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Ich hatte mich auf dieses Abenteuer begeben aus einem einzigen Grund: Liebeskummer.

Bis zu unserem Treffen kannte ich nur das Foto, daß er mir aufgrund meiner Anzeige per E-Mail geschickt hatte. Ein gut aussehender Mann anfang 40, groß, eher hager, schmale Lippen, eine schmale Nase, der Typ Pierce Brosnan, nur noch glatter.

Erwartungsgemäß waren viele Antworten eingegangen, aber es waren nur wenige, die für mich in Frage kamen. Die Korrespondenz mit Julian war außergewöhnlich. Er war sparsam mit seinen Worten, konnte mir zuhören und es schien ihm egal was sich aus unserer zufälligen Begegnung ergeben würde.

Er hatte nicht geglaubt, daß ich diese späte E-Mail auf meine Anzeige mit einem Treffen belohnen würde. Er war einer jener beneidenswerten Menschen, die das Talent haben immer zum richtigen Zeitpunkt die Gelegenheit zu nutzen und mit Leichtigkeit zu gewinnen was andere gerne hätten. Dennoch wirkte er gelangweilt und durchaus nicht glücklich.

Lange Überlegt hatte ich es mir nicht. Wir trafen uns dennoch an einem idealen Ort für zufällige Begegnungen – in einem Restaurant am Flughafen. Wir saßen auf der Terrasse an einem wunderschönen Abend im Sommer an dem ich eigentlich nichts andere wollte, als mit einem ganz bestimmten anderen Mann hier sitzen.

In den letzten Wochen hatte ich aussortiert. Viele hatten sich ein Abenteuer oder auch eine Affäre versprochen. Julian schien lediglich die Gelegenheit wahr zu nehmen, die sich ergab. Er erklärte mir im Restaurant am Flughafen, daß er es wie eine Art Preisausschreiben aufgefaßt habe.

Wir sprachen von Liebe, aber keiner von uns beiden wußte mit den Erfahrungen des anderen wirklich etwas anzufangen. Julian erzählte mir, daß er im Moment eine Affäre mit einer verheirateten Frau habe, aber es sei für ihn normal Polygam zu leben. Selbst seiner großen Liebe konnte er nicht treu sein. In seinem Gehaben lag eine stille Verzweiflung, die durch eine undurchsichtige Miene hindurchschimmerte. Beruflich saß er als Unternehmensberater fest im Sattel. Ein erfolgreicher Mann der an diesen Abend beschlossen hatte sich mit einer gänzlich Unbekannten und wie sich heraus stellte nicht sehr glücklichen Frau zu treffen.

Er war, wie so viele erfolgreiche Männer, ausgesucht höflich. Manchmal schien es mir, daß gute Manieren über sehr vieles in seinem Leben hinwegsehen halfen. Nach dem Essen machten wir einen Spaziergang und ich beschloss den Abend als ein erstes Kennenlernen zu beschließen. Eine weitere Verabredung würde folgen.

Mir war nicht klar, das ich lediglich mit den vielen Gefühlen in mir zurecht kommen wollte.

Während meiner kurzen aber intensiven Beziehung mit Leon war etwas in mir Wach geworden, was zuvor in tiefem Schlaf lag. Ich hatte mich als hemmungslose und leidenschaftliche Frau kennen gelernt und mitten auf dem Höhepunkt dieser wunderbaren Liebe hatte er mich verlassen.

Es war wie ein Niesen, das sich angekündigt hatte, aber nie zum befreienden Ende kommen würde. Ein Vulkan kurz vor dem Ausbruch – plötzlich erloschen?

Nein, ich wollte diese Naturgewalt erleben und auskosten. Mit oder ohne Leon!

„Du bist nicht der Typ für so etwas“, sagte Julian, bei unserem zweiten Treffen. Wir waren dieses Mal in einem Turmcafe mit weitem Blick über die ganze Stadt. Rings herum waren die Wände aus Glas. Ein strahlend blauer Himmel gab eine wunderbare Kulisse ab.

Ich sah ihn mir genauer an. Sein schönes Gesicht war ernst, sein Tonfall sachlich. „Du bist verliebt in diesem Mann, Du willst ihn wieder haben.“

„Er ist nicht mehr da.“

Wir ließen das Thema fallen. Plauderten über das Wetter, die Liebe, das Leben und dies und das. Er bezahlte zum zweiten Mal die Rechnung. Ich wollte seine Einladung erwidern, aber er winkte ab. Fast Lustlos fragte er mich, ob wir unser Vorhaben umsetzen würden.

Es waren nur wenige Schritte zu meiner Wohnung. Als wir ankamen war es bereits dunkel. Wir legten uns ins Schlafzimmer, der Mond beleuchtete die Szene.

Ich dachte an Leon. Seine Augen, den Gesichtsausdruck, seine Leidenschaft. Er konnte mich mit seinem Blick vollkommen um meinen Verstand bringen.

Leon wie er dalag und sich ganz und gar von seinen Gefühlen berauschen ließ. Wie ein Mann der am Strand in der Brandung liegt und einfach nur zulässt was geschieht. Wir beide ließen uns fallen und tragen von einem Meer an Gefühlen das uns in einen Strudel hineinzog.

Und inmitten einer tobenden Windhose fand ich Ruhe – Stille für einen Augenblick. Eine kleine Insel, die einen Damm gegen die tickende Uhr und meine bohrende Stimme der Vernunft bildete.


Leon brachte das lang ersehnte Lachen in mein Leben zurück. Leon wusste was kindliche Naivität und Spontanität bedeuten. Noch nie hatte ich einen Liebhaber mit soviel Zeit für Sinnlichkeit.

Doch das hier war ganz anders. Julian und ich waren zwei Fremde, bereit unser Vorhaben auszuführen. Mitten in einem recht halbherzigen Treiben war es auch schon vorbei. Kein Vulkanausbruch, sondern mühsam erarbeiteter Schweiß und anschließend eine bleierne Müdigkeit. Julian ging bevor er kam.

Und ich träumte in der selben Nacht, daß ich ein gebrauchtes Gummi entsorge – Leons Gummi. Es war zu Ende.

Ich würde ohne ihn weiter leben.


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Tag der Veröffentlichung: 18.02.2009

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