Cover

Ich habe in den letzten Tagen genug Zeit zum Nachdenken gehabt, um mein bisheriges Tun zu überdenken. Ich bereue keine meiner Taten, sei sie auch noch so unsinnig gewesen, waren die Verluste auch noch so hoch, der Gewinn noch so niedrig und ihre Rechtfertigung noch so weit hergeholt. Ich bekenne keine Schuld an den Dingen, die passiert sind und ich weigere mich, jene angebliche Schuld mir in die Schuhe schieben zu lassen. Nur weil ich zum schwächsten Glied gehöre und ein alberner Stempel mir dieses schöne Zimmer eingebracht hat, werde ich nicht meine Meinung aufgeben. Um meinen Willen zu brechen, reicht es nicht, mich alleine sein zu lassen, meine Rationen weiter zu rationalisieren oder die Grenzen zur psychologischen Folter zu berühren. Ihr könntet mir die Beine brechen, mich auf Nulldiät setzen oder mir die Apokalypse verkünden – es würde mich nicht einen Deut interessieren. Meine Meinung gehört mir, und ich lasse sie mir nicht nehmen. Lasst mich ruhig alleine, hier, in meinem hübschen Kämmerchen, mit den ewig weißen Kachelwänden, ohne Tageslicht, mit einer kalten Energiesparlampe an der Decke, einer Stahltür mit Guckloch, meinem liebevoll als Bett bezeichneten Matratzenimitats und den verdreckten sanitären Einrichtungen. Manche Arbeitsloser wohnt ebenso, also was soll das klagen? Das hier ist Zimmer 97. Die Hölle ist nur eine Straße weiter, das Fegefeuer gegenüber. Hört ihr dieses Lachen? Hört ihr dieses Lachen, dass von Wand zu Wand springt, immer im toten Winkel? Sie glauben es mir nicht. Sie glauben mir nicht, dass Er hier ist. Er ist hier, um mich zu holen, doch er bekommt mich nicht. Wenn es mir verwehrt wird, ein Leben mit eigener Meinung zu führen, dann lasse ich es mir erst recht nicht nehmen. Ich lebe aus reinem Trotz. Das hier ist Zimmer 97, Welt, wer acht Wochen hier überstanden hat, hat alles gesehen, alles durch- und erlebt, jede Schlacht ausgefochten. Das hier ist Zimmer 97, Isolationstrakt.

Impressum

Texte: Alle Rechte vorbehalten.
Tag der Veröffentlichung: 23.01.2009

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Für Dr. Wolfgang Perelius

Nächste Seite
Seite 1 /