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Es begab sich zu einer Zeit als ich schon fast auf gepackten Koffern saß. Meine Zeit in Gießen, Hessen war fast abgelaufen und alles war bereit in meine Heimat Schleswig-Holstein zurückzukehren.

Einmal noch durfte ich in Hessen wählen. Die Kommunalwahlen, die an sich schon die Härte sind mit sage und schreibe 81 Stimmen, die der Wähler abgeben darf aber nicht muss, aber wenn dann richtig. Verstanden? Nein? Tröste dich, lieber Leser männlich wie weiblich, ich auch nicht.

Neben den Wahlunterlagen zog ich aus dem riesengroßen DinA 4 Umschlag auch noch die Wahlunterlagen zum Ausländerbereit heraus.
Äh, Ausländerbeirat?
Bestimmt ein Fehler, denk ich mir, schaue auf die Uhr und packe die Unterlagen für die Wahl des Ausländerbeirates in meine Tasche und wandere die 500 Meter zum Stadtbüro.

Wer von Euch aus Gießen stammt, der wird das bestimmt kennen, für die anderen: Es ist ein offenes Gebäude. Sprich: Der Warteraum und die "Büros" sind lediglich durch Trennwände, nun, getrennt. Redet also jemand etwas lauter, dann können alle wunderbar mithören. Tut natürlich selten jemand, aber ich bin ja nicht jemand. Auch wenn ich in dem Augenblick wo ich mich auf dem Weg machte nicht daran dachte, laut zu werden.

Dort angekommen ziehe ich also meine Nummer, warte im Warteraum bis meine Nummer in roten Lettern erscheint und gehe zum "Büro".
Schon auf dem Weg dorthin habe ich die Wahlunterlagen rausgezogen und lege sie der jungen Dame auf den Tisch. Wenn ich sage: Blau, Blond, Blöd, dann ist das ein Klischee, das dieses Mal stimmt.

Noch bevor ich etwas sagen kann, sagt dieses blonde Püppchen im reinsten Deutsch:
"Damit du können Beirat wählen!"
Meine hochgezogene Augenbraue und mein Blick hätten die junge Dame schon warnen sollen, tat es aber nicht.
"Sie können Deutsch mit mir reden!", sage ich also zum Püppchen, was sie einen erstaunten Blick auf mich werfen lässt.
"Oh, du kannst aber gut deutsch."
"Ja, das kann ich. Immerhin bin ich Deutsche."
"Seit wann denn?"

Jeder meiner Freunde hätte ihr jetzt gesagt, das sich langsam wütend werde. Aber keiner meiner Freunde war anwesend.
Also antworte ich, mit leicht ironischem Unterton:
"Seit meiner Geburt."
"Oh, und Ihre Eltern?"
Ah, ich war plötzlich eine SIE und keine DU mehr, interessant!
"Auch seit deren Geburt."
Nun wurde sie doch leicht nervös, schaute auf die Wahlunterlagen und grübelte wie sie die bei mir rechtfertigen konnte.
"Und Ihre Großeltern?"
Hehe...

Spätestens jetzt würden sich meine Freunde zurücklehnen oder sich aus dem Staub machen.
"Alsoooooo... meine Großeltern kommen aus dem Memelland. Früher Ostpreussen, heute Litauen..."
Man sieht ihr an wie erleichtert sie ist.
"Also Ausländer..."
"Nein!"
Die junge Dame ist total irritiert.
"Wieso Sie sagten doch gerade, Litauen..."
"Ich sagte, damals Ostpreussen, heute Litauen."
"Wie damals?"
"In Geschichte die Bravo gelesen, wa?"
"Wieso?" Nun ist sie vollständig irrtiert, was ihr Händespiel mit diversen Heftern auf ihrem Schreibtisch beweist.
"Nun, Ostpreussen gehörte zu Deutschland und noch während der letzten Kriegstage ist meine Familie ins Kernland geflüchtet. Sie wissen schon, Zweiter Weltkrieg."
"Ja, natürlich..." Sie schaut kurz auf ihre Hände, dann wieder zu mir: "Sie können die Unterlagen hier lassen. Das war ein Versehen. Eindeutig, ich werde das klären."
"Danke", sage ich und nicke ihr zu.
Geh einige Schritte, grinse leicht und drehe mich dann zu ihr um:
"Die Familie meines Vaters allerdings..."
"Ja?"
"...ist während der Hugenottenkriege aus Frankreich eingewandert."

Nein, ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen ;P

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Tag der Veröffentlichung: 15.12.2010

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