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Mira und Hox

„Komm“ flüsterte sie. Leise, fast unhörbar war sie an sein Nest geschlichen. „Komm, machen wir Piro eine Freude“. Sie lächelte. Er kniff seine Augen fest zu und wusste doch, dass sie keine Ruhe geben würde. Piro, immer nur Piro. Seitdem dieses verfluchte Kelpie Miras Lieblingsraben vor einem Fuchs gerettet hatte, war Mira von dem dringenden Wunsch besessen, sich zu revanchieren.
Womit erfreut man das Herz eines Kelpies? Noch dazu, wenn man eine kleine Elfe ist, ohne allzu große Zauberkraft? Richtig, man bringt ihm das, was es mag. Kelpies mögen Menschen. Junge und Kräftige gefallen ihnen am besten. Dann halten sie länger. Sie verzaubern die Menschen und diese bleiben dann für immer bei ihnen.Da Kelpies wie wunderschöne schwarze Pferde aussehen, fällt es ihnen leicht Menschen zu verzaubern. Nur haben sie Probleme, welche zu finden, die allein daher kommen, denn nur dann gelingt ihnen der Zauber.

Hox schob die Blätter beiseite und kletterte langsam aus seinem Nest. „Warum kannst du es nicht allein machen“, nörgelte er. „Was ist wenn ich gefangen werde?“, entgegnete Mira empört. „Du weißt, wie die Großen sind!“ Ja, wusste er. Deshalb ging er ihnen aus dem Weg, wann immer möglich. Er gehörte nicht zu denen, die Spaß daran fanden, in Menschenwohnungen einzudringen, um Sachen zu stehlen, zu verstecken oder Milch zu säuern und Getränke umzuschmeißen. Menschen waren groß und stark und dumm. Das wusste jeder. Leider waren sie auch gefährlich und deshalb sollte man sie nicht unterschätzen.
Schabernack war die eine Sache, jemanden zu den Kelpies zu bringen, eine andere. „Kann sein, dass es verboten ist, Menschen zu entführen?“ Versuchte er ein letztes Mal Mira von ihrer Idee abzubringen. „Papperlapapp“ beschied sie ihm. „Wir locken ja niemanden in den Tod. Wir locken ihn oder sie nur an den See. Wenn sie blöd genug sind, sich auf ein fremdes Pferd zu setzen, und dann für immer bei diesem Pferd bleiben müssen, ist das ja nicht unser Problem“. Sie kicherte. Es half also nichts. Seufzend suchte er seine Tarnkleidung und dann flogen sie gemeinsam los.
Sie mussten nicht lange fliegen, da sahen sie den Ersten der Großen. Langsam bewegte er sich vorwärts. Mira flog ein paar Mal um ihn herum und zupfte ihn an seinen langen weißen Haaren. Der Große reagierte kaum. „Das ist ein altes Exemplar. Denkst du Piro will so einen?“ Hox schnaubte abfällig. Mira riss dem alten Mann den Stock aus der schwachen, zittrigen Hand. Der Alte zappelte und schimpfte laut. Hox lachte. „Komm weiter, Mira, da hinten sind welche!“
Hox flog voran und Mira folgte ihm. Die Menschen saßen um ein Lagerfeuer und sangen. Mira und Hox setzen sich auf einen Zweig und hörten eine Weile zu. Die Menschen waren in ihren Gesang vertieft. Den beiden Kleinen wurde es langsam langweilig. Sie flogen erst einmal zu den Zelten. Die Zeltstangen waren ziemlich gut befestigt. Sie brauchten eine ganze Weile, bis sie diese genug gelockert hatten, so dass sie bei der geringsten Belastung zusammenbrechen würden. Stolz betrachteten sie ihr Werk. Die Menschen fingen jetzt auch noch an zu tanzen. Wie plump sie doch wirkten. Mira schaute ihnen missmutig eine Weile zu, währenddessen Hox mit seiner Klinge kleine Löcher in die Zelte schnitt.
Endlich waren die Großen fertig. Sie bewegten sich zu einem Tisch, auf dem Speisen standen. Die wollten doch wohl nicht noch essen? Langsam wurde Mira ungeduldig. Da, ein Mensch entfernte sich und ging ein paar Schritte in den Wald. Hox und Mira grinsten sich freudig an. Der Große erleichterte sich an einem Baum und als er sich umwandte, um zurückzukehren, flatterte plötzlich ein wunderschöner Falter vor ihm. Die Flügel glitzerten wie pures Gold. Den musste er haben. Es bereitete Mira keine Mühe den Großen zu locken. Hox beobachtete belustigt, wie der Mensch unbeholfen versuchte Mira einzufangen. Es dauerte nicht lange und sie standen am Ufer des Sees. Hox flog zum Wasser und wunderte sich, wie schnell Piro auftauchte. Das schwarze Pferd stieg aus den Fluten auf, schüttelte sich und trabte elegant ans Ufer. Der Mensch wandte seinen Blick von Mira, deren Goldflügel schon verblassten, zu dem Hengst. Mit offenem Mund bestaunte er das schöne Tier, das zutraulich zu ihm kam, um sich streicheln zu lassen. Hox sprang unsichtbar auf die Schulter des Mannes um ihm den Lockgesang vorzusingen. „Steig auf, steig auf, das Ross ist dein, du wirst…du wirst…mit ihm so glücklich sein“. Der Mann schwang sich auf Piros Rücken, der mit ihm ein paar kleine Runden drehte. Das Gesicht des Menschen leuchtete verzückt, als Piro mit ihm zurück in den See ging.
Es dauerte fast eine Stunde, bis Piro zu ihnen zurückkehrte. Er lächelte glücklich. „Vielen Dank für den neuen Freund, den ihr mir gebracht habt“.

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Tag der Veröffentlichung: 27.03.2012

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