Ich wäre so gerne wieder froh.
Mein liebes Bein, hörst du mich? Mach mich wieder froh. –
Würde so gerne wieder frühmorgens in den Garten gehen, mich hinunterbücken, an den Rosen riechen, hier und da ein Unkraut ausreissen, vom Lavendel ein Blättchen zupfen, die Aepfel vom Boden auflesen…
Aber mein Bein ist lahm, es will nicht mehr, von gestern auf heute. –
Velo fahren geht auch nicht mehr; mein Bein will die Pedale nicht mehr treten. Es ging mal flott bergab und bergauf.
Wie viele – unzählige Kilometer sind wir zusammen gelaufen, ein langes Leben lang; unbekümmert, nicht daran denkend, dass es morgen anders sein könnte. Weder du noch ich hätten das gedacht, als wir zusammen glücklich über Stock und Stein gewandert sind; kein Weg war zu steil oder zu weit. Meine Nase riecht jetzt noch den Duft der durchwanderten Lärchenwälder, meine Seele sieht jetzt noch die Alpenrose, die da blühte.
Abdriften ins Gewesene bringt nichts; ist schmerzlich.
Die Rose steht vor mir in der Vase; ich rieche ihren mir vertrauten Duft,
ich sehe ihre schönen Blütenblätter, einmalig in der Farbe.
Ich habe sie nicht selber gepflückt.
Aber es ist noch da, mein liebes Bein;
und so lange es da ist, ist auch die Hoffnung da: eines morgens werde ich wieder in den Garten gehen und eine Rose pflücken.
Alles Liebe meinem Bein.
Texte: Copyright by Jeanne GueschFoto by Jeanne Guesch Juni 2009
Tag der Veröffentlichung: 15.06.2009
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
An mein Bein