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Leseprobe

DER MANN IM SCHWARZEN REGENMANTEL

PSYCHOTHRILLER

MARIO ROSIĆ

INHALT

Kapitel eins

II.

III.

IV.

V.

VI.

VII.

VIII.

Kapitel zwei

X.

XI.

XII.

XIII.

XIV.

XV.

XVI.

XVII.

XVIII.

Kapitel drei

XX.

XXI.

XXII.

XXIII.

XXIV.

Kapitel vier

XXVI.

Kapitel fünf

XXVIII.

XXIX.

XXX.

XXXI.

GEWIDMET AN ALLE, DIE BEI DER

GEBURT / ALS NEUGEBORENE

GESTOHLEN ODER VERKAUFT

WORDEN SIND

KAPITEL EINS

UT SEMENTEM FECERIS, ITA METES

I.

Ein paar Tage früher als geplant, brachen mein Ehemann und ich unseren Urlaub in Griechenland ab und kehrten nach Belgrad zurück. Ich weiß nicht mehr, wieso ich überhaupt zugestimmt habe, diesen Urlaub zu machen, denn am Ende dieser Reise haben wir nicht einmal ein Foto zusammen, auf dem wir beide lächeln. Irgendwie habe ich es ausgehalten, auch wenn mir sehr nach Streit zu Mute war, aber diesen wollte ich nicht während unserer kurzen Rückreise im Flugzeug führen, denn immerhin würden uns die restlichen Passagiere zuhören können, was sehr unangenehm gewesen wäre. Sogar während der Taxifahrt vom Flughafen zu unserer Wohnung, sagte ich keinen Ton. Deshalb konnte ich es kaum erwarten, nach Hause anzukommen, um den Streit fortzusetzen. Ich sage "den Streit fortsetzen", da dieser schon im Urlaub anfing.

Alexander und ich sind seit fast dreißig Jahren verheiratet und bis vor ein paar Monaten waren unsere Streitigkeiten harmlos im Gegensatz zu den jetzigen, welche sehr ernste Themen und Spannungen mit sich ziehen. Seit einer gewissen Zeit zweifle ich an seiner Treue mir gegenüber.

Neben all diesem Stress haben wir unseren Urlaub aus einem tragischen Grund frühzeitig beendet, denn meine beste Freundin Vera ist verstorben. Sie litt seit einer ganzen Weile an einer ernsthaften Krankheit und hatte erst vor kurzer Zeit eine schwere Operation hinter sich. Als ihr Ehemann uns die Nachricht gestern mitteilte, meinte er, dass Vera plötzlich nicht mehr richtig atmen konnte. Er rief den Notarzt, aber jede Hilfe kam zu spät. Vera war meine engste Freundin, immerhin kannten wir uns schon seit der Schulzeit, sodass ich sogar behaupten würde, dass sie mir gegenüber wie eine Schwester war. Zu meinen anderen Freunden, sogar denen, welche ich aus dem frühen Kindesalter kenne, also länger als Vera, habe ich mich distanziert. Ich höre mich selten mit ihnen und noch seltener treffe ich sie. Mit Sicherheit ist dieses Jahr 2018, eines der schwierigsten in meinem ganzen Leben.

Den Streit fing ich nicht sofort an, als wir unsere Wohnung betraten. Zuerst begrüßten wir unseren Sohn Ivan, welcher nach der Begrüßung mit uns sofort wieder zurück ins Wohnzimmer ging, um fernzusehen und uns somit auch nicht mit dem Gepäck half, aber das ist für mich in Ordnung, denn er ist ein eigenständiger junger Mann mit seinen 28 Jahren. Er führt sein eigenes Leben. Ich bin sehr stolz auf ihn, außer auf die Tatsache, dass er noch bei uns wohnt. Er arbeitet auf der Tankstelle und ist in allen anderen Hinsichten selbstständig und unabhängig. Alexander nimmt es ihm übel, dass er vor ein paar Jahren sein Studium abgebrochen hat. Ivan wollte in unsere Fußstapfen treten und studierte somit Jura. Es lief eigentlich sehr gut, was die Noten anging, doch sein Tempo war schlapp, weshalb er sich entschied, das Studium abzubrechen. Manchmal bin ich auch ein bisschen wütend deswegen, auch wenn nicht so sehr wie Alexander. Trotzdem ist Ivan in meinen Augen ein sehr guter Sohn.

Als Alexander und ich unser Zimmer betraten, um es uns gemütlicher zu machen, wurde die Lage sehr angespannt.

- Ich glaube, du hast eine Andere - sage ich ihm mit erhöhtem Ton, während jeder von uns den eigenen Koffer auspackte.

- Was ist los mit dir, Frau?- antwortet er mit gelassener Stimme. - Beruhige dich, mach die Tür zu. Das Kind kann uns hören.

- Soll er doch! - Die Tür steht weit offen, also ist mir schon klar, dass Ivan uns hören kann. - Es interessiert mich nicht und außerdem ist er schon lange kein Kind mehr.

- Woher kommt dir die Idee, ich hätte eine Andere? Wer erzählt dir so einen Unsinn?

- Du machst verdächtig viele Überstunden in letzter Zeit - jetzt beende ich das Auspacken des Koffers und ziehe mir etwas Bequemeres für Zuhause an. Alexander macht dasselbe.

- Manchmal drückst du deine Anrufe während meiner Anwesenheit weg und verlässt den Raum danach mit deinem Telefon.

- Geschäftliche Angelegenheiten sind der Grund, Frau.

- Ach? All die Jahre hast du dutzende geschäftliche Telefonate geführt und bist nie vor mir weggelaufen. Egal, ob am Handy oder Festnetztelefon, so hast du dich noch nie verhalten.

- Komm schon, hör doch auf mit diesem Unsinn, wenn du weißt, dass Ivan dich hören kann. Ich könnte dich schließlich auch beschuldigen, dass Ivan von einem anderen Mann gezeugt wurde, was nicht auszuschließen ist.

- Was ist nicht auszuschließen? - Jetzt wird meine Tonlage wieder lauter, obwohl ich gerade etwas beruhigt habe. - Was kannst du nicht ausschließen?

- Dass Ivan nicht mein Sohn ist, kann ich nicht ausschließen,- erzählt er mir, während sein Gesicht so aussieht, als würde es jeden Moment vor Lachen explodieren. - Ivan hat nur wenig Ähnlichkeit mit mir. Innerlich, wie auch Äußerlich.

- Erstens, greif mich nicht an, denn Angriff ist die beste Verteidigung. Zweitens, mische unser einziges Kind nicht in diese Sache. Drittens, wir können gerne zu deinen Kollegen gehen, um einen DNA Test machen zu lassen. Die müssen nicht wissen, weshalb wir diesen brauchen. Du kannst behaupten, ihn für einen Fall, den du bearbeitest, zu benötigen.

Als ich sagte, dass wir zu Alexanders Kollegen gehen, meinte ich das Labor des serbischen Innenministeriums. Alexander arbeitet dort seit langer Zeit als ein sehr angesehener Inspektor.

- In Ordnung, das werden wir so machen, sagte er und ging in das Badezimmer.

Ich fühle mich verzweifelt, da ich mich schon umgezogen habe, aber meine Sachen noch nicht ausgepackt sind. Dafür habe ich ehrlich gesagt weder Lust, noch die Kraft, also ging ich zu meinem Sohn ins Wohnzimmer. Ich setzte mich neben ihn auf das Sofa, während im Fernsehen die Spätnachrichten liefen. In dieser schwierigen Zeit sollte ich mit jemandem über den Verlust von Vera und die angespannte Situation in meiner Ehe sprechen. Mein Sohn ist derzeit der einzige Ansprechpartner, der dafür infrage kommt, doch obwohl er den Streit zwischen Alexander und mir mitgehört hat, schenkt er mir keine Aufmerksamkeit. So war er immer schon. Statisch und desinteressiert an allem, was in keinem direkten Zusammenhang mit ihm steht. In den Nachrichten sprechen sie über einen Serienmörder, der, wie behauptet wird, vor ein paar Tagen sein drittes Opfer ermordet hat. Die Leiche wurde vor einigen Stunden in der Wohnung des Opfers aufgefunden.

"WOHER WISSEN SIE, DASS DERSELBE TÄTER, WIE IN DEN LETZTEN ZWEI FÄLLEN, SCHULDIG AN DIESEM MORD SEI"- das fragte eine Journalistin einen Medienvertreter der Polizei, welcher das kürzlich gegründete Sonderermittlungsteam leitet, welches aus mehreren Personen besteht und daran arbeitet, den Täter zu fassen. Ich erkenne, dass das Interview im Freien neben eines Wohngebäudes, unter Straßenlichtern stattfindet. Wahrscheinlich handelt es sich um das Gebäude, in welchem das Opfer aufgefunden wurde.

"WEGEN DER ART UND WEISE, AUF WELCHE ER SICH AN DEN KÖRPERN DER LEICHEN, NACH DEM MORD AUSLEBTE" - so antwortete er. DIE VORGEHENSWEISE BEIM DRITTEN OPFER IST EIN BISSCHEN ANDERS , ALS BEI DEN ERSTEN ZWEI.

"IN WELCHER ART UND WEISE VERGRIFF ER SICH AN DEN LEICHEN DER OPFER?"

"DAS WERDEN WIR NICHT BEANTWORTEN, UM DIE ÖFFENTLICHKEIT NICHT IN UNRUHE ZU VERSETZEN. SOMIT WERDEN WIR AUCH NICHT DARÜBER SPRECHEN, WIE DER TÄTER DIE MORDE BEGANGEN HAT.- weiter konnte ich nicht aufmerksam zuhören, da Ivan mich unterbrochen hat.

- Vielleicht werden sie dir diesen Mörder zuteilen, wenn er gefasst wird, damit du gegen ihn klagst. - Das sagte mir mein Sohn in Bezug auf den gesuchten Täter, über den sie in den Nachrichten sprachen, denn ich arbeite als Staatsanwältin. - Falls sie ihn verhaften.

- Sollen sie ihn doch zuweisen, wem sie wollen. Lass uns das Thema wechseln. Du wirst zu einer DNA Probe geben müssen. Ich nehme an, du hast das Gespräch zwischen mir und deinem Vater mitbekommen?

- Willst du das wirklich?

- Ich will ihm beweisen, dass wir drei eine Familie sind.

- In Ordnung. Kein Problem, Mama.

Ich denke, dass Ivan nicht mit der Wimper zucken würde, wenn Alexander und ich uns jetzt scheiden lassen würden, obwohl ich mir sicher bin, dass er uns beide sehr liebt. Vielleicht ist es so am besten, denn ich würde keines Falls wollen, dass auch er angespannt ist und sich Sorgen macht. Am besten durchs Leben kommen die Menschen, welche nur auf sich schauen und kein Interesse an fremden Sorgen und Problemen haben. Trotzdem kränkt es mich, dass er in dieser Situation keine Empathie zeigt und unsensibel wirkt. Ich kann mich außerdem nicht daran erinnern, wann Ivan das letzte Mal auf mich oder Alexander zugekommen ist, um uns einen Kuss zu geben. Alexander ist in dieser Hinsicht anders gestrickt. Er ist ein sehr emotionaler und empfindlicher Mensch. Ich kann nichts Schlechtes über ihn sagen. Abgesehen davon, dass ich denke, er wäre mir untreu, weiß ich, dass er ein sehr guter Mensch ist und ich liebe ihn zur Zeit nicht weniger als ich es früher getan habe.

"VORERST WISSEN WIR NUR, DASS DER TÄTER AM TAG DES ZWEITEN MORDES EINEN SCHWARZEN REGENMANTEL TRUG."- Ich höre wieder dem Gesprächspartner der Journalistin im Fernsehen zu.

"DAS WURDE UNSEREN KOLLEGEN VON EINER ZEUGIN ERZÄHLT. WIR SPRECHEN VON MITARBEITERN, WELCHE DIESEN FALL BEARBEITET HABEN, BEVOR DAS SPEZIELLE ERMITTLUNGSTEAM GEGRÜNDET WURDE. DER MÖRDER KONNTE DIE ZEUGIN NICHT SEHEN, DA SIE IN DER DUNKELHEIT STAND UND ETWAS WEITER VON DER STELLE ENTFERNT WAR, AN WELCHER DER MÖRDER DAS OPFER OHNE GEWALTANWENDUNG ABHOLTE, WAS DARAUF HINDEUTEN LÄSST, DASS TÄTER UND OPFER SICH KANNTEN. DIE GENANNTE ZEUGIN KANNTE DAS OPFER, DA DIE TAT AUF DER STRAßE, IN DER GEGEND, IN WELCHER BEIDE WOHNEN, STATTFAND. DA SICH DER TÄTER UND DAS OPFER AUF EINER BELEUCHTETEN STRAßE AUFHIELTEN, KONNTE DIE ZEUGIN DAS GESICHT DES OPFERS SOFORT ERKENNEN. IHR KAM NICHTS VERDÄCHTIG VOR, ALS SIE SAH, WIE DAS OPFER DEN TÄTER BEGRÜßTE UND MIT IHM IN EINE RICHTUNG GING. ALSO, ICH WIEDERHOLE ES NOCH EINMAL - DER TÄTER VERSCHWAND OHNE GEWALTANWENDUNG MIT DEM OPFER. DIE ZEUGIN KONNTE DAS GESICHT DES TÄTERS AUFGRUND DER SCHWARZEN KAPUZE SEINES REGENMANTELS NICHT ERKENNEN, ABER SIE KONNTE AUSSAGEN, DASS ER DURCHSCHNITTLICHER GRÖßE WAR.

"WOHER WISSEN SIE, DASS DER MÖRDER, DER MANN IM SCHWARZEN REGENMANTEL WAR?"

"DAS VERSCHWINDEN DES OPFERS WURDE VON DER FAMILIE UNGEFÄHR ZUR SELBEN ZEIT GEMELDET, WELCHE DIE GENANNTE ZEUGIN BEI IHRER AUSSAGE ÜBER DAS GESEHENE EREIGNIS ALS TATZEIT ANGEGEBEN HAT. AUßERDEM FANDEN WIR KEINE WEITEREN ZEUGEN, WELCHE DAS OPFER NACH DIESEM EREIGNIS GESEHEN HABEN ODER MIT DIESEM IN KONTAKT STANDEN.

"DAS SOLLTE DIE ERMITTLUNGEN ERLEICHTERN. WISSEN SIE MIT SICHERHEIT, DASS DER MÖRDER EIN BEKANNTER DES OPFERS WAR?"

"JA, ABER DAS KÖNNTE AUCH EIN BEKANNTER GEWESEN SEIN, DEN DAS OPFER SCHON SEIT JAHREN NICHT MEHR GETROFFEN HAT. WER WEIß, WIE VIELE BEKANNTSCHAFTEN DAS ZWEITE OPFER INSGESAMT HATTE. WIR WERDEN ALLES GEBEN, UM DIESE ERMITTLUNG SO FRÜH WIE MÖGLICH ERFOLGREICH ZU BEENDEN."

"WOHER WISSEN SIE, DASS DER MÖRDER JEDE TAT ALLEINE VOLLZOG? VIELLEICHT HATTE ER EINEN KOMPLIZEN , WELCHER IHM LOGISTISCHE UNTERSTÜTZUNG GAB?"

"IN DIESER HINSICHT SIND WIR UNS NICHT SICHER, ABER WIR WISSEN, DASS SOLCHE TÄTER MEISTENS ALLEINE HANDELN."

"IST DAS MOTIV REINE PSYCHOLOGISCHE BEFRIEDIGUNG FÜR DEN TÄTER?"

"ALLE AUS UNSEREM TEAM SIND SICH DARÜBER ABSOLUT SICHER. DESHALB IST DIESE ERMITTLUNG SO SCHWIERIG. WIR WISSEN NICHT GENAU, WO WIR ANFANGEN SOLLTEN, DENN EIN KONKRETES MOTIV FEHLT UNS, LEIDER. DER TÄTER KÖNNTE JEDER SEIN. WIR UNTERSUCHEN NEBEN ALLEN BEKANNTEN DES OPFERS, AUCH ALLE VORBESTRAFTEN TÄTER VON GEWALTVERBRECHEN, MORD UND MORDVERSUCH. ICH BIN MIR NICHT SICHER, OB WIR DEN TÄTER IN DIESEN AKTEN FINDEN WERDEN. FÜR GEWÖHNLICH SIND SOLCHE VERBRECHER NICHT VORBESTRAFT UND SOMIT UNBEKANNT FÜR DIE POLIZEIBEHÖRDE. SIE STECHEN MEISTENS DURCH NICHTS NEGATIVES HERVOR."

II.

Ich habe Alexander überredet, die DNA Analyse über seine Kontakte im Polizeilabor durchzuführen. Er war ein bisschen überrascht, denn er dachte nicht, dass ich darauf bestehen würde, doch am Ende stimmte er zu. Als er unsere Proben ins Labor brachte, sagte man ihm, dass sie uns in ein paar Tagen über das Resultat informieren würden. Die Proben gab er ihnen in drei verschiedenen Taschentüchern. Ich wollte nicht mit hinein und wartete außerhalb des Gebäudes.

Noch am selben Tag, gingen wir zu Veras Beerdigung. Wir standen beide in der zweiten Reihe, neben ihrem Sarg und ihrer engsten Familienmitglieder. Ich würde sagen, dass an diesem Ereignis circa hundert Personen teilnahmen, von denen ich den Großteil nicht kannte. Für sommerliche Verhältnisse, ist das Wetter eher kühl und ließ ein paar Regentropfen auf die Erde fallen, als hätte der Himmel Tränen für Vera fallen lassen. Die Trauerrede wurde von Veras Schwester Marija vorgetragen. Die Rede klang wie jede andere bei solchen Ereignissen. Sie sprach über Vera, als gute Mutter, herausragende Ehefrau und Ähnliches. Ich weiß, dass Marija diese Dinge über Vera nicht nur erzählte, weil es sich so gehört, sondern, weil sie wirklich eine tolle Person war. Nicht nur, dass Familie für sie an erster Stelle stand, so wollte Vera allen anderen immer mehr helfen, als sich selber. Von all meinen Bekannten, war die Freundschaft zu ihr am intensivsten, denn sie wusste alle meinen Geheimnisse und ich ihre ebenso. Ihre ehrliche und hilfsbereite Art hat mich am meisten an ihr fasziniert. Ich habe nie an ihrer Gutmütigkeit gezweifelt oder gedacht, dass sie mir diese vorspielt, denn nach so vielen Jahren, wäre ich wohl die Erste, welche das erkannt hätte. In der heutigen Zeit läuft man solchen Menschen sehr selten über den Weg. Bei all meinen anderen Freunden und Bekannten, konnte ich die Dosis an Interesse meiner Familie gegenüber und mir, deutlich erkennen.

Nach fünfzehn Minuten war Marijas Rede und die Beerdigung beendet. Wir hatten es nicht eilig, uns von Veras Ehemann, ihrer Schwester und ihren beiden Söhnen zu verabschieden. Alexander und ich warteten, bis alle anderen Gäste sich verabschiedeten, damit wir das in Ruhe zuletzt machen konnten.

- Wenn ihr etwas braucht, dann meldet euch jederzeit bei uns - sagte ich zu Veras Ehemann, Dušan, während ich mich als letzte von ihm verabschiedete. - Alexander und ich werden euch immer zur Seite stehen.

- Seid stark - jetzt richte ich mich an ihre Söhne und ihre Schwester. Alexander verabschiedete sich von ihnen. Ich empfinde mehr Mitleid ihren Söhnen, als Dušan gegenüber. Wie ich sehe, wirkt Dušan sehr gefasst und stark, während ihre Söhne weinen. Beide ihrer Söhne sind tolle junge Männer, welche Vera in ihren frühen Zwanzigern ausgezeichnet erzogen hat. Einer ist vier und der andere sieben Jahre jünger als mein Ivan. Marija hat sehr stark geweint, während sie die Trauerrede gehalten hat. Jetzt hat sie sich wieder ein bisschen beruhigt. Es tut mir leid, dass Ivan nicht zur Beerdigung mitgekommen ist. Ich weiß nicht wieso, aber er mochte Vera und ihre Familie nicht, obwohl er mit ihrem älteren Sohn im Kindesalter befreundet war. Das ärgert mich sehr, denn er hätte einen Freund fürs Leben gewinnen können, denn ihr Sohn ist ein toller Kerl. Eine sehr schlechte Charaktereigenschaft von Ivan, dass er ohne konkreten Grund Freundschaften beendet. Das nehme ich ihm übel.

- Dubravka, kann ich dich etwas fragen? - sagte Dušan zu mir. - Könntest du Veras E-Mail-Adresse abmelden, welche sie für ihren Nebenjob verwendet hat? Ich habe weder die E-Mail-Adresse, noch das Passwort für diese. Vielleicht weißt du etwas darüber, da ihr so eng befreundet wart. Alles andere, wie Facebook und Ähnliches, habe ich abgemeldet. Ich weiß nur, dass es nicht dasselbe Passwort ist, wie für ihre andere E-Mail-Adresse.

- Habt ihr Veras Arbeitsplatz nach dem Passwort gefragt?

- Ja, wir haben und diese Adresse wurde von Veras Chefin abgemeldet. Sie hatte Veras Passwort, aber das, welches sie für die E-Mail-Adresse ihres Nebenjobs verwendete, ist ganz anders als die Restlichen.

Vera arbeitete in einer Staatsinstitution als Psychologin, hatte, aber nebenbei noch einen Job in einem privaten psychologischen Beratungszentrum im Stadtzentrum. Dort arbeitete sie als Psychotherapeutin.

- Dušan hatte die E-Mail-Adresse des Nebenjobs gemeint.

- Ich habe im privaten psychologischen Beratungszentrum angerufen - sagte Dušan. - Doch dort kennt niemand ihr Passwort, sondern nur die E-Mail-Adresse. Sogar die Geschäftsführer konnten mir keine Informationen darüber geben.

- Ja, ich weiß, dass Vera mir einmal von dieser E-Mail-Adresse erzählt hat, auf welcher sie Briefe von Patienten entgegennimmt. Die Adresse habe ich mir gemerkt, aber ich kann mich nicht erinnern, dass sie mir das Passwort gegeben hat. Vielleicht habe ich zu Hause auf einem Stück Papier etwas darüber aufgeschrieben. Das werde ich sofort überprüfen, wenn ich zu Hause bin.

- In Ordnung. Es ist nicht schlimm, wenn Nichts dabei raus kommt. Ich würde sie nur gerne abmelden wollen.

- Ich werde mich bemühen, das Passwort zu finden.

- Danke.

Tatsächlich teilten Vera und ich sogar Passwörter in sozialen Netzwerken wie Facebook.

Auch dort hatten wir keine Geheimnisse. Wir hielten es für einen schlichten Spaß, denn auf sozialen Netzwerken gab es nichts Ernstes in unseren Augen. Ihr Ehemann kannte diese Passwörter also auch, da er alles deaktivierte, aber die E-Mail-Adresse im Beratungszentrum, auf welche sie Briefe ihrer Patienten erhielt, ist eine ernste Sache. Ich erinnere mich wirklich nicht daran, dass sie dieses Passwort jemals erwähnte. Trotzdem werde ich alles versuchen, um dieses zu finden, wenn ich zu Hause bin. Ich wollte Dušan vorschlagen, einen Hacker zu engagieren, welcher das Problem löst. Da er derzeit trauert, werde ich versuchen, das Problem für ihn zu lösen.

III.

Am nächsten Abend habe ich dann versucht das Passwort zu finden, worum mich Dušan gebeten hat. Also fing ich damit an, meine Papiere durchzuwühlen. Unter einem Ordner mit Unterlagen, den ich im Schrank aufbewahre, befindet sich ein kleines Heft. Darin schreibe ich alles auf, was ich nicht vergessen dürfte. Dort befinden sich auch die PIN Codes meiner EC Karten, die Passwörter meiner Facebook-Profile, Veras Passwort für Ihr Facebook Profil und Ähnliches. Ich kann mich noch daran erinnern, als wir, Vera und ich, vor langer Zeitgenau hier in meiner Wohnung saßen und unsere Facebook Profile öffneten. Ich meins und sie ihr. Vera sah damals, wie ich mein Passwort in mein Heft schrieb und bat mich darum, ihr Passwort ebenfalls aufzuschreiben. So könne ich sie daran erinnern, falls sie es je vergessen sollte. Nun sehe ich mir gerade ihr Passwort für das Facebook Profil an, aber sie ist mir nicht von Nützen, denn Dušan hat ja selbst gesagt, er habe dieses Profil bereits gelöscht. Nun fange ich damit an, im Heft nach der dienstlichen E-Mail-Adresse und deren Passwort von Veras Nebenjob zu suchen, ich schaffe es aber leider weder die Adresse noch das Passwort zu finden. Jedoch weiß ich, wie diese E-Mail-Adresse lautet, denn sie hat mir einmal mehr so im Spaß gesagt, , als ich mich über den Stress und die Erschöpfung, die meine Arbeit mit sich bringt, beschwert habe, über welche E-Mail-Adresse ich ihr auf dieser zusätzlichen Arbeit schreiben kann, damit sie mir ihre Dienste als Psychologin professionell zur Verfügung stellen kann. Hier erhält sie die Briefe ihrer Patienten. Diese Adresse kann man sich sehr leicht einprägen, so kann sie mir auch jetzt sehr leicht in Erinnerung rufen, aber dies ist leider nicht von Belangen, da ich ja ihr Passwort nicht kenne.

Ich war dazu entschlossen, diese E-Mail-Adresse von Veras Nebenjob zu schließen. Ich habe ja sowieso nichts besseres zu tun, als mich den Angelegenheiten der Verstorbenen zu widmen, da ich ja ohnehin alleine in der Wohnung bin. Alexander ist länger in der Arbeit geblieben, denn er arbeitet an einem sehr wichtigen Fall. Jedenfalls behauptet er das. Nach allem, was vorgefallen war, weiß ich nicht, ob ich ihm noch glauben soll oder nicht. Und was Ivan angeht, der ist mit seinen Freunden feiern gegangen. Ich nahm mir meinen Laptop und ging mit ihm ins Esszimmer, stellte ihn dort auf den Tisch, setzte mich, trug Veras E-Mail-Adresse ein und versuchte, das Passwort zu knacken. Es dauerte so ungefähr eine Stunde. Ich versuchte, ihren Namen mit denen ihrer Angehörigen zu kombinieren. Als dies schief ging, versuchte ich es mit ihrem Geburtsdatum, als auch mit denen ihrer Lieben, dann mit dem Familiennamen und dann habe ich versucht alles zusammen zu kombinieren. Was ihr Geburtsdatum und die ihrer Familienangehörigen angeht, die weiß ich alle auswendig, denn ich habe allen aus ihrer Familie jedes Jahr zum Geburtstag gratuliert. Dasselbe machte sie natürlich auch. Sie gratulierte meinem Mann, meinem Sohn und natürlich auch mir. Ich habe wirklich Glück, dass Veras E-Mail-Adresse nicht so vorprogrammiert ist, dass wenn man dreimal das falsche Passwort eingibt, wird man sofort blockiert. Deshalb konnte ich es problemlos so oft versuchen, wie ich nur wollte und es nötig war.

Und dann als ich gerade aufgeben wollte, gelang es mir, das Passwort zu knacken. Es war, glaube ich der fünfzigste Versuch, aber es hat sich gelohnt. Ich hatte Zugang zur E-Mail und nun war ich drin. Ausgezeichnet, jetzt muss ich nur noch die Adresse schließen. Da sah ich jedoch, dass in dem Posteingang eine neue E-Mail war, die noch nicht geöffnet worden war, und ich wollte dem Absender melden, dass Vera verstorben ist und dass er sich einen neuen Therapeuten suchen solle. Um das zu machen, müsste ich jedoch zuerst einmal die E-Mail öffnen. Ich habe nicht die Angewohnheit fremde Briefe zu lesen, aber ich denke, dass jeder, der sich in meiner Situation befände, einen Drang verspüren würde, den Brief zu lesen. Besonders in dieser Situation, wo sich jeder sicher sein könnte, dass niemand je etwas davon erfahren müsse. Es wäre für jeden besonders interessant, zu erfahren, was für Probleme andere Leute haben können und vor allem, wenn es sich dabei um psychologische Probleme handelt. Wenn man das auch von einer anderen Seite betrachten würde, dann würde ich auch eine gute Tat vollbringen. Ich könnte dieser Person einen Rat bezüglich seiner Probleme geben, obwohl ich keine Fachfrau auf dem Gebiet der Psychologie bin. Dann denke ich noch etwas nach. Wozu das Ganze? Wer würde mir helfen? Ich habe Vera verloren und ich befinde mich mitten in einer Ehekrise. Wer kümmert sich heute schon um Probleme, die einen nichts angehen? Jedoch meine Neugier, die in mir aufkam, hat nun die Oberhand gewonnen. Sie war sogar stärker als der Wunsch jemandem zu helfen. Deshalb entschied ich mich dazu, mir die E-Mail mal anzusehen.

Bevor ich überhaupt die E-Mail gelesen habe, konnte ich erkennen, dass der Absender einen komischen und albernen Namen hat, d.h. der Name stimmt mit der linken Hälfte der E-Mail-Adresse überein, die ihm dazu diente Vera anzuschreiben. Deshalb musste man um den Namen des Nutzers vollkommen lesen zu können, mit dem Pfeil an die E-Mail-Adresse des Absenders am Bildschirm ansetzen und ohne die E-Mail ganz zu öffnen. Daraus konnte man sofort schließen, dass der Name in der E-Mail-Adresse, nicht der richtige Name des Absenders war. Es schien fast so, als ob der Absender Scham empfinden würde, sich mit dem richtigen Vor- und Nachnamen vorzustellen, wenn er sich mit seinem Therapeuten unterhält.

"SEHR GEEHRTE FRAU MARKOVIĆ"- auf diese Art und Weise begann nun der Brief, der an Vera gerichtet war, und mit Familiennamen Marković hieß.- "ICH MÖCHTE NICHT LANGE UM DEN HEIßEN BREI HERUMREDEN, UND DESHALB KOMME ICH SOFORT ZUR SACHE. ICH BIN DERJENIGE, DEN IN DEN MEDIEN ALS "DER MANN IM SCHWARZEN REGENMANTEL" BEZEICHNET WIRD. ICH HABE DIE DREI MENSCHEN UMGEBRACHT. ICH WEIß, DASS IHR PSYCHOLOGEN UND PSYCHIATER NICHTS DAVON ERZÄHLEN DÜRFT, WAS EUCH EURE PATIENTEN ERZÄHLEN, DESHALB HOFFE ICH, DASS SIE DAS HIER NIEMANDEM WEITERERZÄHLEN WERDEN. ICH HABE VOLLSTES VERTRAUEN IN SIE, OBWOHL ICH JA DIENSTLICH GESEHEN NICHT IHR RICHTIGER PATIENT BIN. ICH SEHE, DASS ÜBER MICH SO EINIGES IN DEN MEDIEN GESCHRIEBEN UND GESAGT WIRD. LEUTE JEGLICHER ART, SELBST BERUFENE PSYCHOANALYTIKER UND ÄHNLICHE STELLEN MICH IN EINEM ZIEMLICH SCHWARZEN LICHT DA. SOLCHE UNWAHRHEITEN MIT EKELHAFTEN DETAILS WÜRDEN JEDEN TREFFEN, SOMIT AUCH MICH. DAZU KANN ICH NUR SAGEN, ALLE DREI OPFER, DIE ICH UMGEBRACHT HABE, WAREN SCHLECHTE MENSCHEN, SIE HABEN ES VERDIENT, WAS IHNEN WIDERFUHR. ICH MUSS JEMANDEM MEINEN STANDPUNKT VON ALLDEM NAHEBRINGEN. ICH HOFFE, SIE WERDEN AUCH WEITERHIN MIT MIR KOMMUNIZIEREN WOLLEN? WERDEN SIE DAS MACHEN? WENN JA, DANN WERDE ICH IHNEN IN DEN FOLGENDEN E-MAILS MEHR DAZU SAGEN. ES WÜRDE MICH SEHR FREUEN, WENN GERADE SIE MIR EINE DIAGNOSE STELLEN WÜRDEN".

Das war der erste Teil des Briefes. Im zweiten Teil erklärte er mir, wie wir weiter miteinander kommunizieren werden. Er wird jedes mal die E-Mail-Adresse wechseln, wenn er mir schreibt. Mir erklärte er dann, wie ich ihm antworten soll. Er sagte mir, ich solle auf einen Kanal auf YouTube gehen. Dort werde ich dann ein Profil eröffnen. Er sagte mir sogar, wie der Name des Profils lauten soll. Der Name des Profils wird nichts mit meinem richtigen Namen gemeinsam haben. Es wird etwas ganz anderes sein. Irgendetwas auf Englisch. Dann schrieb er mir den Namen eines Videos auf YouTube auf. Der war ebenfalls auf Englisch. Hier werde ich unten mittels des neu eröffneten Profils ein Kommentar hinterlassen. Dies werden dann die Antworten auf seine folgenden E-Mails sein. Meine Antworten werden natürlich genau wie seine Briefe, die er mir per E-Mail zukommen lassen wird, auch auf Serbisch geschrieben sein. Er gab mir den Hinweis nicht klipp und klar zu antworten. Ich solle meine Antworten so verhüllen, dass wenn sie von jemandem gelesen werden sollten, der nicht versteht, worum es darin eigentlich geht, selbst wenn derjenige die serbische Sprache spricht. Dieses Kommentar,dass ich auf YouTube hinterlasse, d.h. meine Antwort auf seine E-Mail, wird von jedem der Millionen und Abermillionen Nutzern die auf YouTube surfen, gelesen werden können, sogar von denen, die keinen Kanal auf YouTube haben. Aus diesem Grund hat er diese Art und Weise der Kommunikation gewählt, denn es wird nicht nachzuweisen sein, wann er sich meine Antwort anschauen wird. Somit wird es auch unmöglich sein nachzuweisen, wo sich der Rechner befindet, d.h. das Smartphone, das ihm dazu dient, die Antworten zu lesen.

Es wäre untertrieben gewesen, wenn ich einfach nur sagen würde, ich wäre überrascht gewesen. Ich konnte mich gar nicht mehr fassen. Ich weiß nicht, was jetzt das klügste wäre, was ich tun könnte. Vielleicht macht jemand nur Spaß. Ich habe auch angefangen zu denken, dass Dušan mir vielleicht solch einen Streich spielen könnte. Er war ja schon immer ein Witzbold. Aber jetzt in dieser Situation solche Späße zu machen, das wäre ja schon ziemlich krank von ihm gewesen. Aber warum sollte auch irgendjemand anderes mit so etwas scherzen? Auf der anderen Hand, nun ja. Es gibt ja viele Menschen, die krank im Kopf sind. In der E-Mail waren wiederum keine grammatischen Fehler zu finden, was schon von einer gewissen Bildung des Verfassers zeugt. Was ja nicht bedeuten muss, dass er nicht psychisch krank ist. Wenn ich das jetzt der Polizei melden würde, dann würde ich mich dafür schämen, dass ich fremde Post geöffnet und gelesen habe, und außerdem weiß ich ja nicht, ob es auch helfen würde, dass man ihn fasst. Und dies wäre ja auch nur dann unter Umständen möglich, wenn es sich hier wirklich um den Mörder handelt. Was man aus den Medien erfährt, dass alles was die Polizei an Informationen über den Täter hat, dass er einen schwarzen Regenmantel trägt. Desweiteren weiß man, dass er mittelgroß ist und offenbar das zweite Opfer kannte. Aufgrund meiner Arbeitserfahrung, um die man mich beneiden kann, weiß ich, dass das viel zu wenig ist und dass die Ermittler noch nicht einmal annähernd wissen, um wen es sich da handeln könnte. Sie werden wohl noch etwas Zeit brauchen bis sie den Täter finden. Deshalb glaube ich, dass es den Ermittlungen nicht weiterhelfen wird, wenn ich dies nun der Polizei melden würde. Und wer weiß? Vielleicht schaffe ich es ja womöglich, den Täter von einem vierten Mord abzuhalten.

Ich tat sofort, was er mir angewiesen hat. Ich habe ein Profil auf YouTube erstellt und habe mir das Video angesehen, das er mir beschrieben hat. Ich habe gerade mein Profil erstellt und zwar über eine neue E-Mail Adresse auf Yahoo. Ich wollte meine Standardadresse nicht für so etwas benutzen. Das besagte Video wurde vor zwei Jahren hochgeladen und wie ich mir schon dachte, wurde es mehrere Millionen male aufgerufen und es wurden tausende Kommentare hinterlassen. Das letzte Kommentar wurde vor einer Woche hinterlassen. Daraus kann man schließen, dass die Zeit als viele Nutzer intensiv dieses Video auf YouTube angesehen haben und darauf ihre Kommentare hinterließen bereits vergangen war. Das hat jetzt etwas nachgelassen. Das besagte Video zeigt eine Band aus dem englischen Sprachgebiet und alle Kommentare sind, soviel ich sehen kann auf Englisch. Jetzt soll ich hier zwischen diesen Kommentaren mein Kommentar auf Serbisch hinterlassen und auf seinen Brief antworten.

"WEIßT DU, DASS ES EINE STRAFTAT IST, SICH ALS JEMAND ANDERES AUSZUGEBEN, INSBESONDERE WENN ES SICH UM SO ETWAS HANDELT, WIE DAS HIER?"- so begann ich meine Antwort im Kommentar, ich wollte ihn auf diese Art und Weise erschrecken, falls es sich wirklich um einen Scherz handelt und falls sich hier jemand wirklich für den Täter ausgibt.- "ICH WEIß NICHT AUS WELCHEM GRUND DU DAS MACHST, ES IST WIRKLICH SEHR MORBIDE UND DAS SCHLIMMSTE WAS ICH MIR VORSTELLEN KANN, DASS JEMAND MACHEN KANN. ICH KANN DICH NUN VERRATEN. UND ICH BIN MIR SICHER, DASS DIE BEHÖRDEN DICH DANK DER TECHNIK, DIE JA NUN SEHR WEIT GEKOMMEN IST, SEHR LEICHT AUFFINDBAR MACHEN KÖNNEN. ABER WENN DAS HIER KEIN KRANKER SPAß IST, DANN KÖNNEN WIR UNS WEITER UNTERHALTEN. ICH WEIß NICHT, WER DAS VERDIENT HABEN KÖNNTE, WAS DU DIESEN LEUTEN ANGETAN HAST?".

Auf diese Art und Weise habe ich es, wie von ihm im Brief angewiesen, vermieden eine direkte Antwort zu hinterlassen und habe alles schön verpackt. Ich hätte zwar noch etwas subtiler vorgehen können, aber ich bin mir nicht sicher, ob ich ihn dann genug erschreckt hätte, falls das ein morbider Scherz gewesen sein sollte. Ich habe sofort das Internet verlassen. Jetzt bin ich sehr erschrocken. Was, wenn der Kerl jetzt wirklich der Serienmörder ist? Wenn sie ihn später entdecken und verhaften? Könnte man mich später anklagen, da ich das nicht sofort angezeigt und der Polizei gemeldet habe, oder vielleicht bezichtigen sie mich Beweise der Polizei vorenthalten zu haben. Ich hoffte nun wirklich, dass das nur jemand war, der über seine Identität gelogen hatte, und sich nun nicht mehr melden wird, weil ihn meine Antwort abgeschreckt hat. Wenn er doch die Wahrheit gesagt hat, dann wird er sich wohl wieder per E-Mail melden. Ich habe das Passwort der E-Mail-Adresse der verstorbenen Vera geändert und dann werde ich mal weitersehen, wie ich weiter vorgehen werde.

Dem Dušan habe ich gemeldet, dass ich das Passwort für diese E-Mail Adresse der verstorbenen Vera gefunden habe, und ich log ihn an, sie soeben gelöscht zu haben. Er bedankte sich bei mir und versprach der Eigentümerin der Beratungsstelle zu melden, dass die E-Mail-Adresse nun gelöscht worden sei. Das neue Passwort durfte ich mir nirgendwo aufschreiben, denn es wäre nicht gut, wenn es von jemandem gefunden und benutzt werden sollte. Ich habe es mir eingeprägt.

Diese Antwort von mir, die auf einem Video zu lesen ist, das nichts mit meinem Kommentar zu tun hat und einem unbekannten gewidmet ist, der behauptet ein Serienmörder zu sein, scheint doch ziemlich unauffällig zu sein. Auch wenn meine Antwort von jemandem gelesen werden sollte, der Serbisch kann, dann wird derjenige höchstwahrscheinlich denken, dass ich nur eine Verrückte bin, denn der Inhalt meiner Antwort hat nichts mit dem Inhalt des Videos zu tun und niemand wird irgendeinen Zusammenhang sehen oder verstehen, worum es sich hier eigentlich handelt. Und darum geht es ja auch. Das nur wir beide, also nur ich und der unbekannte Absender, der behauptet, ein Mörder zu sein, verstehen, worum es geht. Ich werde in ein paar Tagen nachsehen, ob mir der unbekannte Absender etwas per Veras E-Mail-Adresse geantwortet hat. Und jetzt möchte ich mich nur etwas beruhigen, wenn es geht.

IV.

Es ist ungefähr eine Woche vergangen und ich habe Veras E-Mail-Adresse noch immer nicht überprüft. Eigentlich wollte ich das heute erledigen, aber mein Ehemann rief mich an und machte mir mit einer Information große Angst, während wir beide an unserem Arbeitsplatz saßen. Alexander teilte mir mit, dass heute Abend ein Inspektor für Sexualdelikte bei uns zu Hause, zu Besuch sein wird. Die beiden kennen sich nur flüchtig aus der Arbeit und hatten bisher nicht viel miteinander zu tun. Umso beunruhigter war Alexander, als dieser am frühen Morgen ihn anrief und seinen Besuch bei uns ankündigte, bei welchem er etwas Ernstes mit uns beiden zu bereden hätte.

Ab Alexanders Anruf bis zur Ankunft des Inspektor in unsere Wohnung machte ich mir wahnsinnige Sorgen darum, was ich ihm sagen soll, wenn er herausgefunden hat, dass ich mit einem Mann E-Mail Verkehr hatte, welcher behauptete, ein Serienmörder zu sein. Am besten wäre es, wenn ich behaupte, dass ich geplant habe, ihn bei der Polizei zu melden, sobald er mir genügend Information über seine Tat gegeben hat, denn wie ich sehen kann, hat das Ermittlungsteam nur wenige Beweise gesammelt. Alexanders Kollege, Herr Nedeljković, kam zwischen sechs und sieben Uhr am Abend an und wir begaben uns ins Wohnzimmer, wo wir zuerst einen Kaffee tranken.

- Sagen Sie - fing Nedeljkovic mit dem Gespräch an. - Sie hatten vor langer Zeit, ein weiteres Kind gehabt? Richtig?

Alexander und ich sahen uns tief in die Augen, während wir am Esstisch gegenüber saßen. Nedeljković saß seitlich von uns. Wir wussten keine Antwort auf seine Frage, somit warteten wir vergeblich darauf, dass er sie uns beantwortet. Ich weiß nicht wie Alexander sich während dieser Situation fühlte und welche Gedanken ihm zu diesem Thema in den Sinn kamen. Mir wurde sofort klar, dass es sich um vergangene Ermittlungen gestohlener Babys handeln muss, wovor ich mein ganzes Leben lang Angst hatte. Allerdings sagte mein Ehemann am Telefon, dass Inspektor Nedeljković für Sexualdelikte zuständig war und nicht für Ermittlungen des Menschenhandels.

Ja, hatten wir - antworte ich. Wir hatten noch einen Sohn. Ivans zweieiiger Zwilling. Er verstarb kurz nach der Geburt an Komplikationen in Verbindung mit seiner Atmung. Ich habe vergessen, wie dieses gesundheitliche Problem heißt, denn es war ein sehr schwieriger Begriff und ich habe sogar vergessen, ob es auf Latein oder auf Serbisch ausgesprochen wurde. Als das Kind starb, lag ich noch im Krankenhaus auf der Station.

- Haben sie die Leiche des Kindes gesehen?

- Nein - antwortete ich sofort. Ich sehe Alexander in die Augen und kann erkennen, dass er, so wie ich auch, immer mehr Spannungen und Angst zu fühlen bekommt. Das Kind habe ich nur kurz nach der Geburt zu Gesicht bekommen. Die Leiche wurde mir nicht gezeigt, sondern nur seine Sterbeurkunde, welche seinen Tod bestätigt.

- Haben Sie die Sterbeurkunde noch bei sich?

- Nein, denn ich wollte nicht, dass unser Sohn Ivan sie jemals findet.

- Ich habe die Leiche des Babys auch nicht gesehen - sagt Alexander.

- Ist Ihr Sohn gerade zu Hause?-fragt uns der Inspektor.

- Nein.-sage ich. Ivan arbeitet heute in der Spätschicht ab zwölf Uhr.

- In Ordnung. Vielleicht wäre es besser, wenn er darüber nichts erfährt. Haben sie ihm erzählt, dass er bei seiner Geburt einen Bruder hatte?

- Nein-sagte Alexander.- Wir denken, dass es so besser ist.

- In Ordnung.- Nedeljkovic stimmte uns zu und richtete sich nun an meinen Ehemann. - Kollege, wieso haben Sie vor ein paar Tagen eine DNA Analyse veranlasst? An welchem Fall arbeiten Sie, wenn ich fragen darf? Wessen Proben haben Sie ins Labor gebracht? Eine Mitarbeiterin des Labors sagte mir, dass die gebrachten DNA Proben von Ihnen unbekannten Personen seien? So haben Sie es doch gesagt, nicht wahr?

Alexander erklärte, dass es aus privaten Gründen sei und es keinerlei berufliche Hintergründe hatte. Das sind unsere Proben. Meine, Alexanders und die unseres Sohnes, Ivan. Wir hatten vor nicht allzu langer Zeit Eheprobleme und ich wollte hiermit beweisen, dass Ivan sein Sohn ist. Alexander behauptete dem Labor gegenüber, dass es sich um Proben unbekannter Leute handelt, welche er für einen besonderen Fall, an welchem er arbeitet, braucht. Wir entschuldigten uns, das Labor für private Zwecke genutzt zu haben und boten ihm an, die Analyse zu bezahlen.

- Nein.- antwortete Nedeljković in Bezug auf die Bezahlung.- Deshalb bin ich nicht hier. Ivan ist den Ergebnissen nach zu urteilen, mit Sicherheit Ihr Sohn, aber ich versuche herauszufinden, was mit ihrem zweiten Kind passiert ist und wo ich diesen finden kann.

- Er verstarb nach der Geburt.- sagte ich.- Wir haben uns doch gerade eben dazu geäußert.

Ist er nicht- antwortet Nedeljković mir sofort.- Die DNA Analyse aus dem Labor bestätigt, dass er nicht verstorben ist. Wie Sie wahrscheinlich schon mitbekommen haben, gab es drei mysteriöse Morde in unserer Stadt und die Ergebnisse des DNA Tests zeigen, dass ihr zweiter Sohn der Täter in diesen Fällen ist. Die Mitarbeiterin des Labors, bestätigte mir, dass der Täter dieser Morde in engem familiären Verhältnis zu den Personen, der drei von Ihnen gebrachten Proben steht. Deswegen fragte ich zuerst, ob sie die Leiche ihres verstorbenen Kindes gesehen haben. Ich habe der Laborantin gesagt, dass ich das mit Ihnen klären werde und sie nicht bei Ihnen anrufen soll.

Alexander und ich erstarrten, sahen uns direkt in die Augen und konnten die Angst in den Augen des Anderen erkennen. In diesem Moment habe ich realisiert, dass Nedeljković ein Mitglied des speziellen Ermittlungsteams ist,

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Texte: Mario Rosić
Bildmaterialien: Gentleman, © Juraj Chrastina
Cover: Sarah Schemske, buecherschmiede.net
Satz: BookRix GmbH & Co. KG
Tag der Veröffentlichung: 23.02.2023
ISBN: 978-3-7554-3336-1

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