Cover

Der Tag der Wahrheit

Schon wieder einer dieser langweiligen Sonntage! Trübe war das Wetter und trübe meine Gedanken. Ich wachte halb, halb träumte ich. Es war ein komisches Zwischending und ich wusste nicht, was ich besser fand. Oft träumte ich, außer in der Schule! Da konnte ich mich nur auf den Unterricht konzentrieren. Deswegen wurde ich Streber oder Klassenbeste genannt. Es nervte, aber ich wusste, dass ich es ignorieren durfte. Zufrieden dachte ich weiter vor mich hin, als plötzlich mein Handy klingelte. Genervt schob ich es auf und sagte: „Ja, hallo.“ „Hi Jan!“, begrüßte mich meine beste Freundin Kilia am Handy. Schon an ihrem Tonfall konnte ich erkennen, dass es schlechte Neuigkeiten gab. Und so meinte ich vorsichtig: „Hi, was ist? Läuse, die Pest oder Pickel auf der Nase?!“ Eher ein Scherz, aber Kilia fand das gar nicht spaßig: „Mann Jan, schlechte Neuigkeiten, ich soll umziehen.“ Da bekam ich einen Kloß im Hals. „Wohin?“, fragte ich leise. „Nach Stuttgart. Meine Mutter fand den Ort so toll. Es soll dort viele Restaurants geben und jede Menge Läden. Doch ich will nicht weg.“ Das konnte ich gut verstehen. Ob die Eltern sich trennten? „Meine Eltern sagen, sie wollen die Wohnung hier behalten. Falls sie sich wirklich trennen sollten“, schniefte Kilia. Jede von uns konnte jetzt eine tröstende Hand gebrauchen und ich wollte sie auch trösten, aber es gab kein Halt, der mich aufbaute und mir neue Kraft gab. Mutlos sank ich auf mein Bett. Lange herrschte Schweigen. Dann hörte ich einen Piepston und als ich auf mein Handydisplay schaute, hatte Kilia aufgelegt. Unruhig setzte ich. „Abendbrot!“, rief meine Mum. Träge ging ich aus meinem Zimmer und mein kleiner Bruder schaute gerade „Bob, der Baumeister“. Soweit ich mich erinnern kann, guckt er diesen hirnrissigen Scheiß. „Nun komm schon, Jan, iss was.“ Beruhigend sah Mum mich an. Nur mit würgen brachte ich heraus: „Es geht mir nicht so gut. Darf ich mir Tee und Zwieback nehmen?“ Zwieback konnte ich nicht leiden, aber zur Attrappe aß ich ihn trotzdem. Besorgt wollte Mum wissen was los war, aber ich ging einfach weg. Noch einen letzten Dienst wollte ich Kilia erweisen. Schnell holte ich Zettel und Stift und versuchte, ein Gedicht für Kilia zu schreiben.
Für meine beste Freundin Kilia
Die Kiliamaus geht einfach raus.
Sie läuft und läuft, die Sonn ist heiß,


Ärgerlich strich ich die dritte Zeile durch. So ein Schwachsinn aber auch. Da hörte ich Mama sagen: „Ja, Frau Sommerfeld, wirklich, wie sie mir gefällt!“ Das brachte mich auf eine neue Idee, denn Kilia heißt ja mit Nachnamen Sommerfeld.
Kilia Sommerfeld, wie sie mir gefällt,
so lieb und nett, geht brav zu Bett,
schläft tief und fest bald ein,
träumt nun bei vollem Monde,
von Freundschaft wunderfein.


Nun passte die Zeile: „Die Kiliamaus geht einfach raus.“ überhaupt nicht mehr. So strich ich die Zeile durch und überlegte, was ich als nächstes schreiben sollte. Über Tiere? Über Sand und Strand? Vielleicht über duftende Lilien auf der Wiese von Sommerfelds, den Vögeln in der Luft, Kilias Lieblingshase oder doch ihre heißgeliebten High Heels? Doch lieber über Kilias Bruder Sahran und über schwebende Pferde? Letztlich kam diese Zeilen raus:
Die Lilien in dem Garten blühn,
die Tage werden wunderschön vergehen.
Am Tag der Hochzeit kommt dann noch,
die Hochzeitskutsche angefahren,
und da drin sitzt dann doch,
der absolute Traumprinz.
So wie die Hochzeit wird sich neigen,
so tanzen wir den lieben Reigen.
Wir Kinder tanzen, lachen, singen,
lassen unser Lied erklingen.
Unsere Freundschaft bleibt bestehen,
solange sich die Welt mag drehen.


Nun musste ich nur noch alles in die Reinschrift übertragen. So sah dann mein Gedicht aus:
Für meine beste Freundin Kilia
Kilia Sommerfeld, wie sie mir gefällt!
So lieb und nett, geht brav zu Bett,
schläft tief und fest bald ein.
Träumt nun bei vollem Monde,
von Freundschaft wunderfein.
Die Lilien in dem Garten blühn,
die Tage werden wunderschön vergehen.
Am Tag der Hochzeit kommt dann noch,
die Hochzeitskutsche angefahren,
und da drin sitzt dann doch,
der absolute Traumprinz.
So wie die Hochzeit wird sich neigen,
so tanzen wir den lieben Reigen.
Wir Kinder tanzen, lachen, singen,
lassen unser Lied erklingen.
Unsere Freundschaft bleibt bestehen,
solange sich die Welt mag drehen.



Lange saß ich auf dem Boden meines Zimmers und weinte. Jan hatte mich wenigstens trösten können. Die Wohnung in Stuttgart sah aus, als würden die, ach so doofen Sommerfelds, dort ein Schloss haben. Alle Vorhänge waren dort blau und ich sollte in einem Himmelbett schlafen. Nun, meine Eltern waren sehr reich, denn meine Mutter war Anwalt und mein Vater Richter. Oft hörte ich im Radio: „Richter/Anwalt Sommerfeld konnte in letzter Sekunde den Fall (…) aufklären.“ Und dann kicherten meine Mitschüler und die Jungen machten den Tonfall meiner Eltern nach. Und weil ich mich eben nicht wohlfühlte und Mama und Papa das Mobbing langsam zu viel fanden, zogen wir nach Stuttgart.
Jetzt war ich aber noch nicht dort, nein, noch musste ich die Treppe wischen und mein Zimmer aufräumen und den Müll raus schaffen. In der neuen Wohnung waren Dienstmädchen für uns da. Praktisch, aber ich hasste Schnüfflerinnen. Meine Mutter hatte schon dreimal erklärt, dass ich durch die Dienstmädchen viel mehr Zeit haben würde. Aber meiner Mutter glaubte ich nicht. Jedenfalls nicht mehr heute.
Und nun sitze ich hier alleine auf dem Boden und überlege, warum Jan mir nicht aus der Trauer geholfen hat. Sie kennt mich doch, oder nicht? „Kilia, Telefon für dich!“, schrie mein Vater. Um Zeit totzuschlagen fragte ich mich Unschuldsmiene: „Ja, wer ist es denn?“ „Ich glaube“, antwortete mein Vater, „es ist Olaf.“ Danke, der hat mir gerade noch gefehlt. Auch Olaf wohnt in Stuttgart, allerdings schon seit er auf der Welt ist. Und gerade dieser bekloppte Junge muss mein Nachbar werden! Aber der Freundlichkeit halber meinte ich: „Okay, gib ihn mir.“ Meine Eltern denken, dass ich Olaf lieben würde! So dumm! Wenn man meinen Eltern etwas ausreden will, dann hat man es nie leicht. Endlich meldete sich Olafs Stimme: „Ja, hey, hier ist Olaf.“ Seine Stimme tat gut, es war auch ein Verlangen nach ihm da, aber ich wusste, dass es nichts Ernstes war. Noch nicht (hihi!). „Ja, hallo, Olaf. Hier ist Kilia. Was ist los?“ Ein klein wenig stotternd gab Olaf Antwort: „Ja, ich wollte fragen ob ich kurz bei dir wohnen könnte. Meine Eltern haben Streit und wollen mich nicht dabei haben.“ Das berührte mich, denn es ging ihm so wie mir. „Tut mir Leid für dich“, flüsterte ich, „natürlich kannst du bei mir kurz wohnen!“ Dankend legte Olaf auf. Ich konnte ihn zwar gut leiden, aber er... Na ja, jedenfalls finde ich Olaf witzig und lieb. Und ich konnte es nicht abwarten, dass Jan ihn kennen lernte. Seit mindestens einem halben Jahr wollte Jan ihn sehen. STOPP- das hieß, dass wir noch nicht umziehen durften. Ob ich meine Eltern noch überreden konnte? Hoffentlich!



Erleichtert legte ich auf. Ich, Olaf, durfte weg von zu Hause! Na ja, war auch dringend nötig! Der Streit meiner Eltern wurde immer härter. Kam ich von der Schule und fragte: "Na Mam, was hast du den Tag so gemacht?" Dann erzählte sie, dass Papa mit der Bahn zur Arbeit wollte, der Bus aber preiswerter wäre und dann sah man auch Mamas blutende Lippe. Und sofort sagte ich: "Mama, ich habe noch Huasaufgaben." Dabei hatte ich fast nie Hausaufgaben auf. Abgesehen vom Dienstag, da hatte ich Englisch und darin hatte ich immer Hausaufgaben auf. Seit ich denken kann! Klatsch! Der Hall drang bis zu meinem Zimmer. Schnell rannte ich runter und sah gerade noch, wie Mama nach hinten kippte. Aus ihrer Lippe tropfte Blut und ihre Hand war angeschwollen. Zu diesem Augenblick krümmte sie sich, hielt ihre Hände an den Bauch und trohte, gleich zu verbluten. Entrüstet sah ich Papa an: "Was soll das, Papa? Ich hole gleich die Polizei!" Papa atmete schwer und wurde immer röter. Derweil lief ich ins Bad und kam mit Wasser und Pflastern wieder. Heute war eindeutig der Höhepunkt ihres Streites! Mit dem Wasser kam Mama wieder zu sich und ich klebte die Pflaster auf ihre Wunden. Danach lief ich zum Telefon und informierte die Notaufnahme. "Nein, Olaf, lass gut sein!", flüsterte Mama, doch ich hatte den Hörer schon am Ohr.
Der Krankenwagen kam wirklich und lobte mich. Mama wurde notdürftig verarztet und Papa auch, denn er hatte eine große Wunde am Kopf und musste mitgenommen werden. Weinend warf Mama sich auf die Couch. Schnell verzog ich mich auf das Zimmer. Wurde Zeit dass ich Kilia traf und mitgenommen werde. Schließlich wollte ich nicht zulange in diesem Nest hocken. Klar, mochte ich Papa und Mama, aber zur Zeit sind die beiden echt komisch. Papa, der macht seine Arbeit schlechter als sonst und Mama weint nur noch.

Im Himmelbett erwachte ich und konnte direkt in das All sehen. Plötzlich hob ich ab und glitt ins All. Dabei stieß ich mich leicht mit den Füßen ab und konnte ganz ruhig ins All gleiten. Doch wie ich so schön gleite, entdecke ich ihn. Josua, er war wunderschön und lieb zugleich. Am liebsten hätte ich ihn geküsst, doch ich hielt mich zurück.
"Jan, Janin, aufwachen!", rief Mama. Erschrocken fuhr ich aus dem Schlaf hoch. Meine Mutter hockte vor mir und schaute mich an. "Heute habe ich dich eine halbe Stunde früher geweckt. Ich hatte so ein Gefühl im Magen. Hast du eigentlich schön geträumt?", lächelte sie. Da ich Mama aber nicht immer vertraute, meinte ich: "Ich habe nicht geträumt." Und dabei hatte ich von "Josua" geträumt. Keine Ahnung, wer das sein sollte. Ehrlich, nicht! Noch grübelnd fuhr ich in meine Sachen, vergaß sogar das Frühstück (!) und radelte zur Schule. "Hallo, Jan!", fuhr mich eine scharfe Stimme an. Es war glücklicher Weise nur Kilia. Doch die meinte besorgt: "Ich habe dich schon 5-Mal angesprochen. Erst dachte ich, du würdest es nur aus Ungezogenheit machen und ärgerte mich, doch als du selig lächeltest, war ich mir da nicht so im klaren. Süße Träume?" Immer noch verträumt meinte ich: "Ja, er geht mir nicht aus den Kopf." "Immer schön der Reihe nach!", ermahnte Kilia mich. So fing ich noch einmal an: "Ich habe von einem Jungen geträumt. Na ja, erst lag ich auf einem Himmelbett und flog ins All, doch da sah ich ihn. Irgendwie schoss mir der Name "Josua" durch den Kopf, dabei kenne ich den Namen und den Jungen gar nicht. Weißt du, es war so komisch und schön zugleich." Kilia legte den Kopf und dachte nach: "Mmh..." Ein Wasserstrahl traf mich direkt ins Gesicht. Entgeistert schaute ich die Zwölftklässler an. Okay, ich hatte doch glatt vergessen, dass heute ABI-Gag war! Ein Glück hatte ich kein weißes Hemd an. Und ich will nicht wissen wie ich gerade aussah. Vielleicht immer noch so übel wie vorher, aber vielleicht auch noch schlimmer. Die Haare klebten mir auf der Haut meines Kopfes und Kilias Kurzhaarfrisur sah frisch gewaschen aus. Sie war so schön perfekt! Viel perfekter als ich! Ob man das merkte? Bestimmt. Erst 5. Klasse zu sein, hat oft Nachteile. Triefend nass liefen Kilia und ich durch das Schultor und eine neue Fanfare ertönte, als wir unsere Fahrräder abschlossen. Ein Junge, der ungefähr 2 Jahre älter war als ich, kam auf einem Fahrrad und die Hose triefte vor Nässe. Aber...STOPP!...Das war doch der Junge aus meinem Traum! Josua, der so viel besser war als alle anderen.



Der Junge, der gerade kam, war Josua. Er lächelte mir zu und meine Freundin schien dahinzuschmelzen. Ob es ihr Josua war? Klar, er war schon 15 Jahre alt und in der 8. Klasse, aber man sah es ihm nicht an. Inständig hoffte ich, das Jan sich nicht in ihn verliebt hatte. Eigentlich war er lieb, nett und hübsch, aber ich hätte ihn auch gerne gehabt. Aber Jan wollte ihn garantiert nicht haben! Wenn ich mich nicht täuschte, war sie mit Geshan zusammen. Auch süß, aber keine Ahnung, diesen Typ konnte ich nicht leiden. Da konnte ich Olli noch besser leiden! Schleißlich...Egal, ich musste Jan vor dem Untergang der Welt retten, der ja sowieso schon vor der Tür stand. Leider musste ich, Kilia Sommerfeld, umziehen. Ausgerechnet nach Stuttgart! Nur tote Hose und Clubs, die jeden Vernünftigen nicht rein ließen. Trinken und tanzen war dort Debatte. Nein danke! Solange ich Kilia heiße, gehe ich dort nicht rein! "Kilia, jetzt träumst du aber", lachte Jan und bekam dafür den Ellenbogen in die Rippen. Scherzend liefen wir zum Schulgebäude und schauten nur kurz auf. Gut so! Die Treppe war ein Wirrwarr von Absperrungen! Die Abiturenten hatten ganze Arbeit geleistet! Alles war voller Stricke und zusammen mit Jan nahm ich die Seitentreppe. Ein großer Klebebandstreifen versperrte den Weg. Mit einem kräftigen Tritt war das gesamte Klebeband beseitigt. Nun konnten wir durch die Türe gehen. Denkste! Eine Couch versperrte jegliches durchkommen und gerade kam ein grinsender Müllsack auf uns zu. Angewidert starrte ich ihm ins Gesicht, doch Jan legte einen drauf: "Oh hi, dieser Streich ist echt cool! Sag mal, kannst du nur mal für einen kurzen Moment diese Couch wegnehmen? Das muss ich mir merken, was alles so passiert. Später kann ich mich dann an dich erinnern und das mit der Couch auch machen!" Verlegen schaute ich auf meine Fußspitzen, aber Jan hakte sich ein und schaute den Müllsack erwartungsvoll an: "Na?!" Doch der Typ schnallte es nicht ganz und meinte: "Abgucken gildet nicht!" "Ach", meinte Jan, "warum nicht? An so einen niedlichen Boy erinnert sich jeder gerne!" Jetzt schob der Müllsack bereitwillig die Couch weg und Jan stolzierte durch die Tür. "Wow", kicherte ich anerkennend, "das war ´ne ganz harte Nuss!" Stolz warf Jan den Kopf in den Nacken und winkte ab. Manchmal war es gut, eine Freundin wie Jan an seiner Seite zu haben. Ehrlich!



Stolz über meine Anmache ziehe ich Kilia weiter. Sie traut sich auch überhaupt nichts! Und der Typ war echt strohdoof! Niemand fällt auf so ein paar dumme Wörter rein. Außer dieser Typ! War ja klar!
Nun schlendere ich mit Kilia in die Bibliothek der Schule. Ein Buch über Goethes Leben und seinem Stück "Faust" leihe ich mir für einen Tag aus. "Wozu brauchst du das? Du liest es doch nicht!", meint Kilia irretiert. Okay, ich las echt nicht oft, eher träumte ich, aber... Keine Ahnung. Gleich holte mich Kilia aber zurück: "Äh Jan, es ist in 5 Minuten Stundenklingeln angesagt. Jetzt aber los!" War ja klar, ich kam immer zu spät und Kilia kam mindestens eine halbe Stunde früher, wenn die alleine fuhr. Deshalb lies ich mich von Kilia bis zum Klassenzimmer schleifen und rannte auf meinen Platz. Das Vorklingeln läutet die Stunde ein und wie durch ein Wunder, ist Frau Hedewig heute nicht so pünktlich. "Ob sie auf der Treppe hingefallen ist?", kichert meine Banknachbarin Anett. Ich hasse es, wenn Mathe ausfällt und hoffe deswegen, dass sie doch kommt. Und mein Flehen wird erhört: Nach drei Minuten steht Frau Hedewig im Türrahmen. Sie trägt einen Rock und eine weiße Bluse. Wie immer sind ihre Haare hochgesteckt und man möchte sie am liebsten, immer anstarren. Ihr pinker Lipgloss macht Frau Hedewig gleich sympatischer und schon höre ich den Morgengruß: "Guten Morgen Klasse 5c." "Morgen", antwortet die Klasse und wir dürfen uns setzen. "Anett und Kilia gehen hinter die Tafel, die anderen schlagen im Hefter ihren Übungsteil auf und wir fangen an mit der täglichen Übung. Also..." Erst jetzt holt Frau Hedewig Luft. Derweil kann ich meinen Hefter aufschlagen und meinen Füller in die Hand nehmen. "So", fängt Frau Hedewig noch einmal an, "11000 cm3 sind wie viele dm3?" Eine Pause entsteht. Danach spult Frau Hedewig neun neue Aufgaben herunter und ich komme kaum nach. Dreinmal flüstere ich Kilia die Antwort zu und dann kommt auch schon die Auswertung. Anett hat 6 richtige Aufgaben, also eine 3 und Kilia hat 8 richtige Aufgaben, also eine 2. Erleichtert lässt sich Anett neben mir nieder. Und sofort redet sie auf mich ein. Man kann keinen klaren Gedanken mehr fassen. Richtig schlimm ist das! Den Rest der Stunde kriege ich nur durch einen Schleier mit. Ich kann mich erst wieder entsinnen, als Kilia sagt: "Ich habe gerade einen süßen Boy an der Angel!" Erstaunt schaue ich sie an. Natürlich habe ich auch schon einen Freund der ein bisschen älter ist. Trotzdem flirte ich gerne. Aber das Kilia sich überhaupt verliebt, ist ja schon ein Weltwunder! "Wer ist es denn", will ich wissen. "Naja", truckst sie herum, "es ist Einer aus der Parallelklasse. Er heißt Hendrik. Himmlischer Name, oder?" Verlegen fährt sie sich durch die Haare. Hendrik ist ein Idiot, aber sie kann meinen ja auch nicht leiden. Ist schließlich auch egal. Hauptsache, sie mag ihn und umgekehrt. "Du freust dich gar nicht für mich", sagt Kilia weinerlich. Oh je, ich habe ein Problem. Deshalb meine ich schnell: "Nein, Kili, ich finde das ganz toll! Glückwunsch!" Doch sie dreht sich weg. Vielleicht hat man es mir angemerkt, dass ich es nicht wortwörtlich meine. Lügen war noch nie mein Spezialgebiet. Tröstend lege ich den Arm um sie. Zum Trösten bin ich schließlich da.



Endlich ist Olaf da! Happy falle ich ihm um den Hals. Er ist echt schöner geworden! Alle Bewegungen sitzen: Die Hand, mit der er mich umarmt, einfach alles! Hinter mir steht meine allerbeste Freundin Jan und begrüßt Olaf wesentlich schüchterner. Eigentlich sind die Beiden sonst nicht so schüchtern, wenn ich sie neuen Leuten vorstelle. Vielleicht ist es hier was anderes. Vorsichtig sehen sich die Beiden an. Jan wird rot und Olaf auch. Ja, es ist komisch, aber ich glaube, die Beiden mögen sich mehr als ich gedacht habe. Als wir zu Dritt im Wohnzimmer sitzen und Kakao trinken, will ich ihrer Liebe eine Chance geben: "Ich muss noch ein Anruf erledigen. Das kann dauern." Damit verschwinde ich und lasse die Beiden allein. Hoffentlich kapieren sie, was ich meinte. Plötzlich wollen meine Füße zurück zu Olaf. Oh no, ich mag ihn auch. Schnell mit Hendrik telefonieren! Also renne ich zum Telefon und mache mit Hendrik Small Talk. Insgeheim finde ich nichts mehr an ihm und so mache ich Schluss. Nicht mal eine Woche gehalten! Und ich dachte, wenn ich mich verliebe, dann hält das! "Warum machst du das, Kili? Ich dachte, du...liebst mich!", höre ich seine traurige und verletzte Stimme. Ja, er ist verletzt, aber ich habe mein Herz an jemanden anderes verloren. Nun will ich nicht mehr, das Jan Olaf gewinnt. Sie ist zwar meine beste Freundin, aber in diesen Sahchen kenne ich keine Freunde. So Leide es mir auch tut. Kopfschüttelnd gehe ich wieder ins Wohnzimmer. Der Small Talk zwischen den Beiden lief und ich höre auch noch zu, aber irgendwann breche ich in Tränen aus. Alles tut mir Leid. Das ich umziehe, dass ich mit Hendrik Schluss gemacht habe und dass ich mich in Olaf verliebt habe. Bestürtzt kommen die Beiden zu mir. "Was ist, Kili?" Mitleidig schaut Jan mich an und Olaf fragt mich weiter aus, sodass ich alles sage. Auch, dass ich Olaf liebe. Verständnisvoll schauen Jan und Olaf sich an. Ruhig hält mich Olaf fest und küsst mich. Es ist neu und ich sehe nur ihn. Der Rest passiert ohne mich. Wie im siebten Himmel schwebe ich. Jan und Olaf unterhalten sich wie gute Freunde und ich habe um Olaf Angst, aber er schaut mich nur beruhigend an, wenn ich nach ihm frage. Er ist perfekt.

Jetzt, da der Kuss vorbei ist, kommt es mir ziemlich dumm vor. Natürlich ist Kilia meine beste Freundin, aber irgendetwas in mir brüllt. Keine Ahnung, was es genau ist und ich scheine keine eigene Meinung mehr von den Dingen zu haben. Mir ist es egal, ob Jan da sitzt und auf mich einredet, oder nicht. Das Einzige was mir Angst macht, ist Kilia. Ganz rotfleckig im Gesicht und mit verlorenem Blick schaut sie Jan und mich an. Irgendwie tut sie mir Leid. "Entschuldige Olli, noch da?", fragt Jan spitz. Rasend schnell komme ich aus meinen Gedanken und meine: "Klar bin ich da, ich habe nur gerade nachgedacht, woran Kilia und du denkst." Jan verzieht den Mund: "Du bist echt komisch, aber das ist gut." Sie lächelt und schon ist wieder alles gut. Schön. Wenn das immer so läuft, na Prost Mahlzeit. Innen drinne bin ich stinkesauer, aber ich lächle trotzdem. Endlich kann auch Kilia was sagen: "Jan, es ist schon um 7. Wenn mich nicht alles irrt, musst du leider gehen." Traurig steht Jan auf. Die beiden Freundinnen drücken sich und Jan verabschiedet sich von mir, als wären wir alte Freunde. Na ja, im Prinzip sind wir das auch, jedenfalls fühlt es sich so an. Bei unserem Gespräch habe ich viel über Jan herausgefunden (sogar, was ihr Lieblingslipgloss ist!) Danach geht sie.

Ein bisschen wehmütig verabschiede ich mich. Es war soooo schön mit Olli! Ich finde ihn echt süß, aber glaube, dass er nicht mein Typ ist. Da finde ich meinen Geshan besser. Josua. Mist, ich musste mit Geshan Schluss machen und Josua finden. Das mit Geshan war sowieso nur Kinderkram. Am besten ich rief meine beste Freundin an (hätte ich sie nicht schon bei ihr fragen können!) und frage nach der Telefonnummer. "Ja Kilia Sommerfeld!" "Hi, hier ist Jan. Ich brauche dringend die Telefonnummer von meinem Josua, wenn du ihn kennst. Er kam heute nach uns, weißt du das noch?" Am anderen Ende der Leitung ist es still, doch dann meint Kilia: "OK, Jan. Aber dein Josua ist in der achten Klasse und fährt garantiert nicht auf dich ab." War bestimmt nur ein Witz von Kilia. Schnell meine ich: "Ja, hast du jetzt die Nummer?" Nach 10 Minuten kann ich die Nummer auswendig. Jetzt nur noch überraschen und dann geht die Post ab! "Jan, Fußball-WM!", ruft Papa. Wie konnte ich das nur vergessen? Halb rennend, halb stolpernd, erreiche ich das Wohnzimmer. Deutschland gegen Australien! Wie man unschwer erkennen kann, geht es den Australiern wohl eher nicht so gut. Mal rennen sie nach dem Ball, versuchen zu grätschen und begehen so manche Fouls. Richtig spannend! Meine Mutter kommt auch noch dazu. Wir schauen alle die WM und es macht riesigen Spaß! Erst gestern habe ich mit Mama Nigeria gegen Argentienien verfolgt (In welcher Mannschaft Messi spielt, weiß ich leider nicht ganz)! Mal grätschen die Einen und mal die Anderen. Das geht solange, bis der Strom ausfällt! Wütend fummelt Papa an irgendwelchen Reglern rum, bis das Bild wieder da ist. So ein Mist! Das erste Tor der deutschen Mannschaft ist schon gefallen! Anscheinend ist die Wiederholung auch schon vorbei. Scheiße. Ausgerechnet jetzt ruft noch Hannes an. Einer meiner dummen Klassenkameraden. Er textet mich lange zu und als ich zurück zum Fernseher komme, steht es schon 3:0 für Deutschland! Mama und Papa müssen mir die Tore mit allen Einzelheiten erklären und als ich kurz nicht hinschaue, schießt Cacao schon das vierte Tor! Na gut, die Wiederholung sehe ich diesmal wenigstens.
Nachdem das Spiel vorbei ist, jubelt bei mir die ganze Familie! Papa holt eine Tröte und Mama deckt uns mit Essen ein. Kartoffelsalat mit Ketchup und Frikadellen! Genüsslich esse ich und gucke, wann das nächste Spiel läuft.



Wie ich Jan kenne, hockt sie schon beim Siegeressen. Olaf und ich haben die WM nicht gesehen, sondern nur meine Eltern. Da kann man mitzählen, wie viele Tore es gibt: Jubeln sie, dann heißt das, ein Tor für Deutschland und schimpfen sie oder holt Papa sich eine Tafel Schokolade, bedeutet das, Tor für die anderen. Und da meine Eltern 4-Mal laut jubelten, war klar, wer gewonnen hatte.
In meinem Zimmer ist das reinste Chaos: Überall liegen Sachen und mittendrin eine Matratze, 9 Bücher und ein Ball. Im Chaos hatte mein CD-Rekorder, leider nur wenig Platz. Olli und ich sitzen in dem Chaos und schauen alte Fotoalben von mir durch. Es tut gut, neben Olaf zu sitzen. Seine Hände sind zittrig und fassen jede Seite mit Vorsicht an. Am liebsten hätte ich mich gegen ihn gelehnt und einfach nichts gemacht. Aber das wäre nur peinlich gewesen. Schließlich holt Olaf unter einem Buch einen Kopfhörer raus und reicht ihn mir. "Amelie" wird gespielt. Es ist mein absoluter Lieblingssong und ich lächle ihn an. Schweigendd schaut er mich an, als ob er fragen wollte: "Gefällt dir der Song, den ich für dich habe?" Erst als ich mich langsam im Takt dazu bewege, kommt er auf mich zu und umarmt mich. Leise flüstert er mir ins Ohr: "Meine wunderbare Kilia." Man kann ihn so leicht umarmen. In dieser Positur harren wir aus, bis wir beide Schritte auf der Treppe hören. Reflexartig lassen wir los und ich fummle schnell ein Buch aus dem Chaos. Verlegen sieht Olaf mich an. Ich lege meinen Kopf schief und erkläre ihm in Gedanken, was er zu machen hat und wie durch ein Wunder, macht er es wirklich. Nicht, dass ich an solche Dummheiten glaube, aber er scheint mich auch ohne Worte zu verstehen. Wie zwei Blinde, die sich nur durch Gedanken und Berührungen verstehen können, weil alles reden keinen Sinn macht.
Als Mama reinkommt, lachen Olaf und ich gerade und schauen auf das uninteressante Kochbuch. Aufmunternd sieht sie uns beide an und will wissen: "Alles okay? Deutschland hat gerade 4 zu 0 gewonnen, gegen Australien." "Ach", ich spiele die Überraschte und Olaf meint, "das hätte ich niemals gedacht!" "Ja", meine Mutter wendet sich zum gehen und fragt noch einmal nach, "und ihr seid sicher, dass ihr kein Abendbrot wollt?" Olaf und ich nicken und starren weiter auf das Kochbuch. Klar gibt es interessantere Sachen als Kochbücher, aber solange Mama hier rumschnüffelt, mache ich lieber gar nichts.



Es ist schön, einfach nur da zu sitzen. Kilia ist so zart und weiß immer die richtige Antwort. Als sie vor einem Jahr einen tollen Skarteboardstunt hinlegte, verliebte ich mich in sie. Ich hatte ihn schon vergessen, aber als wir beide von Sport redeten, viel es mir wieder ein. Dann suchte ich fieberhaft nach meinen Kopfhörern und setzte sie Kilia auf. Keine schlechte Idee. "Olli, ich glaube, wir denken das Gleiche." Die Nacht senkt sich herab und ich erwidere: "Ja, glaube ich auch. Was denkst du?" "Sag du es zuerst", bittet Kilia instendig. "Ich denke..." Frustiert breche ich ab. Man wird einfach die Hemmung nicht los, die in einem aufkommen. Doch dann beruhigt Kilia mich: "Du musst es nicht sagen. Wirklich." So geht es eine ganze Weile und schließlich schlafe ich ein.
Wer weiß, wie spät es ist. Müde durchquere ich die Straßen. Keine Menschenseele. Eigentlich habe ich Angst im Dunkeln, aber wie durch ein Wunder, wird es plötzlich hell. Meine Klassenkameraden laufen herum und im Sonnenschein baut Zacharias einen Schneemann. Nichts außergewöhnliches für diese Jahreszeit. Genüsslich lutsche ich ein Blatt, das rot aussieht.

"Aufstehen!", weckt mich Kilias Stimme. Es tut gut, sie zu hören. Ich springe mit Kilia in einen gemeinsam Tag, Woche, Jahr.


</font;doradani;maroon;justify>Nun setze ich mich auf mein Fahrrad und düße los. Heute ist wieder ein langweiliger Schultag und ich bin spät dran. Gleich als ich mit Kilia auf dem Schulhof ankomme, sehe ich Josua. Schnell laufe ich zu ihm hin und stelle mich vor. Er scheint mich nicht zu mögen. Schade. "Ach komm schon, Jan, das ist nicht schlimm. Ich kann dir vielleicht helfen", verspricht mir Kilia in einem geheimnisvollen Ton. Gleich möchte ich wissen wie: "Sag schon!" Doch Kilia lässt sich nichts aus dem Halse rausziehen: "Das erkläre ich dir später. Jan, du kommst heute Nachmittag bitte zu mir. Es ist wichtig." Okay, da werde ich zwar Olaf begegnen, aber halb so schlimm. Aber was Josua angeht, bin ich ganz hippelig. Leider habe ich noch einen ganzen langen Schultag vor mir und als Kilia sich abholen lässt, weil sie schon brechen muss, bin ich ganz am Boden zerstört. Das hinterlässt auch in Sport Spuren. "Hey Jan, was is´n heute los? Ist es wegen Kili?" Die nervige Fran fragt mich unaufhörlich. Und man muss nur mit den Schultern zucken oder nicken. Dann ist die Nervensäge beruhigt. "Janina, komm bitte vor. Du zeigst jetzt den anderen, wie man Liegestütze auf dem Boden macht", fordert mein Sportlehrer mich auf. Aber ich reagiere nicht. Das stupst Fran mich an. Dankend nicke ich ihr zu, gehe nach vorne und bringe halbwegs ordentliche Liegestütze hin. Na ja, für den Anfang reicht es bestimmt. Hastig ziehe ich mich nach dem Sportunterricht um. Eigentlich bin ich meistens als 10. fertig, aber heute verschwinde ich zuerst aus der Kabine. Mein Sportlehrer gibt mir noch das Klassenbuch und ich bin weg. Am Ausgang gebe ich das Klassenbuch an Iris weiter und renne zu meinem Fahrrad. Ein paar Elfklässler lachen mich aus, ist mir aber egal. So schnell es geht, fahre ich nach Hause und rufe Kilia an. "Hi, geht es dir gut?", frage ich atemlos. "Ja. Olaf geht heute wieder und morgen muss ich umziehen. Heute ist unser Abschiedsnachmittag. Komme bitte schnell", bittet Kilia und ich rase wie der Winde zu ihr. An der Tür empfängt mich niemand anderes als Josua. Verdattert stehe ich in der Tür und Josua schaut auch irretiert. Die Lage ist so komisch, dass wir beide lachen müssen. Schließlich kommt auch Kilia. Sie ist kreidebleich und sieht mich lachend an: "Na, wie ist das unerwartete Date?" Dankend drücke ich sie. Einfach eine Freundin zum liebhaben. So schnell finde ich keine wieder.

Nun, was soll ich zum Abschluss sagen? Vielleicht, dass ich seit diesem Tag mit ihm zusammen bin und meine neue beste Freundin Fran ist? Sie hat sich super entwickelt und ist fast so toll wie Kilia. Doch diese wohnt jetzt in Stuttgart und wir sehen uns fast nur noch einmal in zwei Monaten. Ich finde sie immer noch nett und das Olaf ihr Freund ist, ist umso besser. Freundschaften enden schon komisch und fangen durch Zufall an. Mit Fran das hat sich entwickelt. Fran war nett zu mir und ich habe sie auch lieb gewonnen. Am liebsten wäre ich die ganze Zeit unter Freunden, aber Mama und Papa dulden das nicht. Auch gut so, vielleicht, aber manchmal echt ätzend! Nun, da von dir kostbare Zeit abgelaufen ist, dieses Buch zu lesen, oder vielmehr diese Story, möchte ich dir danken. Es ist schön so einen Leser zu haben und ich hoffe, dass du dieses Buch gut fandest.

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 18.06.2010

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Dieses Buch widme ich meiner besten Freundin Johanna. Sie ist immer für mich da und ich glaube, dass wir immer Freunde bleiben werden.

Nächste Seite
Seite 1 /