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Ja, ich gebe es zu, ich habe mich verliebt. Oh nein, nicht zum ersten Mal und auch nicht zum ersten Mal auf diese Art. Es klingt wie ein Klischee, aber ich wusste wirklich nicht wie ich es dieses Mal hätte vermeiden können. Es begann mit meiner Bewerbung bei einer Organisation für Schwule und Lesben. Ich bin Sekretärin und muss von diesem Beruf leben. Ich habe nichts gegen Homosexuelle und die Stelle war ausgeschrieben, also habe ich meine Bewerbung dahin geschickt.

O.k., ja mir war diese Stelle gerade recht, um nicht zu sagen, sie war ideal für eine wie mich. Das dachte ich zumindest, damals! Das Vorstellungsgespräch fand im kleinen Kreis statt. Die beiden Herren, die mir bereits aus Presseveröffentlichungen bekannt waren, saßen mir gegenüber. Mein Lebenslauf und die Zeugnisse waren bestechend. Meine vergangenen Chefs waren natürlich immer voll des Lobes für mich.

Adrian war mir gleich sympathisch, aber Helmut hatte verständliche Einwände. Bei aller Sympathie, aber ich war eben nicht eine von ihnen. Ich gehörte nicht dazu und das gestand ich ganz freimütig. Adrian punktete aber für mich mit dem Argument, dass es nicht gut war, genau so engstirnig und intolerant zu sein, wie die Gesellschaft es über Jahrhunderte hinweg zu Homosexuellen war. Also bekam ich diese Stelle, ich die durch und durch heterosexuell bin.

An meinem ersten Arbeitstag war ich voller Euphorie, dieses Mal würde es anders laufen als sonst, da war ich mir sicher. So oft hatte ich mir geschworen, mein Leben zu verändern und nun konnte ich gar nicht anders. Ich hatte mein Schicksal in die eigene Hand genommen.

Tatsächlich arbeitete ich mich ungestört und mit Feuereifer in die neuen Aufgaben ein. Ich bin sehr engagiert, was meinen Beruf anbelangt. Ich liebe meine Tätigkeit als Sekretärin und gehe voll und ganz darin auf. Vielleicht liegt es auch daran, dass ich schon lange alleine lebe und kaum familiäre Verpflichtungen habe. Sicher, ja das sind ein paar enge Busenfreundinnen und ein netter Bekanntenkreis. Die ewige Suche nach dem einen Prinzen auf dem weißen Pferd hatte ich aufgegeben. Es war zu zermürbend. Was sollte auch in meinem Alter noch kommen?

Trotzdem ist mir mein Äußeres immer wichtig gewesen. Adrian und ich arbeiteten eng zusammen. Er ist sehr engagiert für die Sache. Er hatte damals einen sehr netten und attraktiven Freund, der in der Politik tätig ist. Die Beziehung war schon seit einiger Zeit nicht mehr ganz so glücklich, aber Adrian und Paul wollten heiraten, denn für sie war klar, das war nur eine vorübergehende Krise. Vielleicht würde die Partnerschaft durch die Ehe wieder neuen Auftrieb bekommen, Und seien wir mal ehrlich, man kann doch nicht ein ganzes Leben lang ununterbrochen im Honeymoonfelling verbringen. Beide arbeiten viele Stunden in ihrem Job, da blieb es nicht aus, dass man sich manchmal aus den Augen verlor.

Außerdem war es ein genialer Schachzug um „der Sache“ mal wieder in der Presse eine aktuelle Plattform zu verschaffen. Die beiden hatten als Personen der Öffentlichkeit Vorbildfunktion. Natürlich musste so ein groß angelegtes Ereignis besonders gut organisiert werden. Wir machten zusammen viele Überstunden und kamen uns näher. Das es bei mir anfing zu kribbeln war nichts Neues für mich. Ich nahm es hin, dieses Mal bestand ja keine Gefahr das es ernstere Formen annehmen sollte.

Nach einem feucht- fröhlichen Betriebsfest passierte es aber. Unser erste Kuss und Adrian war so betrunken, dass er sich am nächsten Tag an nichts erinnern konnte. Es sollte aber nicht dabei bleiben. Es ist zum verzweifeln, so als ob ein Fluch auf mir läge, immer bin ich die heimliche Geliebte vom Chef!

Adrian war natürlich komplett durcheinander. Schließlich hatte er sich schon seit vielen Jahren nicht mehr in eine Frau verliebt. ‚Jugendsünden‘ – so hatte er es genannt. In der ersten Orientierungsphase seiner beginnenden Sexualität hatte er sich schon mal in ein Mädchen verguckt, aber dann nie wieder! Was nun? Nicht auszudenken wenn das jemand erfährt! Die Ehe zwischen Paul und Adrian brachte nicht den erhofften Aufschwung in der Beziehung, dafür fliegen zwischen uns die Funken im Büro.

Ich wundere mich schon, warum noch niemand vermutet, was zwischen uns ist. Wie auch immer, es darf niemand erfahren. Dafür hat Adrian viel zu hart all die Jahre gearbeitet. Seine ganze Familie hat endlich sein Schwulsein akzeptiert. Es war damals ein großes Drama für seine Eltern und Großeltern. Sein ganzes Leben ist auf diese Sache ausgerichtet.

Abgesehen von diesem Gefühlschaos und der Sache mit Adrian, frage ich mich auch, ob es nicht vielmehr so etwas wie eine Berufskrankheit bei mir ist, oder auch eine Art ungesunde Gewohnheit?

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Tag der Veröffentlichung: 17.10.2010

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