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Prolog

Unter Schmerzen grub sie die Zähne in die Unterlippe. Wie lange sollte sie diese Folter noch ertragen? Wo blieb der Mann im grünen Kittel, wenn man ihn brauchte? Und warum zum Teufel war sie so dumm gewesen, das Angebot von Narkotika abzulehnen?

Es fühlte sich mehr denn je an, als würde sie in zwei Teile gerissen.

„Du machst das ganz toll, Kleines.“ Die Krankenschwester zu ihrer Rechten schenkte ihr ein aufmunterndes Lächeln. „Der Arzt wird jeden Moment da sein. Du hast es bald geschafft, Mädchen. Das ist ganz große Klasse für eine Siebzehnjährige.“

Sie fühlte sich zehn Mal älter als siebzehn, und während sie das freundliche Gesicht der älteren Frau musterte, wünschte sie sich einmal mehr, dass ihre eigene Mutter ihr nur halb so viel Fürsorge entgegen bringen würde. Ein liebevoller Blick oder eine Umarmung wären schon genug gewesen. Aber wenn sie eines gelernt hatte, dann, dass ihre Mutter niemals sein würde, wie die Mütter in den Fernsehfamilien. Es war ein frommer Wunsch von ihr, nichts weiter.

„Du hast dir die Suppe selbst eingebrockt und nun wirst du sie allein auslöffeln.“

Das waren die letzten Worte gewesen, die ihre Mutter an sie gerichtet hatte, ehe man sie in den Kreißsaal verfrachtete.

Sie war eine Schande für die Familie. Ihre Mutter hatte ihr diese Worte in den vergangenen Monaten so oft an den Kopf geworfen, dass sie mittlerweile selbst davon überzeugt war.

All ihre Hoffnungen und Träume schienen zu zerplatzen wie Seifenblasen.

Sie hatte eine erstklassige Erziehung und Ausbildung genossen, ein relativ sorgloses Leben geführt und eigentlich standen ihr alle Möglichkeiten der Welt offen. Nach ihrem Schulabschluss hatte sie sich kopflos in eine Beziehung mit dem fünf Jahre älteren Bradley gestürzt. Es waren Liebe und Geborgenheit gewesen, die sie in seinen Armen suchte.

Gefühle, die sie daheim niemals würde erleben dürfen. Ihre Schwangerschaft nach dem geplatzten Kondom war genauso ungeplant, wie die Tatsache, dass Bradley sie kurzerhand sitzen ließ, als er von ihrem Zustand erfuhr.

Er hatte sie angesehen und den Kopf geschüttelt.

„Da kann ja jeder der Vater sein“, war die einzige Reaktion gewesen. Dann packte er seine Tasche und ging, ohne sie noch eines Blickes zu würdigen. Damit war für ihn die Sache erledigt gewesen und sie auch.

Als sie ihre Eltern über die Schwangerschaft informierte, hatte ihre Mutter eine Abtreibung verlangt und sie setzte sich zum ersten Mal in ihrem Leben gegen deren Bevormundung zur Wehr. Ihre Mutter machte unmissverständlich klar, was sie von dieser Weigerung hielt und sie war fortan auf sich allein gestellt.

Die folgenden Monate waren die Hölle. Von Liebeskummer und Einsamkeit überwältigt, hatte sie innerhalb kürzester Zeit erwachsen werden müssen. Nur der Gedanke an das Kind in ihr gab ihr die Kraft weiter zu machen. Endlich würde es einen Menschen in ihrem Leben geben, der ihr nicht ablehnend gegenüberstand und der sie ebenso vorbehaltlos lieben würde, wie sie ihn jetzt schon liebte.

Etwas das sie in ihrer eigenen Familie nie erlebt hatte. Ihr Vater war verheiratet mit seiner Firma und hatte sich nie wirklich für seine Familie interessiert. Er sorgte dafür, dass es ihnen an nichts fehlte, nur er selbst stand nie wirklich zur Verfügung. Seine Frau hingegen tat alles, um ihm als repräsentative Ehefrau zur Verfügung zu stehen und den Schein des Perfektionismus nach außen hin zu bewahren. Da passte eine schwangere Teenagertochter nicht ins Bild. Kurzerhand war sie ausquartiert worden - in ein Winziges, wenn auch luxuriös eingerichtetes, Zweizimmerappartement in Brisbane.

Erst in den letzten Wochen vor der Geburt schien sich ihre Mutter doch wieder ihrer Tochter zu erinnern. Plötzlich begleitete sie sie ungefragt zu allen Arztterminen und stand ihr mit verkniffenem Gesicht bei ihren Einkäufen für das Kind zur Verfügung.

Sie gab sich nicht der Illusion hin, ihre Mutter habe plötzlich ihre Fürsorgepflicht für sich entdeckt. Es war eher verwirrend, dass sie ihr so unerwartet zur Seite stand, um sie zu unterstützen. Obwohl es sie misstrauisch stimmte, hatte sie dennoch die Hilfe angenommen. Zu schwer fielen ihr mittlerweile die kleinen Alltäglichkeiten, und als die Wehen schließlich eingesetzt hatten, war sie dankbar, dass ihre Mutter sie in das Krankenhaus begleitete.

Während ihre Mutter die Formalitäten erledigte, hatte sie sich dankbar in die Hände der Hebamme und der Schwestern begeben. Nun lag sie auf dem breiten Krankenhausbett, während die Wehen in immer kürzeren Abständen über sie hinweg rollten.

„Guten Abend, junge Dame.“

Ein tiefer Bariton riss sie aus ihren Gedanken. Sie hob den Blick und erblickte einen Mann mit grauem Schnauzbart, Brille und warmen, aufmerksamen Augen, um die unzählige Lachfältchen lagen. Ein liebevolles Lächeln lag auf seinen Lippen und er zwinkerte ihr zu, als er ihre Hand nahm und sie kurz drückte.

„Ich bin Dr. O’Malley“, stellte er sich vor, „und für die nächsten Minuten Ihr Reisebegleiter, junge Lady.“

Es fiel ihr schwer das Lächeln zu erwidern, obwohl sie den Arzt auf Anhieb sympathisch fand. Die nächste Welle aus Schmerz rollte auf sie zu und riss sie mit sich. Feine Schweißperlen bildeten sich auf ihrer Haut, ihr war kalt und dennoch schien sie von innen heraus zu verbrennen.

Plötzlich schien ihr eigener Herzschlag das ganze Zimmer zu erfüllen, das Blut rauschte in ihren Ohren. Die Welt vor ihren Augen zerfaserte und verwandelte sich in wirbelnde Schlieren. Eine hektisch klingende Stimme rief mehrfach ihren Namen. Drängend und besorgt. Sie schloss die Augen, spürte Hände, die sie berührten. Stimmen an ihrem Ohr. Etwas stach unangenehm in ihre Armbeuge, dann schien sich die Welt um sie herum zu drehen.

Der Schmerz in ihrem Körper verschwand, sie fühlte sich leicht und schwerelos. Das Rauschen wurde lauter und lauter, übertönte jedes Geräusch und verwandelte ihr Dasein in ein angenehmes, monotones Einerlei. Dunkelheit kroch heran. Sie fühlte sich gut. Samtene Schwärze hüllte sie ein und dann war das Nichts heran, umarmte sie und nahm sie mit sich.

1. Kapitel

Ian hängte den Hammer, mit dem er den Stacheldraht am Pfosten festgenagelt hatte, in seinen Werkzeuggürtel und beobachtete den Jeep, der in der Ferne die Straße entlang raste. Eine gewaltige rote Staubwolke hing wie eine Fahne hinter dem Wagen in der Luft. Verstimmt verfolgte er das Fahrzeug mit den Augen und gab einen verächtlichen Laut von sich.

Diese Städter benahmen sich auf den teilweise unbefestigten Wegen im Outback von Queensland genauso idiotisch, wie auf den asphaltierten Straßen von Brisbane.

Ignorant rasten sie durch die Landschaft. Gerade hier draußen konnte eine Geschwindigkeitsübertretung empfindlich teuer werden, wenn man erwischt wurde. Ganz zu schweigen von dem, was einem oft unerwartet vor das Auto sprang.

Mehr als einmal hatte Ian bereits schwer verletzte Kängurus und anderes Getier erlösen müssen, das sich angefahren - und voller Panik im Blick - auf sein Land verirrt hatte. Wie die meisten Farmer war auch Ian kein Freund der einheimischen Beuteltiere. Aber er fand nicht den geringsten Gefallen daran, eines von ihnen erschießen zu müssen.

Bei den Wenigsten, die eines dieser Tiere anfuhren, änderte sich etwas an ihrer Einstellung. Die Meisten setzten unbehelligt und oft auch unbeteiligt ihren Weg fort. Erst wenn es sie selbst von der Fahrbahn riss, war das Geschrei groß.

Als der dunkelgraue Geländewagen seine Fahrt verlangsamte und auf den Weg zur Ridgley-Ranch einbog, bildeten sich zwei steile Falten zwischen seinen dunklen Augenbrauen. Hier draußen war Besuch nur sehr selten und die einzige Person, die vor Wochen mit ihrem Kommen gedroht hatte, war seine Ex-Frau Marilyn.

Er hatte ehrlicherweise nicht damit gerechnet, dass sie sich tatsächlich auf den Weg in die ihr so verhasste Einöde machen würde. Seine Meinung zu ihrem Vorschlag war zudem mehr als deutlich gewesen.

Er schob seinen Hut ein Stück in den Nacken und schloss die Augen gegen die blendenden Sonnenstrahlen. Mit einem resignierten Seufzer zog er ein kariertes Taschentuch aus der Gesäßtasche seiner Hose und wischte sich den Schweiß von der Stirn.

Nach sechsstündiger Arbeit in der Hitze war sein Verlangen auf Gesellschaft, explizit die von Marilyn, mindestens so groß wie die Freude über einen Steppenbrand. Andererseits brach die Mittagszeit an und er würde hier draußen ohnehin nicht mehr viel ausrichten können.

Den Hut wieder auf den Kopf drückend, schwang er sich auf den wartenden Schimmel und trieb den jungen Hengst zu einem scharfen Galopp in Richtung der Farmgebäude an.

Selbst aus der Entfernung konnte Ian erkennen, dass der Wagen neu und ganz offensichtlich mit einer Klimaanlage ausgestattet war. Da in seinem Bekannten- und Freundeskreis sich niemand ein so teures Gefährt leisten konnte oder wollte, bestätigte seine Vermutung über den Besuch sich bereits von selbst.

Wenn jemand mit seinem neuen Reichtum zu protzen wusste, dann war es seine Ex-Frau. Ihr Drang ihm immer wieder aufs Neue vor Augen zu führen, das sie tun und lassen konnte, wonach ihr der Sinn stand, mussten schon enorm sein, wenn sie sich in die staubige Einöde wagte.

Ihm klingelten immer noch die Ohren, wenn er an ihr letztes Telefongespräch dachte. Mit sich überschlagender Stimme hatte sie in den Hörer gekreischt, dass er ihr so nicht davon käme.

Der Grund für ihren Streit waren die schulischen Leistungen ihrer gemeinsamen Tochter Samantha. Da Marilyn sich höchstens zweimal im Jahr bei dieser meldete und sich bisher nicht wirklich für deren Noten interessiert hatte, war niemand in der Familie auf die Idee gekommen, sie über das bestehende Problem zu informieren. Im Outback tickten die Uhren eben anders und normalerweise war seine Ex-Frau weit weg.

Aber irgendwie schien sie überall ihre Spitzel zu haben. Als Marilyn anrief, war sie außer sich angesichts der Schande, wie sie es nannte, dass ihre Tochter eine schulische Niete sei. Ihre Aufregung war völlig überzogen.

Samanthas Noten waren zwar schlechter geworden, aber sie befand sich immer noch im guten Mittelfeld. Dessen ungeachtet bestand Marilyn auf eine private Lehrkraft und ihre Diskussion war zu einem handfesten Streit ausgewachsen.

Ganz davon zu schweigen, dass er sich keinen teuren Einzelunterricht für Samantha leisten konnte, empfand er ihre Einmischung als unverfroren.

Ians letzte Antwort war ein Nein gewesen und er hatte ihr deutlich zu verstehen gegeben, dass sie sich aus dieser Angelegenheit heraus zu halten habe - sonst würde sie sich schließlich auch nicht um ihre Tochter kümmere.

 

Seine Worte waren ihm einfach herausgerutscht, und obgleich sie ihm im gleichen Augenblick schon wieder leidtaten, nahm er sie nicht zurück. Er war einfach nur wütend.

Ihm war bewusst, dass er Marilyn verletzt hatte.

Obwohl sie es nicht wirklich zeigen konnte, lag ihr durchaus etwas an ihrer Tochter, daran glaubte er immer noch fest. Für den Bruchteil einer Sekunde waren seiner Ex-Frau die Worte buchstäblich im Halse stecken geblieben. Allerdings hatte sie rasch ihre Fassung wieder gewonnen und sich darüber empört, wie wenig es ihn offensichtlich interessierte, dass Samantha ihre Zukunft aufs Spiel setze.

Sie stritten eine Weile weiter, ehe Marilyn drohte auf der Ranch aufzutauchen und die Sache selbst zu regeln. Sein diesbezügliches Verbot schien ganz offensichtlich auf taube Ohren gestoßen zu sein.

Den Weg hätte sie sich allerdings sparen können.

Samantha befand sich für zwei Wochen zu Besuch bei einer Freundin, die fast vierhundert Meilen entfernt von der heimatlichen Ranch lebte. Er war froh, dass seine Tochter nicht hier war, um den bevorstehenden Auftritt ihrer Mutter mitzuerleben.

Bei den wenigen Gelegenheiten, zu denen Marilyn sie besucht hatte, hatte es Samantha jedes Mal aufs Neue in ein emotionales Gefühlschaos gestürzt, sobald ihre Mutter abreiste.

Auch Marilyns jetziges Auftauchen würde Ian nicht in seiner Meinung umstimmen. Es waren Samanthas Ferien. Sie benötigte keinen Nachhilfelehrer im Haus, der ihr auch noch den letzten Rest Freizeit raubte - mochte es sich auch um die größte Koryphäe der diesseitigen Hemisphäre handeln.

Die Farmen boten mehr als genug Arbeit und die Kinder erhielten nicht solch ausgedehnte Sommerferien, weil sie ein überlastetes Schulsystem hatten, sondern weil die Ernten und die Schafschur anstanden.

Jeder musste Hand anlegen, der da war.

Mit wachsendem Ärger und in der aussichtslosen Hoffnung, die Ranch vor dem protzigen Jeep zu erreichen, trieb er den kräftigen Hengst an. Im gleichen Moment wurde ihm jedoch klar, das er es nicht schaffen würde.

Der Wagen kam in einer Staubwolke zum Stehen und Ian sah, wie sich fast zeitgleich drei Türen öffneten. In ein elegantes Seidenkostüm gehüllt, wirkte Marilyn wie üblich völlig unpassend und fehl am Platz. Anders hätte Ian nicht ausgesehen, wenn er mit Jeans und Gummistiefeln bekleidet auf einer ihrer Cocktailpartys aufgetaucht wäre.

Auf der anderen Seite des Wagens stand Neill, Marilyns zweiter Mann. Sein Geld verschaffte ihr nun endlich den Luxus und Glanz, den sie sich immer gewünscht und nie durch Ian hatte erreichen können. Von dem dritten Besucher konnte er nichts erkennen, da der hohe Geländewagen ihm die Sicht versperrte. Aber er brauchte den unerwünschten Gast auch nicht zu sehen, um zu wissen, dass Marilyn ihre Drohung wahr gemacht hatte.

Er fluchte.

Dieses verdammte Weib hatte es tatsächlich gewagt, ohne sein Einverständnis einen Lehrer zu engagieren und diesen auch noch hierher zu bringen. Eigentlich hätte ihm klar sein müssen, dass sie sich ihm widersetzte. Schon in ihrer Ehe war es für Marilyn normal gewesen, ihre Entscheidungen ohne Rücksprache mit ihm zu treffen. Er war lange Zeit so blind vor Liebe zu ihr und zu betört von ihrer exotischen Schönheit gewesen, um die Wahrheit zu erkennen. Als er es schließlich tat, hatte die Realität ihn mit voller Härte getroffen.

Wütend über Marilyns eigenmächtiges Handeln und die Erinnerungen, die es in ihm hervor rief, lenkte er seinen Hengst die letzten achtzig Meter auf seine Ex-Frau zu. Erst eine Handbreit vor ihr ließ er ihn zum Stehen kommen.

Marilyn wirkte nicht im Geringsten schockiert. Sie zuckte mit keiner Wimper.

Mochte sie auch längst ihren Lebensmittelpunkt in die Großstadt verlegt und sich äußerlich in eine Lady von Welt verwandelt haben. Tief in sich drin war sie immer noch nichts anderes als ein Mädchen vom Land. Eines das mit Cowboystiefeln an den Füssen und der Heugabel in der Hand aufgewachsen war.

Jede andere wäre zumindest zurückgewichen. Marilyn wusste jedoch – trotz ihrer Abneigung gegen ihr altes Leben – ganz genau, wie sie es verhindern konnte, dass man sie tatsächlich über den Haufen ritt.

„Schön dich zu sehen, Ian.“

Sie schenkte ihm ein kühles Lächeln und nur das Glitzern ihrer berechnenden, blauen Augen verriet ihre Erregung.

Gemächlich maß er sie mit einem langen Blick von oben nach unten. Sie war mit Ende dreißig immer noch eine schöne Frau. Die wilden, kastanienbraunen Locken hatte sie zu einem eleganten Zopf im Nacken gebändigt und das graue Kostüm betonte ihre schlanke Gestalt.

Er knirschte mit den Zähnen.

Der Ausdruck in ihrem Gesicht war ihm nur zu vertraut. Mochte ihre Scheidung auch schon fünf Jahre zurückliegen und seine Wut auf sie noch längst nicht verraucht sein, so konnte er nicht leugnen, dass er sie nach wie vor ausgesprochen attraktiv fand.

Seit vier Jahren war sie mit Neill verheiratet. Doch jedes Mal wenn sie einander über den Weg liefen, spürte Ian nur zu deutlich, dass Marilyn zumindest eines nach wie vor von ihm wollte. Was an Liebe und Zuneigung in dieser zehn Jahre andauernden Beziehung gefehlt hatte, hatten sie stets mit wildem Sex ausgeglichen ... und im Bett war sie unersättlich gewesen.

Eine Tatsache, die ihm irgendwann bitter aufgestoßen war.

„Marilyn.“

Er tippte sich mit gespielter Gelassenheit an den Hut, lenkte das Pferd ein paar Schritte rückwärts und ließ sich aus dem Sattel gleiten.

Auch er hatte in den vergangenen Jahren gelernt nicht zu zeigen, was er nicht zeigen wollte. Marilyn hatte ihn nach der Scheidung durch eine harte Schule geschickt. Fast hätte ihn dieses Fiasko seine Existenz gekostet. Jeder Cent, den er sich über Jahre mühsam angespart hatte, war in Marilyns Taschen verschwunden. Doch letztendlich wusste er, wer der Sieger war, denn Samantha lebte bei ihm.

„Ian, Darling. Dir geht es offenbar gut“, stellte sie fest. „Wo ist Samantha?“

Stillschweigend musste er Marilyn widerwillige Bewunderung zollen. Sie hatte wirklich noch nie lange um den heißen Brei herumgeredet, sondern war immer direkt zur Sache gekommen. Das war in allen Belangen so gewesen. Ian versuchte, einen Blick auf den Fremden zu werfen. Der Jeep war jedoch so hoch, dass er gerade mal Neill von den Schultern aufwärts sehen konnte. Er nickte ihm höflich zu und Marilyns zweiter Mann erwiderte den Gruß mit einem durchaus freundlichen Lächeln.

„Nicht hier“, beantwortete Ian schließlich die letzte Frage seiner Ex-Frau. Er fühlte den Zorn fast körperlich, der sich langsam aber stetig in ihm aufbaute.

 

Ein leises Quietschen ließ alle zum Haus hinüber blicken, wo Ians Mutter Elaine durch die Fliegengittertür trat, um zu sehen, wer eingetroffen war. Marilyn nickte ihr knapp zu und Elaine erwiderte den Gruß kaum wahrnehmbar. Die beiden Frauen hatten sich schon während seiner Ehe nicht sehr nahe gestanden.

„Falls du Sam besuchen wolltest, bist du zu einem unpassenden Zeitpunkt erschienen“, bemerkte Ian. „Sie ist für ein paar Wochen bei einer Freundin.“

„Ist es deine Freundin oder Samanthas?“, wollte sie ungerührt wissen. Er quittierte diese Frage nur mit einem kühlen Lächeln und blieb ihr eine Antwort schuldig.

Seinen Fauxpas, dass er stets den Namen seiner Tochter abkürzte, ließ sie ihm ungewohnterweise ohne eine Rüge durchgehen. Die Neuigkeit, ob es in seinem Leben eine neue Frau gab, schien Marilyn weit mehr zu interessieren. Er spürte ihren taxierenden Blick auf sich.

„Warum bist du hier?“

Nichts in ihrem hübschen Gesicht ließ auch nur erahnen, welche Gedanken ihr durch den Kopf gingen. Mit einem strahlenden Lächeln kam sie auf Ian zu und legte ihm in fast zärtlicher Geste eine Hand auf die Wange. Er hatte Mühe seinen rasenden Puls unter Kontrolle zu bekommen.

„Das kannst du dir doch sicher schon denken“, erwiderte sie. Ein samtweicher Ton klang in ihrer Stimme mit und ihre Zungenspitze benetzte die vollen Lippen. Ian spürte, wie das Blut durch seine Adern rauschte. Eine Mischung aus Erregung und Wut breitete sich in ihm aus. Mit einem sinnlichen Lächeln ließ Marilyn die Hand sinken. Wie zufällig streifte ihr Busen seinen Arm und sie ging zu Neill hinüber.

„Komm mit.“

Misstrauisch kniff Ian die Augen zusammen, atmete tief durch und folgte Marilyn an der Motorhaube des protzigen Wagens vorbei.

„Neill und ich waren gerade auf der Durchreise. Wir haben eine Privatlehrerin für Samantha mitgebracht.“

Aus schmalen Augen starrte er sie zornig an, ließ die Zügel des Schimmels los und seine kräftigen Finger schlossen sich unsanft um Marilyns Arm.

„Ich habe dir gesagt, dass ich niemanden hier haben will.“ Wütend zog er sie von Neill fort und baute sich drohend vor ihr auf. „Was war daran nicht zu verstehen? Ich habe dir klar und deutlich zu Verstehen gegeben, was deinen Vorschlag anging, Marilyn. Dein einziger Verdienst in Sams Erziehung besteht darin, sie zweimal im Jahr anzurufen und ihr einen schönen Geburtstag oder frohe Weihnachten zu wünschen. Es geht dich nichts an, wie und auf welche Art sie ihre Sommerferien verbringt. Sie wird diese Zeit nicht mit dem zänkischen Gehabe einer Lehrerin verbringen. Du mischst dich in Dinge ein, die dich längst nichts mehr angehen.“

Marilyn presste missmutig die Lippen aufeinander. Der Vorwurf der Rabenmutter hatte gesessen, das konnte er sehen.

„Mag sein, dass ich mich nicht in dem Maß um sie kümmere, wie ich es tun sollte“, gab sie zurück. Ihr Blick war eisig. „Aber wenn ich dich erinnern darf, mein Lieber. Wir haben immer noch das gemeinsame Sorgerecht und ich habe ebenso Anspruch darauf, mich in Samanthas Erziehung einzubringen wie du - ob es dir passt oder nicht. Sie ist auch meine Tochter.“

„Nur auf dem Papier“, knurrte Ian leise.

Sie starrte ihn zornig an.

„Dann sind wir ja schon zwei“, zischte sie. „Samantha mag nicht mein Blut in sich tragen, aber sie ist dennoch meine Tochter, Ian. Dich mögen ihre schulischen Leistungen nicht interessieren, was man ja daran merkt, wie wenig du dich bemühst, sie zu unterstützen. Mir sind sie jedoch nicht gleichgültig. Samantha ist ein intelligentes Kind und ich will nicht, dass sie sich ihre Zukunft verbaut, nur weil ihr in dieser Einöde immer noch Buschtrommeln benutzt.“

„Du versuchst hier etwas zu erzwingen, dass sie nicht will“, warf er ein. „Haben dich eigentlich jemals die Dinge interessiert, die sie sich wünscht?“

Für einen Moment sah Marilyn aus, als wolle sie ihn schlagen. Dann hatte sie sich wieder im Griff.

„Sie wird es akzeptieren müssen, genau wie du, Ian. Eine junge Frau kommt heutzutage nicht weit, wenn sie nichts gelernt hat.“ Gelassen erwiderte sie Ians wütenden Blick und machte eine allumfassende Geste. „Denkst du, sie wird diese Ranch einmal übernehmen und weiterführen können, wenn sie nicht weiß, wie sie zu wirtschaften hat?“ Kopfschüttelnd atmete sie tief durch.

 „Ich weiß, dass ich nicht die Mutter bin, die Samantha verdient hätte. Wahrscheinlich werde ich es auch niemals sein.“ Sie sah ihn an. „Aber wenigstens will ich dafür sorgen, dass Samantha eine Chance bekommt.“ Sie krallte ihre Nägel schmerzhaft in Ians Hand und bog seine Finger nach oben, bis er sie endlich losließ. Dann trat sie nah an ihn heran und ihre Lippen näherten sich seinem Ohr. „Ich mochte es früher gern von dir so hart angefasst zu werden und es macht mich immer noch an, Darling. Doch die Zeiten haben sich leider geändert ... vorerst.“

Irritiert zuckte er zurück und sah ihr ins Gesicht. Sie tat, als habe sie nichts gesagt und deutete mit unbestimmter Geste zum Auto hinüber.

„Versucht es einfach. Wenn sich nach sechs Wochen keine Erfolge einstellen, dann schickt sie zurück. Für alle Kosten komme ich auf. Aber ich kann dir versichern, dass Mrs. Duncan gut ist in dem, was sie tut.“

 

Ian wandte den Kopf und sah zu der Frau hinüber, die hinter dem Jeep hervor gekommen und nun neben Neill getreten war.

Die Fremde war höchstens einen Kopf größer als die vierzehnjährige Samantha. Kinnlanges, schwarzes Haar umrahmte ein fülliges Gesicht und unter dem eleganten Hosenanzug zeichnete sich eine eher mollige Figur ab. Sie wirkte weder imposant noch kompetent. Es war deutlich zu erkennen, wie unwohl sie sich in ihrer Haut fühlte. Trotz der dunklen Sonnenbrille, die ihre Augen verdeckte, schätze er sie auf höchstens Ende zwanzig.

„Was soll das, Mary?“ Er senkte seine tiefe Stimme zu einem Flüstern. „Du willst mir doch nicht ernsthaft erzählen, das wäre die Privatlehrerin für Sam. Sie ist ja selbst noch ein halbes Kind. Hast du sie gerade von der Universität abgeholt, wo sie ihren Abschluss gemacht hat?“

Marilyn setzte ihre übliche spöttische Miene auf, die sie in seiner Gegenwart gerne zur Schau trug.

„Ian, Schatz, hier draußen auf dem Land mag es sein, dass Lehrerinnen aussehen wie Großmütter. Doch du kannst mir glauben, wenn ich sage, dass Mrs. Duncan nicht so unerfahren ist, wie sie auf den ersten Blick erscheint. Sie ist eine Berühmtheit in Brisbane und hat einen exquisiten Leumund. Wenn sie mit Samantha gearbeitet hat, wird diese das nächste Schuljahr problemlos hinter sich bringen. Damit wäre ihr Weg zu einer weiterführenden Schule wenigstens geebnet.“

„Sie hat hier nichts zu suchen“, brummte er unwillig. Marilyns Augenbrauen hoben sich in gespielter Entrüstung und sie senkte ihre weiche Stimme zu einem Flüstern hinab.

„Du wirst sie doch nicht ablehnen, weil sie deinem Frauengeschmack nicht entspricht, Darling.“ Ihr Lächeln war so falsch, wie es nur sein konnte. „Sie ist vielleicht kein Supermodel, aber sie soll schließlich Samantha helfen und nicht in deinem Bett landen.“

„Ich habe an beidem kein Interesse“, bemerkte er zornig. Seine Ex-Frau musterte ihn einen Augenblick lang schweigend, dann sah sie ihm in die Augen.

„Dann sei lieb zu ihr und hör’ auf dich wie ein kleines, bockiges Kind zu benehmen, Ian.“ Der belehrende Ton in Marilyns Stimme trug nicht unbedingt dazu bei, dass sich sein Ärger verflüchtigte. „Ich habe diese Frau nicht nur ausgesucht, weil sie gut ist, sondern auch weil sie ein Gespür für Kinder hat. Sie hat hervorragende Qualifikationen. Es wird Samantha nicht schaden etwas zu lernen. Ihre Ferien werden dadurch schon nicht in Mitleidenschaft gezogen.“

„Du wirst wohl kaum dabei sein, um dich davon zu überzeugen.“ Sein scharfer Ton ließ sie zusammenzucken, ihr Lächeln verschwand.

„Dann überzeuge dich selbst davon und schicke mir eine Postkarte“, fauchte sie zurück.

Mit einem routinierten Lächeln wandte sie sich zu der Lehrerin. Die junge Frau sah sich mit distanzierter Neugier um und zog es offensichtlich vor so zu tun, als habe sie von dem leisen Wortwechsel nichts mitbekommen.

Kopfschüttelnd folgte Ian seiner Ex-Frau und musterte die Fremde argwöhnisch. Samantha würde in einer Frau, die nicht viel älter als sie selbst war, kaum eine Autoritätsperson sehen, die sie respektieren musste. Er gab dieser sogenannten Lehrerin höchstens eine Woche, dann hätte Samantha es geschafft, dass sie jammernd darum bettelte, jemand solle sie zurück in die Zivilisation bringen.

 

Marilyns Vorstellung war ebenso kurz und schmerzlos, wie der darauffolgende hastige Aufbruch. Und Ian stand mit grimmigem Gesicht einer Fremden gegenüber, die er nicht auf seiner Farm haben wollte.

Er mochte sie nicht, obgleich sie noch keinen Ton von sich gegeben hatte.

Als stelle sie eine Gefahr dar, trat er einen Schritt zurück. Deutlicher hätte er ihr seine Antipathie wahrscheinlich nicht klar machen können. Mit einem unangenehmen Gefühl von Schuldbewusstsein registrierte er, dass sie unmerklich zusammenzuckte.

Zum Teufel mit Marilyn, die eine Lehrerin herbrachte, die selbst noch ein halbes Kind war. Trotz ihres eher unspektakulären Äußeren sah auch sie nach Geld aus. Das war eindeutig Marilyns gesellschaftlicher Rang und Ian fühlte sich degradiert.

Als sie tief Luft holte, blieb sein Blick an ihrem Busen hängen, der sich gegen die Knopfreihen ihres Blazers drückte. Irritiert stellte er fest, dass tiefe Röte ihre Wangen überzog und sie die Lippen zusammenpresste.

Lieber Himmel!

Hatte Marilyn ihm eine alte Jungfer vor die Tür gestellt?

Auf der Ranch arbeiteten - je nach Jahreszeit - bis zu zwanzig Männer, da wurde sogar Samantha und seiner Mutter hinterher gepfiffen. Die junge Lehrerin würde mehr als nur ein paar Pfiffe über sich ergehen lassen müssen. Sie würden ihr Küsse zuwerfen und jede Menge unanständige Bemerkungen fallen lassen.

Wie sie so vor ihm stand, eine kleine Reisetasche in den Händen vor sich haltend und zwei Koffer neben sich im Staub, tat sie ihm fast leid. Einen Moment schien sie mit sich zu kämpfen, dann schob sie die Sonnenbrille in das dunkle Haar, sah von Ian zu seiner Mutter und wieder zurück. Mit einem Räuspern und einem unerwartet einnehmenden Lächeln streckte sie den Arm aus und reichte Ian die Hand zum Gruß, die er pflichtgemäß ergriff.

„Es tut mir sehr leid, Mr. Ridgley. Wenn es Ihnen nicht recht ist, dass ich bleibe, so würde ich Sie bitten mir ein Taxi zu rufen. Dann bin ich in Kürze wieder verschwunden.“ Ihre angenehme Stimme klang belegt und der Moment schien ihr so peinlich, dass es fast körperlich spürbar war. Ian senkte den Blick auf ihre kleine, helle Hand, die immer noch in seiner sonnengebräunten zu verschwinden schien.

Eigentlich war er in erster Linie wütend auf Marilyn, die ihn wieder einmal überfahren hatte und wenn er es objektiv betrachtete, war diese Lehrerin auch nur eines der Opfer seiner Ex-Frau. Sanft strich er mit dem Daumen über die weiche Haut ihres Handrückens und sie zog sich so hastig zurück, als habe sie sich verbrannt. Unter dem Rand seines Hutes hinweg sah er ihr ins Gesicht. In ihrem Blick lag eine seltsame Scheu und etwas, das sie offenbar lieber verborgen hielt.

Ihre Augen waren von einem warmen, hellen Braun, das an reife Haselnüsse erinnerte. Winzige Lachfältchen in ihren Augenwinkeln zeugten von einer ausgesprochen fröhlichen Natur, aber über allem lag ein Hauch von Melancholie. Er redigierte seine erste Ablehnung, wenn auch nur im Stillen.

Ob ihre Wangen im Augenblick der Ekstase wohl erröten würden?

Großer Gott, was dachte er da?

„Hier kommt kein Taxi“, bemerkte er gereizt. „Wenn Sie zurück wollen, wird jemand von hier Sie fahren müssen.“ Verärgert über sich selbst runzelte er die Stirn.

Offenbar lag sein letztes Zusammensein mit einer Frau schon so weit zurück, dass er nun das erste weibliche Wesen begehrte, das nicht mit ihm verwandt war. Oder es lag an Marilyns aufreizendem Sex-Appeal, der ihn angestachelt hatte.

Allein der weiche Klang von Faiths Stimme bewirkte schon, dass sich seine Nackenhaare aufstellten. Sie hatte wirklich außergewöhnlich schöne Augen. Für einen Moment rang Ian mit sich selbst. Sie bot ihm die perfekte Ausrede ... gleichzeitig machte sie ihn aber auch neugierig.

„Sie können bleiben. Sechs Wochen zur Probe“, fügte er zu seinem eigenen Entsetzen hinzu.

Als sie ihn erleichtert anlächelte, betrachtete er grübelnd ihre schön geschwungenen Lippen.

„Danke.“

Das leise gehauchte Wort ließ sein Blut eindeutig zu heftig durch die Venen pulsieren.

 

Seine Mutter eilte die drei Verandastufen hinunter und reichte der Fremden die Hand.

„Hi. Mein Name ist Elaine“, stellte sie sich vor. „Ich bin Sams Großmutter. Entschuldigen Sie den chaotischen Empfang - wir waren nicht auf einen so ungewöhnlichen Besuch vorbereitet.“

„Nun, wir waren wohl alle ein wenig überrumpelt“, bemerkte die junge Frau mit einem schiefen Lächeln. „Mein Name ist Faith.“ Sie schüttelten einander die Hand. „Ich war leider davon ausgegangen, dass Sie schon vorher über mein Kommen unterrichtet wurden.“

„Marilyn ist manchmal ein wenig ... sagen wir ... zerstreut“, bemerkte Elaine, was ein unwilliges Grunzen bei Ian auslöste. Faith warf ihm einen undefinierbaren Blick zu. Er war sich nicht ganz sicher, ob sie ihn tadeln wollte oder ein Lachen unterdrückte.

„Ian, geh’ und bring’ Buster in den Stall. Das Essen ist auch gleich fertig.“ Elaine griff sich einen von Faiths Koffern und machte sich auf den Weg zur Veranda. Ihr ungebetener Gast nahm das andere Gepäckstück, blieb noch einen Moment stehen wo sie war und nickte Ian freundlich zu.

„Vielen Dank, Mr. Ridgley. Ich werde versuchen, Sam so gut ich kann zu helfen, ohne ihr die Ferien zu ruinieren. Es ist wirklich schade, dass sie nicht anwesend ist.“

„Weil Sie nicht direkt mit dem Unterricht beginnen können?“, fragte Ian unfreundlich. Ihn traf ein scharfer Blick seiner Mutter. Faith sah zu ihm auf und schüttelte den Kopf, ihr Gesichtsausdruck war fast schon entschuldigend.

„Nein, natürlich nicht. Ich hätte sie nur gern kennengelernt. Abgesehen davon ist es für einen Schüler wesentlich angenehmer, nicht heimzukommen und einen Lehrer vorzufinden, den man eigentlich nicht haben will. Dass ich nun während ihrer Abwesenheit hier eintreffe, macht mich zu einem noch größeren Eindringling, als ich es ohnehin schon bin.“

„Zermartern Sie sich deshalb nicht Ihren hübschen Kopf, Lady. Sie werden noch zwei Wochen Schonfrist haben, ehe unser kleiner Hausdrachen zurück ist. Aber ich kann Ihnen jetzt schon sagen, dass es nicht einfach wird.“

„Das erwarte ich nicht. Mit vierzehn ist man nicht immer ganz pflegeleicht“, bemerkte sie lächelnd. „Aber bisher haben wir es doch alle mehr oder weniger erfolgreich überstanden.“

„Ihre Erinnerungen daran werden noch relativ frisch sein“, bemerkte Ian gehässig. Seine Wut auf Marilyn war immer noch nicht völlig verraucht. Mangels der passenden Gelegenheit an ihr seinen Zorn auszulassen, kam Faith ihm gerade recht – und sei es nur, diese junge Frau wegen ihres Alters aufzuziehen.

Ein Schatten huschte über ihr Gesicht. Das freundliche Lächeln wirkte plötzlich aufgesetzt und er konnte sehen, wie ihre Kieferknochen sich anspannten, als sie die Zähne aufeinander presste.

Es war so schnell vorbei, dass er fast geglaubt hätte, sich getäuscht zu haben. Seine Bemerkung tat ihm plötzlich leid, schließlich war es nicht ihre Schuld, dass er und Marilyn sich nicht unterhalten konnten, ohne jedes Mal in Streit zu geraten. Oder das er seine Hormone offenbar nicht im Griff hatte, sobald seine Ex-Frau in der Nähe war.

„Nun, ich habe nicht vergessen, dass ich keineswegs erwachsen auf die Welt gekommen bin.“ Ihr neckisches Lächeln jagte ihm einen Schauer über den Rücken, er trat einen Schritt zurück. „Ich werde mich bemühen, den Unterricht für Samantha so angenehm wie möglich zu gestalten und ihr genug Zeit für sich selbst einzuräumen.“

„Wir werden sehen, wie es Ihnen in sechs Wochen geht, Mrs. Duncan.“ Irritiert blickte sie zu ihm auf und er runzelte verwirrt die Stirn. „Habe ich etwas Falsches gesagt?“

„Nein, ich war nur ... Miss reicht völlig. Ich ... bin nicht mehr verheiratet.“

„Meine Ex-Frau stellte Sie so vor.“ Sie nickte verstehend.

„Oh. Nun ... nein, das ist lange her. Wenn es Ihnen recht ist, dann nennen Sie mich doch bitte Faith.“ Für einen Moment glaubte Ian, sie schien noch etwas hinzufügen zu wollen, doch sie schwieg.

„Soll mir recht sein. Nennen Sie mich Ian, Faith.“ Ihr Name schien wie Zucker auf seiner Zunge zu schmelzen.

Ehe er noch etwas Dummes tun und ihr das Du anbieten konnte, tippte er sich an seinen Akubra und machte einen Schritt zu den Stallungen.

Er wurde aufgehalten, weil der junge Hengst verweigerte und den Kopf nach Faith streckte. Unwillig zog Ian an dem Zügel und schnalzte mit der Zunge, doch der Schimmel gehorchte einfach nicht und bog den Hals, um den Neuankömmling beschnuppern zu können.

Mit einem seligen Lächeln, das Ian durch und durch ging, wandte Faith sich dem jungen Pferd zu und hielt ihm die flache Hand hin. Buster schnupperte daran und sie lachte leise, als die raue Zunge darüber glitt.

„Nun ... ich schätze, Buster hat sein Urteil bereits gefällt und Sie für gut befunden“, bemerkte Elaine amüsiert, die mit einem breiten Schmunzeln auf der Terrasse stand und ihren Sohn mit Argusaugen beobachtete. „Wie wäre es, wenn ich Ihnen Ihr Zimmer zeige, Faith, damit mein Sohn das Pferd in den Stall bringen kann?“ „Gern, vielen Dank“, gab Faith zurück. Sie strich dem Hengst sanft über die Nüstern, nickte Ian noch einmal zu und nahm ihr restliches Gepäck an sich.

Gemeinsam verschwanden die beiden Frauen ins Innere des Farmhauses, während Ian ihnen nachdenklich hinterher blickte. Verwundert betrachtete er Buster, der normalerweise ausgesprochen zurückhaltend gegenüber Fremden war.

Wie hatte diese Frau das gemacht?

Ungläubig den Kopf schüttelnd machte er sich auf den Weg zu den Stallungen. Diese Frau bezirzte nicht nur seine Mutter und den dummen Gaul, er selbst fühlte sich auch auf seltsame Art zu ihr hingezogen. Dabei war er sich nur allzu bewusst, dass Faith ebenso wenig in diese Umgebung passte, wie Marilyn - und die war im Outback geboren.

 

***

 

Nachdem Elaine ihr das Farmhaus gezeigt und sie in ihrer neuen Unterkunft allein gelassen hatte, war Faith froh sich den Staub aus dem Gesicht waschen zu können.

Den unbequemen Hosenanzug tauschte sie erleichtert gegen Jeans und ein locker fallendes, kurzärmeliges Hemd. Hier musste sie wenigstens nicht im feinen Zwirn herumlaufen ... dennoch war das kein guter Anfang für den ersten Tag gewesen.

Ihr neuer Schützling war nicht anwesend, um sich ein Bild von Faith zu machen und Samanthas Vater war sich offensichtlich noch nicht schlüssig, in welcher Schublade er sie einordnen sollte. Dass er sie nicht sonderlich mochte, hatte sie bereits deutlich gespürt. Der einzige Lichtblick schien Elaine, die freundlich und entgegenkommend auf Faith wirkte.

Nachdenklich betrachtete sie ihr blasses Spiegelbild.

Der Auftritt, den Marilyn Harris mit ihr veranstaltet hatte, gefiel Faith nicht im Geringsten. Normalerweise waren die Leute informiert über ihre Ankunft. Sie wäre am Liebsten im Boden versunken, als ihre Auftraggeberin eine solche Szene mit ihr veranstaltet hatte. Dass es zwischen ihr und Ian Ridgley Spannungen gab, war unübersehbar. Doch Faith hatte keine Lust als Spielball zu dienen.

Sie hatte schon genug eigene Probleme.

Es war wirklich zu ärgerlich, wie das gelaufen war.

Auf diese Weise war nicht einmal Samantha die Möglichkeit gegeben worden dabei zu sein und nun würde sie in zwei Wochen eine Fremde vorfinden, die alle anderen bereits kennengelernt hatten. Keine guten Voraussetzungen für ein neutrales Verhältnis ... von Kameradschaft ganz zu schweigen.

Der Gedanke sofort wieder zu verschwinden lastete auf Faiths Gemüt und sie konnte das Gefühl der Scham nicht ignorieren.

Dieser Ort war ein Paradies für Kinder und ihr missfiel der Gedanke, ihre neue Schülerin so zu überfallen. Überdies war es nicht die Regel im gleichen Haus wie ihre Arbeitgeber zu wohnen. Zu viel Nähe und gemeinsame Zeit konnten einen Schützling verwirren. Das hatte sie schon einmal erlebt und es hatte kein gutes Ende genommen.

Schmerzlich berührt schloss sie einen Moment die Augen und atmete tief durch. Die Erinnerungen an den kleinen Jake waren noch zu frisch und immer noch tobten die Schuldgefühle in ihr, ganz gleich wie oft man ihr versichert hatte, sie trüge dafür keine Verantwortung.

Im vergangenen Jahr hatte sie mehrfach überlegt ihren Job an den Nagel zu hängen, so sehr sie die Arbeit mit den Kindern auch liebte. Die Trauer hatte sie fast erstickt.

Abgesehen von den möglichen Reibungspunkten, die sie eventuell mit Samantha haben würde, kamen nun auch noch die zwiespältigen Gefühle für deren Vater. Ian verwirrte sie zutiefst.

Dieser Mann besaß eine erschreckende Anziehungskraft.

Er misstraute ihr, dessen war sie sicher, dennoch wurde sie sich in seiner Nähe plötzlich überdeutlich ihrer eigenen Weiblichkeit bewusst. Ein Gefühl, das ihr neu war. Kein Vergleich mit der dummen Verliebtheit, die sie vor vielen Jahren für einen jungen Mann empfunden hatte oder ihrer Flucht in die kurze, lieblose Ehe mit Henry.

Tief durchatmend schloss Faith die Augen und versuchte die Erinnerungen zurückzudrängen, die sie plötzlich heimsuchten.

Sie besaß ihren Ruf als erstklassige Privatlehrerin nur aus dem Grund, dass die Arbeit ihr einziger Lebensinhalt war. Auch wenn ihr Äußeres meist zu der Vermutung veranlasste, sie habe keine Ahnung, was sie eigentlich tat.

Mit einunddreißig war sie den Kinderschuhen längst entwachsen und nicht bereit sich naiven Träumereien hinzugeben, die keinen Sinn ergaben. Hier würde sie erneut beweisen müssen, dass sie ihrem Ruf gerecht wurde. Und je mehr Arbeit sie sich machte, desto weniger würde sie über diesen Mann nachdenken, der etwas in ihr wachrief, das sie lieber nicht näher definieren wollte.

Entschlossen wandte sie sich von ihrem Spiegelbild ab und begann ihren Koffer auszupacken. Die Wochen mit Samantha würden schnell vergehen. Es gab keinen Grund sich in Gedanken mehr als nötig mit dem Vater ihrer neuen Schülerin zu beschäftigen.

 

***

 

Zum Abendessen tauchten nacheinander die sieben Männer auf, die zurzeit auf der Ranch beschäftigt waren. Man musterte den unerwarteten Gast mit unverhohlener Neugier und brennendem Interesse.

Faith, die sich in ihren abgewetzten Jeans und einem Hemd sichtlich wohler fühlte, saß Ian gegenüber und unterhielt sich angeregt mit dem Mann zu ihrer Rechten. Ian beobachtete sie

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Texte: Ewa Aukett
Bildmaterialien: Bildmaterial: Shutterstock/Thinkstock, Gestaltung: Sascha Pikkemaat (s.pikkemaat@gmx.net)
Cover: Sascha Pikkemaat, Ewa Aukett
Lektorat: K. J. Watts
Tag der Veröffentlichung: 20.04.2013
ISBN: 978-3-7309-2388-7

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