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„Und? Ist das der Kerl?“
Der Zeuge zögert. Nur zu gerne würde er an der Tür der Zelle stehen bleiben; wirkt doch der mamertinische Kerker höchst beklemmend, und das nicht nur wegen seinen fensterlosen, feuchten Wänden aus nacktem Stein. Die Gestalt, auf die der Zeuge hingewiesen wurde, ist zwar auch vom Eingang aus unübersehbar; die einzige Fackel im Verließ schmaucht aber hinter jener Figur, und den Lichtschein von draußen blockiert die breitschultrige Gestalt des Fragestellers. Zudem kehrt der Gefangene der Tür gerade den Rücken zu; so betritt der Zeuge schließlich das Verließ. Dabei betrachtet er den Insassen, und sein Befremden entgeht seinem Begleiter nicht: „Was ist, Soldat? Noch nie gesehen, wie ein Mann gefoltert wird?“
Der Zeuge schüttelt den Kopf: „Schon oft, Herr. Unter Eurem Vorgänger als Praefectus Vigilum

, da habe ich auch selber gefoltert; meist mit Peitsche und Riemen. Wenn wir auf unseren nächtlichen Kontrollgängen Sklaven oder Händler mit offenem Feuer antreffen, da wird die Strafe oft gleich vor Ort vollstreckt. Aber so ...“
Darauf tippt er mit einem Finger die Figur vor ihm an. Diese beginnt hin- und her zu schwingen; oben schneiden sich die Fesseln tiefer in die Fußgelenke ein, bis es quietscht; unten stöhnt der Insasse schwach auf, und seine herabbaumelnden Arme zucken zurück, als sie letzte Glutnester in dem Aschehaufen unter ihm streifen.
„Ah, er lebt noch.“ folgert der am Türrahmen lehnende Kommandant. „Gut. Ja, die Idee ist neu; Präfekt Tigellinus nennt das Schmäuchen. Holz, nasses Laub, Schweine-Dung und anderes ... Qualmt und stinkt höllisch, wenn’s brennt! Erst recht, wenn man mit dem Kopf knapp überm Feuer hängt wie Räucherfisch im Kamin.“
Unterdessen hat sich der Zeuge zum Kopf jenes Unglücklichen hinabgebeugt: „Mal sehen. Ja, das ist wirklich Eutyches. Diese Figur; die Nase; die Narbe am Kinn ... Ich lernte ihn kennen, als wir bei Senator Serenus löschten; da brannte es im Vorjahr in der Küche. Er hier, er hat die Söhne des Senators gerettet; die unterrichtete er sonst. Aber der Zenturion, der mich holte, der meinte, er habe schon gestanden.“
Sein Vorgesetzter spuckt verächtlich aus: „Hat sich geradezu damit gebrüstet – und andere dazu aufgerufen, es ihm gleichzutun! Verdammter griechischer Ziegenbock ... Sagte der Zenturion auch, um was für eine Straftat es geht?“
„Nein; er tat sehr geheimnisvoll.“
„Gut. Bis jetzt wissen nur er und ich davon – abgesehen von dem Kerl da; eh klar ...“
„Wozu die Geheimniskrämerei? Und wenn er schon vorher gestand: Wozu dann die Folter?“
„Kennst die Gesetze Roms wohl nicht? Servis testimonii dictio ne esto, nisi per tormenta.

Das Geständnis eines Sklaven muss unter Folter widerholt werden. Und solch einen Fall, den übernehme ich als Präfekt der Stadt- und Brandwache auch gerne höchstpersönlich. Das ist also der Schreiberling aus der Taverne?“
Nach einem weiteren, widerwilligen Blick auf das Folteropfer nickt der Zeuge: „Ja, das ist er.“

*



Von einem wolkenlosen Himmel herab heizte das Tagesgestirn die Hauptstadt des Imperiums auf. Dennoch, fast überall entlang der engen Gassen, die sich am Hang des Quirinals entlang winden, herrschte Zwielicht. Nur an wenigen Stellen zwängte sich ein Sonnenstrahl-Bündel zwischen den fünf- bis siebengeschossigen Ziegelbauten hindurch zu den kleinen Läden, Kneipen und Buden, welche die Wege flankieren. So stahlen sich auch einige schüchterne Strahlen durch das einzige Fenster in die Kneipe des Eubulides. Gut die Hälfte des Lichtes schirmte der lange, schmale Rücken eines Mannes ab; die andere Hälfte illuminierte den Abschnitt einer Papyrus-Rolle, an welcher jener Mann gerade arbeitete, und einige wenige Strahlen spiegelten sich im griffbereiten Weinbecher. Das Gesicht des Mannes lag somit im Schatten. Auf einer Liege ruhte der einzige andere Gast; dieser blickte irgendwann zum Fenster raus auf die vorbeiquirlende Menschenmenge. Gleichzeitig tat dies der Schreiber, und erst da erkannte der andere Gast dessen Profil. Er stutzte, erhob sich und trat dann – etwas unsicheren Schrittes – an den Tisch jenes Mannes heran: „Sag, du bist doch ein Sklave von Senator Serenus? Der Grieche, der seine Söhne unterrichtet, nicht wahr? Deine Schreibarbeit da, warum machst du die denn hier?“
Ein wenig genervt blickte der Schreiber auf. Sofort bemerkte er, dass der Weinbecher, den der Zecher auf seinem Tisch abgestellt hatte, überzuschwappen drohte; somit zog er seine Schriftrolle zur Seite, ehe er antwortete. „Ja, ich bin Eutyches, Sklave von Marcus Vibius Serenus. Und du gehörst zur Brandwache, die im Vorjahr das Feuer in unserer Küche gelöscht hat.“
Der schon etwas angeheiterte Soldat grinste amüsiert: „Schau her; und ich dachte, jeder vergisst mich sofort. Anders als dich, so lang, dürr und rothaarig, wie du bist. Nimm’s mir nicht übel, mein Freund ...“
Der Sklave lächelte spöttisch, während er sich wieder an seine Schreibarbeit machte: „Nimm’s auch mir nicht übel, mein Freund: Aber es ist der Geruch, der dich verrät: Immer leicht angekokelt ...“
Der Soldat schnüffelte zuerst an seiner Tunika; dann lachte er lauthals auf: „Beim Dis, du hast recht! Das merk ich schon gar nicht mehr. Tja; schon heut früh, da mussten wir zwei Gassen weiter ein Feuerchen in einem Bordell löschen: Mal wieder zu viele Fackeln ... Zwei ausgebrannte Gemächer, aber das war’s; Glück gehabt. Dennoch; ein paar Becher Vatikaner, die braucht’s schon, um den Brandgeschmack runter zu spülen.“
Das brachte nun auch den Sklaven zum Grinsen: „Wein von den Hängen des Mons Vaticanus?

Wird Roms Brandwache wirklich so schlecht bezahlt, dass ihr euch nichts Besseres leisten könnt? Malvasier oder Falerner?“
Der Soldat lachte lauthals auf: „Falerner? Bestenfalls zu den Saturnalien! Und selbst vom Vatikaner, da sind’s ein Fünftel Wein, vier Fünftel Wasser. Ist nur zum Durstlöschen; ein Dutzend Becher braucht’s da schon! Und bei dem Wetter, da muss ich noch stehen können: Wird nicht der letzte Einsatz gewesen sein heute ...“
„Was hat das mit dem Wetter zu tun?“
„Na, was schon? Es ist heiß; es ist trocken; da gibt’s fast jeden Tag ein Feuerchen hier in der Subura

oder- Aber sag, was kritzelst du da? Mit meinem Griechisch, da ist’s nicht weit her, aber- Nanu; du schreibst ja auf die Rückseite!? Kompliment; sieht trotzdem besser aus als das Geschreibsel vorne!“
Unterdessen hat der Soldat nämlich beide Seiten des Schriftrollen-Endes inspiziert, das über das Tischende hinab hing; dabei hat ihn zuerst befremdet, dass der Papyrus beidseitig beschriftet ist. Der Sklave strich daraufhin die Rolle erst einmal vorsichtig glatt, ehe er weiter schrieb. „Das sind Schreibübungen. Würden die Söhne des Senators heute noch so kritzeln, bekämen sie den Rohrstock zu spüren! Das waren sicher Kinder irgendwelcher Neureicher.“
„Wie kommst du drauf?“
„Sieh doch: Erst kaufen sie das teure Papyrus und lassen die Kinder ihren Homer auf die gute, glatte Seite abschreiben; dann aber sind sie nicht zu stolz, die gebrauchte Rolle für ein paar Sesterzen an Isokrates zu verscherbeln. Ich kenne den Typus; einige sind Klienten des Senators.“
Das amüsierte wiederum den Zecher: „Ah ja, Isokrates; der Alt-Papyrus-Händler beim Circus Maximus

. Den kenn’ ich; den kenn’ ich nur zu gut!“
Der Schreiber stutzte: „Woher denn das?“
„Na, was denkst du? Das ist jetzt mein zehntes Jahr bei der Brandwache, und bisher, da hat’s noch jeden Sommer im Lager vom Isokrates gebrannt. Wen wundert’s: Stapelweise trockenes Papyrus in einer stickigen Kammer ... Wir konnten aber immer rasch löschen; den Göttern sei Dank! Und heuer ist noch nichts passiert. Vielleicht hat er endlich Wasser bereit stehen, wie das schon seit Caesar Augustus Vorschrift ist!“
Der Sklave blickte daraufhin den Soldat einige Momente nur starr an. Sobald letzterem dies unangenehm ward, untersuchte er lieber wieder die Schriftrolle: „Aber was schreibst du denn da nun? Und warum jetzt und hier, in dieser billigen Taverne?“
Erschrocken ob seines eigenen Starrens nahm Eutyches daraufhin seine Schreibarbeit wieder auf: „Ach, das ist nur ein Schreiben an einige Freunde. Mein Herr sieht’s nicht so gern, wenn ich mal nicht für ihn arbeite; so habe ich nur zur Mittagszeit ein, zwei Stunden Zeit, wenn er im Senat ist. Da hat’s hier gerade gutes Licht zum Abschreiben – und eben extra billigen Wein!“
„Trinkst du also auch den Vatikaner? Und unverdünnt, wie’s aussieht? Und ich dachte, ich

wäre hier der Zecher!“
Mit einem hintergründigen Lächeln nahm der Sklave einen Schlückchen zu sich; dann replizierte er: „Wird denn auch der Saft des Lebens verdünnt, so wie man den Saft der Reben zu verdünnen pflegt?“
„Hä? Saft des ... was?“
„Saft des Lebens. Blut, meine ich. Ach, ihr Römer ... Ich bin zwar hier geboren, ein Sohn von aus Hellas verschleppten Sklaven, aber so ganz werde ich euch sicher nie verstehen. Wein scheint euch zu kostbar, als dass er pur getrunken werden könnte, aber Blut vergießt ihr so nachlässig wie Wasser.“
„Aha? Nun ja; Blut, das trinkt ja auch keiner.“
Der Schreiber nickte nur. Während sich der Zecher darauf einen großen Schluck Wein zu Gemüte führte, beendete sein Gegenüber eine Spalte. Somit rollte er die Rolle ein Stück weiter auf, und ehe er die Feder wieder zur Hand nahm, nippte er erneut an seinem Becher. Der Brand-Wächter nahm dies grinsend zur Kenntnis; dann aber fiel ihm etwas auf: „Abschreiben, meintest du? Und wo ist die Vorlage?“
Lächelnd tippte der Grieche an seinen Schädel: „Die kenne ich längst auswendig.“
Staunend betrachtete der Römer den schon mehr als zwei Ellen langen, eng beschrifteten Teil der Rolle. „Ihr Griechen ... Mir geht’s wie dir; ich meinerseits, ich werd’ euch

nie verstehen!“
Nun grinste auch der Grieche: „Zerbrich dir nicht den Kopf, mein Freund! Und wegen Isokrates ... Dieses Jahr brannte es bei ihm also noch nicht? Als ich vorgestern da war, konnte ich einen raschen Blick in sein Lager werfen; das war ziemlich voll. Und bei dem Wetter ...“
Sein Gegenüber nickte: „Mögen die Götter seinen Laden schützen! Schließlich ist gleich nebenan das Bordell der Priscilla ...“
Und als Opfer an die Götter goss er ein, zwei Schluck aus seinem Becher auf den Boden. Der Sklave verfolgte, wie der Wein im Lehmboden versickerte; dann griff er mit einem spöttischen Lächeln zu seinem eigenen Becher: „Toúto gár estin tó aímá mou tis diathíkis tó perí pollón ekchynnómenon eis áfesin amartión.“


„Hm? Was?“
„Ach, nur ein Zitat, das mir einfiel. Tja, wenn der Vatikaner die Götter nicht gnädig stimmt, was dann?“
Damit leerte er seinen Becher in einem Zug.

*



Als der Soldat seinen Report beendet hat, zieht der Präfekt eine Schriftrolle aus seinem Waffengurt hervor: „Ist das der Text?“
Der Soldat nimmt die Schrift entgegen, entrollt sie und besieht sie von beiden Seiten: „Vorne etwas krakelig beschrieben, hinten aber sehr sauber; schon recht abgenutzte Ränder ... Ja, das dürfte sie sein. Wo habt Ihr die her?“
„Aus dem Domus

des Vibius Serenus. Konnten sie gerade noch retten, ehe alles abbrannte.“
Der Zeuge rollt die Schrift wieder zusammen und reicht sie dem Präfekt zurück. „Wenn damit also alles geklärt ist ... Was hat der Mann denn so Gefährliches geschrieben, dass man mich deswegen holt – und gerade jetzt? Verzeiht, aber da draußen, da brauchen wir jetzt jeden Mann.“
Der Präfekt blickt den Soldaten scharf an: „Wohl gar nichts vom Text gelesen, wie?“
„Wie ich sagte: Mein Griechisch, das ist nicht so toll.“
Darauf entrollt der Präfekt die Schrift wieder, doch um sie lesen zu können, muss nun auch er in die Zelle und unter die Fackel treten. „Mal sehen; wie übersetze ich das ... ‚Wie viel Herrlichkeit und Üppigkeit sie gehabt hat, Babylon, die Große, so viel Qual und Leid schenkt ihr ein! Denn sie spricht in ihrem Herzen: Ich throne hier und bin eine Königin und bin keine Witwe, und Leid werde ich nicht sehen. Darum werden ihre Plagen an einem

Tag kommen, Tod, Leid und Hunger, und mit Feuer wird sie verbrannt werden, denn stark ist Gott der Herr, der sie richtet. Und es werden sie beweinen und beklagen die Könige auf Erden, die mit ihr gehurt und geprasst haben, wenn sie sehen werden den Rauch von ihrem Brand, in dem sie verbrennt.’ Und so weiter. Kommt aus Patmos, von einem gewissen Jochanaan, und Babylon, das meint wohl Rom. Drei Kopien fanden wir in der Kammer des Sklaven; zehn oder zwölf bei anderen Festnahmen.“
Der Zeuge braucht einige Momente, ehe er antworten kann: „Und all das, das hat dieser Sklave geschrieben? Was ist denn das für ein Zeug?“
Während er die Schrift wieder einrollt, tritt der Präfekt nun neben den immer noch leicht baumelnden, schwach stöhnenden Gefangenen: „Gehört wohl zu einer neuen jüdischen Sekte, der Kerl; ebenso jener Jochanaan. Meint jedenfalls Präfekt Tigellinus.“
„Ach, diese Anhänger des ... Wie war der Name? Chrestus oder so?“
„Oder so. Aber fiel dir am Inhalt nichts auf?“
Der scharfe Blick des Präfekten verunsichert den Soldaten nun doch ein wenig: „Ziemlich wirres Zeug halt; wie üblich bei diesen Mysterien-Kulten.“
„Es geht um Feuer.“ präzisiert der Präfekt. „Ziemlicher Zufall, was?“
Die Ironie war unüberhörbar, und nun begreift der Soldat: „Feuer ... Bei allen Göttern; Ihr meint doch nicht, dieser Eutyches, der hat nach meinem Geplauder dann ...“
„Die Prätorianer erwischten ihn – noch mit der Fackel in der Hand, und Brand-Reden schwingend – wortwörtlich! Jetzt rat mal, wo!“
Immer kleinlauter wird der Zeuge: „Bei Isokrates, nahe beim Circus – da, wo gestern der Brand begann ...“
„Verdammt richtig, Soldat: Eure Kneipen-Plauderei brachte den Mann auf dumme Gedanken – schrecklich dumme Gedanken! Einer aus meiner Truppe, einer von der römischen Brandwache mitschuldig an der größte Brandkatastrophe ab urbe conditia!

Hätte gute Lust, dich gleich neben dem Kerl da aufzuhängen.“
Der Zeuge muss mehrfach schlucken, als er sich erneut nach dem Folteropfer umsieht, auf das der Präfekt deutet. Ehe er etwas erwidern kann, fährt sein Vorgesetzter fort: „Andererseits: Ich hab’ wenig Lust, all das Tigellinus zu erklären – oder gar dem Erhabenen Nero! Die werden froh sein, wenn sie wen haben, dem sie die Schuld geben können an diesem Desaster. Diese Tavernen-Geschichte bleibt unser kleines Geheimnis, klar? Bin mir sicher, dieser Eutyches, dieser Möchtegern-Herostratos wird seinen Ruhm auch kaum mit dir teilen wollen. Die zwei Dutzend von der Sekte im Verließ gegenüber nahmen die Prätorianer in der Subura

fest. Haben wohl gerade ihren Ritus vollzogen mit Brot und Wein; das wollten sie wohl in Fleisch und Blut verwandeln.“
„Wein in Blut ... Seid Ihr sicher?“
„Meinte jedenfalls der Zenturion, der das Haus stürmte: Der hörte wohl schon von der Sekte; er probierte das Zeug, und er war fast enttäuscht: War ganz normaler Wein. Fast

enttäuscht; immerhin Malvasier, und unverdünnt! Der Kerl fand das schrecklich witzig.“
„Dafür ist Vatikaner also nicht

gut genug.“ murmelt darauf der Zeuge. Ehe der Präfekt nachfragen kann, was er meine, stürmt ein weiterer Angehöriger der Brandwache in das Verließ: „Weg; flieht; sofort: Der Bau ist verloren! Wir- Verzeiht, Herr: Aber am anderen Ende brennt der Kerker schon!“
Erst auf den zweiten Blick hat der Mann seinen Vorgesetzten erkannt, und dessen Laune verbessert dies nicht gerade: „Haltung, Mann: Und ordentliche Meldung, wenn ich bitten darf! Also; wie sieht’s draußen aus?“
„Melde gehorsamt: Der Tempel der Vesta ist gerade eingestürzt; die Basilica Julia

brennt.“
„Schon? In Ordnung, Soldat: Abtreten! Na, was soll’s: Gehen wir!“
Der Soldat eilt davon; der Präfekt folgt ihm gemessenen Schrittes, und der Zeuge schickt sich an, es ihnen gleichzutun. Als er bereits in der Tür steht, hört er aber erneut den Sklaven stöhnen: „Herr, was ist mit ihm?“
Der Präfekt zögert einen Moment; dann tritt er neben den Zeugen und blickt eher widerwillig ein letztes Mal auf den Gefangenen. Dieser öffnet nun die Augen, und wie er den Präfekten bemerkt, verzerrt sich seine Mine zu einem blutigen Grinsen: „Ja, zittert, ihr Römer; wehe euch Götzendienern: Ihr werdet vom Wein des Zornes Gottes trinken, der unverdünnt eingeschenkt ist in den Kelch seines Zornes, und ihr werdet gequält werden mit Feuer und Schwefel. Und der Rauch von eurer Qual wird aufsteigen von Ewigkeit zu Ewigkeit! Denn deine Fürsten sind wie brüllende Löwen, wenn sie rauben; sie fressen Menschen, reißen Gut und Geld an sich und machen viele zu Witwen im Lande. Deine Mächtigen sind wie reißende Wölfe, Blut zu vergießen und Menschen umzubringen um ihrer Habgier willen. Das Volk des Landes übt Gewalt; sie rauben drauf los und bedrücken die Armen und Elenden und tun den Fremdlingen Gewalt an gegen alles Recht. Darum schütte ich meinen Zorn über sie aus, und mit dem Feuer meines Grimmes machte ich ihnen ein Ende, spricht Gott der Herr.“
Der Präfekt war ein, zwei Schritt zurückgeschreckt, als die Kerkerwände von der Brandrede des Gefangenen widerhallten. Er bekommt sich aber rasch wieder in den Griff, sobald jener Fluch in ein atemloses Röcheln mündet. „Brauchen wir noch ein ausführlicheres Geständnis? Und du weißt wohl, welche Strafe das Recht Roms für Brandstifter vorsieht?“
Der Zeuge nickt langsam: „Verbrennen; Feuer für Feuer! Nun, mir soll’s recht sein: So nimmt er ‚unser kleines Geheimnis’ mit ins Grab – und ihren seltsamen Kult gleich mit.“
„Dein Wort in Jupiters Ohr!“ knurrt der Präfekt, ehe er im Gehen aus alter Gewohnheit die Zellentür zuwirft.

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Tag der Veröffentlichung: 23.08.2012

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