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In dieser Welt, jedoch weit vor unserer Zeit, als Himmel und Hölle noch Pforten hatten, lebte am Fuße eines mächtigen Gebirges ein armes, betagtes Ehepaar. Ihr Hab und Gut bestand aus einer windschiefen Hütte, einem klapprigen Esel und einer Kuh. Ihr einziges Glück war ihre Treue zueinander und eine Tochter, welche der Alte eines Tages im Unterholz des Waldes fand. Es war ein jämmerlich schreiendes Bündel, und als sie es von Laub und Schmutz befreit hatten, kam ein Mägdlein zum Vorschein, welches ihre alten Herzen freudig schlagen ließ. Dunkle Augen schauten neugierig in die Welt, und als das Kind gesättigt war, schlummerte es selig lächelnd ein. Ein wenig verwunderte die Alten, dass die Haut des Winzlings nicht weiß war wie die ihre, sondern von einem hellen Braun. Doch die Weisheit des Alters verbot, sich über Unwichtigem lange aufzuhalten, und so dankten sie ihrem Herrgott innig für dieses besondere Geschenk.
Und weil sie in zerlumpte Decken gewickelt war, nannten die Alten sie liebevoll Lotterjule.

Die Jahre zogen dahin und aus dem Kind wurde eine wunderschöne junge Frau. Ihr Antlitz war lieblich, ihre Lippen voll und rot, ihr Leib geschmeidig wie der eines Rehs, ihr Haar hatte die Farbe des Nachthimmels und wenn die Sonne darauf fiel, konnte man Sterne darin funkeln sehen. Lotterjule war von fröhlichem und sanftem Wesen, sorgte rührend für die Eltern, hegte alles Not leidende Getier, dem sie in Feld und Wald begegnete. Singend verrichtete sie ihr Tagwerk, und war es getan, tanzte sie mit den Schmetterlingen über die Wiesen oder sprang lachend mit Reh und Hase durch den Wald.
Eines Abends klopfte ein hässliches altes Weib an der Tür und begehrte Einlass. Nach Art des Hauses hielt sich keiner mit Verwunderung und Neugier auf, sondern sorgte höflich für das Wohlergehen des Gastes. Auch dass die Fremde mürrisch und maulfaul war, konnte das Lächeln im Haus nicht vertreiben. Die Alten boten ihr eine Bleibe für die Nacht an, und auf das einwilligende Nicken hin schaffte das Mädchen ein behagliches Lager. Als Lotterjule glaubte, der seltsame Gast schliefe, nahm sie ihr grobes, aus Flachs gesponnenes Garn und setzte sich an den Webstuhl. Behände ließ sie das Schiffchen durch die Fäden gleiten und Reihe für Reihe webte sie ordentlich festes Tuch. Leise summte sie ein Liedchen vor sich hin und bemerkte dabei nicht die Alte, die hinter ihr stand und ihrem fleißigen Treiben freundlich lächelnd zusah.
Spät in dieser Nacht, als die Bewohner der Hütte durch das Land der Träume reisten, huschte eine Gestalt durch die Tür, reckte und streckte sich und verwandelte sich im hellen Mondschein in eine stattliche Frau. Wie Gold glänzte das helle Haar, welches gleich einem kostbaren Umhang bis zum Boden floss, und mit wohlklingender Stimme hub sie einen seltsamen Gesang an. Sie bat den Mond um ein wenig seiner silbernen Strahlen, die Sonne um ihr Gold, den Himmel um das tiefe Blau der Nacht und das Azurne des Tages und die Sterne um ihr Funkeln. Es wurde ihr gewährt und leise betrat sie Lotterjules Webstübchen, um die wunderbaren Gaben auf Spinnrad und Webstuhl zu verteilen. Dann ging sie zum Bett des Mädchens, berührte die Schlafende mit ihrem Zauberstab und murmelte einen Spruch, der Glück und Gesundheit verhieß.
Als alles getan war, verließ die gute Fee, denn nichts anderes war die Fremde, leise das Haus.
Sie reiste durch die Welt, beobachtete die Menschen, und wann immer sie einen reinen Herzens fand, bedachte sie ihn mit ihren guten Gaben.
Als Lotterjule sich vor dem ersten Hahnenschrei an ihren Webstuhl setzen wollte, staunte sie nicht schlecht über das Leuchten in der Kammer. Und alles, was sie von diesem Tag an webte, wurde leicht und fein, und wetteiferte in seiner schillernden Pracht mit den Flügeln der Schmetterlinge. Fortan sah man Jule in Gewändern, die ihre Schönheit derart zur Geltung brachten, dass selbst der Himmel seine Freude daran hatte.
Die Tiere liebten und bestaunten die Maid gar sehr, und so war es kein Wunder, dass sie die Kunde von ihrem Liebreiz freudig verbreiteten. Die Alten indes begannen sich immer häufiger zu sorgen, denn ihre Jahre waren gezählt und Lotterjule im heiratsfähigen Alter. Erstmals reute es sie, in dieser Abgeschiedenheit zu leben, denn so wunderschön die geliebte Tochter auch war, ein Bräutigam war nicht in Sicht.

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Eines schönen Tages geschah es, dass dem Teufel das Höllenfeuer allzu mächtig über dem Kopf zusammenschlug. Sehr wohl ergötzte ihn das Leiden seiner geplagten Seelen, doch diesmal trieben sie es zu arg. Sie heulten und tobten derart, dass es dem Höllenfürst nach ein wenig irdischer Ruhe dürstete.
Schwefel und Gestank verbreitend stürmte er durch die Pforte in die Welt der Menschen und überlegte, was er für bösen Schabernack treiben könne.
Vieles hatte er schon angestellt, um Angst und Schrecken zu verbreiten. Kaum einen garstigen Streich hatte er ausgelassen, und es fiel ihm immer schwerer, etwas zu finden, das ihn von seiner Übellaunigkeit befreien konnte.

Schneisen schlagend stürmte er durch den Wald, als ihn das besonders ausgelassene Gezwitscher einiger Vögel aus der Grübelei riss. Schon wollte er sie mit seinem heißen Atem verbrennen, als er etwas hörte, das ihn innehalten ließ. Sie erzählten aufgeregt von einem Menschenkind, und einer pries es mehr, als der andere.

Der Teufel wurde neugierig. Schlangengleich fuhr eine ellenlange Zunge aus seinem Maul und packte einen jungen Spatz so unversehens, dass allen anderen vor Schreck die Schnäbel offen blieben.
Da auch ein Teufel nicht mit vollem Munde reden kann, setzte er ihn unsanft vor seine Füße und grollte:
"Was zwitschert ihr da für dummes Zeug? Wer ist sie und wo soll es so ein Wunderweib denn geben?"
Zwar zitterte das Vöglein um sein junges Leben, doch mutig sprach es:
"Das sag ich nicht, denn wenn ich es verrate, wirst du sie am Ende noch mit in die Hölle nehmen."
Der ohnehin nicht gut gelaunte Hinkefuß stampfte mit dem Huf auf, dass der Waldboden bebte, und brüllte:
"Du elender Wurm! Sprich, oder ich lasse dich zusehen, wie ich deine Freunde, einen nach dem anderen verspeise! Und sinnlos werden sie sterben, denn ich finde dieses Mädchen am Ende doch!"
Ratlos blickte der Spatz zu seinen verängstigten Artgenossen, deren Leben nun ganz allein von ihm abhing. Dann gab er, vor Scham beinahe in den Boden sinkend, leise Auskunft:
"Du musst über neun Berggipfel und durch neun Täler. Am Fuße des zehnten Berges, da lebt die liebliche Lotterjule. Die untergehende Sonne wird dir die Richtung weisen."

Der Teufel war es zufrieden, schenkte dem Unglücklichen das Leben und stieß einen schrillen Pfiff aus. Stinkende Schwefelschwaden stiegen auf und aus ihnen preschte mit lodernder Mähne das Gerippe eines riesigen Pferdes hervor. Der Seelenschinder schwang sich in den Sattel, rammte dem Gaul die Knie in die Rippen und durch die Lüfte war er auf und davon. Nur sein hässliches Lachen klang noch durch das Geäst.

Ein normales Pferd hätte viele Monde für den Weg gebraucht, doch so ein Höllenhengst war schnell wie der Wind und als die Sonne unterging, war der Teufel am Ziel. Aus sicherer Entfernung sah er dem Treiben um die ärmliche Hütte zu. Dann hockte er sich am Waldrand hinter einen Baum, um abzuwarten, bis alle schliefen. In tiefster Nacht wollte er in das Haus eindringen und prüfen, was am Geschwätz der Tiere dran war.


Wenn alles Tagewerk vollbracht, die Eltern im Kämmerlein längst träumten, Esel und Kuh zufrieden die Köpfe aneinander rieben, dann fand auch Lotterjule endlich Zeit, sich etwas Gutes zu tun.
In lauen Sommernächten lief sie zum Waldrand, wo ein kristallklarer Bach zum Bade lud. Nie war ihr dort ein Mensch begegnet, so dass sie auch das letzte Hemd fallen ließ, ehe sie ins Wasser stieg.
So auch in dieser Nacht.
Still war es. Nur hie und da hörte sie den Ruf einer Eule und ein leiser Windhauch klang wie ein Seufzen in den Wipfeln uralter Bäume. Dieses fast menschliche Geräusch berührte die Maid, denn ein wenig war auch ihr nach seufzen. So friedvoll und glücklich ihr Leben auch war, so sehr sie auch von den Eltern und den Tieren geliebt wurde, so sehr sie selbst diese Liebe erwiderte ... so war ihr doch, als fehle etwas in ihrem Leben. Tief in ihr war ein Sehnen erwacht.
Besonders an Abenden wie diesem, wenn sie in den Bach stieg und die kühlen Strudel ihren nackten Körper liebkosten, war ein Verlangen in ihr, welches sie kaum bändigen konnte. Und obgleich es ihr wie etwas Verbotenes schien, genoss sie es, sich selbst zu streicheln und zu berühren.


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Der Teufel mied zwar den Himmel aus verständlichen Gründen, aber was er an Weibern auf und unter der Erde begehrte, dass nahm er sich, ohne lange zu fackeln. Kein Widerspruch und keine Gegenwehr setzten seiner ungezügelten Lust Grenzen. Und um sich durch zu lautes Geschrei nicht selbst um den Genuss zu bringen, nahm er unter den Lebenden menschliche Gestalt an. Ein rechter Teufel verfügt über manch Zauberkunststück.

Der höllische Vagabund hatte kaum begonnen, sich sein nächtliches Vergnügen mit Lotterjule auszumalen, als er über die Wiese ein Wesen auf sich zukommen sah, welches ihm fast den stinkenden Atem verschlug.
Der Mond persönlich schien Sterne in ihr Haar zu malen, welches wie Seide die sanft wiegenden Hüften umspielte, ihr Gewand schimmerte, als sei es der Nachthimmel selbst. Ihr Antlitz war makellos, die Lippen jede Sünde wert, ihr Busen versprach tausend Wonnen. Unter dem feinen Nachtgewand zeichneten sich lange, schlanke Beine ab, die Schenkel vermuten ließen, bei denen dem Unhold das Wasser im Munde zusammenlief. Wie lustvoll würde erst sein, was sich zwischen diesen barg.
Ihm schien, als sei Erato, die Muse der Liebesdichtung, vom fernen Olymp gestiegen.
Nie hatte der Beobachter ein begehrenswerteres Weib gesehen und so war es kein Wunder, dass sich des Teufels Schwänze versteiften. Jener am Rücken störte ihn wenig, der zwischen den Beinen plagte um so mehr.

Als Lotterjule sich seufzend das Hemd über den Kopf zog, konnte der Lüsterne sich kaum noch halten, denn mit leicht gespreizten Beinen stehend, gewährte die Schöne ihm Einblick in ein feucht schimmerndes Dreieck, welches durch seine Unberührtheit das Verlangen des geilen Höllenfürsten zu bisher ungekannter Qual verstärkte.
Der Teufel schloss für einen Moment die Augen. Verwandelt erhob er sich und stand im nächsten Augenblick hinter der nackten Schönheit.
Gerade als Lotterjule das unbestimmte Gefühl hatte, nicht mehr alleine zu sein, und mit dem Hemd unsicher ihre Blöße bedecken wollte, sagte eine sanfte Stimme in ihr Ohr:
"Dreh dich nicht um, es wird dir kein Leid geschehen."
Sie war beruhigend und angenehm, diese Stimme, und wie in Trance ließ das Mädchen die Arme sinken, spürte warmen Atem im Nacken und ein feines Beben in den Lenden. Die Macht des Teufels hatte Besitz von ihr ergriffen, eingesetzt, nicht um zu schaden, sondern sie lustvoll genießen zu lassen, was nun geschah.
Sie spürte sanfte Lippen in ihrem Nacken und zärtliche Finger, welche leicht über ihre Schultern glitten, ihre Arme hinunter wanderten und dann mit festem Griff ihre Hüften packten, um sie gierig fordernd an den Unterleib des Verführers zu pressen. Obgleich Lotterjule nicht kannte, was da groß, heiß und hart an ihrem knackigen Po gerieben wurde, zitterte sie vor Verlangen und drängte sich ihm entgegen. Der Teufel stöhnte lustvoll und die junge Frau tat es ihm gleich. Kein Zaubertrick war mehr nötig, des Mädchens unbekanntes Sehnen fand Erfüllung durch den Teufel höchstpersönlich.

"Schließe Deine Augen."
Gerne kam sie der Aufforderung nach, nichts mehr wollte sie, als spüren, fühlen und genießen, was da Wundervolles mit ihr geschah. Seine Hände ließen ihre Hüften frei, und während sich die eine langsam hinauf zu ihren Brüsten schob, überliefen sie wohlige Schauer, als die andere über die Vertiefung ihrer Leiste fuhr, um gleich darauf sanft zwischen ihre leicht geöffneten Schenkel zu gleiten.
Jedes Ding hat zwei Seiten, und so war der Gehörnte nicht nur Meister des Bösen, sondern ebenso meisterlich wusste er, mit den Lustzonen eines Weibes umzugehen.
Seine Finger führten die Jungfrau in einen Taumel aus Leidenschaft und unersättlicher Gier. Schlangengleich wand und schmiegte sich ihr Leib an den seinen und nicht länger Herr seiner Triebe, drang er in dem Moment in sie ein, in welchem ihr orgiastisches Stöhnen die Stille der Nacht durchbrach. Rhythmisch und kraftvoll waren die Bewegungen des teuflischen Liebhabers und dabei so voll von Gefühl, wie es selbst dem Teufel noch nicht geschehen war. Denn aus einem Akt höllischer Triebe ward ein Akt aufkeimender Liebe.

Lotterjule schien unermüdlich nachholen zu wollen, was ihr in all den einsamen Jahren entgangen war, und so geschah bis zum Morgengrauen noch so manch körperliche Ertüchtigung, deren weitere Ausführungen Sitte und Anstand nicht gut zu Gesichte stünden.


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Als die Sonne ihr Tagwerk begann, bot sich ihr ein gar sonderliches Bild.
Am Waldrand, unter dem schützenden Geäst einer alten Kastanie, lag der Teufel in seiner wahren Gestalt. Mit garstiger Behaarung, gehörnt, an einem Fuß behuft, und in seinen Arm geschmiegt träumte lächelnd eine zerzauste Lotterjule.

Als die Sonnenstrahlen ihn in der Nase kitzelten, nieste der Gehörnte so gewaltig, dass nicht nur sämtliche Waldbewohner aufgeschreckt wurden, sondern auch Lotterjule erwachte. Was für ein Schreck fuhr dem Tunichtgut in die Glieder, denn ehe er sich in einen Mensch verwandeln konnte, schlug die Schöne die Augen auf und murmelte ein verzücktes "Guten Morgen, Geliebter". Der Teufel hielt die Luft an, denn gleich würde ihr das Entsetzen die lustvollen Erinnerungen an die vergangene Nacht zunichte machen, doch nichts dergleichen geschah. Lotterjule sprang auf und begrüßte mit einem glücklichen Lachen den jungen Tag. Dann beugte sie sich zu ihm runter, küsste ihn auf die gehörnte Stirn und blickte ihm schelmisch lächelnd in die Augen. "Flink, Geliebter, nenne mir Deinen Namen, damit ich Dich den Eltern ankündigen kann." Verwirrt sah der Höllenfürst ihr ins lachende Gesicht. Wollte sie ihn foppen? War sie so rein, dass sie den Teufel nicht einmal vom Hören und Sagen kannte? War sie so gütig, dass sie sein grausiges Aussehen hinnahm, ohne mit der Wimper zu zucken? So blieb ihm nichts anderes, als zu stottern: "Ich bin ... ich heiße ... also mein Name ist Luzifer."
"Was für ein schöner Name", jubelte Lotterjule, "Luzifer, wirst Du nun bei den Eltern artig um meine Hand anhalten?" "Äh, nun ja, wenn Dich mein Amt und Aussehen nicht ängstigen, dann werde ich das gerne tun", gab der verdutzte Liebhaber zurück. Dieses Prachtweib an seiner Seite würde selbst der Hölle ein Stück Himmel bescheren.
Glücklich lief Jule davon und rief über die Schulter: "Komm in einer Stunde nach, dann habe ich Vater und Mutter auf Dein Ansinnen vorbereitet!"

Die Eltern staunten nicht schlecht, als ihre Tochter aufgeregt, zerzaust und mit geröteten Wangen ins Haus stürzte und berichtete, dass gleich einer käme, der um ihre Hand anhalten wolle. So viele Fragen lagen ihnen auf der Zunge, doch da nicht viel Zeit blieb, ließen die beiden Alten sich von der Aufregung des strahlenden Mädchens anstecken und richteten flink erst sich selbst und dann ein Willkommensmahl. Lotterjule lief in ihr Kämmerlein, wusch sich und machte sich besonders hübsch zurecht.
Derweil traten die Eltern vor das Haus, um den so plötzlich aufgetauchten Bräutigam zu empfangen. Vom Waldrand her kam einer, der musste es wohl sein. Im Alter lässt das Augenlicht zu wünschen übrig und so erstarb ihnen das Lächeln erst, als der Erwartete recht nahe war. Entsetzt raffte die Mutter die Kleider und rannte schreiend zurück ins Haus. Der Vater folgte ihr auf den Fersen und kaum waren sie drin, verriegelten sie die Tür. Zitternd vor Schreck bekreuzigten sie sich, denn vor der Tür stand der Leibhaftige und bat um Einlass. "Der Himmel möge uns helfen", flüsterte die Alte, "das wird doch wohl nicht der ...", die Stimme versagte ihr den Dienst und auch dem Alten fehlten die Worte.
"Was treibt ihr da?", erklang hinter ihnen die fröhliche Stimme der Tochter. "Sei still, Kind", flehte die Mutter, "der Leibhaftige steht vor der Tür."
Beherzt schob Jule die Eltern beiseite und lugte durch einen Spalt. Als sie erkannte, wer da vor der Tür verlegen von einem Bein aufs andere trat, rief sie lachend: "Ja wollt ihr denn meinen zukünftigen Gemahl noch länger zappeln lassen?" Und ehe die Eltern einen Einwand erheben konnten, riss sie die Tür auf und flog dem Teufel um den Hals.
Zum Glück stand hinter der Mutter ein Schemel, sonst wäre sie vor Entsetzen recht hart auf den Boden geplumpst. Der Vater erwachte endlich aus seiner Erstarrung, riss Jule mit einem Satz zurück ins Haus und schlug die Tür wieder zu. "Um alles in der Welt, Lotterjule, du willst doch wohl nicht den garstigen Klumpfuß zum Mann nehmen, er ist das Böse und sein Aussehen graust mich bis ins Gedärm!" Verständnislos sah Jule dem Alten ins besorgte Gesicht. "Aber Vater", gab sie erstaunt Antwort, "ich sah nie einen Mann außer Dir und für mich ist er der schönste auf der Welt, denn ich liebe ihn von Herzen. So lasst ihn endlich ein und sein Anliegen vortragen. Ich bitte Euch, denn keinen anderen will ich zum Mann als ihn. Ich werde jetzt zu ihm vor die Tür gehen. Dann könnt ihr Euch einen Moment bedenken. Doch entscheidet klug, es geht um mein Lebensglück." Und schon war sie draußen.
"Es ist ein Jammer", seufzte die Alte. "Unsere Tochter ist vor Liebe blind geworden."
"Ja", pflichtete der Alte ihr bei, "es muss wohl so sein, sonst würde sie sehen, was wir sehen. Sie ist tatsächlich so verliebt, dass sie den Teufel nicht erkennt."
"Und was nun?", fragte die Alte. "Nun nichts", sagte traurig der Alte, "wer vor Liebe blind ist, dem ist mit Vernunft nicht beizukommen. Wie soll man da klug entscheiden?"
Just in diesem Moment hellte sich das Gesicht seines Weibes auf. "Alterchen", sprach sie, und ihr Blick ward listig. "Die Zeit steht auf unserer Seite. Mag sie just in diesem Moment vor Liebe blind wie ein Regenwurm sein, so ist es immer noch der Teufel, der ihr den Kopf verdreht hat." Ihr Mann sah sie fragend an. "Ja glaubst Du denn", rief sie glucksend, "dass Luzifer auf Dauer sein höllisches Wesen verbergen kann? Er ist tief drin auch nur ein Mann. Und glaubst Du wahrhaftig, dass unsere Tochter nicht Weib genug ist, dann seine wahre Natur zu durchschauen?" Das leuchtete auch dem Alten ein. Wie klug seine Weib doch war. Vergnügt klopfte er sich auf den Schenkel und rief: "So sei es denn!".

So geschah es, dass die Eltern den Teufel zum Schwiegersohn bekamen und Lotterjule des Teufels Gemahlin wurde.
Der Mann an ihrer Seite schien ihr wie ein Prinz, der skelettierte Gaul, auf welchem der Teufel seine junge Frau in sein höllisches Heim führte, war für sie ein stolzes Ross und die Hölle selbst der Garten Eden. Sie sah vor lauter Liebe nur, was eben diese Liebe sie sehen lassen wollte. So lebten und liebten sie sich eine Zeitlang glücklich und zufrieden. Doch wie die schlaue Mutter es vorausgesagt hatte, war und blieb der Teufel immer noch der Teufel. Wie auf Erden, so löschte auch in der Hölle der Alltag bald das übergroße Liebesfeuer. Zwar glimmten die Kohlen noch, doch allmählich verlor der Teufel die Lust am ständigen brav und höflich sein und alsbald dröhnten, wie gehabt, seine deftigen Rülpser, stinkenden Furze und unflätigen Flüche wieder durch die Hölle.
Ganz gleich, wie rosarot Lotterjules Brille anfangs auch gewesen sein mochte, mehr und mehr drang ihr der Gestank von Schwefel in die Nase und weniger und weniger sah sie an ihm Dinge, die ihr gefielen. So sanft sie einst auch war, so war sie doch genügend Weib, um dem Teufel einzuheizen. Und wie alle Ehemänner musste er erfahren, wie heftig Weiber schimpfen und keifen können, und am Ende flogen die Fetzen in der Hölle, dass Luzifer das hämische Lachen verging. Der teuflische Gemahl gab ein so jämmerliches Bild ab, dass selbst die Seelen der Sünder beinahe den Respekt verloren. Drunter und drüber ging es zu in der Hölle, und als sein Weib ihm eines Tages wieder gar zu heftig Feuer unter dem Hintern machte, auf dass er sich wie ein braver Ehemann benehme, war es genug. Er schnappte sich Lotterjule und fuhr mit Gestank und Schwefel nicht nur endgültig aus der falschen Haut, sondern auch hinaus aus der Hölle, direkt vor die Hütte der Schwiegereltern.
Diese taten erstaunt ob des unverhofften Besuches und noch erstaunter, als der Teufel brüllte: "Nehmt Eure Tochter zurück und werdet glücklich mit ihr, mir hat sie die Hölle wahrlich zu heiß gemacht, um es darin noch aushalten zu können!"
Damit hob er Lotterjule vom Pferdeskelett und stob davon. Wäre er es nicht höchstpersönlich gewesen, hätte man meinen können, der Teufel sei hinter ihm her.

Die alten Eltern fassten sich und Lotterjule glücklich lachend bei den Händen und als sie ins Haus gingen, schüttelte die Tochter den Kopf über sich selbst und bat die Eltern sowohl ob ihrer Blindheit als auch ihrer Dummheit um Verzeihung.
Die beiden jedoch hatten nichts zu verzeihen und die Mutter sprach lächelnd:
"Die Liebe war schuld, mein Kind, wer ihr verfallen ist, kann nicht sehen, was jener sieht, der klar im Kopf ist. Nun hast Du sehen gelernt und bist wieder bei uns. Und eines lass Dir gesagt sein, beim nächsten Schwiegersohn haben wir ein Wörtchen mitzureden." Lotterjule stimmte den Worten der Mutter von Herzen gerne zu.
Sie lachten und scherzten vor Glück bis in die Morgenstunden und lebten fortan glücklich und zufrieden.

Der Teufel jedoch verriegelte in jener Nacht die Pforte zur Unterwelt für immer und ewig, auf dass kein Menschenweib ihm jemals wieder die Hölle im eigenen Reich bereiten könne.

Impressum

Texte: Coverfoto: Danke an Stefan Gesell, der mit seinen Fotos Welten kreiert und an Model Jessika Gutzeit, weil Sie diesen Welten Leben einhaucht.
Tag der Veröffentlichung: 17.04.2011

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Für Jessika

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