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Es war einmal auf einer weit entfernten weißen Insel, dort war es bitterkalt und nur die Stärksten hatten eine Chance zu überleben. Sei es der größte Vogel, die hartnäckigste Pflanze, oder der schnellste Fisch.
Der König von ihnen allen aber war der weiße Bär, wegen seines schneeweißen Fells und seines eisernen Willens auch oft Eisbär genannt. Wenige von ihnen durchzogen das Land, meist waren sie alleine unterwegs, doch entgegensetzen konnte ihnen niemand etwas. Hat man einem dieser Räuber einmal in die Augen geblickt, war das Ende so gut wie gewiss. Nur wenige, wie die flinken Robben konnten von so einer Begegnung später noch erzählen.
"Hey, Papa...Wieso darf ich nicht rausgehen und ein kleines bisschen spielen? Ich pass auch ganz doll auf!", maulte ein kleines weißes Fellknäuel. "Taban...", knurrte der Vater: "Draußen stürmt einer der heftigsten Eiswinde seit vielen Wintern. Es ist viel zu gefährlich! Und nun leg dich endlich schlafen" "Ich will aber raus", grummelte der kleine Taban: "Und ich mag den Schnee" Der Vater brummte nur: "Schlaf jetzt!" Beleidigt rollte der kleine weiße Bär sich zusammen und legte seinen Kopf auf seine Vorderpfoten. Wehmütig blickte er hinaus aus der Höhle, wo der Sturm brauste und töste. Wie gern mochte er da jetzt raus. Seine Familie waren echte Langweiler. Nur wenige Minuten später hörte der kleine Bär es leise neben ihm schnarchen. Na toll. Jetzt schliefen alle und er war doch noch gar nicht müde. Seufzend schaute er weiter hinaus in das Schneetreiben. Wenn er doch nur....
Aber er konnte doch, oder? Alle schliefen und wenn er ganz leise war, würde es nicht einmal jemandem auffallen. Und so ein Sturm wie der Papa sagte, ging ja nun auch wieder nicht. Vorsichtig schaute er sich noch mal in der Höhle um. Zwei massige und drei winzige Knäuel zeichneten sich in der Dunkelheit ab. Sie alle lagen still und waren tief im Traumland versunken. Gut. Leise tapste Taban zum Ausgang der Höhle. Er warf einen kurzen Blick nach draußen. Wow, so viel Schnee. Schneller als man schauen konnte, war der Kleine draußen. Durch sein dickes Fell machte ihm der Wind auch gar nichts aus. Noch ein paar Schritte ...Neugierig ging der Kleine immer weiter in die Eiswüste hinein. Da! Ein Schatten. Ein Hase. Den würde er fangen! Rasch lief Taban dem Tier hinterher. Gleich hatte er ihn!
Kurz verblendeten ein paar Schneeflocken ihm die Sicht. Der Hase war weg. Schnuppernd hielt der kleine Bär seine Nase in den Wind. Wo war seine Beute? Keine Spur des Duftes war mehr zu erkennen. Der Wind musste ihn fortgeblasen haben. Langsam beruhigte er sich wieder, vielleicht sollte er langsam nach Hause gehen. Es wurde nun doch schon recht dunkel und der Wind war ganz laut und schnuppern konnte er auch nichts. Taban wollte sich gerade umdrehen um nach Hause zu gehen, da packte es ihn eiskalt. Wo war er denn überhaupt? Hier war er noch nie gewesen und er konnte nicht erkennen, ob er in der Ferne was kannte. Wimmernd schritt er einfach in die Richtung los, aus der er gekommen war. Nein, kam er wirklich von dort? Die Angst packte ihn und er lief los. Wo war seine Höhle und seine Mama, und sein Papa, und Tenri, Lara und Yinka? Wo war er? Er lief und lief bis in die Erschöpfung und Angst packte und er sich einfach auf dem Boden zusammenrollte. Vielleicht würde er ja am Morgen etwas erkennen können. Fiepend schloss er die Augen und schlief ein.
Langsam dämmerte der Morgen und die bleiche Sonne stieg in den nun klaren Himmel auf. Außer dem ganzen frischen Schnee war nichts mehr zu sehen das an das gestrige Unwetter erinnern würde. Der kleine Bär blinzelte. Das Licht kitzelte ihm im Gesicht. HAtschi! Verschlafen richtete das weiße Knäuel sich auf und streckte sich. Zaghaft öffnete es eines der glasblauen Augen, um sofort auch das zweite aufzureissen. Wo war es? Rundherum war es nur weiß. Ewige Eisdünen wohin man nur blickte. Ängstlich tapste Taban los. Wohin sollte er nur gehen? Aber wenn er nur lange genug lief, würde er schon irgendwann wieder bei seiner Höhle ankommen, richtig? Die Zeit verging. Langsam wurden seine Pfoten schon wieder müde und der Hunger fing an zu nagen. Die Landschaft hatte sich noch immer kein bisschen verändert. Schnee und Eis wohin man nur blickte. Keine Felsen, keine Elche und kein Meer. Nur Eis. Schritt für Schritt stolperte er nach vorne. Er wollte wieder zu seiner Mama und seinem Papa.
"Hallo Kleiner...". Erschrocken fuhr der kleine weiße Bär herum. Wer war das? "Was machst du denn hier so ganz alleine?" Mit großen Augen blickte Taban auf die große Gestalt vor ihm. Ein riesiger Elch blickte auf ihn herab. "Hey, nicht so schüchtern. Wo sind deine Eltern Kleiner?" "W..weiß nicht..",stotterte Taban. "Hab mich verirrt", fügte er leise hinzu. "Keine Angst weißer Bär. Ich tu dir nichts. Folge deinem Herzen Kleiner und du wirst deine Familie wieder finden..." "A...aber wie soll ich sie denn bitte so finden? Man kann doch nicht seinem Herz folgen. Das ist ja in mir drin und wieso hast du eigentlich keine Angst vor mir? Alle anderen haben immer Angst.",, fragte der Eisbär verwundert. Der Elch blinzelte freundlich auf ihn herab: "Andere mögen ein Ungeheuer in dir sehen, aber ich sehe ein kleines verirrtes Junges...", er verstummte kurz. "Was fühlst du wenn du an deine Familie denkst?", fragte er dann. "Ich vermisse sie...", meinte Taban verwirrt. "Und ich hab sie ganz doll lieb", fügte der Kleine leise hinzu. "Siehst du, das ist das, was dein Herz dir sagt", lächelte der Elch. "Fühle die Wärme in deinem Herzen und lass dich von ihr leiten" Immer noch recht verwirrt nickte der Bär. Er wollte noch etwas sagen, doch der Elch hatte sich schon wieder umgewandt und gallopierte davon. Verdutzt blickte Taban ihm hinterher. Er blieb noch einige Zeit dort sitzen, bevor er sich wieder aufrappelte und weiterging. Ähnlich wie vorher kämpfte er sich Schritt für Schritt durch die Eiswüste, doch nun wuchs langsam ein warmes Gefühl in seinem Herzen heran. Ohne, dass Taban es bemerkte wuchs es immer weiter heran und vertrieb langsam die Verzweiflung. Mit jedem Gedanken an seine Familie verblasste seine Umgebung und seine Hoffnung wuchs. Die Anfangs orientierungslosen Schritte wurden zielstrebiger. Er würde heimfinden. Ganz bestimmt!
Zwei Nächte musste er draußen schlafen. Alleine, eingerollt unter den Sternen. Ohne die Wärme, die ihn nun von den Zehen bis in die Ohren erfüllte, wäre er schon längst zusammengebrochen. Nur die Liebe an seine Familie hielt ihn aufrecht. Als der dritte Morgen anbrach, sollte die Monotonie aber durchbrochen werden. Taban war gerade dabei einen kleinen Hügel hinunterzuklettern, als der Schnee plötzlich unter ihm wegrutschte und ihn mitriss. Vom blanken Terror gepackt, fiepte er so laut er konnte. Doch es half nichts. Die Schneemassen schleuderten ihn hin und her und begruben ihn schließlich unter sich. Verzweifelt versuchte er sich freizukämpfen, doch es war aussichtslos. Der Schnee war zu schwer. Wieder und wieder fiepte der kleine weiße Bär. Er wollte hier nicht sterben. Aber langsam wurde er müde...Ein starkes Ziehen an seinem Nackenfell rüttelte ihn sofort wieder wach. Irgendjemand hatte ihn gepackt und zog ihn nun durch den Schnee nach oben. Sobald er wieder an der Oberfläche war, ließen die Zähne seinen Nacken wieder los und er plumpste in den Schnee. Sein Blick wanderte nach oben. Eine hellgraue junge Wölfin blickte ihm entgegen. "Da...danke",stotterte Taban. "Du solltest besser aufpassen", meinte sie nur. "Und nun mach das du fortkommst. Das ist mein Revier", knurrte sie. Verdutzt blickte der Eisbär sie an. "Ich dachte Wölfe jagen im Wald und leben im Rudel?", fragte er zögernd. Er hatte noch nie einen von ihnen so weit im Norden gesehen. "Ich brauche keine Familie",knurrte sie : "Und nun komm!" Sie zog nochmal an seinem Nackenfell. Eilig stemmte er sich auf seine Pranken und tapste ihr hinterher. "Hey, warte! Wo bringst du mich hin?", rief er. Die Wölfin knurrte nur: "Weg von hier", und ging weiter. "Wie heißt du? Ich bin Taban", fragte er neugierig. Sie knurrte nur. Nach einer Ewigkeit blieb sie stehen und sagte: "Hier kannst du alleine weitergehen. Mach das du wegkommst!" Traurig blickte Taban sie an und fragte noch einmal: "Hast du denn wirklich gar keine Familie?" Die Wölfin blickte kurz niedergeschlagen doch dann knurrte sie, wandte sich um und lief den Weg den sie gekommen waren wieder zurück.
Taban blickte ihr noch lange nach. Er wollte nie so enden, wie die junge Wölfin. Er war wahrhaft froh so eine nette Familie zu haben.
Mit neuem Elan in seinen Schritten machte er sich weiter auf den Weg. Sein Gefühl schien ihn genauer, als je zuvor den Weg zu zeigen. Er konnte seine Familie schon fast körperlich spüren.
"Folge deinem Herzen", hatte der Elch gesagt. Taban glaubte nun zu wissen, was dieser gemeint hatte. Es konnte nicht mehr weit sein. Immer schneller wurden seine Schritte. Die Sonne war gerade dabei den Himmel wieder mit schönen Rottönen zu bemalen, bevor sie sich zurückzog, da sah er zum ersten Mal seit langem wieder etwas das ihm bekannt vorkam. "Der Rutschhügel!", quietschte er. Ja, er war fast da! Schneller und schneller lief er nun. Die Elchherden. Die großen Eisfingerberge. Die Robben. Immer mehr bekannte Dinge konnte er finden. Bis er schlussendlich einige Meter vor seiner Höhle stand. Nun zögerlich tapste er zum Eingang. "Mama? Papa?" Nur Momente später fand er sich an seine Mutter gekuschelt liegend, die ihn wieder und wieder ableckte. Sein Vater blickte ihn streng an: "Ich hoffe du hast deine Lektion nun gelernt?". "Ja.",antwortete das weiße Bärenjunges. "Ich denke ich habe sie gelernt...Ich hab dich lieb Papa. Und dich auch Mama und Tenri und Yinka und Lara"
Ja, er wusste nun wie wichtig Familie war. Wie lieb er sie hatte und wie sehr er seine Eltern brauchte. Auch wenn sie manchmal ein bisschen anstrengend sein konnten, hatten sie manchmal doch recht. Wie zum Beispiel vor ein paar Tagen. Aber nun würde er immer wieder nach Hause zurückfinden. Er würde nie wieder verzweifelt und alleine herumirren. Erschöpft kuschelte er sich an seine Mama und schloss die Augen.
"Ich hab euch so doll lieb", murmelte der kleine weiße Bär noch einmal. "Ich hab dich auch lieb", lächelte der Vater. Einige Zeit später konnte man fünf weiße Schemen eng aneinander gekuschelt sehen, würde man es wagen in die Höhle zu blicken.

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Tag der Veröffentlichung: 07.01.2012

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