Stumm saß ich an dem einzigen Fenster, welches sich in meinem Zimmer des Waisenheimes befand. Der Schnee rieselte sanft an meinem Blickfeld vorbei. Alles war von dem weißen Puder bedeckt, das sich bereits seit so vielen Jahren immer kurz vor Weihnachten überall in der Umgebung breit machte. Jedoch interessierte mich das Fest nicht wirklich, feierte ich es doch schon seit 10 Jahren nicht mehr.
Leise stand ich auf, um die anderen Kinder nicht zu wecken, die mit mir in diesem Heim lebten. Da es erst 5 Uhr war, würde niemand vor 9 Uhr aufstehen, selbst die Heimleiterin schlief zu dieser Zeit meistens bis mindestens 8 Uhr. Nur ich wachte jeden Tag um 4 Uhr auf, denn immer suchte mich der gleiche unheimliche Alptraum heim. Auch wenn ich mich noch nie komplett an diesen erinnern konnte, spürte ich jedes mal die Angst tief in meinen Knochen sobald ich mit einem lauten Schrei erwachte. Erstaunlicherweise hatte noch kein einziges Heimbewohner meine Schreie bemerkt, doch vielleicht ignorierten sie diese auch einfach, schließlich war ich sowieso die meiste Zeit alleine und wurde gemieden.
Aus meinem kleinen Kleiderschrank, welcher sowieso nur zur Hälfte gefüllt war, zog ich mir meine warme schwarze Winterjacke heraus. Dies war eine der wenigen Kleidungsstücke, welche vom Waisenheim gestellt wurden. Neben der schwarzen Jacke besaß ich noch eine schwarze Jeans und 5 T-Shirts, welche schon einige Löcher aufweisen konnten. Auch die Jeans hatte einige Lücken im Stoff. Neben dem Kleiderschrank hatte ich meine 2 paar Schuhe hingestellt, während ich den einzigen Pullover den ich besaß am Leib trug. Nun wo ich meine Winterschuhe und die Jacke trug, konnte ich nur noch mit ein wenig Licht erkannt werden, denn alles an mir war Pechschwarz. Allgemein die Kleider die ich hatte besaßen keine andere Farbe, bestand die Welt für mich sowieso nur aus Schwarz und Weiß, dazwischen gab es nichts mehr.
Jetzt war ich fertig und konnte endlich dieses mir verhasste Zimmer und im allgemeinen das Gebäude verlassen. Die kurzen Flure des Waisenheimes waren stockdunkel, von nirgends drang ein Lichtstrahl hervor, selbst der Mond wagte es nicht hier herein zu scheinen. Für einen Moment lauschte ich, nicht das doch irgendeiner Wach war und nur zu Faul war, das Licht anzuschalten. Doch es blieb still, weshalb ich mich vorsichtig Richtung Treppe begab. Bei der Treppe musste ich vorsichtig sein, die letzten 3 Stufen knarrten, weswegen ich schon mehrfach erwischt wurde. Doch inzwischen konnte mir das nicht mehr passieren, denn die knarrenden Stufen überwand ich einfach mit einem kleinen Sprung nach unten. Wie eine Katze landete ich auf meinen Beinen und horchte kurz, doch keine Menschenseele schien meinen Sprung gehört zu haben. Nun beeilte ich mich ein wenig aus dem Haus zu kommen, sodass ich kurz darauf schon die Haustür hinter mir schließen konnte.
Eigentlich wurde mir verboten mich um diese Uhrzeit nach draußen zu begeben. Aber ich liebte die Ruhe und die Dunkelheit, um diese Uhrzeit, wenn die Sonne sich noch nicht hinter dem Horizont erhob und auch die Menschen in der Nachbarschaft noch keinen Laut von sich geben. Meist kam ich dann erst zum Mittagessen zurück, bekam dabei auch jedes mal ärger, doch ich wusste dass das nicht ernst gemeint war, ihnen war allen egal was mit mir geschah.
Schnell folgte ich ein kleines Stück dem Bürgersteig, nicht das mich noch einer aus der Nachbarschaft entdecken konnte. Die Straßenlaternen erleuchteten ein wenig die Umgebung, doch trotz des wenigen Lichtes wusste ich genau wo ich lang musste, ich lief den Weg immerhin schon seit sehr langer Zeit jeden Tag. Zum Glück gab es in diesem Dorf nicht viele Bewohner, welche mich hätten entdecken können. Ein großer Wald grenzte ein Stück weit entfernt an dem Dorf, doch kaum jemand traute sich bei Tage hinein und schon gar nicht bei Nacht. Nur ich liebte den Wald, er war so ruhig und der einzige Ort an dem ich mich entspannen kann. Ich weiß nicht wieso, doch ich fühle mich dem Wald und der Natur sehr verbunden, als wäre ich ein Teil davon. Für mich war dies der einzige Fleck auf Erden den ich kannte, wo ich so sein konnte wie ich war, ohne mich verstecken zu müssen.
Schon seit 10 Jahren redete ich kein Wort mehr, das alles hängt mit einem schicksalhaften Tag zusammen. Oft hatte ich versucht etwas zu sagen, jedoch verließ bisher kein einziges Wort mehr meine Lippen. Dadurch hassten mich die anderen, denn ich war anders, ich war nicht wie sie. Für sie war ich ein Klotz am Bein, wie sollte man auch mit jemanden der nicht redete befreundet sein. Mir war das alles aber egal, sollten sie mich meinetwegen hassen, dafür das ich nie so sein würde wie sie, das wollte ich nämlich auf gar keinen Fall.
Nirgendwo hatte ich Freunde, im Waisenheim wurde ich von allen aus genau den zuvor genannten Gründen gemobbt und in der kleinen Schule, welche im Nachbarort stand, verhielt es sich nicht anders. Selbst die Lehrer ignorierten mich weitest gehend. Sie akzeptierten zwar, dass ich im Unterricht nicht redete und waren dadurch auch froh, mich nicht ermahnen zu müssen, wie die anderen, wenn sie im Unterricht redeten. Doch traf ich auch bei den Lehrern meist nur auf Verachtung.
Leicht schüttelte ich meinen Kopf, während ich mich auf einen kleinen Weg begab, welchem wahrscheinlich niemand wirklich Beachtung schenkte. Das war einer der wenigen Wege, die direkt in den Wald führten, doch da die meisten Angst vor dem Wald hatten und sich gegenseitig Gruselgeschichten darüber erzählten, war ich vermutlich die einzige die jemals hier lang ging. Sobald ich dem Weg folgte dauerte es noch einige qualvolle Minuten, bis ich es endlich schaffte in den Wald zu kommen. Erst als die ziemlich dicht aneinander stehenden Bäume mich vor der Außenwelt versteckten fühlte ich mich wirklich befreit.
Da ich nun keinen Grund mehr sah, mich beeilen zu müssen, ging ich ein wenig langsamer. Hier hatte ich meine Ruhe und war vor der Außenwelt versteckt. Selbst die Tiere des Waldes schienen erst langsam wach zu werden. Während von weit her noch ein Uhu Geräusche von sich gab, bewegten sich bereits vereinzelte Blätter und Sträucher, als ein Tier dadurch huschte. Jedoch verschwanden die Tiere so schnell, dass sie nur im Schatten meines Bewusstseins zu erkennen waren.
Mein Ziel fest im Blick, bahnte ich mir meinen Weg durch die ganzen Äste und Sträucher. Durch meine häufigen Besuche im Wald, kannte ich mich hier aus und wusste auch schon genau wo ich hin gehen musste, um ein wenig Frieden zu finden. Bereits nach kurzer Zeit betrat ich eine große Lichtung, wo eine sehr alte, von Schnee bedeckte, Weide in der Mitte stand. Ein großer See erstreckte sich daneben, doch dieses war durch die Kälte der letzten Tage bereits mit einer dicken Eisschicht versehen.
Der strahlend helle Vollmond schien auf die Oberfläche des zugefrorenen Sees, sodass das Licht zu allein Seiten hin reflektiert wurde. Auch wenn ich diesem einzigartigen Schauspiel schon häufiger beiwohnen durfte, hatte es doch jedes mal die selbe bezaubernde Wirkung auf mich. Ehrfürchtig trat ich näher an den See heran und kniete mich nieder. Mit einer Hand näherte ich mich vorsichtig der Eisschicht. Die Kälte des Eises jagte kurz einen kleinen Schauer durch meinen Körper, bevor die Kälte von der Faszination verdrängt wurde. Wie jedes mal verlor ich mich in diesen Empfindungen, die die Reflektion des Mondlichtes in mir auslöste.
Nicht einmal die Eisblauen Augen, welche mich aus der Dunkelheit des Waldes heraus beschatteten, bemerkte ich. War doch zu fokussiert auf das Eis und den leise fallenden Schnee. Als dieses Wesen aber aus dem Schatten des Waldes trat, traf es auf einen am Boden liegenden Ast. Dieses unnatürlich laute Geräusch weckte mich aus meinem Fokus und ließ mich überrascht herum fahren. Grüne Augen begegneten Eisblauen. Den Blick konnte ich nicht abwenden, war ich doch zu verwirrt und fasziniert von dem Wesen welches nur wenige Meter von mir entfernt stand.
Ein Schneeweißer majestätischer Wolf blickte mich aus seinen interessanten Augen ruhig an. Seltsamerweise hatte ich keine Angst, obwohl der Wolf für alle immer als Böse galt. Aber es war schon immer mein Liebstes Tier, auch wenn ich bisher noch keinen echten gesehen hatte. Schließlich dachte ich bis jetzt auch, dass es die hier in dieser Umgebung keine Wölfe gab, umso überraschter war ich nun einem zu begegnen.
Langsamen Schrittes bewegte sich der Wolf auf mich zu. Seine faszinierenden Augen fesselten die meinen und machte mich Bewegungsunfähig, doch ich hatte sowieso nicht vor zu verschwinden. Plötzlich leuchteten die Augen des Wolfes intensiver als noch vor wenigen Sekunden. Ein Schwindelgefühl überkam mich, wogegen ich mich zu wehren versuchte, doch egal wie sehr ich mich bemühte, ich schwankt immer mehr.
Auf einmal konnte ich mich nicht mehr aufrecht halten, mein Körper kippte nach vorne und landete in dem weichen Schnee, für den ich nun sehr dankbar war. Mit einiger Mühe schaffte ich es leicht nach oben zu Blicken, direkt in die Augen des Wolfes, welcher nun vor mir stand. Ein leichtes Grinsen schien der Wolf im Gesicht zu haben, doch wahrscheinlich spielten mir meine Sinne nur einen Streich.
Ein letztes mal versuchte ich mich gegen die aufkommende Bewusstlosigkeit zu wehren, doch schon nach wenigen Sekunden konnte ich nichts mehr dagegen machen. Meine Augen fielen langsam zu, konnte sie kaum noch aufhalten. Doch bevor ich endgültig in der Bewusstlosigkeit verschwand konnte ich noch einen zweiten Wolf erblicken, der sich neben den ersten stellte.
Nur sehr langsam wurde ich wach. Meine Augen weigerten sich, sich zu öffnen, dafür war ich noch zu benommen. Ich spürte, dass ich auf einer weichen Unterlage lag, es könnte ein Bett sein, war mir dabei aber nicht sicher. Außerdem schien die Sonne in den Raum, in welchem ich lag, denn das Licht schien mir mitten ins Gesicht, weswegen ich es trotz geschlossener Augenlider bemerkte.
Erst nachdem einige Minuten vergangen waren, in denen ich nur da liegen konnte, schaffte ich es endlich meine Augen zu öffnen. Das Licht, welches ich zuvor schon bemerkt hatte, schien durch ein großes Fenster und blendete mich. Ein paar mal musste ich blinzeln, bis sich meine Auge an die einströmende Helligkeit gewöhnt hatten und ich das mir unbekannte Zimmer ansehen konnte.
Verwirrt blickte ich mich in diesem Raum um. Ich lag auf einem großen, weichen Bett, die Bettdecke war schwarz und hatte blaue Muster darauf, ebenso wie das Kissen. Das eigentliche Bett schien aus Holz gefertigt zu sein, genauso wie der große Kleiderschrank, welcher auf der anderen Wandseite stand. Ein großes Bücherregal befand sich zusätzlich noch in einer Ecke des Zimmers. Einige, mir unbekannte Bücher, hatten ihren Platz darin schon gefunden.
Außerdem gab es in diesem Raum 2 Türen. Da ich neugierig war, wohin diese Türen führten, glitt ich vorsichtig aus dem Bett, musste mich aber kurz stützen, da meine Beine drohten nachzugeben. Als ich mir sicher war, nicht sofort umzukippen, begab ich mich zu der ersten Tür, welche seinen Platz direkt neben dem Kleiderschrank gefunden hatte. Hinter dieser Tür verbarg sich ein großes Badezimmer, mit einer Dusche, einer Badewanne, einer Toilette und einem Waschbecken.
Staunend trat ich aus dem Badezimmer heraus, um anschließend zu der zweiten Tür zu gehen. Dies musste dann wohl die Tür sein, welche mich aus diesem Zimmer bringen würde. Doch bevor ich nur in die Nähe der Tür kam, klickte diese und schwang auf.
Ein Junge von vielleicht 19 Jahren betrat den Raum. Kurz blickte er sich um, bis sein Blick auf meine Wenigkeit fiel. „Hier hast du was zu Essen! Und versuch gar nicht erst abzuhauen. Die Tür ist verschlossen, genauso wie das Fenster.“, sprach dieser Junge unfreundlich.
Während er mir das Essen auf einen kleinen Tisch stellte und dabei mich und die Tür genaustens im Auge behielt, musterte ich ihn ein wenig. Er hatte Schneeweiße Haare und Eisblaue Augen, die selben Augen wie der Wolf, das war seltsam. Noch dazu war der Junge etwas größer als ich und er war auch muskulös. Nicht so, dass es übertrieben gewirkt hätte, aber schon so, dass man ihm seine Stärke ansehen konnte.
Jetzt wo meine Gedanken auf den Wolf kamen, fragte ich mich was überhaupt passiert war. Wieso war ich hier? Und wieso hielt man mich gefangen? Diese und noch weitere Fragen stellte ich mir, doch wusste ich auf keine einzige eine Antwort.
So vertieft in meine Gedanken bemerkte ich nicht, wie der Junge mich kurz musterte und dann aus der Tür verschwand. Wieder klickte es, wahrscheinlich hatte er die Tür zu geschlossen, um auszuschließen, dass ich verschwand. Doch ich wäre sowieso nicht geflohen. Immerhin wäre der einzige Ort an den ich hätte zurück gehen können das Waisenheim und da wollten die mich alle sowieso nicht haben. Also blieb ich lieber erst einmal hier. Vielleicht würde ich dann auch herausfinden wieso ich hier war.
Nun blickte ich neugierig zu dem Essen hin, was mir hingestellt wurde. Es würde wohl kaum vergiftet sein, sonst würden die mich nicht hier gefangen halten, wenn sie vorhätten mich zu töten. Jetzt erst bemerkte ich, was für einen riesigen Hunger ich hatte. Daher beschloss ich einfach einmal auszuprobieren ob das Essen vergiftet war oder nicht. Schon nach dem ersten Bissen war ich hin und weg. Hatte der Junge das gekocht? Konnte ich mir kaum vorstellen.
Schnell hatte ich das Essen aufgegessen. Es war einfach köstlich. Nun überlegte ich jedoch was ich machen sollte, da mir langweilig war. Dabei wurde ich bei meinen Überlegungen unterbrochen, denn die Tür klickte wieder, doch diesmal kam ein anderer Junge herein. Dieser hatte mit dem ersten eine gewisse Ähnlichkeit und schien auch im selben Alter zu sein. Aber dieser Junge hatte blau-schwarze Haare und Blaue Augen, welche nicht Eiskalt wirkten wie die des Ersten.
„Hat es geschmeckt?“, der Junge lächelte mich an. Mag sein, dass ich verrückt bin, aber ich mochte ihn. Um ihm daraufhin eine Antwort zu geben, nickte ich heftig.
„Freut mich. Mein Bruder Axeu hat das gekocht. Ich bin übrigens Nevis. Und du bist Nalan, richtig?“, redete der Junge drauf los. Er hieß also Nevis und der andere Axeu. Der seltsame Junge von vorhin hatte somit gekocht. Ein Wunder, dass es lecker war. Aber woher wusste er, wie ich heiße. Immerhin kannte ich ihn nicht und er mich auch nicht. Denke ich zumindest.
„Du fragst dich sicher woher ich deinen Namen kenne. Aber es ist noch nicht die Zeit dir das zu sagen. Du wirst alles früh genug erfahren.“, sagte Nevis und blickte mich dabei entschuldigend an. „Ich muss jetzt aber auch wieder gehen. Wenn dir langweilig ist kannst du ja lesen, oder ich kann dir einen Fernseher bringen.“
Verwirrt musterte ich Nevis. Er war so freundlich und trotzdem Geheimnisvoll. Ich fragte mich, was er mir noch nicht sagen konnte. Ich würde es gerne wissen. Doch fragen konnte ich ihn auch nicht. Also nickte ich einfach nur verstehend.
„Wenn du was brauchst, dann ruf einfach.“, sprach Nevis noch, bevor er ging und die Tür wieder hinter sich zu schloss. Anscheinend wusste er nichts, davon dass ich schon seit Jahren nichts mehr gesagt hatte. Er brauchte es schließlich auch nicht zu wissen, immerhin verwunderte es mich schon genug, dass er überhaupt meinen Namen kannte.
Nachdenklich stand ich auf und begab mich zum Bücherregal, um mir ein Buch zu suchen, welches ich lesen könnte. Schnell wurde ich fündig. Mit dem Buch in der Hand setzte ich mich ins Bett und fing an zu lesen.
Die nächsten zwei Stunden verbrachte ich damit zu lesen. Das Buch war sehr spannend und handelte noch dazu von meinem Lieblingsthema. Von Werwölfen! Ich liebte Wölfe schon immer und auch Werwölfe fing ich schon vor langer Zeit an zu lieben. Mein großer Bruder hatte mir als Kind immer Geschichten erzählt. Das waren aber keine Gruselgeschichten, wie es die meisten Geschichten von Werwölfen waren, es waren Geschichten in denen der Werwolf nett war und anderen half. Daher liebte ich meinen Bruder... bis...
Kopf schüttelnd verbannte ich weitere Gedanken an meinem Bruder aus meinem Kopf. Er hatte schlimmes getan und das war unverzeihlich. Manchmal jedoch vermisste ich ihn und seine Art, so wie er früher war. Schließlich war er damals der beste große Bruder auf der ganzen Welt. Auch wenn er manchmal ein wenig seltsam war.
Schon wieder kamen mir die Tränen, die ich so oft versucht hatte zu unterdrücken. Doch nun konnte ich sie nicht mehr unterdrücken. Jedoch kam kein Schluchzen aus mir heraus, schließlich hatte ich seit 10 Jahren kein Geräusch mehr gemacht. Nicht wenn ich Traurig war oder wenn ich verletzt war. Nicht aus Wut oder Freude.
Noch während ich weinte, klickte wieder die Tür. Dies bemerkte ich sogar durch meine Trauer hindurch, weswegen ich versuchte mir meine Tränen aus dem Gesicht zu wischen. Aber wirklich gelingen wollte es mir nicht, denn immer wieder flossen neue Tränen aus meinen Augen.
Als ich durch meinen Tränen Schleier hindurch in Richtung Tür blickte, um zu sehen, wer gekommen war, sah ich auf einen geschockt drein blickenden Axeu. Er wusste wohl nicht genau was er machen sollte. Unschlüssig blickte er zwischen mir und der Tür hinter sich, welche noch immer offen stand, hin und her. Er schien wohl nicht ganz zu wissen, ob er mich trösten oder lieber verschwinden und höchstens Nevis holen sollte.
Während ich weiterhin versuchte mir die Tränen aus dem Gesicht zu wischen, hatte er sich wohl entschieden und trat langsam näher an das Bett heran. Unsicher setzte Axeu einen Fuß vor den anderen, genaustens darauf bedacht nicht zu hektisch zu werden, so als hätte er ein verschrecktes Tier vor der Nase. Auch wenn immer noch weiter Tränen aus meinen Augen kamen, musste ich doch ein wenig Grinsen. So unsicher wie er nun war, wirkte er nicht mehr wie dieser Gefühlskalte Idiot der er zuvor zu sein schien, er wirkte fast schon wie ein normaler Junge.
„Ich weiß es muss schwierig für dich sein, nicht zu wissen wo du bist und wieso du hier bist.“, sprach Axeu langsam, während er sich zu mir auf das Bett setzte. Ich hingegen blickte ihn nur unter tränenden Augen an. Offenbar suchte er sich bedacht aus, was er sagte und tat, denn nur langsam legte er seine Hand auf meinen Rücken und streichelte diese sacht.
Verwirrt über diese sanfte Berührung, die ich ihm nicht zugetraut hätte, und weil ich so etwas nicht gewöhnt war, fing ich noch mehr an zu weinen und drückte unbedacht meinen Kopf an seine Brust. In dem Moment war es mir egal wer er war, ich brauchte diesen Halt, den ich seit so langer Zeit das erste mal bei jemandem gefunden hatte. Überrascht zuckte er kurz zurück, doch schloss mich dann noch mehr in seine starken Arme. Während ich so weiter weinte, nahm ich seinen ganz eigenen Duft, der aus Wald, Moos und Erde bestand, wahr.
Sein Geruch beruhigte mich langsam, so dass meine Tränen immer weniger wurden, bis sie schließlich endgültig versiegten. Ich nahm noch einen tiefen Zug von seinem Geruch bevor ich mich langsam von ihm löste. Sein T-Shirt war durchnässt von meinen Tränen, doch es schien ihn weniger zu stören. Er blickte mich nur besorgt an.
„Ist wieder alles in Ordnung?“, fragte Axeu unsicher, wusste nicht was er sonst noch sagen sollte. Leicht nickte ich und versuchte mich an einem Lächeln, doch da ich so lange nicht mehr richtig gelächelt hatte, wirkte es wahrscheinlich viel mehr wie eine Grimasse.
Nun stand Axeu schnell auf. Ohne noch irgendwas zu sagen marschierte er aus dem Zimmer, was mich ihm verwundert hinterher blicken ließ. Gerade eben war er noch so nett und fürsorglich und auf einmal verschwand er einfach aus dem Zimmer. Was war nur los mit ihm?
Nachdenklich ließ ich mich auf das Bett fallen. Noch immer hatte ich seinen Geruch in meiner Nase. Es war ein angenehmer, vertrauter Geruch, so als müsste ich ihn kennen. Die ganzen Empfindungen die mir bei seinem Geruch im Kopf herum schwirrten konnte ich kaum sortieren, doch das was bei mir am ehesten hängen blieb, war die Freiheit, welche sich in mir ausbreitete, sobald ich nur an den Geruch dachte.
Während ich so an die Decke starrte und versuchte die ganzen Empfindungen in irgendeinen Zusammenhang zu bringen, wurden meine Augen schwerer. Mit einem letzten Gedanken an Axeu und den Wolf, mit den eisblauen Augen aus dem Wald, schlief ich ein.
Allmählich wurde ich aus dem Land der Träume gerissen. Meine Träume waren verwirrend gewesen, den einzigen Zusammenhang der alle miteinander verband, war ein Junge, welcher Axeu sehr ähnelte und der Wolf von der Lichtung, was hatte das bloß zu bedeuten. So in meine Grübeleien vertieft bemerkte ich nicht, wie Nevis vor mir stand und mich fröhlich angrinste. Diese gute Laune am frühen Morgen hätte ich auch gerne, doch sein Grinsen welches sich auf seinem Gesicht zeigte war fast genauso breit und unheimlich wie der Grand Canyon.
„Na? Endlich aufgewacht, du Schlafmütze?“, lachte er, wobei ich ihn nur verwirrt anschauen konnte, daraufhin stieß er ein kurzes Lachen aus, als würde er sich über mich lustig machen. „Ich habe dir einiges an Kleidung besorgen lassen, dann musst du nicht immer in diesen Lumpen herum laufen! Ich hoffe sie gefallen dir?!“, bei dem Satz wirkte Nevis eher so, als wäre er ein kleiner Schuljunge, welcher seiner Mutter ein Bild gemalt hatte. Dabei stellte sich mir die Frage ob ich wie jede gute Mutter reagieren muss und sagen soll, dass es toll ist, egal ob es nun gut oder schlecht war.
Vorsichtig stand ich auf und begab mich zu dem Kleiderschrank. Ich war auf alles gefasst, als ich die Türen öffnete, doch damit, was mich im Endeffekt erwartete, hatte ich nicht gerechnet. Im kompletten Kleiderschrank war einzig und allein Markenkleidung. Mehrere Jeans in den Unterschiedlichsten Blautönen lagen in den einzelnen Fächern im Kleiderschrank akkurat zusammen gelegt. Auch an Oberteilen, Pullovern und T-Shirts gab es eine große Auswahl. Noch dazu hingen in der Mitte des Schrankes mehrere Jacken, welche für die unterschiedlichsten Witterungen geeignet waren. Bei den Jacken hingen auch einige wunderschöne Kleider, wobei ich nicht wusste wofür ich die jemals brauchen würde.
Mit großen Augen drehte ich mich wieder zu Nevis um, welcher mich vom Bett aus neugierig beobachtete. Er erwartete wohl eine Reaktion, doch dafür war ich viel zu geschockt von der großen Ansammlung an Kleidungsstücken. „Ach ja, ich habe dir auch einen extra Schuhschrank hier rein stellen lassen und dafür gesorgt dass dieser für jeden Anlass den passenden Schuh bereitstellt. Und Schmuck und Schminke ist in den einzelnen Schränken im Bad. Ich will immerhin das du dich hier wohl fühlst.“, erklärte mir Nevis noch, leicht verunsichert weil ich nichts sagte, bevor ich leicht lächelte und mir langsam Tränen aus den Augen flossen. Doch ich weinte einfach nur, weil mich diese Geste von ihm so berührte. Noch nie hatte sich jemand um mich gesorgt oder gekümmert, und erst recht keine teure Kleidung gekauft.
Doch Nevis blickte mich geschockt an. Immerhin wusste er nicht, dass ich vor Glück weinte. Schnell kam er näher und umarmte mich. „Es wird alles wieder gut.“, flüsterte er mir leise ins Ohr und streichelte mir über den Rücken. Durch diese Geste musste ich nur noch mehr weinen und drückte mich näher an ihn. So oft wie in den 2 Tagen in denen ich bei Nevis und Axeu war, hatte ich noch nie geweint. Doch für mich war es befreiend, endlich konnte ich nach all den Jahren mal wieder Gefühle zeigen, ohne befürchten zu müssen, dass all dies gegen mich verwendet werden könnte.
Nevis streichelte nun einfach Stumm meinen Rücken weiter. Ich spürte was für Sorgen er sich um mich machte, weswegen ich mir Mühe gab aufzuhören zu weinen. Sehr schnell gelang es mir, da ich es gewöhnt war Tränen zu unterdrücken. Als meine Tränen aufgehört hatten zu fließen, schob ich mich leicht von Nevis weg, welcher mich kurz verwundert ansah. Doch ich blickt ihn leicht lächelnd an, dies war seit langer Zeit ein ehrliches aufrichtiges Lächeln. Schon lange hatte ich keinen Grund mehr gehabt so zu lächeln. Da ich ihm aber nicht einfach 'Danke' sagen konnte, zeigte ich es ihm anders. Und zwar in dem ich ihm einen freundschaftlichen Kuss auf die Wange gab.
Überrascht und verwirrt blickte Nevis mich an und lächelte. „Du redest wohl nicht viel, aber das ist okay. Du wirst dann mit uns reden wenn du so weit bist. Und bis dahin freunden wir uns an, einverstanden?“, nun grinste Nevis fröhlich. Wieder war ich verwirrt von ihm, er war der erste dem es egal war ob ich redete oder nicht, er akzeptierte mich einfach so wie ich war und dies empfand ich als eine willkommene Abwechslung.
Da er aber noch eine Frage gestellt hatte, nickte ich als Antwort leicht. Ich würde mich freuen, mich mit ihm anzufreunden Immerhin schien er mich so zu akzeptieren wie ich war, auch wenn ich noch nicht wusste, wieso sie mich hier gefangen hielten. Dabei fühlte ich mich nicht wirklich wie eine Entführte. Denn trotz das sie die Tür immer abgeschlossen hatten, hatte mir zumindest Nevis immer sehr freundlich gegenüber gestanden und hatte sich sehr darum bemüht, dass ich alles hatte was ich gebrauchen könnte. Und obwohl Axeu nicht gerade wie der netteste Zeitgenosse wirkte, hatte er mich den Tag zuvor versucht zu trösten und diese Geste schätzte ich auch über alles.
„Gut, dann komm mit Frühstücken...“, grinste Nevis und stoppte kurz, bevor er leicht misstrauisch nach harkte: „Du wirst doch nicht versuchen zu fliehen, oder?“ Sofort schüttelte ich vehement den Kopf. Wieso sollte ich auch versuchen zu fliehen? Trotz der Entführung wurde ich in den 2 Tagen besser behandelt als die letzten 10 Jahre im Waisenheim.
„Gut so!“, nun grinste Nevis wieder. „Oder willst du vorher Duschen gehen?“ Erst jetzt fiel mir auf, dass ich mich ja nun schon seit 2 Tagen nicht mehr geduscht hatte und langsam aber sicher meine Haare fettig wurden, also nickte ich leicht und zeigte auf das Badezimmer. „Okay, dann warte ich vor deiner Zimmertür. Komm einfach raus wenn du fertig bis.“, wieder lächelt Nevis, stand auf und ging aus der Zimmertür raus.
Ich hingegen suchte mir eine Jeans, ein Oberteil und Unterwäsche aus dem Kleiderschrank und verschwand mit den Sachen im Bad. Die Unterwäsche hatte ich gerade erst entdeckt, da sie im untersten Fach des Kleiderschrankes waren. Schnell machte ich im Bad die Dusche an und als das Wasser eine annehmbare Temperatur annahm, stieg ich unter den Lauwarmen Wasserstrahl. Da in der Dusche Shampoo und Duschgel stand konnte ich mir direkt meine Haare und den Rest von mir Waschen. Als ich fertig mit Duschen war, trocknete ich mich mit einem nahegelegenen Handtuch ab und zog mir dann die Kleidung an. Anschließend föhnte ich mir noch schnell meine Haare und ging dann durch mein Zimmer um zu Nevis zu gelangen welcher vor der Tür stand.
„Ah, du bist fertig.“, stellte Nevis fest und führte mich dann ein Stockwerk tiefer in eine große, hell und freundlich eingerichtete Küche. Die Küche war in Blau-Grau gehalten und durch die großen Fenster fiel viel Licht herein. In der Mitte der Küche stand ein großer Esstisch, wo locker 10 Personen hätten Platz nehmen können. Und dennoch war noch genügend Platz dort, das man sich frei bewegen konnte.
Axeu stand am Herd und war gerade dabei Pfannkuchen zu machen, als er Nevis und mich bemerkte. „Bist du sicher, dass sie frei herum laufen sollte?“, misstrauisch blickte Axeu mich an, woraufhin ich zusammen zuckte. „Sie wird schon nicht abhauen!“, versprach Nevis und lächelte mich aufmunternd an, während er sich an einen Platz setzte. Mir bedeutete er, dass ich mich neben ihn setzten sollte, was ich auch sofort tat.
Missmutig stellte Axeu jedem von uns einen großen Teller Pfannkuchen hin. Noch dazu stellte er Ahornsirup auf den Tisch und setzte sich dann auch mit einem Teller Pfannkuchen hin. Da ich noch nie Pfannkuchen, vor allem nicht mit Ahornsirup, gegessen hatte, beobachtete ich erst einmal Nevis. Er nahm sich den Ahornsirup und machte sich großzügig etwas davon auf den Pfannkuchenstapel. Dann nahm er Messer und Gabel, mit denen er immer wieder ein Stück von dem Pfannkuchenstapel ab schnitt und es aß.
Also machte ich es ihm nach. Bereits nach dem ersten Bissen war ich begeistert und strahlte voller Glück. Axeu und Nevis hingegen schauten mich überrascht, über meine Freude über ein paar Pfannkuchen, an. „Hast du noch nie Pfannkuchen gegessen?“, fragte Nevis irritiert, woraufhin ich den Kopf schüttelte, aber schnell weiter aß.
„Solange du hier bist, kriegst du oft Pfannkuchen! Axeu macht die jeden Freitag!“, grinste Nevis. Als ich hörte, dass wir schon Freitag hatten, blickte ich etwas verwirrt drein. Ich hatte nicht mehr im Kopf, dass wir bereits Freitag hatten, doch eigentlich war es logisch, wenn man bedachte, wann ich entführt wurde. Bei dem Gedanken an Freitag viel mir auch auf dass wir somit den 23. Dezember haben mussten. Somit wäre am nächsten Tag Heiligabend. Nun war ich wieder bedrückt, denn morgen vor genau 10 Jahren war... Nein! Ich vertrieb den Gedanken an dieses Erlebnis wieder, bevor ich erneut anfangen würde zu weinen, denn das wollte ich nicht. Ich wollte endlich die Vergangenheit hinter mir lassen.
Schnell widmete ich mich wieder meinem Essen, bevor ich noch deprimiert werden konnte. Dies funktionierte auch ziemlich gut, da dass Essen so lecker war. Da konnte man einfach nicht Traurig sein. Schnell war ich jedoch mit der leckeren Mahlzeit fertig und auch Nevis und Axeu waren schnell fertig. Axeu nahm die Teller und stellte sie in die Spülmaschine.
„Ich muss nun weg.“, dabei sah Axeu bedeutungsvoll zu Nevis, bevor er verschwand. Als Axeu weg war, grinste Nevis mich an: „Und was machen wir 2 hübschen nun?“ Als ich jedoch nur Ratlos mit den Schultern zuckte, überlegte Nevis selber. „Wie wäre es wenn wir einen Filmtag machen? Wir haben hier eine ziemlich große Sammlung an den verschiedensten Filmen.“, fragte Nevis, woraufhin ich zustimmend nickte. Ich hatte schon seit ewigen Zeiten keine Filme mehr gesehen. Dafür hatte ich einfach kein Geld.
Nachdem ich genickt hatte stand Nevis auf, ich tat es ihm einfach gleich. Dann gingen wir zusammen ins Wohnzimmer wo er sich mit mir vor ein riesiges Regal stellte. Das Regal nahm eine komplette Zimmerwand ein und hatte Jedwede Art von Filmen. Ob es sich um Action, Horror, Fantasy, Anime oder sonstiges Handelte. Alles war vorhanden und perfekt sortiert.
Nach kurzer Zeit waren 5 Filme ausgesucht. Bei diesen Filmen handelte es sich um Jurassic World, Spirit, Wolfsblut, Sinister und Deadpool. Die ganzen Filme hatte sich Nevis ausgesucht, außer Wolfsblut. Da mich Wölfe schon immer faszinierten, wollte ich diesen Film unbedingt sehen. Spirit hatten wir ausgewählt, da ich die DVD kurz neugierig angeschaut hatte, woraufhin Nevis überrascht war, dass ich diesen Film nicht kannte. Er wäre der Meinung man müsste diesen Film mindestens einmal gesehen haben, weswegen er auf dem Stapel, von den Filmen die wir schauen wollten, gelandet war.
Während ich es mir bereits auf der Couch bequem machte, besorgte Nevis Getränke und Chips, bevor er den ersten Film in den DVD Player schob. Dann machte auch er es sich auf der Couch bequem. Schon fing der erste Film, namens Deadpool, an. Ich fand Deadpool sehr lustig und spannend und konnte kaum glauben das ich so einen guten Film verpasst hatte.
Als nächstes sahen wir Wolfsblut, bei welchem ich gespannt jedes kleinste Detail des Filmes in mich auf sog. Nevis war dabei etwas überrascht über meinen Enthusiasmus bei diesem Film. Nach dem Wolfsblut zu Ende war, schob Nevis bereits Spirit in den DVD Player, doch als er es sich gerade wieder auf der Couch bequem gemacht hatte, kam Axeu mit ernstem Gesicht herein.
Da Nevis das ernste Gesicht von Axeu sah, stand er schnell auf und lief mit Axeu in einen Nebenraum. Mir sagte er noch, ich solle gerade sitzen bleiben, er käme gleich wieder.
Während ich so da saß hörte ich die beiden im Nebenraum etwas diskutieren, jedoch konnte ich nicht verstehen worum es ging. Doch bereits nach kurzer Zeit kamen beide wieder herein. Kurz sah auch Nevis etwas grimmig aus, doch grinste mich dann an, ließ sich auf die Couch fallen und startete endlich die DVD von Spirit. Auch Axeu setzte sich dazu, obwohl er kurz die Augen verdrehte, als er sah welchen Film wir uns als nächstes ansehen würden.
Nach dem Ende des Filmes sahen wir noch Jurassic World. Während des Filmes stand Axeu jedoch auf um zu kochen, da es schon langsam Abend wurde. Axeu wurde zum Ende des Filmes hin gerade fertig mit kochen, weswegen wir den letzten Film auf nach dem Abendessen verschoben. Axeu hatte Nudeln mit Hackfleischsoße gekocht. Und auch wenn es ein einfaches Gericht war, schmeckte es besser als jedes andere mal wo ich dies gegessen hatte.
Anschließend deckten wir den Tisch ab und machten es uns wieder auf der Couch gemütlich um Sinister zu schauen. Ich saß zwischen Axeu und Nevis und kuschelte mich während des Filmes unbewusst immer mehr an Axeu, den dies zu Wundern schien. Doch er sagte nichts dazu. Der Horrorfilm erschreckte mich und so war es auch kein Wunder, dass als ich später im Bett lag voller Angst an die Decke starrte. Ich konnte einfach nicht schlafen, denn immer wieder kamen mir Bilder dieses Filmes vor Augen.
Irgendwann kam Axeu herein, um nach mir zu sehen. Er schien bemerkt zu haben, dass ich noch nicht schlafe. „Was ist los?“, flüsterte er mir leise zu, da Nevis im Nebenraum schon zu schlafen schien. Stumm schüttelte ich den Kopf und zitterte leicht. „Hast du Angst wegen dem Film? Wenn du willst bleib ich bei dir bis du eingeschlafen bist.“, sprach Axeu unsicher. Leicht nickte ich.
Also setzte Axeu sich vorsichtig zu mir ans Bett und streichelte mir, nach dem er kurz gezögert hatte, immer wieder leicht über den Kopf. Diese Berührung und sein Geruch, welcher mir erneut um die Nase wehte, beruhigte mich, weswegen ich langsam schläfrig wurde und allmählich in einen tiefen Traumlosen Schlaf fiel.
Gähnend wollte ich mich gerade auf die andere Seite drehen, als ich bemerkte, dass mir dies nicht gelang. Deshalb öffnete ich vorsichtig meine Augen und versuchte gegen das Licht anzublinzeln. Bei mir im Bett lag Axeu, welcher seine Arme fest um mich geschlungen hielt. Er schien wohl die Nacht neben mir eingeschlafen zu sein, nachdem ich es auch geschafft hatte zu schlafen.
Da ich aber aufstehen wollte, versuchte ich mich von ihm zu befreien, ohne ihn dabei jedoch aufzuwecken. Grummelnd gab Axeu einige Laute von sich, bevor er seinen Arm von mir löste, sich umdrehte und einfach weiter schlief.
Verwirrt betrachtete ich ihn kurz, bevor ich mich, mit einigen Klamotten bewaffnet, auf den Weg ins Badezimmer machte. Dort angekommen duschte ich mich schnell und zog mich anschließend um. Dann ging ich wieder zurück in mein Zimmer.
Diesmal saß Axeu aufgerichtet im Bett und blickte sich etwas irritiert um. Doch als er dann mich erblickte, schien er sich wieder daran zu erinnern, was in der Nacht passiert war. Wie ich nicht schlafen konnte, wie er in mein Zimmer kam und mich dann beruhigt hatte, damit ich endlich schlafen konnte.
„Morgen.“, murmelte Axeu, noch leicht verschlafen, und rieb sich seine Augen. Ich hingegen nickte ihm nur kurz zu. Axeu schien es etwas zu ärgern, dass ich nichts sagte, denn er blickte mich grummelnd an, bevor er sich aus meinem Bett erhob.
„Komm lass uns Frühstücken!“, murmelte er mürrisch und machte sich bereits auf den Weg aus meinem Zimmer. Langsamen Schrittes folgte ich ihm. Irritiert von seiner miesen Stimmung blickte ich ihn immer wieder fragend von der Seite her an. Dies bemerkte er und quittierte es mit einem genervten Seufzer.
Ohne weiter auf mich zu achten oder auf mich einzugehen nahm Axeu sich eine Schüssel aus einem Schrank und stellte Cornflakes und Milch auf den Tisch. Mit einem Löffel bewaffnet machte er sich sein Frühstück, wobei er mich kein bisschen zu beachten schien. Etwas unsicher holte auch ich mir eine Schüssel und einen Löffel und machte mir auch eine Schüssel mit Cornflakes. Da Axeu darauf jedoch nichts sagte, schien es in Ordnung zu sein, weswegen ich mich leicht beruhigte.
Nach dem Frühstück bemerkte ich langsam das Nevis noch nicht da war, weswegen ich etwas verwirrt zu Axeu blickte. Dieser schien meinen Blick wohl zu bemerken und auch richtig einzuschätzen. „Nevis ist... auf einem... Familientreffen.“, gab Axeu zögernd Preis, erwähnte dabei aber nicht wieso nur Nevis unterwegs war und nicht er dazu. Aber ich nahm an, dass es mit mir zusammen hing, weswegen ich nicht mehr so verwirrt aussah.
„Wenn du nicht abhaust können wir gemeinsam einkaufen gehen. Denn wie ich gerade bemerkt habe, haben wir nichts mehr zu Essen da.“, schlug Axeu vor, klang dabei aber eher so, als hätte er nur wenig Lust darauf. Trotzdem nickte ich. Mich interessierte es, in welchem Ort wir hier waren. „Okay, dann hol dir eine Jacke und Schuhe, es ist kalt draußen.“, gab Axeu zurück.
Daraufhin rannte ich in 'mein' Zimmer. Dort suchte ich mir ein paar blau-schwarze Chucks heraus und fand in dem Kleiderschrank sogar meine schwarze Winterjacke, die ich mir auch sofort überzog. Anschließend ging ich, diesmal in einem etwas langsameren Tempo, zu Axeu herunter, welcher bereits bei der Haustür wartete und nur noch auf mich zu warten schien.
Zusammen mit Axeu trat ich vor die Tür. Überall lag Schnee, als hätte sich eine weiße Decke über den Boden gelegt. Nebenbei schneite es noch ein wenig. Dann gingen Axeu und ich los. Wie Axeu kurz erklärt hatte, lag die Stadtmitte nicht weit entfernt und dort war auch ein Supermarkt. Anschließend könnten wir auch noch über den Markt schlendern und er könne mir etwas kaufen, wenn ich was schönes finden würde.
Dieses Verhalten von Axeu verwirrte mich noch mehr, als wenn er gemein zu mir war. Denn so war ich ihn nicht gewohnt, doch eigentlich schien er ja ganz nett zu sein. Also umarmte ich ihn kurz als Dank.
Dann kamen wir bereits vor dem Supermarkt zum stehen. Viel brauchten wir nicht. Doch als ich eine Packung Smarties entdeckte, nahm ich diese in die Hand und sah Axeu mit einem Dackelblick an. Leicht grinsend nahm Axeu mir die Packung aus der Hand und legte sie in den Einkaufswagen. Überglücklich ging ich weiter und auch Axeu schien froh zu sein, dass er mir mit so einer Kleinigkeit eine so große Freude machen konnte.
„Du hattest wohl nicht oft Süßigkeiten im Waisenheim!“, stellte Axeu nachdenklich fest. Kurz blickte ich ihn an, wirkte dabei leicht unglücklich und schüttelte leicht den Kopf. „Du arme.“, murmelte Axeu und sah dabei ein wenig mitleidig aus. Schnell schüttelte ich den Kopf und setzte mein bestes falsches Lächeln auf. Ich wollte ihm zeigen, dass ich es nicht als schlimm empfand, doch er schien zu merken, dass mein Lächeln nur aufgesetzt war, da er mich immer noch mit einem Mitleidigen Blick betrachtete.
Um uns beide auf andere Gedanken zu bringen, zerrte ich ihn schnell weiter, damit wir die restlichen fehlenden Sachen einkaufen konnten. Bereits nach kurzer Zeit hatten wir alles was wir brauchten und konnten an die Kasse um die Einkäufe zu bezahlen.
Als wir dann aus dem Supermarkt traten, machten wir uns jedoch nicht auf den Weg zurück zum Haus, sondern schlenderten noch ein wenig über den Weihnachtsmarkt. Axeu kaufte mir ein paar schöner schwarz-blauer Handschuhe, da ich selber keine hatte. Dann stellten wir uns an einen Glühwein stand, tranken jeder einen Apfelglühwein und betrachteten die vielen Menschen, die um uns herum liefen.
„Komm, lass uns zurück gehen!“, sprach Axeu sanft, nachdem jeder von uns seinen Glühwein aus getrunken hatte. Zustimmend nickt ich, denn trotz des Glühweins wurde mir langsam kalt. Vor allem meine Füße froren, denn mit der Wahl meiner Schuhe hatte ich ziemlich daneben gegriffen.
Also machten wir zwei uns auf dem Weg zurück zu dem Haus, in welchem Axeu und Nevis und auch ich kurzfristig wohnten. Nun kam mir langsam wieder die Frage hoch, wieso sie mich entführt hatten. Es konnte nichts mit Geld zu tun haben, denn erstens lebte ich im Waisenheim und dies besaß nicht viel Geld und zweitens schienen die beiden mehr als genug Geld zu haben.
Den Rest des Weges grübelte ich darüber nach. Und selbst im Haus machte ich mir noch weiter darüber Gedanken. „Möchtest du einen warmen Kakao?“, fragte Axeu, welcher mich somit auf meinen Gedanken riss. Kurz blickte ich ihn verwirrt an, aber da mir immer noch kalt war, nickte ich leicht.
Während Axeu also den Kakao vorbereitete, zog ich mir meine Schuhe und meine Jacke aus und brachte beides in mein Zimmer. Als ich anschließend wieder ins Wohnzimmer kam, stellte Axeu bereits 2 Tassen dampfenden Kakao auf den Couchtisch. Bei beiden Tassen Kakao hatte Axeu 2 kleine Marshmallows rein gelegt und eine Schicht Sprühsahne drüber gemacht. Noch dazu war auf der Sprühsahne etwas Kakaopulver und Streusel.
Neugierig setzte ich mich hin und begutachtete den Inhalt der Tasse. Vorsichtig nahm ich die Tasse in die Hand und nippte leicht an dem Kakao. Auch wenn er gut schmeckte, verbrannte ich mir sofort die Zunge daran. Mein Blick dabei muss ziemlich lustig ausgesehen haben, denn Axeu konnte sich einfach nicht beherrschen und fing an zu lachen.
Beleidigt blickte ich ihn an. Doch daraufhin musste er noch mehr lachen, sodass er schon bald auf dem Boden lag und sich seinen Bauch hielt vor Lachen. Während ich ihn so dabei beobachtete, wie er sich einfach nicht einkriegen konnte, wünschte ich ihm richtige Bauchschmerzen, wenn er sich wieder beruhigt hatte. Doch dann konnte auch ich mir kein Grinsen verkneifen. Doch Lachen konnte ich nicht, dies tat ich immerhin schon seit einer langen Zeit nicht.
Nach einigen Minuten hatte Axeu sich schlussendlich beruhigt und konnte sich wieder auf die Couch setzen. Ich hatte ihn dabei die ganze Zeit beobachtet und stellte fest, dass ich ihn süß fand, wenn er so fröhlich und freundlich war, obwohl ich auch seine ruhigere und etwas unfreundlichere Art mochte und akzeptierte, was mich schon ziemlich verwunderte.
Nun tranken wir beide unseren Kakao leer, welche nun eine angenehmere Temperatur inne hatten. Dann überlegten wir, was wir als nächstes machen könnten. „Wie wäre es wenn wir Mario Kart für die WII spielen?“, schlug Axeu vor, was bei mir auf große Zustimmung traf. Denn ich hatte schon lange nicht mehr etwas gespielt. Das letzte mal war als Kind wo es noch die Playstation 1 oder 2 gab.
Somit bereitete Axeu alles vor damit wir spielen konnten. Er nahm sich die erste Wii-Fernbedienung und ich die zweite. Als Charakter nahm ich Knochenbrowser mit dem Fahrzeug Schnuppe. Während Axeu Wario mit dem Wario-Bike nahm. Dann begann das erste rennen. Damit ich mich daran gewöhnen konnte, hatten wir erst eine leichte Strecke ausgewählt. Diese Strecke hieß Pilz-Schlucht.
Jedes mal wenn Axeu von einem Panzer oder ähnlichem getroffen wurde, fluchte er auf. Dabei kamen immer sehr interessante Flüche heraus. Und obwohl ich Mario Kart an diesem Tag das erste mal gespielt hatte, gewann ich Rennen um Rennen, ohne das Axeu auch nur einen Hauch einer Chance hatte.
„Du schummelst!“, grummelte er beleidigt, was mich nur grinsen ließ. Dann gab er endgültig auf. Aber immerhin hatten wir schon einige Zeit überbrücken können, sodass Axeu nun anfing zu kochen. Diesmal kochte Axeu Apfelpfannkuchen und Suppe. Schon als kleines Kind hatte ich Apfelpfannkuchen geliebt, weswegen ich direkt 7 Stück verschlang.
Den restlichen Abend verbrachten wir im Wohnzimmer. Während Axeu irgendetwas im Fernseher sah, las ich in einem der Werwolfs Bücher, die in meinem Zimmer gestanden hatten.
Mitten in der Nacht wachte ich plötzlich auf. Ich dachte ich hätte ein Geräusch gehört. Daher sah ich mich verwirrt in meinem Zimmer um. Durch das Mondlicht, welches in mein Zimmer fiel, konnte ich die Umrisse einer Person erkennen.
Langsam kam die Person mir näher. Sie erschien größer zu sein als ich. Außerdem ging ich durch die Statur aus, dass es ein Mann war. Doch erst als der Fremde direkt vor meinem Bett stand, erkannte ich sie.
Grüne Augen blickten mich wohlwollend an. Lächelnd fuhr er sich durch seine roten Haare, die vorne an den Seiten länger waren als hinten. Und auch wenn ich diese fremde und doch so vertraute Person schon seit Jahren nicht mehr gesehen hatte, erkannte ich sie schlagartig. Dafür waren wir uns zu ähnlich.
Es war mein älterer Bruder. Alexander. Nun erinnerte ich mich wieder schlagartig an die Nacht die mein Leben verändert hatte. An die Nacht von vor 10 Jahren. Auch erinnerte ich mich wieder an die Gefühle, die ich damals verspürt hatte. Wut. Trauer. Hoffnungslosigkeit. Einsamkeit. Enttäuschung. All die Gefühle hatte mir diese eine Person in nur einer Nacht gezeigt. Und das konnte ich ihm nie verzeihen.
„Hallo Nalan! Ich bin hier um dich hier raus zu holen!“, sprach mein älterer Bruder, den ich schon lange nicht mehr als solchen anerkannte, leise. Schnell schüttelte ich daraufhin den Kopf und drückte mich näher an das Ende des Bettes, weiter weg von ihm. Ich wollte nicht weg. Ich mochte Axeu und Nevis und zum ersten mal seit Jahren fühlte ich mich wohl und akzeptiert.
„Wieso nicht? Du kommst mit mir und Ende!“, nun sprach mein Bruder etwas wütender und seine Augen funkelten voller Zorn. Ängstlich blickte ich ihn an. Ich wusste nicht was noch passieren würde, wenn ich mit ihm ginge.
Und trotz meiner Angst packte mein Bruder mich am Arm und zog mich aus dem Bett. Schnell schleifte er mich zu der Zimmertür, welche offen stand, da er durch diese auch gekommen war.
Mit all meiner Kraft versuchte ich mich gegen ihn zu wehren, doch all dies half nichts. Ich konnte mich einfach nicht befreien. Er war zu stark.
Nun versuchte ich um Hilfe zu rufen. Versuchte das Axeu und Nevis mich hören würden und mir dann zu Hilfe eilen würden. Doch wie immer verließ kein Ton meine Lippen.
Plötzlich ließ mein Bruder meinen Arm los. Dadurch fiel ich nach hinten auf den Boden. Verwirrt darüber setzte ich mich langsam auf und konnte beobachten wie Axeu sich mit meinem Bruder prügelte. Oft schlug Axeu auf ihn ein, nur wenige Treffer landete mein Bruder.
Axeu war klar überlegen. Dies schien auch mein Bruder zu erkennen, weswegen er wütend knurrte, Axeu von sich stieß und so schnell es ihm möglich war abhaute.
Als Axeu sich langsam aufrappelte, wischte er sich über das Gesicht, woraufhin er bemerkte, dass seine Lippen bluteten. Ihn schien das jedoch nicht zu stören, sondern er ging direkt zu mir und kniete sich zu mir runter.
Immer noch zitterte ich am ganzen Körper. Axeu betrachtete mich kurz auf jedwede Verletzung und nahm mich anschließend tröstend in den Arm. Dabei strich er beruhigend über meinen Rücken. „Hab keine Angst. Er ist weg. Und ab sofort passe ich noch besser auf dich auf!“, versprach Axeu mir.
Nach dem ich den ersten Schock verdaut hatte flossen mir nun langsam die Tränen aus den Augen. Denn so ungern ich es zugab, mein Bruder hatte mir Angst gemacht, aber noch mehr Angst hatte ich davor, meine beiden Entführer nie wieder zu sehen. Denn die beiden waren die einzigen seit langem, die wieder etwas Freude in mein Leben brachten und dies tat mir gut.
„Was ist denn hier los?“, murmelte ein verschlafener Nevis. Erst als er registrierte das ich weinte und Axeu mich wohl tröstete, schien er wacher zu werden. Mit einem kurzen Seitenblick auf mich erklärte Axeu: „Ihr Bruder ist hier aufgetaucht und wollte sie mitnehmen.“
Nun war ich es die verwirrt war. Trotz meiner Angst, die ich zuvor gehabt hatte, schubste ich Axeu leicht weg und blickte ihn verwirrt und vorwurfsvoll zu gleich an. Er wusste, dass diese Person mein Bruder gewesen war, also was wusste er noch? Und woher wusste er das überhaupt? Er verschwieg mir was und das konnte ich nicht akzeptieren.
„Ähm... Ich dachte es mir nur... Ihr seht euch so ähnlich...“, versuchte Axeu eine Ausrede zu finden, die nicht ganz so ehrlich klang wie er vielleicht gehofft hatte. Auch Nevis musste ein genervtes Stöhnen unterdrücken, doch man sah ihm an, dass er seinen Bruder am liebsten für diese Unachtsamkeit bestraft hätte.
Wütend stand ich nun auf. Ohne die beiden noch eines Blickes zu würdigen ging ich in mein Zimmer. Damit die beiden mich aber nicht stören konnten, verschwand ich geradewegs im Badezimmer und schloss die Tür hinter mir ab. Dann lehnte ich mich an die Badezimmertür und ließ mich deprimiert daran hinab gleiten.
Die beiden waren die ersten Personen denen ich seit so langer Zeit vertraute und dann hatten die so große Geheimnisse vor mir. Natürlich kannte ich beide erst seit wenigen Tagen, doch trotzdem wussten sie wer mein Bruder war und wohl auch was er getan hatte. Das konnte ich einfach nicht verstehen und akzeptieren.
Während ich still da saß und wie in Trance an die gegenüberliegende Wand starrte, klopfte es mehrmals. „Bitte Nalan! Mach die Tür auf! Es tut mir leid!“, Axeu klang verzweifelt. Doch so sehr mein Herz mich dazu drängte die Tür zu öffnen, konnte und wollte ich mich nicht erweichen lassen. Er hatte mein Vertrauen missbraucht.
Das es mich so tief schmerzte, obwohl ich schon so viele Enttäuschungen erlebt hatte, ließ dabei nur den Schluss zu, das ich die beiden mehr mochte als jemals jemanden zuvor. Vor allem Axeu hatte mich damit verletzt, wobei ich jedoch nicht verstand, wieso es mir so viel mehr ausmachte als bei Nevis.
Noch öfters klopfte Axeu in den nächsten Stunden an die Badezimmertür, doch kein einziges mal reagierte ich. Erst als die Sonne bereits eine Weile aufgegangen war und diesmal Nevis an die Tür klopfte, machte ich diese langsam auf. „Nalan? Wir machen uns Sorgen! Mach die Tür auf! Axeu ist auch nicht da und wenn du willst verraten wir dir später alles was du wissen willst! Außerdem musst du was Essen!“, diese Verzweiflung in Nevis Stimme, war so greifbar, dass ich einfach nicht anders konnte als langsam aufzustehen und die Tür aufzuschließen.
Vorsichtig öffnete ich die Tür einen Spalt und schon wurde die Tür von Nevis komplett aufgerissen, welcher mich freudig in seine Arme zog. Er sagte gefühlte Tausendmal, dass es ihm Leid täte und ich glaubte es ihm, denn seine Augen verrieten seine Ehrlichkeit.
Nun zog Nevis mich in die Küche und setzte mich bei einem Stuhl ab. Er hingegen wuselte kurz durch die Küche um mir einige Sachen vor die Nase zu setzen, die ich Frühstücken konnte. „Wollen wir später vielleicht mit Axeu in den Zoo gehen? Der Zoo hier in der Nähe hat am ersten Weihnachtsfeiertag immer ein Angebot, der Eintritt kostet dann nur die Hälfte und die haben auch ein paar Heimische Tiere die keinen Winterschlaf halten. Selbst Wölfe haben die! Die magst du doch, oder?“, plapperte Nevis drauf los und klang bei seinem letzten Satz ein wenig unsicher.
Ich nickte zustimmend. Das letzte mal als ich im Zoo war, da war ich 6 Jahre alt und daran konnte ich mich kaum noch erinnern. Außerdem klang die Aussicht Wölfe zu sehen, für mich ziemlich verlockend.
„Super! Dann gehen wir denke gleich los, wenn wir beide uns fertig gemacht haben! Axeu wird sicher auch gleich kommen und zu Mittag können wir ja dort Essen.“, beschloss Nevis gut gelaunt. Ich ließ mich von der guten Laune und Vorfreude anstecken und verschlang mein Essen schnellstmöglich. Anschließend verschwand ich in meinem Zimmer, wo ich mich fertig machte und bereits nach einer viertel Stunde wieder im Wohnzimmer stand.
Nevis kam kurz nach mir rein und auch Axeu ließ nicht lange auf sich warten. Dieser blickte uns jedoch verwirrt an, da er nicht wusste, dass wir in den Zoo gehen wollten, was Nevis ihm dann kurz erklärte. Nun schien auch Axeu begeistert zu sein, was er sich aber nicht so sehr anmerken ließ wie Nevis.
Schon kurz darauf standen wir vor dem Zoo. Axeu und Nevis bezahlten den Eintritt, was ich nur widerwillig geschehen ließ, da mir eh nichts anderes übrig blieb. Dann sahen wir uns die verschiedensten Tiere an. Angefangen mit dem Elefantenhaus und dann ging es weiter zum Affenhaus. Bei den Gehegen draußen sahen wir auch Pinguine oder Rehe und Hirsche. Auch Wildschweine gab es zu sehen. Und als wir zu guter Letzt zum letzten Gehege kamen, war ich ziemlich begeistert. Die Wölfe die wir sahen waren alle einfach nur wunderschön.
Im Allgemeinen hatte der Tag sehr viel Spaß gemacht und Axeu und Nevis brachten mich oft zum Grinsen, auch wenn ich trotzdem nicht vergaß, dass sie mir was verschwiegen.
Als wir Nachmittags nach Hause kamen machten wir es uns zu dritt auf der Couch bequem. Während ich also die beiden Erwartungsvoll anblickte, sahen die beiden sich erst unschlüssig an, bevor Nevis anfing zu sprechen: „Bevor wir dir alles erzählen, haben wir noch ein Geschenk für dich. Immerhin ist Weihnachten.“ Dann gab Nevis mir ein Samsung Galaxy S5. „Es ist nicht das neuste Modell, aber besser als nichts. Außerdem ist es schon komplett für dich eingerichtet und die Bilder heute vom Zoo sind alle da drauf. Und falls du Hilfe damit brauchst helfen wir dir gerne.“, sprach Axeu nun weiter und lächelte mich leicht an.
Geschockt von so einem teuren Geschenk fiel ich erst Nevis und dann Axeu in die Arme und lächelte dabei bis über beide Ohren. Sie wussten wie dankbar ich ihnen war und das machte auch sie glücklich, weswegen beide sanft lächelten.
„So, und nun zu dem was wir dir schon von Anfang an hätten sagen sollen...“, fing Nevis an.
„...Wir sind... keine Menschen...“, erzählte Axeu weiter und stockte dabei. Ich blickte verwirrt drein. Wenn sie keine Menschen waren, was waren sie dann? Oder wollten die beiden mich vielleicht einfach nur verarschen?
„Wir sind Werwölfe!“, ließ nun Nevis vorsichtig die Bombe platzen. Nun schaute ich die beiden skeptisch an. Dachten die beiden wirklich ich wäre so naiv und würde ihnen das glauben? Da mussten sie sich schon was besseres einfallen lassen. „Sie glaubt uns nicht!“, stellte Nevis enttäuscht fest.
Axeu hingegen murmelte etwas, was sich verdächtig nach 'Gleich schon' anhörte und nur wenige Sekunden später stand an der Stelle wo zuvor Axeu stand ein weißer Wolf mit den blauen Augen von Axeu. Überrascht blinzelte ich mehrmals, bis ich fest stellte, das dieser Wolf dem Wolf von der Lichtung von wenigen Tagen zum verwechseln ähnlich sah. Dann erst machte es 'klick'. Der Wolf von der Lichtung und Axeu waren ein und die selbe Person oder ein und der selbe Wolf.
Kurz darauf, als Axeu die Erkenntnis in meinen Augen erkannt hatte, verwandelte er sich auch wieder in seine menschliche Gestalt und grinste leicht überheblich. Nevis hingegen taxierte kurz seinen Bruder genervt und wütend zugleich. Ich hätte nicht gedacht, dass Nevis auch mal wütend schauen konnte, denn sonst war er immer gut gelaunt und fröhlich.
„Kann ich dann jetzt weiter erzählen? Immerhin war das noch nicht die ganze Geschichte.“, sagte nun Nevis, nachdem auch ich mich wieder gefangen hatte. Eigentlich war es ja schon ziemlich cool, dass es Werwölfe gab und ich mit Zweien momentan unter einem Dach lebte. Also nickte ich leicht, sowie auch Axeu nickte.
„Gut... Nalan... du bist auch ein... Werwolf... genauso wie dein Bruder und deine Eltern...“, erzählte Nevis, woraufhin ich ihn nur ungläubig anblicken konnte. Das konnte nie und nimmer stimmen. Immerhin hatte sich keiner meiner Familie jemals verwandelt. „Die Werwölfe werden als Wölfe geboren und können sich von kletin auf verwandeln, nur eist können sie die Verwandlung nicht kontrollieren. Bei dir war es so, dass deine Eltern deine Kräfte blockiert haben, doch mit etwas Training kannst du deine Kräfte erwecken, so wie es dein Bruder als Kind schon geschafft hatte.“, erklärte Axeu nun.
Ich wurde immer verwirrter. Was wollten sie denn noch erzählen? Würden sie mir auch endlich erzählen warum sie mich entführt hatten? „Weißt du...“, sprach Nevis nun weiter. „Wir sind in einem großen Rudel aufgewachsen. Der Alpha dieses Rudels bildet mit den anderen Alpha´s der anderen Rudel einen Rat... Dieser Rat hat deinen Bruder und dich schon lange Zeit beobachtet, da eure Eltern freie Wölfe waren und sich somit nicht dem Rat unterordnen mussten.“
Verstehend nickte ich, bevor Axeu weiter sprach: „In dem Rudel hatten wir alles gelernt was wir brauchten. Als wir uns dann nach unserer Verwandlung entschieden, eigene Wege zu gehen, haben wir geschworen, dem Rat trotz allem zu unterstehen. Somit erhalten wir manchmal befehle von ihnen.“
„Und da der Rat deinen Bruder als Verräter sieht. Und er trotzdem noch an dir hängt. Haben sie uns beauftragt dich zu entführen und dich quasi als... Lockvogel zu benutzen.“, erklärte Nevis vorsichtig, sah dabei auch ein wenig schuldig aus. Ich hingegen blickte die beiden nur geschockt und vielleicht auch ein wenig wütend an. Wie konnten sie mir so was verschweigen und mich so dermaßen benutzen.
„Wir wollen das wirklich nicht... Aber der Rat gibt uns den Befehl... Eigentlich dürften wir dir hiervon nicht mal was sagen, aber wir wollten dich auch nicht länger anlügen. Daher haben wir dem Rat unsere Meinung gesagt und die würden dich gerne um deine Mithilfe bitten, damit wir deinen Bruder fangen... oder vielleicht auch... töten können...“, schloss Axeu schnell ab. Auch er sah nicht minder Schuldbewusst aus als Nevis.
Ungläubig schüttelte ich den Kopf. Das konnte einfach nicht wahr sein. Wieso ausgerechnet ich? Ich will doch nichts sehnlicher als dieses Erlebnis einfach zu vergessen und ein normales ruhiges Leben zuführen. Wieso muss das alles mir zunichte gemacht werden.
Kopf schüttelnd stand ich auf. Ich musste nachdenken und das konnte ich nur in Ruhe in meinem Zimmer. Also stand ich auf und ging, ohne einen der beiden noch einmal anzublicken, in mein Zimmer. Ich hörte zwar das einer, vermutlich Nevis, mir folgen wollte. Doch auch hörte ich, wie Axeu ihn zurück hielt und erklärte, dass ich viel zu verdauen hätte.
Axeu verwirrte mich. Er kannte mich besser als jeder andere und auch wenn ich kein Wort sagte, verstand er mich. Das taten nicht viele und war auch seltsam. Aber es freute mich auch und erleichterte mich. Dadurch das er mich so verstand, musste ich nicht versuchen mich ohne Worte zu erklären. Jedoch wusste ich, dass ich bald nicht drum herum käme, ihnen irgendwie mitzuteilen, dass ich schon seit Jahren nicht mehr redete. Denn auch wenn sie so vieles über mich wussten, dann wussten sie diese eine Tatsache jedenfalls nicht. Und ich hatte Angst, dass wenn mich die beiden, vor allem Axeu, noch besser kannten, dass sie dann mich damit verletzen könnten und das wollte ich nicht.
Nachdenklich blickte ich an die weiße Zimmerdecke. Obwohl ich zu erst über die Geschichte mit den Werwölfen nachdenken wollte, dachte ich nun über Nevis und Axeu nach. Beide waren die wenigen Tage die ich hier war so nett zu mir, auch wenn ich, zumindest mit Axeu, einen holprigen Start hatte. Aber inzwischen fing ich an beiden bedingungslos zu vertrauen und das machte mich unsicher. Dieses Gefühl jemanden zu Vertrauen und mich bei diesem jemand einfach fallen lassen zu können, hatte ich schon lange nicht mehr. Ich musste auch niemandem Vertrauen. Bisher hatte ich immer geglaubt, es reiche, wenn ich mich selber habe. Jedoch fing ich an dies in Frage zu stellen. Denn so ungern ich es auch zugab, ich brauchte die beiden Werwölfe, welche mich jedes mal aufs neue so verwirrten und doch so glücklich machten.
Nun versuchte ich mir über etwas anderes Gedanken zu machen. Denn wenn ich wirklich ein Werwolf war, warum hatten meine Eltern oder Alexander, mein 'Bruder', mit das nie gesagt. Alle schienen mehr zu wissen als ich und das nervte mich. Die Geschichte mit den Werwölfen warf aber noch eine andere, längst vergessene Frage wieder auf. Warum hatte Alexander uns damals Verraten? Ohne Grund hätte er das sicher nicht getan und mich in einen Abgrund tiefster Verzweiflung gestoßen.
Ich war verwirrt. Warum versuchte ich eine Erklärung zu finden, in der mein Bruder nicht als der Böse weg kam? Dabei war es doch offensichtlich, dass er keiner von den guten war. Axeu und Nevis hingegen schon. Immerhin hatten sie sich die letzten Tage um mich gekümmert und mich getröstet. Und sie waren in den letzten Tagen mehr für mich da, als irgendjemand sonst in den letzten 10 Jahren.
Auf einmal erklang ein vorsichtiges und leises klopfen von der Tür, welche dann einen Spaltbreit aufgemacht wurde. Der Kopf von Nevis blickte herein . Er sah mich leicht lächelnd an. „Du bist schon solange hier drin, da dachte ich, dass ein warmer Kakao und Waffeln dir gut tun würden.“, sprach Nevis sanft lächelnd und kam nun mit einem Tablett herein. Auf dem Tablett waren 2 Tassen mit einer warmen Flüssigkeit und ein Berg voll Waffeln mit Puderzucker thronten auf einem Teller.
Nevis stellte das Tablett auf dem Nachttisch neben dem Bett und reichte mir eine der beiden Tassen. Die andere Tasse nahm er selber. Dann setzte er sich zu mir aufs Bett. „Hast du schon über das was wir dir erzählt haben nachgedacht?“, fragte Nevis, nach kurzer Zeit. Leicht nickte ich.
„Bist du denn zu einem Ergebnis gekommen?“, fragte Nevis weiter, woraufhin ich nur mit den Schultern zucken konnte. Ich wusste nicht ob ich meinen Bruder so verraten konnte. Denn auch wenn er schlimmes getan hatte, würde ich gerne zu erst den Grund erfahren, denn es lag immer noch im Bereich des möglichen, dass er einen wirklich guten Grund dafür hatte. Wenn dem nämlich so wäre, dann hätte ich ein schlechtes Gewissen, was ich nicht so einfach beruhigen könnte.
„Keine Sorge Du hast noch Zeit darüber nachzudenken. Mir würde es auch schwer fallen meinen Bruder auszuliefern, wenn er ein Verräter wäre.“, sagte Nevis und lächelte mich aufmunternd an. Leicht nickte ich und nahm einen großen Schluck von dem Kakao. Die warme Flüssigkeit floss angenehm meinen Hals hinab und ließ mich leicht lächeln. So gut hatte mir zu Letzt der Kakao meiner Mutter geschmeckt, welchen sie mir immer gemacht hatte, wenn ich Nachts durch einen Alptraum aufgewacht war. Seit jeher hatte dieser Kakao eine beruhigende Wirkung auf mich.
„Ich geh dann mal wieder und lass dich in Ruhe nachdenken.“, sprach Nevis nach einigen schweigenden Minuten, bevor er aufstand und sich leicht lächelnd aus meinem Zimmer begab. Ich blickte ihm hinterher und fragte mich, wie ich mich Entscheiden sollte. Sollte ich mich für meinen Bruder oder für die beiden Idioten, die mir sehr am Herzen lagen, entscheiden?
Schlussendlich hatte ich eine Entscheidung getroffen. Und diese würde ich den beiden, wenn sie das nächste mal Fragen würden, irgendwie mitteilen. So viel stand fest. Also lehnte ich mich lächelnd an die Wand an der mein Bett stand und blickte durch das Fenster nach draußen. Wo erneut Schneeflocken wild umher flogen.
Bereits früh am nächsten Morgen war ich auf den Beinen. Ich konnte einfach nicht weiter schlafen, weswegen ich beschlossen hatte aufzustehen. Ein Blick in die Küche und in das Wohnzimmer verriet mir, dass Nevis und Axeu noch zu schlafen schienen. Daher beschloss ich, mich noch ein wenig in dem großen Haus umzuschauen. Bisher kannte ich nur die Küche, das Wohnzimmer, den Flur und mein Zimmer mit dem angrenzendem Badezimmer. Jedoch hatte das Haus noch einige weitere Türen.
Meinen Rundgang begann ich im Erdgeschoss, wo ich zu aller erst ein kleines Gäste Bad fand. Die nächste Tür, welche ich dann öffnete, gab den Weg in den Keller frei. Bereits nach einem kurzen Blick erkannte ich, dass der Keller geräumig war und einen Trainingsraum beherbergte. Weiter sah ich mich jedoch nicht im Keller um, sondern beschloss nun in das obere Stockwerk zu gehen.
Oben angekommen waren die ersten drei Türen, die Türen die zu Nevis, Axeu's und meinem Zimmer führten. Da ich die beiden Jungs nicht stören wollte, begab ich mich zu den nächsten Türen. Die erste Tür, die ich öffnete, gab den Blick auf eine kleine Bibliothek frei. Viele verschiedene Regale standen dort herum, inklusive vier kleine schwarze Sessel.
Nach dem ich mich an dem Raum satt gesehen hatte, war die nächste Tür an der Reihe. Dahinter lag ein kleines Büro, mit einem Schreibtisch, wo ein Rechner draufstand und einem kleinen Regal, welcher voller Ordner war. Sofort kam mir ein Gedanke, dass ich meine Entscheidung bezüglich meines Bruders, auf schriftlichem Weg übermitteln könnte. Also kramte ich kurz in den Schubladen des Schreibtisches herum, bis ich ein Blatt Papier und eine Stift fand.
Da dies die letzte unbekannte Tür war, ging ich nun wieder ins Erdgeschoss und setzte mich im Wohnzimmer auf die Couch. Gerade als ich den Fernseher anschalten wollte, erklang eine fröhliche Stimme hinter mir. „Du bist ja schon wach!“, grinste Nevis mich an und ließ sich neben mich auf die Couch fallen, „Hast du dich denn schon entschieden?“ Daraufhin nickte ich leicht, was Nevis weiter zum Strahlen brachte, während er mich neugierig ansah.
Schnell nahm ich den vorbereiteten Stift und das Papier und fing an zu schreiben. Aus dem Augenwinkel stellte ich dabei mit erstaunen fest, dass Nevis gar nicht verwundert darüber aussah, dass ich schrieb und es nicht sagte.
Nach dem ich fertig geschrieben hatte, reichte ich ihm den Zettel, auf welchem Stand: Ich helfe euch gerne, aber ich möchte erst mit meinem Bruder reden, bevor ihr in ausliefert.
Offen blickte Nevis mich an und schien darüber nachzudenken, dann nickte er leicht verstehend. „Axeu wird davon zwar nicht so begeistert sein, aber ich kann dich verstehen und ich denke wir kriegen ihn überredet.“, nun grinste Nevis wieder.
Freudig fiel ich ihm um den Hals und zeigte ihm somit meine Dankbarkeit. Dabei landeten wir beide auf dem Boden, wo ich auf ihm drauf lag. Er lachte nur konnte sich kaum einkriegen, während dich einfach glücklich grinste.
„Was ist denn hier los?“, fragte eine verschlafene Stimme von der Wohnzimmertür aus. „Ach nichts besonderes.“, grinste Nevis und setzte sich mit mir auf. Schnell sprang ich auf, schnappte mir den Zettel, den ich zuvor auch Nevis gezeigt hatte und hielt ihn Axeu hin. Mit einem Dackelblick wartete ich auf seine Reaktion.
Erst wirkte er verwirrt, dann geschockt und schlussendlich Wütend. „Nein! Ich lasse nicht zu, dass er dir irgendeine Lüge auftischt! Das kannst du gleich vergessen!“, fuhr er mich wütend an. Seine Stimmte zitterte vor Zorn und sein Gesicht war dabei Rot anzulaufen. Warum er allerdings darauf so heftig reagierte, verstand ich nicht.
„Beruhige dich Axeu, bevor du was tust was du später bereuen wirst.“, Nevis fasste Axeu an beiden Schultern mit festem Griff und schüttelte ihn leicht durch. Langsam schien die Wut aus dem Gesicht von Axeu zu verschwinden, sodass er bereits nach wenigen Sekunden ruhiger atmete. „Ich halte es trotzdem für keine gute Idee.“, sprach Axeu inzwischen ruhig und beherrscht.
„Ach komm Axeu! Einer von uns kann ja dabei sein und ich bin mir sicher das Nalan erkennt ob ihr Bruder ihr die Wahrheit sagt oder nicht.“, versuchte Nevis seinen Bruder zu überzeugen, was auch zu gelingen schien. Nachdenklich blickte Axeu uns beide an, schien nicht sicher zu sein, ob er mir zu trauen konnte, mit meinem Bruder zu reden. Natürlich vorausgesetzt wir würden ihn finden und gefangen nehmen.
„Und du willst das wirklich?“, fragend blickte Axeu mich an, schien nicht sicher zu sein, dass ich das wirklich ernst meinte. Hektisch nickte ich. Nur selten hatte ich etwas so ernst gemeint wie das hier.
Seufzend fuhr Axeu sich durch die Haare, schien immer noch ein wenig unsicher zu sein. Dennoch nickte er schließlich und endlich, was mich ihn fröhlich umarmen ließ. Zu gerne hätte ich mich bei ihm bedankt, dennoch ging es nicht. Jedoch war ich mir sicher, dass ich bald wieder reden würde, allein nur um Axeu's Willen. Denn ihn hatte ich langsam lieb gewonnen. Ich mochte ihn, trotz seiner seltsamen Art.
Die Schmetterlinge die bei dem Gedanken hoch kamen, ignorierte ich gekonnt, nahm sie nicht einmal wahr. Dafür war ich zu glücklich. Und auch Axeu lächelte. Während Nevis ein wissendes Lächeln im Gesicht hatte, so als wüsste er etwas, was wir anderen beiden noch nicht wussten.
„Nun denn, ihr zwei habt sicher so großen Hunger wie ich. Ich mach dann mal unser Frühstück.“, sprach Axeu und stand langsam auf, während Nevis und ich zustimmend nickten. Noch dazu erklang im passenden Moment, das Geräusch meines knurrenden Magens.
Axeu und Nevis lachten kurz, was mich beleidigt die Arme verschränken ließ. Mit verschränkten Armen ließ ich mich zurück auf die Couch fallen, von der ich zuvor aufgestanden war. „Jetzt sei doch nicht gleich beleidigt.“, Nevis wuschelte mir durch die Haare, was meine ganze Frisur durcheinander brachte. Wütend blickte ich ihn an. Wenn Blicke töten könnten, wäre er wahrscheinlich gerade Tot zu Boden gefallen.
„Oh nein! Ihr Blick... der tötet!“, keuchte Nevis gespielt abgehackt und ließ sich zu Boden fallen. Wenn ich nicht wüsste, dass dies nur ein Scherz war um mich zu ärgern, hätte ich ihn nun wirklich für Tot gehalten. Stattdessen stand ich auf, trat näher an ihn heran und stupste in leicht mit den Fuß an.
„Ich glaub ein Grab brauchen wir für ihn nicht. Wir betonieren ihn einfach ein. Wir brauchen nur noch ein Alibi.“, machte nun Axeu scherzhaft mit, der die Szene zuvor interessiert beobachtet hatte. Sofort grinste ich und nickte heftig.
Dann stieg ich über Nevis drüber, der immer noch Tot spielte, und ging mit Axeu in die Küche. „Ach ja, Tote brauchen ja übrigens nichts zu essen.“, grinste Axeu, da Nevis sich immer noch nicht rührte. Nach diesem Satz jedoch, war Nevis aufgesprungen und sofort in die Küche geeilt. „Ich lebe ja noch!“, rief er sofort entrüstet.
Als er uns dann in die Gesichter sah und erkannte, dass wir beide unser Lachen kaum zurück halten konnten, blickte er beleidigt drein. Sein Gesicht sah dabei so witzig aus, dass Axeu anfing laut los zu lachen. Ich jedoch lachte lautlos. Lange war es her, dass ich so einen Spaß hatte und das es mir so gut ging.
Bald lachte auch Nevis mit. So dauerte es einige Minuten bis wir drei uns vollkommen beruhigt hatten. Mein Bauch tat von dieser ungewohnten Reaktion weh und ließ mich so verwundert feststellen, dass ich erst durch meine beiden Entführer meine Lebensfreude und den Spaß wieder erlangt habe. Sobald ich wieder sprechen konnte, müsste ich mich unbedingt bei den beiden bedanken.
Bereits am nächsten Morgen wollten wir zu dritt dem Rat der Werwölfe gegenübertreten, um Ihnen meine Bedingung mitzuteilen. Aus diesem Grund wurde ich viel zu früh wach. Jedoch konnte ich nicht weiter schlafen, weswegen ich mich fertig machte und dann in die Küche ging um das Frühstück vorzubereiten.
Danach wartete ich auf Axeu und Nevis. Lange musste ich nicht warten, denn schon nach wenigen Minuten kam ein verschlafener Nevis in den Raum, wobei er nur gähnend ein: „Morgen“ sagte. Kurz nickte ich ihm zur Begrüßung zu.
Nachdem Nevis sich hingesetzt hatte, reichte ich ihm eine Tasse Kaffee, welche er sofort dankbar annahm. Schon nach dem ersten Schluck wirkte er um ein vielfaches wacher.
„Bist du nervös?“, neugierig blickte er mir direkt in die Augen. Kurz musste ich überlegen. War ich nervös? Allein nur wenn ich an das vor mir liegende Gespräch dachte, fingen meine Hände an zu schwitzen und mein Körper an zu zittern. Dies schienen für mich Anzeichen dafür zu sein, das ich sehr wohl nervös war, also nickte ich leicht.
„Keine Sorge. Die vom Rat sind ganz nett.“, sprach Axeu, welcher es geschafft hatte unbemerkt in den Raum zu kommen. „Genau. Immerhin haben sie uns sozusagen aufgezogen und trainiert.“, meinte nun Nevis. Mich wunderte Nevis Aussage, denn was war mit Ihre Eltern, wenn der Rat sie aufgezogen hatte.
„Ist ja auch egal. Wir sollten uns beeilen und Frühstücken. Der Weg ist etwas weiter weg.“, sprach Axeu schnell, der dieses Thema wohl lieber fallen ließ. Also nickte ich kurz zustimmend, woraufhin wir drei anfingen zu Essen. Das Frühstück verlief schweigend. Jeder machte sich seine eigenen Gedanken und niemand hatte den Drang ein Gespräch zu beginnen.
Genauso schweigend machten wir uns kurz darauf fertig und setzten uns in ein Auto, welches wohl Axeu zu gehören schien, denn immerhin fuhr er selber. Das Auto war ein BMW, doch da mich Autos nicht sonderlich interessierten, wusste ich nicht welches Modell der BMW war.
Während Axeu sich ans Steuer und Nevis auf den Beifahrersitz setzte, blieb mir somit nur die Rückbank, doch das war mir nur Recht. Schweigend setzte ich mich auf den Sitz, welcher hinter dem Fahrersitz war.
Dann fuhren wir los. Die Fahrt dauerte lange und immer noch schwiegen die Jungs. Axeu konzentrierte sich wahrscheinlich auf das Auto fahren. Doch wieso Nevis schwieg wusste ich nicht. Mir war es in dem Moment nur Recht, denn dann konnte ich mir Gedanken machen, wie das Treffen mit dem Rat der Werwölfe wohl verlaufen würde.
Nach dem die Fahrt schon eine Stunde dauerte, fragte ich mich, wohin wir denn fuhren, dass der Rat so weit weg war. Schon länger fuhren wir auch nur über Landstraßen, ohne auch nur einer Stadt oder einem einzigen Menschen zu begegnen. Das machte mich ein wenig stutzig, doch wahrscheinlich musste der Rat einfach sicher gehen, dass niemand ihn finden würde und deshalb wohnten sie so abgelegen.
Dann fuhren wir nur noch eine halbe Stunde mit dem Auto, bis wir an einem Waldrand hielten. „So, jetzt müssen wir noch ein bisschen laufen. Ist doch kein Problem, oder?“, fragte Nevis mich besorgt. Immerhin war ich noch kein Werwolf und hatte somit auch nicht die Ausdauer der beiden.
Ich schüttelte leicht den Kopf, als Zeichen, dass das für mich kein Problem war. Solange ich nicht noch länger im Auto sitzen musste, war mir alles Recht. Dadurch das ich nämlich so lange gesessen hatte, streckte ich mich erst einmal, nachdem ich ausgestiegen war.
Diesmal liefen wir noch eine halbe Stunde im Wald, welcher ziemlich groß und die Heimat von den unterschiedlichsten Lebewesen zu sein schien. Gerade als ich dachte, ich könnte nicht mehr weiter laufen, erstreckte sich vor uns ein riesiges Gebäude, welches Ähnlichkeit mit einem Schloss hatte.
Axeu ging nun vor und klopfte 3-mal an die große Eingangstür. Kurze Zeit rührte sich nichts, doch dann schwang die Tür auf und ein Dienstmädchen begrüßte uns. „Herzlich Willkommen. Die Herren des Rates erwarten euch bereits.“, sprach das Dienstmädchen sanft und ging vor.
Axeu, Nevis und ich folgten ihr. Während Axeu und Nevis nicht viel auf die Umgebung achteten, sah ich mir alles genau an. Hier wirkte alles so pompös, die Besitzer mussten sehr viel Geld haben. Die Wände waren aus Stein und im regelmäßigen Abständen hingen dort mit Gold verzierte Wandleuchten. Noch dazu war der Boden auf dem wir liefen mit einem roten Samtteppich überzogen.
Nach vielen unzähligen Gängen und noch mehr Türen, an denen wir vorbei gingen, blieben wir endlich vor einer großen Flügeltür stehen. In einem dieser Mittelalterlichen Filme hätte ich nun darauf gewettet, das dahinter der Thronsaal wäre, doch dies war keiner dieser Filme, weswegen ich gespannt erwartete was sich dahinter befinden würde.
Das Dienstmädchen klopfte kurz an. Als dann ein „Herein“ ertönte, öffnete sie die Türe und ließ uns eintreten. „Axeu, Nevis und das Mädchen sind angekommen.“, sprach das Dienstmädchen das offensichtliche aus.
„Danke Angelique. Du kannst nun deinen anderen Pflichten nachkommen.“, sprach ein Mittelalter Herr, mit dem Ansatz eines Bartes. Das Dienstmädchen machte kurz einen Knicks und ließ uns dann in diesem Raum zurück.
Der Raum war sehr groß. In der Mitte des Raumes stand ein großer Runder Tisch, der einen an den Tisch von König Arthur erinnerte. An diesen Tisch saßen 8 Männer und 8 Frauen. Alle schienen ungefähr zwischen 30 und 40 Jahre alt zu sein. Jeder saß auf einem Ledernen Stuhl. Nur der Mann, welcher zuvor das Dienstmädchen verabschiedet hatte, hatte einen etwas höher gelegenen Stuhl , welcher schon eher wie ein Thron wirkte.
„Setzt euch doch.“, sprach nun wieder der Herr, welcher wohl der Anführer zu sein schien und zeigte dabei auf 3 freie Stühle, die zusätzlich am Tisch standen. Also setzten wir uns dorthin und warteten darauf, dass der Anführer etwas sagen würde. „Gut. Das Mädchen will uns ihre Entscheidung bezüglich ihres Bruders mitteilen?“, sprach nun eine Frau, welche die Jüngste zu sein schien, wirkte jedoch auch ein wenig hochnäsig dabei.
„Da Nalan nicht... viel redet, werden wir für sie sprechen.“, sagte Nevis, welcher kurz zu mir sah, so als wüsste er, dass ich nie redete, es jedoch niemandem auf die Nase binden wollte. Aber das konnte gar nicht sein, woher sollte er das auch wissen. „Dann spricht!“, sagte nun ein anderer Herr.
„Sie wird helfen ihren Bruder zu schnappen...“, fing Axeu an: „Aber sie will mit ihrem Bruder reden, bevor wir ihn an euch ausliefern.“ Sofort schnappte die Frau von zuvor empört nach Luft. „Das ist doch nicht euer ernst, ihr unreifen Kinder.“, empörte sie sich sofort, wollte wohl noch weiter reden, doch sie wurde von dem Anführer unterbrochen.
„Euch ist bewusst, dass er euch höchstwahrscheinlich anlügen wird?“, fragte der Anführer ruhig, verspannte jedoch kurz, was aber nur so kurz war, dass ich dachte ich hätte mich vertan. Um seine Frage zu beantworten nickte ich leicht und auch Nevis legte nach: „Das ist uns durchaus bewusst, aber wir haben die Hoffnung, dass Alexander wenigstens seiner eigenen Schwester die Wahrheit sagt.“
Die Spannung im Raum war förmlich zu spüren und auch der Anführer wirkte nicht so ruhig und gelassen, wie er es gerne hätte als er überlegte. Dann nickte er langsam. „Na meinetwegen, aber lasst euch nicht von ihm hereinlegen.“, sagte der Anführer widerwillig. „Aber...“, fing schon wieder die Frau an, wurde aber von einem der Herren unterbrochen, der ihr einfach Kopf schüttelnd die Hand auf die Schulter legte, woraufhin sie sich seufzend beruhigte und einfach still blieb.
„Gut, da das geklärt ist... Bleibt doch heute Nacht noch unsere Gäste und morgen könnt ihr in aller Frische wieder nach Hause reisen. Und Nalan könnte man ja vielleicht schon einmal etwas das Kämpfen beibringen oder zumindest schon mal ein bisschen im Allgemeinen unterrichten.“, schlug der Anführer vor.
„Ich glaube wir zeigen ihr erst einmal die Umgebung und beginnen mit ihrem Training, wenn wir wieder bei uns Zuhause sind.“, gab Nevis lächelnd zurück. Anschließend verabschiedeten wir drei uns vom Rat.
Vor der Tür stand bereits wieder das Dienstmädchen Angelique. „Ich werde euch nun zu euren Zimmern führen. Nach Veranlassung unseres Anführers habt ihr 3 eure Zimmer direkt nebeneinander.“, sprach das Mädchen ruhig und führte uns dann zu drei Zimmern. Ich war echt überrascht wie groß mein Zimmer war. Noch größer als Bei Nevis und Axeu. Das Bett nahm mehr als die Hälfte der einen Wandseite ein, genauso wie der Schrank auf der anderen Seite.
Ein Klopfen an der Zimmertür ließ mich erschrocken zusammen fahren. Doch sofort trat Nevis mit Axeu herein, sodass ich mich etwas beruhigte. Beide hatten die letzte halbe Stunde dafür genutzt sich zu duschen und umzuziehen.
„Sollen wir dir ein bisschen die Gegend zeigen?“, fragte Nevis mich freundlich, woraufhin ich nur nicken konnte. Er freute sich sehr darüber, weswegen er mir kaum Zeit ließ meine Jacke anzuziehen. Meine Schuhe hatte ich noch anbehalten.Daher dauerte es nicht lange bis wir wieder aus dem Schloss draußen waren.
„So, wo fangen wir an...“, überlegte Nevis laut, jedoch fiel ihm wohl sofort ein geeigneter Ort ein. Aus dem Grund nahm er mich am Arm und zog mich förmlich in eine bestimmte Richtung. Axeu folgte nur schweigend. Er wirkte sehr zufrieden und ausgeglichen, anders als ich ihn zuerst kennengelernt hatte. Er musste schöne Erinnerungen an diesen Ort haben.
Als erstes führte Nevis mich zu einer großen Lichtung. Auf dieser gab es unzählige Trainingsparcours. Es erinnerte mich an diese Parcours die beim Militär im Fernsehen abgehalten wurden. Neben einem Seil zu drunter durch kriechen und einem Reifen Parcours gab es noch unzählige andere Möglichkeiten. Während wir so da standen , absolvierten einige Jugendliche diese Parcours. Einige hatten sich in Wölfe verwandelt und wiederum andere taten dies in ihrer Menschlichen Gestalt.
Ein Erwachsener, offensichtlich der Trainer, hatte uns inzwischen bemerkt und kam sofort zu uns geeilt. „Hallo Nevis, Axeu. Hab euch ja schon eine Ewigkeit nicht mehr gesehen.“, begrüßte der Trainer die beiden Jungs sofort freundschaftlich. Kurz hielten die drei Smalltalk, über das, was in letzter Zeit alles so passiert war und wie es ihnen ginge bis dann der Trainer dann zu mir blickte. Er wirkte neugierig.
„Und wer bist du?“, fragte der Trainer. Ich jedoch blickte nur Hilfesuchend zu Axeu und Nevis, woraufhin Nevis das Reden für mich übernahm. „Also das ist Nalan, die Schwester vom Alexander. Und wunder dich nicht, sie redet kaum.“, erzählte Nevis dem Trainer, welcher daraufhin verstehend nickte.
„Nalan, hast du vielleicht mal Lust den Parcours hier auszuprobieren? Dann können wir gerade mal sehen, wie gut du bist. Gerne können Nevis oder Axeu es auch vormachen. Immerhin waren die beiden die besten hier.“, redete der Trainer drauf los. Nun blickten mich die beiden Jungs und der Trainer fragend an. Leicht zuckte ich mit den Schultern, doch nickte dann.
Zu erst zeigten mir Axeu und Nevis was ich zu machen hatte, dann war ich an der Reihe. Da ich noch nie die sportlichste war, hatte ich bei einigen Hindernissen einige Probleme, doch schaffte es am Ende, mit einer relativ guten Zeit, den Parcours zu Absolvieren. Der Trainer der die Zeit gestoppt hatte meinte dazu nur: „Dafür dass du dich noch nicht verwandelt hast und das das erste Mal machst, war das wirklich gut.“
Ich freute mich über das Lob, denn nur selten hatte ich so etwas gehört. „Nun ja, wir müssen jetzt auch weiter. Immerhin gibt es hier noch ein paar Sachen zu sehen.“, sagte nun Axeu und so verabschiedeten wir uns von dem Trainer und den Jugendlichen, die allesamt zwischen 13 und 15 Jahre alt sein mussten.
Nun machten wir uns auf den Weg zur nächsten Station. Wieder traten wir auf eine Lichtung. Diesmal waren viele ausgewachsene Wölfe dort, die miteinander kämpften. „Das sind die Krieger des Rudels. Sie beschützen die anderen Wölfe mit ihrem Leben und laufen auch die Grenzen ab um Eindringlinge oder ähnliches festzustellen.“, erklärte mir Nevis.
„Das sind aber natürlich nicht alle. Der Rest ist gerade auf seinem Posten. Jeder hat seine bestimmte Zeit wann abgelöst wird.“, sagte nun Axeu, woraufhin ich verstehend nickte. Die schienen hier ziemlich gut organisiert zu sein. Aber das war ja auch kein Wunder, immerhin mussten sie sicher stellen, dass ihr Geheimnis nicht aufflog und die Werwölfe fortbestehen konnten.
„So, jetzt zeigen wir dir noch die Wurfhöhlen. Momentan sind da aber keine Welpen. Ich weiß nicht wie viel du über Wölfe weißt, aber in der Hinsicht sind wir Werwölfe wie normale Wölfe. Die Wölfe paaren sich zwischen Januar und März und nach 60 bis 70 Tagen ungefähr kommen dann die Junge. Das ist aber immer unterschiedlich.“, erklärte mir Nevis und wirkte dabei ein wenig wie ein Lehrer. Während er redete sind wir an einer dritten Lichtung angekommen, die etwas versteckt liegt.
Auf der Lichtung waren mehrere Höhlen in den Boden gegraben worden. Von draußen konnte man nur erahnen wie tief diese Höhlen waren. Doch ich war trotz allem beeindruckt, da mich Wölfe schon immer interessiert hatten. Neugierig blickte ich zu Nevis und wartete, ,,ob er noch mehr zu Wölfen zu sagen hatte.
„Was kann man denn noch sagen..?“, redete Nevis mit sich selbst und überlegte. „Den Bau darf kein anderer Wolf betreten, sobald die Wölfin sich dort niedergelassen hat. Der Gefährte der Wölfin muss sich dann darum kümmern, dass die Wölfin genug Essen hat... Die Welpen kommen nach ungefähr 3 Wochen das erste mal aus dem Bau heraus.“, übernahm nun Axeu den Part von Nevis. Wieder blickte ich interessiert.
„Ich glaube das reicht fürs erste, aber ich möchte dir gerne noch meinen Lieblingsplatz zeigen! Am besten noch vor Sonnenuntergang. Axeu, du kannst schon mal vor gehen. Das wird nicht lange dauern.“, sprach nun Nevis aufgeregt . Zwar war ich verwirrt, doch nickte ich. Auch Axeu nickte, jedoch eher widerwillig.
Also ging Axeu schon einmal zurück, während Nevis mich einfach mit sich in eine Richtung zog. Mein Orientierungssinn war soweit gut, dass ich merkte,wie wir uns von dem Schloss und den drei Lichtungen entfernten.
Nach einer halben Stunde, in der Nevis kein Wort gesagt hatte sondern mich immer tiefer in den Wald gezogen hatte, kamen wir endlich an. Vor uns lag eine Klippe, von der man einen guten Ausblick auf einen großen See hatte. Nevis ließ sich auf das Gras am Rande der Klippe fallen und bedeutete mir mich auch hinzusetzen.
Verwirrt blickte ich zu Nevis, doch setzte mich dann. „Wir müssen kurz warten, dann wirst du schon sehen, warum ich dich hier her gebracht habe.“, meinte Nevis nur und blickte dann konzentriert gerade aus.
Nach wenigen Minuten dann begann der Himmel sich langsam rötlich zu verfärben und die Sonne senkte sich langsam nach unten. Das rötliche Licht, welches nun den Himmel und die Umgebung erleuchtete, ließ das Wasser im See rötlich schimmern, so als würde das Wasser brennen. Es war einfach ein wunderschöner Ausblick. So etwas majestätischem und schönen habe ich noch nie beigewohnt.
Wie gefesselt starrte ich auf das Schauspiel, selbst als das Rot schon lange erloschen war konnte ich meinen Blick nicht abwenden. „Nalan?“, Nevis sprach mich an. Langsam blickte ich in seine Richtung. In die warmen Augen, die noch einen Schimmer des eben erlebten Augenblicks in sich trugen.
Plötzlich kam Nevis mir langsam näher. Sein Gesicht nährte sich meinem Gesicht. Seine Lippen näherten sich meinen Lippen. Bevor ich auch nur einen klaren Gedanken fassen konnte, hatte er seine Lippen bereits auf meine gelegt. Er küsste mich. Mein erster Kuss.
Bereits nach kurzer Zeit ließ Nevis wieder von mir ab und stand auf. Er grinste leicht, während ich nur verwirrt und auch ein wenig wütend war. Kurz streckte Nevis sich, bevor er mir wieder näher kam, diesmal jedoch flüsterte er mir etwas ins Ohr: „Übrigens, ich weiß, dass du seit damals kein Wort mehr redest!“
Nun war ich vollkommen verwirrt. Als Nevis dann aber noch ein paar Schritte zurück ging, mich angrinste und sagte: „Lass uns zurück gehen, Axeu wartet sicher.“ platzte mir der Kragen. Ich war in diesem Moment einfach so wütend auf Nevis und das er nur mit mir zu spielen schien. Vor allem aber, dass er mich geküsst hatte, ohne mein Einverständnis, dabei hätte ich das nur bei einem akzeptiert.
Wütend stand ich auf, überbrückte die kurze Distanz zwischen Nevis und mir, nur um ihm anschließend eine schallende Backpfeife zu geben. Das klatschende Geräusch konnte man wahrscheinlich noch viele Kilometer weiter entfernt hören. Doch das war mir so was von egal. Auch das seine Wange sich langsam rot verfärbte und mein Handabdruck gut sichtbar wurde war für mich nicht von Bedeutung. Immerhin hatte er es verdient.
„Ich glaub das hab ich verdient.“, lachte Nevis und fasste sich mit seiner Hand an die rot gewordene Wange: „Aber keine Sorge. Ich bin nicht in dich verliebt. Ich wollte nur etwas herausfinden.“ Verwirrt blickte ich Nevis an. Was wollte er denn herausfinden.
„Du willst sicher wissen, was ich herausfinden wollte... Das ist ganz einfach, ich wollte sehen wie sehr du meinen Bruder liebst“, Nevis grinste breit und versuchte sein Lachen zu unterdrücken. Sofort wurde ich knall rot und schlug Nevis erst einmal gegen seinen Arm.
„Gib zu, während des Kusses und auch danach hast du nur an Axeu gedacht.“, sprach Nevis weiter, während ich leicht nickte. Mir wurde das Gespräch langsam unangenehm. Ich wollte nicht, dass irgendwer über meine Gefühle Bescheid wusste, von denen ich bis gerade nicht mal wirklich etwas gemerkt hatte.
Nun drehte Nevis sich wieder zum gehen um. Kurz blickte er zu mir zurück: „Komm, wir sollten jetzt wirklich wieder zurück gehen.“ Schon ging Nevis wieder los und ich folgte ihm schnell.
Den ganzen Rückweg machte ich mir Gedanken über das was Nevis gesagt hatte. War ich wirklich in Axeu verliebt? Den kompletten Kuss über hatte ich mir nur Gedanken darüber gemacht, wie Axeu wohl reagieren würde, wenn er es erfuhr und das ich lieber von ihm geküsst worden wäre. Alles sprach eindeutig dafür, dass ich in Axeu verliebt war oder zumindest für ihn mehr als nur Freundschaftliche Gefühle hegte.
Doch wie sollte ich ihm das sagen? Wie so oft in letzter Zeit verfluchte ich die Tatsache, dass ich nicht mehr redete, dabei wünschte ich es mir so sehr.
Kurz bevor wir das Schloss wieder erreicht hatten, drehte Nevis sich ein wenig zu mir um. „Worüber denkst du nach?“, fragte er mich neugierig. Kurz zuckte ich mit den Schultern, wie hätte ich das auch erklären sollen. „Du wirst bestimmt bald wieder reden. Daran glaube ich fest.“, sprach Nevis nach wenigen Minuten des Schweigens und blickte mich ermutigend an. Wie konnte er nur so fest daran glauben? Ich hingegen hatte den Glauben schon länger verloren.
Noch dazu irritierte es mich, dass Nevis mich besser zu kennen schien als jemals jemand zuvor. Trotz der Sache mit dem Kuss glaube ich, dass wir gute Freunde sind und er nur auf mein Wohl und das Wohl seines Bruders bedacht ist. Irgendwie machte mich das Glücklich, denn so jemanden hatte ich schon lange nicht mehr in meinem Leben gehabt.
„Wir sollten jetzt rein gehen. Das Essen ist bestimmt schon fertig.“, meinte Nevis und wie aufs Stichwort fing mein Magen an zu knurren. Dies war ja auch kein Wunder, immerhin hatte ich seit dem Frühstück nichts mehr zu mir genommen. „Wir sollten uns beeilen bevor du verhungerst.“, schob Nevis noch lachend hinzu.
Beleidigt schlug ich ihm gegen den Arm, oder zumindest versuchte ich es, denn er wich einfach aus. Daher versuchte ich ihn nochmals zu schlagen, doch er entkam meinen Schlägen immer wieder. Dies ging solange bis er plötzlich weg rannte und ich ihm natürlich sofort hinterher.
Durch diese Jagd landeten wir irgendwann auch im Speisesaal des Schlosses, wo uns ein Haufen Werwölfe teils belustigt und teils genervt anblickte. Also blieben wir stehen, blickten uns selbst kurz an und grinsten einfach nur, bevor wir uns wie zivilisierte Menschen, oder Werwölfe, an den Tisch setzten.
Anschließend wurde bereits das Essen auf den riesigen Tisch gestellt.Es gab alles mögliche, von verschiedenen Gemüsesorten bis hin zu verschiedenen Fleischsorten Ob Schweinefleisch, Hähnchen oder Pute, es war alles vorhanden.
Dies wunderte mich aber eher weniger, immerhin mussten hier viele Mäuler gestopft werden. Ein ganzes Rudel von mehr als 30 Werwölfen saß schließlich am Tisch.
Kurz sprach der Alphawolf und zugleich Anführer des Rates ein paar Worte und erklärte allen, wer ich war und wieso Nevis und Axeu mit mir hier waren und das wir am nächsten Tag leider schon wieder abreisen würden. Daraufhin begrüßten uns alle kurz freundlich, bevor es dann schlussendlich ans Essen ging.
Schon stürzten sich alle aufs Essen. Die Jugendlichen aßen hastiger und beeilten sich, während die Erwachsenen es ruhiger angehen ließen. Ich hingegen nahm mir von allem ein bisschen, denn im Waisenheim hatte es nie so viel Auswahl gegeben und das Essen dort war auch nicht gerade das beste gewesen. Doch bereits nach dem ersten Bissen des großen Buffets war ich hin und weg. Es schmeckte einfach zu köstlich.
Inzwischen konnte ich die jüngeren Werwölfe verstehen, wieso sie so hastig aßen. Auch ich konnte mich nur schwer beherrschen, das Essen nicht direkt in mich hinein zu schlingen. Doch wollte ich das Essen genießen und nicht, dass es bereits nach kurzer Zeit leer war.
Also aß ich langsam und genüsslich. Nevis schien bemerkt zu haben, wie gut mir das Essen schmeckte und grinste. „Wir haben die beste Köchin der Welt. Axeu hat viel von ihr gelernt.“, erklärte mir Nevis. Verstehend nickte ich. Daher konnte Axeu also so gut kochen, wobei ich mich allerdings fragte, wieso Axeu unbedingt hatte kochen lernen wollen
Nach dem Essen gingen noch einige der Werwölfe in den Gemeinschaftsraum um sich zu unterhalten und den Abend gemütlich ausklingen zu lassen. Doch ich war durch den Tag bereits so müde und geschafft, dass ich mich von den anderen verabschiedete. Nevis und Axeu blieben noch im Gemeinschaftsraum. Beide wünschten mir noch eine gute Nacht, bevor ich in das mir zugewiesene Zimmer ging.
Schnell machte ich mich fertig um ins Bett zu gehen. Im Schlafanzug bekleidet legte ich mich auf das große gemütliche Bett und fiel bereits nach wenigen Sekunden in einen tiefen Traumlosen Schlaf.
„Nalan! Los aufstehen!“, weckte mich am nächsten morgen eine nervige Stimme. Jedoch ignorierte ich die Person einfach, drehte mich um und zog die Decke über den Kopf. Ein genervtes Seufzen vernahm ich von der anderen Seite der Decke.
„Du wolltest es ja nicht anders.“, wurde leise gemurmelt, bevor mir die Decke weg gezogen wurde. Ich kämpfte nicht um die Decke, dafür war ich zu Müde. Jedoch blieb ich immer noch einfach liegen und schlief seelenruhig weiter.
Schon erklang erneut ein Seufzen, bevor ich hörte wie sich Schritte entfernten. Gerade wollte ich zufrieden mit mir selber weiter schlafen, als ich innerhalb von wenigen Sekunden bereits wie ein begossener Pudel aufgerichtet im Bett saß.
Neben mir stand Nevis und lachte sich halbtot, während ich zuerst nur etwas verwirrt herum blickte. Dann blieb mein Blick endgültig an Nevis hängen, welcher einen Eimer in der einen Hand hielt und sich mit der anderen Hand den Bauch hielt. Anscheinend fand er die Situation so lustig, dass er vom Lachen schon Bauchschmerzen bekam.
Wenn Blicke töten könnte, würde Nevis jetzt wahrscheinlich röchelnd und sterbend auf dem Boden liegen. Doch leider konnte mein Blick niemanden töten, von daher ließ ich ihn einfach meinen wütenden Blick spüren. Doch ihn interessierte das kaum, er lachte immer noch und lag mittlerweile sogar auf den Boden. Vielleicht stirbt er jetzt einfach an einem Lachflash, damit wäre ich auch zufrieden.
„Was ist den hier los?“, Axeu schien wohl gerade herein gekommen zu sein und blickte sich dieses Bild was wir abgaben verwirrt an. „Nalan wollte nicht aufstehen... Also hab ich Wasser über sie gekippt... Aber... Ihr Blick... einfach zu göttlich...“, während dem Satz fing Nevis mehrmals wieder an zu lachen, bevor er wieder einem Lachflash erlag.
Ich blickte beleidigt drein, verschränkte meine Arme miteinander und schmollte. Nach Nevis Erklärung konnte auch Axeu sich ein kleines grinsen nicht verkneifen. Doch dann schien er erbarmen mit mir zu zeigen und schleifte Nevis aus meinem Zimmer. „Mach dich fertig, wir wollen gleich nach dem Frühstück wieder zurück fahren.“, meinte Axeu noch, bevor er mit dem immer noch lachendem Nevis den Raum verließ.
Genervt und schon mit einer Laune die im Keller noch Höhenangst hätte, stand ich schlussendlich auf und ging ins Badezimmer. Dort machte ich mich schnell fertig, sodass ich bereits nach 20 Minuten im Speisesaal saß und mein Essen verschlang. Diesmal waren Nevis, Axeu und ich die einzigen hier. Laut Axeus Erklärung lag das daran dass die Werwölfe hier früh aufstehen müssen um ihren Verpflichtungen nachkommen zu können. Da wir jedoch Gäste waren, das für uns nicht galt.
Nach dem Frühstück wurden wir von allen Werwölfen des Rates höflich verabschiedet. „Auf wiedersehen und passt auf euch auf, nicht das einem von euch noch was zustößt.“, sagte die Frau von gestern und grinste dabei. Für mich klang das wie eine Drohung, doch schien ich als einzige dies so wahrzunehmen, also stempelte ich es als Einbildung ab.
Anschließend gingen wir zurück zum Auto und fuhren dann los. Nach der Hälfte der Strecke blickte Axeu kurz zu Nevis und zu mir. „Wo ward ihr Gestern Abend eigentlich noch, als sich unsere Wege getrennt hatten?“, bei dieser Frage wurde ich ein wenig rot und blickte schnell aus dem Fenster. Ich hoffte inständig das Axeu das nicht mitgekriegt hatte.
„Ach, ich wollte ihr nur was zeigen.“, winkte Nevis schnell ab. „Ach ja? Etwa wie man richtig küsst oder was?“, Axeu klang irgendwie so kalt, so wie ich ihn noch nie erlebt hatte.
„Äh, du verstehst das falsch... Das war nur...“, Nevis versuchte sich raus zu reden, irgendetwas zu sagen, damit Axeu nicht ausrastete. „Hör auf dich raus reden zu wollen. Ich verstehe schon und wünsche euch beiden viel Glück.“, wieder klang er so kalt. Was war nur los mit ihm, war er etwa eifersüchtig?
„Axeu! Jetzt hör endlich zu! Ich empfinde nichts für sie! Und sie auch nichts für mich! Das wollte ich unter anderem herausfinden.“, sprach Nevis nun energisch zu Axeu und blickte ihn standhaft an. Seufzend nickte Axeu. „Vielleicht hab ich einfach überreagiert. Ihr dürft Küssen wen ihr wollt.“, meinte Axeu und blickte wieder nach vorne, immerhin fuhr er ja das Auto. Dennoch klang er weiterhin so kalt und wirkte auch sehr angespannt.
Aus einem einfachen Impuls heraus legte ich ihm meine Hand von hinten auf die Schulter. Überrascht blickte er mich über den Innenspiegel an. Leicht lächelte ich ihn an, woraufhin seine Anspannung sich löste und auch ein kleines Lächeln zeigte. „Okay, ich glaube euch.“, nun klang er wieder normal, vielleicht sogar ein wenig sanfter als sonst, was ich niemals für möglich gehalten hätte.
Der Rest der Fahrt schwiegen wir. Während Axeu einfach nur lächelnd das Auto fuhr und Nevis ein wissendes Grinsen aufgesetzt hatte, starrte ich einfach nur aus dem Fenster und ließ meinen Gedanken freien lauf. Unter anderem fragte ich mich, ob Axeu zuvor wirklich Eifersüchtig gewesen war und wieso er sich sofort beruhigt hatte, als ich ihm meine Hand auf die Schulter gelegt hatte.
„Nalan? Wir sind da.“, sprach eine sanfte Stimme zu mir. Als ich aufblickte sah ich geradewegs in Axeus strahlend blaue Augen. Erst nach dem ich einige endlose Sekunden in seinen Augen versunken war, erinnerte ich mich wieder wo wir waren und dass das Auto inzwischen stand. Leicht errötete ich und schnallte mich dann schnell ab um aus dem Auto auszusteigen.
Zusammen mit Axeu ging ich in das Haus von den beiden. Nevis saß bereits im Wohnzimmer und blätterte in der Fernsehzeitung herum. Er suchte wohl nach einer Sendung die ihm gefallen könnte. Axeu und ich setzten uns dazu.
„Ach ja, Nalan, wir beginnen Morgen mit deinem Training.“, sprach Nevis, ohne mich auch nur anzuschauen, da er noch immer starr in die Fernsehzeitung blickte. Ich nickte verstehend.
„Komm Nalan, ich zeig dir jetzt mal ein bisschen hier den Wald.“, meinte nun Axeu, nach dem einige Minuten geschwiegen wurde. Bevor ich auch nur eine Reaktion zeigen konnte, hatte Axeu mich schon mit sich aus dem Haus gezogen. Schnurstracks verschwand er mit mir im Wald. Erst dort wurde er langsamer.
Dann gingen wir einige Minuten schweigend den Weg entlang. Er ging ein kleines Stück weiter vor mir. Doch als er plötzlich stehen blieb, blieb auch ich verwundert stehen. Nun trennten uns wenige Schritte. Axeu drehte sich zu mir um, er wirkte unsicher, doch seine Augen strahlten, wie sie es so selten taten.
Stumm blickte ich in die eisblauen Augen, die mich schon so oft in den letzten Tagen fasziniert hatten. Anfangs hatten diese Eiskalt gewirkt, doch nun wirkten sie wärmer als es normalerweise blaue Augen je gekonnt hätten.
Langsam kam der Junge, dessen Augen ich so bewunderte, näher. Sein Lächeln ließ mein Herz vor Aufregung schneller schlagen. Hunderte von Schmetterlingen schienen in meinem Bauch vor Aufregung zu flattern. All diese Gefühle in mir drinnen spielten verrückt und schienen sich nicht mehr beruhigen zu wollen.
„Nalan...“, sprach seine raue sanfte Stimme, während er vor mir stehen blieb. Seine Hand streichelte meine Wange, bis er auf dieser liegen blieb. Dann näherte sein Gesicht sich langsam meinem Ohr, als wolle er mir etwas zu flüstern.
„Ich liebe dich.“
Diese 3 Worte reichten aus um das Chaos in meinem inneren komplett zu machen. Ich konnte nicht einmal mehr reagieren. In seinen Augen las ich Enttäuschung, er hatte auf irgendeine Reaktion von mir erhofft oder das ich irgendetwas sagen würde.
„Ich wusste es, du liebst mich nicht! Aber das du nicht einmal jetzt mit mir redest!“ Nun war Wut deutlich sichtbar in seinen Augen zu erkennen. Schnell drehte er sich um und lief tiefer in den Wald.
Ich versuchte ihn noch fest zu halten oder irgendetwas zu sagen. Doch wieder einmal verließ kein Wort meine Lippen. Ich wünschte ich könnte reden, ihn rufen und ihm sagen wie sehr ich ihn doch liebte.
Langsam ließ ich mich auf die Knie sinken und weinte einfach nur noch, ließ meinen Tränen freien Lauf. Hatte ich ihn jetzt vollkommen verloren? Hasste er mich jetzt? Ich konnte einfach nicht mehr. Die Wut und Enttäuschung in seinen Augen war kaum zu ertragen.
Stunden später hörte ich eine vertraute Stimme nach mir rufen, doch es interessierte mich nicht. Auch das es vor 2 Stunden angefangen hatte zu regnen, interessierte mich nicht. Mir war einfach alles egal, denn Axeu hasste mich und ich konnte ihm nicht mal sagen wie sehr ich ihn liebte.
„Nalan! Da bist du ja! Ich hab mir Sorgen gemacht! Wo ist Axeu?!“, sprach Nevis sofort auf mich ein, als er bei mir angekommen war. Nur kurz zuckte ich mit den Schultern, bevor weitere Tränen meine Augen verließen.
Nevis merkte wohl wie fertig ich mit meinen Nerven war, weswegen er nicht weiter nachfragte, sondern mich in einen Regelmantel packte und hochhob. Schnell trug er mich zurück zu ihrem Haus, wo er mich in meinem Zimmer auf das Bett setzte, mir Klamotten gab und befahl diese anzuziehen und dann runter zu kommen.
Auch wenn ich am liebsten in meinem Bett gelegen hätte, zog ich mich an und ging dann langsam ins Wohnzimmer. Sofort schmiss Nevis mir noch zusätzlich eine Decke zu, damit ich mich etwas aufwärmen konnte und gab mir kurz darauf auch einen Kakao.
„Hatten du und Axeu streit?“, fragte Nevis, nachdem er mich für kurze Zeit gemustert hatte. Als Antwort zuckte ich kurz mit den Schultern, nickte aber hinterher. „Hm... Geht es darum, dass du nicht redest?“ Wie immer traf Nevis die Tatsache ziemlich gut, weshalb ich wieder nickte.
„Hat er dir seine Liebe gestanden?“, fragte Nevis und wieder nickte ich. Seufzend schüttelte Nevis den Kopf. „Nimm es ihm nicht übel. Axeu hat eine extrem lange Leitung und hat noch nicht bemerkt, dass du schon lange nicht mehr redest. Aber ich glaube ich muss ihm das endlich mal erklären, sonst kapiert der das nie.“ Nevis machte sich daraufhin wieder fertig um nach draußen zu gehen.
„Ich geh den Idioten suchen. Geh du doch schon mal schlafen. Es ist spät. Wir klären den Rest Morgen.“ Schon war Nevis aus dem Haus verschwunden. Noch eine Stunde nippte ich an meinem Kakao, welcher inzwischen kalt geworden war. Doch dann machte ich mich auf den Weg ins Bett.
Dort angekommen versuchte ich zu schlafen, doch wollte es einfach nicht gelingen. Ich machte mir dafür zu große Sorgen um Axeu. Was wenn ihm etwas passiert war? Schon fielen mir wieder die letzten Worte beim Rat der Werwölfe ein. 'Passt auf euch auf, nicht dass einem von euch noch was zustößt'. Was wenn sie Axeu etwas angetan hatte?
Nun konnte ich erst Recht nicht schlafen.
~Axeus Sicht~
„Ich glaube das reicht fürs erste, aber ich möchte dir gerne noch meinen Lieblingsplatz zeigen! Am besten noch vor Sonnenuntergang. Axeu, du kannst schon mal vor gehen. Das wird nicht lange dauern.“, sprach Nevis zu Nalan und mir. Eigentlich wollte ich die beiden nicht alleine irgendwohin gehen lassen, doch Nevis konnte ich wohl vertrauen immerhin wusste er ja um meine Gefühle. Also nickte ich ein wenig widerstrebend.
Am gestrigen Tag hatte Nevis mich in einem ungestörten Moment gefragt, was ich für Nalan empfinde. Nur widerwillig hatte ich es ihm schlussendlich erzählt. Er hatte mir versichert, dass sie gleich fühlt, doch bezweifelte ich das, immerhin redete sie kein Wort mit uns. Sie mag uns wahrscheinlich nicht einmal und will einfach nur so schnell wie möglich fort von hier und fort von uns.
Schon gingen Nevis und Nalan los. Aus einem inneren Impuls heraus folgte ich den beiden. Ich hatte schon so eine Ahnung wohin sie gehen würden. Eine wunderschöne Klippe, mit einer grandiosen Aussicht und den Sonnenuntergang konnte man von dort aus perfekt beobachten.
An dem Platz angekommen, bestätigte sich meine Vermutung. Der Sonnenuntergang stand kurz bevor. Nalan blickte neugierig und interessiert nach vorne, während Nevis sie lächelnd von der Seite aus betrachtete.
Schon begann der Sonnenuntergang. Beide blickten verzaubert nach vorne, nur ich blickte Nalan an. Sie war sowieso schon wunderschön, doch wie die rötlichen Sonnenstrahlen auf ihren Körper fielen, ließ mich leise aufseufzen. In dem Moment hatte ich einen kleinen Hoffnungsschimmer, dass aus uns beiden doch noch etwas werden würden. Ich hatte mich wirklich Hals über Kopf in sie verliebt.
„Nalan?“, hörte ich auf einmal Nevis Stimme sprechen. Langsam blickte sie in seine Richtung und da passierte es. Das was ich gehofft hatte nie mit ansehen zu müssen. Nevis küsste sie, er küsste einfach mein Mädchen.
Nur mühsam zwang ich mich dazu ruhig zu bleiben, mich einfach umzudrehen und zu gehen. Nun war meine Hoffnung zerstört. Nevis würde mit Nalan zusammen kommen und ich musste sehen wie ich damit klar komme. Aber dagegen sagen kann ich nichts, immerhin ist sie ja nicht meine Freundin. Wir haben sie nur entführt und sie kann sich aussuchen wen sie will.
Verzweifelt boxte ich mehrmals gegen einen Baumstamm, bis mein Handrücken leicht blutete. Leicht fluchend ließ ich mich gegen den Baum sinken.
Noch einige Minuten stand ich gegen den Baum gelehnt da, bis ich mich auf den Weg machte. Meine innere Uhr sagte mir, dass es bald Essen geben würde. Doch zuvor ging ich noch kurz in mein Zimmer um die Wunde zu verarzten. Da die Wunde nur klein war, wäre sie bis morgen verheilt und würde hoffentlich auch niemandem großartig auffallen.
Dann begab ich mich in den Speisesaal und setzte mich hin. Nevis und Nalan waren noch nicht da, weswegen neben mir noch 2 freie Plätze waren. Doch kurz darauf kamen die beiden herein und kloppten sich wie Kleinkinder. Mein Herz schmerzte in meiner Brust wenn ich daran dachte, dass sie so vertraut mit ihm umging, mit mir würde sie niemals so umgehen.
Vor dem Essen sprach der Anführer noch ein paar Worte und ließ uns dann Essen. Während des Essens blickte ich die ganze Zeit nur auf meinem Teller, während Nevis mit Nalan sprach.
Als das Essen schließlich beendet war, wurden wir eingeladen uns in den Gemeinschaftsraum zu setzten und uns mit den anderen noch zu unterhalten. Um mich abzulenken nahm ich an, genauso wie Nevis. Nur Nalan wollte schlafen gehen, worüber ich ein wenig froh war, also wünschte ich ihr noch ein wenig Halbherzig eine Gute Nacht, was sie aber nicht zu bemerken schien.
Im Gemeinschaftsraum wurden Nevis und ich sofort ausgefragt, was wir denn so gemacht hätten und wie es war mit Nalan unter einem Dach zu leben. Wir mussten sehr viel von den letzten Jahren erzählen und auch mehrmals versprechen, dass wir auf jedenfall bald wieder kommen würden.
Dann wurde ich langsam Müde und verabschiedete mich von den anderen. In meinem Zimmer machte ich mich fertig und legte mich ins Bett. An Schlaf war jedoch nicht zu denken. Ich musste einfach mit den beiden reden und ansonsten bin ich halt einfach ein guter Freund für Nalan. Egal wie sehr es mich verletzte. Schlussendlich schaffte ich es dennoch einzuschlafen.
Am nächsten Morgen traf ich schon früh auf Nevis. Dann wollten wir Nalan wecken, dabei ließ ich meinem Bruder den Vortritt, da sie sicher lieber von ihm geweckt wurde. Doch nachdem Nevis verschwunden war, verging einiges an Zeit, langsam fragte ich mich wo die beiden blieben. Also begab ich mich auf das Zimmer von Nalan.
Was ich dort sah ließ mich dann doch ein wenig grinsen. Sie sah aus wie ein begossener Pudel während mein lieber Bruder einfach nur lachte. Nevis erklärte mir wieso sie so nass war und konnte sich kaum noch halten vor lachen.
Kopf schüttelnd zeigte ich ausnahmsweise erbarmen mit Nalan und zog meinen Bruder aus dem Zimmer. Nach einiger Zeit stoß Nalan wieder zu uns, sodass wir im Speisesaal Essen konnten. Anschließend wurden wir vom Rat verabschiedet und gingen dann zurück zum Auto.
Die Hälfte der Fahrt schwiegen wir, doch dann konnte ich mich nicht mehr zurück halten. „Wo ward ihr Gestern Abend eigentlich noch, als sich unsere Wege getrennt hatten?“, fragte ich beiläufig und konnte durch den Innenspiegel sehen wie Nalan bei der Frage Rot wurde.
„Ach, ich wollte ihr nur was zeigen.“, winkte Nevis schnell ab, für mich ein wenig zu schnell. „Ach ja? Etwa wie man richtig küsst oder was?“, nun wurde meine Stimme um eine Spur kälter. „Äh,du verstehst das falsch... Das war nur...“, Nevis versuchte sich irgendwie raus zu reden. Er hatte wohl Angst, dass ich sofort ausrasten würde, wenn er was falsches sagt.
„Hör auf dich raus reden zu wollen. Ich verstehe schon und wünsche euch beiden viel Glück.“, wieder klang ich kalt, konnte meine Eifersüchtige Ader einfach nicht unterdrücken.
„Axeu! Jetzt hör endlich zu! Ich empfinde nichts für sie! Und sie auch nichts für mich! Das wollte ich unter anderem herausfinden.“, sprach Nevis nun energischer und blickte mich standhaft an. Dennoch glaube ich ihm kein Wort. Seufzend nickte ich. „Vielleicht hab ich einfach überreagiert. Ihr dürft Küssen wen ihr wollt.“, meinte ich nun angespannt.
Plötzlich spürte ich eine weiche Hand auf meiner Schulter. Überrascht blickte ich in den Innenspiegel und direkt in Nalans Gesicht. Nalan zeigte ein leichtes Lächeln, daraufhin löste sich auch meine Anspannung und ach ich Lächelte leicht. „Okay, ich glaube euch.“, sprach ich sanft. Nalan schaffte es auch immer wieder mein Herz zu erweichen.
Dann fuhren wir schweigend weiter. Zwischendurch beobachtete ich Nalan über den Innenspiegel wie sie verträumt aus dem Fenster sah. Sie ist einfach nur bezaubernd.
„Nalan? Wir sind da.“, sprach ich sanft zu ihr. Sie blickte auf und kurz versanken wir in den Augen des jeweils anderen, bis sie sich errötend abwandte und schnell ausstieg.
Als wir das Haus betraten saß Nevis schon im Wohnzimmer und blätterte in der Fernsehzeitung. Dann setzten wir uns zu ihm, woraufhin er sagte: „Ach ja, Nalan, wir beginnen Morgen mit deinem Training.“
„Komm Nalan, ich zeig dir jetzt mal ein bisschen hier den Wald.“, meinte ich nun, nachdem einige Minuten geschwiegen wurde. Bevor sie auch nur etwas sagen konnte, hatte sich sie mit mir auf dem Haus gezogen. Schnell verschwand ich mit ihr im Wald, bevor ich dann langsamer wurde.
Einige Minuten gingen wir schweigend den Weg entlang. Ich ging ein kleines Stück vor ihr. Dann blieb ich stehen, woraufhin auch sie stehen blieb. Nur wenige Schritte trennten uns, was ich feststellte als ich mich umdrehte. Unsicher blickte ich sie an und überlegte ich, wie ich anfangen sollte.
Sanft blickte ich Nalan an. Ihre Augen strahlten, wie so oft in letzter Zeit. Anfangs hatten diese Augen eher traurig gewirkt. Gezeichnet vom Leben. Ich war froh, dass wir ihr etwas Lebensfreude wiedergeben konnten.
Langsam machte ich einen Schritt nach dem anderen auf sie zu. Mein Blick weiterhin auf sie gerichtet, mit einem leichten Lächeln im Gesicht. Mein Herz schlug ein wenig schneller, da ich so Aufgeregt war. Ich erhoffte mir, dass sie meine Gefühle teilte.
„Nalan...“, sprach ich, während ich vor ihr stehen blieb. Vorsichtig streichelte ich ihre Wange und ließ schließlich meine Hand auf ihrer Wange liegen. Dann nährte ich mich langsam ihrem Ohr, um ihr das zuzuflüstern, was ich noch nie empfunden hatte und was mir so viel bedeutete.
„Ich liebe dich.“
Nun war es raus. Nervös wartete ich auf irgendeine Reaktion. Mir war es egal welche. Ob sie lachte oder weinte, Hauptsache sie reagierte. Doch das was sie tat war schlimmer als alles. Sie reagierte kein bisschen. Sie starrte mich nur an.
Enttäuscht ließ ich meine Hand von ihrer Wange gleiten. „Ich wusste es, du liebst mich nicht! Aber das du nicht einmal jetzt mit mir redest!“, nun zeigte sich meine Wut, wie so oft versteckte ich mich hinter meiner Wut um meine Enttäuschung und Trauer mir nicht anmerken zu lassen.
Langsam spürte ich aufkeimende Tränen, die ich nicht mehr lange unterdrücken konnte. Also drehte ich mich um und lief, lief tiefer in den Wald. So weit ich konnte, weit weg von ihr.
Schon nach einigen Metern kamen mir die Tränen, doch ich lief noch immer. Bis ich irgendwann stolperte und am Boden liegen blieb. Mittlerweile hatte es angefangen zu Regnen. Der Regen schlug hart gegen mich. An aufstehen war nicht zu denken, aber das wollte ich auch nicht.
Solange Nalan mich nicht liebte, hatte es sowieso keinen Sinn mehr auf der Welt zu leben. Mir war einfach alles egal.
Noch viele Stunden lag ich da. Der Regen wurde immer schlimmer. Inzwischen blitzte und donnerte es auch. Aber all dies nahm ich nur am Rande wahr. Ebenso wie als eine Person plötzlich vor mir stand. Zuerst dachte ich es wäre Nevis. Aber dem war nicht so. Die Person trug einen langen schwarze Mantel mit einer großen Kapuze, welche tief ins Gesicht gezogen war.
Das Messer in der Hand dieser Person hatte ich bis dato noch nicht bemerkt, doch nun erhob er es. „Hört auf nach mir zu suchen!“, sprach eine männliche Stimme. Dann holte die Person aus und schlug mir das Messer in den Bauch. Währenddessen wehte ein kräftiger Wind, sodass ich die roten Haare und grünen Augen wahrnehmen konnte. Kurz hatte ich einen Gedanken, wer der Angreifer sein könnte, doch meine Schmerzen ließen nicht zu, dass ich mich länger mit diesem Gedanken befasste,
Blut hustend lag ich auf dem Boden. Ich röchelte, während mein Atem und Puls schwächer wurde. Mein Angreifer war inzwischen verschwunden.
Da hörte ich von weiter ferne eine Stimme Rufen. „Axeu!“, rief die Stimme. Ich versuchte etwas zu sagen, die Person zu rufen, doch gelang es mir nicht. Dennoch stand kurz darauf schon Nevis vor mir. Geschockt blickte er auf mich. Schnell handelte er, verband kurz provisorisch meinen Bauch, damit nicht mehr so viel Blut raus floss und umwickelte mich dann mit einem Mantel, bevor er mich hochhob und los ging.
Er wiederholte immer wieder ich solle wach bleiben und gefälligst überleben. Doch so langsam konnte ich der schwarzen Finsternis nicht mehr widerstehen Ich war einfach so müde. So schlief ich kurz vor unserem Haus ein. Und fiel in einen tiefen Schlaf, aus dem es vielleicht kein entrinnen gibt, aber das war mir egal.
~Nalans Sicht~
Der Regen prasselte unaufhörlich auf den Boden nieder, während der Wind gegen die Wände des Hauses peitschte. Von weit her hörte man ein lautes Donnern. Hin und wieder zuckte ein Blitz über den tief schwarzen Himmel. Nachdenklich lag ich im Bett.
Es war bereits weit nach Mitternacht, doch Nevis und Axeu waren immer noch nicht da. Je länger die beiden weg blieben, desto größer wurden meine Sorgen. Was wenn Axeu etwas zugestoßen war und er gerade im Sterben lag, weswegen Nevis ihn nicht finden konnte. Ich malte mir die schlimmsten Szenarien aus. Das was für mich am schlimmsten wäre, war wenn Axeu irgendwo alleine starb und ich nicht mal die Möglichkeit hatte, ihm irgendwie meine Gefühle mitzuteilen.
So in meinen Gedanken versunken, schrak ich auf, als ich plötzlich hörte wie die Wohnungstür unten aufgerissen wurde und mit einem lauten Knall gegen die Wand schlug. Das mussten die beiden sein. Also beeilte ich mich nach unten zu kommen, doch blieb auf halben Weg auf der Treppe stehen.
Nevis hatte Axeu im Arm, welcher voller Dreck und Blut war. Die Augen waren geschlossen und selbst von hier aus bemerkte ich, dass sein Atem nur Stoßweise ging. Nevis ging langsamen Schrittes an mir vorbei, schien mich gar nicht zu bemerken. Zu sehr war er auf seinen Bruder fixiert, welcher noch immer stark am Bluten war. Die genaue Quelle des Blutes konnte ich nicht erkennen, doch ich vermutete, dass die Verletzung sehr schwerwiegend war.
Vorsichtig folgte ich Nevis nach oben in das Schlafzimmer von Axeu. Dort legte er ihn hin und zog ihm erst einmal die dreckigen und nassen Klamotten aus. Leicht schaute ich weg, denn auch wenn Axeu verletzt war, hielt ich es nicht für richtig einfach so zu spannen.
„Hol mir bitte einen Eimer warmen Wassers und eine Lage Handtücher.“, wandte sich Nevis nun das erste mal, seit er herein kam, an mich. Schnell verschwand ich ins angrenzende Bad, hörte aber noch wie Nevis zu mir sagte: „Und hol den Verbandskasten.“
Also beeilte ich mich alles vorzubereiten. Zu erst ließ ich in einen Eimer, welcher unter der Spüle stand, heißes Wasser ein. Während das Wasser in den Eimer floss, holte ich aus einem der Schränke ein paar saubere Handtücher. Anschließend suchte ich den Verbandskasten. Dieser befand sich über der Spüle in einem großen Spiegelschrank. Mit den ganzen Sachen im Arm, ging ich nun wieder zurück zu Nevis und Axeu.
„Geh raus, ich hol dich wenn ich Hilfe brauche.“, sagte Nevis. Er brauchte wohl seine Ruhe um seinen Bruder ordentlich versorgen zu können. Also begab ich mich auf den Flur und wartete.
Ich wartete sehr lange und wurde bereits ungeduldig. Dann rief Nevis mich wieder rein. Besorgt blickte ich zu Axeu, als ich langsam wieder herein kam. Nevis blickte mich erst unsicher an, dann sah er wieder zu seinem Bruder. „Ich habe die Wunde so gut es ging Verbunden, doch ich weiß nicht ob er es überlebt. Ich hoffe es sehr...“, ich merkte wie sich Tränen in Nevis Augen bildeten, er machte sich sehr große Sorgen um seinen Bruder. Immerhin hatte er keinen mehr aus seiner Familie, da war dies Verständlich.
Vorsichtig legte ich meine Hand auf Nevis Schultern und blickte ihn sanft an. Ich wollte ihm damit Mut machen und versteckte meine eigene Unsicherheit und Angst so gut ich konnte. Nevis nickte leicht und versuchte sich an einem Lächeln, dann gähnte er. Er musste sehr Müde sein, immerhin hatte er die ganze Nacht nach seinem Bruder gesucht und ihn anschließend versorgt. Inzwischen war der Morgen auch schon angebrochen.
Schnell nahm ich einen Zettel und einen Stift und schrieb auf: 'Du solltest Schlafen gehen. Ich kümmere mich solange um Axeu' Nevis las sich den Zettel durch und wollte widersprechen, doch ich schüttelte nur den Kopf und zog ihn mit mir aus dem Zimmer.
„Na schön.“, seufzte Nevis. „Aber ich muss dir noch zeigen was du ihm versuchen sollst zu Essen zu geben. Der Schluckreflex sollte noch funktionieren.“ Dann zeigte Nevis mir wie ich einen Speziellen Brei machte, den Axeu selbst in seinem jetzigen Zustand herunter schlucken können müsste. Dann schickte ich Nevis ins Bett und begab mich zurück zu Axeu.
Nevis hatte ihm nur eine Hose angezogen, sodass man seinen verbundenen Oberkörper sehen konnte. Wenn man von dem Verband absah, hätte man meinen können, Axeu würde nur schlafen. Er wirkte so friedlich und ruhig. Seine Gesichtszüge waren sanft, so sanft wie ich sie noch nie gesehen hatte.
Langsam stiegen in mir die Tränen auf. Ich hätte etwas tun sollen. Ihm folgen sollen oder irgendetwas, dann wäre das hier nie passiert. Oder ich hätte es beiden von Anfang an offen zeigen sollen, dass ich nicht redete, dann wäre Axeu nicht so ausgerastet.
Verzweifelt setzte ich mich ans Bett und nahm Axeus schlaffe, kalte Hand. Sonst wirkte diese immer so stark, doch nun war sie schwach. Tränen liefen mir die Wangen herunter und trafen auf das Bett. Ich wollte nicht, dass er starb. Lieber sollte ich sterben, immerhin war ich doch an allem Schuld.
Ich weiß nicht wie lange ich dort saß und einfach nur weinte. Es muss schon ein paar Stunden vergangen sein, denn plötzlich berührte mich eine sanfte Hand an der Schulter. Verwirrt blickte ich hinter mich und erblickte einen ausgeruhten Nevis. „Es ist nicht deine Schuld Nalan. Das hätte jederzeit passieren können.“, sprach er sanft. Leicht schüttelte ich den Kopf und wischte mir die Tränen weg.
„Komm Nalan. Wir bereiten ihm sein Essen vor.“, meinte Nevis und zog mich aus dem Zimmer. In der Küche machte eigentlich Nevis die ganze Arbeit, ich war einfach zu Verzweifelt um diese Gefühle länger zu unterdrücken. Früher galt ich häufig als Gefühlskalt, denn nie zeigte ich meine wahren Gefühle, ich wurde ja eh nur verspottet. Doch seit ich Nevis und vor allem Axeu traf, konnte ich das nicht mehr. Dafür bedeuteten die beiden mir zu viel.
„Nalan? Wie wäre es wenn du in den Wald gehst und ein paar Kräuter sammelst. Ich gebe die eine Liste und jeweilige Bilder und Erklärungen mit. Sieh es als deine erste Unterrichtsstunde. Außerdem könnte dich das etwas ablenken.“, sprach Nevis zu mir. Leicht nickte ich, dann konnte ich immerhin etwas tun.
Also gab Nevis mir ein Buch, wo die einzelnen Kräuter erklärt wurden und eine Liste mit den benötigten Kräutern. „Daraus mache ich eine Salbe für die Wunde von Axeu. Dann heilt sie schneller.“, mit den Worten ließ Nevis mich in den Wald gehen.
Also ging ich los. Der Regen hatte schon länger aufgehört, doch der Boden war noch nass und der Himmel betrübt. Doch das störte mich nicht wirklich.
Lange streifte ich durch den Wald, bis ich alle Kräuter beisammen hatte. Dann machte ich mich auf den Rückweg. Es war bereits später Nachmittag und ich bekam Hunger. Immerhin hatte ich den kompletten Tag noch nichts gegessen. Ich hoffte Nevis hat vielleicht etwas gekocht.
Als ich in dem Haus ankam, welches ich schon fast von Anfang an als mein Zuhause ansah, roch es bereits verführerisch. Nevis schien gekocht zu haben und so war es auch. Er wartete nur noch auf mich.
„Leg die Kräuter da ab. Die Salbe mache ich später. Jetzt essen wir erst einmal.“, mit den Worten setzte sich Nevis an den Tisch. Ich legte die Kräuter ab und setzte mich dazu. Dann fingen wir an zu Essen. Es gab Spaghetti Carbonara. Ich liebte das Essen, denn auch Nevis konnte gut kochen, auch wenn sonst Axeu kochte. „Das ist das einzige was ich halbwegs gut hinbekomme.“, grinste Nevis, er versuchte wohl ein wenig von dem verletzten Axeu abzulenken, also grinste ich auch leicht.
Nach dem Essen machten wir den Abwasch und gingen dann mit den Kräutern hoch in Axeus Zimmer. Noch immer schlief Axeu da, so wie ich ihn vorhin verlassen hatte. Nevis setzte sich auf einen Stuhl und nahm einen alten Mörser in die Hand. Dann nahm er die Kräuter und machte so langsam daraus eine Salbe.
Bewundernd sah ich ihm zu. So etwas hatte ich noch nie gesehen. Woher konnte er das so gut. „Weißt du... Als Axeu und ich klein waren hat Axeu sich oft mit älteren angelegt und wurde verletzt... Dann sind wir immer zur Krankenschwester gegangen und sie hat ihm immer diese Salbe gemacht. Irgendwann fing sie an mir alles genauer zu erklären, denn ich interessierte mich dafür... Immerhin wollten Axeu und ich schon damals irgendwann weg gehen und ein eigenes Leben führen...“, sprach Nevis und war dabei in seiner ganz eigenen Gedankenwelt.
Irgendwann war die Salbe dann fertig und Nevis machte den Verband ab. Die Wunde sah schon ein wenig besser aus, doch war immer noch sehr tief. Ich schmiss den gebrauchten Verband weg, während Nevis die Salbe auf die Wunde schmierte. Dann half ich ihm einen neuen Verband um Axeus Oberkörper zu machen.
„Bleibst du noch ein wenig bei ihm?“, fragte Nevis, wohl wissend wie die Antwort ausfallen würde, als er aufstand. Leicht nickte ich und schon verließ Nevis den Raum. Ich setzte mich wieder an Axeus Seite und hielt seine Hand. Irgendwann wurden meine Augenlider schwerer und mein Kopf sank langsam auf das Kissen. Schon war ich eingeschlafen.
Bereits seit 2 Wochen lag Axeu nun schlafend in seinem Zimmer. Seine kleineren Wunden waren bereits verheilt, nur noch die größte musste bekämpft werden, doch auch diese verheilte so langsam, schneller als es bei einem gewöhnlichen Menschen möglich gewesen wäre. Aber das war ja auch kein Wunder, immerhin war er ein Werwolf und deren Wunden heilten schneller.
Die erste Woche hatte ich Nevis immer nur assistiert, wenn er die Wunden von Axeu behandelte, doch schon nach kurzer Zeit wollte ich dies selber machen. Immerhin war es meine Schuld das er verletzt war, hätte ich ihn aufgehalten wäre es niemals so weit gekommen.
Ich wusste nicht woran es lag, ob an meinem flehenden Blick oder etwas anderem, aber Nevis ließ mich von nun an die Wunden versorgen. Nur das Waschen übernahm Nevis, dafür fühlte ich mich einfach nicht bereit, irgendwie war mir dabei unwohl. Ich wollte Axeus Verletzung nicht ausnutzen um ihm nahe zu sein.
Es gab nur eine einzige Bedingung die Nevis an mich gestellt hatte, ich sollte mich mit der Geschichte der Werwölfe befassen und mit den einzelnen bekannten Rudeln in Deutschland. Also tat ich dies. Meistens unterrichtete Nevis mich dann 2 Stunden lang in Axeus Zimmer, weil ich mich weigerte ihn alleine zu lassen. Manchmal jedoch gab er mir einfach nur ein Buch und sagte mir welchen Abschnitt ich lesen sollte. Nach jedem Thema kam dann noch ein Test dazu. Und ich dachte ich hätte erst einmal ruhe vor der Schule, aber in der Hinsicht ließ Nevis sich nicht Breitschlagen. Wobei hinzu kam das ich keine Lust hatte ganze Romane aufzuschreiben, nur um ihm vom Gegenteil zu überzeugen, denn das Problem mit dem Sprechen ließ sich nicht so einfach überwinden, so oft ich es auch versuchte.
Momentan saß ich wieder bei Axeu und kümmerte mich um seine Wunde. Ich hoffte er würde bald aufwachen, damit ich ihn endlich in die Arme schließen konnte und mit Nevis Hilfe ihm alles erklären konnte, dann würde er es verstehen und wahrscheinlich sich selbst für dämlich halten, weil er es nicht mitgekriegt hatte.
Leicht musste ich bei dem Gedanken grinsen, blickte dann aber wieder betrübt zu ihm herunter. Dafür müsste er aber erst einmal aufwachen, doch nicht einmal Nevis wusste wie lange das Dauern würde. Ich konnte es kaum erwarten, vermisste ich doch Axeus Stimme, die mal so kalt wie Eis klang und ein anderes mal wärmer als die Sonne es je gekonnt hätte.
Stumm den Kopfschüttelnd machte ich den Verband von Axeu fest und begab mich dann auf die Fensterbank. Zum Glück war das Fensterbrett breit und stabil genug, dass jemand wie ich sich bequem darauf setzen konnte. In den letzten Tagen war dies quasi mein Stammplatz geworden, wenn ich nicht gerade an Axeus Bett war, aber hier konnte ich gut nachdenken und mich auf auf den Lesestoff konzentrieren, den Nevis mir mal wieder gegeben hatte.
Es war ein Buch welches nur unter den Werwölfen bekannt war, normale Menschen kamen an so etwas gar nicht erst dran, oder wussten nicht einmal das es dieses Buch überhaupt gab. Es hieß „Werwölfe – Die Geschichte hinter den Gestaltwandlern“. Etwas eindeutigeres gab es wohl kaum, doch mir sollte es recht sein. Denn selbst wenn die Menschen das Buch in die Hände bekämen, würden sie es nur für Schwachsinn halten und den Worten keinen Glauben schenken.
Sobald ich bequem saß, schlug ich das Buch auf. Heute sollte ich mich mit dem Thema „Auswirkungen des Vollmondes“. Das klang schon einmal ein wenig interessanter als das letzte Thema, in dem es um die Vergangenheit der Werwölfe ging und das sie in vielen großen Kriegen der Menschheit beteiligt waren. Geschichte war nun mal noch nie mein Fach gewesen, weswegen ich auch nicht viel über die Menschliche Geschichte wusste und das dann noch in Verbindung mit Werwölfen war nicht gerade so berauschend.
Also fing ich an zu lesen: In vielen Mythen und Legenden gilt der Vollmond als Ursprung der Verwandlung in einen Wolf, noch dazu heißt es häufig, dass Werwölfe in dieser Nacht unkontrolliert Handeln. Zwar hat der Vollmond eine besondere Bedeutung, doch Verhalten sich Werwölfe an dieser Nacht nicht viel anders als in jeder anderen Nacht auch. Der Drang in die Natur zu kommen wird übermächtig, doch geübte Werwölfe können auch diesem Drang standhalten. Viel Bedeutender jedoch ist die Kraft welche in einem jeden Werwolf erwacht, sobald der Mond sich zeigt. In dieser Nacht haben Werwölfe einen klaren Vorteil gegenüber anderen Wesen. Sie werden bei der Verwandlung größer und dies ist die einzige Nacht in der die Augen eines Werwolfes voller Kraft leuchten.
Noch dazu gibt es selten Werwolfskinder welche in dieser Nacht geboren wurden und mit einem bestimmten Fell geboren wurden und sogar das ganze Jahr die Augen ein wenig leuchten. Jedoch nicht so kräftig wie in der Vollmondnacht.
Hin und wieder kommt es vor, dass ein Werwolf von alledem nichts weiß, durch einen bestimmten Zauber den die Eltern auf diesen gelegt haben. Dann verwandelt er sich in der ersten Vollmondnacht ach seinem 18. Geburtstag.
Nachdenklich blickte ich auf die Buchseite. Das war das kürzeste Thema welches ich in diesem Buch bisher gelesen hatte, doch enthielt eine Menge. Also hatten meine Eltern mich mit einem Zauber versehen, deswegen hatte ich mich noch nicht verwandelt. Aber am Vollmond nach meinem 18. Geburtstag würde sich das ändern. Ich wusste nicht ob mich das freuen sollte, aber ändern ließ sich dies sowieso nicht.
„Na bist du fleißig am Lesen?“, fragte Nevis mich, als er gerade herein kam. Ich nickte leicht, hatte gar nicht mitbekommen, dass er wieder da war, eher hätte ich damit gerechnet, dass er erst spät Abends kommen würde. „Wie geht es ihm?“, fragte Nevis weiter, blickte dabei auf Axeu. Leicht zuckte ich mit den Schultern, ich wusste es nicht, genauso wenig wie er es wusste, wir konnten einfach nur noch abwarten.
Seufzend setzte sich Nevis auf den Stuhl bei Axeus Bett und blickte nachdenklich zu seinem Bruder herunter. Auch ich blickte nachdenklich zu ihm. Worüber Nevis sich Gedanken machte wusste ich nicht, doch meine Gedanken wusste ich, ich wollte einfach nur so schnell wir möglich, dass er wieder wach wurde.
Plötzlich stand Nevis auf, als wäre ihm irgendetwas in den Sinn gekommen. „Ich habe etwas vergessen. Ich komme später wieder.“, sagte Nevis kurz und verschwand aus dem Zimmer. Ich war mir sicher das das nur die halbe Wahrheit war, doch ich ließ ihn einfach gehen und setzte mich nun auf den Stuhl, auf welchem zuvor Nevis noch gesessen hatte.
Ich nahm Axeus Hand in meine, legte den Kopf auf sein Bett und betete einfach. Ich wusste nicht ob Werwölfe an Götter glaubten und wenn ja, an welchen sie glaubten, doch das war mir egal. Auch das ich an diesem Tag zum ersten Mal betete, ich hoffte einfach nur das Axeu aufwachen würde. Noch während des Betens verfiel ich in einen leichten Schlaf, welcher in den letzten Nächten eindeutig zu kurz gekommen war.
Eine leichte Berührung an meiner Wange weckte mich irgendwann auf. Ich wusste nicht wie lange ich geschlafen hatte, noch wann ich überhaupt eingeschlafen war. Doch das alles war unwichtig und vergessen als ich sah wer mir gerade sanft über die Wange streichelte. Axeu!
Eine Träne floss aus meinen Augen und dann noch eine und bevor ich überhaupt die Gelegenheit hatte etwas zu unternehmen, lag ich schon in Axeus Armen. Er hatte meine Tränen gesehen und mich direkt zu sich gezogen. „Ganz ruhig, es ist alles gut.“, sprach er sanft auf mich ein und streichelte mir die ganze Zeit sanft über den Rücken. Doch davon musste ich noch mehr weinen. Er war endlich wach! Ich glaubte es kaum.
Nach endlosen Minuten, welche für mich trotzdem zu kurz anhielten, ließ er mich los und ich konnte mich wieder ordentlich hinsetzen und mir die Tränen aus dem Gesicht wischen. „Alles in Ordnung?“, fragte Axeu lächelnd, wofür er trotz allem einen leichten Schlag gegen seine Schulter bekam. Daraufhin sah er mich verwirrt an, bis sein Blick an sich herunter glitt und er merkte, dass er einen Verband trug. Dann schien er wohl verstanden zu haben, dass er Verletzt war und trotzdem mich fragte ob es mir gut ginge.
Grinsend blickte er mich an und meinte: „Keine Sorge, mir geht es gut.“ Schon wieder hätte ich ihn schlagen können. Dieser Idiot lag schwer verletzt 2 Wochen schlafend in seinem Bett und tat nun als wäre nichts gewesen. Ein wenig wütend stand ich auf um nachzusehen ob Nevis da wäre, dann könnte der sich damit herum schlagen.
Doch Nevis war nirgends im Haus zu finden, also ging ich wieder zurück zu Axeu, welcher nun aufrecht in seinem Bett saß und seinen Verband ansah. „Den hast du gemacht, oder?“, fragte Axeu, gerade als ich herein kam. Leicht nickte ich, was ihm wohl als Antwort genügte.
Wieder setzte ich mich auf den Stuhl neben seinem Bett und erblickte meinen Block auf dem Nachttischschränkchen liegen. Kurzer Hand griff ich danach und dem daneben liegenden Stift. Jetzt oder Nie!
Verwirrt blickte Axeu mich an, er wusste wohl nicht so Recht was ich vor hatte, aber das war auch nicht so wichtig. Schnell schrieb ich 4 einfache Wörter auf: „Ich kann nicht reden“ Wieder war er verwirrt. „Was?“, brachte er sehr geistreich hervor und blickte mich an als wäre mir gerade ein Horn auf der Stirn gewachsen. Mit den Augen rollend schrieb ich die nächsten Wörter auf das Blatt: „Seit der Sache mit meinem Bruder habe ich nicht mehr geredet. Deswegen konnte ich auch nichts erwidern auf dein Liebesgeständnis.“
Nun schien er zu verstehen und schlug sich mit der flachen Hand gegen den Kopf. „Wie konnte ich das nicht mitbekommen, kein Wunder das du nie was gesagt hast.“, Axeu hielt sich im Moment wohl selber für ziemlich blöd. „Nevis wusste es, oder?“ Leicht nickte ich auf seine Frage, sein Bruder hatte es ziemlich schnell begriffen, ohne das ich etwas dafür machen musste.
Seufzend schüttelte Axeu den Kopf, sah dann aber plötzlich wieder mich an und lächelte leicht. „Und was sagst du dazu?“, fragte er dann, doch mein Gesicht musste so fragend ausgesehen haben, dass er hinzufügte: „Ich hab dir doch meine Gefühle gestanden, was sagst du dazu?“ Nun verstand ich und musste leicht lächeln dann schrieb ich auf: „Gib mir Zeit bis ich sprechen kann, ich möchte es nicht über ein Blatt Papier dir erklären, das würde zu lange dauern.“
Kurz sah Axeu verletzt aus, er dachte wohl, ich wolle ihn abservieren, doch schnell schüttelte ich den Kopf. Er schien wohl ausnahmsweise zu verstehen, denn der verletzte Ausdruck im Gesicht verschwand.
Axeu stellte mir noch ein paar Fragen, unter anderem wie lange er geschlafen hatte. Doch nach einer halben Stunde gähnte er wieder, er war müde und musste sich noch ein wenig ausruhen um vollends heilen zu können, daher brachte ich ihm allein mit einem bösen Blick dazu sich hinzulegen und zu schlafen, versprach ihm aber noch, dass ich nicht von seiner Seite weichen würde.
Später kam Nevis wieder und ich erzählte ihm direkt, dass Axeu vorhin wach gewesen war und das ich alles mit ihm geklärt hatte. Das erleichterte ihn und die Reaktion von Axeu fand er wohl auch ziemlich lustig, weil Axeu war einfach blind gewesen, dass er das nicht mitgekriegt hat und ansonsten hätte er auch einfach nachfragen können.
Spät Abends verschwand auch ich aus Axeus Zimmer und ging in mein eigenes Bett. Zum ersten mal in den letzten 2 Wochen konnte ich ruhig schlafen, ohne von schlechtem Gewissen und Alpträumen geplagt zu werden.
Am nächsten Morgen wurde ich durch laute Stimmen wach. Verwirrt darüber, was wohl los war, stand ich auf und begab mich aus meinem Zimmer. Im Flur begegnete ich Axeu und Nevis. Die beiden standen sich gegenüber und schienen wohl zu streiten.
„Lass mich durch!“, knurrte Axeu seinen Bruder an. „Vergiss es, du bist noch verletzt und solltest dich ausruhen!“, hielt Nevis dagegen. Die beiden blickten sich stur gegenseitig in die Augen, keiner von beiden hatte vor nachzugeben. Also stellte ich mich zwischen die beiden und lächelte Axeu an. Daraufhin beruhigte er sich ein wenig und schaute mich unschlüssig an. Ich hingegen schubste ihn mit wenig Kraftanstrengung zurück in die Richtung seines Zimmers.
„Aber Nalan...“, wollte er widersprechen, so stur war er. Doch ich schüttelte nur den Kopf. Er musste sich noch etwas ausruhen, bevor es weiter gehen konnte. Da ich aber wusste, dass Axeu sobald ich sein Zimmer verlassen würde, wieder aufstehen würde, begleitete ich ihn und ließ mich neben seinem Bett nieder. Geschlagen seufzte er, blieb diesmal sogar liegen.
„Ich glaub ich weiß, wer mich angegriffen hat...“, fing Axeu nach langer Zeit der Stille an, blickte mich dabei nicht an. Fragend sah ich ihn an, kurz trafen sich unsere Blicke, bevor er sich wieder abwandte. „...dein Bruder...“, diese zwei Wörter reichten aus um erneut ein Gefühlschaos in meinem inneren zu entfachen. Mein Bruder sollte ihn verletzt haben? Ohne Grund würde er so etwas doch nicht tun, oder? Ach was wusste ich denn schon, immer hin war es schon mal so...
Ich schloss meine Hände fest zu Fäusten, das erste mal seit Ewigkeiten hatte ich diese Wut im Bauch, mit dem Drang jemanden zu töten. Mein Bruder konnte vieles tun, mir war es egal, doch wenn er jemanden verletzte der mir sehr viel bedeutete, ging er eindeutig zu weit.
Ohne noch einmal Axeu anzublicken stand ich eilig auf. Das würde mein Bruder mir büßen. Wahrscheinlich sah Axeu mir gerade verwirrt hinterher, als ich eiligen Schrittes den Raum verließ, nur in diesem Moment kümmerte es mich nicht. Schnell ging ich auf die Haustür zu, doch bevor ich diese erreichen konnte, hielt Nevis mich am Arm fest und zog mich zurück.
„Wo willst du hin?“, fragte er vorsichtig. Die Wut in meinem Bauch war noch lange nicht verraucht, ich wollte einfach nur auf irgendetwas oder irgendjemanden einschlagen, es war mir egal ob es gerechtfertigt war meine Wut daran auszulassen. „Du solltest dich ein wenig abreagieren, bevor du etwas dummes tust.“, Nevis schien wohl die Wut in meinen Augen sehen zu können.
Da ich noch immer wütend war und Nevis meinen Arm einfach nicht los lassen wollte, drehte ich mich zu ihm hin und schlug ihm mit all meiner Kraft ins Gesicht. Überrascht blickte Nevis mich an und auch ich war geschockt von mir selber, wieso hatte ich ihn gerade geschlagen? Er hatte mir doch überhaupt nichts getan.
„Du hast einen echt heftigen Schlag.“, schon wieder grinste Nevis mich an, was mich nur noch mehr verwirrte. Wieso hasste er mich nicht? Immerhin hatte ich ihn gerade geschlagen. Schon bemerkte ich das Blut das langsam aus seiner Nase tropfte. Geschockt blickte ich darauf und sprang dann auf.
Wie so oft lief ich davon, ich konnte ihm einfach nicht in die Augen sehen, nachdem ich ihn verletzt hatte. Zwar hörte ich ihn noch nach mir rufen, doch das war mir egal, in dem Moment wollte ich einfach nur fort von dort.
Irgendwann blieb ich mitten im Wald stehen, mein Atem ging schneller und ich hatte schon lange die Orientierung verloren. Ich wusste nicht wie lange ich bereits am laufen war, doch die Sonne stand schon hoch am Himmelszelt. Die Umgebung um mich herum kam mir kein bisschen bekannt vor.
Erschöpft ließ ich mich unter einem Baum nieder. Wie konnte ich Nevis je wieder unter die Augen treten, ich hatte ihn verletzt und war dann einfach abgehauen, so etwas konnte auch nur ich schaffen.
„Hihi, du bist genauso brutal und gewalttätig wie dein großer Bruder.“, hörte ich von irgendwoher eine Kinderstimme erklingen. Verwirrt blickte ich mich um, bis mein Blick an einem höher gelegenen Ast hängen blieb. Darauf saß ein Mädchen, kaum älter als 8 oder 9 Jahren und grinste mich verschlagen an, während ihr Blick mich fixierte.
„Aber was soll man auch erwarten, eure ganze Familie war vom selben Schlag, kein Wunder dass die Tochter dann genauso Missraten ist.“, sprach dieses Mädchen erneut. Betroffen blickte ich auf den Boden, sollte das was dieses Kind sagte wirklich wahr sein, war ich genauso wie mein Bruder? Nein, das konnte nicht sein! Vehement schüttelte ich mit meinem Kopf, sie lügt, ich war nicht wie mein Bruder.
„Hihi, du merkst es selbst nicht einmal! Wahrscheinlich weißt du nicht einmal, dass es deine Schuld ist, dass deine Eltern nicht mehr da sind.“, diese Worte des Mädchens ließen mich erstarrt auf den Boden sehen. Es war nicht meine Schuld, sondern die meines Bruders. Oder hatte sie vielleicht doch Recht?
Immer wieder machte sich dieses Kind über mich lustig, beschuldigte mich für alles was je geschehen ist, wofür ich eigentlich nichts konnte, doch ich glaubte ihr. Dennoch versuchte ich ihre Worte auszublenden, presste meine Hände gegen meine Ohren, nur um die Wörter nicht hören zu müssen. Aber sie waren in mein innerstes gebrannt und wiederholten sich dort immer wieder, ohne das ich diese Worte hätte stoppen können.
Bereits nach kurzer Zeit saß ich nur noch stumm auf dem Boden und blickte mit leeren Augen auf den Boden. Es war alles meine Schuld, dass meine Eltern tot waren, dass mein Bruder schlimme Dinge getan hatte, dass Axeu verletzt wurde. Einfach alles.
Plötzlich hörte ich eine Stimme nach mir rufen, welche ziemlich verdächtig nach Axeu klang, doch das konnte nicht sein, immerhin sollte er sich ausruhen. Aber nach wenigen Minuten stand tatsächlich Axeu vor mir und blickte mich besorgt an. „Nalan? Alles in Ordnung?“, fragte er mich besorgt.
Mit leeren Auge sah ich zu ihm auf. Kurz wirkte er erschrocken, doch dann blickte er mich wieder fest an. „Was ist passiert?“, fragte er. Leicht schüttelte ich den Kopf, er sollte verschwinden, mich einfach hier lassen. Sein Leben wäre um so vieles besser ohne mich, doch er schien das nicht zu bemerken.
Eigentlich wollte er mich berühren, mit über meine Wange streichen, doch ich schlug einfach seine Hand weg. Geh weg! Lass mich in Ruhe! Doch er verstand mich nicht, er blieb und blickte mich einfach nur verletzt und verzweifelt zugleich an.
„Du wirst sie nicht so einfach aus dem Zustand bekommen.“, von irgendwoher kam nun die Stimme von Nevis. „Wieso? Was ist mit ihr?“, fragte Axeu verwirrt. „Es riecht hier nach Annabelle. Du kennst sie doch, ihre Stärke besteht darin die Schwächen des Gegners zu finden und diese gegen sie einzusetzen. Viele ihrer Opfer verfallen dann in diesen Zustand. Du solltest deiner Umgebung mehr Beachtung schenken.“, sprach Nevis wieder, woraufhin Axeu geschockt drein blickte.
„Aber.. Nalan ist stark! Sie schafft das!“, versuchte Axeu sich noch an einen kleinen Strohhalm der Hoffnung zu klammern. Nevis jedoch war weniger überzeugt davon. „Nalan zeigt zwar meist ihre starke und sanfte Seite, doch im inneren ist sie schwach. Sie musste nur immer die Starke mimen um nicht selbst zerstört zu werden.“
„Was können wir denn für sie tun?“, Axeu fing langsam an zu verzweifeln. „Gar nichts, sie muss selbst einen Grund dazu sehen aus diesem Zustand aufzuwachen. Aber wir sollten jetzt erst einmal von hier verschwinden.“
Tag der Veröffentlichung: 30.04.2017
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