre Wange entlang. Sie sah mich stumm an, mit so viel Hass in den Augen. Und ich gab mir ja selbst teilweise die Schuld, für alles was passiert war. Und ich hatte selbst irgendwas wie Hass ihr gegenüber entwickelt, aber jetzt, wo sie es tat, tat mir das ganze leid, und ich sah sie in einem anderen Licht. Sie war nur ein verletztes Mädchen, dass nicht damit klar kam. Und ich, ich war der Auslöser. "Es tut mir Leid, Faye. Aber.." "Lass es sein, rede nie wieder mit mir. Und auch nie wieder über mich. Lass es einfach sein. Streich mich allemal aus deinem Leben, und verschwinde einfach aus meinem!" Dann löste sie sich ruckartig aus meinem Griff, nahm ihre Tasche und zischte ab. Und dann stand ich da, und spürte rund die Hälfte meiner Mitschüler, wie sie mich anstarrten und verachteten. So wie damals, als ich der Junge war, der sich einfach nicht integrieren wollte, und alles vermittelte, dass ich gefährlich war. Und all' das bestätigte ihren ersten Gedanken wieder. Und obwohl ich jetzt noch mehr Gründe hatte, Faye zu hassen, weigerte sich etwas in mir. Ich wollte das nicht. Ich wollte mich entschuldigen.
Loreen
"Es war erst der zweite Monat, da bin ich im Training mit einem Mitspieler zusammengestoßen. Ihm ist nichts passiert, aber mir schon. Du siehst ja meinen Knöchel." "Und dann haben sie dich einfach rausgeworfen?" "Ich hatte ja nur einen befristesten Aufenthalt von einem halben Jahr. Und ich hätte kaum Zeit mich zu beweisen, und ich würde jemandem, der nicht verletzt ist den Platz wegnehmen. Also, haben sie mich entlassen. Ich dürfte mich aber noch einmal bewerben, nur stehen die Chancen dann sicher nicht gut, immerhin würde mir die Praxis fehlen." Total verwirrt, sah ich ihn an. Und er sah es, und versuchte es kurz und knapp nochmal zu erklären: "Ich bin ja verletzt, kann viele Wochen nicht trainieren, da kommt man ja etwas aus der Form. Und dann steigen meine Chancen ja nicht, nochmal genommen zu werden. Ich werde kaum Spiele vorweisen können, vor allem, weil wir hier nicht ganzjährig Fußball spielen an der Schule." "Okay, jetzt habe ich verstanden. Sorry, aber Sport ist so gar nicht meins, Spike hält sich da ja auch zurück. Motorräder, Musik, Bücher - alles eher meine Welt." "Wie läuft es eigentlich mit Spike? Wenn man fragen darf." "Gut, wir passen einfach sehr gut zusammen, wie die Faust aufs Auge. Wir haben die selben Interessen.. wir sind beide eher selten oder gar nie eifersüchtig. Alles perfekt." "Ich hätte nie gedacht, dass Spike eine ernsthafte Beziehung führen würde, und, wenn, dass sie mit jemandem anderen als Faye sein würde." "Ja, irgendwie scheine ich DER Liebesbeziehung schlechthin im Weg zu stehen. Immer wieder ein tolles Gefühl." "So meinte ich das nicht." "Aber so ist es doch. Ich hab da manchmal auch etwas Angst, dass er eigentlich auch so denkt. Ich glaube damit könnte ich nicht umgehen." "Also ich wurde selbst ja einmal betrogen. Ich weiß nicht, ob du es gehört hast." "Spikes Schwester.." "Genau.. und ich sollte ihr ja eigentlich weniger böse sein, weil sie krank ist, aber genau das macht mir zu schaffen. Es ist als ob ich nicht sauer sein dürfte, weil es genaugenommen nicht ihre Schuld ist. Das macht das Ganze nur schwerer, und die Ablenkung in Europa.. ist jetzt auch weg. Aber trotzdem komme ich klar." "Ich glaube aber nicht, dass Spike mich je betrügen würde, er würde so etwas nie tun. Das ist gegen seine Prinzipien." "Ich wollte dir nur sagen, egal was passiert, du wirst damit klar kommen. Du hast doch sicher deine Familie, die da hinter dir steht." "Genau genommen nein." Aaron war erstaunt, und leicht verwirrt. "Wie meinst du das?" "Meine Eltern sind beide gestorben, da war ich noch kleiner. Meine Schwester und ich sind bei meiner Tante aufgewachsen. Wir hatten immer ein sehr gutes Verhältnis, auch, nachdem wir ausgezogen waren, wir wohnten sogar anfangs noch zusammen." "Dann hast du doch deine Schwester?" Ich schüttelte den Kopf, so vehement, als ob ich damit die Wahrheit abschütteln konnte. "Sie liegt im Koma. Sie war in einen Autounfall verwickelt. Und seit drei Monaten liegt sie im Koma, die Ärzte sind sich sicher, dass sie es schafft, aber ich habe Angst, dass sie das nur sagen, weil sie Angst vor meiner Reaktion haben." "Ärzte dürfen dich da nicht anlügen. Wirklich, mach dir keinen Kopf, wenn sie dir sagen, dass sie aufwachen wird, dann wird sie das auch." "Aber, was, wenn sie dann anders ist?" Aaron nahm meine Hand und drückte sie einmal fest. "Hey, mach dir da wirklich keinen Kopf. Sie ist und bleibt deine Schwester, sie wird sich erinnern, mit dir reden, und ihr werdet wieder ein genau so gutes Verhältnis haben, wie davor." Ich zwang mir ein Lächeln auf, obwohl mir zum Weinen zu Mute war. "Würdest du mit mir hin fahren?" "Ja, wenn es das ist was du willst, gern." In dem Moment klingelte mein Handy, es war eine SMS von Spike: Ich brauche dich, ich habe Faulkner eingeredet, dass es nicht klappt. Danach ist Faye auf mich los. Sie hasst mich. Was soll ich nur tun? Ich hatte kein Platz für Faye, ich hatte meine eigenen Probleme, für die mein eigener Freund wegen seiner Ex keine Zeit zu haben schien. Ich löschte die SMS und stieg in mein Auto.
Spike
Warum antwortet mir Loreen nicht? Soll ich sie anrufen? Ja.. Ich wählte ihre Nummer und wartete. Sie ging nicht ran. Nach fünf Minuten, rufte ich erneut an - das selbe. Nach weiteren fünf auch. Erst bei meinem vierten Anruf, reagierte sie und hob ab. "Was ist?" "Hast du meine SMS nicht bekommen?" "Doch." "Also, was soll ich tun?" "Spike, bitte. Ich will nicht mehr mit dir über Faye reden. Versteh das!" "Bist du eifersüchtig?" "Nein, ich bin einfach sauer, du nutzt meine Geduld einfach nur aus. Hör bitte auf über oder mit ihr zu sprechen." "Sie hat das selbe von mir verlangt." "Dann tue das doch! Lass sie in Ruhe!" "Kannst du bitte kommen?" "Nein, ich muss was wichtiges klären." "Was denn?" "Ach, jetzt hast du aufeinmal Zeit, zu gucken, ob ich auch Probleme habe?" "Bist du sauer?" "Ja, habe ich doch schon gesagt. Melde ich erst, wenn du Faye aus deinem Leben gestrichen hast. Dafür habe ich keine Kraft mehr." "Es tut mir leid." "Ja mir auch." "Ich liebe dich." "Sag das erst, wenn du es wieder so meinst." "Aber das tue ich doch." "Nein, ich denke nicht, Spike. Ich denke nicht, dass du es tust. Zumindest glaube ich es nicht mehr nach den letzten Wochen, in denen du nur an Faye denken konntest. Also bitte, sag es nicht, wenn du es nicht so meinst." Und dann legte sie auf. Ich wollte noch einmal anrufen, ihr klar machen, dass sie falsch lag. Ich liebte sie ja, sie hatte mich glücklich gemacht, in einer Zeit, in der ich nicht einmal mehr selbst dran geglaubt habe. Wer könnte das schaffen, wenn nicht die Frau, die ich liebe?
Loreen
Wir waren im Krankenhaus angekommen, und saßen am Bett meiner Schwester. Dort lag sie, 5kg leichter als vor drei Monaten, blasser, und lebloser. Meine Schwester war sonst nie still. Nie. "Ihr seht euch ähnlich." "Es geht.." "Ihr habt beide ein sehr markantes Gesicht. Sehr schöne Gesichtszüge." "Wir sehen uns eig kaum ähnlich, wir sind nur beide Brünett, das erschafft die Illusion." "Wie heißt sie eigentlich?" "Vivien Loreen. Und sie ist zwei Jahre älter als ich." "Dein Name ist ihr Zweitname?" "Und ihrer ist meiner. Damit haben wir den anderen immer bei uns. Egal, was passiert." "Ich bin mir sicher, dass sie aufwacht. Nur für dich." Dann lächelte Aaron mich an, lange. Gerade wollte er was sagen, da klingelte mein Handy, und ich drückte erstmal weg. Auch die nächsten beiden Male, dann verließ ich doch kurz den Raum um doch noch mit Spike, der mich anrief, zu reden. Dann ging ich wieder in das Zimmer, wo meine Schwester lag. "War das Spike?" "Ja." "Denkst du nicht, du warst etwas grob?" "Ich? Er redet seit Tagen nur noch von seiner Ex. Der Ex, mit der er soviel erlebt hatte, und was weiß ich. Ich weiß, ich bin nicht immer ein typisches Mädchen, aber genau das bin ich. Ich habe auch Gefühle, ich glaube das vergisst er immer wieder zu gern. Er nimmt so vieles für selbstverständlich, er denkt, er kann machen was er will, ich würde nicht sauer werden. Aber so ist das nicht.. ich bin genau wie jeder andere Mensch auch, ich will geliebt werden, und Liebe geben. Und ohne Faye wäre es so einfach. Aber jetzt ist sie wieder im Bild, und ich habe einfach tierische Angst." "Es ist normal, dass du Angst hast." "Die will ich aber nicht haben, Aaron. Ich will stark sein, Angst haben ist schwach. Das will ich nicht sein." "Nein." "Nein?" "Angst zeugt von Gefühlen, und du hast einfach sehr starke für Spike, da ist es normal, dass du bei jeder Kleinigkeit Angst bekommst." "Aber Faye.. sie ist keine Kleinigkeit." "Soll ich dir mal sagen, was ich denke?" Ich nickte. "Spike liebt dich. Ende. Faye hin, Faye her. Er liebt dich. Und wenn nicht, dann trauern wir beide unseren Ex hinterher. Zusammen. Ist das ein Deal?" "Nicht der beste." "Aber gut genug." Ich weiß, er wollte mir nur helfen, aber ich glaubte einfach nicht daran, dass ich darüber hinweg kommen würde. Und Spike, er wusste das auch, ich hatte es ihm so oft gesagt. Ich hoffte er klärte Sachen wie diese nicht, wie seine Schwester.
Spike
Das Telefongesrpäch mit Loreen war jetzt einige Stunden her, um genau zu sein erst zwei, aber es fühlte sich nach mehr an. Nicht unbedingt von der Zeit, sonderm der Botschaft, die sie mir damit übermittelte. Undzwar, dass ich nicht genug an unsere Beziehung gedacht hatte. Ich musste mit ihr reden, sie sollte sich mich anvertrauen können. Also schrieb ich ihr eine SMS, in der ich sie bat, so schnell es geht, zu kommen. Es kam nur eine kurze und knappe Antwort, undzwar, dass sie in einer Stunde bei mir sein könnte. Also beschloss ich mich auf mein Zimmer zu gehen, und mich hinzulegen. Den Tag sacken lassen. Aber mich ließen so viele Dinge nicht los. Nicht nur das Erlebte der letzen Tage, sondern das, der letzten Wochen und Monaten. Ich war bereits mehrere Monate mit Loreen zusammen, wir unternahmen viel, und redeten viel, aber ich wusste nichts über ihre Familie. Und das kam mir erst jetzt komisch vor. Doch bevor ich diesen Gedanken vertiefen konnte, riss mich ein Geräusch aus den Gedanken. Es war ein Klopfen an meiner Tür. Aufgeregt ging ich auf sie zu, und öffnete sie, im Glauben es sei Loreen, doch jemand anderes stand vor meiner Tür. Es war Faye. Jetzt war ich nur noch verwirrt. "Was machst du hier, Faye?" "Ich will, dass du ehrlich bist." Ihre Stimme war kalt und man merkte ihr an, dass ihre Schmerzgrenze völlig ausgeschöpft war. "Ehrlich?" Durch ein Nicken, leitete sie ihre Antwort ein: "Warum hast du David gebeten das mit mir zu beenden?" "Er ist doch viel zu alt für dich. Und sein wir doch mal ehrlich.. das Ganze hätte doch nie-" doch bevor ich meinen Satz beenden konnte, kam sie näher und flüsterte: "Nichts weiter?" "Was willst du denn hören?" "Dass du immernoch etwas für mich empfindest." In mir keimten mehrere Gefühle zu gleich auf, und meine Reaktionszeit war nicht lang genug um eine rauszufiltern, die ich für geeignet fand. Stattdessen wurde eine per Zufall gefällt: Wut. "Faye, ich bin mit Loreen zusammen." "Ich weiß, aber das muss doch nichts heißen." "Faye, du hast selbst gesagt, dass du dich ändern willst, also lass mich mein Leben leben. Heute noch hast du gesagt, dass du mich hast, was für eine Rolle spielt es also überhaupt, ob und, wenn welche Gefühle ich für dich habe? Gar keine." "Ich hasse dich nicht. Das habe ich nur so gesagt. Ich war sauer, und bin es immer noch." "Auf mich?" "Ja. Du bist glücklich, du hast Loreen, und es funktioniert. Du bist einfach über mich hinweg.. aber ich? Erst ist da Noel, und es klappt nicht, und dann David, wo ich dank dir, nicht mal den Versuch wagen durfte." "Und das ist meine Schuld? Du hast dich damals gegen mich entschieden. Für mich völlig unbegreiflich. Also bitte, was willst du?" "Meine Chance!", mit voller Kraft schrie sie mich an. Dann schlug sie mit ihren Handflächen gegen meine Brust, während ihr dabei immer mehr Tränen die Wange runterlaufen. Ich wusste, ich hätte sie auf nette Weise sofort zurückweisen müssen, aber in mir gab es nun mal den Teil, der sich auch nach dieser Chance sehnte. Deshalb konnte ich nicht anders als sie in den Arm zu nehmen, und spürte, wie fest sich ihre Arme um mich schlingen und sie unregelmäßig gegen meine Brust atmete. Aber ich hatte ein schlechtes Gewissen, immerhin wollte ich Loreen nicht das antun, was Faye mir oder auch Noel angetan hatte. Ich wollte kein doppeltes Spiel spielen, also löste ich mich von ihr und setze mich aufs Bett. Und da saßen wir nun, ich auf dem Bett, sie auf dem Boden vor mir. Wir redeten nicht, berührten uns nicht, sahen uns einfach nur an.
Loreen
"Danke, dass du mich begleitet hast." "Keine Ursache." Ich war Aaron wirklich dankbar, endlich konnte ich jemandem mal meine Probleme anvertrauen und musste nicht dabei helfen, die anderer zu lösen. "Wirklich, du hast mir heute sehr geholfen." "Wirklich, ist kein Problem." Er lächelte mich schief an und umarmte mich. Als er sich von mir lösen wollte, drückte ich ihn noch näher an mich. Ich hatte Angst. Angst davor erneut allein zu sein. "Ich will nicht alleine sein." "Du bist doch nicht alleine." "Doch, genau das bin ich. Ich habe Spike, und das ist nicht einmal mehr sicher.. und meine Schwester, aber die kann mir momentan auch nicht helfen. Ich habe neimanden, und.." "Du kannst mich ruhig loslassen, ich bin trotzdem dein Freund." Also ließ ich locker, und löste die Umarmung. "Versprochen." Dann hielt er mir seinen kleinen Finger hin, und ich hielt ihm meinen hin, so dass wir den Fingerschwur vollzgen. "Bis bald." "Bis bald, Loreen." Sofort machte ich mich nun auf den Weg, und fuhr zu Spike. Seine Mutter öffnete mir die Tür, und dann stieg ich die zwei kleinen Treppen nach oben hinauf, und plötzlich stand ich dann auch vor Spikes Zimmer. Ich öffnete die Tür und konnte nicht glauben, was ich da sah. Spike saß auf seinem Bett, und Faye saß auf seinem Schoss, beide so sehr in einander vertieft, dass keiner mich bemerkte. Ich stand unter Schock, ich wusste weder was ich sagen, noch tun sollte. Also sah ich zu, wie Faye meinen Freund küsste, so wie ich es noch vor ein paar Stunden getan hatte. Erst jetzt merkte ich, dass Alex neben mir stand mit dem Telefon in der Hand, er informierte den Mann auf der anderen Seite der Leitung, dass er Spike ausrichten wird, dass er zurückrufen soll und legte auf. Dann schrief er auf "Was soll das werden?" Sowohl Spike als auch Faye erschracken, bemerkten Alex und mich und redeten wild durcheinander. Aber ich hatte keine Lust auf dieses Ganze Rumgeschreie, mittlerweile schrie Alex die beiden nur noch an. "Spike, ich will mit dir reden. Alleine." Ich wusste ja schon länger, was er wirklich fühlte, auch, wenn ich das nicht so glauben wollte. Trotzdem war ich einfach nur enttäuscht von Spike.
Spike
"Es tut mir leid, ich - ich hatte das nie geplant. Ich, Loreen, ich wollte dir das nie antun, ich weiß ja wie das ist." "Weißt du das wirklich? Erinnerst du dich noch? Wie konntest du das nur tun? Ich hatte dir eine Chance gegeben, hab geglaubt, du würdest diese nicht einfach so verschwenden. Ich hab dir von so vielen Leuten erzählt, die mri wehgetan haben, aber keiner war so schlimm wie du! Keiner war so scheinheilig wie du! Unglaublich, dass ich dir getraut habe, geglaubt habe, irgendwer wäre fähig mich so zu lieben wie ich bin, Interesse an meiner Person zu haben, gerne in meiner Nähe sein - alles Heuchlerei. Danke dafür." "Ich will nicht, dass das zwischen uns so endet." "Hat es schon, und du ganz allein bist daran Schuld, Spike." "Sei nicht so, du warst nie so." "Wie war ich nie?" "Naja.. so.." "Gefühlvoll? Wie ein ganz normaler Mensch? Gibt es irgendwelche Leute, die hier anders reagieren würden?" "Ich hab es." "Weil du ein Heuchler bist, und das Schlimmste ist, du siehst es nicht." Loreen war nie so zu mir gewesen. "Hör auf." "Nein, hör du auf! Ich habe es satt. Deine ganzen Lügen, als ob du nicht schon immer wusstest, was du fühlst. Und dann redest du auch noch so schlecht über Faye, dabei bist du kein Stück besser. Aber nur zu, ihr verdient euch." Dann holte sie ihren Autoschlüssel raus, und wollte den Weg nach Hause ansteuern. Sie öffnete die Tür und setze sich rein, doch als sie sie zumachen wollte, hielt ich sie auf. "Bitte, hass mich nicht." "Das tue ich nicht. Für mich existierst du nicht mehr. Ich bin fertig, ich habe es satt. Ich dachte, wenn ich selbst weiß, was passieren würde hier, würde ich mich anders verhalten, aber ich kann nicht. Ich will nicht an dir kaputt gehen, also lass mich einfach in Ruhe." Es fühlte sich leicht nahc Déja-vu an. "Du musst wissen, dass du mir viel bedeutet hast, es immer noch tust." "Lass die Tür los." "Ich will nicht das du gehst." "Mach dir nichts vor, du willst Faye. Sie und niemand anderen, so wie sie nur dich will. Ich stand da doch von Anfang an im Weg." Dann riss sie die Tür zu und fuhr los.
In meinem Zimmer standen immer noch Alex und Faye - keiner schrie mehr rum, sie schienen sich ausgesprochen zu haben. Alex gab mir zwar einen entäuschten Blick, als er mein Zimmer verließ, aber sagte nichts. "Ich wollte das nicht, Spike." "Dann wärst du nicht hergekommen. Du wolltest das doch. Genau das." "Ja, ich wollte dich. Das ist doch nichts verwerfliches." "Doch, dir war es mal wieder egal, wie es anderen dabei gehen würde." "Du bist mir das wert." "Ich weiß nicht, ob es mir das ist." "Aber du hast mich geküsst. Du hast mich geküsst. Nicht ich dich, denkst du nicht, dass ist Antwort genug?" Natürlich hatte ich sie geküsst, sie war schön, klug, voller Leben, sexy, süß - mein Traummädchen. Doch Loreen war das auch, und ich hatte einfach Angst, dass ich mich falsch entschieden hatte, wohl eher würde. Faye schien das gemerkt zu haben. "Wenn du mich nicht willst, warum hast du mich dann geküsst?" "Ich weiß es nicht, es fühlte sich richtig an in dem Moment, es war das Einzige was ich wollte." Faye trat an mich heran und küsste mich sanft. "Also ich bin mir jetzt sicher, ich will dich. Aber, ich versteh dich. Du musst dich sammeln. Ich warte." Doch das brauchte sie nicht, ich legte meine Arme um ihre Taille und verkroch mich an ihrer Schulter. "Ich denke wir sollten es einfach versuchen." Faye grinste über das ganze Gesicht und hüpfte auf und ab, und umarmte mich fest, dann küsste sie mich vorsichtig, und wurde in einer gleichbleibenden Geschwindigkeit schneller und intensiver. Dann legten wir uns ins Bett, Arm in Arm, und küssten uns weiter, doch mehr geschah nicht.
Loreen
Ich wollte so nicht nach Hause, also fuhr ich zu Aaron, und klingelte. Dass es schon zwei Uhr nachts war, interessierte mich nicht. Ich brauchte jemanden, und er hatte mir versprochen, da zu sein. Und tatsächlich, er öffnete mir dir Tür. Und all die Tränen die ich zurückgehalten hatte, fielen wie ein Wasserfall mein Gesicht entlang. "Ich hatte Recht. Er will sie. Sicherlich schon immer, ich war nur eine Notlösung, nicht? Ich.. wieso hat er das getan? Wieso.. hat.. er .. wieso?" Aaron nahm mich in den Arm. "Komm rein, du schläfst heute einfach bei mir. Mein Zimmer ist unten im Keller, du gehst schonn mal dahin, ich hol uns Kakao." Dann küsste er mich auf den Kopf und ging in die Küche. Derweilen begab ich mich in sein Zimmer. Es war ein großer einzelner Raum, nur kleine Fenster an der oberen Seite einer Wand. Die Wände waren eigentlich weiß, allerdings waren so viele Poster von Fußballern aufgehängt, dass man das kaum noch wahrnahm. Das Mobeliar bestand aus einem Bett, einem Schrank, eine Couch, einen Kaffeetisch und einen Billiardtisch. Viel Platz war ungenutzt. Aaron war runter gekommen und hatte zwei Kakao in der Hand. "Setzt dich aufs Bett, dann erzählst du mir alles, ja?" "Nochmal, danke."
Das Pech hatte mich bis nach Europa verfolgt. Nur ein paar Wochen, und schon war der Traum fürs erste vorbei. Verletzung. Das war das Wort das mein Leben in den letzten paar Wochen beschrieb. Sowohl seelisch als auch physisch war ich verletzt. Und wie aus dem Nichts gab es eine Person, die dieses Leid teilweise teilte, und mir somit irgendwie Mut machte. Loreen war da. Ich für sie. Sie für mich. Ich hatte nach langer Zeit eine Freundin gefunden, die genau das war was ich brauchte. Eine hilfsbereite und nette Person.
"Danke, dass du mich erneut begleitest. Ich will jetzt nicht alleine hin." Loreens Schwester war aufgewacht, und man hatte sie direkt kontaktiert. Aber da sie so große Angst hatte, sie würde sie nicht erkennen, begleitete ich sie. "Nichts zu danken." Dann wollten Loreen und ich das Zimmer ihrer Schwester betreten, doch jemand tippte mir auf die Schulter. Es war Raven. "Du bist wieder da?" Sie sah besorgt aus, was sich auch in ihrer Stimme bemerkbar machte. Sie war wackliger als sonst. "Ja. Erst seit ein paar Tagen. Du meintest ich sollte mich nicht melden, sonst hätte ich das natürlich." Das war natürlich eine Lüge, aber ich sollte sie in ihrem Zustand nicht angehen, sie war sicherlich labil. Loreen deutete an, dass sie bereits das Zimmer betreten würde, und ließ mich mit Raven allein zurück. "Was machst du eigentlich hier mit der Freundin meines Bruders?" "Du meinst wohl Exfreundin." Ravens Augen weiteten sich. Hatte ich etwas gesagt, was sie so nicht erfahren sollte? Die Situation war mir mehr als nur zu viel. "Ich dachte du wüsstest das bereits." "Nein, nein. Ich bin seit einiger Zeit wieder ganztägig hier. " "Tut mir leid, ich wusste nicht.." "Schon ok. Warum bist du wieder hier?" Das war die Frage die ich weder hören, noch beantworten wollte. "Lange Geschichte." "Ich muss los, hab jetzt meine Sitzung." "Viel Erfolg." "Danke.." Und dann ging sie schon wieder, und ließ mich so mit Erleichterung stehen. Noch mehr hätte ich nicht erwartet. Ohne Nachzudenken betrat ich das Zimmer von Loreens Schwester. Die saß an dem Bett ihrer Schwester und lachte und weinte zugleich. Alles war wohl gut gegangen. Von ihrere Freude überwältigt hatten beide mich nicht bermerkt, erst nach einer Minute fiel Loreen Blick auf mich. "Hey, Aaron. Das ist Vivian. Meine Schwester." Vivian drehte sich zu mir um, und lächelte, als ob nichts gewesen wäre. Sie streckte ihre Hand aus und sagte: "Freut mich sehr." Ich schüttelte ihre Hand vorsichtig und erwiderte ihr 'es freut mich sehr'. "Soll ich vielleicht doch raus, ihr habt sicher viel zu bereden." "Nein, bleib ruhig. Das meiste hab ich schon erzählt. Alles andere will ich nicht in diesem hässlichen Raum besprechen." Ich setze mich auf den einzigen Stuhl im Zimmer und schaute den beiden zu, wie sie voller Freude miteinander sprachen. Sich austauschten. Es freute mich, dass für Loreen alles gut lief. "Aaron? Kann ich dich was fragen?" "Klar." "Musst du direkt schon wieder zur Schule, oder hast du frei?" "Eine Woche, mehr konnte mein Vater nicht rausholen, warum?" "Könntest du die erste Woche zu mir kommen? Ich will nicht dass Vivian alleine ist, und ich muss bald wieder mehr arbeiten." "Kann ich machen, ist gar kein Problem." "Danke, Aaron."
Und so kam es, dass ich meine Sachen packte und für einige Zeit in Loreens Wohnung zog. In der lebte sie angeblich mit ihrer Tante zusammen, doch das war nur auf dem Papier so. In Wahrheit wohnte sie alleine. Die Wohnung hatte ein relativ großes Wohnzimmer, eine kleine Küche, ein kleines Badezimmer und ein kleines Schlafzimmer. Genug für eine Person, und sicherlich auch ein Schwesternduo. "Also du bist Aaron. Woher kennt dich Loreen überhaupt?" "Sie war mit dem Bruder des besten Freundes meiner Schwester zusammen." Vivian zog die Brauen hoch und lachte kurz. Es war unvorstellbar, dass so ein junges und lebendiges Mädchen wochenlang ohne Bewusstsein rumlag. Unvorstellbar war das. Während ich in Gedanken versunken war, sprach Vivian eine Weile, als sie merkte, dass ich nicht zuhörte schubste sie mich leicht. "Hey! Zuhören!" "Sorry, ich hab nachgedacht." "Worüber?" Sollte ich ehrlich sein? "Über deine Situation. Also.." "Das Koma?" Ich nickte mit gesunkenem Blick - irgendwie war mir das etwas unangenehm. "Sprich es ruhig aus, meine Psychologin meinte, ich soll es nicht verneinen, ich muss damit lernen umzugehen. Umso eher, desto besser!" "Ich war mir nicht sicher. Ich will ja nicht nochmal schuld sein, dass was schlimmes passiert." "Nochmal?" "Meine Ex-Freundin hatte da so ein Problem, irgendwie fühle ich mich dafür verantwortliich, und dafür hasse ich sie schon fast." "Das ist aber keine schöne Situation." "Das ich sie hasse?" "Nein, dass du dich verantwortlich dafür fühlst. So Krankheiten sind tief verankert, sie sind lange da, du warst eventuell der Ausläser, aber schuld bist du an nichts. Glaub mir da." "So habe ich das noch gar nicht gesehen." "Solltest du aber so sehen." Sie setze sich neben mich aufs Bett. "Sag mal, wie alt bist du?" "17. Bald 18." "Echt? Du siehst viel älter aus, aber als meine Schwester meinte, du gehst noch zur Schule, war ja klar, dass du jung sein musstest." "Jung? So jung ist das doch auch nicht." "Naja, ich bin 21. Oder.. ja, doch. Hatte noch nicht Geburtstag. Das sind immerhin vier Jahre Unterschied. Normalerweise hänge ich ja nicht mit Teenagern rum. Aber meine Freunde sind mittlerweile alle umgezogen, studieren dort und da.." "Wenn du willst kann ich auch gehen." "Nein! So war das nicht gemeint." Sie legte ihre Hand auf mein Knie und gab mir einen kleinen Schubser. Sie war genau so wie Loreen, einfach aufgeschlossen, und ehrlich. Und, wenn ich ehrlich bin auch wunderschön. Und fast, als hätte sie mich gehört, referierte sie zu ihrem Aussehen. "Ich muss dringend was mit meinen Haaren machen, färben, schneiden. Ich seh ja furchtbar aus. Und meine Augenbrauen.. willst du mir helfen?" "Ich bezweifle, dass ich das kann." "Ach, komm. Du hilfst mir." Also liefen wir in den Supermarkt, kauften Farbe und eine Schere - eine Pinzette hatte Loreen schon zu Hause. "Traust du mir das echt zu, Vivian?" Sehr laut und überzeugt schrie sie "ja". Zuerst färbten wir ihre Haare, erst Farbe auftragen, dann einziehen lassen. Währenddessen zupfte sie sich die Augenbrauen und entschied sich dann dazu, ihre Haare auf Schulterlänge zu schneiden. "Bis zu den Schultern schneidest du sie einfach ab. Hab keine Angst, du kannst da gar nicht viel falsch machen!" Und dann schnitt ich ihre Haare, Haar für Haar, bis alle die selbe Länge erreicht hatten. Und sobald ich fertig war, stand sie auf, und schaute sich im Spiegel an. "Wow. Wie anders man aussehen kann. Danke, hast du echt gut gemacht!" "Warst du schon immer so positiv drauf?" "Klar! Ich hab ein Leben, das will ich nicht mit nutzlosen Emotionen wie Traurigkeit verschwenden. Und nachdem Koma werde ich mir auch überlegen, ob ich jemals wieder schlafen will." Ich wusste nicht, ob ich jetzt lachen sollte, aber ich konnte nicht anders, denn sie rief in mir nunmal diese Gefühle hervor: Freude.
"Oh mein Gott, was habt ihr gemacht? Friseur gespielt?" Nach ein paar Stunden war auch Loreen wieder zu Hause. Und sie war echt schockiert. "Aaron, hast du das gemacht?" "Ich hatte auch nicht so viel Talent erwartet. Aber sag's ruhig: es sieht gut aus!" Und erneut sah ich zwei Schwestern zu, wie sie miteinander kommunizierten. "Ich wollte nur sagen, dass ich relativ schlechte Nachrichten habe. Ich muss heute die Nachtschicht übernehmen. Also musst du heute hier bleiben, okay?" Ich willigte ein, und half den beiden beim Kochen. Es gab Nudelgratin. "Gut, dann essen wir jetzt noch zusammen, und danach bin ich weg." Nach einer halben Stunde standen Loreen und ich an der Tür. "Sag mal, wie geht's dir eigentlich? Ich mein, wegen Spike." "Nett, dass du fragst! Ich kann dir da nicht viel zu sage. Ich mein, ich hab ihn seitdem nicht mehr gesehen, vor allem nicht mit Faye.. deshalb geht es mir noch gut. Aber ob es noch so wäre, wenn ich sie erstmal gesehen habe.. ich habe wirklich keine Ahnung." "Du kannst jederzeit mit mir reden, ja?" "Ich weiß." Dann küsste sie mich auf die Wange und verschwand in der Dunkelheit des Hauslflurs.
Später lagen Vivian und ich zusammen auf der Couch und schauten uns einen x-beliebigen Film an. "Magst du meine Schwester nur freundschaftlich?" War das ihr Ernst? "Ja, da ist nicht mehr. Weder für sie, noch für mich." "Ich wollte ja nur nachfragen. Du scheinst mir eh nicht der Typ, der gute Mädchen erkennt." "Ja, das kann gut sein. Zumindest, wenn man meine einzige Freundin bisher sich anschaut." "Du hattest nur eine Freundin?" "Das war das einzige mal, dass ich was ernsthaftes wollte. Aber das war alles eine einzige Kathastrophe. Davor war ich nur an Sex interessiert." "Ich hatte noch nie was ernsthaftes. Bisher war keiner dabei, wo ich mir so dachte: mit dem hälst du es länger als eine Woche aus." "Dann ist ja gut, dass ich nicht länger hier bin." "Ich bin ja auch nicht sexuell an dir interessiert. Spätestens seitdem ich weiß, wie alt du bist. Nicht einmal 18.." "Genaugenommen bin ich das in drei Stunden schon." "Du hast morgen Geburtstag?" "Ja." "Und du sitzt hier mit mir?" "Ja, ist doch kein Ding." "Du und dein 'ist doch kein Ding'. Du kannst doch nicht so sehr auf andere Rücksicht nehmen." "Ich will keinen enttäuschen, nicht mehr, seitdem ich es wurde." "Das eine Mädchen hat es dir echt angetan, oder?" Ich zuckte mit den Schultern - natürlich war es so, aber eingestehen wollte ich es weder mir noch anderen.. "Was war denn das besondere an ihr?" "Sie hat sich genommen was sie wollte. Sie war eine Herausforderung." "Das trifft auf die meisten Mädchen zu." "Für mich war davor keine eine Herausforderung. Ich brauchte nur in die Richtung eines Mädchen schauen und fünf Sekunden später waren wir am Rummachen." "Womanizer!" "Ich will aber auch gar nicht darüber reden." Vivian rückte näher an mich, und sprach ganz leise zu mir: "Zeig mir, wie du sie rumkriegst." Dann grinste sie mich an, und mir entwich ein schiefes Lächeln. "Wirklich?" Mit großen Augen, nickte sie mir zu.
Ich nahm eine ihrer Haarsträhnen und legte sie hinter ihr Ohr. Dann kam ich näher und flüsterte in ihr Ohr: "Meistens reicht das schon." Und dann lachte ich laut, genau wie sie. "Und, was wenn nicht?" Ich nahm ihre Beine und legte sie über meinen Schoß. Dann legte ich meine Hand auf ihre Oberschenkel und fuhr mit meiner Hand bis zu ihren Füßen und massierte diese. Man hörte wie Vivian ihr Lachen zurückhielt. Dann führte ich meine Hände zu ihrer Taile und führte sie auf meinen Schoss. Und dann saß sie da auf meinem Schoss, mit der Hand vor ihrem Mund, um ihr Lachen zurückzuhalten. Dann legte ich ihre Arme um meinen Hals und legte meine Hände auf ihre Taille. "Normalerweise würde ich jetzt einfach probieren, das Mädchen zu küssen." Sie kam mit ihrem Mund ganz nah an mein Ohr und flüsterte entscheidende Worte: Dann tu es. Und ich wollte es auch, wirklich, aber ich wusste nicht, ob es einfach Ironie war, aber was wenn nicht? Sollte ich es wagen? Erneut strich ihr ein paar Strähnen aus dem Gesicht und sah ihr in die Augen. Immernoch hielt sie ihr Lachen zurück, ein Zeichen, dass es doch nur ein Witz war. "Ein ander Mal." Doch bevor ich sie von meinem Schoss verscheuchen konnte, lehnte sie sich nach vorne und küsste mich auf die Wange. "Wenn ich jünger wäre, wäre ich auch drauf reingefallen!" "Die meisten sind einfach gestrickt, egal, was sie sagen!" "Das ist aber nicht nett.." "Wir sind ja auch einfach gestrickt. Überrascht uns, seid anders, und schon wollen wir euch." "So ist das also." Von der ganzen Aufregung gerade war ich müde geworden, genau wie Vivian. Also machte ich gerade die Couch fertig, als Vivien mit den Augen rollte. "Ach komm, wir schlafen zusammen in Loreens Bett. Du bist ja bald erwachsen, du packst das." Und dann lagen wir da, und ich konnte nicht schlafen, und Vivian anscheinend auch nicht, denn irgendwann umarmte sie mich von hinten und wünschte mir Alles Gute. "Danke." "Kein Ding." "Ganz lustig!" Und wir lachten, bis uns dann doch der Schlaf einholte.
Als ich am nächsten Morgen aufwachte, stand Vivian mit Loreen zusammen in der Küche. Zumindest nahm ich das an, immerhin roch es ziemlich nach Kuchen. Also stand ich auf und lief in die Küche. Vivian lief auf mich zu und umarmte mich, und grinste mich an. "Nochmal alles alles Gute, Aaron." Verwundert sah ich zu Loreen rüber, die nur ihre Schultern hoch zog. "Wir haben Kuchen gebacken, später kommen paar Leute vorbei." "In diese kleine Wohnung?" Mit großen Augen bewegte Vivian ihren Kopf nach oben, und dann nach unten. Ich ließ von ihr ab, und ging rüber zu Loreen, diese legte ihren Arm um meine Schulter flüsterte leise "Happy Birthday, Aaron." "Danke. Das wäre aber alles gar nicht nötig gewesen, ich feier meinen Geburtstag eigentlich nie großartig." Als ob ich gerade das Schlimmste auf der Welt gesagt hätte, schrie Vivian auf und gab mir einen leichten Klapser auf die Schulter. "Wie kann man seinen Geburtstag nicht feiern?" Loreen lachte aus vollem Herzen und war voller Freude - dabei schaute sie unentwegt ihre Schwester an. Es machte sie tatsächlich glücklich, und zweifelslos hatte ich sie noch nie so glücklich gesehen.
Später dann, als alles vorbereitet war, und wir auf die ersten Gäste warteten, wollte ich Loreen dann doch noch mal auf Faye und Spike ansprechen. Mir schien es, als ob sie es verdrängt hätte, und das würde nicht gut enden. "Loreen?" "Was ist?" "Ist bei dir alles in Ordnung?" "Ja, meine Schwester ist da, und in dir hat sie auch schon den ersten Freund hier gefunden, was sollte ich da mehr wollen?" "Also ist Spike kein Thema mehr?" Einen kurzen Moment, genau der, in dem Spikes Name fiel, fiel ihr Blick auf den Boden und ihre Maske zerbrach. Aber noch in dem selben Moment setzte sie ein breites Grinsen auf und schüttelte für gefühlte Stunden den Kopf. "Ich hab ihn sogar eingeladen, er kann machen was er will - mit wem er will." "Und was ist, wenn ich dir das nicht glaube?" "Dann ist das nicht mein Problem." "Loreen, bitte. Du kannst mit mir reden?" "Darüber reden? Was wird reden ändern? Gar nichts. Ich werde einfach so leben, wie ich es habe, bevor es einen gewissen Spike in meinem Leben gab." Ein kurzes Lachen entwich mir, da sie mit ihren Fingern um den Namen Spike Anführungszeichen gemacht hatte. "Was wäre das denn?" "Was mir gefällt, das hole ich mir. Und mir gefällt weder viel, noch gefällt es mir lang." "Ich verstehe." Das sollte es also sein. Belangloser Sex. Das würde ihr also helfen. Und obwohl ich jetzt gern sagen würde, dass ich das nicht glaube, sah es aber genau nach dem aus, was sie brauchte. Und vielleicht hätte ich das auch gebraucht. Brauche es noch. Aber nur vielleicht. "Hast du auch Raven eingeladen?" "Nein." "Dann mach das." "Ich glaube nicht, dass das das Richtige für.." "Vertraue mir."
Die Party war in vollem Gange. Alle waren da: Faye, Alex, Noel, Jill.. und auch eben Raven. Und ich wollte einfach so schnell es geht noch mit ihr reden, und ich hätte das im Nachhinein lieber nicht tun sollen, aber ich bin auch nur ein Mensch, und ich hatte Frust - Frust, der raus musste. Ich lief also auf sie zu, und tippte ihr auf die Schulter. Sie drehte sich um, und sah mich mit starrem Blick an, und auch ich konnte für einen Moment nichts sagen, es war lange her, dass wir uns so nahe standen. "Alles Gute zum Geburtstag." "Danke." Ich wollte ganz sicher keinen Geburtstagswunsch. Ich wollte reden. "Kannst du kurz mit raus kommen?" Nervös nickte sie zu, und folgte mir nach draußen. "Ich weiß, was du willst. Aber ich kann dir direkt sagen, ich brauche noch Zeit, Aaron." Ich verstand nicht ganz, also ließ ich sie reden. "Loreen hat mir gesagt, dass du mich unbedingt hier haben wolltest. Aber ich kann nicht. Es ist zu früh." "Moment... was denkst du, was ich will?" "Na eine zweite Chance, dass wir wieder.." Und ohne, dass ich es wollte, lachte ich kurz laut auf und verdrehte meine Augen. "Glaub mir, das will ich ganz sicher nicht." "Aber.. dein Brief." "Mein was?" "Du hast mir einen Brief geschrieben, erst vor kurzem." "Ich habe.. Raven, es gibt keinen Brief." Ihre Augen weiteten sich, und mit beiden Händen hielt sie sich am Kopf. "Raven, Raven, Raven.." war das Wort, das sie nun immer wieder leise vor sich hin sagte, dann beginn sie mit ihren Händen Fäuste zu bilden und sich auf den Kopf zu schlagen. Immer härter, fester, öfter, schneller. "Raven, hör auf!" Aber sie schien nichts zu hören. Dann packte ich sie an den Armen und sie begann zu schreien und auf mich einzuschlagen. "Lass mich los!" "Was ist los mit dir?" Und aprubt hörte sie auf was zu sagen oder tun, sie starrte nur emotionslos in mein Gesicht. Und urplötzlich fing sie an zu lachen, aber nicht so, wie ich es von ihr kannte, sie erinnerte mich mehr an den Joker, einen Psychopathen. "Raven, was ist los?" Und dann weinte sie und ich kam mir einfach nur scheiße vor, dabei hatte ich ihr nicht mal gesagt, was ich wollte, aber sie schien nicht in der Lage zu sein dies zu verarbeiten. "Komm, wir suchen Alex." Und erneut nickte sie schnell auf und ab und folgte mir. Als wir Alex dann gesucht hatten, war er total verwundert. "Sie sollte gar nicht hier sein. Sie darf nicht raus, hast du sie eingeladen?" Ich nickte. "Aaron, sie hat Probleme, das hier ist nicht der Ort für sie. Noch nicht." "Was ist denn los mit ihr? Keiner kann mir dazu was sagen." "Amy wird dir das noch erzählen, ich muss Raven jetzt erstmal hier raus schaffen. Hab noch 'nen schönen Restgeburtstag."
Nach der Sache mit Raven hatte ich mich ins Bad gesetzt und einfach nur versucht nachzudenken, und überraschenderweise dauerte es sehr lange, bis jemand den Weg ins Bad fand. Als es dann endlich jemand tat, war es Loreen. Sie war nicht allein. Ein schlankes aber sportliches Mädchen hatte Loreens Zunge im Hals. Völlig in ihrem Tun vertieft, bemerkten sie mich gar nicht - und total überrascht saß ich erstmal da und konnte nicht glauben was ich sah. Loreen schloss ohne zu gucken hinter sich die Tür, und zog dem Mädchen die Jacke aus, dabei ließ sie nicht von ihr ab. Und kurz bevor noch mehr Hüllen fielen, hustete ich demonstrativ und machte auf mich aufmerksam. Loreen ließ endlich von dem Mädchen ab und schaute mich an. Sie lachte mich an, dann fing sie an zu lachen, genau so wie es eben noch Raven getan hatte. "Hey, Aaron. Das ist.." Sie schaute das Mädchen mit zusammengekniffen Augen an. "Charlotte.", sprach das Mädchen, schnappte sich seine Jacke und verschwand aus der Tür. Loreen leckte sich die Lippen und verschrank die Arme. "Du hast mir voll die Tour versaut." "Ich wusste nicht, dass du.." "Ach, ja, wir kennen uns ja gar nicht so lang. Also nicht so lang so gut, so lang?" Loreen faselte dann noch ein paar Worte vor sich hin, die keinen Sinn machten und lachte dann einmal laut auf. "Hast du getrunken?" "NATÜRLICH!" "Loreen, lass dich doch nicht so gehen." "Du hast mir die Tour vermiest. Aber richtig, Aaron." Dann kam sie näher und verpasste mir eine Ohrfeige. "Wofür war die?" "Dafür, dass du mich dazu gebracht hast, Spike einzuladen." "Ich habe dich dazu gebracht?" "Du hast mit mir über ihn geredet, und ich wollte beweisen, dass ich über ihn weg bin." "Du meintest doch, du hast ihn eingeladen." "Das war erst danach." "Du musst mir doch nichts beweisen. Und auch sonst niemandem." Ich nahm sie in den Arm. "Es ist normal verletzt zu sein. Du hast ihn geliebt, tust es sicher immer noch. Das braucht alles Zeit." "Ich glaube, deshalb wollte ich das von vornerein nicht. Das ist doch alles nur völliger Schwachsinn, man tut sich bei dem ganzen Scheiß einfach nur weh. Früher oder später kommt der Schmerz immer." "Sei nicht so pessimistisch. Es gibt auch Leute, bei denen klappt es." "Ach ja? Nenne mir ein Paar." "Nur, weil wir keines kennen, heißt es nicht, dass es keins gibt."
Wir saßen noch einige Zeit im Bad und sprachen über vieles. Sie war ganz offen, erzählte mir davon, wie sie sich nie schön fühlte, wie sie sich einfach jedem hingab und so vor sich hin lebte. Wie Spike ihre Hoffnung darstellte, und diese jetzt zerbrochen war. Wir redeten noch viel darüber, auch ein wenig über Raven, über alles. Wir waren in kurzer Zeit sehr gute Freunde geworden, und ich glaube wir beide brauchten das. Irgendwann öffnete sich die Tür und Faye stand dort. Beschämt schaute sie uns an. "Ich wusste nicht, dass ihr hier seid." Mit kalter Stimme antwortete Loreen ihr: "Schon ok. Wir gehen, dann kannst du rein." "Es tut mir leid." "Ich weiß." Erwartungsvoll schaute Faye sie an. Aber Loreen ging an ihr vorbei und flüsterte ihr ins Ohr: "Es ändert nichts daran, was du gemacht hast. Mir angetan hast. Erwarte nicht, dass ich dir das verzeihe." Und dann ging sie ohne sich noch einmal umzudrehen, und Faye stand sprachlos vor mir. Auch ich ging an ihr vorbei und sehnte mich nur nach dem Ende der ganzen Party, besonders toll fühlte sich der Tag nämlich nicht an. Und ich hatte Glück, das ganze Spektakel hielt nur noch zwei Stunden. Loreen war direkt ins Bett gegangen, Vivian und ich räumten den ganzen Müll zu zweit auf. "Sag mal, wer war denn das hübsche Mädchen mit dem du raus gegangen bist? Lief da was?" Vivian zwinkerte mir belustigt zu, während sie alle Pappbecher aufhob. "Meine Ex-Freundin, die anscheinend psychisch krank ist." Vivian nahm wohl an, dass es ein Witz war, denn sie lachte, und obwohl es total unangemessen war, lachte ich mit. Es klang einfach total bekloppt. Wie aus irgendeiner schlechten Soap gefischt. "Leider ist das die Wahrheit." "Oh. Oh, mein Gott. Ich wusste das nicht, tut mir leid." "Nicht schlimm, woher solltest du das auch wissen." "Was ist denn passiert?" "Lange Geschichte." "Dann frage ich lieber nicht nach Details. Naja, so hübsch war sie auch nicht." "Versuchst du mich gerade aufzumuntern?" "Nun ja, ja.." "Nett von dir, aber brauchst du nicht. Ich, also mir geht es gut. Ich bin darüber hinweg." "Warum wolltest du dann mit ihr reden?" "Ich wollte die Aussprache, die jeder nochmal hat. Ich brauchte sie." "Die Aussprache oder diese Ex-Freundin." "Das erste. Ich will keine Freundin." "Ach, komm. Du bist jung, wenn nicht jetzt, wann dann?" "Warum angelst du dir dann niemanden?" "Wer sagt, ich habe das nicht?" Sie hob provokant ihre Brauen hoch, und dann wieder runter. Dann machte sie die Musik an und tanzte. "Es ist mitten in der Nacht, die Nachbarn." Aber sie schien es nicht zu interessieren, sie tanzte durch das Wohnzimmer und sagte für lange Zeit nichts. "Ich habe natürlich nicht, immerhin waren alle etwas jung, aber ich hätte gern." "Was genau?" "Pscht. Jetzt wird getanzt." Sie hatte die Augen geschlossen, aber wusste trotzdem wo ich war und griff nach meinen Händen. Dann legte sie meine Hände um ihre Taille und drehte sich um, nun standen wir Rücken zu Bauch zueinander. Ihre Hüfte bewegte sich von links nach rechts, und von rechts nach links. Als ich meine Hände von ihr nehmen wollte, flüsterte sie "nicht." zu mir. Dann streckte sie ihre Arme nach oben aus und bewegte ihren gesamten Körper passend zum Rhytmus der Musik. "Mir fehlt die Nähe." Ich wusste, dass es nicht ich war, wonach sie sich sehnte, sondern das Gefühl, wenn man jemandem nah ist. Aber ich hätte ausnahmsweise kein Problem gehabt, ausgenutzt zu werden. Aber im selben Moment war mir klar, dass sie das nicht tun würde, sie war ein herzensguter Mensch, das konnte ich jetzt schon sagen. "Weißt du Aaron, du denkst sicher, ich bin verrückt, aber das hier beruhigt mich. Nimmt mir die Angst." "Angst? Vor was?" "Es war nie einfach ich zu sein, vor allem jetzt nicht, weißt du. Ich habe Angst, wieder zu lange zu schlafen." Sie drehte sich mit dem Gesicht zu mir, und legte ihren Kopf auf meiner Schulter ab. "Und irgendwie nimmst du mir die Angst, deshalb wollte ich, dass du neben mir schläfst gestern." "Kein Problem." "Ich denke schon das es eins ist." Ihre Stimme wurde leiser, die letzten Worte waren nur noch ein leises Echo. "Ich glaube ich mag dich, Aaron." "Warum ist das ein Problem?" "Du bist so viel jünger, eigentlich sollte das doch ein Problem sein." "Es sind nur drei Jahre, Vivian." "Es gibt noch ein anderes Problem, ein größeres." "Das da wäre?" "Ich kenne dich doch eigentlich gar nicht, wie kannst du mir dann so viel geben? Das Gefühl von Geborgenheint und Sicherheit?" "Das weiß ich nicht." "Eben. Das macht mir Angst." Ich wollte ihr irgendwas sagen, irgendwas, was ihr diese Angst nahm, aber was könnte das nur sein? "Angst zu haben ist es, was einen menschlich macht. Und jetzt musst du dich entscheiden, ob du dich dem ganzen stellst oder nicht." Dann schaute sie hoch und nahm mein Gesicht mit ihren Händen und führte es nah an ihres. "Hast du denn keine Angst?" "Doch, aber mir gefällt diese Angst." Und dann küssten wir uns. Es war ganz sanft, als ob sie buchstäblich Angst vor mir hätte und einen gewissen Schutzabstand einhalten müsse. Dann schaute sie mich an. "Ich wünschte das würde klappen." Und ging zu Loreen ins Zimmer und ließ mich sprachlos zurück.
Raven war gar kein Thema mehr. Nein. Ich hatte mir ihr abgeschlossen - doch schwupps.. kaum war es soweit, stand schon die nächste in meinem Blickfeld: Vivian. Und ich wusste jetzt, dass sie mich mochte, ich wusste aber auch, dass irgendwas sie davon abhielt mich so zu mögen, wie sie es wollte. Da war etwas in ihr, was ihr von mir abriet, und dieses etwas war es, was ich nun zerstören müsste. Denn ich hatte nun mal vom Kuchen probiert, da will ich auch mehr als nur einen Krümmel, und auch mehr als nur für eine Sekunde.
189 Tage ist es her. Das entspricht 27 Wochen, 6 Monaten.. oder eine vielaussagendere Zahl: 272160 Minuten. So lange hielt der Schmerz an, so lange trug ich die Angst in mir. Und trage sie immer noch in mir. Natürlich, man will mir helfen, ob meine Psychologin, meine Mutter oder Cole.. aber ich weiß gar nicht, ob Hilfe das ist was ich brauche. Ich will vergessen, es darf nie passiert sein..
"Annie?" Ich schaute Mrs.Burton in die Augen, und fragte mich, ob sie wirklich von ihrem Beruf überzeugt war. Denn für mich war sie nicht in der Lage diesen auszuüben. Das einzige was sie ständig tat, war mir Fragen zu stellen. Ich weiß nicht wo das hin führen soll, aber bisher führte es zu nichts. Alles war noch genau wie an dem Tag. Ich hatte Angst. Ich machte mir Sorgen, und ich fühlte mich nicht sicher. Und nichts - fast nichts gab mir Sicherheit. Nur Cole, er ist es, der mir das gibt, was dem Gefühl von Sicherheit am nächsten kommt. Er fragte mich nicht irgendwas dazu, er wusste, dass mich das nur unnötig erinnerte an qualvolle Sekunden, er sprach mir Mut zu, und versuchte wirklich mir zu helfen.. Dafür war ich auch dankbar, aber es ist nicht genug. Er alleine kann mir da nicht raushelfen. "Annie, ich habe dich was gefragt." "Sollen ihre Fragen auch irgendwo hin führen? Ich möchte nichts mehr dazu sagen. Ich bin es leid, ich sitze hier seit Monaten rum und sie können mir einfach nicht weiterhelfen." "Annie, bitte." "Und hören sie auf meinen Namen zu sagen, das kann ich genau so wenig hören." "Warum?" "Nein, keine Fragen mehr." Wie ein kleines Kind verschrenkte ich meine Arme und schaute sie trotzig an. "Du kannst nicht erwarten, dass wir das alles in kurzer Zeit verarbeiten können." "Wir sind keinen Schritt weiter, ich habe immer noch Angst. Genau so sehr wie an dem Tag. Ich habe immer noch Schuldgefühle, ich.. zwei Leute sind tot. Und was mit dieser Moira ist, will mir auch keiner sagen. Wie soll ich mich denn da sicher fühlen?" "Haben wir nicht geklärt, dass es nicht deine Schuld ist?" "Ach, haben wir das? Wirklich? In meinen Augen bin ich schuld, ich wusste, dass dieser Psychopath nicht mein Bruder war, und anstatt die Polizei zu informieren, habe ich es ihm gesagt, so kam doch erst alles ins Rollen. Da soll ich mich nicht schuldig fühlen?" "Glaubst du nicht, dass, dieser Psychopath, wie du ihn nennst so oder so getan hätte, was er vor hatte?" "Ich werde jetzt gehen." "Die Sitzung ist nicht vorbei." "Ich habe Ihnen gesagt, dass ich keine Fragen mehr will, ich will Antworten." "Die kann ich dir nicht geben." "Dann will ich auch nicht hier sitzen." Ich nahm meine Jacke, und verließ den Raum, dann das Gebäude und setze mich draußen auf die Bank und wartete auf meine Mutter. Dabei zuckte ich jedesmal zusammen, als jemand hinter mir vorbei ging oder vor mir. In jedem sah ich eine potentielle Gefahr. Moira war sicher nicht die einzige, die Leon da mit reingezogen hatte. Da war ich mir einfach sicher. Und was mit Moira war, wusste ich auch nicht.
Als meine Mutter mich endlich abholte und wir im Auto saßen, verspürte ich den Drang sie zu fragen, was mit Moira war. Aber ich wollte sie nicht an Dinge erinnern. Nicht an den Mann, denn sie geliebt und verloren hat. Oder den Sohn, zu dem sie keine Bindung aufbauen kann, ohne zu fürchten, es passiert was. Jan war zwar ihr Sohn, der Test hatte das ergeben, und somit war er mein Bruder, aber er war seitdem nur zweimal da. Ich glaube er fühlte sich genau so schuldig wie ich, und sicherlich auch meine Mutter. Und obwohl ich Angst hatte, wollte ich ihn bei uns haben. Vielleicht war er ja die Hilfe, die ich brauchte. Und vielleicht konnte er mir helfen. "Ich will mit Jan reden." Meine Mutter schluckte kurz und sah mich an. "Du kannst ihn gleich anrufen." Dann zwang sie sich ein Lächeln auf und blickte wieder auf die Straße. "Nein, ich will mit ihm reden. Ich will, dass er Teil dieser Familie wird." "Ich.. Annie, ich glaube nicht, dass ich das kann." "Aber ich glaube, dass wir das brauchen, wie sollen wir sonst jemals damit abschließen?" "Was sagt denn Mrs.Burton dazu?" "Die weiß davon nichts, aber die weiß von überhaupt nichts etwas." "Was willst du..?" "Was ich damit sagen will? Sie ist keine Hilfe. Gar keine. Und ich brauche aber Hilfe. Unbedingt. Und Jan.. er scheint diese Hilfe zu sein." "Ich muss dieses Wochenende weg, dein Vater kommt um auf dich aufzupassen, du kannst Jan fragen, ob er auch bleiben will." "Du willst ihn nicht sehen?" "Das kann ich nicht, Annie. Und du weißt das." "Aber er ist dein Sohn, und du meintest, dass du ihn hier haben willst." "Manchmal sage ich Dinge, die unüberlegt sind. Manchmal.." "Bist du einfach ein Weichei." Und damit hatte ich sie getroffen. Sie sagte ncihts mehr zu mir, das einzige was sie tat, sie gab mir Jans Nummer. An dem Abend kam dann auch schon mein Vater, und meine Mutter war weg, ohne sich zu verabschieden. "Wie geht es dir denn, Annie?" "Könnte besser sein." "Du wirst das schon überstehen." "Ja, ich weiß, Dad. Aber ich will es nicht einfach nur überstehen, ich will es schnell überstehen." "Das wird denke ich nicht möglich sein." "Das ist ja das Problem."
Am nächsten Morgen sollte Jan auftauchen, doch das erste Klingeln an der Tür offenbarte ein ganz anderes Gesicht: Cole. Er küsste mich, und schob sich an mir vorbei in das Wohnzimmer zu meinem Vater um ihn zu grüßen. Das war das erste Mal, dass die beiden sich sahen, beziehungsweise, dass sie miteinander sprachen. Aber sie waren schnell auf einer Wellenlänge und unterhielten sich, während ich ungeduldig auf die Uhr schaute und wartete. Nach einer Stunde, war das Warten dann vorbei. Jan stand an der Tür. Und obwohl ich glücklich war, ihn zu sehen, und er mein Bruder war, konnte ich mich nicht überwinden ihn zu umarmen. Stattdessen reichte ich ihm die Hand. "Ich bin froh, dass du gekommen bist." "Ich bin froh, dass du mich angerufen hast." "Wir sind ja eine Familie, ich glaube, wir sollten auch anfangen, uns so zu verhalten." "Das ist der Grund, warum ich euch gesucht habe, aber es ist ja etwas anders gekommen als erhofft." Aus dem Hintergrund kamen mein Vater und Cole an die Tür. Beide grüßten Jan stumm und gaben mir einen warnenden Blick. Ich wusste, dass man sich um mich Sorgen machte, aber Jan war keinwegs eine Gefahr. Ohne irgendwen von uns zu kennen, hatte er versucht Moira aufzuhalten und wäre dabei fast selbst verwundet. "Wir können in die Küche gehen, mein Vater und Cole bleiben im Wohnzimmer."
"Also hilft dir die Therapie nicht?" Ich schüttelte den Kopf. "Aber ich kann dir eine Antwort geben. Moira, sie ist in psychiatrischer Betreuung, sie stellt keine Gefahr mehr da. Glaub mir. Sie ist auch kein schlechtes Mädchen, war sie nie, sie wurde zu einem. Durch Leon, was so ziemlich meine Schuld sein dürfte." "Warum?" "Er war mein bester Freund. Durch mich hat sie ihn kennengelernt." "Ich versteh wirklich nicht,warum ihr beste Freunde wart." "Ich wusste schon mit zwölf, dass ich adoptiert war. Zu der Zeit war mein Ziehvater eine neue Beziehung eingegangen, mit Moiras Mutter, und da hatte ich es gehört, wie er es ihr erzählt hat. Es hat lang gedauert, aber mit fünfzehn dann habe ich es Leon erzählt. Er wünschte sich daraufhin, dass er es auch wäre." "Was? Warum sollte man sich sowas wünschen?" "Sein Vater war brutal. Ein Schläger. Er hat sich nie um Leon gekümmert, und seine Mutter konnte sich nicht gegen den Vater durchsetzen. Leon war lange nicht so wie jetzt. Als sein Vater abhaute, hat Leon seine Rolle übernommen. Er kannte nur diese Männerrolle. Er wurde zum Schläger. In der Schule stellte er nur Mist an. Wir hatten uns auch voneinander entfernt, aber er würde irgendwo immer mein bester Freund bleiben. Irgendwann hat Moira an ihm Interesse gefunden. Sie war hin und weg. Und durch ihn wurde sie zu einer ganz anderen Person. Berechnend - keine Person, die man gern um sich hat." "Ich würde gern Mitleid aufbringen können, aber ich kann das nicht. Leon hat mein Leben erschüttert, ich weiß nicht, ob ich jemals ohne Ängste durch den Tag komme." "Das wirst du." Jan nahm meine Hand und schaute mich mit großen Hundeaugen an. Und da hatte ich den Drang ihm zu sagen, was einfach ausgesprochen werden musste. "Du darfst dir nicht die Schuld geben. Ohne dich wäre noch viel schlimmeres passiert." "Ohne mich, gäbe es das Problem nicht. Aber, danke." "Weißt du, ich gebe mir auch für vieles die Schuld, dabei weiß ich genau, dass an sowas keine Person Schuld hat, es passieren oft schlechte Dinge. Und Leon ist ja auch nicht so geboren wie er letzendlich war." Wir sprachen noch einige Minuten in der Küche, bis Jan gehen musste.
Abends, als ich mit Cole in meinem Bett lag schwirrten noch einige Gedanken in meinem Kopf rum. Und ich wollte laut denken, darüber reden. Die Therapie haben, die mir Mrs.Burton nicht geben konnte oder wollte. "Glaubst du, ich werde jemals wieder die Annie sein, die ich war?" "Also gestehst du dir endlich ein, dass du Probleme hast? Auch vor mir?" "Ich wollte das nie verheimlichen, aber du weißt nicht, wie schwer das für mich ist. Ich glaube ich selbst weiß das nichtmal." Cole legte sich näher zu mir und nahm mich in den Arm. "Wir gehen das zusammen an. Wir wollen dir alle helfen. Wir werden dir alle helfen." "Warum willst du mich eigentlich aufeinmal doch?" "Wie meinst du das?" "Vergiss es." "Annie, bitte. Ich will, dass du mit mir über alles reden kannst." "Weißt du noch das erste Gedicht, dass du mir geschenkt hast?" "Nein?" Ich fasste unter mein Kissen und gab es ihm. "Du hast es immer noch?" "Ich konnte dir nie sagen, wie sehr du mir mit diesen Worten gegeben hast. Willst du sie nocheinmal vorlesen?" Und dann las er sie vor:
"Schönheit
Deine Augen sind die schönsten,
Die ich je gesehen hab.
Doch die eigentliche Schönheit
Liegt weit unter Deiner Haut.
Und solch große Schönheit
Hatt ich vorher nie geschaut."
[copyright by kurzgeschichten-gedichte.de]
"Danke diesen Worten, wusste ich, dass ich mehr bin als nur eine schöne Erscheinung. Du hast mir das gezeigt. Danke." "Aber was hat das mit deiner eigentlichen Frage zu tun?" "Weißt du noch, wann du mir das geschenkt hast?" Ich sah, wie er verwirrt seinen Kopf schüttelte. "Es war mein erster Schultag an der Highschool. Du hast diesen kleinen Zettel in meinen Spind geworfen - deshalb war ich mir erst gar nicht sicher, ob der an mich war, immerhin war das erst seit einem Tag mein Spind. Davor hat er jemand anderem gehört. Aber, dann hab ich die Rückseite gesehen, da stand tatsächlich 'an Annie' und über dem I hattest du ein kleines Herz gemalt. Und ich wusste sofort, dass du es warst." "Ach, wirklich?" Ich spürte, wie Cole mir einen Kuss auf die Schulter gab und seine Hände wieder fest um mich legte. "Du warst der einzige Junge der mich wirklich kannte. Und du warst der Einzige, dem Gedichte was bedeuteten." "Ich frag dich nochmal, was willst du mir damit sagen?" "Ich liebe dich seit diesem Tag, Cole. An dem Tag hab ich deine Schönheit gesehen, die unter der Haut liegt." Und dann drehte ich mich um und küsste ihn sanft auf den Mund. Dann küsste ich seine Brust und setze mich auf ihn. Er schaute mich fragend an. "Bevor du fragst, ja ich bin mir sicher.", entgegnete ich seinem Blick grinsend. "Aber dein Vater ist zu Hause?" Ich zuckte mit den Schultern, und tat das, was ich bisher nur in Filmen gesehen habe. Es war mein erstes Mal. Und ich wusste, dass ich es nie bereuen würde. Das es niemanden gab, der mir bedeuten könnte als Cole. Er war meine erste Liebe, die wird keiner übertreffen außer meine letzte, die durchaus auch ihm gehören könnte. Als wir dann so da lagen, und ich um eine Erfahrung reicher war, holte ich noch einen Zettel hervor. "Ich habe dir eine Antwort geschrieben gehabt, aber ich hab mich nicht getraut, sie dir zu geben." "Du hast mir was geschrieben?" "Ich habe dir was geschrieben, ja. Und ich will es dir vor lesen:
Nie zu vermögen gedacht
Dass ein schöner Mensch ich bin
Zeigtest du mir wohl bedacht
Was mir nicht wahr erschien
Dankbarkeit ist mein Geschenk an dich
so wie deine schönen Worte an mich."
"Das hast du geschrieben?" "Ich hab erst gesucht, ob ich was passendes finde, aber ich wollte dir was zurückgeben." "Warum hast du ihn mir nicht einfach gegeben?" "Angst stand mir im Weg, so wie immer. So wie jetzt auch." "Und warum hast du jetzt keine?" "Weil du hier bist, und alles tust, damit es mir so geht." "Und das werde ich weiterhin, also brauchst du keine Angst haben, okay?" "Okay."
So sehr ich es dir versprechen will, Cole, ich werde immer Angst haben. Angst gehört zum Leben dazu, und nur wenn man seine Ängste überwindet nimmt man wirklicht teil am Leben. Alles andere ist nur so vor sich hintreiben. Und vor dir, habe ich genau das getan. Mit dir, und der überwundenen Angst habe ich vieles gelernt: das man sich seiner Angst stellen muss.
Texte: Alle Rechte liegen bei mir
Bildmaterialien: Alle Rechte liegen bei den rechtmäßigen Besitzern
Tag der Veröffentlichung: 24.06.2013
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