ALEA RABOI
DIE LIEBE, DAS CHAOS
UND ICH MITTENDRIN
Eine Liebesgeschichte
Der Romankiosk
Inhaltsverzeichnis
Das Buch
DIE LIEBE, DAS CHAOS UND ICH MITTENDRIN
Erstes Kapitel
Zweites Kapitel
Drittes Kapitel
Viertes Kapitel
Fünftes Kapitel
Sechstes Kapitel
Siebtes Kapitel
Achtes Kapitel
Neuntes Kapitel
Zehntes Kapitel
Elftes Kapitel
Zwölftes Kapitel
Dreizehntes Kapitel
Das Buch
Julia macht gerade eine schwere Zeit durch: Ihr Verlobter hat sie betrogen, und ihre beste Freundin ist schwerkrank. Als sie sich dann auch noch in zwei Männer verliebt, ist das Chaos perfekt...
Die Liebe, das Chaos und ich mittendrin von Alea Raboi erzählt eine kurze Geschichte über tiefe Verbundenheit, Liebe und den alltäglichen Wahnsinn.
DIE LIEBE, DAS CHAOS
UND ICH MITTENDRIN
Erstes Kapitel
Ich will nie wieder heiraten! Nie wieder! Vor einigen Wochen war der große Tag, der diesige Himmel hatte sich verzogen, und die Sonne zeigte sich. Wie sie sich sicherlich vorstellen können, war ich aufgeregt. Mein Verlobter Michael hatte in unserer Wohnung übernachtet, ich auf dem Anwesen meiner Eltern. Wenige Stunden vor der Zeremonie Bemerkte ich, dass ich etwas in der Wohnung vergessen hatte; den Schleier. Meine Mutter hatte ihn holen wollen, doch ich bestand darauf, selbst hinzufahren, das lenkte mich ein wenig ab. Kaum hatte ich die Tür hinter mir zugemacht, hörte ich undefinierbare Geräusche aus dem Schlafzimmer. Zunächst dachte ich, Michael hätte was mit dem Magen, doch schnell war klar, dass es sich bei der Geräuschkulisse um weibliches, wollüstiges Stöhnen handelte. Ich riss die Zimmertür auf und sah meinen Verlobten mit unserer Nachbarin.
Nun sitze ich hier, in meiner neuen Wohnung, natürlich ohne Michael und unverheiratet. Gedemütigt vor der ganzen Familie. Es war schrecklich, und nur langsam erhole ich mich davon. Die Nachbarin, mit der Michael sich vergnügte, ist übrigens schwanger; sie weiß nur noch nicht, wer der Vater ist. Ich hoffe ja inständig, dass es Michael ist, er mag nämlich keine Kinder. Und wenn es während des Essens nicht mucksmäuschenstill ist, kriegt er einen Anfall. Ha! Michael und Papa, das wär’s.
Meine ganze Familie hatte mir beim Umzug geholfen. Die Stunden verflogen, und jetzt, am Abend, sind nur noch Tess und ich geblieben. Wir sind dabei, die Kisten auszupacken ich im Bad, Tess in der Küche.
»Sag mal«, hallen Tess‘ Worte in die Nasszelle, »hast du irgendwo Zutaten, um einen Kuchen zu backen?«
Ich recke meinen Kopf zur Tür hinaus und luge in Richtung Küche. »Backen?« Ein wenig skeptisch bewege ich meinen ermatteten Körper in die Kochnische.
»Ja, backen. Das macht man so. Du musst deinen Nachbarn einen Kuchen vorbeibringen. Auf gute Nachbarschaft, du weißt schon. Du musst dich zumindest bei den Nachbarn auf deiner Etage vorstellen. Sonst machst du dich gleich von Anfang an unbeliebt. Und das kannst du nicht wiedergutmachen. Der erste Eindruck zählt.«
Ich schürze die Lippen und nicke. »Warte mal. Hier muss es irgendwo sein.« Ich suche die Kiste mit den Backwaren. »Ah, hier haben wir das Zeug ja.«
Natürlich backen wir zwei Schokoladenkuchen. Einen müssen sich die Nachbarn teilen, der andere ist für uns gedacht.
»Es ist bereits acht Uhr. Dann gehen wir mal klingeln«, meine ich.
»Wir? Oh, nein, Schätzchen. Nicht wir, du. Was gäbe das denn für ein Bild, wenn du zur Vorstellung deine Freundin mitnehmen würdest. Ich warte hier und schneide schon mal unseren Kuchen an.«
»Okay. Dann gehe ich eben allein«, sage ich und mache einen übertriebenen Schmollmund.
Tess schubst mich von der Seite an. »Ach, komm. Das schaffst du schon. Und jetzt geh, so lange der Kuchen noch warm ist.«
Das in zwei gleiche Teile geschnittene Gebäck lege ich jeweils auf einen Teller. Meine Freundin öffnet mir die Wohnungstür, und ich gehe mit dem ersten Teller links den Korridor entlang, bleibe vor der braunen Tür stehen und klingele. T. Rauther steht darunter. Ich drücke und warte.
Langsam wird die Tür geöffnet, und vor mir steht ein schmales, kleines altes Frauchen.
»Frau Rauther?«
»Ja.«
»Guten Tag. Oder besser gesagt, guten Abend. Entschuldigen Sie bitte die Störung...«
»Ich kaufe nichts«, zischt sie mich an und will schon die Tür zusperren, als ich mich verteidige.
»Frau Rauther, ich bin Ihre neue Nachbarin, Julia Schön. Keine Sorge, ich will Ihnen nichts verkaufen. Nur einen selbst gebackenen Kuchen bringen.«
»Du meine Güte, das ist aber sehr aufmerksam von Ihnen. Wissen Sie«, fängt sie wild gestikulierend an, »in der heutigen Zeit stellt sich niemand mehr persönlich vor. Man kennt ja die eigenen Nachbarn überhaupt nicht mehr. Früher war das ganz anders. Da hat man sich nachmittags noch zu Kaffee und Kuchen getroffen. Man hatte eben Zeit für seine Nachbarn. Aber heute interessiert das keinen mehr, jeder ist mit sich selbst beschäftigt.«
Zu gerne würde ich ihren Redefluss stoppen, will aber nicht unhöflich sein. Zumindest nicht beim ersten Kennenlernen. Und irgendwie ist die alte Frau ganz süß.
»Wissen Sie«, fährt sie launig fort, »heutzutage, im Zeitalter der modernen Medien, mit Internet und all dem Zeugs, sind die Menschen einfach nicht mehr so freundlich wir früher. Jeder schaut nur noch auf sich selbst.«
»Und genau deswegen habe ich mir gedacht, ich backe einen Kuchen und stelle mich persönlich vor. Mir ist das nämlich auch sehr wichtig. Die Zeit muss man sich einfach nehmen.«
»Das freut mich aber sehr, eine so nette Nachbarin bekommen zu haben.« Sie nimmt den Kuchen an sich.
Wir verabschieden uns mit einem sanften Händedruck, und ich kehre in meine Wohnung zurück.
»Und?«, will Tess wissen und hebt neugierig ihre Brauen auf.
Ich rolle mit den Augen. »Ein altes Frauchen. Schwatzhaft wie ein Klatschmagazin, aber ganz süß. Ich wette, sie ist verwitwet und ist froh, dass sie mal wieder jemanden vollquasseln konnte.« Ich schnappe mir den zweiten Teller. »Ich bin dann mal gegenüber.«
Drei Schritte, dann stehe ich vor der Tür von Martin... Schöner? Echt jetzt? Schöner und Schön auf einer Etage? Ich klingele. Nichts tut sich. Ich klingele nochmals, höre, wie jemand hinter der Tür herumwuselt, dann schwingt die Tür auf.
Wie versteinert stehe ich im Treppenhaus. Schweigend.
»Sie müssen schon was sagen, schließlich haben Sie bei mir geklingelt.«
»Ich... ich«, stottere ich. Gott, wie peinlich!
Vor mir, mit einer Hand lässig am Türrahmen abgestützt, steht ein braunhaariger Mann mit Drei-Tage-Bart. Wohl eher Fünf-Tage-Bart. Einem sportlichen, aber nicht zu muskulösen Oberkörper ohne Bekleidung. Nur sein bestes Stück war von einem schmalen Handtuch bedeckt. Ich scannte ihn von Kopf bis Fuß und konnte nicht glauben, was für ein Prachtexemplar vor mir stand. Als hätte Gott persönlich eine Kopie von Thomas Hayo geschaffen und zu mir auf die Erde geschickt.
»Hallo? Sehe ich so schlimm aus, dass es Ihnen die Sprache verschlagen hat?« Spitzbübisch lächelt er.
»Äh, nein. Natürlich nicht. Also, ich will damit nicht sagen, dass sie sexy aussehen. Also, ich will aber auch nicht sagen, dass sie unsexy sind. Ich meine... ich... bin Ihre neue Nachbarin. Julia Schön.«
»Schön?«, gluckst er. »Freut mich. Schöner. Martin Schöner.«
Auch ich kann mir ein Lächeln nicht verkneifen. Sein Blick wandert zum Kuchen.
»Oh. Der ist für sie. Auf gute Nachbarschaft.«
Er nimmt ihn entgegen und bedankt sich. Ich starre ihn an, bringe aber kein Wort mehr heraus.
Nackter Mann mit Handtuch und Kuchen.
»Ist noch etwas? Ich würde mich sonst gerne anziehen.«
»Verzeihung. Natürlich. Also, Herr... Schöner, dann bis bald mal wieder.«
»Bis bald. Und bitte, Martin. Herr Schöner ist mein Vater.«
Wir lächeln uns an, dann wende ich mich um und kehre in meine Wohnung zurück. Sperre sie rasch zu und lehne an sie. Mein breites Grinsen kann ich nicht unterdrücken.
»Julia? Das muss ja aufregend gewesen sein. Jetzt bin ich aber gespannt. Los, erzähl«, sagt Tess und zerrt mich auf die Couch.
»Okay. Du wirst nicht glauben, was ich gerade erlebt habe. Also gut.« Theatralisch atme ich durch den gespitzten Mund aus, als könnte mich das beruhigen. »Vom Frauchen weißt du ja bereits. Dann habe ich bei der zweiten Tür geklingelt. Die gegenüber. Und jetzt kommt’s. Die Tür wird geöffnet, und vor mir steht ein verdammt gut aussehender, nackter Herr Schöner in Gestalt von Thomas Hayo. Ich bin erstarrt, bringe überhaupt kein Wort hera...«
»Momentchen mal. Hast du gerade gesagt, nackter Herr Schöner? In Gestalt von Thomas Hayo? Heidis Hayo?« Tess fixiert mich mit aufgerissenen Augen.
»Nackt, bis auf ein kleines schmales Handtuch untenrum.«
»Ach, du Scheiße. Warum passiert mir so was nie.«
»Vielleicht ist er ja ein Arsch. Oder Schwul.«
»Oder«, beendet Tess den Satz, »der Richtige. Ich meine, das kann unmöglich ein Zufall sein.«
Ich schäle mich von der Couch, schreite in die Küche und komme einen Augenblick später mit zwei Bierflaschen zurück.
»Auf den Richtigen pfeife ich. Ich will keinen zweiten Michael, bei dem ich denke, er wäre der perfekte Mann für mich, nur um sich vor der Hochzeit als Fremdgeher zu entpuppen. Danke fürs Helfen. Auf den ersten Abend als Single in meiner neuen Wohnung.«
»Und«, Tess hebt den Zeigefinger, »auf deinen Herrn Schöner.«
Wir lachen. Das fängt ja gut an. Ich frage mich, was wohl noch kommt, hier im ehrenwerten Haus.
Ein Bier nach dem anderen kippen wir unsere Kehlen hinunter und quatschen über Gott und die Welt.
Zweites Kapitel
Während Frau Rauther meinen Teller gleich am nächsten Morgen zurückbringt, ist Martin Schöner erst heute, eine Woche nachdem er den Kuchen bekommen hat, vorbeigekommen.
»Oh, Hallo Martin«, sage ich erstaunt, als ich die Wohnungstür öffne. »Fast nicht erkannt... in Kleidung.« Ein schelmisches Grinsen huscht mir über das Gesicht.
Er überhört meine Spitze geflissentlich und reicht mir den Teller. »Danke, der Kuchen war sehr lecker.«
»Magst du reinkommen?«
Er zaudert, dann antwortet er: »Gerne.«
Neugierig mustert er das Wohnzimmer, und ich bitte ihn, sich zu setzen.
»Chic«, meint er knapp.
»Danke. Ist halt alles noch sehr spartanisch. Aber gemütlich. Bier? Oder lieber Wasser?«
»Hast du Tee? Ich hasse Bier. Aber ich liebe Tee. Und sonst ein Glas Wasser, bitte.«
Ich stutze. Damit habe ich nun wirklich nicht gerechnet. Aber warum eigentlich nicht? Tee wäre auch für mich mal wieder gut. »Pfefferminz?«
»Ja, perfekt. Ich bin nicht wählerisch. Ohne Zucker, bitte.«
In einer einzigen Bewegung begebe ich mich in die Küche und stelle den Wasserkocher ein.
»Und?«, erklingt es aus dem Wohnzimmer. »Hast du dich schon eingelebt?«
Aus der Spülmaschine nehme ich zwei frisch gewaschene Tassen, sie sind noch warm. Lege in jede einen Pfefferminzbeutel ein. »Bei so netten Nachbarn lebt man sich schnell ein.«
Der Kocher macht Klick, und ich überziehe die Teebeutel mit heißem Wasser.
Drittes Kapitel
Oh, verdammt, was habe ich getan?
Langsam dreht sich mein Kopf zur linken Seite. Ich öffne meine Augen. Lasse meine Hand die Kuhle entlanggleiten, höre Schritte und schnelle hoch.
Martin. Martin Schöner, schießt es mir in den Sinn.
Ich rolle seitlich aus dem Bett und trete an die Schlafzimmertür. Spähe um die Ecke zum Wohnungseingang und
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Texte: Alea Raboi/Der Romankiosk. Mit freundlicher Genehmigung des Apex-Verlags.
Bildmaterialien: Christian Dörge/Apex-Graphixx.
Cover: Christian Dörge/Apex-Graphixx (Model: Victoria Borodinova).
Lektorat: Dr. Birgit Rehberg.
Korrektorat: Dr. Birgit Rehberg.
Satz: Der Romamkiosk.
Tag der Veröffentlichung: 11.07.2022
ISBN: 978-3-7554-1711-8
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