HARRY CARMICHAEL
GEFAHR FÜR MADELEINE
Roman
Signum-Verlag
Inhaltsverzeichnis
Das Buch
GEFAHR FÜR MADELEINE
Erstes Kapitel
Zweites Kapitel
Drittes Kapitel
Viertes Kapitel
Fünftes Kapitel
Sechstes Kapitel
Siebtes Kapitel
Achtes Kapitel
Neuntes Kapitel
Zehntes Kapitel
Elftes Kapitel
Zwölftes Kapitel
Dreizehntes Kapitel
Vierzehntes Kapitel
Fünfzehntes Kapitel
Sechzehntes Kapitel
Siebzehntes Kapitel
Achtzehntes Kapitel
Neunzehntes Kapitel
Zwanzigstes Kapitel
Einundzwanzigstes Kapitel
Zweiundzwanzigstes Kapitel
Das Buch
Eine so schöne und berühmte Frau wie Madeleine Grey muss doch auffallen, besonders in ihrem kostbaren Nerz.
Dennoch ist es ihr gelungen, unbemerkt aus dem Hotel in London zu verschwinden.
Ist sie freiwillig untergetaucht? Wo hält sie sich verborgen? Auf dem Koffer, den sie zurückließ, findet Scotland Yard Blutflecke...
Harry Carmichael (eigtl. Hartley Howard/Leopold Horace Ognall - * 20. Juni 1908 in Montreal, Québec; † Großbritannien) war ein britischer Schriftsteller.
Der Roman Gefahr für Madeleine um den Londoner Privatdetektiv John Piper erschien erstmals im Jahr 1957; eine deutsche Erstveröffentlichung erfolgte 1965.
Der Signum-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur.
GEFAHR FÜR MADELEINE
Erstes Kapitel
Am 27. Februar setzte Tauwetter ein. Bis in die frühen Morgenstunden lag eine dichte Nebeldecke über Südengland. Gegen acht Uhr begann es sich aufzuklaren, und als um zehn Uhr die Maschine aus Prestwick in London landete, schien die Sonne.
Nur ein halbes Dutzend Passagiere stieg aus: ein älterer Herr mit dem Kragen des Geistlichen, zwei Inder, ein Junge im Schulanzug mit seiner Nanny und eine blonde junge Frau in einem kostbaren Nerzmantel.
Einige Fotoreporter standen wartend am Fuß der Passagiertreppe. Als die Dame mit dem Nerz auftauchte, gerieten sie in Bewegung. Sie zögerte einen Moment. Dann stellte sie als Schutz gegen die Kalte den großen Mantelkragen vors Gesicht und schritt die Stufen hinab.
»Hallo, Miss Grey«, sagte Quinn von der Morning Post. »Wie war’s mit einem Foto, aber ohne den Mantel?«
Sie sah ihn mit kaltem Blick an. »Warum? Gefällt er Ihnen nicht?«
»Doch – wem würde ein Nerz für zweitausend Pfund nicht gefallen; aber was darunter ist, gefällt mir entschieden besser.« Er nickte seinen Kollegen auffordernd zu. »Haben Sie ein Herz, Miss Grey! Zwei Millionen Leser sind ganz versessen darauf, sich beim Frühstück Ihr Foto zu Gemüte zu führen und dabei wehmütige Vergleiche mit ihren...« – er hustete – »...treuliebenden Gattinnen anzustellen. Also, wie ist’s? Der Spaß dauert nur ein paar Minuten.«
Die junge Frau schüttelte den Kopf. »Tut mir leid, Jungs. Es ist zu kalt; außerdem bin ich in Eile.«
»Na schön, dann wenigstens ein Foto mit Mantel«, sagte Quinn beschwörend.
»Nein... Es geht wirklich nicht. Ich hab keine Zeit.« Sie drängte sich durch die Gruppe und fügte über die Schulter hinweg hinzu: »Wenn Sie Aufnahmen machen wollen, müssen Sie ins Hotel kommen. Ich wohne im Chancellor.«
»Stimmt es, dass Sie fürs Fernsehen arbeiten werden?«
Sie lächelte flüchtig.
»Vielleicht. Deshalb bin ich aus Schottland hergeflogen. Die Verhandlungen sind noch nicht abgeschlossen.«
»Sind die Außenaufnahmen für Ihren neuen Film schon beendet?«
»Oh nein. Sobald der Fernsehvertrag unter Dach und Fach ist, fliege ich zurück.«
Sie kuschelte sich tiefer in den Pelz.
»Und jetzt müsst ihr mich entschuldigen, Jungs, ich bin verabredet...«
Sobald sie ihren Blicken entschwunden war, sagte Quinn zu den anderen: »Wenn sie wirklich beim Fernsehen landet, lass ich mir Breitwand einbauen, sonst entgeht einem das Beste. Möchte wissen, warum sie’s so eilig hatte, dass es nicht mal für ein Foto reichte...«
Auf dem Weg zurück ins Büro grübelte er noch immer darüber nach. Er konnte die nervöse Ungeduld, die in ihrer Stimme lag, nicht vergessen.
Auch der Empfangsdame im Hotel Chancellor fiel die Nervosität des eben eingetroffenen Gastes auf. »Gewiss, Miss Grey, wir haben ein Appartement im dritten Stock für Sie reserviert. Ihr Sekretär meinte, das würde Ihnen zusagen.«
»Ich habe keinen Sekretär. Das war mein Mann«, erwiderte die junge Frau kurz.
Sie trug sich hastig ins Hotelregister ein und überwachte die zwei Boys, die ihr Gepäck zum Lift trugen. Wie die beiden später übereinstimmend aussagten, schien sie ihrer Koffer wegen ungewöhnlich besorgt zu sein. Sie gab genau an, wohin sie sie abgestellt haben wollte; den größten, ein wahres Ungetüm, im Salon und die drei anderen im Schlafzimmer. Jeder der Boys bekam von ihr eine halbe Krone Trinkgeld.
Gegen elf Uhr fünfzehn telefonierte sie mit dem Büro eines gewissen Mr. Benny Seagar. Das Mädchen in der Hotelzentrale musste die Nummer nachschlagen und stellte dabei fest, dass es sich um eine Künstleragentur handelte, die sich in der Buckingham Street, unweit vom Strand, befand.
Kurz danach traf im Hotel ein Telegramm für Miss Madeleine Grey ein. Einer der Pagen, die vorher das Gepäck hinaufbefördert hatten, lieferte das Telegramm im Appartement Nummer 15 ab Er sagte später, Miss Grey habe noch den Nerzmantel angehabt und ihm nach einem kurzen »Danke schön« die Tür vor der Nase zugemacht; ein Trinkgeld habe sie ihm diesmal nicht gegeben. Auf weitere Fragen erklärte er, er könnte es zwar nicht beschwören, aber seiner Meinung nach hätte sie verweint ausgesehen.
Einige Minuten nach halb zwölf teilte Miss Grey der Empfangsdame mit, wenn ein Mr. John Piper käme, solle er sofort zu ihr hinaufgeschickt werden; sie sei mit ihm verabredet. Die Dame am Empfang notierte den Namen in ihrem Auftragsbuch.
Piper kam um Viertel vor zwölf. Zwei Minuten danach kreuzte Charlie Quinn auf. Die beiden begegneten einander vor dem Empfangstisch, wo Piper gerade erfahren hatte, dass Miss Grey ihn bereits erwartete.
»Hallo!«, rief Quinn. »Lange nicht gesehen. Was machst du denn hier?«
Piper fiel auf, dass Quinn sorgfältiger gekleidet war als früher. Er hatte sich irgendwann in den letzten Monaten von seinem alten, schmuddeligen Trenchcoat getrennt und trug einen grauen Mantel und einen ebenfalls grauen Hut, die beide noch ziemlich neu aussahen. Seine Krawatte war ordentlich geknotet und sein weißer Kragen tatsächlich weiß. Als er den Hut abnahm, stellte Piper leicht erschüttert fest, dass Quinn sogar beim Friseur gewesen sein musste, denn sein dünnes strohblondes Haar war kurz geschnitten und glatt zurückgekämmt. Er hatte sich, im Ganzen gesehen, sehr verändert. Aber in seinen blassblauen Augen lag noch immer der alte Spott, und noch immer umflatterte ihn ein Geruch nach Bier und Stehkneipe.
»Ich bin mit jemandem verabredet, den du vermutlich recht gut kennst«, antwortete Piper. »Mit der Filmschauspielerin Madeleine Grey.«
»Nicht möglich!« Quinn zupfte an seiner Nase und sah Piper forschend an. »Zu dieser Dame will ich nämlich auch. Für wieviel Uhr hat sie dich bestellt?«
»Für zwölf. Und dich?«
»Gar nicht. Sie sagte nur, für die Presse wäre sie erst im Hotel zu sprechen. Das war vor knapp zwei Stunden auf dem Flugplatz.«
»Da hast du anscheinend nicht viel Zeit verloren.«
»Stimmt. Sie hatte es so verdammt eilig wegzukommen, und das machte mich neugierig.«
»Vielleicht war sie verabredet?«
»Tja, damit hat sie uns abgewimmelt. Aber so etwas zieht bei mir nicht.«
Quinn hörte auf, an seiner Nase herumzuzupfen, und begann seine Taschen abzuklopfen. »Muss meine Zigaretten im Büro vergessen haben... Oh, danke. Streichhölzer hab ich übrigens auch nicht.«
Piper gab ihm auch noch Feuer.
»Ich verstehe nicht, warum dir ihre Erklärung nicht genügt.«
»Weil Filmleute es niemals eilig haben, sobald sich die Gelegenheit für ein bisschen Eigenpropaganda bietet. Bei ihr reichte die Zeit nicht mal für ein Foto. Ich kenne eine Menge von diesen Flimmerzicken, und es ist immer das gleiche: Sobald ein Reporter in ihrer Nähe aufkreuzt, haben sie plötzlich massenhaft Zeit.« Er fügte unschuldsvoll hinzu: »Vielleicht hatte sie’s so eilig, weil sie mit dir verabredet war.«
»Kaum – wenn sie schon vor zwei Stunden in London eintraf.«
»Vielleicht musste sie sich auf die Unterredung mit dir vorbereiten – wäre doch möglich, oder?« Charlie Quinns Miene war ebenso unschuldig wie seine Stimme.
»Mir scheint, du willst mich aushorchen, wie?«
»Ich? Kein Gedanke!«
Quinn warf einen Blich auf die Uhr über dem Empfangstisch. Es war zehn Minuten vor zwölf.
»So was würde ich nie tun. Aber vertrauliche Mitteilungen finden bei mir immer ein offenes Ohr. Und du hast sicher noch ein paar Minuten Zeit.«
»Nichts zu machen. Ich kann dir nur sagen, dass ich mit Miss Grey über eine Versicherungsangelegenheit reden will.«
»Warum du?«
»Warum nicht ich? Versicherungen sind doch mein Geschäft, oder etwa nicht?«
»Tja, aber du bist kein gewöhnlicher Vertreter, der mit Policen hausieren geht. Dein Job besteht darin, die Kunden unter die Lupe zu nehmen und die schwarzen Schafe von den weißen zu sondieren. Sollte etwa bei der bezaubernden Miss Grey irgendetwas faul sein?« Quinn legte den Kopf schief. »Sei kein Frosch... Gib einem alten Freund eine Chance.«
»Frag sie doch selbst, wenn du nachher mit ihr sprichst. Über Geschäftsangelegenheiten rede ich grundsätzlich nicht. Im Übrigen wäre die Sache für dich ohnehin völlig uninteressant.«
»Bestimmt?«
»Ganz bestimmt! Eine Story schaut dabei nicht heraus.«
»Immerhin hielt deine Gesellschaft es anscheinend für notwendig, dich in die Sache einzuspannen...«
»Notwendig ist wohl nicht das rechte Wort«, erwiderte Piper. »Wir sehen uns nachher noch – falls du warten willst. Ich werde ihr sagen, dass du hier bist.«
»Ich warte. Ich hab einen unserer Fotographen herbestellt. Er dürfte jeden Moment eintrudeln, und ich möchte ihn nicht verfehlen.«
Er blies die Asche von seiner Zigarette und grinste säuerlich.
»Vergaff dich nicht in Madeleine und mach’s kurz. Ich hab kein Verlangen danach, hier Wurzeln zu schlagen.«
Zweites Kapitel
Außer Piper befanden sich noch drei Personen im Lift – ein Mann in einem Kamelhaarmantel und zwei ältere Amerikanerinnen mit blaugetöntem Haar und näselnden Stimmen.
Der Mann stieg in der zweiten Etage aus; die beiden Frauen wollten in die fünfte. Ihre lautstarke Unterhaltung war beim besten Willen nicht zu überhören, obwohl Piper mit seinen Gedanken ganz woanders war.
Kurz bevor er sich zum Hotel aufmachte, hatte er noch einmal mit Jordan von der Cresset-Versicherungsgesellschaft gesprochen, und Jordan hatte dabei einige recht vielsagende Bemerkungen fallenlassen... »Miss Grey hat in letzter Zeit viele Ersatzansprüche geltend gemacht... Möchte zwar nicht behaupten, dass etwas faul daran ist, aber... meistens handelte es sich um Schmuck... Kam uns verdammt teuer zu stehen... Natürlich möchten wir sie als Kundin nicht verlieren... sie ist bei uns so ziemlich gegen alles versichert: Diebstahl, Unfall, Verlust ihres guten Aussehens, Verlust des Augenlichts, der Beine, der Arme und was Sie sonst noch wollen: alles in allem kommt ein ganz hübsches Sümmchen zusammen... Nein, für eine Lebensversicherung war sie nie zu haben. Die meisten Schauspieler und Filmleute sind in diesem Punkt abergläubisch. Na, egal. Fühlen Sie der Dame mal auf den Zahn und sagen Sie mir, was Sie von ihr halten – Sie wissen schon...«
Piper wusste, was Jordan meinte. Es war nicht der erste Auftrag dieser Art. Warum glaubten so viele Leute, sie könnten eine Versicherungsgesellschaft betrügen, ohne erwischt zu werden? Reiche und Arme, Dumme und Intelligente erlagen gleichermaßen der Versuchung.
Während er den Korridor entlangschritt, fragte er sich, was eine Frau wie Madeleine Grey dazu veranlasst haben konnte, um eines so geringen Vorteils halber so viel aufs Spiel zu setzen. Ihre Gage betrug meist 30.000 Pfund pro Film, und es war bekannt, dass sie nicht nur zur Verschwendung neigte. Auch wenn ihre laufenden Ausgaben ungewöhnlich hoch waren, musste sie eine Menge Geld angesammelt haben.
Er machte vor der Tür des Appartements 15 halt. Der matt erleuchtete Korridor war leer. Vom Treppenhaus her ertönte das monotone Geräusch eines Staubsaugers. Zwei Etagen höher fielen die Lifttüren zu, und der Lift setzte sich surrend in Bewegung; als der Fahrstuhl die dritte Etage passiert haben musste, klopfte Piper an die Tür des Appartements. Nach kurzer Pause klopfte er noch einmal etwas stärker.
Er sah der Begegnung mit Spannung entgegen. Was für ein Typ mochte Madeleine Grey sein? Sie war jung, schön, reich und vermutlich auch nicht ganz unbegabt, obwohl sie ihre Beliebtheit mehr ihren üppigen Formen als ihrem schauspielerischen Talent zu verdanken hatte. Aber ihr Leben war sicher keine reine Wonne: der ständige Kampf um die schwankende Gunst des Publikums und der Produzenten; die Angst um die Figur, bei der jedes Pfund zu viel oder zu wenig das Ende der Karriere bedeuten konnte. Was verbarg sich hinter der strotzenden Fassade, die ihr den Titel Miss Body Beautiful eingetragen hatte? Verachtete sie eine Welt, die solch albernen Kult mit ihr trieb, oder betrachtete sie den Tribut als ihr gutes Recht?
Piper Sagte sich, dass Jordans Verdacht höchstwahrscheinlich unbegründet war, und klopfte zum dritten und gleich danach zum vierten Mal an die Tür. Auf der anderen Seite blieb es still. Auch aus den angrenzenden Zimmern drang kein Laut. Die Hotelgäste waren vermutlich beim Essen.
Madeleine Grey hatte ja beim Empfang angerufen und veranlasst, dass man ihn sofort nach seiner Ankunft zu ihr hinaufschickte. Folglich konnte sie ihre vor einigen Wochen getroffene Verabredung nicht vergessen haben. Ebenso wenig konnte sie unbemerkt aus dem Hotel gehuscht sein. Eine so auffällige Erscheinung wie sie blieb nirgends unbeachtet. Quinn hätte sie bestimmt gesehen, falls sie in der Halle aufgekreuzt wäre.
Piper trommelte gegen die Tür, lauschte und wandte sich dann verärgert ab. Zu ungeduldig, um auf den Lift zu warten, steuerte er auf die Treppe zu und rannte ins Erdgeschoss hinunter.
Quinn lümmelte in einem Sessel und beobachtete das Kommen und Gehen der Gäste und die hübsche Kassiererin hinter ihrem Schalter. »Das ging aber schnell«, sagte er. »Ich dachte... Stimmt was nicht?«
»In ihrem Appartement meldet sich niemand. Entweder ist sie ausgegangen, oder man hat mir die falsche Zimmernummer gegeben.«
»Hier ist sie nicht vorbeigekommen. Fragen wir lieber mal...«
Die Empfangsdame, eine Frau Ende Vierzig mit silberweißem Haar und gekonnt aufgelegtem Make-up, erklärte Piper leicht gereizt, von einem Irrtum könne keine Rede sein. Miss Grey habe das Appartement Nummer 15 in der dritten Etage bekommen. Da sie wenige Minuten zuvor wegen seines Besuchs angerufen habe, dürfte sie wohl auch kaum ausgegangen sein, im Übrigen habe sie ihren Zimmerschlüssel nicht abgegeben. Falls die Herren es wünschten, könne sie noch mal telefonieren...
Aber Madeleine Grey meldete sich nicht.
Die Empfangsdame legte den Hörer auf. »Das ist sonderbar«, gab sie widerwillig zu. »Sie müsste eigentlich da sein. Ich werde es erneut probieren...«
Als auch diesmal niemand antwortete, fragte Quinn: »Hat das Appartement ein eigenes Bad?«
»Ja. Alle unsere Appartements haben ein Bad.«
Quinn warf Piper einen raschen Blick zu. In seinen zynischen Augen lag ein wachsamer Ausdruck. »Es ist ja immerhin möglich, dass sie plötzlich erkrankt ist. Was unternehmen Sie in einem solchen Fall?«
»Man könnte das Zimmermädchen bitten, die Tür mit dem Hauptschlüssel zu öffnen. Aber« – die Empfangsdame sah auf ihre gepflegten Hände herab – »ich möchte jedes unnötige Aufsehen vermeiden. Sie werden verstehen, dass...«
»Gewiss. Trotzdem erscheint mir eine solche Maßnahme in diesem Fall völlig gerechtfertigt«, erwiderte Piper. »Wenn es blinder Alarm sein sollte, braucht ja niemand davon etwas zu erfahren.«
Sie überlegte. »Ich muss erst um Erlaubnis fragen... Einen Augenblick, bitte.« Sie verschwand im Büro und machte die Tür hinter sich zu. Als sie wieder auftauchte, fragte sie: »Sind Sie Freunde von Miss Grey?«
»Ich hatte eine wichtige geschäftliche Verabredung mit ihr und ich kann nicht annehmen, dass sie mich versetzt hat. Sie wissen ja selbst, dass sie mich erwartete.«
»Ganz recht. Dann werde ich jetzt dem Zimmermädchen Bescheid sagen.«
Als Piper und Quinn aus dem Lift stiegen, erwartete sie das Zimmermädchen bereits. Es trug einen schwarzen Rock, eine weiße Bluse und eine schmale schwarze Schleife um den Hals. Am Kragen steckte ein Schildchen aus blaurotem Email mit dem Namen des Hotels. Mit einem höflichen Lächeln, das beiden Männern galt,, fragte es: »Sind Sie die zwei Herren, die...?« Als Piper zustimmend nickte, machte das Mädchen kehrt und schritt vor ihnen den Korridor hinunter.
Vor der Tür mit der Nummer 15 blieb sie stehen und schwenkte den Schlüssel an seiner Kette hin und her, bevor sie sich endlich zum Anklopfen aufraffte. Ihr schmales, sanftes Gesicht verriet nicht die leiseste Beunruhigung. Sie lauschte mit seitlich gesenktem Kopf und starrte dabei ins Leere.
Eine halbe Minute verstrich, ohne dass sich hinter der Tür etwas rührte. »Sie scheint tatsächlich nicht da zu sein...«, murmelte das Mädchen zerstreut, steckte den Schlüssel ins Schloss und stieß die Tür auf.
Der Salon war leer. Die Tür zum Schlafzimmer stand offen, und eine Tür daneben war einen Spalt breit geöffnet. »Ich schlage vor, wir warten hier, bis Sie sich umgesehen haben«, sagte Quinn. »Man kann nie wissen...«
Das Mädchen verschwand im Schlafzimmer, kam zurück und schüttelte den Kopf.
»Niemand anwesend.«
Als sie die zweite Tür aufmachte, konnten die beiden Männer ein Stück gekachelte Wand und das Fußende der in den Boden eingelassenen Badewanne erkennen. »Nichts«, sagte sie. »Miss Grey muss doch ausgegangen sein.«
»Haben Sie was dagegen, wenn ich mich hier mal ein bisschen umsehe?«, fragte Piper.
»Nein, Sir. Solange Miss Grey nicht zurückkommt und Sie hier erwischt.«
Ihre kleinen, hellen Augen beobachteten gespannt, wie er die Hand in die Tasche versenkte und wieder herauszog. Einige Münzen wechselten ihren Besitzer.
»Danke, Sir. Ich glaube nicht, dass sonst jemand was dagegen hat. Aber machen Sie bitte nicht zu lange.«
»Es dauert nur ein paar Minuten.«
Er durchsuchte hastig das Schlafzimmer, wobei er nicht vergaß, einen Blick unter das Bett zu werfen. Der Raum wirkte gänzlich unbewohnt. Das Bettzeug war glatt und unberührt, der Schrank leer, die Glasplatte des Toilettentisches blitzte vor Sauberkeit. Außer den vier Koffern deutete nichts darauf hin, dass Madeleine Grey jemals hier gewesen war.
Im Bad entdeckte Piper die ersten Spuren. Die Seife war benutzt worden, und eines der Handtücher auf dem Halter war zerknittert und feucht.
Quinn war Piper gefolgt. Er brach als erster das Schweigen.
»Die Koffer hat sie nicht ausgepackt, aber gewaschen hat sie sich wenigstens. Die große Frage ist, was sie danach gemacht hat.«
»Sie hat sich nur die Hände gewaschen. Wenn sie ihr Make-up erneuert hätte...«, Piper faltete das Handtuch auseinander und hielt es gegen das Licht, »dann würden wir Lippenstiftspuren auf dem Tuch finden. Es sind aber keine zu sehen. Und es riecht auch nicht nach Puder oder Gesichtswasser. Oder riechst du was?«
»Nein. Mir scheint, du hast recht. Aber was ist damit eigentlich bewiesen?«
Piper zuckte mit den Schultern. »Bewiesen? Nichts. Trotzdem ist es sonderbar...«
»Wenn du ihre Aufmachung vorhin auf dem Flugplatz gesehen hättest, würdest du’s bestimmt nicht sonderbar finden. Die Schminkschicht, die sie auf dem Gesicht hatte, hält tagelang.«
»Mag sein.«
Piper ging ins Schlafzimmer zurück und beugte sich über das Telefon auf dem Nachttisch.
»Der Apparat duftet nach Parfüm... Ich möchte wissen...«
Er wandte sich an das Zimmermädchen, das in der Tür zum Korridor stand und ihn nicht aus den Augen ließ. »Haben Sie eine Ahnung, wer das Appartement vor Miss Grey bewohnt hat?«
»Ja, Sir, zufällig weiß ich das genau.«
Sie sprach stockend, als fiele es ihr schwer, die richtigen Worte zu finden.
»Wir reservieren die Nummer 15 regelmäßig für einen Herrn, der in den Wintermonaten das Wochenende in London verbringt. Das heißt von Anfang Dezember an bis Ende März. Seinen Namen kann ich Ihnen leider nicht sagen, aber er kommt immer am Freitag und reist Montag früh ab.«
»Danke. Der Name spielt keine Rolle. Ich hab mich nur gefragt, ob der vorherige Gast eine Frau war.«
»Nein, Sir, es war der Herr, von dem ich Ihnen eben erzählte.« Sie sah zum Schlafzimmer hinüber. »Falls Ihnen damit gedient ist, Sir, wir wischen das Telefon immer mit einem milden Desinfektionsmittel ab, wenn wir Seife und frische Handtücher für den neuen Gast herauslegen.«
Quinn hatte mit verblüffter Miene zugehört. Jetzt platzte er heraus: »Was soll das Ganze eigentlich? Wir wissen doch, dass sie das Telefon benutzt hat, als sie den Empfang anrief. Oder zweifelst du etwa daran?«
»Meiner Meinung nach wissen wir nur zwei Dinge ganz genau: Erstens, dass Madeleine Grey heute Vormittag ins Hotel kam, und zweitens, dass sie nicht mehr in ihrem Appartement ist, obwohl niemand sie hat Weggehen sehen. Wir können nur...«
Er verstummte. Seine Augen hingen wie gebannt an dem Koffer, der quer über den Armlehnen eines Sessels lag. Quinn und das Zimmermädchen wandten sich um und starrten auch darauf.
Es war ein großer beiger Lederkoffer mit dunkelbraunen Ecken und dunkelbraunem Griff, Ein am Griff befestigtes Anhängeschild trug die Aufschrift: Miss Madeleine Grey, Hotel Chancellor, Piccadilly, London, W. I. Der Koffer schien ganz neu zu sein; das empfindliche helle Leder war fleckenlos und wies nicht die kleinste Schramme auf, und die beiden verchromten Schlösser funkelten. »Was gibt’s da?«, fragte Quinn.
Ohne zu antworten, hockte Piper sich vor den Koffer und betrachtete ihn von verschiedenen Blickwinkeln aus.
»Komm her und sag mir, was du davon hältst, aber fass um Himmels willen nichts an.«
Auf dem Kofferdeckel, direkt über dem Griff, war ein rotbrauner Streifen sichtbar, und neben dem linken Schloss befand sich ein zweiter; beide waren noch feucht. Piper zog ein Taschentuch hervor, wickelte es um die Hand und versuchte, den Koffer zu öffnen. Er war abgeschlossen.
»Die Sache wird immer rätselhafter«, murmelte Quinn. »Was das für Spuren sind, ist wirklich nicht schwer zu erraten. Und ich kann dir sogar sagen, wie sie entstanden sind.«
Piper richtete sich auf und steckte das Taschentuch weg. »Ich bin ganz Ohr.«
»Sie muss sich an irgendeinem scharfen Gegenstand im Koffer verletzt haben, und zwar an der linken Hand. Wäre es passiert, bevor sie den Deckel zurückklappte, dann würden wir vermutlich zwei Abdrücke neben dem Schloss finden.«
»Deiner Ansicht nach handelt es sich also um Blut?«
»Sicher. Oder bist du etwa anderer Meinung?«
»Nein. Ich fange an, mich zu fragen, ob wir so ohne weiteres als erwiesen annehmen dürfen, dass sie von Madeleine Grey stammen. Ich meine, woher wissen wir eigentlich, ob sie die ganze Zeit über allein hier im Zimmer war?«
»Das wissen wir nicht.«
Quinn zog an seiner Nasenspitze und grinste humorlos.
»Mir gefällt das Ganze nicht. Irgendetwas ist faul daran. Falls du meine Meinung hören willst...«
»Na, und?«
»Dann möchte ich vorschlagen, dass irgendjemand so schnell wie möglich die Polizei benachrichtigt.«
»Die Hotelleitung dürfte darüber kaum entzückt sein. Man wird uns sicher entgegenhalten, wir hätten voreilige Schlüsse gezogen und aus einer Mücke einen Elefanten gemacht.«
»Na, und wenn schon! Wenn hier jemand übertriebene Eile an den Tag gelegt hat, dann nicht wir, sondern unser Star. So, wie ich die Sache sehe, konnte sie gar nicht schnell genug von hier verschwinden. Es sei denn...«, Quinn holte tief Luft, »irgendein menschenfreundliches Wesen nahm ihr die Entscheidung ab und zwang sie dazu.«
»Also, jetzt geht deine Phantasie mit dir durch.«
»Wirklich? Wir wissen doch beide, dass es eine ziemlich naheliegende und nicht sehr schöne Erklärung für das Verschwinden unserer Madeleine gäbe.« Er sah nachdenklich den Koffer an. »Wer immer auch diese Spuren zurückgelassen hat, muss Blut an den Händen gehabt haben – nicht unbedingt eigenes Blut.«
Von der Tür her kam ein schwaches, ersticktes Stöhnen. Das Zimmermädchen stand mit weitaufgerissenen, angsterfüllten Augen da. »Oh, mein Gott!«, flüsterte es.
Drittes Kapitel
Mr. Sydney Noble hatte ein langes, hageres Gesicht, eng zusammenstehende Augen, eine auffallend dünne Nase und blondes Haar. Er trug einen Schnurrbart und einen Spitzbart, die ihn wesentlich älter erscheinen ließen und zu seinen jugendlichen Bewegungen nicht recht passen wollten.
Sein Büro befand sich unmittelbar hinter dem Empfangstisch und war mit einem Schreibtisch, zwei Stühlen und einem altmodischen Safe ausgestattet. Auf dem Safe stand eine halb geleerte Kaffeetasse, und den Schreibtisch zierten ein Aktenkorb, ein Telefon und ein Notizblock mit Eselsohren.
Mr. Noble hatte seinen Besuchern von Anfang an nicht verborgen, dass er ihre Einmischung für überflüssig hielt. Und er machte auch kein Hehl daraus, dass ihm sowohl Piper als auch Quinn nicht gerade sympathisch waren. Er weigerte sich ganz entschieden, irgendetwas zu unternehmen; sein Benehmen war von aufreizender Arroganz.
Als Quinn ihm zu widersprechen wagte, sagte Noble hoheitsvoll: »Ich möchte Sie noch einmal darauf hinweisen, meine Herren, dass ich der stellvertretende Leiter dieses Hotels bin. Ich fürchte, Sie müssen die Entscheidung in dieser Angelegenheit schon mir überlassen.«
»Vielleicht sollten wir uns lieber direkt an Ihren Vorgesetzten wenden«, meinte Quinn ungerührt. »Ich vermute, es gibt hier auch so was wie einen Manager, wie?«
»Er ist verreist. Auch wenn er da wäre, würde das nichts an der Sache ändern. Er würde Ihnen dieselbe Antwort geben wie ich, davon bin ich überzeugt.«
»Ihre Haltung ist mir durchaus verständlich«, sagte Piper. »Sie denken natürlich in erster Linie an den Ruf des Hotels. Mir scheint aber, Sie sind sich nicht im Klaren darüber, dass...«
»Im Gegenteil, ich sehe die Dinge völlig klar. Sie haben Miss Greys Zimmer während ihrer Abwesenheit durchsucht, wozu Sie nicht das mindeste Recht hatten. Und danach haben Sie aus einigen belanglosen Beobachtungen einen ganzen Räuberroman zusammenphantasiert. Sobald Miss Grey zurück ist – und ich zweifle nicht einen Moment daran, dass sie zurückkehren wird –, werden Sie erkennen, wie absurd Ihr Verdacht war.«
Mr. Noble lehnte sich in seinem Sessel zurück mit der selbstgefälligen Miene eines Menschen, der seine Argumente für unwiderlegbar hält.
»Und falls sie nicht zurückkommt?«, fragte Quinn.
»Ich habe nicht die Absicht, mir darüber schon jetzt den Kopf zu zerbrechen«, erwiderte Noble steif. »Es ist« – er schob seine Manschette zurück und sah auf seine Armbanduhr – »kurz vor halb eins. Vor circa fünfzig Minuten hat Miss Grey mit meiner Empfangsdame telefoniert. Mit anderen Worten: Sie ist seit noch nicht mal einer Stunde verschwunden. Finden Sie nicht, meine Herren, dass Ihr Verhalten reichlich kindisch ist?«
»Nein, das finde ich nicht«, erwiderte Quinn kurz.
»In Ihrem Fall wundert mich das nicht, Mr. Quinn. Reporter wittern überall Sensationen, selbst dort, wo kein Anlass dazu besteht.«
»Mr. Piper hier ist zufällig kein Journalist, und er glaubt auch, dass an der Sache irgendwas faul ist.«
Noble fasste Piper ins Auge und sagte mit der Nachsicht übenden Stimme eines Lehrers, der es mit einem geistig zurückgebliebenen Schüler zu tun hat: »Wenn ich mich nicht irre, sind Sie beunruhigt, weil Miss Grey mit Ihnen verabredet war und die Verabredung nicht eingehalten hat, nicht wahr?«
»Das ist ein Grund, aber nicht der einzige.«
»Ganz recht. Außerdem können Sie nicht begreifen, wie es ihr gelang, das Hotel ungesehen zu verlassen.«
»Stimmt.«
»Aber, mein lieber Mann, da sie doch nun mal nicht im Hotel ist, muss sie weggegangen sein!«
»Warum hab ich sie dann nicht hinausgehen sehen?«, erkundigte sich Quinn.
»Woher, zum Teufel, soll ich das wissen? Sie können mich doch nicht für das verantwortlich machen, was Sie sehen oder nicht sehen! Ebenso weigere ich mich, der paar Blutflecken wegen, die Sie auf einem Koffer entdeckt haben, eine Staatsaktion in die Wege zu leiten. Sie haben selbst gesagt, dass Miss Grey sich höchstwahrscheinlich an einer 'Nadel gestochen hat. An einem Kratzer verblutet man noch lange nicht.«
»Witzeleien bringen uns nicht weiter.«
Piper ärgerte sich weit mehr über sich selbst als über Sydney Noble. Der stellvertretende Manager wollte um jeden Preis Aufsehen vermeiden und das war verständlich. Er mochte anmaßend und hochtrabend sein, aber deshalb war es doch sein gutes Recht, ihre Verdachtsgründe zu zerpflücken und zurückzuweisen.
»Eine Frau wie Madeleine Grey mit einem Nerz für zweitausend Pfund kann nicht an mir vorbeistolzieren, ohne dass ich sie sehe«, erklärte Quinn erbost. »Ich hab doch erst kurz nach zehn auf dem Londoner Flughafen mit ihr gesprochen, verdammt noch mal! Glauben Sie vielleicht, ich hätte sie zwei Stunden später nicht wiedererkannt?«
»Das ist Ihr Problem. Vielleicht hat sie gar nicht den Hauptausgang benutzt, sondern die Tür durch die Bierstube. Von dort aus kommt man auf die Queen Street.«
»Aus welchem Grunde hätte sie das tun sollen?«
»Keine Ahnung. Bei Frauen weiß man doch nie, warum sie was tun, und Filmstars sind am unberechenbarsten in dieser Hinsicht. Weggegangen ist sie, das steht fest. Alles andere erscheint mir unwichtig.«
»Sie legte immerhin so viel Wert auf unsere Verabredung, dass sie die Empfangsdame auf mein Kommen vorbereitete«, sagte Piper. »Dennoch war sie zwanzig Minuten später verschwunden, ohne auch nur eine Nachricht für mich zu hinterlassen.«
»Eben. Davon rede ich ja die ganze Zeit.« Noble zupfte verzweifelt an seinem Bart. »Sie musste eben ganz plötzlich weg und hat alles Übrige darüber vergessen. Oder wollen Sie etwa andeuten« – er legte beide Hände flach auf die Schreibtischplatte und beugte sich vor – »dass sie gegen ihren Willen aus dem Hotel entführt wurde? Hoffentlich nicht. Meine Geduld hat ihre Grenzen, meine Herren, wirklich!« Der letzte Satz gefiel ihm so gut, dass er ihn wiederholte.
Piper holte tief Luft. »Schön, dann erkläre ich hiermit, dass Miss Grey das Hotel überhaupt nicht verlassen hat.«
»Mein lieber Freund, jetzt sprechen Sie in Rätseln. Sie selbst haben alle dem Publikum zugänglichen Räumlichkeiten in Augenschein genommen. Sie haben Miss Greys Appartement...«
»Es gibt mehr als ein Appartement in der dritten Etage.«
Nobles Unterkiefer klappte herunter. Nach einer Weile sagte er mit benommener Stimme: »Wollen Sie etwa behaupten, dass... Also, das übersteigt wirklich alles...!« Er warf einen Blick auf die Uhr und stand auf. »Sie müssen mich jetzt entschuldigen, meine Herren, ich habe zu tun.« Er kurvte um den Schreibtisch herum und hielt die Tür auf.
»Falls Sie die Polizei nicht informieren, werde ich das besorgen«, erklärte Piper.
»Dazu haben Sie kein Recht.« Nobles aalglatte Höflichkeit war wie weggeblasen. »Sie sind weder ein Verwandter noch ein Freund von Miss Grey. Wenn Sie sich allerdings unbedingt lächerlich machen wollen...«
»Als offizieller Vertreter der Cresset-Versicherungsgesellschaft bin ich sogar verpflichtet, Meldung zu erstatten. Und das Risiko einer Blamage nehme ich gegebenenfalls auf mich. Meine Liebe zum Beruf kann schon einen Puff vertragen.«
Piper erhob sich und nickte Quinn zu.
»Komm mit. Wollen sehen, was unser alter Freund Hoyle von alledem hält.«
Noble machte die Tür wieder zu und lehnte sich mit dem Rücken dagegen. Er sah sehr nachdenklich aus, als er fragte: »Wer ist Hoyle?«
»Ein Inspektor von Scotland Yard. Wir haben eine ganze Reihe von Versicherungssachen zusammen bearbeitet.«
»Was hat das mit Miss Grey zu tun?«
»So ziemlich ihr gesamter Besitz ist bei meiner Gesellschaft versichert. Sollte beispielsweise irgendein Wertgegenstand aus dem blutbefleckten Koffer entwendet worden sein, dann muss meine Gesellschaft für den Schaden aufkommen. Und meine Aufgabe besteht darin, problematische Ersatzansprüche zu untersuchen. Dafür werde ich bezahlt.«
Noble zupfte wieder an seinem Bart. »Sie glauben also, dass sie – dass ihr etwas zugestoßen ist, wie?«
»Verzeihen Sie, wenn ich mich einmische«, sagte Quinn. »Es gäbe eine Möglichkeit, die Polizei auszuschalten – wenigstens vorläufig. Warum erlauben Sie Mr. Piper nicht, auf eigene Faust ein paar Ermittlungen anzustellen? Ganz diskret natürlich. Damit ersparen Sie sich unnötiges Aufsehen, und wenn alle Stricke reißen, kann man die Polizei immer noch hinzuziehen.«
»Glänzende Idee!« Noble fiel ersichtlich ein Stein vom Herzen. »Auf diese Art gewinnen wir Zeit, und sobald Miss Grey zurück ist, lässt sich die ganze Affäre mit ein paar erklärenden Worten aus der Welt schaffen.«
»Genau«, erwiderte Quinn mit harmloser Miene. »Vorausgesetzt, dass Mr. Piper einverstanden ist.«
»Ich hab nichts dagegen. Über eins müssen Sie sich aber jetzt schon klar sein: Sowie
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Texte: Leopold Horace Ognall/Signum-Verlag.
Bildmaterialien: Christian Dörge/Apex-Graphixx.
Cover: Christian Dörge/Apex-Graphixx.
Lektorat: Mina Dörge.
Korrektorat: Mina Dörge.
Übersetzung: Renate Steinbach (OT: Put Out That Star).
Satz: Signum-Verlag.
Tag der Veröffentlichung: 10.02.2023
ISBN: 978-3-7554-3203-6
Alle Rechte vorbehalten