Über das Schreiben
Madame schreibt so für sich hin. Für sich und die Schublade,
pour le tiroir
. Wort für Wort, Zeile für Zeile. Und die Schublade nimmt Seite für Seite gastfreundlich – „immer rein in die gute Schublade“ - auf. Platz ist genug da. Keine Bange. Horizonte dürfen überflogen, formidabelste Luftschlösser und Paläste, ja ganze Paradiese dürfen erdacht, Böden durchschrieben, Steine erweicht werden. Ja, wo ist man denn hier, im Schlaraffenland? Mais oui
! Und wenn Madame genau hin schaut, hängt da auch der Affe.
„Noch was mitzugeben?“, fragt da Monsieur Müllmann und startet durch, als Madame „mais non
“, sagt.
Morgen, demain
… vielleicht… peut-être
…
Je ne regrette rien
"Non, je ne regrette rien
”, sagt Madame Gaga und wälzt sich in ihren geblümten Kissen mit Sankt Galler Spitze. „Ach, wirklich?“, tönt es neben ihr, dass es quält. „Nein, ich bedaure nichts“, sagt Madame erneut und wirft ein Kissen. „Schweig!“
Madame wirft sich hin, sie wirft sich her, dreht sich vom Bauch auf den Rücken – und die Mücken schauen zu und denken „wie bedauerlich“, es war nicht die Nacht der ruhigen und ungestörten Festmahle.
Es lässt sich schlecht ruhen, merkt Madame schliesslich, „besser, dass ich mich erhebe“, seufzt sie und lässt es zurück in den Kissen…
… das schlechte Gewissen
Na dann tschüß
„Au revoir
“, sagte Madame Gaga, und eine Träne folgte der Rundung ihrer noch bleichen Backe. „Wann werde ich dich wiedersehen?“, fragte sie mit graziösem Französich-Akzent. Aber er war schon weg, hatte nur „na dann tschüß“ gesagt. Madame wurde kalt bis ins Gedärme. Füße und Herz, die er ihr gewärmt hatte, fortan immer kalt. Wann würde sie ihn wieder sehen – quand
? Wann würde er ihr wieder den Rücken streicheln – quand
? Monsieur Müllmann, der „heute wieder nichts?“ fragte, wollte auch nichts hören von ihrer Malaise. Sie stellte sich auf ihren Balkon, rief seinen Namen:
„Eté,
Sommer, où es-tu
, wo bist du?
Texte: (c) by Jeanne Guesch
Tag der Veröffentlichung: 11.06.2011
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Juni 2011