Kapitel 1
„oha guck mal da!“, rief Kim mir zu und deutete auf eine riesen Ente. „Oh man.. die Leute sollten die Tiere echt nicht so fett füttern.“, meinte ich kopfschüttelnd. „Ähmm.. ja.“, ich sah wie Kim schnell eine Brot tüte in ihre Tasche zurückpackte. Ich kicherte. Wir schlenderten weiter am Strand von Dänemark entlang. Es war damals ungefähr 11 Uhr und wir hätten Schule gehabt, aber wir waren für eine Woche auf klassenfahrt, um uns „kulturell weiter zu bilden.“ Kim ließ sich noch weiter über die Umweltverschmutzung aus, während ich umher guckte. Wir hatten schon eine verrückte Klasse. Wenn man mal bedachte, dass man in der 10. Klasse langsam mal zur Vernunft kommen sollte, wunderte es mich schon sehr, wie man sich nur so zum Affen machen konnte. Ich sah wie Alex sich an David ranschmiss. Halt, nicht ranschmiss, sie waren ja schon zusammen. „Yara, hörst du mir überhaupt zu? Ich rede extra die ganze Zeit über deine Umwelt und versuche ein Thema für uns beide zu suchen und du starrst nur die anderen an.“ Sie kickte eine leere Cola-Dose weg. Ich lächelte sie entschuldigend an. „ich pass jetzt auf“ Und sie legte wieder los. Ich wunderte mich, wie ihr so viel über das Thema einfallen konnte, wobei sie sich nun wirklich für ganz andere Dinge beschäftigte. Jemand rempelte mich an. „oh sorry Yara.“ Oh nein, nicht irgendjemand. Es war Marcel! „schon ok.“ Ich drehte mich weg von ihm. Ich wurde schon wieder rot. Verdammt. Ich drehte mich wieder zu Marcel um als ich hörte dass er weg ging. Schnell roch ich an seinem Geruch, der noch in der Luft hing. „ach Yara, mach mir doch nichts vor! Als wenn du nicht an ihm interessiert wärst!“, flüsterte mir Kim von der Seite ins Ohr. „Naja.. du musst sagen er sieht doch auch echt gut aus. Und.. er hat so eine schöne, tiefe männliche Stimme…“ Ich schmachtete dahin. Kim kicherte. „wir werden schon sehen. Nachher kommen wir ja noch an einen sehr romantischen Ort.. hast du nicht ins Prospekt gesehen?“ sie zwinkerte mir zu. Ich schaute sie zweifelnd an. „natürlich. Ach komm als wenn er sich für so eine wie mich interessieren würde!“ ich biss mir auf die Lippe. Es war allgemein bekannt, dass ich nicht viel von mir hielt. Und schön war ich erst recht nicht. Kim legte einen Arm auf meine Schulter. „Yara, du kriegst ihn schon rum.“ „vielen Dank auch. Aber das schaff ich echt nicht.“ Betrübt blickte ich auf den Sandboden. „hmm...“ machte sie nur.
„so dann wollen wir uns mal beeilen, wenn wir noch zu den Klippen wollen!“ meinte Herr Glückser und trieb uns wie seine Schafherde vorwärts. Wir stiegen in den Bus und fuhren zu den Klippen. Es wurde langsam Abend und die Sonne fing an unterzugehen. „oh man Yara, es ist perfekt! Sie nur wie schön das Wasser glitzert und die Sonne über dem Meer und.. schnapp dir Marcel und geh da an den Rand der klippe!“ Kim fing an, mich anzuschieben. Auf einmal war ich voller Mut, stolz. Ich wusste, ich konnte es schaffen. Wenn nicht jetzt, wann dann? Dachte ich mir. Also ging ich schnurstracks auf Marcel zu. Doch jetzt verließ mich meine kurze Euphorie wieder. „äh...“ machte ich. „ich.. aach egal“ ich drehte mich auf dem Absatz um. Und raunte Kim ein: „ich geh mal auf Klo“ zu. Dort angekommen versuchte ich mich erst einmal zu sammeln. Gut, der erste Schritt war schon mal versaut. Aber.. es gibt ja auch noch schritt 2 und 3 und 4 und irgendwann würde ich es schon schaffen, ich muss nur lange genug. Ach wem mach ich denn was vor? Ich bin voll die Versagerin, die knalltüte. Mit der will sowieso niemand was machen. Ich hatte noch nicht einmal meinen ersten Kuss! Unglaublich aufgebaut, verließ ich das Klo wieder. Ich lief den ganzen weg an der klippe entlang um zu Kim zu gelangen. Ich hatte mich echt zum Affen gemacht. Naja wenigstens kann man auf seine besten Freunde zählen. Ich lief und hörte schon von weitem das klatschen und pfeifen. „war der Ausflug vorbei?“ fragte ich mich. Oder knutschten Alex und David mal wieder rum?
Doch es waren nicht Alex und David. Die beiden sah ich als erstes im Publikum. Wer dann? Gabs schon wieder ein neues paar? Ich lief neugierig hin und suchte die Leute schon nach Kim ab, damit ich mich zu ihr stellen konnte. Aber ich sah sie nicht. Langsam nahm ich den Kopf hoch und blickte auf das Paar. Mir blieb der Mund offen stehen. Das gabs doch nicht! Kim und Marcel stehen da vorne und knutschen rum! Wie dreist! Ich war doch in Marcel verliebt, wie konnte Kim das nur tun? Langsam und fassungslos schlich ich mich an die beiden ran. Ich riss die beiden auseinander. „Was soll das denn?“, brüllte ich Kim an. „ach.. du.. ich dachte wenn du dich nicht traust, versuch ich es erst mal. Aber wenn du willst.. also ich muss ja nicht...“ „hörst du eigentlich was du da redest?“, brüllte ich sie an. „Du bietest mir nicht ernsthaft Marcel an? Ist denn da gar keine liebe bei dir?“ fassungslos sah ich sie an. Und da kamen auch schon die Tränen. Sie schwappten über und liefen mir über die Wangen. Ohne halt strömten sie. Es war still, nur der Wind pfiff wie verrückt. Es zog ein Sturm auf, das konnte man an der angespannten Luft fühlen. Ich schubste sie ein Stück um meinem ärger Luft zu lassen. „tickst du noch ganz richtig?“, rief ich. „hey! Schubs mich nicht!“ Kim gab mir auch einen Stoß. Nur das bei mir kein Boden war. Wir standen ja wie gesagt auf einer Klippe. Ich verlor das Gleichgewicht und ruderte hilflos mit den Armen. Ich fiel nach hinten. „Yara!“ schrie Kim und Marcel der endlich auch mal was checkte, rief: „Nein“ Aber auch den Rest der Köpfe sah ich nun mir hinterher schauen, alles entsetzte Gesichter. Während ich flog, kam ein schönes Gefühl in meinem Bauch. Das Gefühl zu fliegen oder zu fallen. Dieses wunderschöne Gefühl, das ich immer bekam wenn ich in einen Freizeitpark in den freien Fall gehe. Ich mochte das Gefühl schon immer aber in diesem Moment wäre es mir lieber gewesen, wenn ich es nicht gehabt hätte. Aber ich schrie nicht. Ich dachte nur: „ja, spürt alle reue. Geschieht euch recht!“ und schloss die Augen.
Kapitel 2
Ich war bereit für den Tod. Nun gut, ich war schon etwas jung, mit meinen 15 Jahren, aber ich hatte keine Angst vor dem Tod. Zurücklassen würde ich sowieso nichts, denn meine Eltern waren schon gestorben, als ich noch ganz klein war. Meine Oma hat immer auf mich aufgepasst, aber auch sie war letzten Sommer verstorben. Somit hatte ich gar keine Familie mehr. Und Freunde auch nicht, nachdem was sich Kim geleistet hat. Aber das wars auch schon. Mehr Freunde hatte ich nicht, denn ich galt immer als merkwürdig und man solle sich bloß nicht mir nähern. Dauernd hatten die Beliebten aus unserer Klasse mich gemobbt und verarscht. Ich hasste sie. Und irgendwann ließen sie mich auch in Ruhe, als ich sie angeschrien habe. Aber gelästert haben sie natürlich weiter.
So fiel ich. Ich wartete auf den Aufprall, aber es geschah nichts. War das der Tod? Man spürte nichts? Oder hatte ich einfach nur eine sehr angenehme Art zu sterben gefunden? Denn ich fühlte nichts, außer Kälte. Moment mal. Ich fühlte? Und wo ich jetzt so drauf achtete, fiel mir auf das ich lag, auf hartem Steinoden. Wie war das möglich? Gerade eben fiel ich noch mit Höchsttempo diese Klippe herunter und jetzt lag ich auf Steinboden? Das war unmöglich. Nein, es war der Tod. Aber.. ich fühlte ja noch was. Ich war echt verwirrt. Und vor allem: würde ich jetzt den Rest meines Daseins hier befinden? Das würde ja stinklangweilig werden! Ich kratzte mich ratlos am Kinn. Aber.. Hey! Ich konnte mich ja bewegen! Mit einem Satz sprang ich auf. Und prompt knallte ich mit dem Kopf gegen die Wand. „Au!“, rief ich, und rieb mir die Stelle, die pochte. Jetzt tastete ich mich an der Wand entlang. Es keimte Hoffnung in mir auf. Es gab eine Wand! Was bedeutete, dass ich ja noch lebte! Außer die Toten werden in engen, feuchten, kalten Räumen aufgehoben. Ich setzte mich erst mal. Da gab es doch viel zu überlegen. Mein Kopf schmerzte vor Anstrengung, er platzte fast, so viele Fragen ohne Antwort. „Lebe ich noch?“ anscheinend schon. „wo bin ich?“ in einem Kellerloch? „Wie bin ich hierhergekommen?“ und vor allem: „wieso zum Teufel bin ich nicht gestorben?“. Langsam verstrich die Zeit und ich konnte nichts anderes tun, als da zu sitzen und zu überlegen. Doch so langsam bemerkte ich meinen Hunger. Doch, ja er wurde immer deutlicher. Aber was sollte ich schon essen? Hier drinne befanden sich ja noch nicht einmal Kakerlaken! Ich stand auf, vorsichtiger dieses Mal. Ich hatte gerade eben doch noch eine Tür ertastet. Doch, tatsächlich da war eine Tür, ganz klar aus Holz. Ich klopfte gegen. Sie konnte nicht besonders dick sein. Hielt mich jemand gefangen? Ja, sah so aus. Aber wenn ich in einer Klapse oder so gewesen wäre, dann wäre dort doch Licht und Verpflegung gewesen. Ein Bett, ein Betreuer der mal vorbeischaut oder Sachen dergleichen. Ich klopfte jetzt stärker. War da jemand? Hört ich schritte? Ja! Aber nur entfernt, und sie wurden auch schon leiser. Mit voller Kraft hämmerte ich gegen die Tür. „HEY! AUFMACHEN, AUFMACHEN! HALLO? HÖRT MICH JEMAND?“, brüllte ich. Vielleicht konnte ich ja die Tür eintreten. Ich tastete mich zum Ende des Raumes, nahm Anlauf und versuchte mit dem ausgestreckten Bein auf die Tür zu zielen. BUMM! Ich hatte sie getroffen. Aber nicht die Tür brach, sondern mein Bein. Zumindest fühlte es sich so an. „scheiße, man!“ mir kamen die Tränen. Zweimal an einem Tag fing ich voll an zu weinen. Eigentlich war ich ja gar keine Heulsuse, aber bei so viel Verzweiflung die ich spürte, Herzschmerz, Hunger und dann diese Fragen die mir einfach nicht mehr aus dem Kopf gingen, war es wohl erlaubt. Ich setzte mich. Und hielt mein schmerzendes Bein. Doch kaum hatte ich mich hingekauert, öffnete sich die Tür. Ich hatte es geschafft! Sie war doch aufgegangen! Oh.. nein doch nicht. Da stand jemand an der Tür. „was wollen sie? Ich habe Hunger! Was ist passiert? Mein Bein ist glaube ich gebrochen, wir müssen ins Krankenhaus! Wie..“ „Schnauze!“ fauchte er mich an. Mein Mund blieb offen stehen. Meine Güte war der unfreundlich. Er könnte bestimmt eh nicht die Fragen beantworten, selbst wenn er wollte, denn dafür sah er viel zu dämlich aus. War klar, er war nur ein Handlanger. „ich möchte gerne mit ihrem Vorgesetzten sprechen“, versuchte ich es diplomatisch und höflich. Es musste ja wohl jemanden geben, der mir das alles erklären konnte! „Essen.“ Er warf mir eine Schale hin. Und schon schloss sich die Tür wieder. „HEY! WARTEN SIE“ ich sprang auf und hämmerte wieder gegen die Tür. Doch der Mann lachte nur. „verdammt.“ Ich setzte mich wieder. Anscheinend war mein Bein doch nicht gebrochen, denn es hörte langsam wieder auf. Trotzdem, angeknackst war es bestimmt. Da stieg mir ein Geruch in die Nase. Das Essen, oder was es darstellen sollte, stank bis ins unermessliche. „ihh!“ ich stoß dieses wiederwertige Fraß von mir, und setzte mich auf die andere Seite des engen Raumes. Doch umso länger ich dort saß und umso mehr hunger ich bekam, umso besser roch das Essen. Langsam rutschte ich näher heran. Zum Glück war es dunkel, ich wollte gar nicht erst wissen wie es aussah. Langsam hob ich dir Schüssel an meinen Mund. Der penetrante Geruch stach in meine Nase. Aber der Hunger siegte. Ich nippte an dem Essen. Es war Suppe. Die warme Flüssigkeit fühlte sich gut an, ich konnte richtig spüren wie es meine Essensröhre langrutschte. Und so schlecht schmeckte es auch nicht. Man konnte es am besten mit Fischsuppe vergleichen, die ein null Sterne Koch gemacht hatte. Aber wenigstens etwas, und wenigstens warm. Es sättigte mich so sehr, dass ich noch einen Rest zur Seite legen konnte, für später. Wer weiß schon, wann das nächste essen kommt? Ich sicher nicht. Jetzt, nachdem mein dringendstes Bedürfnis gestillt war, wurde mir langweilig. Ich ging auf und ab, aber leicht gebeugt, denn die Decke war sehr niedrig. Nach geschätzten 25 Minuten wurde auch das zu anstrengend. Ich setze mich und summte vor mich hin. Wie spät es wohl war? Aber ich denke, dass das wohl meine kleinste sorge war. Jetzt fing ich an zu singen. Ich fand meine Stimme schon ganz schön, vor allem bei diesem Song kam sie ganz gut zur Geltung. Nachdem ich „nobodys home“, von Avril Lavigne ungefähr 20 Mal gesungen hatte, legte ich mich auf die Seite. Meine Lieder wurden immer schwerer. Ich dachte, dass es wohl niemandem etwas ausmachen würde, wenn ich etwas schlafen würde. Und wenn die Tür auf geht, werde ich das schon merken. Hoffte ich.
Kapitel 3
Hunger. Essen lernt man erst richtig zu schätzen, wenn man es nicht mehr hat. Denn nachdem ich den kläglichen, kalten Rest meiner Suppe heruntergestürzt hatte und ein weiteres Zeitvertreibendes Schläfchen hielt, trat genau das ein.
Ich hatte noch nie hungern müssen. Immer gab es genügend, denn im Heim, in dem ich lebte seit meine Oma gestorben ist, kriegt man immer was zu essen. Morgens, mittags, abends. Sogar dazwischen kriegt man noch Süßigkeiten, und ab und zu Kekse oder gar Kuchen. Was hätte ich alles für ein Stück Pflaumenkuchen gegeben! Stattdessen konnte ich mich kaum konzentrieren, mich vom Hunger abzulenken, denn mein Bauch übertönte jegliches Denken.
Aber ein paar Dinge sickerten doch durch: Wie lange musste ich hier noch warten? Wann kommt das nächste Essen? Wer steckt dahinter? Wo bin ich überhaupt? Wie bin ich her gekommen? Das alles grenzt ja schon an Magie. Ha! Magie. Da haben wir`s. Das hier musste Zauberei sein. Ich schüttelte den Kopf über mein Denken. Ich braucht echt etwas Ablenkung. Ich versuchte mir Gedichte auszudenken, ging meine Zelle auf und ab und vermaß sie mit Fußschritten. Insgesamt war sie 2,6 Schritte breit und 3,2 Schritte lang. Meine Hände legte ich abwechselnd an die Mauer, immer ein darüber. So konnte ich messen wie hoch die Mauer war vom Boden bis zur Decke. 9 Hände hoch. Es war so dunkel. Konnte ich nicht licht durch die Tür sehen oder bildete ich mir das nur ein? Ich strengte mich an. Kann man sich licht einbilden? Ich blickte noch genauer hin und strich über das Schlüsselloch. Da! Wie ein Blitz durchzuckte ein Licht meine Zelle. Vor Schreck erstarrte ich. Woher kam der denn? Dann blickte ich meine Hände an. Doch ich sah sie nicht, denn alles war wieder schwarz. Ich versuchte es noch einmal. Wieder durchzuckte ein kleiner blitz meine Zelle. Was war das? Ich konnte es mir nicht erklären. Aber es war ein schönes Gefühl, es elektrisierte mich. Ich versuchte es noch einmal, aber plötzlich wurde ich furchtbar müde, und sackte auf der Stelle zusammen. ich erwachte in einer äußerst unbequemen Haltung. Was war passiert? Ich wollte es noch einmal probieren, aber ich hatte Angst. Ich fing an, die Quadrat zahlen auswendig zu lernen. In Mathe war ich nie besonders gut und wenn ich jetzt schon so viel Zeit zur Verfügung hatte, konnte ich ebenso gut was dagegen tun. 5 zum Quadrat 25. 6 zum Quadrat 36. .. bis zur 36 kam ich, als ich schritte hörte. Mein Gehör hatte sich bei der ganzen Stille ungemein verbessert. Ich konnte inzwischen richtig gut hören. Und mein Tastsinn hatte sich verfeinert. Und meine Augen.. naja bei so viel schwärze kann man nicht viel sagen. Vielleicht hatten sie sich verbessert.. vielleicht auch nicht. Zurück zu den schritten.. sie waren hastig, kleine Schritte. Derjenige trat fast nicht auf, schlich sozusagen. Derjenige wollte nicht erkannt werden. Ein Eindringling? Hieß das was Gutes oder was Schlechtes für mich? Kamen die guten um mich zu befreien? Oder noch schlechtere? Waren die Schritte überhaupt auf mich bezogen, oder wollte jemand fliehen? Vielleicht war meine Zelle ja in einem Gang, meine Zelle dicht am Ausgang. Die Schritte wurden immer lauter. Beziehungsweise kamen sie näher ran. Lauter wurden sie nicht gerade. Ich hörte noch andere schritte, gleich neben dem ersten. Derjenige schlurfte etwas und hinkte auf jeden Fall. War er verletzt? Ich tippte mal darauf, dass es Männer waren, denn Frauen werden doch nicht in solch krumme Dinger mit einbezogen. Jetzt hört ich sie flüstern. Müde stemmte ich mich auf meine Füße und streckte mich. Meine Glieder knackten vom ganzen sitzen und schlafen. Mein rücken brachte mich fast um, so sehr schmerzte er von dem harten Steinboden. Wie lange lag ich hier schon? Mein rücken machte deutlich, wie viel Zeit doch verstrichen war. „… sehr weh? Ich meine, es blutet doch alles und sieht sehr schmerzhaft aus. Oh Gott was wird Vater dazu sagen? Hätte ich dich doch nicht vorgeschickt! Was bin ich für ein Bruder, den jüngeren voraus zu schicken?? Ich glaube, wäre ich als erster gegangen, hätte ich...“ „Sei still! Es hat doch schon aufgehört. ist sie das?“ Sie waren vor meiner Zelle angekommen. Es war beruhigend mal wieder stimmen zu hören. Langsam realisierte ich, dass hier Menschen waren. Menschen! Sie hörten sich nicht feindlich an. Der eine entschuldigte sich immer und immer wieder und umsorgte den andern. Ganz klar der große Bruder. Er hatte anscheinend einen Fehler gemacht. Der andere nahm es ganz gut auf. Obwohl der Schmerz in der Stimme und schnaufen deutlich zu hören waren.
Das konnten doch keine wachen sein oder? Falls hier wachen existierten. Egal, ein Versuch war es wert. Ich holte aus, und donnerte ordentlich gegen die Tür. Dann schrie ich voller Verzweiflung: „HEY!! Ihr da!! Hört ihr mich? Helft mir! Ich bin hier! Hilfe!“ meine Stimme war ganz kratzig und ausgetrocknet. Ich schluckte ein paar Mal. Ich hatte Durst. „psst! Sei leise. Ist ja gut“ ist ja gut? IST JA GUT??? Wer war hier wohl ca. 2 Tage eingesperrt? Wer von uns muss unglaublich Doll auf Klo und weiß nicht was dass hier alles soll? Wer hat rücken schmerzen, Kopfschmerzen und hat keine Aspirin dabei? Ich denke mal, dass nicht alles gut ist! „HEY MACHT AUF!!!“ „jaja“ Was? Frech also auch noch. Sauer verschränkte ich die arme, als ich hörte wie die beiden sich am Schloss zu schaffen machten. Es knackte. Die Tür wurde aufgestoßen, und grelles Licht strömte hinein. Ich kniff die Augen zusammen und meine Hand verdeckte reflexartig mein Gesicht. Es nervte. Ich wollte meine Retter sehen und meine Augen mussten sich stück für Stück ans Licht gewöhnen, wie morgens wenn alles dunkel war und man das Licht anknipste. „oh man.. wie lange sitzt du hier drinne denn schon?“, kam vom jüngeren Bruder. Er war der mit der wunde. Ich machte ein undefinierbares Geräusch. „was soll das denn bitte bedeuten?“ fauchte ich ihn an. So schlimm konnte ich doch nicht aussehen. Aber warum machte ich mir überhaupt darüber Gedanken? Ich konnte jetzt klar sehen wen ich hier vor mir hatte. Der ältere Junge hatte blondes, bis zu den Ohren langes Haar und schaute mich misstrauisch an. Er war ungefähr 20, schlank und groß. Ich warf ihm den gleichen blick zu wie er mich anschaute. Dann wandte ich den Kopf. Der Jüngere, 16 bis 17 höchstens, grinste mich verschmitzt an. Ihm warf ich den „bösen Blick“ zu. Er lachte. „ich denke, du kannst uns ein wenig mehr Dankbarkeit beweisen.“ Da hatte er vermutlich recht. Wie ich wohl aussah? Bestimmt schrecklich. Meine schwarze schminke war vom ganzen weinen verschmiert und mein Haar stand in alle Richtungen ab, mal davon abgesehen dass ich ca. 2 Tage lang nicht geduscht hab. Verlegen senkte ich den Blick. Es war ein schreckliches Gefühl, vor so einem schönen jungen so auszusehen. Er war braunhaarig bis zum Kinn, hatte schöne, grüne Augen, war muskulös, aber nicht zu sehr. Perfekt. Sein Lächeln war ebenso perfekt. Schöne, weiße Zähne, in einer Reihe, ganz gehorsam. Aber so schätzte ich ihn nicht ein. Mein Blick streifte sein Bein. Es war dunkelrot, von dem vielen Blut. Sein Hosenbein war abgerissen und über seinem Oberschenkel zugebunden. „was ist denn da passiert?“ fragte ich interessiert. Er blickte überrascht auf sein Bein. „ach das. Weißt du, das ist passiert als ich dich retten wollte. Ich, Held, so wie ich nun mal bin, stürze mich mitten in eine Schießerei um dich zu befreien und als dank bekomme ich nur böse Blicke.“ „nun übertreib mal nicht. Das war doch alles ausversehen...“ „Quatsch. Sei leise“
Ich lachte. Also die beiden sind ja schon komische Leute. Verwundert schauten sie mich an. „wieso lachst du?“ „ich weiß nicht.“ Wir hörten schritte und rufe. Viele Schritte und Rufe. „wir sollten uns wohl beeilen Ladys.“ Rief ich. „Wolang müssen wir?“ Der Ältere ging voran. „folgt mir, schnell! Ich stützte den jüngeren. Immerhin hätte er die Verletzung ohne mich nicht bekommen. Wir liefen viele Gänge entlang. Einer verworrener als der andere. Mit meiner Vermutung, meine Zelle liege dicht am Ausgang, hatte ich mich wohl gründlich verschätzt. Selbst wenn ich mich befreit hätte, wäre ich an diesem wirr warr gescheitert. „wie lange noch?“ keuchte ich unter dem Gewicht des Jungen. „Hier lang noch.. nach meiner Erinnerung müsste hier gleich-“ wir bogen um die Ecke und sahen sie. Die Tür. Es war eine große, hölzerne Tür, ohne Verriegelungen. Wie praktisch.
Der ältere der Brüder stieß die Tür auf, und- wir waren im Freien.
(Jetzt wechsel ich die Zeit. Sorry Leute, aber ich hatte keine Lust alles umzuändern )
Kapitel 4
Grelles Tageslicht sticht mir in die Augen, doch ich kann mich jetzt nicht lange damit beschäftigen. Ich habe viel zu viel damit zu tun, den Jungen zu stützen und gleichzeitig mit seinem Bruder Schritt zu halten. Ein paar Ausschnitte aus der Landschaft bekommt mein Auge jedoch zu fassen. Alles ist trist, schwarz. Nein, eher so ein grau, das sich durch die gesamte Landschaft zieht. Erstaunt raune ich dem Jungen zu: „Sag mal was ist denn hier passiert?“ Er scheint mit anderen Dingen beschäftigt zu sein, denn er schüttelt nur einmal ruckartig den Kopf als Zeichen dafür, dass ich still sein soll. Wütend schnaube ich einmal aus und lege extra nen Schritt zu. Komischerweise folgt uns niemand. Verwundert bleibe ich stehen. Ich habe mich schon auf eine wilde Verfolgungsjagd gefasst gemacht, und jetzt machen die Schlapp. „ Wo bleiben die denn?“ frage ich, während ich den schweren Arm von meiner Schulter hieve und ihm helfe sich ins Gras zu setzten, das übrigens auch nicht gerade sehr grün ist. „ Martucs Männer können nicht ins Sonnenlicht. Verdammt, wieso hab ich nicht früher daran gedacht?“ „Moment.. wer ist Martuc?“ ok, wahrscheinlich der Anführer, aber irgendwie stecke ich in dieser ganzen Geschichte ja mit drin und ich hätte gerne ausführlichere Auskünfte. Immerhin bin ich gestorben. Oder was auch immer. „ er ist der Anführer dieser ganzen Sache. Naja ist alles etwas komplizierter. Bei einem ruhigeren Gespräch können wir dir alles erklären.“ „ok.“ Na, damit kann ich doch zufrieden sein. Wenigstens ein kleiner Fortschritt. „ Also, mit wem habe ich hier überhaupt die Ehre?“, frage ich mit gekünstelt hochnäsiger Stimme. „Mylady, mein Name ist Cole. Und das hier ist mein jüngerer Bruder Dylan.“ „und hübschere, intelligentere..“, setzt Dylan lachend dazu. „gut, ich bin Yara. Und was haben wir als nächstes vor?“ „nun, als erstes versuchen wir nach Hause zu kommen.“, fängt Cole an, während er zu dem trüben Fluss rübergeht, um sich etwas Schmutz von den Händen zu waschen. Nach Hause. Ja, das gibt es nun wohl nicht mehr für mich. Denn da wo ich zu Hause bin, bin ich tot. Oder glauben sie es zumindest. Was werden sie sagen, wenn ich, gerade eben von einer Klippe gefallen, wieder nach Hause spaziere? Sie werden.. ich weiß nicht. Auf jeden Fall geht das nicht, das weiß ich. Aber was soll ich sonst tun? Ich habe kein anderes Zuhause. Ich könnte natürlich meine Retter fragen, aber ich weiß nicht ob die so eine große Lust dazu haben, mich bei ihnen wohnen zu lassen. Geschweige denn dass ich keine Sachen habe. Ich müsste sie holen gehen, aber ich wüsste nicht wie. Seufzend lasse ich mich neben Dylan ins Gras sinken, und fange an es auszurupfen.
Tag der Veröffentlichung: 21.09.2010
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