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Eins




Prolog


Das Leben. Ist es wirklich so sinnlos, wie es so manch einem erscheint?
Leistet jeder seinen Paart und wird dann irgendwann einfach unter der Erde begraben?
Oder hat jeder seine eigene Bestimmung, die er erfüllen muss, bevor er das Zeitliche segnet?


Eins


Er bewegte nur den kleinen Finger und doch fuhr ihn der Schmerz durch den ganzen Körper. Es war immer noch da und es würde wohl nie mehr verschwinden. Nein, es würde ihn auf ewig quälen und sich an seinen Schmerzen weiden. Hier, hier wo er gefangen war, schien die Zeit keine Regeln zu kennen, die Sekunden verschmolzen mit den Tagen, die Tage mit den Wochen und Jahren. Man hatte ihn zwar bedauerlicherweise zu einem Unsterblichen gewandelt, doch das half nichts gegen den Schmerz, der allgegenwärtig war. Und damit meinte er wohl nicht nur den körperlichen, denn auch der Körper war nur eine Hülle, ein Gefäß, das erst durch Geist und Seele gefüllt wurde …

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Mia ging langsam die Straße hinunter die zu der kleinen Mietwohnung führte, die sie schon seit fast drei Monaten bewohnte. Der kleine niedliche Nachbarskater kam ihr entgegen und schnurrte um ihre Beine. Die Straße war lang und die Sonne hatte kein Erbarmen mit dem Eis, das sie in der Hand hielt, das klebrige nass tropfte auf die Finger, und verbappte sie miteinander. Doch heute war ihr das so ziemlich egal, sie hatte das Eis noch nicht einmal probiert. Gedankenverloren wanderte sie nun schon seit beinahe einer Stunde auf den Bürgersteigen der kleinen Hafenstadt herum, ohne zu einem Ergebnis zu kommen. Sie dachte über alles Mögliche nach, wieso sie nie Eltern gehabt hatte, fragte sich sogar einen Moment lang, wie es ihnen wohl nun ging, doch diese Gedanken verscheuchte sie schnell. ´Du bist ein Heimkind gewesen und du wirst das auch nie ändern können! Es kann dir doch völlig egal sein, wie es ihnen geht. Sie haben dich weggegeben, als du ein Baby warst und sich nie mehr bei dir gemeldet, das Einzige, das du von ihnen bekommen hast, ist diese dämliche Halskette, die bei dir gefunden wurde, und mehr wirst du wohl nie bekommen!´ Wisperte die kleine fiese Stimme in ihrem Hinterkopf, die sich dazu verpflichtet fühlte sie immer mal wieder auf den Boden der Tatsachen zurückholen. Ja sie hatte recht, diese Stimme, und wie recht sie hatte, auch wenn Mia nie wirklich hatte glauben können, dass es da draußen in der ganzen weiten Welt wirklich niemanden gab, der sich um sie sorgte oder sie sogar vermisste.
Wenn sie dann wie so oft wieder darüber nachdachte, dass sie ganz allein war, überkam Mia eine ungeahnte Traurigkeit, die tief, tief aus ihrem Innern zu kommen schien.
Mia wischte sich eine dicke Träne aus dem Augenwinkel, noch bevor sie ihr über die Wange laufen konnte ...


Zu Hause angekommen warf sie sich in voller Montur einfach auf ihr Bett und nach nicht einmal zehn Minuten Bewegungsstarre schaffte sie es sogar sich auf den Rücken zudrehen. Mia fasste sich in den Nacken, öffnete den merkwürdigen Verschluss des feinen Goldkettchens. Diese Bewegung konnte sie auch mit geschlossenen Augen durchführen. Eine so vertraute Bewegung.
Der Anhänger an der Kette war circa so groß wie ihr Daumennagel, ein kleines Oval aus Silber, das mit goldenen Fäden umschlungen schien, hing an einer goldenen Öse für die Kette.
Es waren merkwürdige Schriften darauf eingeprägt worden, die sie nicht zu lesen vermochte, und doch kam ihr diese fremde Sprache auf eine seltsame Art und Weise bekannt vor, als hätte sie nur verlernt sie zu Lesen und ihnen so zu neuen Leben zu verhelfen, ihnen einfach ein wenig Leben einzuhauchen ...

***

Als Mia am nächsten Morgen aus ihrem Schlaf erwachte, war sie schweißgebadet, ihre Kleider klebten ihr am Körper, ihr Atem ging schwer und schnell. Ein Albtraum, natürlich, was sonst? Die Bilder versuchten immer noch in ihren Kopf vorzudringen doch das lies eine unheimlich Neblige zugleich aber auch starke Kraft nicht zu, die nur abgeschaltet schien, wenn sie schlief. Erschöpft ließ sie sich nach einem Blick auf den Wecker wieder zurück in die großen Kissen fallen, fünf Uhr morgens war so gar nicht ihre Zeit. Jedoch einschlafen konnte sie nun auch nicht mehr also sprang sie kurzerhand aus dem Bett, um nicht erst daran zu denken, wie kalt es werden würde, wenn sie die warme Bettdecke verließe, und stieß sich prompt den Fuß gegen die große, hölzerne Kommode, die direkt danebenstand. Fluchend hielt sie sich -wieder einmal- den Fuß und wartete ab, bis der Schmerz verebbt war. Nah, dieser Tag beginnt wieder einmal wunderschön, dachte sie und weigerte sich selbst den ganzen Sarkasmus, den sie in diese paar Wörter gesteckt hatte zu erkennen. Nach einer Dusche und zwei Tassen Kaffee fühlte sie sich wieder halbwegs wie ein lebendiges Wesen und beschloss einen Spaziergang an den Strand zu machen, sie liebte das Meer und ein wenig frische Luft würde ihr auch nicht schaden.

Am Strand angekommen hockte sie sich in den feuchten, kühlen Sand und hörte der rauschenden Stimme des Meeres zu, um diese Zeit war hier am Strand noch nicht allzu viel los. Sie ließ sich nach hinten fallen und machte einen Sandengel, als ihre Hand auf etwas Winziges, Hartes und Kaltes stieß. Sie rollte auf die Seite um sich den Gegenstand genauer ansehen zu können. Es war ein kleiner, silberner, altmodischer Schlüssel der am Ende des Griffes ein sehr bekanntes Muster aus verschlungenen Buchstaben aufwies …

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Es kauerte wie ein Tier in der Ecke, bereit jederzeit loszuspringen und sich zähnefletschend auf ihn, sein nahezu wehrloses Opfer zu werfen.
Doch diesen Gefallen würde er diesem Monstrum nicht tun.
Sein Herz wollte in der Mitte zerreißen, so sehr vermisste er sie, all seine Freunde, doch am meisten vermisste er SIE, die eine, die Einzige … Der Schmerz ließ sich am besten ertragen, wenn er sich nicht bewegte, und so lag er schon ewig mit angezogenen Beinen und starrte in die endlose Dunkelheit …

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...Sie konnte es nicht glauben die Zeichen waren tatsächlich dieselben wie die auf ihrem Anhänger, die Worte, von denen sie manchmal gedacht hatte, es wären magische. Auch sie waren eingraviert worden, sie bewunderte den Schlüssel der kalt in ihrer Handfläche lag als wäre es nahezu unmöglich ihn mit körperlicher Wärme auch nur ein kleines wenig zu erhitzen und ärgerte sich erneut, dass sie die wunderlichen Zeichen nicht einfach lesen konnte.Es war noch ein Schlüssel der alten Sorte. Mit rundem Griff und einem Bert, der seltsam löchrig wirkte. Wenn es diesen Schlüssel gab, dann musste es doch noch andere Gegenstücke geben, dachte sie, andere Schriften, und damit bestimmt auch jemanden der sie lesen konnte und ihr endlich erzählte, was auf dem Anhänger stand.
Aber wo sollte sie so jemanden finden? Noch wusste sie nicht, dass dies sehr viel eher der Fall sein würde, als sie glaubte, noch wusste sie nicht, was sie mit dem Finden dieses Schlüssels alles ausgelöst hatte, denn die Götter hatten einstimmig darüber entschieden das es nun endlich, nach mehr als zwei Jahrtausenden an der Zeit war dem Bösen ein Ende zu bereiten. Und so war es mit Nichten Schicksal, sondern es war ihre Bestimmung …
Am Strand war es ihr inzwischen zu voll geworden. Also trat sie den Rückzug an und kehrte zurück in ihre trostlose Wohngegend. Überall graue, hohe Häuser. In einem von ihnen lebte Mia. Eine winzige Wohnung und ein eigener Briefkasten. Finanziert wurde das Ganze von ihrem Job bei Willys. Zumindest war das bis vor ein paar Tage so gewesen. Jetzt war sie ihren Arbeitsplatz los. Der Wind fuhr ihr durch das Haar und sie dachte sich so etwas wie `Ach, was soll es den? Der Job war sowieso des schlimmste den man hätte haben können. ´ Doch das half nichts, denn sie hatte keine Ahnung wie sie die Miete nächsten Monat bezahlen sollte. Sie betrat das Treppenhaus durch eine ehemalige Glastür, an deren Scheiben nun Pappkartons festgemacht waren, damit niemand sich verletzte. Mit viel Übung, einem tritt gegen die untere Hälfte und aller Kraft, die sie aufbringen konnte, schaffte sie es ihre Wohnungstür soweit aufzuschieben das sie sich durch den dünnen Spalt schieben konnte. Wenigstens schloss die Tür sich selbst. Mia warf ihre Handtasche achtlos in irgendeine Ecke, setzte sich auf einen der ungemütlichen Hocker in der Küche und starrte endlos lange auf die leere fast unerträglich weiße Tischplatte. Denk nach! Denke nach! Doch ihr fiel nichts ein, es war als hätte man all ihr Wissen auf einmal ausgelöscht, mit dem Handstaubsauger beseitigt wie ein lästiger Krümel und der klägliche Rest der geblieben war hatte nur noch im Sinn wie müde sie doch war, so müde …

Ein Traum dachte sie, es ist nur wieder einmal ein Traum.
Sie befand sich wieder am Stand, doch nicht im Sand, sondern viel weiter außerhalb, wo sie noch nie gewesen war. Es war stockdunkel, und das wunderschöne Mondlicht konnte daran auch nicht viel ändern. Die großen Steine türmten sich vor ihr auf, zu riesigen unnahbaren kalten Gesteinsbrocken und doch zogen sie förmlich zu sich hin. Wie magnetisiert folgte sie dem Verlangen, das in ihr aufkam, und kletterte auf einen der grauen Ungetüme. Der Stein unter ihren bloßen Füßen war kalt und rau und sie schrubbte sich ein Knie auf. Oben angekommen starrte sie auf eine große Tür, die einfach so dort Herumstand wie bestellt und nicht abgeholt. Wieso steht hier eine Tür ohne ein Haus, in das sie führen könnte? Fragte sie sich und ging langsam um die mit Steinblumen verzierte Tür. Etwas in ihrer Hosentasche wurde mit jedem Schritt heißer und sie fummelte den Schlüssel an dem sie sich fast verbrannte aus der etwas zu eng anliegenden Jeans hervor. Er glühte förmlich in ihrer Handfläche auf und als sie ihn mit zitternder Hand zu dem Schlüsselloch führte schien der Schlüssel sie nahezu dazu zu zwingen, dass sie ihn in das Loch steckte und ihn drehte, bis sie ein leises klicken hörte, die Türe sprang augenblicklich auf und spuckte zwei gestalten aus. `Renn! Renn so schnell du kannst in den Wald und verstecke dich! ´ Doch es war bereits zu spät zum davon laufen und sie stand wie angewurzelt auf der Stelle mit dem Schlüssel in der Hand, der wieder eiskalt dort lag und sich nicht mehr rührte. Dafür bewegte eine der dunklen Gestalten sich …

... Auf einmal ging alles so schnell, die Gestalt, dunkel wie ein Schatten bewegte sich schnell wie der Schall an ihrer linken Seite vorbei und ein gedankenzerreißender Schmerz überkam sie, vor Entsetzen schaffte sie es nicht einmal aufzuschreien, als die Gestalt sich noch einmal in ihre Richtung bewegen wollte, doch wie durch ein Wunder stand auf einmal ein Mann, da -sie vermutete, dass es die zweite Gestalt sein musste- und stellte sich schützend vor sie. Sofortige Erleichterung überkam sie bei dem Gedanken daran, dass sie doch nicht allein war. Es brach ein Kampf zwischen den zweien Unbekannten aus in dem sie sich immer wieder voneinander trennten, nur um im nächsten Moment wieder aufeinander loszustürmen. Sie wich zurück bis an den Rand, an dem der Wald begann, doch auf einmal wurde ihr schwindelig und sie merkte, dass sie am Rücken verwundet war und das Blut unaufhörlich weiter auf das T-Shirt tropfte. Das Schlachtfeld auf dem die beiden immer noch am Kämpfen waren begann sich unter ihren Füßen zu drehen, bis ihr so schlecht wurde, dass sie es gerade noch schaffte, sich um Zudrehen, ehe sie sich übergab und dann festzustellen das ihr Gesicht bereits tränennass war. Das Letzte, das sie nach einer Weile feststellte, war das sie irgendjemand behutsam auf die Arme nahm, fast als hätte man Angst sie zu verletzen und eine weiche Männerstimme ihr beruhigend ins Ohr flüsterte. „Es ist alles vorbei, alles wird wieder gut.“ Schallte es immer wieder in ihrem Kopf, „Ich, bin wieder hier und beschütze dich, ich werde dich nicht noch einmal verlassen, ich verspreche es …“
Dann wurde es Schwarz und still, so still das ihr Kopf zu zerbrechen drohte …

Zwei




Gerempel … Der Inhalt ihrer Tasche verteilte sich auf dem Boden; ein Labello, das kleine Etui für die Stifte, ein Post-it Block, ein kleiner Spiegel, die Hausschlüssel, das Handy …
`Autsch´ dachte sie noch, `kann man nicht einfach mal zu Arbeit gehen, ohne gleich umgeschmissen zu werden? ´
Doch schon erschien vor ihren Augen eine breite Hand, um ihr aufzuhelfen. Und sie war tatsächlich belämmert genug, um die Hand zu ergreifen und sich anschließend ruckartig hochziehen zu lassen. Anschließend blickte sie in die blauesten Augen, die ihr jemals untergekommen waren und konnte nur mit Mühe den Blick von ihnen wenden, um sich das Schlamassel ihrer Sachen auf dem Bürgersteig anzusehen.
Die Fußgänger jedoch machten sich wohl nichts daraus denn sie gingen ungerührt von der eben dargebotenen Zehnte weiter und eine alte Frau trampelte einfach auf ihrem Zeichenblock herum ohne sich darum zu kümmern, dass die Besitzerin direkt hinter ihr stand.
Zu ihrem Erstaunen bückte sich der Mann der ihr zuvor auf die Beine geholfen hatte nun einfach und schob ihren Kram, einige Äste und Erdbrocken in die Tasche.
Stumm reichte er sie ihr.
„Danke.“ Sagte sie mit einem Lächeln auf den Lippen, das sie ernst meinte.
Als sie sich die Tasche schnappte, warf sie die Haare zurück, was auch ihm ein Lächeln auf den Mund zauberte.
„Das war doch kein Problem, da gibt es nichts zu danken.“
Seine dunkle Stimme ließ ihr einen kalten Schauer den Rücken herunter laufen. Eine Stimme die sie kannte! Nur, woher?
Aus Höflichkeit, Gewohnheit, weil die Situation ihr peinlich war und weil sie unbedingt mehr von ihm wissen wollte, sagte sie einfach: „Mein Name ist Alex, Alexandra Godchild.“
Er streckte seine kräftige Hand aus und schüttelte damit ihre, eher wie der Rest ihres Körpers auch zierliche Hand.
„Ich bin Jeffrey aber bitte nennen sie mich einfach Jeff.“
„Okay, Jeff ich muss jetzt aber wirklich los, vielleicht sehen wir uns irgendwann noch einmal.“, und weil sie fand, das sich echt dumm anhörte was sie da erzählte, fügte sie noch schnell hinzu: „Zufällig, meine ich.“
Sie spürte noch wie sie hinter den Ohren rot anlief doch Jeff hatte sich schon verflüchtigt. Moment mal, wieso hat er es den auf einmal so eilig?
`Na toll du dumme Kuh du bist auf ihn reingefallen! Schau mal, wer jetzt dein Portemonnaie hat! Dieser Jeff ist ein Betrüger, wenn er überhaupt so heißt. ´ Mist. Das ließ sie natürlich nicht so auf sich sitzen und stürmte ihm nach. An der nächsten Ecke blieb er kurz stehen, -wohl wissend das sie zu weit weg war, um ihn noch rechtzeitig erreichen zu können- sah sie an, zwinkerte und bog dann ab, war für einen Moment außer Sichtweite, als sie an der Ecke ankam und sich suchend umsah, war er wie vom Erdboden verschluckt.
Alex Füße schmerzten bereits, denn die Schuhe, die sie anhatte, um ihre fehlende Größe wieder wettzumachen waren für solche Anstrengungen einfach nicht gemacht. `Na, wunderbar, jetzt hast du, wenn du nach Hause kommst, auch noch Blasen an den Füßen! ´ Hatte sie im Leben denn immer nur Pech? Schlechter konnte diesen Tag nur noch ein Fleck auf ihrer Bluse machen …

Als sie zu Hause ankam, sah sie, dass der zweite Briefkasten mit Werbung gefüllt war. -Etwas anderes bekam man nur selten, wenn man so abgelegen von der Stadt wohnte.-
Das bedeutete dann wohl, dass der angekündigte neue Nachbar eingetroffen war. Soweit sie sich erinnerte hatte die schon in die Jahre gekommene Vermieterin wohl erwähnt er seihe irgendein Anwalt oder Jurist.
Sie griff einfach nach dem Stapel ordentlich aufgereihter bunter Heftchen und lief damit zur Nachbarstür, die nur ein paar Schritte von ihrer eigenen entfernt war. Als sie klopfte, machte niemand auf. Sie sah kurz auf ihre Armbanduhr und erschrak, da sie zu so fortgeschrittener Stunde noch so einiges an Arbeit zu erledigen hatte. Alex warf die Werbung achtlos auf die Fußmatte und schritt eilig zu ihrer eigenen Haustür …


Das Haus, in dem sie nun lebte, war ein großes altes Strandhaus nahe dem Meer. Es war so groß das es einst von den beiden Hausbesitzern -mittlerweile war der Ehemann der Hausbesitzerin überraschend an einem Herzinfarkt gestorben.- in der Mitte geteilt worden war, damit man es an zwei Menschen vermieten konnte. Die einzigen Bereiche, die man sich teilen musste, waren der riesige Balkon, die Terrassen rund um das Haus deren steinerne Säulen mit Efeu überwuchert waren, der Dachboden und der verwilderte Garten mit der Wiesenfläche die direkt in den Wald mündete doch trotz der Halbierung war der Platz enorm für eine einzelne Person, denn es gab ganze vier Badezimmer, zwei Küchen der Größe eines Schulklassenraumes, den Raum im obersten Geschoss der außerdem wegen des gläsernen Daches einer ihrer Lieblingsplätze auf dem Grundstück war, zwei Wohnzimmer, größer als so manch eine Einzimmerwohnung und drei Schlafräume. Und manches Mal wünschte sie sich sie hätte jemanden mit dem sie diesen Platz hätte teilen können ...

Zufrieden mit ihrem Tagwerk lehnte sie sich in ihrem Bürostuhl zurück. Eigentlich war sie müde und wollte nur noch ins Bett doch vorher würde sie noch Duschen. Mit einem lautstarken Seufzer der Erschöpfung erhob sie sich und machte sich auf den Weg in ihr Badezimmer. Die Schuhe, die sie während sie am Schreibtisch saß ausgezogen hatte, ließ sie achtlos stehen, sodass sie nun strumpfsockig unterwegs war.
Nach einer fast einstündigen Dusche lief sie nur mit einem Handtuch bekleidet zu ihrem Kleiderschrank um sich etwas Bequemes zum Schlafen auszusuchen. Auf halbem Wege blieb sie stehen, der Mond schien so schön und hell, dass sie einfach die Balkontür öffnete und hinaus in die von Sternen erhellte Nacht schritt.

Ein Geräusch hinter ihr ließ sie herumfahren. Der neue Nachbar trat hinter ihr auf den Balkon und blieb wie erstarrt stehen, als er sie sah. Natürlich man bekommt nicht jeden Tag eine Frau zu Gesicht die nur mit einem Handtuch bekleidet ist doch dies war nicht der einzige Grund, weshalb er so erschrocken drein blickte …

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…Und tatsächlich war es Alexandra Godchild die auf seinem Balkon stand und sich die Sterne ansah.
Nur mit einem Handtuch bedeckt. Was zum Teufel hatte sie hier verloren? Und dann auch noch nackt? Seine Gedanken machten Purzelbäume und doch fiel ihm nichts ein das die Situation hätte entschärfen können.
Ein paar Momente blieben beide bewegungslos stehen und glotzten sich an. Schon heute Morgen war sie ihm bekannt vorgekommen, doch jetzt war es als hätte er ihren Namen auf der Zunge und könnte sich nur nicht an ihn erinnern.
Er beschloss, es mit Humor zu nehmen.
„Also nicht, dass ich etwas gegen nackte Frauen in meinem Haus hätte, nein, ich habe Gott sogar schon des Öfteren darum gebeten, doch weshalb musste er unbedingt dich schicken?“
Erst ballte sie die Fäuste und dann lief ihr Kopf rot an. Jeff musste zugeben, dass sie sogar mit hysterischen roten Flecken im Gesicht noch sehr gut aussah.
Auch bemerkte er, dass sie sich sehr zusammennehmen musste, um sich nicht auf ihn zu stürzen und ihm nach Großmutterlichter Manier kräftig den Hintern zu versohlen, als sie zwischen zusammengebissenen Zähnen zischte
„Unser Haus.“
Einen Moment war er noch verwirrt doch dann wurde ihm alles klar.
„Ach, dann bist du meine Nachbarin? Was für ein Zufall!“
„Ob Zufall oder Schicksal, das ist mir völlig egal! Was mich viel mehr interessieren würde, wäre, wieso du mir mein Portemonnaie gestohlen hast, wenn du dir die Miete für dieses Haus leisten kannst. Oder bist du von Beruf aus Taschendieb?“ Ihre vor Zorn glitzernden braunen Augen verzogen sich zu schlitzen, doch sie machte immer noch keinerlei Anstalten sich in irgendeine Richtung zu bewegen …
„Ich bin Rechtsanwalt, ich verdiene genug Geld.“ Er konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. `Irgendwie, ´ dachte er, `freue ich mich sogar sie wieder zu sehen. ´
„Weshalb hast du es dann nötig mir meines zu klauen?“
„Ich weiß nicht, es hat mich in den Fingern gejuckt, das hab ich manchmal einfach.“ Das Grinsen wurde noch breiter.
„Du bist ein Idiot!“ Fauchte sie ihn an.
„Kann sein.“ Er zuckte mit den Schultern als würde Alex nicht von ihm sprechen.
„Ein verdammtes Schwein bist du, ein Mistkerl!“ Er hätte nicht für möglich gehalten, dass ihr Kopf noch röter werden könnte, doch da hatte er sich geirrt. Ihre Ohren hatten nun schon beinahe die Farbe von reifen Erdbeeren.
„Ach so? Und was ist mit dir?“
Sie schaute ihn verdutzt an und fragte schließlich: "Was soll mit mir sein?“
„Du bist doch sicherlich nicht viel besser, jeder hat ein Laster.“
Die dunkelblonden Haare umspielten in einer leichten Brise ihr Gesicht und er fragte sich, ob sie nicht doch eine wenig fröstelte, da all ihr Blut wohl in den Kopf gestiegen war.
„Ein Laster? Du hast eine Macke!“

Er gab ihr keine Antwort, sondern sah diese wunderschöne Frau ihm gegenüber nur aufmerksam an.
„Gib mir zurück was du mir gestohlen hast!“ Und als er immer noch keine Reaktion zeigte, machte sie einen Schritt auf ihn zu, holte mit der Hand aus und sorgte dafür, dass man ihre Fingerabdrücke wohl noch einige Zeit auf seiner Wange sehen würde.
„Das ist doch kein Grund mich einfach zu schlagen!“ Er wirkte eher genervt als ernsthaft entrüstet.
„Oh doch, und jetzt bin ich noch saurer auf dich, weil meine Hand mir wehtut!“ Ohne eine Vorwarnung packte Jeff sie an den Handgelenken:
„Hey! Lass mich sofort los!“
„Denkst du vielleicht.“
Jeff selbst wusste nicht weshalb, doch plötzlich hatte er das dringende Bedürfnis der Frau die vor ihm stand zu küssen. Und da er seinem Gefühl grundsätzlich vertraute, und nur einen Grund gesucht hatte diese wunderschön geschwungenen Lippen einmal berühren zu dürfen, tat er es auch.
„Du kannst mich doch nicht küssen, nachdem ich dich geschlagen habe!“
„Das hebe ich bereits!“ Er hörte, wie das Blut in seinen Adern floss, wie das Herz es pumpte und auf eine seltsame Art und Weise fühlte er sich befreit von der Last dieser Welt,-fast als wäre er High, bloß ohne dieses benommene. „Hey! Wieso schlägst du mich schon wieder, Hermione?“ Er sagte das einfach so, ohne ersichtlichen Grund, fast als Reflex und er hatte das Gefühl als würde er das bereuen müssen.
In der einen Sekunde sah sie ihn noch böse an und in der nächsten kippte sie einfach um wie ein nasser Mehlsack. „Hey, das ist doch kein Grund gleich umzukippen …“
Und er bereute.
Jeff hielt Alex immer noch an den Handgelenken und versuchte zu vermeiden, dass sie mit dem Kopf auf dem Boden aufschlug. Als er versuchte sie langsam auf dem Boden des Balkons abzulegen, ohen ihr dabei wehzutun schwang sie leicht hin und her, wie eine Marionette.
„Hallo, aufwachen!“
Immer noch keine Reaktion.
„Mist!“

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Als sie erwachte, war alles viel klarer, viel greifbarer, als hätte sie den Sinn des Lebens verstanden und ihn in sich aufgesogen wie den ekelhaften McDonalds-Milchshake heute Vormittag. Und doch sah sie nur verschwommen, erkannte das Gesicht, das sie all die Jahre vermisst hatte.
Da kamen sie, zusammen mit allen Erinnerungen kamen auch alle Gefühle in ihr hoch, als hätten sie nur darauf gewartet, endlich wiederkehren zu können um ihr Herz fast zum Platzen zu bringen. Das war zu viel auf einmal.
Alex schlang sie Arme um Jeffs Hals und küsste ihn mir einer Leidenschaft, die er ihr niemals zugetraut hätte.
„Oh, hab ich dich vermisst. Ich liebe dich.“
Sie vergrub das Gesicht in seinem Hemd und begann herzzerreißend zu schniefen.
„Es ehrt mich ja wirklich das du das sagst aber wie lange kennen wir uns? Vielleicht sechzehn Stunden, das ist ein wenig zu früh für Liebesgeständnisse. Das mit dem vermisst ist auch nicht so … na ja eigentlich warst du vielleicht für eine Minute weggetreten.“
Jetzt grinste sie. Sie beugte sich vor, mit Tränen im Gesicht, bis sie mit dem Mund ganz nah an seinem Ohr war, und raunte nur ein einziges Wort, das doch einiges bewirken konnte:
„Aigidios“
Und als er dann nahezu leblos in ihren Armen lag war sie glücklicher als sie es am Tage ihrer Hochzeit gewesen war …

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Am nächsten Morgen wachte Aigidios auf, als ein neuer Mann, auf einem roten Sofa. Alex Sofa. Wie sie ihn wohl hier hingebracht hatte? Er wusste das sie stärker war als es schien, doch so stark das sie einen ausgewachsenen Mann durch das halbe Haus schleifen konnte nun auch wieder nicht.
Er setzte sich auf und fuhr sich mit der Hand durch die Haare.
Jetzt, wo er sich erinnerte musste, er fast schmunzeln, als er an seine erste Begegnung mit Hermione dachte. Sie sah damals wie heute auf die gleiche Weise einfach bezaubernd auch, doch damals hatte er sich nicht so schnell von ihr beeindrucken lassen...

Vor verdammt langer Zeit …

… an einem wunderschönen Sommertag war Aigidios, auch der König der Diebe genannt, unterwegs zum Marktplatz. Er hatte außergewöhnlich gute Laune, was eher selten vorkam. Bei dem ganzen Getümmel aus Rittern, Wachen und Soldaten das heute auf der anderen Seite der Stadt herrschte würde es vorerst wohl keiner bemerken, wenn der eine oder andere Geldbeutel verschwinden würde.
Wie jeder wachsame Bürger der unter der Herrschaft des roten Prinzen stand, hatte er sein allzeitbereites Schwert dabei. Frauen dagegen die sich nicht vor der Dunkelheit fürchten wollten versteckten einen kleinen Dolch oder ein Messer in der Rocktasche, denn in den dunklen Gassen des alten Reiches schlich sich so manch eine Gestalt herum der man nicht begegnen wollte, und damit waren nicht nur Menschen gemeint.
Aigidios befand sich gerade in einer solchen Straße deren durchqueren er schon gewöhnt war, als er einen Schrei vernahm, der zweifelsohne von einer Frau kam. Ohne zu überlegen rannte er los, den immerwährenden Schreien der Frau folgend, bis er schließlich zu einem Teil der Gasse kam, an der sich zu der einen Seite dichter Wald befand und zur anderen eine massive Wand aus Stein. Normalerweise wusste man das es hier besonders gefährlich war, wegen der ganzen Viecher, die unterwegs versuchen, könnten einem die Kehle durchzuschneiden, damit es und mindestens noch eine Handvoll seiner Freunde den warmen Lebenssaft aus dir saugen können, bis du so trocken bist wie ein Stück Toast. Aigidios selbst hatte einen Talisman, der ihn solche Gestalten vom Hals hielt. Und die meisten bösartigen Wesen tranken am liebsten von hübschen Jungfrauen.
Und da war sie auch schon die schöne Jungfer, eine Frau, und gleichzeitig das wohl schönste Geschöpf, das er jemals erblicken durfte. Mit dem Rücken gegen die Steinmauer eines alten Hauses gepresst, am ganzen Körper zitternd, mit tränengeröteten Augen und doch so atemberaubend schön das er einen Moment benötigte, um die Situation zu erfassen. Die Frau von vielleicht zwanzig Jahren war umringt von Kobolden, bösen Höhlenkobolden, den hässlichen kleinen Geschöpfen mit den spitzen kleinen Zähnen und den Furcht einflößenden roten Äuglein, die sich normalerweise nur nachts aus den Tiefen ihrer Verstecke gekrochen kamen, um sich ein paar schöne Frauen als Opfer zu nehmen und nichts, aber auch nichts mit den Waldkobolden dieser Welt zu tun hatten. Die Kobolde, etwa fünf an der Zahl leckten sich bereits über die bläulichen Lippen, als sie ihn bemerkten.
Aigidios machte kurzen Prozess mit ihnen.
Er schritt auf das schöne Mädchen zu, doch das ließ nur noch einmal einen lauten Schrei ertönen. Sie hatte Angst. Vor ihm. Ihrem Retter.
Jetzt war er ein wenig beleidigt: „Du denkst doch nicht etwa das ich dir etwas tun will, oder?“
Sie schüttelte langsam mit dem Kopf und sah ihm dabei durchdringend mit den großen braunen Augen an.
„Gut, denn das habe ich nicht vor …“ Man konnte sehen wie sie erleichtert Atem ausstieß. „…Verrate mir lieber, warum du keine Waffe besitzt, oder kommst du etwa nicht von hier?“ Statt zu antworten, starrte sie auf den Koboldkopf, der bis vor ihre Füße gerollt war. Er fragte sich, ob sie tatsächlich noch nie einen toten Kobold gesehen hatte, denn dann würde sie sicherlich nicht von hier stammen. Und auch gekleidet war sie nicht wie eine normale Frau, sondern eher wie eine Adlige oder … wie die Tochter des dritten Fürsten! Ihm ging ein Licht auf, den ganzen Tag schon liefen Soldaten des schwarzen Prinzen herum um sie zu suchen und ausgerechnet er hatte sie gefunden. Er würde eine reiche Belohnung bekommen, wenn er die entführte Tochter des Fürsten heil wieder zurück in das Schloss zu ihrem Vater bringen würde. Das Einzige, das sich dabei schwierig gestalten würde, war, dass er nicht vom dritten Fürsten erkannt werden durfte, den der hatte ihm den tot geschworen, nachdem er einst, sein Pferd gestohlen und ihn im Wald hatte stehen lassen.
Es war eine Art Überfall, mitten in der Nacht überraschte er den Fürsten und stahl ihn Brot und Kleider. Und da er seines kurz zuvor verloren hatte, nahm er ihm auch noch sein Pferd weg. Dabei hatte er keinerlei Reue verspürt, und wenn er ganz still war, hörte er jetzt, Monate später noch eine für einen Mann viel zu hohe Stimme hinter ihm her kreischen: „Das wirst du mir bereuen, König der Diebe!“
Doch da machte er sich keine Sorgen, Leonidas sein guter Freund und exzellenter Schmied könnte das für ihn erledigen. Er hatte noch nie etwas gestohlen, außer vielleicht Mädchenherzen. Er war eben ein sehr gut aussehender junger Mann, auch wenn er auf die große Liebe wartete und sich bisher redlich wenig für die Mädchen hier in der Siedlung interessiert hatte. Doch er hatte ein gutes Herz und nie beabsichtigt einem der Mädchen eines zu brechen, es geschah einfach so. Ganz anders als sein Lehrling Calliostus, der sich seines atemberaubenden Äußeren sehr wohl bewusst war. Einer der Gründe weshalb Aigidios nie seine kleine Schwester mitnahm wenn er Leo besuchen ging ...

All die Gedanken, die jetzt wieder in seinem Kopf auftauchten, fühlten sich so unecht und doch so real an das er kaum zu glauben wagte, was er alles in seinem Oberstübchen fand. Er hielt es einfach nicht mehr aus, musste aufstehen und sie suchen gehen. Er wusste, dass sie wahrscheinlich in ihrem Büro saß und sich lauter langweiliges Zeugs ansah, von dem er sowieso keine Ahnung hatte. Ein kleiner Besuch seinerseits würde ihr bestimmt nichts ausmachen.
Wie erwartet hockte sie hinter ihrem Schreibtisch, die Schuhe hatte sie ausgezogen und die Füße von den Socken befreit. Er schloss die Tür hinter sich und sie hob den Kopf. Ihre Augen zu Schlitzen verengt wollte sie nun natürlich wissen, ob er sich erinnerte oder sie sich nur lächerlich machen würde, wenn die ihn auf ihre gemeinsame Herkunft ansprach. In jedem anderen Fall hätte er nun einen Scherz daraus gemacht und versucht die amüsante Seite an dem Ganzen zu sehen, doch diesmal gab es nichts, dass man als lustig interpretieren könnte.
Mit ein paar großen Schritten war er bei ihrem Stuhl und zog sie in die Arme. Den Kopf in ihrer Halsbeuge murmelte er Tausende von Entschuldigungen und konnte es gerade noch verhindern, vor seiner Traumfrau in Tränen auszubrechen. Er musste nun für sie da sein, ihr Kraft geben und ihr helfen, den schließlich wollte er auch den Rest seiner Familie zurück. Sie war die einige an der er sich festhalten konnte. Er war sich sicher, dass sie Medeia finden würden, koste es was es wolle.

Drei




Ihre Füße schmerzten bereits, die Sohlen der abgelaufenen Turnschuhe würden wohl nicht mehr sehr lange mitmachen. Ihr Körper war träge, müde, sie hatte seit einem halben Tag nichts mehr zu trinken und das bei diesem Wetter. Die Sonne, die sie sonst immer so schön fand, war ihr zum Feind geworden und mit der Zeit verwandelten sich die milden vormittäglichen Sonnenstrahlen in brennende Feuerwellen. Gewiss hatte sie schon einen Sonnenbrand, bei ihrer blassen, nahezu farblosen Haut war das aber auch kein Wunder. Dennoch lief sie unbeirrt weiter, immer weiter würde sie gehen, bis sie am Meer angelangt war.
Sie war noch nie am Meer. Und nun hatte sie sich aufgemacht, ihren größten Wunsch zu erfüllen. Sie war weggelaufen, und sie wusste, dass sie gewiss schon nach ihr suchten. Sie suchen die verlorenen Kinder, und das war der Grund weshalb sie sich beeilen musste. Es sind schon viele weggelaufen, weil sie ihre Eltern suchten, doch meist kamen sie wieder, erfolglos und noch niedergeschlagener als zuvor und so machte sie sich gar nicht erst Hoffnungen. Manche sind auch nicht mehr zurückgekommen, doch sie bezweifelte stark das sie es tatsächlich geschafft hatten. Entweder sie sind nach einer Zeit tot umgekippt oder sie lebten weiter als Straßenkinder und sie hatte nicht vor so eines zu werden. Selbst wenn sie tot umgefallen wäre, das wäre immer noch besser, als weiterhin im Heim zu leben …
…Einige Zeit später war sie an einem kleinen Wald angelangt. Natürlich würde sie so vom Weg abkommen doch die Bäume würden ihr sicherlich Schutz vor der brühenden Sonne geben. So trat sie durch die erste Wand aus dicht aneinandergereihten Bäumen und befand mich unter dem grünen Blätterdach.
In ihrem alten Zuhause hatte sie sich nie sonderlich wohl gefühlt, doch jetzt fühlte sie sich frei und gut und gleichzeitig so elend, dass sie am liebsten alles aus sich heraus geschrien hätte. Doch dafür war ihr Hals viel zu trocken.
Seit sie denken konnte, besaß sie diese Fähigkeit ... die Fähigkeit die Gedanken anderer Manschen zu lesen. Als sie gemerkt hatte, dass nicht so normal und selbstverständlich für andere war wie für sie hatte sie ihr Geheimnis schließlich bei sich behalten und ihren Nutzen daraus bezogen. Doch sie hatte das Gefühl, das sie ihre Fähigkeit noch für viel Größeres verwenden konnte ... und sie sollte Recht behalten...


Am Nachmittag hatten sie sich auf den Weg in den Wald gemacht. Ungefähr in dieser Gegend hatte Hermione starke Kräfteschwankungen gespürt, die wohl nicht von einem ziellosen Eichhörnchen stammen konnten.

Und als sie weiter liefen, wusste sie bereits; Sie waren hier nicht allein.
Die Blätter der riesigen Bäume ließen nur vereinzelte Sonnenstrahlen in den Wald, sodass alles ein wenig schummerig auf sie wirkte. Der Geruch von alten und neuen hing in der Luft, von lebenden und sterbenden. Das Unterholz unter ihren Füßen krachte in sich zusammen und so schafften sie es nur langsam sich einen Weg durch Büsche und Bäume zu bahnen.
Ein knacksen, nur ein leises Geräusch ließ Jeff und Alexandra herumfahren.
Hinter ihnen, halb an einen der wuchtigen Baumstämme gelehnt stand ein Mädchen. Sie hatte streichholzlange Haare und war blasser als man sich einen Vampir vorstellte. Noch ein leises Keuchen entfuhr ihr, bevor sie zusammenklappte und mit dem Gesicht voran auf dem erdigen Boden landete …

Vier




Den Blick nach oben gerichtet wachte Mia auf. Eine Zeit lang starrte sie einfach auf den feinen Riss in der Decke. Ja, die kleine Wohnung in der sie lebte, war wirklich renovierungsbedürftig! Dann wollte sie sich aufrichten, doch in ihrer linken Schulter breitete sich ein stechender Schmerz aus und gerade als sie sich schon fast den Hals verdreht hatte um die fiese Wunde auf ihrem Rücken zu betrachten sah sie ihn. Er lag neben ihr auf dem Bauch und ohne T-Shirt! In ihrem Bett!
Sie sprang aus den Laken und fluchte, als sie sich den Fuß an der Kommode neben ihrem Bett stieß.
„Verdammt!“, fluchte sie und hielt sich den Fuß, sodass sie jetzt auf einem Fuß herum Balancierte, was sie noch nie wirklich gut konnte. Was war sie aber auch tollpatschig!
Er jedoch hob nur den Kopf, gab ein gurgelndes Geräusch von sich und schaute sie verschlafen an, gerade so als würde er erst einen Moment brauchen, um sich zu sammeln. Sie dagegen schrie auf und wollte davon rennen, vergas das sie nicht einmal beide Füße auf dem Boden hatte und fiel der Länge nach auf den kalten Parkettboden, der in der ganzen Wohnung ausgelegt war. Was würde sie in diesem Moment drum geben das es ein Teppich wäre? Dann könnte sie das Gesicht in ihm vergraben und hätte sie wieder aufgeschaut wäre sie wieder allein im Raum. Sie wartete einen Moment, bis der donnernde Schmerz in ihrem Schädel vergehen würde, immer im Hinterkopf, dass der Fremde sich wie ein Tier auf sie Stürzen und ihr wer weiß, was antun könnte. Doch nichts geschah. Stattdessen vernahm sie das Geräusch von leise zurückgeschlagenen Bettdecken, sich langsam in der immer noch währenden Nacht vorantastenden, nackten Füßen auf dem dunklen Holz der Billigdielen, von denen sie sich immer noch nicht auf traute. Als der Eindringling sich neben sie auf die Fersen setzte und ihr langsam den Arm unter den Kopf schob, zuckte sie zusammen.
„Du brauchst keine Angst zu haben, ich werde dir schon nichts tun“, sagte er mit einer Stimme, bei der es ihr kalt und gleichzeitig heiß den Rücken hinunter lief. Und das nicht aus Angst, denn diese Stimme, dieses rauchige Versprechen weckten ganz andere Gefühle als Angst in ihr. „Hast du dir irgendwo wehgetan?“, unterbrach er sanft ihre Gedanken. Nun hatte sie sich wehgetan? Nicht mehr als sonst, das Einzige das schmerzte war die Stimme in ihrem Kopf, die sie daran erinnerte da sei sich viel zu gut in seinen Armen fühlte, immerhin war er bei ihr eingebrochen!
Sein Arm in ihrem Nacken war warm und weich und roch gut, doch davon wollte sie sich nicht ablenken lassen. Eingebrochen!
Sie setze sich an diesem Tag zum zweiten Mal auf und presste sich gleich stöhnend die Hand auf ihre Schulter. Nun schien der Fremde alarmiert, er drehte sie, ohne zu fragen an den Schultern zu sich und fuhr mit seiner warmen Hand über die Wunde auf ihrem Schulterblatt, als würde er sie schon ewig kennen, als wäre es eine selbstverständliche Berührung zwischen zwei vertrauten Menschen. Bei diesem Gedanken durchrieselte sie ein Schauer. Doch gleichzeitig mit dem Schauer durchfuhr sie eine fremde Energie, die ihr mächtig vertraut vorkam. Sie dachte an die graue Wand, die keine Erinnerungen an ihre Kindheit zuließ. Angeblich, so hatte man ihr gesagt war sie von einem Auto angefahren worden und litt seitdem unter Amnesie. Mia selbst fand immer das das klang wie in einem schlechten Film.
„Schon verheilt.“
Verheilt? Wie meinte er das?
Instinktiv fuhr sie sich mit der flachen Hand über die Stelle, an der die hässliche Wunde gewesen war. Nichts, nicht einmal ein Rest Schorf geschweige denn eine Narbe. Nur glatte Haut.
Mit vor Schreck geweiteten Augen wich sie vor ihm zurück. Er dagegen richtete sich auf und kam auf sie zu. „Wer sind Sie, und was machen Sie in meiner Wohnung?“ Sie schrie fast. Die Panik hatte sie erfasst und ihre eiskalten Klauen wollten sie nicht mehr loslassen.

Sofort hob er die Hände, als müsste er zeigen, dass er unbewaffnet war.
„Mia ich will dir nichts tun, ich möchte dir nur helfen.“ Okay, das war krass, er wusste sogar ihren Namen „Sind Sie so ein Stalker? Woher wissen Sie meinen Namen?“ Er seufzte und fuhr sich mit der Hand, mit der er eben noch irgendeinen Hokuspokus an ihrem Rücken veranstaltet hatte, durch die Schulterlangen, Strubbeligen, Blonden Haare, dann streckte er die Hand nach ihr aus. Zögernd nahm sie die helfende Hand an, er sah nicht nach den üblichen Kleinkriminellen aus, eher nach einem … hmm nein es gab wohl keine passende Beschreibung für ihn. Er war eine Mischung aus Griechischen Gott und He-Man. Woher wusste dieser Typ, wie sie hieß? Und weshalb kuckte er sie so merkwürdig an? Als würde er sie kennen? Oder als wären sie alte Freunde, die sich nach langer Zeit wieder treffen?
„Und ich frage sie noch einmal wer sind sie, und was machen sie hier?“
Die Zornesröte stieg ihr ins Gesicht, doch alles dies schien ihn nicht sonderlich zu beeindrucken. „Ich bin Leonidas.“
Ein merkwürdiger Kerl, mit einem merkwürdigen Namen also.
„Leonidas? Was ist das denn für ein Name?“ fragte sie.
„Ein Griechischer.“ Antwortete er.
„Sie sind also Grieche?“ schon wieder eine Frage.
„Scheint so“, entgegnete er.
„Und sie wollen mir bei irgendetwas helfen?“ Ihr Misstrauen wuchs von Sekunde zu Sekunde.
„Nicht bei irgendetwas, ohne mich wärst du doch jetzt doch schon langst tot.“
„Hm … tot ja, da haben sie wohl recht. Aber das war doch nur ein unlogischer Traum also wieso sind sie immer noch hier?“
„Weil er uns sucht und irgendwann wird er uns auch finden, Mia.“
„Und er ist wer?“
„Das Böse in Person. Reicht das als Antwort? Dem willst du nachts bestimmt nicht auf der Straße begegne. Und auch an keinem anderen Ort. Nicht mal bei Tageslicht.“
Bei diesen Worten verzogen sich seine Augen zu dünnen Schlitzen, als ob die Person, über die er sprach, direkt vor ihm stünde.
„Ist der Kerl wirklich so hässlich?“ Da musste er lachen und Mias Oberarme bekamen bei diesem dröhnenden Ton eine hauchdünne Gänsehaut. Allerdings fror sie nicht.
„Das erzähl ich dir ein andermal“, antwortete er mit Lachtränen in den Augen, "Du bist mir aber eine!" Das musste er leicht den Kopf schütteln, genauso wie Leute es machen, wenn sie unpassende Gedanken abwerfen wollen.
Mia musterte Leonidas mit zusammengekniffenen Augen, er sah ein wenig angeschlagen aus, doch das schien er locker wegstecken zu können. Als könnte man Schmerzen mit einem charmanten Lächeln aus der Welt schaffen.
Seine braunen, nein, fast schon schwarzen Augen hatten einen stechend grünen Rand, der sich in Nadelstreifen auflöste, die sich in die Richtung der Mitte des Augapfels ziehen wollten, doch als würde irgendetwas sie daran hindern stoppten sie auf halber Strecke und wurden dünner, bis nichts von ihnen zurückblieb. Er hatte faszinierende Augen, Augen, in die sie hätte stundenlang starren können, Augen, die sie mit unverhohlenem Interesse ansahen, Augen, von denen sie sich losreißen musste, gefährliche Augen, dachte sie.
Und er duzte sie, obwohl sie ihn betont oft gesiezt hatte, interessant, dachte doch ihn selbst darauf aufmerksam zu machen würden sie sich wohl eher nicht trauen und sie bemerkte Leonidas, der ihr immer noch gegenüber war und ihr beim Sinnieren zusah kaum.
Und, wie willst du diesen Irren jetzt wieder loswerden? Flüsterte die innere Stimme mal wieder mitten in ihren Gedankengang. `Er ist kein irrer!´ Herrschte sie die böse Stimme an, `er ist … Hm … verwirrt?!´
„Wie, ähm … wie wär’s, wenn wir dir ein T-Shirt besorgen, damit du nicht die ganze Zeit halb nackt durch die Gegend läufst?“
Die Tatsache, dass er mit freiem Oberkörper vor ihr stand, machte sie sichtlich nervös. Er jedoch schien jetzt erst zu bemerken, dass er nichts als eine Hose aus einem merkwürdigen dünnen Stoff anhatte: „Oh Entschuldigung, ich wollte dich nicht in Verlegenheit bringen, aber ich habe ehrlich gesagt nichts weiter dabei als das, was ich am Körper trage.“
Ein sehr gut gebauter Körper dachte Mia, mit einem möglichst unauffälligen Blick auf seine Braun gebrannte Haut. Er schien diesen Blick zu bemerken denn er grinste und zog eine der dunkelblonden Augenbrauen hoch. Schnell damit er nicht bemerkte wie sie rot wurde drehte sie sich zu ihrem Schrank und kramte darin, bis sie ein schwarzes Shirt fand, dass ihr zwar viel zu groß war, ihm aber gerade noch passen müsste.
Wortlos drückte sie es ihm in die Hände und forderte ihn dazu auf es anzuziehen. Um die Schultern herum spannte es zwar ein wenig doch sonst passte ihm das Shirt, das sie sonst nur zum Schlafen gebrauchte ganz gut.
Leonidas lächelte sie unschuldig an, mit einem Blick, der sie an den des Nachbarkaters erinnerte, wenn der mal wieder eine Kleinigkeit schnorren wollte.
„Na, da sie nun schon einmal da sind, möchten sie einen Kaffee“, er sah sie verständnislos an und zog die Brauen zusammen als müsste er ernsthaft überlegen, schließlich fragte er: „Welches Jahrhundert schreiben wir?“
„Welches Jahrhundert wir schreiben? Das Einundzwanzigste, glaub ich.“
Und wieder sah er sie verständnislos an als ergäbe das, was sie da von sich gab, einfach keinen Sinn.
„Ich hätte gerne einen ähm … Kaffee und wenn du nichts dagegen hast auch was zu essen ich fühle mich als hätte ich seit einer Ewigkeit nichts mehr gegessen.“ Er grinste wieder sein schiefes Grinsen als hätte er gerade etwas Urkomisches von sich gegeben und ging, als wäre das selbstverständlich an ihr vorbei in die Küche.

Mariam

Er hielt die trostlose schwarzbraune Brühe in der Hand und schnupperte daran, als hätte ihm gerade statt einem Becher jemand Kaffe einen mit Gift serviert.
„Was? Trinken Sie jetzt doch keinen Kaffee? Brauchen Sie vielleicht noch etwas Milch?“
Irgendetwas schien ihn hier zu stören, und sowieso kam es ihr vor als wäre er im völlig falschen Film gelandet? Irgendwie passte er nicht in diese Welt. Er schaute unverwandt an ihr vorbei, was sie, die an der Küchentheke gelehnt stand irgendwie störte, da er ihr noch nicht einmal zuhörte.
Mia drehte sich um doch da war nichts das sie beunruhigt hätte.
„War ist denn so interessant?“
Er starrte weiter und beachtete sie gar nicht, und da fiel ihr ein, was ihn wohl so störte.
„Haben Sie ein Problem mit meinem Messerblock? Eine Messer-Phobie vielleicht?“ bei diesem Gedanken musste sie kichern. Jetzt erst schien er zu begreifen was sie gesagt hatte denn er richtete den Blick auf sie und sah sie nun fast schon misstrauisch an.
„Du hast Waffen in deinem Haus einfach so herumliegen? Und dann auch noch so Gefährliche?“
„Waffen?“ Jetzt kapierte sie gar nichts mehr.
Und mit einem Mal schien sie zu verstehen, was er wohl meinte.
„Nun das sind Arbeitsgeräte und keine Waffen, ich habe noch nie jemanden erstochen und auch in naher Zukunft hatte ich das nicht vor. Es sei denn, jemand provoziert mich." Sie schenkte ihm unter halb geschlossenen Liedern einen aussagekräftigen Blick. "Diese hier nehme ich allerdings ausschließlich zum Kochen.“
Jetzt schien er ernsthaft überrascht zu sein, denn er stellte den Becher, von dem er nur einmal getrunken hatte hinter sich und kam auf sie zu. Nahe vor ihr, viel zu nah vor ihr blieb er stehen und beugte sich vor. Mit aufgerissenen Augen sah sie ihm dabei zu, wie sein Gesicht immer näher kam und sie spürte
seinen heißen Atem auf ihren Wangen.

Er griff nach einem der grauen Griffe und hielt die Messerspitze mit der anderen Hand Fest, sodass die zwischen seinen kräftigen Armen gefangen war. Würde sie einen Schritt nach vorne wagen, so konnte sie den Körperkontakt mit ihm, der entweder unangenehm oder zu angenehm werden würde nicht vermeiden.
Tat sie einen nach hinten würde sie einfach nur an die Kante des Arbeitsblockes stoßen, vielleicht sogar geradewegs in das Messer laufen. Was bei ihrem sagenhaften Talent zur Ungeschick keine Überraschung wäre.Ob er sie noch einmal heilen könnte?
Den Teil seiner Arme, die sie unter dem hochgekrempelten Shirt sehen konnte war von der Sonne liebkost. Ihr Atem beschleunigte sich, ihr Herzschlag dröhnte in ihren Ohren und sie wusste, dass er es bemerkte. Ihre Gefühle spielten verrückt, es war, als hätte die Welt einen neuen Anstrich bekommen. Alles schien bunter. Dank ihm.
Sie blieb also wie angewurzelt stehen, während sein Kopf näher und näher kam, bis sich ihre Nasen fast berührten. Seine Augen hatten etwas Hypnotisierendes, grün im Kontrast zu schwarz, schwarz im Kontrast zu grün ...

Fortsetzung folgt ... irgendwann


Findet ihr, die beiden sollten sich küssen?

Und was haltet ihr von dem Cover?

Impressum

Texte: Die Rechte des Textes liegen bei mir.(Für die Rechtschreibung übernehme ich keine Garantie :-))
Bildmaterialien: Alle Rechte der Autorin vorbehalten
Tag der Veröffentlichung: 01.04.2011

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Alle Figuren und Akteure in diesem Buch sind frei erfunden. Jede Ähnlichkeit zur Realität ist unbeabsichtigt und unvermeidbar.

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