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Erfroren
Wie jedes Mal, wenn ich diesen öden Flur entlang gehe, fällt mir auf, wie stechend diese Farben sind. Wer hatte das so ausgesucht? Wer hatte uns dazu verdammt diese grässlichen Farben Tag für Tag ansehen zu müssen? Angewidert wende ich den Kopf wieder ab, spaziere den Flur weiter, strebsam dem Ende entgegen. Nur noch diese Ecke, und dann war ich frei. Wieder einmal ein Tag geschafft in dieser Hölle aus Langeweile. Wenigstens Wochenende gönnten sie uns. Eis essen, shoppen gehen, so etwas machte man doch, oder? Aber das reizt mich nicht. Lieber auf die Liege, lesen. Den Vögeln lauschen und sich entspannen. Vielleicht mich mit IHM treffen.. aber das.. es ist schier unmöglich. Plötzlich, als ich um die Ecke gehe, knallt mir etwas vor die Nase. So sehr, dass ich falle und alle meine Sachen mit mir. Doch da streckt sich schon eine Hand mir entgegen, um mich zu fangen. Nein, nicht irgendeine Hand. Eine Hand, die mich stets zärtlich berührt hatte, wundervolle dinge konnte diese Hand machen. Zahlreiche schöne Bilder sind dieser Hands Ursprung. Und jetzt ist sie wieder da, meine Rettung vor dem Fall. Wie oft hatte sie mich schon davor bewahrt? Doch dieser Augenblick ist so schnell vorüber, wie er gekommen war. Er blickte mir in die Augen. Sofort zucken seine Hände zurück, wandern in seine Hosentaschen. Ein „Entschuldigung“ murmelnd, läuft er eilig weiter. Ich blicke ihm nach.
..damals war alles noch anders. Was ist passiert, dass wir uns nicht mehr richtig in die Augen blicken können? Warum bin ich plötzlich nicht mehr gut genug? Seine Augen, einst ein offenes Buch, da ist nun ein Riegel vor. Wer hat sie abgeschlossen? Bin ich es, die den Schlüssel in der Hand hält? Sein Blick so undurchdringlich.. kein Spiegel der Seele mehr, etwas entfremdetes. Es ist klar, es wird nie wieder wie früher. Niemals mehr unbeschwertes Lachen, niemals wieder wird er mir eine Blume pflücken, in mein Haar stecken und in seiner Position verharren. Einfach nur um diesen perfekten Augenblick festzuhalten. Hatte ich damals wahrhaftig schüchtern den Blick gesenkt? Und hatte er vorsichtig einen seiner langen Finger ausgestreckt und mein Kinn gestreift? Hatte ich hochgeguckt, in seine wunderbaren Augen, die voller Liebe steckten, mein sicherer Hafen wenn ein Sturm ausbricht? Ich hatte mich immer in seine beschützenden Arme legen dürfen. Jetzt ist es mir verwehrt. Nichts würde ich lieber tun, als mich darein zu schmeißen, lachend, weinend, Hauptsache geborgen.
Doch dies sind nur Erinnerungen, verzweifelte Träume. Es würde niemals mehr so werden wie früher. Ich drehe mich um und stoße die Tür auf. Sonnenstrahlen blenden mich. Überschwängliches Lachen dringt an mein Ohr. Jemand hebt die Hand zum Gruß. Zu spät realisiere ich, dass der Gruß mir galt. Nein, niemand würde mich mehr so berühren können wie er. Nicht nur Äußerlich. Innen drin, das ist das was ich meine. Mein Herz, das erfroren ist, wird nie mehr wieder auftauen.

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Tag der Veröffentlichung: 15.04.2011

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