Cover

Leseprobe

 

 

 

 

CHRISTIAN DÖRGE

 

 

KANDLBINDER

UND DER SÜSSE TOD

 

 

 

 

Roman

 

 

 

 

Signum-Verlag

Inhaltsverzeichnis

Das Buch 

Der Autor 

KANDLBINDER UND DER SÜSSE TOD 

Die Hauptpersonen dieses Romans 

Erstes Kapitel 

Zweites Kapitel 

Drittes Kapitel 

Viertes Kapitel 

Fünftes Kapitel 

Sechstes Kapitel 

Siebtes Kapitel 

Achtes Kapitel 

Neuntes Kapitel 

Zehntes Kapitel 

Elftes Kapitel 

Zwölftes Kapitel 

Dreizehntes Kapitel 

Vierzehntes Kapitel 

Fünfzehntes Kapitel 

Sechzehntes Kapitel 

Siebzehntes Kapitel 

Achtzehntes Kapitel 

Neunzehntes Kapitel 

Zwanzigstes Kapitel 

Einundzwanzigstes Kapitel 

Zweiundzwanzigstes Kapitel 

Das Buch

 

München 1960.

Ludwig 'Jack' Kandlbinder ist Privatdetektiv, und München ist seine Stadt...

Der erfolgreiche Schriftsteller Eduard Heusinger sucht Jack Kandlbinder auf, damit er dessen seit drei Tagen verschwundene Tochter findet und zurück nach Hause bringt. Ein Routinefall, der sich mühelos erledigen lässt. Doch Heusinger hat ein weitaus größeres Problem: Wenn er zu viel Alkohol trinkt, ist er nicht mehr zurechnungsfähig und leidet – sobald er wieder nüchtern ist – unter erheblichen Gedächtnislücken. Das Wiederauffinden der Tochter hat Heusinger gegenüber Kandlbinder zunächst nur vorgeschoben, denn in Wahrheit treibt den Schriftsteller eine böse Ahnung um: Er fürchtet, in einem dieser tranceähnlichen Zustände seine Geliebte ermordet zu haben... 

 

Kandlbinder und der Süße Tod von Christian Dörge, Autor u. a. der Krimi-Serien Ein Fall für Remigius Jungblut, Die unheimlichen Fälle des Edgar Wallace und Friesland, ist der erste Band einer Reihe um den Münchner Privatdetektiv Jack Kandlbinder. 

Der Autor

Christian Dörge, Jahrgang 1969.

Schriftsteller, Dramatiker, Musiker, Theater-Schauspieler und -Regisseur.

Erste Veröffentlichungen 1988 und 1989:  Phenomena (Roman), Opera (Texte).  

Von 1989 bis 1993 Leiter der Theatergruppe Orphée-Dramatiques und Inszenierung  

eigener Werke,  u.a. Eine Selbstspiegelung des Poeten (1990), Das Testament des Orpheus (1990), Das Gefängnis (1992) und Hamlet-Monologe (2014). 

1988 bis 2018: Diverse Veröffentlichungen in Anthologien und Literatur-Periodika.

Veröffentlichung der Textsammlungen Automatik (1991) sowie Gift und Lichter von Paris (beide 1993). 

Seit 1992 erfolgreich als Komponist und Sänger seiner Projekte Syria und Borgia Disco sowie als Spoken Words-Artist im Rahmen zahlreicher Literatur-Vertonungen; Veröffentlichung von über 60 Alben, u.a. Ozymandias Of Egypt (1994), Marrakesh Night Market (1995), Antiphon (1996), A Gift From Culture (1996), Metroland (1999), Slow Night (2003), Sixties Alien Love Story (2010), American Gothic (2011), Flower Mercy Needle Chain (2011), Analog (2010), Apotheosis (2011), Tristana 9212 (2012), On Glass (2014), The Sound Of Snow (2015), American Life (2015), Cyberpunk (2016), Ghost Of A Bad Idea – The Very Best Of Christian Dörge (2017). 

Rückkehr zur Literatur im Jahr 2013: Veröffentlichung der Theaterstücke Hamlet-Monologe und Macbeth-Monologe (beide 2015) und von Kopernikus 8818 – Eine Werkausgabe (2019), einer ersten umfangreichen Werkschau seiner experimentelleren Arbeiten.  

2021 veröffentlicht Christian Dörge mehrere Kriminal-Romane und beginnt drei Roman-Serien: Die unheimlichen Fälle des Edgar Wallace, Ein Fall für Remigius Jungblut und Friesland. 

2022 folgen zwei weitere Krimi-Serien: Noir-Krimis um den Frankenberger Privatdetektiv Lafayette Bismarck und München-Krimis mit Jack Kandlbinder, der in der bayrisches Landeshauptstadt die merkwürdigsten Verbrechen aufzuklären hat. 

KANDLBINDER UND DER SÜSSE TOD

 

  Die Hauptpersonen dieses Romans

 

 

Ludwig 'Jack' Kandlbinder: Privatdetektiv aus München, 38 Jahre alt.

Nora Brecht-Dubois: seine 35jährige Sekretärin und Geliebte.

Korbinian Russenschluck: Jacks Partner in der Detektei Kandlbinder und Russenschluck.

Erik Winterhammer: Hauptkommissar bei der Münchner Kriminalpolizei. 

Eduard Heusinger: Schriftsteller in einer Schaffenskrise. 

Sissi Heusinger: seine Ehefrau. 

Betty Heusinger: seine Tochter aus erster Ehe. 

Pecko Morlang: eine Partybekanntschaft von Betty Heusinger. 

Jacob Cronberg: ein Verkäufer. 

Jessica Cronberg: seine Schwester. 

Gritt Kühnlein: Tänzerin im Bongo-Club.

Lucky Fritzinger: Besitzer der Bar Sonnendeck. 

Emil Gregori: Eduard Heusingers Agent. 

Katrin Gottwald: Jessica Cronbergs engste Freundin. 

Harry von Friedeburg: ein Versicherungsvertreter. 

 

 

Dieser Roman spielt in München und in Starnberg des Jahres 1960.

  Erstes Kapitel

 

 

Die Geschichte begann eines Vormittags, als ich an meinem Schreibtisch saß und mit Büroklammern spielte – eine Tätigkeit, die genauestens abbildete, wie beschäftigt ich war. Mit anderen Worten, ich hatte rein gar nichts zu tun – das heißt, nichts anderes, als mit Büroklammern zu spielen und vom perfekten Fall zu träumen.

Den perfekten Fall indes... bekommt man nie. Es ist aber nicht verboten, davon zu träumen, ihn zu erhoffen. Deine Klientin, rassig, stolz und schön, braucht dringend deine Hilfe. Eigene Schuld, jugendliche Dummheit? Keineswegs. Ihr ungestümer jüngerer Bruder, in schlechte Gesellschaft geraten, möchte auf den rechten Weg zurückkehren. Das einzige Problem dabei ist, dass seine Freunde, die mit dem Gesetz nicht gerade auf allerbestem Fuß stehen, seinen Entschluss missgünstig aufnehmen und damit drohen, der Polizei einen kleinen Wink zu geben, wodurch der Bruder für einige Zeit ins Gefängnis wandern würde – sagen wir: für drei Jahre. Können Sie uns helfen, fragt die Schönheit mit feuchten, flehenden Augen? Ob du helfen kannst? Bevor sie ausgesprochen hat, stehst du schon neben ihr. Mit absolutem Selbstvertrauen machst du dich daran, den kleinen Bruder von diesen üblen Burschen zu befreien. Natürlich kommt es auch zu Tätlichkeiten, aber du servierst eine Rechte genau nach Vorschrift – jene Rechte, die den letzten der Bösewichter auf die Bretter schickt und der Schönheit einen Ausruf der Bewunderung abringt. Du hältst dem kleinen Bruder eine kurze Strafpredigt, bis er vor Reue seinen Adamsapfel verschluckt. Schließlich zeigt die Schönheit durch einen kühlen, keuschen Kuss ihre Dankbarkeit und drückt dir ein Bündel Geldscheine in die Hand – eine Kombination, die dich zufrieden und zahlungskräftig macht.

So etwas gibt es natürlich nicht, aber man hofft eben. »Hoffnung ist Vertrauen aufs Unmögliche», sagte Jack Kandlbinder, der berühmte Zyniker und Privatdetektiv, einmal. Und Jack Kandlbinder – das bin ich.

Dann fiel mir ein, dass ich vielleicht sogar einen Fall hatte.

Zumindest war ich am späten Vormittag verabredet, oder, um genau zu sein, ein potentieller Klient war mit mir verabredet.

Ich war gegen zehn Uhr ins Büro gekommen. Nora Brecht-Dubois, meine Sekretärin (und ein bisschen mehr), war bereits zugegen. Ich küsste sie und hätte mich gern in dieser Richtung weiter hervorgetan, aber die Umgebung passte nicht dazu. Sie störte Nora mehr als mich.

»Du bist spät dran«, sagte sie nach Luft schnappend. »Und erstaunlich leidenschaftlich.«

»Tut mir leid«, erwiderte ich. »Die Verspätung, meine ich.«

Ich sah sie an – prüfend, vermute ich, und sie schien zu erraten, was ich dachte. Ich überlegte mir, wie das mit ihr und mir sein würde, nicht einfach so, wie schon immer, sondern in einer Ehe. Wir sprachen manchmal darüber, wenn auch ohne Dringlichkeit. Nora war jünger als ich, aber zu den Teenagern gehörten wir beide nicht mehr. Mit den Jahren wird das Herz vorsichtiger. Es wartet, lässt sich Zeit und entwickelt jene Zurückhaltung, die manchmal Härte genannt wird, als seien Gefühle weniger echt, wenn sie nicht von einer gewissen Extravaganz getragen werden.

»Wir haben Arbeit vor uns«, sagte Nora sachlich. »Korrespondenz ist zu erledigen. Später will dich ein Herr Heusinger aufsuchen.«

»Hat er gesagt, warum?«

Sie schüttelte den Kopf. »Eine persönliche Angelegenheit, sagte er.«

»Klingt vielversprechend. Noch etwas?«

»Nein. Ich habe ein paar Fragen gestellt, aber er schien nervös zu werden, deshalb ließ ich es sein.«

»Nervös, was?«, brummte ich und nickte, weil mir die Anzeichen nur zu gut bekannt waren. »Solche Klienten gibt es heutzutage kaum noch.«

Sehr wohl möglich, dass da unerquickliche Dinge auf mich zukamen. Das Privat im Wort Privatdetektiv umfasst düstere Gebiete, selbst wenn man sich, wie bei der Firma Kandlbinder und Russenschluck, mit Scheidungssachen nicht abgab.

Ich verzichtete darauf, mir Unerquickliches auszumalen, und betrachtete stattdessen die höchst erquickliche Fräulein Brecht-Dubois, die einen Schritt zurückgetreten war, als meine Arme sie freigegeben hatten. Sie war groß, üppig, rothaarig, mit einem Gesicht, das für den gängigen Schönheitsmaßstab ein bisschen zu rund war, mit wunderbaren Augen, die hart, zärtlich, belustigt, traurig sein konnten und jede Art von Empfindung dazwischen auf eine Weise auszudrücken vermochten, wie sie anderen Frauen nicht gegeben war, die vielleicht dasselbe empfanden, es aber nicht zeigen konnten. Nora... ja, sie wäre eine miserable Pokerspielerin gewesen.

Ohne Unsummen dafür auszugeben, kleidete sie sich sehr elegant, mit Vorliebe in Schwarz, weil sie wusste, dass ihr das am besten stand, obwohl sie auch in einem alten Jutesack gut, um nicht zu sagen hinreißend ausgesehen hätte. Sie verlieh unserem bescheidenen Unternehmen Vornehmheit. Korbinian Russenschluck und ich hatten alle Ursache, uns zu beglückwünschen.

Wir machten uns über die Post her, und ich diktierte ein paar Antworten.

Erst später, als ich in meiner schöpferischen Betätigung mit dem Briefpapier eine Pause einlegte, fiel mir Herr Heusinger, mein potentieller Klient, wieder ein. Der gute Herr Heusinger. Ich brauchte Herrn Heusinger. Seit zwei Wochen hatte ich keinen Fall mehr gehabt, der diesen Namen, verdiente. Hoffentlich ließ er mich nicht im Stich.

Nora kam aus dem Vorzimmer herein und schloss die Tür hinter sich. Sie schien in bescheidenem Maße aufgeregt zu sein.

»Herr Heusinger ist da«, sagte sie leise. »Jetzt erst stellt sich heraus, dass eine Berühmtheit zu dir kommt, Jack.«

»Eine Berühmtheit?« Ich zog die Brauen hoch, aber mir fiel kein berühmter Heusinger ein. Ich dachte der Reihe nach an einen Filmstar, einen stadtbekannten Gangster, einen Politiker, einen Fußballspieler und an einen Mann, der eine Million Mark gescheffelt hatte – eben an große bayerische Helden. Aber keiner davon hieß Heusinger. »Erzähl mir mehr, Süße«, schlug ich vor. »Der Name sagt mir gar nichts. Ich höre keine Glocken läuten.«

»Wie steht’s mit Eduard Heusinger?«, fragte sie mit schwachem Lächeln.

»Eduard Heusinger?« Der müde, alte Computer in meiner Hirnschale summte ein bisschen, lieferte aber immer noch keine Antwort. »Wer ist das?«

»Sehr gebildet bist du wohl nicht, wie?«, meinte sie verächtlich.

»Ich gebe mir Mühe, es zu verbergen.«

»Eduard Heusinger hat Die Zauderer geschrieben. Dafür wurde er förmlich mit Preisen überhäuft. Außerdem schrieb er Friede für die Sünder. Man hat ihn als Nachfolger Thomas Manns bezeichnet.«

»Ah«, sagte ich bescheiden. »Der Eduard Heusinger.«

Ich hätte es mir denken können. Ein Nora-Brecht-Dubois-Idol. Nora arbeitete für Kandlbinder und Russenschluck nicht etwa, weil sie das Geld brauchte. Sie hatte zwei Romane geschrieben und beide Male finanziell und literarisch große Erfolge erzielt. Ich konnte verstehen, dass sie sich für Eduard Heusinger begeisterte.

Ich hatte natürlich von ihm gehört. Er zählte zu jenen Schriftstellern, die den Wortschatz des Lesers erweitern und die Vorurteile angreifen, die unbewussten und die bewussten; er war ein Schriftsteller, der sich vor einem Fehlschuss nicht derart fürchtete, dass er nicht auf das Unaussprechbare gezielt hätte. Kurz gesagt, Eduard Heusinger war ein ernstzunehmender Schriftsteller – einer, der seinen Lesern etwas abverlangte.

Vielleicht war dies der Grund, warum ich noch nicht dazugekommen war, seine Bücher zu lesen. Denn auch so ein Schriftsteller war er: einer, dessen Bücher zu lesen man sich immer wieder vornahm.

»Erzähl mir mehr«, sagte ich zu Nora. »Über seinen literarischen Rang.«

»Finanziell hat er große Erfolge zu verzeichnen. Künstlerisch sieht es etwas anders aus. Vor etwa drei Jahren erlebte er einen Absturz. Die Kritiker haben ihn verrissen.«

»Und du? Wie ist deine Meinung?«

»Dieselbe. Schlagartig legte er fade Prosa vor.«

»Was heißt denn das?«, knurrte ich.

Sie lächelte und gab sich Mühe, nicht herablassend zu wirken. »Dünn, dürftig. Zu nüchtern, ohne Kraft.«

»Und seither?«

»Im vergangenen Jahr ein neuer Roman.«

Ich zog fragend die Brauen hoch.

»Wie gehabt«, sagte sie.

Ich runzelte die Stirn. »Sieht so aus, als hätte er sich verausgabt.«

»Bei Schriftstellern ist das nicht so einfach«, widersprach sie. »Niemand kann jemals mit Sicherheit behaupten, dass sich ein Schriftsteller verausgabt hat. Am wenigsten der Autor selbst. Vielleicht hätte Heusinger pausieren sollen.«

»Zu viele Bücher, meinst du?«

»Möglich.«

»Kannst du mir vielleicht verraten, woher du weißt, dass es wirklich dieser Eduard Heusinger ist?«

»Ich habe sein Foto in den Zeitungen gesehen. Er ist es.«

»Vielleicht soll ich nach seinem verlorenen Talent suchen«, meinte ich leichthin.

»Es gibt eine einfache Möglichkeit, das festzustellen«, sagte Nora trocken.

»Okay, ich verstehe. Man darf den großen Mann nicht warten lassen.«

Nora führte ihn herein: ein hochgewachsener Mann mit breiten Schultern, nur etwa zwei Zentimeter kleiner als ich und Anfang Vierzig. Unter vollem, dunklem Haar eine hohe Stirn; die Augen, scharf und kritisch, wirkten gleichzeitig grübelnd. Es waren faszinierende Augen, tiefliegend unter der imposanten Stirn. Der Mund war breit, mit vollen, gutgeformten Lippen.

Wir schüttelten uns die Hände. Die seinen waren groß und verrieten Kraft. Ich wies auf einen Sessel, während Nora sich nahezu geräuschlos zurückzog.

Ich brachte das klassische Stichwort: »Was kann ich für Sie tun, Herr Heusinger?«

»Etwas verhältnismäßig Einfaches, das vielleicht eine Stunde Ihrer Zeit in Anspruch nimmt«, erwiderte er knapp. Er hatte eine angenehme, sonore Stimme und machte einen legeren Eindruck. »Ich bin bereit, Sie gut für Ihre Dienste zu bezahlen. Wie man hört, sind Sie ein energischer Mann, der sein Äußerstes tut, um seine Klienten zu schützen. Irgendjemand behauptete sogar, Sie hätten Phantasie, und das... das gefiel mir.«

»Ich beschütze meine Klienten, soweit es möglich ist«, erklärte ich mit einer Spur von Unbehagen. »Zu dem Übrigen kann ich nichts sagen. Was für einen Auftrag haben Sie für mich?«

»Ich möchte, dass Sie meine Tochter nach Hause bringen. Sie ist seit drei Tagen nicht mehr daheim gewesen.«

»Verstehe«, sagte ich, obwohl ich noch gar nichts verstand. »Wo ist Ihre Tochter?«

»Betty ist mit einem sehr unsympathischen jungen Mann namens Pecko Morlang zusammen. Ich kann Ihnen seine Adresse geben.«

»Wissen Sie genau, dass sie dort ist?«

»Ziemlich genau. Wenn ich mich irre, übernehmen Sie eine schwerere Aufgabe, als ich dachte.«

»Aus welchem Grund ist Betty bei Morlang, oder soll ich in diesem Zusammenhang meine Phantasie spielen lassen?«, hakte ich nach, darum bemüht, nicht sarkastisch zu werden.

»Warum nicht?« Seine Stimme blieb gelassen, anscheinend leidenschaftslos. »Ziehen Sie die nächstliegende Schlussfolgerung, Herr Kandlbinder. Dazu kommt Bettys Neigung, ihren Vater zu ärgern. Ich war so unklug, ihr zu zeigen, was ich von Morlang hielt. Er ist übrigens ein eingebildeter Halunke, der durchaus ungemütlich werden könnte. Ich glaube nicht, dass er irgendetwas arbeitet, und wenn er nicht schon vorbestraft ist, so wird er es bald sein. An Betty interessiert ihn wohl vor allem ihr reich bemessenes Taschengeld. Vom Leben erwartet er in erster Linie Reize, was für mich oder Sie wie die Befriedigung materieller Wünsche auf zivilisierte, wenn auch extravagante Weise klingt, aber er stellt sich darunter erregende Gemeinheiten vor, wie etwa einen Blinden die Treppe hinunterzustoßen oder über ein junges Mädchen herzufallen, dessen sensibles Wesen er überhaupt nicht zu begreifen vermag. Drücke ich mich klar aus?«

»Gewiss«, sagte ich. »Pecko ist ein Abenteurer. Wie alt ist Betty?«

»Achtzehn.« Er lächelte schwach, und ich muss ihn fragend angesehen haben, denn er setzte hinzu: »Sie haben ein Recht darauf, mehr zu erfahren. Ihre Mutter ist vor fünf Jahren gestorben. Das war ein schwerer Schlag für uns beide.«

Und bald danach hatten, wie Nora wusste, Eduard Heusingers Aktien an der literarischen Börse einen tiefen Sturz erlitten. Das interessierte mich, obwohl vielleicht gar kein Zusammenhang bestand. Der Tod einer geliebten Frau konnte manches erklären.

»Bedauerlicherweise habe ich mich bald wieder verheiratet«, fuhr er fort. »Bedauerlich wegen Bettys Entwicklung, meine ich.« Seine Mundwinkel zuckten, und zum ersten Mal wirkte er bitter oder tragisch, ja, vielleicht sogar des Selbstmitleids fähig, wenngleich ich mich darin auch täuschen konnte. »Sie hat es nicht verwunden. Vielleicht habe ich zu früh geheiratet, vielleicht habe ich nur an mich gedacht. Jedenfalls kommt sie mit Sissi, meiner zweiten Frau, nicht gut aus. In letzter Zeit ist sie ziemlich wild und rebellisch geworden. Nichts Ernstes, je nachdem, von welchem  Standpunkt aus man es betrachtet.« Er verzog den Mund. »Der Mensch, dem Betty am meisten wehtut, ist sie selbst.« Er hob die Schultern. »Und das bringt uns wieder zu Pecko Morlang.«

»Sie wollen nicht mehr, als dass ich Ihre Tochter nach Hause bringe, Herr Heusinger?«, fragte ich, um jegliches Missverständnis zu vermeiden.

»Genau.« Er griff in die Innentasche seines Jacketts. »Ich habe mir gedacht, dass ein Foto von ihr nützlich sein könnte.«

Ich nickte, und er reichte es herüber. Betty Heusinger hatte dunkles Haar und die gleichen scharfblickenden Augen wie ihr Vater. In einem Mädchengesicht wirkten sie nicht ganz so einnehmend, aber es war ein hübsches Gesicht, und ihr Lächeln versprach, vielleicht entgegen der Wahrheit, keinerlei Komplikationen.

Als er mir das Foto über den Schreibtisch reichte, fiel mir auf, dass Heusingers Hand ein wenig zitterte, ein kleines Detail, das nicht so gut zu seinem verbindlichen, weltmännischen Auftreten, seinem teuren Anzug und den perfekten Manieren passte. An diesem Mann oder an seinen Worten war etwas, das mich nicht ganz glücklich machte. Ich spürte einen Hauch von Tragik, eine gut maskierte persönliche Tragödie, und ich fragte mich, wie Jack Kandlbinder sich in diese ganze Geschichte einfügte.

»Wie kommt es eigentlich, dass Sie das nicht selbst erledigen, da Sie doch wissen, wo Betty sich befindet, wenn Sie mir die Frage erlauben?«, meinte ich. »Ich bezweifle, ob Morlang so weit gehen würde, Sie anzugreifen, und selbst wenn er es täte, könnten Sie sich doch vermutlich durchsetzen. Sie machen nicht den Eindruck eines Schwächlings.«

Er nickte langsam und sagte: »Sie haben ein Recht darauf, diese Punkte anzuschneiden.« Er lachte spöttisch. »Vielleicht fürchte ich mich vor dem, was ich Pecko Morlang antun könnte. Ich... ich verabscheue Gewalt. Es erscheint mir besser, die Angelegenheit zu regeln, indem ich Sie, Herr Kandlbinder, mit der Angelegenheit betraue. Das ist weniger gefühlsbeherrscht, und falls Sie Morlang Angst einjagen können, umso besser. Wahrscheinlich wird es eine Szene geben, aber nach meiner Meinung können Sie selbige auf ein Mindestmaß beschränken. Ich glaube, dass Betty weniger Widerstand leisten wird, wenn ich nicht dabei bin.«

»Und wenn sie anders reagiert, was dann? Um ganz offen zu sein, Herr Heusinger, ich sehe in diesem einfachen Auftrag Probleme, die ihn reichlich kompliziert erscheinen lassen. Sollte Ihre Tochter ungehalten werden – was durchaus möglich ist, weil sie Ihnen ja eins auswischen will –, kann ich mir nicht gut vorstellen, dass ich sie kaltblütig niederschlage und in meinen Wagen werfe.«

Heusinger sah mich belustigt an. »Sie finden schon einen Weg – oder Sie sind nicht der Mann, für den ich Sie halte. Gewisse Faktoren lassen außerdem den Schluss zu, dass Betty Sie ohne größere Umstände begleiten wird.«

»Welche Faktoren wären das?«

»Das Ganze war eine Art Herausforderung von ihr. Sie hat schon vorher ihre Absicht kundgetan, mit Morlang zusammenzuleben, so lange es ihr Spaß mache. Meine Einstellung zu ihrer Moral, auf sexuellem wie auf anderem Gebiet, war vorwiegend tolerant. Ich glaube, sie wollte feststellen, wie weit ich damit gehen würde. Nun, jetzt weiß sie es. Sie hat ihren Kopf durchgesetzt und mich gezwungen, Stellung zu beziehen. Ich glaube nicht, dass Sie große Schwierigkeiten haben werden. Mit ihr jedenfalls nicht.«

Ich musste zugeben, dass die Sache jetzt schon etwas besser aussah. Warum er nicht zur Polizei gegangen war, brauchte ich nicht zu fragen. Das ergab sich von selbst.

Aber Eduard Heusinger gab mir immer noch Rätsel auf. Der gutaussehende Mann mir gegenüber, lässig im Sessel sitzend, die Personifizierung belustigter Toleranz und gezügelter Gefühle, täuschte mich keinen Augenblick. Er brauchte meine Hilfe. Es gab etwas, wovon er mir nichts erzählt hatte, und ich wurde das Gefühl nicht los, dass er mich ganz genau beobachtet und abgeschätzt hatte.

Nun ja, ich mochte den Auftrag zu seiner Zufriedenheit ausführen, ohne je zu erfahren, worum sich eigentlich alles drehte – zumindest, ohne etwas über die starken persönlichen Strömungen herauszubekommen, die alles durchpulsten.

Ich beschloss, Eduard Heusinger noch zu einer Erkenntnis über mich gelangen zu lassen: dass ich schnelle, klare Entscheidungen treffen konnte.

Außerdem brauchte ich das Geld.

Ich nickte unvermittelt und verkündete: »Ich übernehme den Auftrag, Herr Heusinger.«

 

 

 

 

 

  Zweites Kapitel

 

 

Als Nora hereinkam –mein Klient hatte sich verabschiedet –, fand sie mich an meinem Schreibtisch. Ich muss wohl verwirrt vor mich hingestarrt haben.

»Was wollte Heusinger von dir?«, fragte sie, und ich berichtete.

Geistesabwesend steckte ich eine Zigarette zwischen die Lippen. Sie griff nach dem Tischfeuerzeug und gab mir Feuer. Das Rot ihrer Fingernägel leuchtete nur ein bisschen stärker als das Rot ihrer einladenden Lippen.

Schluss damit, Kandlbinder, mahnte ich mich, als ich erkannte, in welche Richtung sich meine Gedanken bewegten. Das hat Zeit. Wir sind vernünftige Leute – unsere Beziehung zueinander beschäftigt uns, aber nicht ausschließlich. Außerdem hatte ich zu arbeiten.

»Danke«, sagte ich und inhalierte tief.

»Gern geschehen«, meinte sie betont beiläufig. »Was ist los? Stört dich irgendwas an Heusinger? Hältst du ihn für einen Sonderling?«

»Was heißt Sonderling?«, murrte ich mit gespielter Grobheit. »Wirklich alle sind Sonderlinge. Ich bin auch einer.«

»Du meine Güte, heute sind wir aber ernüchtert, wie? Hat er dich angelogen?«

»Nein, das ist es nicht.« Ich zog die Brauen zusammen. »Das heißt, wenn er es getan hat, dann nicht so, dass er ausgesprochene Unwahrheiten von sich gegeben hätte. Ich bin allerdings davon überzeugt, dass er mir jede Menge verschwiegen hat.«

»Musst du denn die ganze Geschichte kennen, um den Auftrag zu erledigen?«

»Du bist ein kluges Mädchen«, lächelte ich. »Du kommst auf die merkwürdigsten Fragen. Nein, ich muss nicht die ganze Geschichte kennen. Ich habe nur das Gefühl, dass Heusinger in einem ganz anderen, einem großen Rahmen auf mich zählt – dass er weitaus stärker beteiligt ist, als es den Anschein hat.«

»Ein eifersüchtiger Vater?«

»Oh, nein. So einfach ist es nicht. Ich weiß nicht, was er für Bücher schreibt, aber ich habe so das Gefühl, dass man bei seinem Leben nicht nur die Oberfläche betrachten sollte.«

»Bei seinen Büchern auch nicht«, versicherte mir Nora.

 

Zehn Minuten später war ich mit dem Wagen zu Pecko Morlang Wohnung in der Ruffinistraße in Neuhausen unterwegs.

Wenn Eduard Heusinger nicht gewesen wäre, hätte es sich um einen ganz gewöhnlichen Auftrag handeln können. Ich war auf dem Weg, einer verzogenen, reichen Göre aus der Patsche zu helfen oder wenigstens aus einer Situation, die unangenehm werden konnte. Wenn sie aber nur halbwegs ihrem Vater glich, bezweifelte ich, dass sie sich tatsächlich als die gängige verwöhnte Göre entpuppen würde.

Das Apartmenthaus war für einen Mieter, der, nach der Meinung meines Klienten, keiner Arbeit nachging, gar nicht übel. Ich fuhr bequemerweise mit dem Lift zur Wohnung 201 hinauf und klopfte an die Tür.

Ich musste ein zweites Mal klopfen, bevor sie von einem mittelgroßen, stämmigen Mann geöffnet wurde, der einen Rollkragenpullover trug und sich schon eine Weile nicht mehr rasiert zu haben schien. Er hatte unsympathische Augen, die mich unverschämt anblickten. Aber wenn man ihn ein bisschen gesäubert hätte, wäre er als gut aussehend durchgegangen – ein Etikett, das nach dem Sprachgebrauch der meisten Menschen keine Rücksicht auf den Charakter nimmt. Wenn das der Knabe war, zu dem ich wollte, wirkte das, was ich von seinem Wesen in seinem Blick lesen konnte, ausgesprochen unliebenswert.

»Pecko Morlang?«, sagte ich mit lauter Stimme, weil in der Wohnung ein Schlagersänger im Radio oder auf einer Schallplatte seinen Mangel an Talent durch Lautstärke wettzumachen trachtete.

»Und?«, erwiderte Morlang.

Er zuckte mit keiner Wimper, sein Blick irrte nicht ab. Ich gelangte zu der Ansicht, dass sich zwischen uns eine ausgezeichnete Feindschaft anbahnen konnte.

»Das heißt dann wohl ja«, knurrte ich und setzte mich in Bewegung.

Er wich nicht schnell genug aus, so dass ihm meine ausgestreckte rechte Hand die halboffene Tür gegen die Brust stieß, als ich die Schwelle überschritt. Er stolperte und wäre beinahe rückwärts in die Wohnung gestürzt.

Und diese Wohnung hatte es in sich.

Fast jede Abstellfläche war voll von schmutzigen Gläsern und Flaschen. Alle Aschenbecher quollen über. Ein paar Stühle waren umgekippt, Zigarettenstummel und Essensreste lagen auf dem Teppich. Der Geruch spottete jeder Beschreibung.

Ich pfiff durch die Zähne und sagte: »Hübsch haben Sie’s hier, Morlang.«

Seine bösartigen Augen quollen angesichts meiner Frechheit aus den Höhlen. Aber er ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. Ich überragte ihn und war auch wesentlich schwerer, außerdem hatte er mir sofort die Laune verdorben. Ich konnte aber erkennen, dass er sich lediglich amüsierte.

»Sie haben Humor, Mann.« Seine Stimme klang hell und heimtückisch. »Wer sind Sie?«

»Ich heiße Jack Kandlbinder.«

»Nie gehört.«

Um das zu unterstreichen, stieß er die Tür mit dem Fuß zu, dass die Wände zitterten. Mir gefiel seine Vorliebe für Krach nicht, auch wenn er damit seine Anpassung an das 20. Jahrhundert bewies. Ich entdeckte eine Stereoanlage als Quelle des unerträglichen Lärms und schaltete sie mit einer zornigen Handbewegung ab.

Die nun folgende Stille war genauso ohrenbetäubend wie zuvor der Krach.

»Schon besser«, sagte ich ruhig und drehte mich um. »Jetzt können wir uns unterhalten. Befindet sich Betty Heusinger in dieser Wohnung?« Meine letzten Worte klangen eher nach einer Feststellung als nach einer Frage.

Zum ersten Mal irrte Morlangs Blick ab. Er schaute kurz zu einer Tür hinter mir hinüber, bevor er mich wieder anstarrte. Das genügte.

»Und?«, sagte er. Seine Augen verengten sich.

Ich grinste. »Jetzt fangen Sie schon wieder an. Passen Sie gut auf, Morlang. Bettys Vater macht sich Sorgen um sie. Er will, dass sie nach Hause kommt. Deshalb hat er mich hergeschickt. Ich soll sie abholen. Ich bin übrigens Privatdetektiv.«

Er lachte. »Das soll wohl ein Witz sein, Freundchen.«

Ich gab zurück: »Ich mache keine Witze.«

»Sie meinen es wirklich ernst, was?« Er schüttelte verblüfft den Kopf. »Wenn das nicht der Gipfel ist! Bettys alter Herr hat Sie also geschickt. Sind Sie wirklich Privatdetektiv?«

Ich nickte heftiger, als die Frage eigentlich verdient hatte.

»Was für ein Quatsch!« Er stemmte die Fäuste in die Hüften. »Besonders gefährlich sehen Sie nicht aus.«

»Vielleicht sollte ich brüllen und Drohungen ausstoßen.« Ich schaute über die Schulter zu der Tür hinter mir. »Rufen Sie sie jetzt, oder soll ich es tun?«

Er stellte sich blitzschnell zwischen mich und die Tür. »Nicht so schnell. Glauben Sie wirklich, dass ich da mitmache, Mann?«

Ich sah ihm ins Gesicht und sagte: »Ja. Und zwar ein bisschen plötzlich, Mann.«

»Dann sind Sie nicht ganz bei Trost, Kandlbinder. So verrückt wie Heusinger.«

Ich seufzte. »Sie fallen mir langsam auf die Nerven, Pecko.«

»Und was sagen Sie dazu, Kandlbinder?«

Sein Selbstvertrauen war unerschütterlich. Mit dieser überheblichen Warnung ließ er, als wäre ich noch nicht genug vorbereitet, eine Rechte auf mich los – mehr von Begeisterung als von Können getragen. Das Resultat war unvermeidlich. Ich federte ein bisschen zurück, blockte mit der Linken ab und knallte ihm dann eine ziemlich harte Rechte ans Kinn. Wie von einem Katapult geschossen flog er nach hinten, stolperte über ein Tonbandgerät am Boden, um das sich Tonbänder wie Spaghetti ringelten, prallte an die Wand und fiel zu Boden. Sein Blick wirkte glasig. Er saß da, ächzte und schüttelte den Kopf.

Ich trat zu ihm und sagte spöttisch: »Danke – Freundchen. Sie haben es mir leicht gemacht.«

»Sie Mistkerl«, knurrte er heiser. »Dazu hatten Sie überhaupt keinen Grund.«

»Nein? Was hätte ich tun sollen – einfach stehenbleiben?« Ich lächelte kühl. »Passen Sie auf, Pecko. Sie könnten in den allergrößten Schlamassel geraten. Heusinger hätte auch die Polizei verständigen können.«

»Von wegen«, fauchte Morlang. »Das fehlte ihm gerade noch.«

»Eben. Sie haben also Glück. Lassen Sie es dabei. So kommen Sie mit Kopfschmerzen davon. Und mit einer Warnung.«

»Einer Warnung?«

»Gewiss. Nehmen Sie das junge Fräulein nie wieder mit in Ihre Wohnung. Außer, Sie wollen es sich wirklich schwermachen.«

»Moment mal, Kandlbinder. Ich habe sie ja schließlich nicht entführt!«

»Aber auch nicht ermutigt, wieder abzuziehen.«

Er zuckte die Achseln und schwieg.

»Ich gehe jetzt in das Zimmer, Pecko. Wenn wir herauskommen, will ich Sie hier nicht sehen. Verschwinden Sie eine Weile. Und vergessen Sie nicht, was ich gesagt habe. Klar soweit?«

Seine Augen schienen mich durchbohren zu wollen. »Klar, Mann«, zischte er wütend. »Ich kenne mich aus.«

Ich nickte und betrat das Schlafzimmer, das er vergeblich bewacht hatte.

 

 

 

 

  Drittes Kapitel

 

 

Vielleicht hätte ich klopfen sollen.

Sie saß im Bett und blätterte gelangweilt in einer Zeitschrift. Ihr Foto wurde ihr nicht gerecht: Ihr Haar, dunkel und dicht, befand sich in hübscher Verwirrung, und ihr Gesicht war selbst ohne Schminke wunderschön, von makelloser Symmetrie. Nur die Augen passten nicht dazu. Sie waren zu glühend, zu scharf und zu lebendig.

Sie war nackt. Ihre Schultern schimmerten wie Elfenbein, und ihre Büste hätte jeder Göttin zur Ehre gereicht.

Als sie sah, wer ins Zimmer getreten war, verrieten ihre Augen weniger Erschrecken als Interesse. Lässig griff sie nach der Decke, um sie über ihre Brust zu ziehen. Mehr oder weniger. Viel Mühe gab sie sich nicht damit.

»Wer sind Sie?«, fragte sie. Ihre Stimme klang seidig, mit einer winzigen Spur von Heiserkeit.

»Jack Kandlbinder«, sagte ich. »Ihr Vater schickt mich. Ich soll Sie nach Hause bringen, Fräulein Heusinger.«

»Mein...?« Für Sekundenbruchteile schimmerte in ihren Augen etwas auf. Es mochte Zorn oder Verlegenheit sein. Ich wurde allerdings das Gefühl nicht ganz los, dass es auch Freude sein konnte. »Na, so was. Wirklich? Das passt aber gar nicht zu ihm – den strengen Vater zu spielen, meine ich.«

»Sie sind drei Tage

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Tag der Veröffentlichung: 09.05.2022
ISBN: 978-3-7554-1343-1

Alle Rechte vorbehalten

Nächste Seite
Seite 1 /