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Begleiten Sie mich zurück in das Jahr 2039, in einen x-beliebigen italienischen Ort. (Ich hätte Sie ebenso gut bitten können, mir nach Timbuktu oder Road Town auf Tortola zu folgen, aber ich kann Ihnen versichern, dass es nicht den geringsten Einfluss auf das Geschehen haben würde.)

Jetzt, wo ich Sie dort habe, wo ich Sie haben will, sehen Sie zwangsweise auch das, was ich will, dass Sie es sehen. Einen dieser ehemals idyllischen kleinen Orte, in welchen die Menschen seit Jahrzehnten strömen, um dem miefigen Chaos der Großstädte zu entfliehen. EHEMALS idyllisch deshalb, weil (der Logik folgend), kleine idyllische Orte auf Dauer nicht klein und idyllisch bleiben, wenn tausende Großstädter mit Kind und Kegel, Kram und Krempel, bleiben wollend einfallen.
Die ortsansässigen, ehemals fast seriösen Bauunternehmer wurden schnell zu Bauganoven, der Kampf um die Grundstücke wurde bald nicht mehr nur mit den Ellenbogen ausgefochten. Da, wo sich reizende Casas in blühenden Gärten unter Palmen duckten, rückten immer häufiger Abrissbirnen und schweres Baugerät an, und bald duckten sich die Palmen unter Häusern. Man folgte der einfachen Rechnung: "Je kleiner die Grundstücke, desto höher die Gebäude." Und die euphorisch flüchtenden Landliebhaber merkten nicht, dass sie wieder übereinander gestapelt wurden.
Nun, da Sie dieses Gesamtbild vor Augen haben, widmen wir uns den Details. Sehen Sie diese große Straße da vorne? Nichts erinnert mehr an den vormals holprigen Landweg, gesäumt von Olivenbäumen. Fein säuberlich asphaltiert und gut bestückt mit Straßenlaternen, fand nun jeder ehemalige Städter mit Leichtigkeit sein Haus, falls er durch das Verkehrschaos überhaupt bis dahin kam. Für ihr neues Landleben nahmen die "Stopandgogestählten" auch das in Kauf. Da standen sie nun, die Zwanzigstöckigen, fein säuberlich in Reih und Glied und nichts stünde der Ebenmäßigkeit der neuen Ländlichkeit im Weg, würde nicht ausgerechnet in diesem kleinen Ort, (welcher auch in Timbuktu oder Road Town auf Tortola sein könnte), ein Mann Namens Jacob Nomus gelebt haben. Heben Sie die Köpfe, folgen Sie der Skyline, weiter und weiter und ... ja, ich verstehe Ihr Entsetzen. Diese Disharmonie hätte nicht sein sollen, nicht sein DÜRFEN. Aber besagter Jacob Nomus scherte sich nicht darum, dass seine Casa, die sich noch immer demütig-kitschig unter Palmen duckte, mit ihrer lächerlich-peinlichen Einstöckigkeit besagte Skyline abrupt unterbrach.
Kein Argument mit einigen Nullen hinten dran, kein Druck und erst recht keine Drohungen, konnten den sturen 71-jährigen zum Verkauf seines Grundstücks bewegen. Ohne Grundstück keine weiteren Gewinne und das Straßenbild war obendrein versaut. Ungefähr so:

Frau Fabiana Fabulus, dieser Name spielt eine wichtige Rolle, wenn ich nun endlich auf die Geschehnisse jener Nacht zu sprechen komme, über welche noch heute gemunkelt und vor allem spekuliert wird.
Besagte weibliche Person bewohnte im rechts angrenzenden, regelkonform gebauten Hochhaus, eine links liegende Wohnung im 13. Stock. Wenn man bei einem stark verrenkten Hals von Ausblick sprechen darf, dann hatte sie einen solchen vom Balkon aus ... auf den Stein des Anstoßes. Für eine 80-jährige verrenkte sie sich gefährlich häufig die knirschenden Wirbel. Nicht nur ihr hohes Alter hielt "sehende" Nachbarn davon ab, Böses zu denken, sondern mehr noch die Ex-Städter-Art, sich prinzipiell nicht übermäßig um Mitbewohner zu kümmern. So wusste auch später keiner mehr zu berichten, wann die Alte einzog, geschweige denn, wieso man sie nach besagter Nacht nie wieder sah.
Jeder Nacht geht ein Abend voraus und so konnte man im Vorfeld jener im Jahre 2039, die alte Fabulus auf ihrem Düsenator (Nachfolger des Rollators), ca. 20cm über dem Asphalt, durch besagte Straße schlenderdüsen* sehen.
(Anm. der Autorin: *schlenderdüsen - umgangssprachlich für Fortbewegung mittels Düsenator, im 1. Gang)

Am Tor der lächerlich einstöckigen Peinlichkeit des sturköpfig-quertreibenden Jacob Nomus, schaltete sie in den Leerlauf, um es direktemang zu bedauern. Der Düsenator hatte sich, (seines Antriebs beraubt), um 20cm gesenkt, so dass die altersbedingt schwer geschrumpfte Dame statt über den Zaun in den Briefkastenschlitz starrte. Das war dumm und keineswegs geeignet, Neugier zu befriedigen. "Soll ich etwa ...?", murmelte sie, schaute verstohlen nach rechts, nach links und ... schlug kräftig auf einen roten Knopf mit der Aufschrift: "Achtung, Stauchungsgefahr!"
*
*
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Es war Nacht als Frau Fabulus ihre Wirbel endlich in die ursprüngliche Lage gebracht hatte, ABER sie war auf der anderen Seite des Tors. Ein nicht wirklich auf Antwort hoffendes "Hallo?Herr Nomus?", blieb unbeantwortet. Schelmisch grinsend schaltete sie auf "schleichdüsen" und schwebte zur Rückseite des Hauses.

Jacob Nomus stellte die dampfenden Spaghetti auf den Tisch und wartete sehnsüchtig auf das "Dingding" seiner fast prähistorischen Mikrowelle, in welcher sich eine halbe Pizza auf exakt 75° Kerntemperatur erwärmte. Verrechnete man die Zeit für das Herausnehmen und den Weg zum Tisch, blieb ihm eine anfängliche Esstemperatur von 65°. Diese Formel war eine der wenigen NICHT-Konstanten in seinem Leben, da sie (altersbedingt) Jahr um Jahr neu berechnet werden musste. "Ich werde schon wieder langsamer", knurrte er, als seine Lippen beim ersten Biss 64,93° an das Gehirn weitergaben. Just in dem Moment, in welchem er den Mund erneut öffnete, vernahm er ein leises Klirren. Zeitlebens auf Perfektionismus trainiert, ortete Jacobs Innenohr den Keller als Geräuschquelle. Ein Blick zu Pizza und Spaghetti, einer zur Kellertür ... das Abendbrot verlor. Als logischer Mensch verzichtete Herr Nomus auf Lampen im Keller, da es jeder (oder besser seiner!) Logik widersprach, nach Einbruch der Dunkelheit in einen Keller zu gehen. Für den bisher noch nie da gewesenen Fall es doch tun zu müssen, gab es eine 6-Stunden-Kerze im Haus. Er hatte sich bei einer jeweils zehnminütigen Brenndauer errechnet, dass er damit für 36 unvorhergesehene Zwischenfälle gerüstet sei. An diesem Abend benutzte er die Kerze zum ersten Mal in den 21 Jahren, seit er das Haus gekauft hatte und ihn belustigte der Gedanke, wie alt er werden müsse, um die Kerze aufzubrauchen. Im Keller überraschte Jacob der Anblick einer zerbrochenen Fensterscheibe. "Nasowasaberauch", wunderte er sich, und selbst als er diesen kleinen lehmartigen Klumpen unter dem Fenster sah, vermutete der alte Mann nichts Böses, da böse Vermutungen nicht in seine Lebensphilosophie passten. Und die lautete: 'Alles und jeder hat eine gute Seite, auch wenn es auf den ersten Blick nicht immer so scheinen mag.' So freute er sich über die klare Sicht in den Abendhimmel, der ihm verriet, dass kein Regen zu befürchten sei. Herr Nomus sah auf das kaputte Fenster, dachte an die (jetzt auf etwa 35° abgekühlte) Pizza ... das Abendbrot gewann.

Eine halbe Stunde später.

Frau Fabiana Fabulus füllte ihren sprechenden Wasserkocher, welcher sich prompt artig bedankte, dann sortierte sie verschiedene Teesorten in ein edles Holzkästchen, strich die blütenweiße Schürze glatt und warf einen kritischen Blick in den Spiegel. "Urzeitrelikt!", giftete sie ihr Spiegelbild an, zog ihm ein dämliche Grimasse und wuchtete ihr transportables Sauerstoffgerät in die dafür vorgesehene Halterung am Düsenator. 'Man kann ja nie wissen', dachte sie, 'immerhin bin ich 80 und Kettenraucher.' Wie zur Bestätigung wurde sie von einem rasselnden Hustenanfall gebeutelt, welcher schlagartig verstummte, als Sirenen ertönten. Erstaunlich flink trippelte die Alte auf den Balkon und sah 13 Stockwerke tiefer Männer von einem Löschfahrzeug springen, zwei Polizisten Neugierige zurückdrängen und gaaanz weit hinten sah sie (Dank der gutbeleuchteten Straße) einen Krankenwagen heran rasen. "Ach du heilige Scheiße!", brüllte sie undamenhaft, schwang sich auf den Düsenator, haute auf den Knopf "Stufen - abwärts" und düste auf stärkster Flamme 13 Etagen runter, raus aus dem Haus und wäre kaum zum Stehen gekommen, hätten nicht zufällig die beiden Polizisten im Weg gestanden. (Anmerkung der Autorin: Zum Glück traf sie die beiden so unverhofft ins Kreuz, dass, als sie Stunden später im Garten des Herrn Nomus gefunden wurden, keiner von beiden eine Täterbeschreibung abgeben konnte.) Kaum stand Frau Fabulus, drehte sich einer der Gaffer zu ihr rum und fragte mit aufgerissenen Augen, "haben Sie auch gerade etwas fliegen sehen?" "Trinken sie künftig weniger, junger Mann", rügte Frau F. mit strengem Blick und schwebte in dem Moment durch das nun offene Tor, in welchem zwei Feuerwehrmänner den sich sanft sträubenden und heftig hustenden Jacob Nomus aus dem brennenden Haus führten. "Meine Bücher, meine Aufzeichnungen, mein ganzes Leben!" konnte Fabiana trotz Wasserrauschen hören. Die Lebensretter brüllten (Anmerkung der Autorin: Warum glauben eigentlich alle jungen Menschen, dass alle alten Menschen schwerhörig sind???), dass da nichts mehr zu machen sei und er für sein Leben danken solle. Das sah Herr Nomus dann auch ein und setzte zur Dankesrede an, als Frau Fabiana Fabulus haarscharf vor seiner Nase zum Stehen kam. Ein Blick über die Schulter sagte ihr, dass es allerhöchster Transrapid sei, da sich der Rettungsarzt gerade einen Weg durch die Schaulustigen bahnte und die Sanitäter eine Trage aus dem Krankenwagen zerrten.
"Kommen Sie mit!", sagte sie im Befehlston zu dem verdatterten Herrn Nomus.
"Düsen Sie bitte aus dem Weg, der Mann braucht ärztliche Hilfe!", ranzte der Feuerwehrmann Frau F. an.
"Sehen Sie, was das hier ist?", fragte Frau F. und deutete auf ihre blütenweiße Küchenschürze.
"Eine weiße Schürze", antwortete der Feuerwehrmann wahrheitsgemäß.
"Und was tragen Ärzte?", fragte sie triumphierend.
"Weiße Kittel!", rief der Feuerwehrmann und freute sich, alle Quizfragen beantworten zu können.
(Der Rettungsarzt hatte sich fast durch die Schaulustigen gekämpft)
"Und ich bin ÄrztIN also trage ich eine Schürze. Jetzt geben Sie mir den Mann, er braucht dringend Sauerstoff!"
Freundlicherweise hustete Herr Nomus gerade sehr heftig, Frau Fabiana stülpte ihm mit der linken Hand den Beatmungsbeutel über das Gesicht, während sie mit der rechten den Düsenator in Gang setzte. Der Rettungsarzt kam wild gestikulierend auf sie zu, und die Fabulus gab Gas. Herrn Nomus' Füße verloren jegliche Bodenhaftung, doch Dank Beatmungsbeutelband am Hinterkopf und der linken Hand von Frau F. im Genick, blieb er trotz steigender Geschwindigkeit neben dem Düsenator ... wenn auch in der Horizontale.
Im Zickzack-Kurs ging es durch die (immer noch vom Feuer abgelenkten) Schaulustigen, zwischen denen zwangsweise das Tempo vermindert werden musste, was wiederum physikalische Auswirkungen auf den blau anlaufenden Nomus hatte (Frau F. hatte vergessen die Sauerstoff-Flasche aufzudrehen). Das verringerte Tempo brachte Herrn Nomus also kurzzeitig aus der Horizontale in eine Schräglage, was zur Folge hatte, dass seine Schuhspitzen über den Asphalt schrappten, bedenklich zu qualmen anfingen und ... nur seine ungünstige Position verhinderte, dass er dankbar zu Frau F. aufschaute - wann hat denn ein 71-jähriger mal warme Füße?!
Kurz darauf hatten sie die Meute hinter sich. Frau F. düste mit ihrer Last elegant durch die offene Haustür und ließ den gebeutelten Herrn Nomus auf die 1. Stufe plumpsen. Erwartungsvoll sah sie ihn an.
Nichts.
"Na", sie stupste ihn, "nu sagen Sie was!"
Warmfüßig, blaulippig und von übel klingendem Husten geschüttelt, krächzte der alte Jacob: "Ich will ins Krankenhaus. Sofort!"
"Nein, das meine ich nicht, nu sagen sie es schon!", drängelte die Fabulus.
"Rauch...ver...gif...tung", ächzte Nomus.
"Spielverderber!", keifte die Alte, musterte finster den gestrichenen Hausflur und schlug sich an die Stirn.
"Aaaaaaarghhh ... die Fliesen fehlen. Sie können es nur mit Fliesen!!!"
Herr N.: "Hä?"
Frau F.: "Sie sind eine Enttäuschung, Jacob. Unflexibel!!. Naja, Mann eben."
Herr N.: "Wwwas?"
Frau F.: "Es sind die Stufen! Verstehen Sie, Die STUFEN! Sehen Sie hin, acht Stufen bis zum 1. Absatz, plus noch mal acht. sind 16 pro Etage. Na, klingelts? Nein? Menschenskinder, Nomus! Bequemste Stufenhöhe 17cm, multipliziert mit 16 pro Etage, ergibt 2,72 Höhenunterschied mal 20 Stockwerke sind 54,4 Meter und das macht?!
HerrN: "320 Stufen." Hauchte es, verdrehte die Augen und ... Frau Fabiana drehte jubelnd die Sauerstoff-Flasche auf.
"Jawoll, DAS ist Jacob Nomus, ich weiß alles über Sie, mein Sohn hat mich bestens informiert, und jetzt gibt es zur Belohnung ein Tässchen Tee."
Griff ins Genick, Gas geben, Horizontale bis 13. Stock. Herr Nomus landete unsanft in einem Ohrensessel, die Fabulus spendierte noch ein Schlückchen Sauerstoff, anschließend eine Tasse feinen Sencha Grüntee.
Frau F. füllte sich ebenfalls eine Tasse, drehte den Sauerstoffregler zu, hockte sich in den zweiten Ohrensessel, wirkte jedoch um einiges entspannter als ihr Gegenüber.
Sie beugte sich vor, legte mütterlich eine Hand auf Jacobs Knie und sagte: "Sehen Sie, nun wird alles gut. Jetzt, wo dieses peinliche Häuschen abgefackelt ist, können Sie endlich verkaufen, die Skyline wird bald keine disharmonische Lücke mehr haben, Sie dafür viel Geld. Dann können Sie ..."
"Moooooment!" Herr Nomus hustete erneut sehr heftig, schlug die runzlige Hand von seinem Knie und setzte sich ruckartig auf.
"Wovon reden Sie?! Ich habe nicht die Absicht, zu verkaufen! Das war mein Traumhaus, dafür habe ich hart gearbeitet. Es wird wieder aufgebaut, schließlich kommen irgendwann noch eine Frau und ein bis zwei blonde Kinderchen.Wer sind Sie überhaupt und was geht hier vor?"
"Ich bin Fabiana Fabulus", antwortete Frau Fabiana Fabulus, "und habe einen kleinen Brandsatz mit Zeitschaltuhr in ihren Keller geworfen. Und Sie sind ein alter Mann, der sich gerade lächerlich macht."
"Mache ich mich nicht. Alles zu seiner Zeit, Frau Fabulus." Irgendwie fehlte Frau F. etwas. "Ähhh, ich habe einen Brandsatz in ihren Keller geworfen!"
Herr N.: "Das sagten Sie bereits."
"Und warum sagen Sie dann nichts dazu?"
"Weil es keine Rolle spielt. Ich bin auf der Kellertreppe gestolpert, mir fiel die Kerze aus der Hand, und dann brannte das Haus ab."
"Dann bin ich ja gar keine Brandstifterin", schmollte Frau F., was Herr N. heftig hustend und nickend bestätigte, dann versuchte er, den Sauerstoffregler aufzudrehen. Die Fabulus schlug ihm auf die Finger. "Erst unterschreiben!"
Sie warf ihm einen Vertrag und einen Stift auf den Schoß, schnappte den Düsenator und verschwand im Nachbarzimmer. Jacob Nomus hatte nun nicht nur ein Atem- sondern auch noch ein Frauenproblem. Und das nicht nur, weil nach dem Traumhaus die Traumfrau so lange auf sich warten ließ. Nein, ER würde sich nicht aus dem Konzept bringen lassen, nicht von irgendwelchen Baulöwen, nicht von ausbleibenden Traumfrauen und schon gar nicht von so einer bösartigen alten Schachtel. Erstmals konnte Jacob einer Situation nicht mal ein Quentchen Positives abgewinnen. Nebenan rumpelte es, kurz danach schwebte der Düsenator samt Sauerstoff-Flasche und Frau Fabiana ins Zimmer.
"Unterschrieben?"
"Ich denke nicht dran", bockte Herr N.
"Dann muss ich Sie leider umbringen", gab die Alte freundlich zurück.
"Dachte ich mir", sagte Herr N. und ließ die Schultern hängen.
Frau Fabiana stülpte ihm gekonnt den Beatmungsbeutel über das Gesicht, zurrte ihn mit einem Ruck extrem fest und griff nach dem Regler.
"Letzte Chance", trällerte sie gutgelaunt.
"Das ist mir jetzt wirklich zu albern, Frau Fabulus", moserte Jacob, "Sie wollen mich mit Sauerstoff TÖTEN?"
"Aber nicht doch, Sie Dummchen, ich habe die Flasche ausgetauscht. Jetzt bekommen Sie ein paar Schlückchen Kohlenmonoxid. Kein Mensch wird bezweifeln, dass Sie an den Folgen Ihrer Rauchvergiftung gestorben sind."
Jacob rutschte beunruhigt auf dem Sessel herum. "Warum tun Sie das eigentlich, ich habe Ihnen nichts getan und mein Häuschen kann Sie doch unmöglich dermaßen verärgern?"
"Tut es auch nicht, mein Bester, aber ich bin eine liebende Mutter und Sie ein Problem für meinen Sohn."
Herrn Nomus ging ENDLICH ein Licht auf. "Aha, der Baulöwe", dachte er laut und dann, "Schämen Sie sich, Sie haben in der Erziehung Ihres Sohnen schwer versagt."
Frau Fabulus lächelte ihr schelmischstes Lächeln, beugte sich zu ihm runter und flüsterte: "Er weiß nicht ALLES, Herr Nomus", dann drehte Sie die Flasche auf.
Jacob versuchte aus dem Sessel zu kommen, wurde jedoch von knochigen Händen zurückgestoßen. Ihm wurde schwindlig, Atemnot und Panik trieben ihm die Augäpfel aus den Höhlen. So wollte er nicht abtreten, nein, SO nicht!! ... Plötzlich bekam er wieder Luft. Frau Fabiana tätschelte ihm mütterlich die Wange und rief gutgelaunt: "So, nun hatten wir beide genug Spaß für eine Nacht. Sie haben doch nicht wirklich gedacht, dass ich Sie mit Kohlenmonoxid töte?" "Ich glaube, ich denke gar nichts mehr", japste Herr Nomus und hustete sich fast die Seele aus dem Leib. Sein Zustand war bedenklich, aber er war am Leben. 'Nur raus hier', dachte er, wurde jedoch wieder in den Sessel gedrückt, etwas sanfter diesmal.
"Kommen Sie mein Lieber, so verspannt kann ich Sie nicht gehen lassen, schließen Sie die Augen, ich massiere Ihnen die Schläfen." Tief in Jacob schrie eine ihm selbst fremde Stimme: "Lass deine krummen Pfoten von mir, du durchgeknalltes krankes Weib!!!!" Leider schaffte sie es nicht an die Oberfläche, also hüpfte die (in seinen Augen) 80-jährige Ausgeburt des Wahnsinns auf seinen Schoß und knetete in seinem Gesicht herum. Herr Nomus wagte kaum zu atmen und einatmen wollte er sowieso nicht, da Frau Fabulus ihm knetenderweise ins Gesicht keuchte. Plötzlich rammte sie ihm beide Daumen in die Schläfen, er riss Augen und Mund auf und Frau F. fragte sehr sehr leise: "Und Sie wollen es sich wirklich nicht noch einmal überlegen, Jacob Nomus?" Der Gefragte schüttelte energisch den Kopf. "Niemals!", zischte er durch zusammengebissene Zähne.
"Na gut", flötete Frau N. "einen Versuch war es noch wert, mal fragen kann man ja."
Sie erhob sich, trat hinter seinen Sessel und somit aus seinem Blickfeld. "Nur noch der Nacken, mein Bester, dann erlöse ich Sie."
"Versprochen?", fragte Herr Nomus hoffnungsvoll.
"Versprochen", sagte Frau Fabiana mit Nachdruck.
"Herrjehmineh, wie soll man denn bei so einer hohen Lehne an den Nacken kommen", hörte der 71-jährige Jacob Nomus Frau Fabulus noch brummeln, dann ging jedes Geräusch im Aufheulen eines Motors unter. "Was machen Sie denn nun schon wie...", weiter kam er nicht.

Die 80-jährige Mieterin der linken Wohnung im 13. Stock des Zwanzigstöckigen mit der ebenmäßigen Skyline hatte eine Menge zu tun, da man eine Mietwohnung bei Auszug schließlich sauber verlässt. Zum Schluss kniete sie auf ihrem Koffer um ihn zumachen zu können, Motorsägen waren aber auch unhandlich. Sie schaute sich noch einmal prüfend um. Alles war in bester Ordnung. Ein Minütchen hatte sie sicher noch, ehe das Taxi kam, also setzte sie sich in den Ohrensessel mit der hohen Lehne und schaute traurig auf Herrn Jacob, welcher noch immer still in seinem Sessel mit der gekürzten Lehne saß. "Sehen Sie, Jacöble, da arbeitet sich manch einer ein Konzept für ein ganzes Leben aus, schleppt sich krumm daran und verpasst unter der Last das Leben. Hätten Sie es besser mal gemacht wie ich. Das Leben genießen und für bestimmte Probleme kurzfristig ein Konzeptchen basteln."
Frau Fabulus erhob sich und gab dem stillen Herrn Nomus im Gehen noch einen liebevollen Klaps auf den Hinterkopf. Etwas polterte zu Boden und kullerte unter den Tisch.
"Ach herrjemineh, immer diese Kopflosigkeiten", tadelte sie und schloss leise die Tür.


Epilog


Ja ja, so war das damals. Ich ging zurück ins Altenheim, mein Sohn bekam das Grundstück, baute die hässliche Lücke zu und starb einige Jahre später als zufriedener Mensch. Mein prächtiger Enkel leitet das Unternehmen sehr erfolgreich weiter, führt gerade meinen Urenkel ins Geschäftsleben ein. Wenn es Probleme gibt, ruft er an. Omas Konzeptchen gehen immer auf, sie erledigt Aufträge prompt und diskret. ;-)

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Tag der Veröffentlichung: 10.11.2011

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