"Wie heißt du, Knabe?"
"Ich soll nicht mit Fremden reden."
Der Mann zwinkerte dem Jungen zu, stupste ihn mit einem langen dürren Zeigefinger an die Nase, raffte seinen verstaubten Umhang zusammen und ließ sich mit glucksendem Lachen auf einen Stein am Wegrand plumpsen.
'Der ist bestimmt verrückt', dachte der Junge.
"Komm, setzt dich zu mir", forderte der merkwürdige Mann ihn mit einer einladenden Handbewegung auf, "ich möchte ein wenig mit dir plaudern."
Seit dem freundschaftlichen Stups auf die Nase fand der Junge den Fremden eigentlich gar nicht mehr sooo fremd, und hockte sich zu Füßen des Mannes. Dieser sah dem Kind prüfend in die Augen und dachte zufrieden: 'Ich habe eine gute Wahl getroffen'.
"Kennst du Gott?", fragte er.
"Ein bisschen"
"Was weißt du von ihm?"
"Er kann Kinder machen."
"So so, Kinder machen kann er ... und was weißt du noch?"
"Meine Mutter hat ihn lieb und sie spricht jeden Tag von ihm. Mein Vater hat ihn nicht so lieb, aber das sagt er nie laut."
"Aber er spricht mit dir über Gott, nicht wahr, Junge?"
"Klar, ich bin ja auch ein Mann und Männer müssen offen miteinander reden."
"Und was spricht dein Vater so?"
"Ach, so Zeug, was ich nicht verstehe. Wenn er sich über Mutter ärgert, dann sagt er manchmal, dass sie froh sein könnte, dass er den Mund gehalten hat. Sie hat wohl mal was empfangen, ohne Flecke und so und es sei ihr Glück, dass die Dorfbewohner so dämlich sind, alles zu glauben. Sonst hätte Mutter mächtig Ärger bekommen."
Der Fremde schmunzelte belustigt.
"Und was spricht deine Mutter?"
"Die ist manchmal ganz schön traurig und dann nimmt sie mich in die Arme und sagt, dass ich der Sohn Gottes bin. So komische Sachen sagt sie ganz schön oft. Na ja, einmal hat sie sich versprochen und statt Gott, Johannes gesagt. Da musste ich ihr schwören, dass ich das nie jemandem erzähle, dabei wäre Gott ihr bestimmt nicht böse, nur weil sie sich mal versprochen hat. Aber ich darfs trotzdem keinem erzählen, weil sonst die Leute denken würden, ich wäre nichts Besonderes."
"Weißt du, wer oder was Gott ist?"
"Der wohnt oben im Himmel. Verstehe ich zwar nicht so richtig, weil da ist ja nichts, aber der soll sogar noch ne ganze Menge Leute um sich rum haben, mit richtigen Flügeln auf dem Rücken, wie unsere Gänse und die schweben damit manchmal zu den Menschen und bringen Botschaften von Gott. Zur Mutter ist mal einer gekommen, sagen die Leute im Dorf und hat ihr was von mir erzählt und paar Monate später war ich da. Müssen ganz schön schlau sein, diese Engel. Aber der Gott kann nicht so schlau sein. Mutter sagt zwar immer, ich bin Gottes Sohn, aber Vater sagt dann, sie soll den Mund halten, weil sie ganz genau weiß, dass er was weiß, was keiner weiß. Na so Erwachsenengerede eben."
"Findest du, dass Gott ein guter Gott ist?"
"Nö, nicht wirklich. Manche erzählen ja, der wäre wer weiß wie gut, aber so richtig merken tuts keiner. Frieden würde er bringen, aber erst letztens kamen Soldaten und haben im Nachbardorf ganz schön Blut vergossen und da war kein Gott. Und für die Armen wäre er jederzeit da, aber die alte Judith ist letzten Winter in ihrer Hütte erfroren, weil kein Geld für Holz da war und halb verhungert war sie sowieso, und das war Gott auch egal. Viele behaupten, dass es diesen Gott nicht gibt, die beten zu irgendwelchen Figuren, aber denen geht’s auch nicht besser. Ich wünsch mir ja schon, dass da einer ist und bisschen drauf achtet, dann wär' vielleicht alles besser."
"Es gibt keinen Gott"
"Mutter sagt, es gibt ihn."
"Es gab nie einen Gott"
"Mutter hat mich gewarnt, dass ich nicht auf solche wie dich hören soll."
"Ich habe Gott zu den Menschen gebracht."
Etwas in dem Ton, in welchem der Fremde das sagte, ließ den Jungen ganz still werden. Jetzt sah der Mann auch nicht mehr lustig aus und gar nicht mehr so, als würde er ihm spaßig den langen dürren Finger auf die Nase stupsen wollen.
"Und wie hast du das gemacht? Und überhaupt, wieso zu den Menschen gebracht? Der wohnt irgendwo da oben, wo ihn niemals ein Mensch sieht und hört und viel zu weit weg, als dass er mal da sein könnte, wo er gebraucht wird. Wann hast du ihn denn gebracht und warum, wenn er doch nichts ordentliches zustande bringt?"
"Ich muss zugeben", antwortete der Mann, "wir haben einen Fehler gemacht. Einen großen Fehler. Wir beobachten euch Menschen seit einer Ewigkeit und es tat uns leid, dass ihr so dumm seid und nicht zu schätzen wisst, was euer wunderbarer Planet euch alles für Möglichkeiten bietet. Stattdessen wurden die Menschen immer gieriger und neidischer und fingen an, sich zu bekriegen und zu töten. Immer schlimmer und immer grausamer wurden sie. Einst gab es von euch nur sehr wenige , da hätten wir eingreifen können. Die Opfer wären es Wert gewesen, die Ausbreitung eurer abartigen Spezies zu verhindern."
"Wer bist du ... wer seid IHR?!" Dem Knaben wurde mulmig.
Mein Volk lebt auf einem fernen Planeten und ist viele Millionen Jahre älter als ihr Menschen. Wir sind ein friedliches Volk und widmen unser Leben den Wissenschaften, der Forschung und den daraus gezogenen Erkenntnissen. Wir haben Raumschiffe, mit denen wir die unendlichen Tiefen des Alls erkunden. Dabei sind wir vor tausenden von Jahren auch auf euren Planeten gestoßen. Wie gesagt, am Anfang wart ihr nur eine von vielen Spezies und alles war gut. Dann habt ihr euch weiterentwickelt. Viel weiter als alles andere Leben auf der Erde und vor allem viel schneller. Was wir fanden, als wir nach vielen Jahren zurückkamen, gefiel uns nicht. Wir beschlossen, etwas zu ändern.
Aber um etwas ändern zu können, ohne noch größeren Schaden anzurichten, benötigten wir mehr Wissen. Also schickten wir einige der Unseren auf die Erde, um euch zu studieren. Dabei fiel immer wieder auf, dass ihr eine ganz besondere Unart habt. Die Menschen denken nicht all zu oft und wohl auch nicht all zu gerne. Demzufolge verstehen sie auch vieles von dem nicht, was um sie herum geschieht. Zeit zum Nachdenken nehmen sie sich nicht, aber eine Erklärung für alles und jedes, wollen sie dennoch."
"Und woher nahmen sie dann die Erklärung, wenn sie nicht nachdenken wollten?"
"Sie fanden keine, weil sie zu ungeduldig waren und sich den Wenigen verschlossen, welche klug waren und Erkenntnisse suchten. Viel einfacher war es also, sich etwas auszudenken, statt etwas zu erforschen. Und so dachten sich die Menschen Wesen aus, die sie zwar weder sehen noch hören konnten, aber denen sie nun alles in die Schuhe schoben, wofür ihr Wissen und ihr Verstand nicht ausreichte. Sie schufen sich Götter, Götzen und Heilige. In allen Winkeln dieses Planeten wurden nach und nach solche dummen Ideen geboren.
Kriege entflammten. Jede Glaubensgemeinschaft behauptete nun, dass das was sie anbetete, das beste, größte, mächtigste, gerechteste oder auch gütigste Wesen sei. Sie gaben ihren Hirngespinsten so vielfältige Namen, dass wir Bücher damit füllen konnten und eine ganze Menge kluge Leute abstellen mussten, um nicht den Überblick zu verlieren. Wir kamen nun also und standen dieser neuen Tendenz machtlos gegenüber. Wir können viel. Sehr viel. Aber ein Mittel gegen Dummheit hatten selbst wir noch nicht erfunden."
"Seid ihr so mächtig, dass ihr uns vernichten könnt?", unterbrach der schwer beeindruckte Knabe ihn.
"Ja, diese Macht haben wir. Die Macht und auch die Mittel. Aber wie schon erwähnt, sind wir ein friedliches Volk und so beschlossen wir euch zu helfen, indem wir eure eigene Dummheit nutzen. Wir horchten und spionierten so lange, bis wir in etwa wussten, auf was für Götter ihr reinfallt. Deshalb brachten wir ein Gerücht über einen neuen in Umlauf. Er musste ganz harmlos sein und unspektakulär, denn einsetzen wollten wir ihn ja erst viel später. Ihr Menschen klammert euch an jeden Hokuspokus und obwohl unser ausgedachter Gott nichts Besonderes vorzuweisen hatte, begann er, sich in immer mehr Köpfen zu manifestieren. Er war geboren, und wir mussten vorläufig nichts weiter tun als den Dingen ihren Lauf zu lassen. Wir sind ein geduldiges Volk. "
"Findet ihr das denn in Ordnung? Ich denke, ihr seid so klug ... warum erklärt ihr den Menschen dann nicht einfach was sie wissen müssen, um besser zu werden?"
Der Fremde lächelte nachsichtig.
"Weil die Menschen uns nicht zuhören würden. Sie würden das tun, was sie schon immer taten ... sie würden Krieg gegen uns führen. Und das wäre ihr Todesurteil."
"Und was habt ihr euch nun ausgedacht?"
"DU wirst uns helfen!
"Ich? Ich bin doch nur ein kleiner dummer Mensch!"
"Klein bist Du, aber noch nicht dumm. Dumm sind nur die großen Menschen, die kleinen kann man noch in die richtige Richtung lenken."
"Soll ich jetzt allen erzählen, dass sie dumm sind und werden die auf mich hören?"
"Nicht gleich, aber eines Tages schon. Wir haben beschlossen, dass diese Kriege aufhören müssen. Und das geht nur, wenn wir erreichen, dass sich alle Menschen einig sind. Wir haben herausgefunden, dass es nur eine Sache gibt, in welcher Menschen zueinander finden. In ihrem Glauben. Mag er auch noch so lächerlich und an den Haaren herbeigezogen sein ... er verbindet. Aber die vielen Götter lassen keine Einheit zu, also müssen wir sie auf einen einzigen reduzieren. EIN Gott, wird Einheit schaffen."
"Und für welchen habt ihr euch entschieden?", fragte das nun grinsende Kind.
"Für den, den wir selbst in Umlauf gebracht haben und den deine Mutter so liebt. Unsere Forschungen haben ergeben, dass dieser Gott die größten Chancen hat. Wir brauchen einen Gott, der Liebe unter den Menschen verbreitet, einen Gott, der den Menschen Halt gibt, einen, der Gerechtigkeit verspricht und drohen wird, jene zu strafen, welche seinen Geboten zuwiderhandeln."
"Was denn nun, einen der liebt, oder einen der droht? Drohen find ich blöd."
"Drohen IST blöd, aber die Menschen brauchen das."
"Und wie erschafft ihr diesen Gott nun so richtig?"
"Aber Junge! Das müssen wir doch gar nicht mehr. In den Köpfen einiger existiert er doch schon!"
Der Mann von einem fernen Planeten lachte schallend.
"Und wie bekommt ihr ihn in die Köpfe von all den anderen? Zaubert ihr Gott da hinein?"
"Nein, kleiner Mann, jetzt kommst DU ins Spiel, denn DAS wird deine große Aufgabe sein.
Du wirst dafür sorgen, dass dieser Gott für alle Erdenbewohner der EINZIGE Gott wird und dann wird Frieden auf eurem Planeten einkehren."
"Warum denn ausgerechnet ich? Auf mich hat noch nie einer gehört. Bekomme ich einen Zaubertrank und ein Schwert, damit ich alle töten kann, die nicht auf mich hören und der Rest vor lauter Angst Gott in seinen Kopf quetscht?"
"Du sollst nicht töten! Du sollst den Menschen von Gott erzählen. Wenn du groß bist, dann wirst du durch die Welt gehen und überall von Gott berichten. Du kannst ruhig ein bisschen flunkern und dir ein paar nette Geschichten ausdenken, dass stört uns nicht. Wir haben errechnet, dass mit dieser Methode am schnellsten Anhänger zu finden sind. Wir denken, dass dich einige von ihnen begleiten und unterstützen werden, dann geht es schneller."
"Und die Menschen sind so dumm, dass sie wegen ein paar ausgedachten Geschichten dann alle nur noch diesen einen Gott haben wollen? Sooo dumm sind sie?"
"Ja, sind sie. Das heißt, nicht ganz so dumm. Nur Geschichten werden nicht ganz reichen. DAS machen die anderen ja auch. Unser Gott muss sich ein wenig von allen anderen abheben. Wir haben gedacht, das Beste ist, wenn dieser neue Gott die Menschen mit etwas belohnen würde. Aber da arbeiten wir noch dran. Wir können ja hier nicht raumschiffweise Geschenke anliefern."
"Eine Belohnung soll ich also versprechen", motzte der Knabe. "Aber dann lüge ich ja und alle werden ganz schnell dahinter kommen. Die ich kenne sind nicht so dumm, dass sie mir die Ruhe lassen würden, wenn ich etwas verspreche und dann nichts rausrücke. Entschuldigung Herr, aber das ist kein kluger Plan."
"Ja Junge, ich sagte doch, wir sind noch am planen."
Der Knabe blickte grübelnd vor sich hin. 'Was könnte man Menschen geben, was man nicht herstellen und nicht kaufen muss, das aber so wertvoll ist, dass es Jeder unbedingt haben will.' Manchmal trugen ihm Mutter oder Vater Aufgaben auf, die ihm keinen rechten Spaß machten und auch nicht immer gelingen wollten. Wenn er sich gar zu schwer tat, versprachen sie ihm etwas fürs Gelingen. Und diese Versprechen hatten schon oft Wunder bei ihm bewirkt.
"Herr?"
"Ja, Menschenkind?"
"Vielleicht sollte ich den Menschen erst einmal etwas versprechen?"
"Aber soweit waren wir doch schon Kind!"
"Nein Herr, ich meine irgendein Versprechen, welches man nicht gleich einlösen muss und wo die Menschen nicht gleich merken, dass sie beschummelt werden."
"Hmmm ... kein schlechter Gedanke. Alle Achtung du lernst sehr schnell! Nur was! Frieden ist ihnen nichts Wert, Liebe bedeutet ihnen nichts, mit ihrer Gesundheit schludern sie ... da bleibt nicht mehr viel!"
"Du hast mir noch immer nicht gesagt, warum ausgerechnet ich, Herr. Ich bin nichts besonderes", hakte der Junge nach.
"Deine Mutter hat dich zu etwas Besonderem gemacht. Sie hat allen Leuten erzählt, dass ein Engel kam und ihr verkündet hat, dass Gott durch sie seinen Sohn zu den Menschen schicken werde. Wir haben genauestens recherchiert. Seit vor deiner Geburt kursieren nun die merkwürdigsten Gerüchte über dich. Dass ein Gott den eigenen Sohn zu seinen Anhängern auf die Erde schickt, hat es bisher noch nicht gegeben. Alleine mit diesem Schachzug wird es gelingen, dass die Menschen dir viel eher Gehör schenken werden, als jedem Anderen. Du musst nur lernen, die richtigen Worte zu finden. Du musst den Menschen all die Dinge erzählen, die sie auch hören wollen. Das ist sehr wichtig und du musst so leben, dass sie dir glauben können. Wenn du also später Liebe predigen wirst, dann musst du ihnen diese Liebe auch zeigen und geben können. Wenn du sie von ihrer Gier abbringen willst, wirst du selber in Bescheidenheit leben müssen. Wenn du sie als gute Menschen zu deinem neuen Gott bringen willst, dann musst du selbst ein guter Mensch sein. Nur so wirst du sie überzeugen können."
"Wie soll das denn gehen? Erst sagst du, ich soll lügen und flunkern und jetzt sagst du, ich muss ein guter Mensch sein." Nun stand dem Knaben ein dickes Fragezeichen im Gesicht.
"Junge, jetzt hab dich nicht so. Das sind ja nur ein paar Notlügen, die fallen nicht ins Gewicht.
Und wenn damit der Frieden auf der Erde erreicht wird, dann sind sie sogar ein geheiligtes Mittel. Sie dienen schließlich einem guten Zweck. Es erfährt ja auch keiner ... wenn alles nach Plan läuft."
"Mal angenommen, ich spiele mit", unterbrach der Knabe ungeduldig, "WAS soll ich ihnen denn nun versprechen?"
"Heee Bursche, jetzt wirst du schon so nervend wie die Großen. Und was heißt hier 'mal angenommen', du spielst mit und basta! Das ist beschlossene Sache. Wir haben Gott erfunden und als wir nicht wussten, wie es nun weitergehen soll, erfand glücklicherweise deine Mutter Gottes Sohn. Klasse die Frau, könnte glatt eine von uns sein."
"Vielleicht bin ich es ja wirklich? Gottes Sohn klingt gut. Ich denke, damit kann ich leben. Aber warum soll meine Mutter das erfunden haben? Sie kannte euch doch gar nicht?
"Uns nicht, aber den Johannes. Diesen schmucken Gesellen vom Schmied."
"Hä? Was hat denn Johannes damit zu tun?"
"Ach vergiss es Kind, hat nichts zu bedeuten und wird euch Menschen später auch nicht mehr interessieren."
"Herr?"
"Was denn nun schon wieder, du störst mich beim
überlegen. Wir brauchen noch dieses dumme Versprechen."
"Eben deshalb Herr, ich habe eine Idee."
"Halt den Mund, für die Ideen bin ICH zuständig, kein unausgewachsener Mensch."
"Aber um die Kartoffeln aus dem Feuer zu holen, bin ich ausgewachsen genug ... Danke!
Herr?!"
"JA!"
"Ich fürchte mich ein wenig, du siehst so grün aus im Gesicht."
"Achte nicht drauf, ist normal, wenn wir angestrengt nachdenken."
"Jetzt wirds dunkelgrün, vielleicht hörst du dir ja doch meine Idee an."
"Sei endlich still!"
"Na gut. Also wir Menschen werden rot, wenn uns was anstrengt. Und überhaupt, ich finde für einen vom andern Planeten wirkst du gerade ziemlich menschlich ... so, wie du dich benimmst."
"Das macht der schlechte Umgang. Also sag mir schon deine Idee."
"Ich habe mich vorhin an was erinnert. Vater hat schon oft so Sachen gesagt, wie: 'wenn ich noch mal leben könnt, dann würd' ich mir kein junges Weib mehr nehmen', oder 'wenn ich noch ein Leben hätte, dann würd' mir keine mehr was von Engeln erzählen' ... na ja und solche komischen Wünsche habe ich in meinem jungen Leben schon sehr oft gehört. Vielleicht wünschen sich manche Menschen ja noch ein oder zwei Leben? Vielleicht wünschen sich das ja sogar alle, wenn sie erwachsen sind? Dann hätten wir doch unser Versprechen?"
Überrascht hob der nun sehr grüngesichtige Mann den Kopf.
"Du meinst, wir sollten ihnen ein zweites Leben versprechen? Also eine Chance noch einmal von vorne anzufangen, nachdem sie im ersten Leben alles vermasselt haben? ... Hmmm ... nicht schlecht, Knabe. Aber wir müssten es irgendwie so rüberbringen, dass in diesem nächsten Leben garantiert alles stressfrei wird."
"Stimmt!" Rief der Knabe nun ganz aufgeregt, denn langsam fand er Spaß an dem Spiel. Er, ein 12-jähriger Junge, saß am Rande der Wüste, mit einem der aus dem Weltall kam, und durfte tatsächlich an der Errettung der Menschheit mit herumplanen. Das war ein Ding. Das einzige, was ihm ein wenig die Euphorie verdarb war, dass er mit niemandem darüber sprechen durfte. Aber richtige Männer konnten auch Geheimnisse für sich behalten. Diese Gedanken spornten ihn zu lügenerfinderischer Höchstleistung an.
"Herr, die Menschen würden wahrlich auf ein zweites Leben pfeifen, wenn die Gefahr bestünde, es liefe ähnlich wie das erste ab. Da müsste ich ihnen schon was tolles auftischen, damit sie mir auch alle hinterherlaufen und für diesen einen Gott ihre Unarten lassen."
"Du bist ein Kind und unschuldig noch dazu. Wie sollte denn für dich ein zweites Leben sein?"
"Oh Herr, da muss ich nicht lange überlegen. Ich könnte mir vorstellen, dass dieser Gott es viel schöner hat in seiner Welt da oben, als wir unten. Keine Kälte- und keine Dürrezeiten, kein Hunger und keine Not. Er lebt in einem prächtigen Garten, in welchem alles grünt und blüht und wo die Engel dafür sorgen, dass es allen gut geht. Nur Liebe gibt es da und Frieden und keinem tut jemals etwas weh.
Und da es allen so gut geht, wird auch nie einer krank und niemand muss mehr sterben. Dann leben alle ewig mit Gott zusammen und sind eine glückliche große Familie. Aber nur die Guten dürfen zu ihm, für die anderen würde ich mir einen Platz ausdenken, der so schlimm ist, dass selbst die bösartigsten sich hüten würden, dort zu landen. Ich denke da an glühende Hitze und Gestank, der Ort müsste dann ganz fürchterlich tief unter der Erde sein, damit die Guten die qualvollen Schreie der Bösen nicht hören müssen. Und einer soll sie bewachen und festhalten. Vielleicht könnten wir da einen Engel ins Spiel bringen, über den Gott sich mal mächtig geärgert hat, und der jetzt zur Abschreckung für schlechte Menschen tief in die Erde verbannt wurde. Dann würden die Menschen auch sehen, dass Gott es ernst meint und nicht mit sich diskutieren lässt!
Oh Herr, ich bin nur ein Knabe, aber wenn du mich nur machen lässt, dann fällt mir noch viel mehr ein. Und ich verspreche dir, dass ich ganz mächtig übe, damit das alles richtig rüberkommt. Ich werde durch die Welt ziehen, wenn ich groß bin und dann allen die dollsten Geschichten erzählen und jeder wird staunend zuhören und sich wünschen, dass dieser tolle Gott auch der seine wird!"
Der Fremde hörte dem sich immer weiter hineinsteigernden Kind fasziniert zu und eigenes Gedankengut mischte sich ergänzend in die fantasievoll kindliche Planung.
Liebevoll legte der Mann dem Jungen die Hand auf den Kopf und sprach:
"So soll es sein mein Sohn und nun lass uns überlegen, wie wir die Jahre bis zu deiner offiziellen Gottes-Sohn-Verkündigung sinnvoll nutzen können."
Der Knabe saß mit leuchtend verklärten Augen, fühlte die Hand auf seinem Kopf und es fühlte sich gut an. Es hatte so etwas beschützendes und Kraft gebendes.
Diese Geste wollte er sich fortan merken.
Epilog
Irgendwo auf einem fernen Planeten sitzt ein kleines grünes Männchen, mit freundlichen Gesichtszügen, vor einem jungen Mann und sagt:
"Tut mir echt leid mein Freund, ich habe nicht mit der Unberechenbarkeit deiner Spezies gerechnet." Ein wenig schuldbewusst deutet er auf die Narben an den Händen seines Gegenübers.
"Lass gut sein Alfi, ist zwar alles bisschen dumm gelaufen, aber ihr habt mich ja noch rechtzeitig rausgeholt. Schwamm drüber . Ich habe auch wirklich keinen Bock mehr auf deine Entschuldigungen. Und wenn du mir noch 400 Jahre mit deinen Rechtfertigungen im Ohr liegst ... es ändert nichts an der Tatsache, dass ich mein Leben wegen euch, im wahrsten Sinne des Wortes, an den Nagel gehängt habe. Wichtig ist nur, es war ein beschissener Plan und ihr habt es begriffen."
"Hey Jesus, nun mach mal halblang! Der Plan war gut, vielleicht war ja nur die Zeit noch nicht reif. Wir haben dazugelernt. Und was spricht dagegen, wenn wir es noch mal versuchen? Mensch Junge, die haben da unten wirklich nicht mehr alle Tassen im Schrank und unsere Statistiker haben errechnet, dass die sich in spätestens 2000 Jahren selbst auslöschen werden. Das ist verdammt wenig Zeit! Vergiss nicht, wie lange du dir die Hacken ablaufen musstest und wie wenige Menschen du erreicht hast. Und die vermehren sich wie Kometenschauer. Wenn wir nicht bald loslegen, reicht die Zeit nicht mehr."
"Afi? Ihr wollt nicht wirklich ...."
"Klar wollen wir, du Sandalenfreak. Deshalb habe ich dich doch hergebeten. Vorhin kam ein Funkspruch rein. Unser Agent hat ein geeignetes Objekt gefunden. Kein Kind mehr, aber der Typ weiß ganz genau, was er will. Unser Mann sagt, der von uns Auserwählte hat das Konzept sofort begriffen."
"Ein Christ, hoffe ich?"
"Nee Jesus, die Christen haben zu wenig Biss.
Der Typ heißt Mohammed und verfeinert gerade dein altes Konzept."
Texte: Copyright: Fabiana
Tag der Veröffentlichung: 09.01.2009
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