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Kapitel 1

Seit Anfang Juni liege ich jeden Tag in meiner Hängematte im Garten. Man fühlt sich frei, als würde man fliegen, wenn man vom Wind sanft hin und her geschaukelt wird und die warmen Sonnenstrahlen auf der Haut spührt. Mitlerwile haben wir Oktober. Aber mir ist das egal.

Ich liege hier gern. Ich kann nachdenken, ohne, dass mich jemand dabei unterbricht.

Nur heute, würde ich keine Ruhe finden. 

Es legt sich ein Schatten über meine Augen, sodass die Sonne verschwindet. Dann wird meine Hängematte blitzschnell umgedreht und ich lande unsaft auf dem Boden. Eine Sekunde später höre ein unvergleichliches Lachen, welches nur von meinem großen Bruder stammen kann. Obwohl er drei Jahre älter ist als ich, benimmt er sich wie ein Kleinkind. Es ist zum verrückt werden!

"Du bist so bescheuert!", stelle ich fest, aber das bringt ihn nur noch mehr zum Lachen und er rollt sich jetzt über den Boden.

"Was ist überhaupt so witzig daran?", frage ich, weil er mich nun wirklich nervt. 

"Du ... hast ... Du hast ... da was!", japst er und zeigt auf mein Gesicht.

 Ich hebe meinen Arm, um herauszufinden, was er meint und kann nach kurzer Zeit etwas Matschiges in meiner Hand spüren. Sofort springe ich auf und renne ins Bad. Als ich in den Spiegel sehe, muss ich feststellen, dass es - zum Glück -  nur Schlamm ist, der in meinen Haaren hängt.

Schnell wasche ich mir die Haare und lege danach ein Handtuch darum, sodass ein Turban entsteht. Ich hatte mir nämlich vor einiger Zeit vorgenenommen, sie nach dem Waschen nicht mehr zu föhnen, weil ich sie nicht unnötigen Strapazen aussetzen will.

 

Am nächsten Morgen fällt mir das Aufstehen schwer, aber trotzdem quäle ich mich aus dem Bett. Aufgrund einer Schlaflosen Nacht, bin ich noch sehr müde. Ich bin daran gewöhnt, denn meine Eltern haben sich mal wieder gestritten. Mitlerweile macht es mir fast nichts mehr aus. Allerdings war es letzte Nacht besonders schlimm, weil ich gehört hatte, wie mein Vater meiner Mutter schlug. Das hatte er, soweit ich mich erinnern kann, noch nie getan. 

Ich glaube, dass das der Grund ist, warum mein Bruder sich so unreif verhällt. Er ignoriert es nachts und überspielt es tagsüber. 

Später im Bad, putze ich meine Zähne und schminke mich. Danach schaue ich mir selbst ins Gesicht. Ich sehe eine relativ hübsche 16-jährige mit dunklen Ringen unter den Augen, die man trotz Schminke erkennen kann. Meine Augen sind blau und groß. Ein bisschen zu groß für meinen Geschmack und meine Lippen zu klein, sodass sie nicht dazu passen. 

Ich beschließe, meine Haare offen zu lassen. Sie hängen jetzt ganz glatt herunter. Meine Haarfarbe ist eine Art aschblond. Früher waren sie hell, aber sind mit der Zeit immer dunkler geworden. 

 

In der Schule bin ich eher still, melde mich kaum. Zwar nehmen mich die Lehrer öfters dran und weil ich eigentlich immer den Unterricht mitverfolge, weiß ich meistens die Antwort. Dann fragen mich die Lehrer, warum ich mich nicht melde, wenn ich doch so intelligent bin. Ich zucke mit den Achseln, denn ich will nicht, dass sie es wissen. Die meisten Lehrer haben dann auch keine Lust auf ein Gespräch unter vier Augen und lassen mich somit in Frieden.

Nur einen Lehrerin hat mit meinem Verhalten ein großes Problem. Nach der achten Stunde, wir hatten gerade Englisch bei ihr, bittet sie mich um eine Unterhaltung.

"Ich mache mir Sorgen um dich, Jamie. Du bist so still im Unterricht. Kannst du mir sagen, woran das liegt?", fragt mich Miss Bloom. 

Ich schüttle meinen Kopf und sage: "Ich bin halt nicht gut in Geschichte."

"Das stimmt nicht, Jamie, und das weißt du auch! Deine Arbeiten sind immer im Einser- oder Zweierbereich."

Darauf weiß ich nichts mehr zu sagen und tue es somit auch nicht.

"Also, warum meldest du dich nicht, wenn du die Antwort weißt?"

Wieder sage ich nichts.

"Hast du irgendwas? Bist du krank? Soll ich mal mit deinen Eltern reden?", hakt sie weiter nach. Aber jetzt wird es mir zu viel und stehe einfach auf und renne nach draußen. 

Keiner kennt den Grund dafür, dass ich so still bin. Keiner weiß, wie es bei mir zu Hause abläuft.

Kapitel 2

  Normalerweise gehe ich nach der Schule immer nach Hause, aber heute habe ich das Gefühl, ich würde es dort alleine nicht aushalten. Also laufe ich in die entgegen gesetzte Richtung.

Ich achte nicht wirklich auf umstehende Gebäude, sondern folge einfach der Straße.

Plötzlich fängt es an zu regnen, aber auch das ist mir egal. 

Irgendwann bemerke ich, dass ich bis auf die Knochen nass bin.

Vielleicht wäre es besser, nach Hause zu gehen, denke ich. Darauf drehe ich mich um und gehe meinen Weg wieder zurück.

 

Da ich aber geradenicht auf den Weg geachtet habe, weiß ich gar nicht mehr, wo ich lang gegangen bin. Ich irre gefühlte Stunden umher. Vor lauter Verzweiflung fließen schon ein paar Tränen meine Wachen runter, mein Make-Up muss schon völlig zerstört sein.

Plötzlich laufe ich gegen irgendetwas Großes. Fast wäre ich nach hinten gefallen, aber starke Arme haben sich um meinen Körper gelegt und halten mich fest. 

Total perplex stottere ich eine Entschuldigung: "Oh ... das ... das tut mir leid. Ehrlich."

Der Mann lacht kurz auf, aber sagt dann freundlich: "Du musst dich nicht entschuldigen. Es war meine Schuld."

Als ich nichts erwidere, fügt er noch hinzu: "Darf ich deinen Namen wissen?"

Ich habe ihn immernoch nicht angesehen. Mir ist das Ganze extrem peinlich. Trotzdem antworte ich. "Jamie."

"Das ist ein schöner Name. Meiner ist Mason." Nach diesen Worten fasst er sanft mein Kinn und zwingt mich so, ihn anzusehen.

Mason ist ziemlich groß, stelle ich direkt fest. Und muskulös. Er muss älter als 18 sein.

Sein Gesicht ist kantig, aber nicht zu sehr. Seine großen braunen Augen funkeln mir entgegen, was ein mir unbekanntes wohliges Gefühl im Bauch entstehen lässt.

"Weißt du was, Jamie, du bist wunderschön."

Überrascht starre ich ihn an. Die Farbe meiner Wangen muss mitlerweile ein ziemlich dunkles Rot angenommen haben.

Er will bestimmt nur nett sein!, sage ich mir selbst. Schließlich weiß ich, dass ich wegen meiner verlaufenen Schminke so aussehe, als wäre ich ein Gruftie oder Ähnliches.

Ich öffne meinen Mund, um etwas zu erwidern, schließe ihn aber gleich wieder, als mir nichts Passendes einfällt. Denn ich bezweifele, dass es sehr schlau wäre, ihm das Selbe zu sagen.

Jetzt fällt mir auf, dass er mich immer noch nicht losgelassen hat. Er scheint das auch zu bemerken, denn plötzlich nimmt er seine Arme weg und sofort wird mir kalt. So etwas bin ich gar nicht gewohnt. Normalerweise ist es mir unsgenehm, längere Zeit in den Armen einer Person zu verbringen und bin somit immer froh, wenn der jenige mich wieder loslässt.

Mason räspert sich. Zu meiner Überraschung legt er seine beiden Hände an meine Wangen und wischt sanft mit seinen Daumen die Wimperntusche unter meinen Augen weg.

Er steht anscheinend auf Körperkontakt, denke ich währenddessen.

Ein verlegendes Lächeln kann ich mir in dieser Situation nicht verkneifen.

"Soll ich dich nach Hause begleiten? Es ist schließich schon sehr spät", fragt er etwas zögerlich.

"Wie viel Uhr haben wir denn?" Ich bin ein bisschen geschockt. Dass es bereits dämmert, ist mir gar nicht aufgefallen.

Mason schaut auf seine Uhr. "Halb zehn."

"Oh, Scheiße! Ich sollte schon vor Stunden zu Hause sein!", fluche ich. "Tut mir leid, aber ich muss gehen. Bis dann." Daraufhin drehe ich mich um und gehe los.

Aber nach ein paar Schritten fällt mir wieder ein, dass ich ja gar keine Ahnung habe, wo ich bin. 

Vielleicht kann mir dieser Mason ja helfen. Nein, er ist bestimmt schon weg und ich werde ihn nie wieder sehen. Andererseits, hat er mich gefragt, ob er mich nach Hause bringen soll...

"Ist noch was?", zieht mich Mason aus meiner Gedanken-Diskussion.

Langsam drehe ich mich um. "Ähm, ja. Also... nein... ja..."

Fragend sieht er mir in die Augen.

"Ich bin vorhin aus der Schule hierhin gerannt und dabei nicht richtig auf den Weg geachtet, deshalb weiß ich jetzt nich genau, wo ich bin."

"Bist du neu hier?", fragt er mich, anstatt mir zu helfen.

"Nein, aber ich komme nicht so oft in die Stadt."

"Achso. Wo wohnst du denn? Dann kann ich dich begleiten."

Ich nenne ihm meine Adresse und gemeinsam machen wir uns auf den Weg.

Kapitel 3

Jetzt laufen wir nebeneinander her. Ich wundere mich, dass ich ihm vertraue - zumindest so, dass mein Gewissen anscheinend nichts dagegen hat, wenn er mich nach Hause bringt. Und aus irgendeinem Grund freut mich das.

"Darf ich fragen, warum du nicht so oft raus kommst? ... Also nicht, dass es mich etwas angeht...", versucht er anscheinend vorsichtig eine Konversation zu beginnen.

"Ähm... Ich habe viel mit der Schule zu tun. Das ist im Moment stressig. Und zu Hause müssen mein Bruder und ich oft im Haushalt helfen", erkläre ich.

"Und dein Vater?"

Ich mache den Mund auf, aber schließe ihn gleich wieder. Ich will es sagen, aber so gut kennen wir uns jetzt auch wieder nicht.

"In welche Klasse gehst du denn?" Er versucht, das Thema zu wechseln. Vielleicht hat er gemrkt, dass mir die Sache mit meinem Vater unangenehm ist.

"Ich bin in der zehnten Klasse", antworte ich erleichtert. "Und du?"

Er lacht kurz auf. "Ich gehe nicht mehr zur Schule."

"Oh. Wie alt bist zu dann?", frage ich ihn erstaunt.

"20."

"Oh."

Dann kommt eine lange Pause, in der niemand etwas sagt.

Wir sind mitlerweile in meine Straße angelangt.

"Von hier aus kann ich alleine gehen", sage ich.

"Willst du mich loswerden?"

Darauf weiß ich nichts mehr zu sagen, sondern sehe runter zum Boden.

"Tja, da musst du jetzt durch. Ich werde mit dir gehen und warten, bis du in deinem Haus verschwunden bist. Wenn ich dich schon begleite und somit ein wichtiges Meeting verpasse, dann auch so, dass es sich lohnt und ich weiß, dass du in Sicherheit bist."

Erstaunt blicke ich Mason an. "Was? Du verpasst ein Meeting wegen mir? Das wäre gar nicht nötig gewesen!"

"Doch. Ich kann doch nicht einfch ein minderjähriges Mädchen mitten in der Nacht alleine nach Hause gehen lassen", erklärt er mir.

"Wenn du meinst. Da ist mein Haus. Tschüss!", sage ich und gehe darauf zu.

Kapitel 4

  Eine Sekunde, nachdem ich die Haustür hinter mir geschlossen habe, renne ich hoch in mein Zimmer und schaue aus dem Fenster. Nur um zu sehen, ob er wirklich gewartet hat.

Er hat tatsächlich gewartet! Ich bin total erstaunt. Und ich freue mich riesig!

Dann geht er wieder zurück. Ich sehe ihm hinterher. Plötzlich dreht er sich noch einmal um. Für einen Moment haben wir Blickkontakt. Mason lächlt mir zu und ich winke leicht zum Abschied.

 

Später im Bett versuche ich verzweifelt zu schlafen. Aber jedes Mal, wenn ich die Augen schließe, taucht Masons perfektes Gesicht in meinen Gedanken auf.

Ich weiß, dass es total verrückt ist. Immerhin ist er fünf Jahre älter als ich!

 

Als ich am nächsten Morgen aufwache, stehe ich sofort auf. Das passiert mir sonst nie. Normalerweise dauert es morgens ewig, bis ich richtig wach bin.

 

Während des Vormittags passiert - wie immer - nichts Besonderes. In der Pause laufe ich ein bisschen über den Schulhof und höre dabei Musik bis es wieder Klingelt.

 In der Klasse, versetze ich mich wie immer selbst in einen Schlafmodus, indem ich nur am Rande mitbekomme, was Mr. Green uns erzählt.

Plötzlich werde ich von meiner Freundin Callie, die in jedem Fach neben mir sitzt und mir jetzt heftig ihrem Ellenbogen in die Seite stößt, aus meinen Gedanken gerissen.

"Hast du gehört, was Greeny grad gesagt hat?", zischt sie mir ins Ohr.

"Ähm... Nicht richtig", antworte ich.

Daraufhin seufzt Callie und verdreht dabei die Augen. "Ich werde es dir sagen. Er meinte, wir bekommen, heute in der vierten Besuch. Und jetzt rate mal, wen!"

Ich überlege kurz. "Keine Ahnung."

Sie seufzt noch einmal. "Diesen Chef von 'Carter Designs'!" Mit großen Augen starrt sie mich an, während sie das sagt.

"Und das ist gut?"

"Ja! Der ist mega heiß." Darüber kann ich nur lachen. So ist Callie halt. Immer auf der Suche nach einem Date.

"Aber wenn er der Chef der Firma ist, wie alt ist er dann?", frage ich etwas leiser, denn Greeny hat uns soeben mit einem bösen Blick ermahnt.

"Ich glaub er ist 20."

Ich will gerade etwas erwidern, aber in dem Moment sagt Mr. Green: "So, ihr habt jetzt fünf Minuten Pause. Danach kommt Mr. Carter zu Besuch."

 

Nachdem die Pause zu Ende ist, sitzen alle auf ihren Plätzen und warten entweder auf diesen Typen oder auf das Ende der Stunde. Letzteres ist aber wahrscheinlicher, denn fast alle Mädchen starren zur Tür und warten darauf, dass Mr. Green und der Firmen-Chef in den Raum kommen.

Alle, außer mir. Mich interressiert er nicht wirklich. Ich knibbel lieber meinen Nagellack ab.

Bis zu dem Augenblick, wo sich die Tür öffnet. Ich höre die Mädchen scharf einatmen und merke, dass die Jungs ziehmlich eingeschüchtert sind. Denn normalerweise labern sie die ganze Zeit.

Dann hebt Greeny seine Stimme und stellt den Ganst vor: "Also hier ist - wie bereits angekündigt - Mason Carter. Chef der Firma 'Carter Designs'."

Weil es alle tun, sehe auch ich kurz nach vorne. - und erschrecke mich fast zu Tode.

Der Mann, der vor dem Kurs steht, ist Mason. Der Mason von gestern Abend.

In dem Moment sieht er mich auch. Sofort geht sein aufgesetzt fröhliches Lächeln in einen sehr überraschten Gesichtsausdruck über.

Aber das liegt mit Sicherheit nicht an mir, denke ich.

 

Mason scheint mit anderen Gedanken beschäftigt zu sein, denn Greeny muss ihn wieder zurück in die Realität holen.

"Mr. Carter? Wollen Sie nicht die Frage beantworten?"

"Ähm... ja. Ja, natürlich. Wie war denn die Frage?". Er bemühe sich, höflich zu bleiben, denn mit Sicherheit hat er zu dem Ganzen hier keine Lust. Ich ja auch nicht. Andererseits ist es wahrscheinlich meine Einzige Chance, nocheinmal Mason über den Weg zu laufen. Ich freue mich wirklich.

"Ich habe gefragt, ob es für Ihre Familie nicht sehr anstrengend ist. Immerhin reisen Sie sehr viel", meldet sich Callie zu Wort. Ich verdrehe die Augen. Man kann eutlich raushören, dass sie wissen will, ob er eine Freundin hat.

"Nein, so gesehen habe ich keine Familie."

Sofort wird mir die nächste Frage gestellt: "Auch keine Freundin?" Es ist ein Max, der die Frage äußert.

Er will antworten, aber dieser Greeny funkt dazwischen. "Mr. Brown, das geht Sie nun wirklich nichts an!"

"Schon in Ordnung", beschichtigt er. "Nein, ich habe keine." 

Ist ja typisch. Callie steht auf ihn, was mich irgendwie ein bisschen wütend macht und Max ist einfach nur dämlich.

Ihm werden noch ein paar Fragen zu meiner Firma gestellt, als ich meine Hand hebe.

"Mr. Green, darf ich etwas früher gehen? Irgendwie fühle ich mich nicht so gut", frage ich.

"Ja, wir machen jetzt so wieso Schluss. Danke Ihnen, Mr. Carter", antwortet er.

Daraufhin renne ich so schnell ich kann aus dem Klassenraum. Hoffentlich laufe ich ihm nicht nochmal über den Weg. Oder doch?

Ich habe mich draußen hinter einer Säule versteckt.

Ich sehe ihn etwas enttäuscht zu seinem Wagen laufen.

Es klingelt sein Telefon.

"Ja, leider. Und auch nur, weil du bereits deine Firma in Deutschland leitest."

Genervt, so sieht es jedenfalls aus, gört er zu. Den Kopf gen Himmel gerichtet.

Ich beschließe, einfach an ihm vorbei zu gehen. Ohne, auf ihn zu achten.

Während ich laufe, habe ich den Kopf gesenkt, als wären die Pflastersteine extrem interressant.

Und schon wieder renne ich in ihn hinein. Warum immer ich?

"Was zum...?", höre ich fluchen.

"Jamie?" Ein Grinsen kann er sich anscheinend nicht verkneifen.

Meine Augen werden groß und ich laufe leicht rot an. Genau wie gestern.

"Sag mal, machst du das mit Absicht?", fragt er sichtlich amüsiert.

"N-nein", sage ich überrascht und schüttele den Kopf.

Dann fällt ihm wieder ein, dass er ja noch telefoniert.

"Einen Moment", sagt er an mich gewandt. "Mark, ich muss auflegen." Ich weiß nicht, ob er seine Worte in Taten umsetzt, denn ich drehe mich um und gehe.

"Hey, ich hab gesagt, einen Moment. Wo willst du hin?"

Erschrocken bleibe ich stehen. "Ähm..."

"Wann habt ihr Schluss?", fragt er und bin überrascht. Meine Augen weiten sich. "J-jetzt. Wieso?"

"Soll ich dich fahren?"

"Nein, lieber nicht.

"Und warum nicht?", fragt er etwas gekränkt.

"Weil es, glaube ich, nicht so gut wäre, in das Auto eines Fremden einzusteigen", erkläre ich.

"Aber ich bin doch gar nicht fremd. Ich habe dich gestern Abend schon nach Hause begleitet."

"Na gut."

Verwundert darüber, dass ich ihm schon wieder blind vertraue, steige ich wenig später in seinen Wagen ein.

Kapitel 5

"Das war ziehmlich seltsam vorhin, oder?", fragt mich Mason. Er durchbricht endlich eine lange Pause des Schweigens und ich bin dankbar ihm dafür.

"Ja, schon irgewndwie", gebe ich zu. Wieder eine Pause. Wie ich so was hasse!

"Wir sind fast da", erkläre ich. "Du musst gleich rechts abbiegen."

"Ich weiß. Ich war gestern Abend schonmal hier." Er lacht.

"Achja. Tut mir leid."

"Du brauchst dich nicht zu entschuldigen. Ich finde es immer süß, wenn sich ein Mädchen vertut. Das macht sie umso sympatischer."

Ich spüre, wie meinen Wangen rot werden. Er findet mich süß!

"So, da sind wir," sagt Mason. Aber ich sehe vor unserem Haus zwei Autos stehen, die nur von den Kumpels meines Stiefvaters sein können. Das würde bedeuten, dass er heute Abend wieder betrunken ist.

"Oh Gott. Fahr weiter!", rufe ich entsetzt.

"Was? Warum?"

"Fahr. Bevor mein Stiefvater uns sieht!" Endlich setzt sich der Wagen in Bewegung.

"Erklär ich dir später. Das war so knapp."

Plötzlich kann ich die aufkommenden Tränen nicht mehr zurückhalten.

"Hey, was ist los?", fragt Mason besorgt und fährt rechts ran. Ich schüttle nur den Kopf.

Er streicht mir sanft über den Rücken. Es tut gut.

Irgendwann klingelt sein Handy.

"Ja?... Nein... Ich kann jetzt nicht... Nein, sag alle Termine für heute ab... Kein Aber." Dann legt er auf.

Ich sehe zu ihm auf. Es legt sich ein grinsen auf seine Lippen.

"Was ist so witzig?"

"Mir ist nur aufgefallen, dass du sogar wunderschön bist, wenn deine Schminke verläuft. Bei keinem ander Anderen ist das so."

Ich mache große Augen. Meint er das ernst?

"Willst du mit zu mir kommen? Da können wir was essen."

Ich nicke vorsichtig.

 

Wenig später stehe ich in einer riesigen Wohnung. Sie ist sehr hell und modern, aber gleichzeitig sehr gemütlich, sodass ich mich auf anhieb wohl fühle.

"Gefällt es dir hier?", fragt mich Mason.

"Ja, es ist wunderschön. Aber so groß." Darauf muss er lachen.

"Lach nicht", sage ich und haue ihm spielerisch auf die Schulter.

"Hey. Lass das." Jetzt lachen wir beide.

"Hast du Hunger?", fragt er plötzlich.

"Ja, ein bisschen."

"Soll ich was bestellen?"

"Okay."

 

Eine dreiviertel Stunde später sitzen wir gegenüber an einem großen Tisch in seiner Küche.

"Du siehst gut lustig aus, wenn du Pizza isst", meine Mason.

"Danke", antworte ich sarkastisch, aber meine Wangen werden trotzdem leicht rötlich.

"Bitte." Dabei neigt er seinen Kopf nach links und grinst mich an.

 

Nach dem Essen Mason, ob ich einen Film gucken will. Ich bejahe es.

Und so sitzen wir ein paar Minuten später nebeneinander auf seiner Couch und sehen uns einen Film, dessen Namen ich nicht mehr weiß.

„Warum sollte ich eigentlich weiter fahren vorhin?“, will er plötzlich wissen.

„Nur so.“

„Nur so? Das glaube ich dir nicht. Du warst total aufgelöst.“

Ich zucke mit den Schultern.

„Was ist los?“

Soll ich es sagen? Oder will er mich dann loswerden, wenn er merkt, dass ich ein emotionales Wrack bin? Wir kennen uns noch nicht mal zwei Tage. Aber irgendwie vertraue ich ihm.

Ich hole tief Luft und beginne zu erzählen: „Meine Eltern sind getrennt. Und meine Mutter hat wieder neu geheiratet. Aber mein Stiefvater ist ein Arschloch. Er trinkt. Und jede Nacht müssen mein Bruder und ich zuhören, wie er sie schlägt.“ Ich mache eine Pause. „Vorhin habe ich die Autos seiner Kumpels gesehen. Das bedeutet, dass er heute Abend, wenn sie weg sind, besonders schlecht drauf sein wird.“

„Das tut mir leid“, sagt Mason.

„Du kannst ja nichts dafür.“ Ein halbes Lächeln gelinkt mir.

„Was ist mit deinem Vater? Ich meine, kannst du nicht zu ihm ziehen oder so?“

„Er hat sich seit Jahren nicht mehr gemeldet. Und mein Bruder zieht bald weg. Nach England. Er sagt, es sein wegen seines Jobs, aber ich weiß, dass es wegen unserem Stiefvater ist.“

„Dass es so schlimm ist, hätte ich nicht gedacht. Es tut mir so leid.“

"Aber bitte geh jetzt nicht zur Polizei oder so. Das würde alles nur noch schlimmer machen."

"Nein, mach ich nicht."

Als ich nichts mehr antworte, sagt er: „Soll ich dich nach Hause bringen, oder willst du hier bleiben?“

Überrascht blicke ich ihn an. Ein einladendes Lächeln ziert jetzt seine Lippen. Ich nicke.

„Okay. Du kannst in meinem Bett schlafen, wenn du willst.“

Er zeigt auf ein riesiges, sehr gemütlich aussehendes Bett, als wir in seinem Schlafzimmer stehen

„Und du?“, frage ich.

„Ich schlafe dann af der Couch. Die ist groß genug für mich.“

„Wenn du nichts dagegen hast, können wir beide in deinem Bett schlafen. Es so groß!“

 

So kommt es, dass ich später in einem Bett mit dem nur noch mit Boxer Shorts bekleideten Mason liege. Ich selbst habe von ihm ein Shirt bekommen, das mir fast zu den Knien reicht.

Am nächsten Morgen wache ich ausgeschlafener denn je auf. Zuerst weiß ich gar nicht mehr warum, aber dann fällt es mir wieder ein. Mason Bett ist fantastisch und so weich.

Vorsichtig strecke ich meinen Arm aus, um zu sehen, ob er noch da ist, muss aber leider festsellen, dass die linke Hälfte des Bettes leer ist.

Ein bisschen traurig darüber sehe ich mich im Zimmer aum. Dazu bin ich gestern gar nicht richig gekommen.

Es ist dunkel gehalten. Ein fast schwarzer Kleiderschrank steht gegenüber des Bettes. Er ist ziehmlich groß. Welche Mann braucht so viel Platz für Kleidung?

Generell ist irgendwie alles in dem Raum fast schwarz. Das Bett, die Bezüge, die Vorhänge. Alles. Außer mir. Ich passe gar nicht hier rein mit meiner sehr hellen Haut, aber trotzdem fühle ich mich wohl.

Plötzlich fällt mir ein Zette ins Auge, der auf dem Nachttisch unmittelbar neben meinem Kopf liegt. Ich nehme ihn in die  Hand und lese.

 

Liebe Jamie,

ich musste leider kurzfristig weg in die Firma.

Und weil du so schön friedlich geschlafen hast,

wollte ich dich nicht wecken.

Du kannst alles essen, was du im Kühlschrank findest.

Fühl dich einfach wie zu Hause.

Ich bin heute Abend wieder da.

Vielleicht du ja auch.

 

Es würde mich freuen.

Mason

 

Schon während ich die erste Zeile gelesen habe, muss ich lächeln. Dieses Lächeln hat sich auch noch nicht gelegt, als ich vor seinem offenen Kühlschrank stehe, um mir etwas zum Frühstück auszusuchen.

Kapitel 6

Als er am Abend nach Hause kommt, bin ich noch da.

Ich sitze auf der Couch und sehe mir irgendeinen Film im Fernsehen an.

Erschrocken zucke ich hoch, als ich plötzlich nichts mehr sehen kann. Offenbar hat er seine Hände von hinten auf meine Augen gelegt.

"Schon okay. Ich bins", flüstert er mir lachend ins Ohr.

"Oh Gott. Hast du mich erschreckt. Das gibt Rache." Und in dem Moment pfeffere ich ihm eines seiner Kissen ins Gesicht. Schnell hat er sich von dem Schreck erholt und springt gekonnt über die Sofalehne, schnappt sich währenddessen ein Kissen, um es mir ebenfalls ins Gesicht zu drücken. Dabei falle ich nach hinten. Und er wirft sich auf mich. 

"Hast du schon genug?", lacht er.

"Nein. Niemals." Meine Hände landen auf seiner Brust und drücken ihn nach oben. Er lässe es mit sich machen. 

Er legt seine Hände sacht an meine Seiten und dreht sich mit mir um, sodass er wieder auf ihr liegt. Dabei fallen wir von der Couch auf den Boden.

"Jetzt?", fragt er ein weing besorgt. Wahrscheinlich, weil der Boden nicht gerade weich ist.

"Wie gesagt: Niemals!"

"Na dann." Seine Hände, die ja schon an meiner Hüfte liegen, beginnen mich zu kitzeln.

Lachend schnappe ich nach Luft. "Das ist nicht fair."

"Ach, nein?" Er hört auf.

Mein Gesicht ist jetzt ganz nah an seinem. Ich spüre schon Mason Atem.

Einen Moment halten wir inne. Ich versinke fast in seinen Augen. Nur zu gern würde ich ihn küssen. Aber ich traue mich irgendwie nicht. Auch, wenn wir uns erst drei Tage kennen, will ich ihn nicht verlieren.

Ich werde es wagen, denke ich und küsse ihn.

Als er den ersten Schock überwunden habe, erwidert er vorsichtig meinen Kuss.

Masons Lippen sind so weich.

Genießend schließe ich meine Augen.

Aber viel zu schnell beendet er diesen wunderschönes Kuss.

"Tut... tut mir leid... Ich..." Weiter komme ich nicht, denn jetzt küsse er mich. Ganz vorisichtig. Und kurz. Nur, um mir zu zeigen, dass es mir nicht leid zu sein braucht. Eher im Gegenteil.

"Entschuldige dich nicht", meint er, als wir uns aufgesetzt haben.

Zaghaft lächele ich ihn an und nicke schließlich.

 

Später fährt er mich nach Hause. Als er seinen Wagen vor dem alten Gartentor zum Stehen bringt, frag ich er nach meiner Nummer.

"Tut mir leid. Ich habe gar kein Handy. Und wenn du bei mir zu Hause anrufst, macht mein Stiefvater mir die Hölle heiß", erkläre ich.

"Okay. Dann komm einfach zu mir, wenn dir danach ist. Wir sehen uns", verabschiedet er sich und fährt los, als er sicher ist, dass ich im Haus verschwunden bin.

Kapitel 7

Ich schlafe fast bis Mittag. Das mache ich meistens, wenn ich sturmfrei habe. Nachts bekomme ich je so gut wie nie ein Auge zu.

Neben meinen Schulsachen liegt ein Zettel auf dem Schreibtisch, den ich bemerke, als ich das Fenster aufmachen will.

Es ist nur eine Aufgabenliste von meiner Mum, die heute erst spät nach Hause kommen wird.

Als erstes soll ich den Müll rausbringen, dann das Bad saübern, den Boden im Wohnzimmer wischen und den Herd sauber machen. Außerdem die wöchentliche Wäsche machen. Eigentlich wollen wir uns damit abwechseln. Mein Bruder und ich. So haben wir es vor einiger Zeit beschlossen, aber nur ich mache das alles. Manchmalhilft mir mein Bruder, aber das kann bald so wieso vergessen, wenn er wegzieht.

Ich schnaube verächtlich. War ja klar, dass er mich im Stich lässt, wenn es ernster wird. Schon nächste Woche werde ich mich von ihm verabschieden müssen.

Meine Laune ist beinahe auf einem Tiefpunkt, als ich den Müll rausbringe. Ich öffne dich Tonne und nachdem ich den Müll darin verstaut habe, mache ich micht wieder ins Haus.

"Jamie?"

Abrupt bleibe ich stehen. Langsam drehe ich mich um. Mit jedem Zeintimeter wächst ein Lächeln auf meinen Lippen heran, denn ich bemerke Mason in meinem Vorgarten stehen.

"Hi."

Auch sein Lächeln wird größer.

"Ich hab etwas für dich."

"Für mich?", frage ich überrascht.

Er nickt und reicht mir ein Päckchen. Mit zitrigen Fingern nehme ich es entgegen und beginne vorischtig, dass Papier abzureißen.

Als ich Masons Geschenk vollständig einthüllt habe, bekomme ich einen Schock.

Es ist das neuste iPhone! Ich kann meinen Augen nicht trauen.

"Das... das kann ich nicht annehmen", stottere ich.

"Doch. Du hast gesagt du hast kein Handy. Und ich will dich erreichen können."

"Du spinnst."

"Ich weiß."

"Das kostet viel zu viel Geld", versuche ich noch immer, ihn umzulenken.

"Nicht für mich." Ich mache große Augen. Er hingegen macht ein wegwerfende Handbewegung. "Erklär ich dir später."

"Trotzdem dem kann ich es nicht annehmen!"

"Es ist schon bezahlt und ob ich es unbenutzt irgenwo in meiner Wohnung rumliegen habe, oder es dir schenke, um mit dir zu telefonieren, ist egal. Ich bin allerdings für die zweite Variante." Mason lächelt ein schiefes Lächeln.

"Na gut. Aber ich nehme das Geschenk nur an, weil du es mir aufzwingst. Ich will nicht, dass du von mir denkst, ich würde dich ausnutzen. Schließlich kann ich ja nichts dafür, dass du mir solche Sachen schenkst. Ich kann nicht wissen, das es", ich mache Gänsefüsschen um die nächsten Worte, "nicht viel Geld für dich ist. Für mich schon. Wir-" Weiter komme ich nicht, denn seine Lippen haben sich auf meine gelegt. Mit einem kleinen Seufzer erwidere ich seinen Kuss.

Aber urplötzlich klingelt sein Handy.

Mit einem enttäuschten Gesichtsausdruck löst er sich von mir uns geht ans Telefon.

"Ja? ... Er hat was?! ... Jaja, ich bin sofort da." Er legt auf und sagt an wieder an mich gewandt: "Es tut mir leid. Aber ich muss gehen. Mein Geschäftspartner hat Mist gebaut."

Ich nicke nur.

Als er die Tür seines Wagens öffnet, dreht er sich nochmal zu mir um. "Ich ruf dich an."

Ein Grinsen entsteht auf meinen Lippen. "Das will ich hoffen. Angesichts dessen, das ich dein Geschenk nur dazu gedacht ist."

 

Am Montag in der Schule ist fast alle Aufmerkamkeit auf mich und mein Handy gerichtet.

"Wow." "Das ist doch noch gar nicht auf dem Markt." und Ähnliches kann ich meine Mitschüler reden hören.

Aber natürlich gibt es auch Schüler, die neidisch sind und mich versuchen, runterzuziehen.

"Sie kann sich das leisten?" Mit besonderer Betonung. "Das hat sie bestimmt geklaut."

Ich verdrehe über solchen Mist nur die Augen. Sollen die doch denken, was sie wollen. Ich jedenfalls weiß, wieso ich das Handy besitze. Es fühlt sich zwar komisch an, aber irgendwie auch gut.

 

Später, als ich zu Hause bin, spiele ich mit dem Gedanken, ihn anzurufen.

Was, wenn ich ihn nerve oder er in einem wichtigen Meeting ist, welches ich dann störe und ein möglicher Geschäftspartner abspringt. Aber ich weiß gar nicht, was er arbeitet. Vielleicht frage ich Mason das nächste Mal, wenn ich ihn sehe. Und wenn ich ihn nie wieder sehe? Oh Gott. Ich steigere mich schon wieder rein. Tief durchatmen, sage ich mir selbst.

Das Telefon klingelt, als ich gerade tief eingeatment habe.

"Ja?", frage ich und atme gleichzeitig gedeht aus.

"Alles okay bei dir?", höre ich die Stimme Masons.

"Ja. Und bei dir?"

"Auch. Ich habe gerade kurz Zeit und da dachte ich mir, ich rufe dich an und frage dich, ob ich dich morgen Mittag von der Schule aus zum Essen mitnehmen kann?"

"Ist das eine Verabredung?", frage ich skeptisch.

Eine kurze Pause, als würde er überlegen und dann: "Ja. Was sagst du?"

"Wohin gehen wir denn?"

"Ins Mangiare." Es klingt weniger wie ein Vorschlag, eher wie eine Tatsache.

"Das ist aber ziehmlich teuer dort."

Ich kann ich leise auflachen hören. "Ich hätte eigentlich gedacht, du wüsstest mitlerweile, dass mir Geld keine Sorgen macht. Eher im Gegenteil. Ich gebe gern Geld für dich aus."

Darauf weiß ich nichts zu sagen.

"Dein Schweigen deute ich jetzt einfach mal als ein Ja. Ich muss auflegen. Bis morgen."

"Aber-" Nichts aber. Er hat bereits aufgelegt.

Kapitel 8

Als ich am Dienstag nach dem Unterricht das Gebäude verlasse, kann ich Mason erst gar nicht finden. Aber eine Traube an Schülern, die hauptsächlich aus Mädchen besteht.

Ich bleibe stehen. Villeicht ist er noch nicht da.

Mein Blick wandert zufällig zu der Mädchenmasse, aus der plötzlich Mason auftaucht.

Er scheibt ein paar Mädchen zur Seite, die versuchen, ihn mit irgendetwas voll zu labern. Wahrscheinlich wollen sie ihn beeindrucken. Aber er kommt auf mich zu. Es scheint, als hätte er nur Augen für mich.

Als er unmittelbar vor mir zum Stehen kommt, will ich gerade etwas sagen, aber da hat er sich schon zu mir runter gebäugt und seine Lippen auf meine gelegt.

Was ich sagen wollte, weiß ich schon gar nicht mehr, so geschockt bin ich im ersten Moment.

Zum Glück erhole ich mich relativ schnell von diesem Schock, sodass ich Masons Kuss erwideren kann.

Doch so plötzlich, wie er ihn begonnen hat, beendet er den Kuss auch wieder. Ich kann ein Leuchten in seinen Augen erkennen.

"Entschuldige, mir war danach", sagt er.

"Schon okay", bringe ich mit zittriger Stimme heraus.

Er lächelt mich an. "Gehen wir?"

Ich kann nur noch nicken.

 

Auf dem kurzen Weg zu seinem Auto fallen mir die Blicke der Anderen auf. Die Meisten stehen mit offenem Mund da.

Mit einem Grinsen steige ich in den Wagen. Mason wartet, bis ich sitze und schließt dann die Tür, die er mir zuvor aufgehalten hat.

 

Vor dem Restaurant komme ich mir ziehmlich komisch vor. Immerhin habe ich nur verschlissene Jeans, eine einfache Bluse und Chucks an.

Mason hingegen sieht blendend in seinem maßgeschneiderten Anzug aus.

Er scheint meinen skeptischen Blick, als ich an mir runter sehe, zu bemerken.

"Du siehst wunderschön aus", versichert er mir.

"Aber ich passe hier gar nicht rein", entgegne ich etwas unsicher.

"Du passt hier wunderbar rein. Alle werden mich um dich beneiden."

Geschmeichelt laufe ich rot an. "Nein."

"Komm, lass uns reingehen."

 

Im Restaurant kommt uns sofort ein Kellner entegen. Mit einem aufgestzten Lächeln bringt er uns zum Tisch. Mason musste nicht einmal seinen Nachnamen nennen. Der Kellner hat ihn anscheinend sofort erkannt.

Er nimmt das "Reserviert"-Kärtchen vom Tisch. Mason rückt mir den Stuhl zurecht und als wir beide sitzen, nimmt der Kellner unsere Getränkebestellung auf und verschwindet.

Nur ein Blick in die Karte sagt mir, dass ich keine Ahnung habe, was ich essen soll. Zum Einen sind es viel zu viele Gerichte, zum Anderen weiß ich nicht, was dort steht. Die Karte ist komplett auf italienisch.

"Alles gut?", fragt Mason.

"Ich weiß nicht, was ich nehmen soll."

"Okay. Ich bestell für uns." Er lächelt mich an.

 

Das Essen schmeckt fantastisch. Ich habe irgenetwas mit Nudeln und einer Soße, die ich nicht genau zuordnen kann, aber will ich auch gar nicht. 

Wir sitzen noch lange hier und reden über alles mögliche.

"Du hast gesagt, dein Bruder zieht weg. Warum?"

"Also, er hat genug von unserem Stiefvater. Er geht nächste Woche nach England."

"Warum gerade England?", will Mason wissen.

"Er hat vor einem halben Jahr dort eine Frau kennen gelernt. Jetzt will er mit ihr zusammen ziehen. Aber warum ist mir eigentlich auch egal. Er lässt Mum und mich im Stich. Dabei weiß er genau, dass sie krank ist." Ich atme tief durch. "Ich weiß es ist schwer für ihn, gerade weil er Dad schon immer näher stand als ich aber das ist kein Grund abzuhauen!" Versehentlich bin ich laut geworden.

"Ich habe Angst." Das sage ich nach ein paar Sekunden später so leise, dass er es fast nicht verstanden hätte. Tränen halte ich nur mit Mühe zurück.

Das bemerkt er. Ich weiß es. Auch, wenn mein Gesicht der ordentlich gebügelten purpurnen Tischdecke zugewandt ist.

Er ruft den Kellner zu sich und bezahlt, legt einen Arm um mich und führt mich nach draußen.

Vor dem Restaurant brechen bei mir alle Dämme. Ich werfe mich gegen ihn und beginne hemmungslos zu weinen. Er lagt seine Arme um mich und zieht mich enger an sich. Seine Nähe tut gut.

Masons Wagen, der zuvor ein junger Mann weg gefahren hat, wird jetzt von demselben vorgefahren.

Mason setzt mich behutsam in das weiche Leder des Sitzes.

 

Während der Fahrt beruhige ich mich langsam wieder. Meine Tränen haben aufgehört.

"Geht es dir besser?", fragt Mason gesorgt.

Ich bringe nur ein Nicken zustande.

"Gut. Es tut mir leid, aber ich muss dich jetzt wieder zu dir nach Hause fahren, weil ich heute Abend für ein paar Tage weg muss."

Wieder nicke ich nur. Im Moment habe ich das Sprechen verlernt.

"Kann ich dich echt alleine lassen? Ich fühle mich bei dem Gedanken nicht wirklich gut."

Er ist gerade dabei, rechts ran zu fahren, als ich meine Stimme wieder finde. "Ja. Es geht mir wieder besser. Mach dir keine Sorgen." Es ist zu Hälfte gelogen, was ich sage. Mir geht es beschissen. Wie immer. Aber niemand wird es erfahren. Nicht mal Mason.

 

Als ich zu Hause auf mein Handy gucke, sehe ich elf Anrufe in Abweseheit von Callie.

Ich beschließe, sie zurück zu rufen.

Wie ich es erwartet hatte, geht sie sofort nach dem ersten Klingeln dran.

"Endlich! Ich versuche dich seit Stunden zu erreichen", meldet sie sich.

"Jaja. Was wolltest du denn?"

"Ich habe von Amy gehört, dass du auf dem Schulhof mit Mason Carter rumgeknutscht haben sollst. Bitte sag mir, dass das nicht stimmt."

"Wir haben nicht rumgeknutscht. Er hat mich jediglich geküsst", erkläre ich meiner Freundin.

"Was?! Ich wusste, es war falsch, noch Mrs. Brooke wegen der Hausaufgaben zu fragen. Ich hätte es zu gern gesehen."

Ich frage sie lachend: "Willst du heute bei mir übernachten. Ich glaub ich brauche jemanden zum reden."

 

Wenig später sitzt sie mit einer Familien-Packung Eis neben mir auf meinem Bett und löchert mmich mit fragen über Mason. Also, woher ich ihn kenne, wie er so ist und so weiter. Zwischendurch schiebt sie mir einen mit Eis beladenen Löffel in den Mund.

Abends liegen wir nebeneinander auf meinem Fußboden, den wir zuvor mit Kissen bedeckt haben, damit es nicht so unbequem ist, und schauen uns die Zimmerdecke an.

"Hast du eigentlich mal wieder was von Brian gehört?", fragt Callie mich nach einiger Zeit.

"Nein. Er hat mich bestimmt vergessen", sage ich, den Tränen schon wieder zu nah.

"Ach, süße. Er hat dich mit Sicherheit nicht vergessen. Er liebt dich doch!", versucht sie mich aufzuheitern.

"Meinst du?" Ich bin mir nocht so sicher. "Er ist schon fast ein Dreivierteljahr weg."

"Komm her", sagt sie und zieht mich von der Seite in eine Umarmung.

"Danke", höre ich mich selbst leise in die Nacht flüstern.

"Nicht dafür."

 

Mein Mittwochmorgen verlauft realitv entspannt. Wir haben Schulfrei, wegen einer Lehrekonferenz.

Ich stehe auf und während ich zum Bad laufe, sammle ich ein paar tragbare Klamotten vom Boden auf.

Callie wecke ich nicht. Morgens ist sie wie eine Furie. Ich spreche da aus Erfahrung.

Allerdings bleibt mir nach andertalb Stunden keine Wahl, weil ich noch aufräumen muss.

"Callie." Ich probiere es erst ganz vorsichtig. "Callie?", frage ich und versuche, sie an der Schulter wachzurütteln.

Langsam wird es mir zu blöd. Ich packe eines meiner Kissen und schmeiße es in ihr Gesicht.

"Was? Warum weckst du mich so früh?" Meine Freundin klingt noch sehr müde. Ihr T-Shirt ist verrutscht und ihre Haar stehen in so ziehmlich alle Richtungen ab. Dieser Anblick bringt mich wie immer zum Lachen.

"Früh?", frage ich sie belustigt. "Wir haben fast Mittag."

"Oh. Soll ich dir beim Aufräumen helfen?" Mitlerweile klingt sie wieder etwas wacher.

"Woher weißt du, dass ich aufräumen muss?", will ich ein wenig überrascht wissen.

"Ich kenne dich", entgegnet sie schlicht.

 

Ich räume auf, während Callie Essen kocht. Schon im Flur riecht man, dass sie eine sehr gute Köchin ist.

"Mmhh. Das riecht so gut. Was gibt es?"

Callie nimmt einen Löffel aus der Schublade, lässt ihn kurz in dem großen Topf verschwinden und hällt ihn mir dann vor die Nase. "Du musst noch pusten."

Ich gehe ihrem Befehl nach und nehme den Löffel in den Mund. Nach kurem Überlegen weiß ich es.

"Du machst die Bolognese", spreche ich es ganz leise mit geöffneten Augen aus.

"Ja. Stimmt etwas nicht? Hab ich falsch gewürzt?", fragt Callie erschrocken.

Ich schüttle den Kopf. Dabei lasse ich mich auf einen Stuhl sinken. In dem Moment klingelt mein Handy, aber es ist mir egal.

"Ist alles okay bei dir?" Callie kniet sich vor mich und legt eine Hand auf mein Knie, die andere an meine Wange.

Das ist zu viel. Mir wird urplötzlich schwarz vor Augen und ich verliere das Bewusst sein.

 

Kapitel 9 - Mason

Die Besprechung läuft gut. Wir sind kurz davor, ein sehr gutes Geschäft zu machen.

Im Moment überlegen unsere Kunden, sodass wir eine kleine Pause haben.

Ich beschließe, Jamie anzurufen. Vorhin habe ich es schonmal versucht, aber sie ist nicht dran gegangen.

Ich weiß echt nicht, was mit mir los ist, dass ich sie ständing um mich haben will, überlege ich, während aus dem Handy noch dieses gleichmäßige Tuten ertönt.

"Was ist?" Das ist icht Jamie.

"Wer bist du? Und was machst du mit Jamies Handy?", will ich wissen.

"Ich bin eine Freundin von Jamie. Sie ist vorhin umgekippt. Aber-"

"Was ist passiert?", rede ich ihr dazwischen. Ich höre mich an wie ein besessener Stalker. Verdammt.

"Sie hatte eine Panitkattacke."

"Wo ist sie jetzt? Wie geht es ihr?" Ich muss mir das abgewöhnen. Das ist doch nicht normal!

"Im Krankenhaus. Was-" Weiter kommt diese Freundin nicht, denn ich habe aufgelegt und gehe eilig zu meinem besten Freund und Geschäftspartner.

"Ich muss weg."

"Wie jetzt?"

"Ich muss zurück.", sage ich und gehe aus dem Zimmer.

Im Treppenhaus wird aus dem Gehen eher ein Rennen, sodass ich schnell in meinem Auto sitze.

Während der Fahrt telefoniere ich per Freisprechanlage mit dem Pilot meines Jets.

 

Im Flugzeug zittern meine Hände wie verrückt und so bestelle ich ein Taxi als wir landen, weil ich für eine Unfallfreie Autofahrt in dem Moment einfach nicht garantieren kann.

"Wo soll es denn hingehen?", fragt der Taxifahrer freundlich.

"Krankenhaus." Mir tut es nicht leid, dass ich so unhöflich bin. Jamie ist mir viel wichtiger.

Ich gebe den Taxifahrer ein viel zu hohes Trinkgeld, aber auch das ist mir egal.

Schließlich habe ich es vor Jamies Zimmer geschafft. Ich möchte eintreten, ihr sagen, welche Sorgen ich mir mache, doch eine etwas ältere Frau macht mir einen Strich durch die Rechnung, als sie es mir verbietet. 

Kapitel 10

Es ist zwar immernoch alles schwarz und ich habe keine Ahnung, wo ich bin, aber dieses regelmäßige Piepen deutet unmissverständlich darauf hin, dass ich mich in einem Krankenhaus befinde.

Langsam schaffe ich es auch, meine Augen zu öffnen. Das Erste, das ich sehe sind hellgraue Wände, die früher mal weiß waren.

Dann bemerke ich meine Mutter.

"Mum?", frage ich leise, fast flüsternd.

"Oh Gott, du bist wach! Endlich. Solche Sorgen habe ich mir gemacht. Ich hole eine Schwester."

Daraufhin verlässt sie den Raum. Ein Arzt kommt an ihrer Stelle in den Raum.

"Wie geht es dir? Hast du Schmerzen oder etwas Anderes?" Ich schüttle den Kopf, aber scheint sich damit anscheinend nicht zufrieden zu geben. Er untersucht mich und sagt, dass zwei Polizisten hier wären, um mit mir zu sprechen.

Etwas verdutzt sage ich zu.

Wenig später erscheinen sie mit meiner Mutter zusammen in meinem Krankenzimmer.

"Guten Tag, Jamie. Wir würden dir gerne ein paar Fragen stellen. Fühlst du dich dazu in der Lage?"

Was ist hier los? "Ja"

"Okay. Deine Mutter hat uns angerufen, weil dir anscheinend ein Mann zu nahe gekommen ist. Was genau ist passiert?", will der etwas Größere von beiden wissen.

"Wen meinen sie?", frage ich mit einer Mischung aus Verwunderung und Angst, dass es Mason ist. Aber der ist ja in Miami zur Zeit.

"Mr. Mason Carter, er-", beginnt der andere Polizist, aber ich rede dazwischen: "Was? Mason ist hier?"

"Ja, es tut mir leid, aber im momentanen Stand unserer Informationen können wir ihn noch nicht festnehmen. Aber vor der Tür steht ein weiterer Polizist, der verhindert, dass Mr. Carter ihnen noch etwas antut.

"Mason soll mir etwas antun? Sind sie bescheuert?!"

"Jamie! So kannst du doch nicht reden!", funkt meine Mutter dazwischen.

"Ich kann das sehr wohl! Du hast keine Ahnung, was-" Mir wird wieder schwarz vor Augen.

 

Als ich aufwache sind meine Mum und die Polizisten weg. Stattdessen steht nun wieder der Arzt an meinem Bett und kontrolliert meine Werte.

"Hallo, da bist du ja wieder." Seine Stimme klingt freundlich.

"Danke, dass Sie sie rausgeschickt haben." Meine Stimme hingegen ist eher schwach.

"Kein Problem. Möchtest du mir vielleicht erzählen, was passiert ist? Das würde unter die Schweigepflicht fallen."

Ich nicke und beginne zu erzählen: "Meine Mutter hat keine Ahnug. Mason hat mir nichts getan. Eher im Gegenteil: Er rettet mich. Ich kenne ihn erst eine Woche, aber erst seit dem immer da gewesen. Nur gestern Abend nicht, weil er weg musste. Ich war bei meiner Freundin. Sie hat Bolognese gekocht und das hat mich an meinen früheren besten Freund erinnert. Und das war zu viel für mich. Das ist alles. Mason hat damit eigentlich gar nichts zu tun. Ich will ihn jetzt einfach nur hier haben. Er ist kein Perverser oder so. Und außerdem haben wir gar keinen so großen Altersunterschied." Am Ende fehlen mir die Worte.

"Ich verstehe. Mal sehen, was ich für euch beide tun kann. Versuch du erstmal ein bisschen zu schlafen. Das wird dir gut tun."

Ich nicke. Und schlafe auch beinahe sofort ein.

Impressum

Texte: Die Figuren in meinem Buch sind frei erfunden. Sie dürfen daher nicht kopiert werden.
Tag der Veröffentlichung: 22.06.2013

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