SANELA EGLI
RÖSTI, BIER
UND KRUMME GESCHÄFTE
Roman
Der Romankiosk
Inhaltsverzeichnis
Das Buch
RÖSTI, BIER UND KRUMME GESCHÄFTE
Prolog
Erstes Kapitel
Zweites Kapitel
Drittes Kapitel
Viertes Kapitel
Fünftes Kapitel
Sechstes Kapitel
Siebtes Kapitel
Achtes Kapitel
Neuntes Kapitel
Zehntes Kapitel
Elftes Kapitel
Zwölftes Kapitel
Dreizehntes Kapitel
Vierzehntes Kapitel
Fünfzehntes Kapitel
Sechzehntes Kapitel
Siebzehntes Kapitel
Achtzehntes Kapitel
Neunzehntes Kapitel
Zwanzigstes Kapitel
Einundzwanzigstes Kapitel
Zweiundzwanzigstes Kapitel
Dreiundzwanzigstes Kapitel
Vierundzwanzigstes Kapitel
Fünfundzwanzigstes Kapitel
Sechsundzwanzigstes Kapitel
Siebenundzwanzigstes Kapitel
Achtundzwanzigstes Kapitel
Neunundzwanzigstes Kapitel
Dreißigstes Kapitel
Einunddreißigstes Kapitel
Zweiunddreißigstes Kapitel
Epilog
Danksagung
Das Buch
Als wäre ihr Leben als Kriminalpolizistin nicht schon stressig genug, setzt Antonia Stäubli sich auch noch für das nicht ganz legale Familienunternehmen ein...
Ihr aktueller Fall geht ihr an die Substanz und erweckt längst vergessene Erinnerungen.
Und als ihr Privatleben jählings aus den Fugen gerät, beschließt sie, aus dem Polizeidienst auszutreten und als Privatdetektivin durchzustarten – aber auch die Eltern Stäubli haben ein Wörtchen mitzureden...
Mit dem ebenso spannenden wie humorvollen Kriminal-Roman Rösti, Bier und krumme Geschäfte aus der Feder der Schweizer Autorin Sanela Egli startet Der Romankiosk eine Serie von Romanen um die Privatdetektivin Antonia Stäubli.
Rösti, Bier und krumme Geschäfte erscheint als deutsche Erstveröffentlichung im Verlag Der Romankiosk.
RÖSTI, BIER UND KRUMME GESCHÄFTE
Prolog
Die Dornen, die sich in Stäublis Hintern bohrten, machten es ihr nicht gerade einfach, einen Fluch zu unterdrücken.
Ihr war, als hätte sie einen Schatten im Lichtkegel der Laterne gesehen, weshalb ihr keine andere Möglichkeit blieb, als sich mit einem Hechtsprung hinter die Rosen zu verstecken.
In Momenten wie diesen verfluchte sie ihre Familie und den dazugehörigen Job. Leider waren diese Momente nicht gerade selten, denn was auch immer geschah, sie musste sich an des Reglement halten.
Regel eins: Lass dich nicht erwischen. Von niemandem.
Da musste sie wohl piksende Dornen an ihrem Hintern hinnehmen, was sollte sie sonst machen, es blieb ihr ja nichts anderes übrig.
Hätte sie sich auf diesen Job beworben gehabt, hätte sie schon längst protestiert. Ja sie hätte sogar eine Gewerkschaft gegründet. Es war aber nun mal so, wie es war. Für diese Arbeit bewarb man sich nicht, man wurde hineingeboren, denn es war ein Familienbetrieb.
Und Familie konnte man sich bekanntlich nicht aussuchen.
Sie war still.
Hielt den Atem an.
Lauschte.
Sollte sie von der Polizei erwischt werden, dann würde ihr Vater sie nicht mehr kennen. Zumindest hatte er ihr das schon eingebläut, da hatte sie kaum laufen können, geschweige denn verstehen, in was für eine Familie sie hineingeboren worden war.
Sie hörte nichts und sah auch nichts mehr im Laternenlicht. Alles war ruhig, die Nachbarschaft schien zu schlafen. Zwischen dem Geäst hindurchspähend scannte sie den Hinterhof.
Leer.
Gut, dann konnte es ja weitergehen. Sie trat aus dem Versteck und wollte mit der Lieferung die Treppe hinabsteigen, die durch eine hintere kleine Tür mit dem Keller verbunden war. Das war gut so, denn so konnte die Familie die Ware, die sie verkauften, ohne großes Aufsehen in ihr Lager bringen.
Wie gesagt, sie wollte.
Frau Wehrnli aus dem Wohnblock nebenan machte ihr einen Strich durch die Rechnung.
»Antonia, was machen Sie denn hier?«, fragte die kleine alte Frau.
Waschen-Legen-Fönen-Frisur, dicke Brille, Strickjäckchen um die Schultern. Wie immer.
Stäubli setzte ihr schönstes Lächeln auf.
»Frau Wehrnli, sie haben mich erschreckt. Was machen Sie denn noch so spät hier draußen?«
Stäublis Herz pochte. Diese alte neugierige Frau hatte ihren Vater auch schon mal fast erwischt. Sie musste sie loswerden, das Frauchen war ein zu großes Risiko.
Jetzt oder nie!
»Wissen Sie, ich wollte gerade ins Bett gehen, da habe ich etwas gehört. Ein Geräusch.«
»Ein Geräusch. Frau Wehrnli, deshalb müssen Sie doch nicht extra rauskommen im Dunkeln. Ich werde gleich eine Runde um ihren Block drehen und nachschauen. Sie können also getrost wieder in Ihre Wohnung zurück.« Sie schob ihre Nachbarin von ihr weg.
»Nein, nein, da ist wirklich was. Als ich aus dem Fenster schaute, habe ich etwas gesehen. Jemand hat etwas getragen. Ohne Licht, und das finde ich äußerst Merkwürdig. Waren Sie das, Antonia? Ich habe nur eine Gestalt gesehen und konnte leider nicht erkennen, wer es war.«
Natürlich wusste Stäubli, was Frau Wehrnli damit meinte und schob sie noch weiter weg.
»Das Zeug war hier bei Ihnen auf dem Platz. Es ist ja schon recht dunkel und ich sehr nicht mehr so gut, aber es sah aus, als trüge die Person mehrere Schachteln Zigaretten. Ich muss aber gestehen, ich bin mir nicht ganz sicher.« Suchend schaute sie sich im schummrigen Licht um. »Da!«, stieß sie aus und zeigte auf den Turm Zigarettenstangen, der sich zwischen Auto und Hauswand versteckte. »Was ist das denn?«
Die gute Frau schritt geradewegs darauf zu, Stäubli stemmte sich gegen sie.
Jetzt oder nie!
»Aber... Antonia, da ist es. Schauen Sie doch mal. Ja, sehe ich das richtig? Sind das... Zigarettenstangen?« Ungläubig verzog sie ihr Gesicht.
»Gehen Sie doch wieder zurück, ich kümmere mich darum, Frau Wehrnli. Ich schaue gleich nach, in Ordnung?«
»Ja, sagen Sie mal, Antonia, sind das Ihre Zigaretten? Ich habe Sie ja schon lange im Visier, wissen Sie. Sie und Ihre chaotische und äußerst seltsame Familie.« Sie legte eine Pause ein und nahm einen tiefen Atemzug, ehe sie fortfuhr: »Schmuggeln Sie etwa Zigaretten aus Italien in die Schweiz?« Wild wedelte sie mit ihrem Zeigefinger. »Wir wollen hier in der Schweiz keine Schmuggler.«
»Frau Wehrnli, jetzt beruhigen Sie sich doch. Bitte nicht so laut, Sie wecken noch das ganze Viertel auf.«
»Pah! Sie haben wohl Angst, dass jemand die Polizei ruft. Wissen Sie was? Genau das mache ich jetzt. Ich rufe die Polizei, dann werden wir ja sehen, wie lange Sie und Ihre Familie mit ihrem stinkenden Imbiss noch hier sein werden. Ihr Vater, der war ja immer so ein zuvorkommender Mann. Aber seit die Italienerin hier wohnt...«
»Das ist meine Mutter.«
»Sag ich ja.«
Frau Wehrnli kehrte Stäubli den Rücken zu und wollte den Hinterhof verlassen.
Hektisch schaute sie sich um.
Jetzt oder nie.
Eine Holzlatte. Rechts neben dem Container.
Sie griff nach ihr, atmete tief ein und schlug Frau Wehrnli von hinten auf den Kopf.
Mehrmals, bis sie sich nicht mehr bewegte.
Regel eins: Lass dich nicht erwischen. Von niemandem.
Erstes Kapitel
Die Tür fiel ins Schloss.
Sie zuckte.
Er war da.
Ein Blick auf die Uhr im Handy, 01.30 Uhr.
Seine schweren Schritte waren unüberhörbar. Ein Warnsignal. An seinem Gang erkannte Stäubli, dass er betrunken war.
Wieder einmal.
Gleich käme er herein. Gleich wäre es soweit. Schnell deckte sie sich zu und schloss die Augen. Mittlerweile war sie eine wahre Meisterin darin, zu tun, als würde sie schlafen.
Die Tür ging auf, sie hörte das, es klang wie damals das Gieren der Türen im Haus ihrer Urgroßmutter.
Schweiß brach ihr aus.
Sie hörte seine Schritte näher kommen.
Eins, zwei, drei, vier. Dann war er am Bettrand. Ohne zu schauen, wusste sie, dass er da stand und sie beobachtete. Es war nur eine Frage der Zeit, bis er um das Bett ging und auf ihre Seite kam. Manchmal machte er das früher, manchmal später.
Jetzt.
Es waren sieben Schritte.
Wie immer.
»Hey!«, zischte er.
Sie blieb ruhig.
»Hey, wach auf, ich bin zu Hause.«
Er würde nicht locker lassen. Heute ging ihr Plan nicht auf. Nicht, wenn er so viel getrunken hatte. Langsam schob sie ihre Augenlider Lider hoch.
»Na endlich.« Er fuhr um das Bett, schälte sich aus der Hose und dem Shirt und ließ sich auf die Matratze fallen.
Ihr Magen verklumpte sich.
Er rollte herüber auf ihre Seite. Kein Wort entfloh seinen Lippen. Lautlos wanderten seine Finger über ihre Brüste.
Sie bat ihn, damit aufzuhören. Sie wäre müde, sagte sie, und er müsste morgen früh raus.
Geflissentlich überhörte er sie.
Wie immer.
Stattdessen schob er ihr Schlafshirt hoch, sagte, sie sollte es ausziehen.
Sie wollte nicht, doch er meinte, sie sollte sich gefälligst nicht so anstellen.
Angst überkam sie, legte sich wie ein eisiger Schauer auf sie nieder. Im betrunkenen Zustand war er unberechenbar. Sie schloss ihre Augen, flüchtete gedanklich an einen besseren Ort und ließ ihn mit seinen Fingern zwischen ihre Beine. Dann warf er sich auf sie.
Drang hinein.
Sie zählte die Stöße.
Wie immer.
Eins. Zwei. Drei. Vier. Fünf. Sechs. Sieben.
Fertig.
Heute ging es schnell. Nein, nicht bis er fertig war. Bis er aufgab. Er konnte nicht, wenn er so viel getrunken hatte. Kein Wunder, er konnte ja kaum stehen. Er babbelte irgendetwas Unverständliches und Verließ das Zimmer.
Plätschern.
Er pisste. Aber es klang nicht so, als träfe er die Schüssel.
Nicht schon wieder!
Sie stand auf, wartete, bis er zurückkehrte, damit sie den Badezimmerboden wischen und desinfizieren konnte. Tränen schossen ihr in die Augen.
Sie hörte die Spülung.
Das bringt nichts, wenn man daneben gepisst hat.
Er kam zurück, stellte sich vor sie hin. Sah sie an. Seine Augen glasig, die Lider zur Hälfte gesenkt. Er wankte, wie ein Boot bei Wellengang. Seine Augen glitten zu ihren Brüsten.
»Du hattest dein Vergnügen«, brummte sie.
Er packte sie am Arm und zog sie an sich.
»Ich kann mein Vergnügen auch zweimal haben«, hauchte er ihr ins Gesicht.
Sein Mundgeruch war unerträglich.
Er küsste sie auf den Mund, hauchte sie wiederholt an.
»Ich muss deine Pisse wegwischen.«
»Meine Pisse?«
»Du hast auf den Boden gemacht, Felix.«
»Woher willst denn du wissen, wo ich hingepisst habe?«
»Das kann ich hören. Und jetzt lass mich durch. Bitte.«
Er drückte fester zu. »Ich will aber ficken.« Eine Hand knetete ihre Brust.
Einmal atmete sie durch, dann windete sie sich aus seinen Klauen und eilte an ihm vorbei. Er packte sie von hinten.
»Ich sagte, ich will ficken. Du bist meine Frau, und du tust das, was ich will, verdammt nochmal!«
»Ich will nicht«, wimmerte sie.
»Du bist echt der dümmste Mensch, den ich kenne. Nach all den Jahren hast du immer noch nicht begriffen, was eine Ehefrau zu tun hat.« Unsanft legte er eine Hand auf ihren Kopf und drückte sie runter. »Fang an.«
Sein Glied sprang sie an, und sie begann ohne weitere Widerworte. Ekliger Uringeschmack breitete sich in ihrem Mund aus.
Sie konnte nicht mehr und brach ab.
»Was denn? Du bist doch nicht etwa schon aus der Puste?«
»Mir ist schlecht, wenn ich weitermache, muss ich mich übergeben.«
Er ging an den Schrank und nahm eine frische Unterhose heraus. »Das kann nur eins bedeuten: du liebst mich nicht mehr.«
»Felix, bitte.«
»Felix, bitte«, äffte er sie Grimassen schneidend nach.
Flehend sagte sie ihm, er sollte das sein lassen. Er kläffte sie an, sie hätte ihn noch nie geliebt. Eine Frau, die ihren Mann liebte, begehrte nicht gegen ihn auf.
Er warf sie rücklings auf das Bett. Vor ihr stehend stierte er sie an.
»Du warst aber auch schon schlanker.« Er drückte seine Finger in ihren Bauch. »Dein Ranzen ist ja ein einziger Wackelpudding. Scheiße nochmal, du weißt, dass ich nicht auf fette Frauen stehe.« Dann murmelte er vor sich hin: »Wenn ich nicht so geil wär, würde ich dich nicht einmal mit dem Arsch anschauen.«
Tränen rannen über ihre Wangen.
Abermals brach Felix frühzeitig ab. Der Alkoholpegel zwang ihn zur Aufgabe, doch in seinen Augen trug sie die Schuld.
»So hässlich, wie du geworden bist, ist es kein Wunder, dass ich nicht kann.«
Er schmiss sich auf seine Seite, und wenige Sekunden später ertönte ein Schnarchen.
Zweites Kapitel
Am nächsten Morgen war Stäubli wie immer früh auf. Vor Felix, damit sie ihm, sobald der Wecker klingelte, den Kaffee an das Bett bringen konnte.
Noch dreißig Sekunden.
Die Ereignisse der vergangenen Nacht schwirrten ihr im Kopf herum.
Fett.
Dumm.
Pudding.
Sie spürte seine Finger, wie eine Würgeschlange ringelten sie sich um ihren Oberarm. Sie blickte auf die Stelle. Fuhr mit ihren Fingerspitzen darüber.
Jetzt.
Sie ließ einen Kaffee aus und hielt sich bereit, den Wecker im Handy abzustellen. Gleich klingelte er. Gleich müsste sie ihn wecken.
Vier. Drei. Zwei. Eins.
Mit einem Wisch stellte sie das schrille Geräusch ab.
Die Tasse war schnell voll, und sie trat in das Schlafzimmer.
Breitbeinig lag er da, grinste sie an. Es stank im Zimmer. Nach Körperausdunstungen und abgestandenem Zigarettenqualm. Sie stellte seine Getränke auf den Nachttisch und wollte hinausgehen, als er maunzte:
»Was hast du denn heute schon wieder? Verdammter Morgenmuffel!«
Die Tränen ließen sich nicht mehr zurückhalten. Er zog sie zu sich, fuhr ihr liebevoll durch das Haar.
»Entschuldige, das war nicht nett. Was ist denn los?«
»Na, wegen gestern.«
»Es tut mir leid, ich hatte zu viel getrunken.« Er legte eine Pause ein. »Ich war wohl nicht sehr nett zu dir, was?«
»Du warst gemein, Felix. Sehr gemein. Du hast mich richtig fertig gemacht.«
Er setzte sich auf und legte seinen Arm um sie.
»Und du hast im Badezimmer auf den Boden gepisst.«
»Oh nein, Liebes. Das... das ist unverzeihlich. Es kommt nicht wieder vor, versprochen.«
Es kommt nicht wieder vor... Längst hatte sie aufgehört zu zählen, wie oft er das sagte. Sie wusste genau, was er als nächstes sagen würde. Es war immer dasselbe Prozedere.
Ich liebe dich. Ich würde dir nie wehtun. Du hattest doch keine Angst, oder? Das brauchst du nicht. Ich liebe dich, Liebling. Bitte entschuldige.
»Du warst ein Arsch, Felix. Ein richtiger, gottverdammter Arsch.«
»Ich liebe dich«, begann er. »Ich würde dir nie wehtun. Du hattest doch keine Angst, oder? Das brauchst du nicht.« Abermals fuhr er ihr durch das Haar. »Ich liebe dich, Liebling.«
Bitte entschuldige.
»Bitte entschuldige.«
Er neigte sich zu ihr und küsste sie. Sie erwiderte, wollte keine weitere Auseinandersetzung. Es war alles andere als ein Liebkosen ihrer Lippen. Als er fertig war, fuhr sie herum und ging zur Tür.
»Bring mir noch ein Glas Wasser«, brummte es gallig vom Bett aus.
Sie gab ein leises »Mhm« von sich, fuhr herum und begab sich in die Küche.
»Lass das Wasser eine Weile laufen!«, brüllte er ihr hinterher.
»Mach ich.«
Verzweifelter Seufzer.
Das Glas mit kaltem Wasser befüllt, machte sie sich auf den Rückweg. Mit jedem Schritt, den sie Felix' Schlafzimmer näher kam, beschleunigte sich ihr Puls.
Sie trat an seine Seite des Bettes und gab ihm das Glas. Er musterte es und verzog das Gesicht, dann streckte er es in die Höhe.
»Sieht so ein volles Glas aus? Ein Glas Wasser bedeutet bis hierhin voll.« Mit dem Zeigefinger deutete er auf knapp unterhalb des Rands.
Für einen Augenblick verschlug es ihr die Sprache. Dass er nicht in einen frenetischen Jubel ausbräche, war klar, aber sein Geraunze schoss ihr durch Mark und Bein.
»Ich fülle es noch auf. Bitte entschuldige«, resignierte sie kaum hörbar.
Mit dem Wasserglas kehrte sie erneut in die Küche zurück und befüllte es mit kaltem Inhalt bis zu der gewünschten Höhe. Sie konnte nicht glauben, wie schwach sie doch war. Wenn ihre Familie oder ihre Kollegen davon wüssten...
Zu Felix zurückkehrend hoffte sie auf nettere Worte aus seinem Mund.
»Na endlich. Musstest du zuerst noch nach einer Quelle suchen?«, mokierte er. »So sieht ein volles Glas aus und nicht anders. Müsstest du in deinem Alter eigentlich wissen. Und jetzt raus hier, ich brauch meine Ruhe.«
Sie sagte nichts, tat wie geheißen.
Beim Hinausgehen passierte sie den Fernseher. Er lief in einer unangenehmen Lautstärke, wie immer flimmerte eine unsinnige Sendung über den Bildschirm. Dieses Mal eine, in der Leute billig Häuser kauften, nur um anschließend festzustellen, was für eine Bruchbude ihre neueste Errungenschaft war. Natürlich waren daran nie sie selbst schuld. Eine Sendung über Männer, die davon überzeugt waren, Zimmermänner, Dachdecker, Maurer und Elektriker in einem zu sein, und es war eine Sendung über Frauen, die sich stets lautstark zu beschweren wussten, wenn sie mal mitanpacken mussten, denn sie delegierten viel lieber.
Die Lust auf den morgendlichen Kaffee war ihr vergangen. Sie schlurfte in das Badezimmer und schälte sich aus dem Shirt, in dem sie geschlafen hatte. Streifte die Unterhose aus Spitze ihre grazilen Beine entlang ab und schlüpfte unter die Dusche. Sie ließ ihren Kopf nach vorne hängen, und die Wassertropfen prasselten wie Regen an einem lauen Sommerabend auf ihren Nacken herab. Für einen Augenblick schloss sie ihre Augen und ließ die Stille auf sich wirken.
Nach der Dusche rieb sie sich trocken, streifte sich ein Shirt über und hoste ihre Lieblingsjeans an. Eine verblichene hellblaue Jeans, deren Naht an der hinteren rechten Tasche aufgeplatzt war. Sie griff nach dem schwarzen Gurt, der über der Heizstange baumelte und zog den Riemen durch die Laschen. Zückte ihre Heckler und Koch des Kalibers 9 mm aus dem Holster, kontrollierte sie und schob sie wieder zurück.
Im Spiegel betrachtete sie sich eingehend. Die unterjochte Gestalt, die gerade noch vor ihr gestanden hatte, war nun verschwunden und eine selbstbewusste junge Kriminalpolizistin hatte sich in ihr Sichtfeld geschoben. Auf dem Lavabo lag ein kreditkartenförmiger Ausweis, den sie in die linke hintere Hosentasche schob. Sie öffnete den Spiegelschrank über dem Waschbecken und zückte die Zahnbürste und Zahnpaste heraus. Vor einigen Wochen hatte Felix ihr eine Zahnbürste gekauft, in der Hoffnung, sie würde bei ihm einziehen. Doch außer ein paar Übernachtungen
Just als sie ihren Mund ausspülte, klopfte es energisch an der Tür.
»Hey, ich muss da rein. Ich muss zur Arbeit.«
Stäubli wollte etwas entgegnen, unterließ es aber. Sie wischte sich den Mund trocken und öffnete. Felix stürmte herein, drängte sie grob hinaus und sperrte die Tür zu.
Sie lehnte ihren Kopf gegen die Tür. »Ich geh dann mal. Tschüss, bis heute Abend.«
»Ich hoffe es gibt was Gutes zu essen.«
»Was hättest du denn gerne?«
»Sag mal, hörst du mir überhaupt zu? Ich sagte was Gutes. Du bist eine Frau, lass dir was einfallen.«
Dann hörte sie die Dusche. Sie fuhr herum und ging zur Tür, um sich auf den Weg in das Präsidium zu begeben. Was Gutes hallten ihr die Worte nach.
Auf dem Weg war sie tanken und hatte gleich noch Abendessen eingekauft. Salat, Brot und Lachs. Zwiebeln hatten sie zu Hause noch reichlich. Sie setzte mit wasserfestem Filzstift ihren Namen auf die Verpackungen und stellte ihren Einkauf in den Kühlschrank. Hoffentlich konnte sie ihrem Verlobten so eine Freude bereiten, er liebte Lachs.
Jäh schreckte sie auf, als jemand ihr auf die Schulter tippte und sie aus ihren Gedanken an Felix riss. Sie pfefferte die Kühlschranktür zu und schnellte hoch. Vor ihr stand grinsend Hans Tschannen, ihr Partner. Ein voluminöser klein gewachsener Mann, freundlich und zuvorkommend. Aber nicht allen gegenüber. Er nahm nie ein Blatt vor den Mund, auch nicht vor dem Polizeichef. Aufgrund seiner Größe und seiner Frisur, auf den Seiten Haare, oben keine, erinnerte er sie an den Schauspieler Danny DeVito.
»Ach, du Scheiße. Kurze Nacht gehabt?«
»Was? Sehe ich so schlimm aus?«
»Na, schlimm vielleicht nicht, aber ziemlich verbraucht.« Er grinste spitzbübisch.
»Mann, Tschannen, du spinnst«, entgegnete Stäubli und wollte an ihm vorbei, blieb aber auf seiner Höhe stehen und raunte ihm ins Ohr: »Und ja, ich hatte eine kurze Nacht.« Dann schritt sie weiter zu ihrem Schreibtisch.
Niemand sollte wissen, dass sie die Nacht mit Weinen verbracht hatte. Sie sank in die lehne. Immer diese dummen Sprüche. Wenn es doch nur so gewesen wäre, dass sie eine kurze Nacht gehabt hatte. Doch diese Zeiten waren längst vorbei. Seit sie häufiger bei Felix übernachtete, hatte er sich verändert und sie folglich keine Lust mehr auf ihn, was zwangsläufig dazu geführt hatte, dass es schon eine ganze Weile her war mit dem letzten Sex.
»Was bist du denn so bockig in letzter Zeit. Man könnte fast meinen, du hast zu wenig Sex.« Tschannen setzte sich ihr gegenüber auf seinen Platz.
»Wenn du wüsstest, mein lieber Herr Tschannen. Wenn du wüsstest. Schau lieber mal, dass du nicht zu kurz kommst.« Spitzbübisch zwinkerte sie ihm zu.
Die Tür zum Büro des Polizeichefs wurde aufgerissen und das Präsidiumsoberhaupt stapfte durch die Gänge.
»Hast du wieder was angestellt?«, fragte sie ihren Partner, es wäre nicht das erste Mal, dass er in das Büro des Chefs zitiert würde.
Unschuldig hob er seine Arme. »Ich hab nichts getan.«
»Ihr beide«, schoss Walder, der miesepetrige Chef, heraus. »Wir haben eine übel zugerichtete Leiche in der Friedstraße.«
Stäubli stutzte. Ein Mord in der Friedstraße? Das war ungewöhnlich. Die Straße glänzte mit ihren betuchten Einwohnern, Normalverdiener verirrten sich nur für einen neidischen Spaziergang dorthin.
»Raubmord?«, fragte sie.
»Keine Ahnung. Fahrt dahin und seht nach«, entgegnete Walder bärbeißig.
Stäubli und Tschannen erhoben sich von ihren Stühlen.
»Ich fahre«, meinte er und schnappte sich die Wagenschlüssel, die neben der Tastatur lagen.
Zwei Streifenwagen standen in der Einfahrt, Tschannen parkte auf der Straße. Die Kriminaler stiegen aus dem klimatisierten Auto an die frische Luft und traten dann ins Haus.
Stäubli musterte die Szenerie eingehend. Die Spurensicherung, oder Spusi, wie sie die Beamten nannten, wuselte umher. Sie blicke zur Terrassentür hinaus. Einer von den in weißen Einweganzügen eingehüllten Körpern war im Garten gerade dabei, Gipsabdrücke zu machen, wahrscheinlich Spuren von Schuhen. Drinnen fotografierte ein weiterer Kriminaltechniker die Leiche, die auf dem Boden lag. Die Kühlschranktür stand offen, davor lag der Tote. Blutüberströmt. Ein Messer steckte zwischen seinen Schulterblättern. Sie schluckte einmal schwer. Walder hatte recht gehabt, es war wirklich eine übel zugerichtete Leiche.
Hinter den Ermittlern hallten Absätze durch das Haus.
Gina, dachte Stäubli.
Gina Hensdorf war die zuständige Rechtsmedizinerin vom Ostschweizer Institut für Rechtsmedizin. Der Ausschnitt stets einen Ticken zu tief, der Rock ein kleines bisschen zu kurz und die Schuhe höher als alle anderen. Stäubli fuhr herum und betrachtete sie. Diese Frau war wahrlich eine Augenweide, nicht nur für die Männerwelt. Betrat sie einen Raum, herrschte eiserne Stille, so wie jetzt. Es wurde plötzlich so ruhig, dass man sogar eine Stecknadel hätte auf den Boden fallen hören können.
»Guten Morgen zusammen«, begrüßte Gina die Kriminalermittler und erhaschte einen Blick auf den Leichnam. »Was haben wir denn da Schönes?« Sie ließ sich zum Toten nieder, stellte den schwarzen Hartschalenkoffer, den sie stets bei sich trug, ab, öffnete ihn und zückte ein Paar Einweghandschuhe hervor, die sie über ihre zierlichen Finger stülpte, dann begann sie mit der Legal-Inspektion.
»Was die Todesursache ist, wissen wir ja«, meinte Tschannen.
Gina schien sich nicht beirren zu lassen und setzte ihre Arbeit fort. Stäubli beobachtete sie, wie sie die Arme des Toten inspizierte, dessen Beine, den Kopf. Dann erhob sich Gina und schaute an Stäubli vorbei. »Max, bring die Trage her.«
Max, Ginas Praktikant, zwängte sich zwischen Stäubli und Tschannen durch, dabei fuhr er ihr mit der Trage über den Fuß. Sie unterdrückte einen Fluch, als er sich nicht dafür entschuldigte. Mittlerweile war er zu einer billigen Kopie von Gina geworden.
»Auf drei«, sagte die Rechtsmedizinerin und begann zu zählen.
Bei drei hievten die beiden den Toten auf die Trage und Max rollte ihn aus dem Haus.
»Ich melde mich bei euch, sobald die Obduktion abgeschlossen ist.« Ein scharfer Blick zu Tschannen. »Das kann dauern. Bitte keine Nachfragen«, fügte sie blasiert hinzu und setzte ihren Weg fort.
»Die wird ihr Verhalten wohl nie ändern«, raunte Stäubli.
»Im Gegenteil. Je älter sie wird, desto schlimmer wird sie.«
Stäubli wandte sich Männern der Spurensicherung zu. »Schon was Brauchbares gefunden?«
»Außer ein paar Fingerabdrücken noch nichts«, erwiderte Tim, der leitende Kriminaltechniker. »Und um ehrlich zu sein, am liebsten würde ich es dabei belassen.«
Stäubli und Tschannen warfen sich einen verdutzten Blick zu.
»Was wobei belassen?«, hakte er nach.
»Na, die Tätersuche. Diese Drecksau hat nichts anderes verdient. Ich hoffe, er musste so richtig leiden in seinen letzten Minuten. Wundert mich gar nicht, dass ihn jemand in die ewigen Jagdgründe befördert hat.«
»Tim, sag mal, was redest du denn da für einen Mist?«, empörte Stäubli sich.
»Das ist alles andere als Mist. Ich meine es todernst. Wisst ihr denn nicht, wer der Typ ist?«
»Hab noch nicht auf die Klingel geguckt. Aber du bist sicher so freundlich und klärst uns auf«, meinte Tschannen.
Der Kriminaltechniker trat näher. »Der Tote ist Jonathan Rauter. Na, klingelt da was im Köpfchen?«
»Der Frisör?«, fragte Stäubli.
»Der Vergewaltiger«, entgegnete Tschannen in die Leere starrend.
»Was? Was für ein Vergewaltiger denn? Kann mich bitte mal einer aufklären?«
Tschannen schaute sie von der Seite an. »Wie konnte es nur dazu kommen, dass du meine Vorgesetzte bist.«
Sie drehte sich zu ihm. »Liegt vielleicht an deiner vorlauten Klappe. Und jetzt sag schon, wer ist der Tote.«
»Vor ein paar Jahren...«
»Drei«, schoss Tim ihm ins Wort, »das war vor drei Jahren. Jonathan Rauter hat seine Mitarbeiterin brutal vergewaltigt. Und genau heute vor drei Jahren hat der Richter das Urteil gesprochen. Freispruch.«
»Ach, das ist ja interessant«, äußerte Stäubli laut ihren Gedanken, »dann haben wir ja schon eine dringend Tatverdächtige.«
Tschannen wiegelte den Kopf hin und her. »Nicht ganz.« »Die Frau hatte sich kurz nach der Urteilsverkündung das Leben genommen.«
»Okay...« Stäubli schürzte die Lippen und nickte. »Das macht die ganze Sache ja noch interessanter. Wer hat denn eigentlich den Notruf abgesetzt?«
»Die Haushälterin«, antwortete Tim. »Sie hat einen Zusammenbruch erlitten und wurde nach Frauenfeld ins Krankenhaus gebracht.«
»Na dann«, sagte sie zu ihrem Partner, »auf nach Frauenfeld. Und ihr gebt mir Bescheid, sobald ihr was Brauchbares habt, ja?.«
Tim nickte und Stäubli und Tschannen verließen das Haus und machten sich auf den Weg nach Frauenfeld, um die Haushälterin zu befragen.
Tschannen setzte den Blinker, bog rechts ab und kurbelte das Fahrerfenster seines Schwedenmobils herunter. Stäubli beobachtete ihn stillvergnügt. Von seinem alten Volvo würde er sich wohl nie trennen. Aber der Wagen passte zu ihm. Und beiden sah man an, dass sie ein bewegtes Leben hinter sich hatten.
»Mach das Fenster auf deiner Seite auf, so zieht die Luft durch den Wagen, solange wir drinnen sind.«
Sie tat wie geheißen. »Mein Lieber, das Parkhaus ist auf der anderen Seite des Gebäudes. Dieser hier ist nur für Notfälle.«
Er schaute sie von der Seite an. »Ich bin ein Notfall. Ich bin doch nicht bescheuert und parke am Arsch der Welt. Wir sind beruflich hier.«
Stäubli schluckte einen Fluch herunter. Das war typisch Tschannen, er machte immer was er wollte. Und sagte immer was er meinte, neigte allerdings dazu, falsches zum falschen Zeitpunkt zu sagen. Aber sie schätzte und mochte ihn als Partner sehr. So wie sie ihr Leben für ihn riskieren würde, würde er seines für sie riskieren.
Die Ermittler schlugen die Türen zu und begaben sich ins Gebäude. Es war seit Längerem schon im Umbau und es sah nicht danach aus, dass es demnächst fertig würde.
»Wie heißt die Putze überhaupt?«, wollte Tschannen wissen.
»Die Haushälterin«, entgegnete Stäubli bestimmt, »heißt Rosa Battaglia.
Stäubli schwang ihre nippellangen Haare über die Schultern und klopfte an der Tür, dann öffne sie langsam. Sie streckte ihren Kopf durch den Spalt und spähte hinein. Eine ältere Frau saß auf einem der zwei Betten, das andere war nicht besetzt. Stäubli öffnete die Tür gänzlich. »Frau Battaglia?«
Die Frau nickte.
Die Kriminalpolizistin trat ein, ihr Partner folgte ihr auf dem Fuße.
Die Frau zog erschrocken die Decke über ihre Beine. »Entschuldigen Sie, aber wer sind Sie, dass Sie hier einfach so reinplatzen?«
Die Ermittler zückten ihre Dienstausweise und streckten sie der Frau entgegen.
»Stäubli und Tschannen, Kriminalpolizei«, stellte Stäubli sich und ihren Partner vor. »Wir kommen wegen Herrn Rauter und müssen Ihnen ein paar Fragen stellen.« Sie legte eine kurze Pause ein. »Haben Sie ihn gefunden?«
Die Frau nickte erneut.
Offensichtlich hatte sie geweint, ihre Augen waren aufgedunsen und glasig. Stäubli zückte einen kleinen Notizblock und einen Kugelschreiber, Tschannen fuhr mit der Befragung fort. »Was war denn Herr Rauter für ein Chef?«
»Wie meinen Sie das?«, fragte die Frau kaum hörbar.
»Na, war er zuvorkommend, mürrisch, launisch oder vielleicht herrisch?«
»Er war, wie Chefs eben so sind. Von allem etwas.«
»Wann haben Sie gestern das Haus verlassen?«, machte Stäubli weiter.
»Um punkt halb acht. Das weiß ich deshalb so genau, weil um zehn vor acht mein Zug ging.«
»Ist Ihnen vielleicht zu Ohren gekommen, dass Herr Rauter einen unzufriedenen Kunden hatte?«
»Gibt es jemanden, der ihm nach dem Leben trachtete?«, warf Tschannen ein.
So sehr Stäubli ihren Partner auch mochte, aber manchmal wollte sie ihm an die Gurgel springen.
»Ob ihn jemand umbringen wollte?« Sie wandte ihren Blick zum Fenster. »Nicht nur einer.«
Die Ermittler schauten sich an.
»Können Sie uns das bitte näher erläutern?«, übernahm Stäubli das Wort und machte sich bereit mitzuschreiben.
»Jonathan, also der Herr Rauter, hat sich mit den falschen Leuten angelegt.«
»Mit wem?«, fragte Stäubli.
Die Frau legte eine kurze Pause ein, dann fuhr sie fort: »In letzter Zeit hat er häufig unerwünschten Besuch von einer Rockerbande bekommen. Hin und wieder passierte es, dass das Telefon klingelte und als ich ranging nur ein widerliches Atmen hörte.«
»Also eher ein Stöhnen?«, fragte Tschannen.
Die Frau nickte stumm. Stäubli schrieb emsig mit. »Wie heißt denn diese... Rockerbande?«
Die Angesprochene presste ihre Lippen zusammen und überlegte einen Moment. »Das kann ich Ihnen leider nicht sagen. Das weiß ich nicht.«
»Ist vielleicht irgendwann einmal ein Name gefallen?«, fragte Stäubli weiter.
»Nein. Tut mir leid, dass ich Ihnen nicht weiterhelfen kann. Mein Gott, ich stehe noch völlig unter Schock.«
»Dann lassen wir Sie mal ein wenig zur Ruhe kommen, Frau Battaglia. Haben Sie vielen Dank, Sie haben uns schon sehr geholfen. Hier, ich gebe Ihnen meine Karte.« Stäubli überreichte Ihre Visitenkarte. »Melden Sie sich, sollte Ihnen noch etwas einfallen.«
Die Frau nickte und die Ermittler verabschiedeten sich und gingen in Richtung Tür.
»Moment«, sagte die Frau aufgeregt.
Stäubli und ihr Partner drehten sich um.
»Einen von denen kann ich beschreiben. Den hat Jonathan ins Haus gelassen, die anderen warteten immer draußen. Ein Dutzend Motorräder und Angst einflößende Männer standen vor dem Haus.«
»Der Mann, der im Haus war, wie hat er ausgesehen?«, fragte Stäubli und machte sich wieder bereit mitzuschreiben.
»Ein hochgewachsener, kräftiger Mann, lange blonde Haare, leichte Locken. Lang gewachsener Bart.«
»Das ist sehr gut«, sagte Tschannen. »Sie haben uns wirklich viel weitergeholfen.«
Die Kriminaler verließen das Zimmer.
»Ich muss nachher zum Haus meiner Großmutter. Die Nachbarn kannst du mit Dennis befragen«, sagte Stäubli.
Dennis war ein Kriminalistik-Student, der bei der Thurgauer Kriminalpolizei ein Praktikum absolvierte. »Und am Abend statten wir dem El Salvador einen Besuch ab.«
Das wohl beliebteste Lokal der hiesigen Rockerszene war der Nachtclub El Salvador. Tschannen stimmte ihr zu, auch wenn sein Gesichtsausdruck nicht gerade danach aussah. Stäubli wusste, dass ihr Partner mit dem neuen Praktikanten seine Mühe hatte. Er war aber auch anstrengend. Doch sie musste heute endlich einmal ins Haus ihrer verstorbenen Großmutter. Sie hatte es geerbt und den freien Nachmittag schon lange im Einsatzplan eingegeben. Und zwei Leute reichten für die Zeugenbefragung. Felix schwirrte ihr auch noch dauernd im Kopf herum, sie musste schleunigst eine Lösung finden, denn so konnte es nicht mehr weitergehen. »Sobald sich Gina meldet, fahre ich wenn nötig zu ihr, sonst habe ich den Rest des Tages frei. Außer bei deiner Befragung ergibt sich etwas Wichtiges, dann melde dich umgehend bei mir«, fügte sie hinzu.
Er nickte. »Das hab ich total vergessen. Ja, ich melde mich. Und du dich, sobald du bei Gina warst.«
Sie stiegen wieder ins Auto und fuhren los. Beim Kreisverkehr fuhr Tschannen nicht wie üblich geradeaus, sondern fuhr Richtung Weinfelden.
»Wo fährst du denn hin?«
»Ich nehme an du hast auch Hunger? Ich hab deine Eltern schon länger nicht mehr gesehen.«
»Rösti. Schon wieder? Du könntest ruhig mal ein bisschen auf deine Ernährung achten. Stell dir vor, du müsstest einem Verdächtigen hinterherjagen.«
»Und du könntest ruhig mal ein bisschen was essen«, entgegnete er keck.
Stäublis Eltern führten in Weinfelden das Uelis Rösti, ein Schnellrestaurant.
Tschannen setzte den Blinker und rollte auf den Parkplatz. In Stäublis Magengrube machte sich ein flaues Gefühl breit. Das letzte Mal, als sie hier gewesen war, war vor rund einem Monat gewesen und sie hatte sich fürchterlich mit ihrer Mutter gestritten. Sie hatte ihr mitgeteilt, dass sie ihren Job als Kriminalpolizistin an den Nagel hängen wollte, um eine eigene Detektei zu eröffnen. Ein Wort hatte zum nächsten geführt, und so war es gekommen, dass es ausartete und Stäublis Vater sie um
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Texte: Sanela Egli/Der Romankiosk. Mit freundlicher Genehmigung des Apex-Verlags.
Bildmaterialien: Christian Dörge/123rf.
Cover: Christian Dörge/Apex-Graphixx.
Lektorat: Dr. Birgit Rehberg.
Satz: Der Romankiosk.
Tag der Veröffentlichung: 16.08.2020
ISBN: 978-3-7487-5379-7
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