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Leseprobe

 

 

 

 

RONALD M. HAHN

 

 

HARDCORE-WESTERN,

BAND 1

 

 

Fünf Romane in einem Band

 

 

 

 

Der Romankiosk

Inhaltsverzeichnis

Das Buch 

 

1. DAS FORT DER SCHARFEN WEIBER 

2. DIE HERRIN DER GEISTERSTADT 

3. PEITSCHEN-LILLY 

4. HEISSE LADIES, DRECKIGES GOLD 

5. DER BISS DER VIPER 

 

 

Das Buch

»Was wird nun aus dem Fort?«, fragte Doc Bayard.

»Die Army hat’s verkauft.« Van Husen stieß einen Seufzer aus. »An die personifizierte Sünde.« 

»Ach, wirklich?« Bayard zupfte sich interessiert an der Nase. »Darf ich fragen, was Sie damit meinen?«

»Das sage ich lieber nicht«, erwiderte der Lieutenant errötend. »Außerdem sind es ja nur Gerüchte.«

»Sie scheinen Ihnen trotzdem nicht zu behagen.«

Van Husen seufzte noch einmal. »Nun ja, nach allem, was man so hört, macht der neue Verwendungszweck von Fort Doyle unseren ruhmreichen Streitkräften wenig Ehre.« Van Husen errötete und sagte hinter vorgehaltener Hand: »Ich hab es zwar nur aus dritter Hand, aber wenn es stimmt… wird hier ein Sündenbabel entstehen. Mit roten Laternen.« Er hüstelte. »Wenn Sie verstehen, was ich meine.«

»Gütiger Gott«, sagte Bayard mit gespielter Empörung. »Meinen Sie etwa ein Bordell?« 

Als dem Lebenskünstler Doc Bayard während einer Fahrt durch den Westen bewusst wird, dass man mit 44 Jahren nicht mehr unsterblich ist, will er im nächsten Nest aussteigen und ein neues Leben anzufangen. Das Nest heißt Chickenville – doch was ihn dort erwartet, hat er sich in seinen kühnsten Träumen nicht ausgemalt...

 

Hardcore-Western, Band 1 von Ronald M. Hahn enthält die ebenso spannend-mitreißenden wie humorvollen Adult-Western-Romane Das Fort der scharfen Weiber, Die Herrin der Geisterstadt, Peitschen-Lily, Heiße Ladies, dreckiges Gold und Der Biss der Viper. 

  1. DAS FORT DER SCHARFEN WEIBER

 

 

1.

 

Als Doc Bayard begriff, dass sich die zweite Hälfte seines vierten Lebensjahrzehnts rapide näherte, ließ er den sieben Tage alten Minneapolis Star auf die Knie sinken und schaute aus dem Fenster.

Es war dunkel draußen. Dicke Regentropfen klatschten gegen die Scheibe. Der von grauen Dampfwolken eingehüllte Waggon ratterte über die Schienen. Der Zug fuhr durch eine Gegend, die so ungemütlich war wie Kanada im Winter.

Gottverdammich, dachte Bayard. So kann es doch nicht ewig weitergehen! Irgendwann bist du fünfzig. Dann dauert es nicht mehr lange und du stehst vor deinem Schöpfer. Und wenn es so weit ist – mit welchen Heldentaten willst du dich dann brüsten? 

Na schön, er hatte sich im Laufe seiner vierundvierzig Lebensjahre nicht gerade mit Ruhm bekleckert. Er hatte aber auch nicht das Leben eines Banditen geführt. Doch wenn er ehrlich zu sich war, musste er zugeben, dass er auch nie zum Wohle der Menschheit unterwegs gewesen war. Auch wenn er keine Banken ausgeraubt und weder Züge noch Postkutschen überfallen hatte... Wenn er an die zahllosen Trottel dachte, die seine flinken Hände in den Spielhöllen von Minnesota, Kansas und Iowa um ihre Barschaften gebracht hatten, musste er sich gelegentlich doch schütteln.

Aber war es etwa seine Schuld, dass sein Vater es nicht für nötig gehalten hatte, ihm und seinen sechs Geschwistern zu erläutern, dass es gar nicht übel war, wenn erwachsene Menschen einen ordentlichen Beruf erlernten, statt bis zum fünfundzwanzigsten Lebensjahr auf Universitäten rumzuhängen? Bayard schnaubte leise. Wäre es nach seinem alten Herrn gegangen, säße er vielleicht jetzt noch dort und speiste, wenn er vom Studieren müde nach Hause kam, mit einem silbernen Besteckt von Meißener Porzellan. Leider aber war sein Vater vor zwanzig Jahren ziemlich schnell in die Pleite gerast. Inzwischen gehörte das feine Bankhaus Bayard & Delacroix seit Anno Domini 1875 dem noch reicheren Bankier Mr. J. P. Morgan in New York.

Nur deswegen wanderte Bayard seither rastlos durch die Welt, vertrödelte seine Zeit in Lokalitäten, in denen die Zoten dicker waren als die dort tätigen Damen und hielt sich – eines echten Mannes unwürdig – mit dem Kinderkram über Wasser, den er am besten beherrschte: dem Kartenspiel.

Es muss jetzt ein Ende haben, dachte Bayard. Es wird Zeit, dass ich was Ernsthaftes unternehme. Ich fahre nicht nach Denver. Am nächsten Bahnhof steig ich aus, und wenn er ‚Hell’s Gate’ heißt. Ich habe fünfhundert Dollar in der Tasche. Damit fange ich ein neues Leben an. Er faltete entschlossen die Zeitung zusammen, zupfte an seinem schicken schwarzen Binder, richtete seinen grauen Stetson und reckte den Hals.

Die wenigen Passagiere, mit denen er den Waggon seit Cheyenne teilte, waren bereits aufgestanden und standen auf den Zehenspitzen, um ihr Gepäck aus den Netzen zu holen.

Bayard tat es ihnen gleich. Er hievte die beiden grünrot karierten Reisetaschen herunter und stellte sie neben sich auf den freien Sitzen ab. Der Zug verlangsamte sein Tempo. Der Lokführer ließ die Pfeife ertönen, um sämtliche Köter, Kojoten und Kühe zu warnen, die sich eventuell auf den Bahnhofsschienen lümmelten. Schließlich kreischten die Bremsen, und zwar so schrill und schauerlich, dass Bayard sich fragte, ob man vielleicht ein Geschäft damit machen konnte, der Eisenbahngesellschaft Schmieröl zu verkaufen.

Während er in gebannter Spannung nach dem Schild Ausschau hielt, das ihm sagte, wie die nächste Ortschaft hieß, steckte er sich einen schwarzen Zigarillo an. Dann, er hatte gerade zum ersten Mal inhaliert, tauchte das Schild urplötzlich auf:

 

WILLKOMMEN IN CHICKENVILLE.

 

Auch das noch. Bayard war so erschreckt, dass er sich ernsthaft überlegte, ob er noch eine Station weiterfahren sollte.

Nichts da, ermahnte er sich streng. Gesagt ist gesagt. Ein Bayard hält sein Versprechen. Nur rückgratlose Kreaturen werfen sofort das Handtuch, wenn nicht alles optimal ihrem Geschmack entspricht. 

Trotzdem schüttelte sich. Die Passagiere nahmen ihre Koffer und strebten zum Ausgang des Waggons. Bayard schloss sich ihnen flink an. Er klemmte den Zigarillo zwischen seine makellosen Zähne, ergriff die beiden Reisetaschen und stieg aus. Auf dem abendlichen Bahnhof – er bestand eigentlich nur aus einer langen Baracke – war es ungemütlich und kalt. Ein Blick zum Himmel sagte ihm, dass er bedeckt war. Kein einziger Stern war zu sehen. Der von langen Lagerschuppen umgebene Gleiskörper Chickenvilles war so finster, dass die Zuginsassen sich nach der Laterne richten mussten, die der backenbärtige alte Bahnhofsvorsteher schwenkte.

Bayard biss fest in seinen Zigarillo und bahnte sich unter mürrischen Flüchen einen Weg. Die anderen Reisenden schienen sich gut hier auszukennen. Wahrscheinlich wohnten sie hier – er konnte sich nicht vorstellen, dass ein Fremder freiwillig in diesem Nest ausstieg. Als er das Bahnhofsgebäude fast erreicht hatte, rempelte ihn jemand von der Seite an und er verlor auf dem unebenen Boden das Gleichgewicht.

Bayard entglitt der Griff seiner linken Reisetasche. Er hörte einen leisen Aufschrei. Neben ihm fiel irgendwas dumpf zu Boden.

»Gottverdammte Kacke!«

Bayard schaute sich um. Es erschreckte ihn, als er erkannte, dass die Verwünschung nicht aus einer Männerkehle gekommen war. Die blitzend grünen Augen der unbekannten Remplerin maßen ihn fast vorwurfsvoll, als er sei er an der Katastrophe Schuld. Dann ging sie in die Hocke und musterte die Bescherung. Der metallene Verschluss ihres Koffers war aufgesprungen, ein Teil ihres Privatbesitzes lag auf dem Boden verstreut.

Bayard registrierte mit Entzücken, dass der gewagte Ausschnitt ihrer schwarzen Spitzenbluse die mangelnde Länge ihres Rockes mehr als wettmachte. Außerdem stellte er fest, dass an ihren kleinen Öhrchen große goldene Ringe baumelten. Der Fluch, den sie ausgestoßen hatte, sprach freilich dagegen, dass sie eine wohlhabende und gebildete Lady war.

Trotz der Dunkelheit erkannte Bayard einige der Dinge, die aus ihrem Koffer gefallen waren. Sie entzückten ihn noch mehr. Als Gentleman, fand er, war es nur recht und billig, wenn er der Lady ein wenig zur Hand ging. Also stellte er seine Reisetaschen ab, ging neben ihr in die Hocke und half ihr beim Einsammeln. Dies machte ihm besondere Freude, da der erste Gegenstand, den er fand, ein altrosafarbenes Höschen aus feinster Seide war.

»Was machen Sie da?«, fauchte die Frau, als sie sah, wie interessiert Bayard ihr Höschen betrachtete.

»Ich will Ihnen nur helfen, Lady«, erwiderte Bayard, ohne den Zigarillo aus dem Mund zu nehmen. Die anderen Passagiere waren weitergeschlurft, als hätten sie nichts gesehen. Bayard nahm an, dass sie nur bequem waren, was seiner Meinung nach von einer schlechten Kinderstube kündete. Er reichte der Lady das altrosafarbene Höschen.

»Kann ich helfen?« Der Bahnhofsvorsteher eilte mit der Laterne heran. »Sind Sie gestürzt, Lady? Haben Sie sich verletzt?«

Die Lady riss Bayard das Höschen aus der Hand und stopfte es in den Koffer. »Was fällt Ihnen ein, in meinen Intimitäten rumzuwühlen!« Ihre grünen Augen blitzten ihn an. »Ich kenn Sie doch nicht mal!«

»Intimitäten?«, echote Bayard schockiert.

»Ich werde Ihnen leuchten, Lady«, warf der Bahnhofsvorsteher ein. »Bücken kann ich mich leider nicht – ich hab’s nämlich im Kreuz.« Er seufzte. »Ist ’n altes Kriegsleiden.«

»Ich helf der Lady schon«, sagte Bayard und hob das nächste Höschen auf. Es war schwarz und aus Spitze.

»Danke.« Bevor die Laterne allzu viel Licht auf den Ort warf, an dem die Katastrophe passiert war, rafft die Lady drei weitere Höschen zusammen. Wie Bayard merkte, sahen sie noch lasziver aus als die beiden ersten.

Erst jetzt, im gelben Schein der Laterne, erkannte er, dass die neben ihm hockende, leicht hektische Frau sehr attraktiv war. Er schätzte sie auf Ende zwanzig, Anfang dreißig. Sie hatte ein schmales Gesicht und schulterlanges rotes Haar.

Unter ihrer Spitzenbluse wölbten sich zwei pralle Hügel, bei deren Sichtung in Bayards Hose spontan die Wollust ihr verdorbenes Haupt reckte. In seinem Kopf entwickelten sich spontan Phantasien von dermaßen unglaublicher Obszönität, dass er sich schüttelte. Keine Frage: Diese animalische Reaktion musste damit zu tun haben, dass er sich seit einer Woche kein Vergnügen mehr geleistet hatte. Er nahm sich vor, sich demnächst – an langen Winterabenden – dafür zu verachten.

Das nächste, was in seine Hand fiel, war das gerahmte Foto eines finster dreinblickenden, ziemlich dunkelhäutigen unrasierten Kerls mit einer langen schwarzen Mähne, dem man auf den ersten Blick ansah, dass er nicht zu einem Anwalt ging, wenn er sein Recht durchsetzen wollte. Da er Bayard auf den ersten Blick unsympathisch war, drehte er das Bild herum und reichte es der Lady. »Bitteschön.«

»Danke.« Die Lady seufzte dumpf, dann verschloss sie den Koffer und stand auf.

Bayard tat es ihr gleich. Sie standen nun im Schein der Laterne des backenbärtigen alten Zausels da und schauten sich an.

Offenbar gefiel der Lady, was sie zu sehen kriegte, denn nun besänftigten sich ihre Gesichtszüge und sie stellte ein Lächeln zur Schau.

»Entschuldigen Sie, dass ich Sie angerempelt habe – aber mir ist auf dem dämlichen Schotter der Fuß umgeschlagen.«

Bayard verzog das Gesicht zu einem freundlichen Grinsen. Seine Phantasien liefen Amok. Die Unbekannte war nicht nur attraktiv – ihre grünen Augen wiesen auch das geile Glitzern auf, das Frauen kennzeichnete, die wussten, was sie wollten. »Oh, aber ich bitte Sie! Freut mich, mich Ihre Bekanntschaft zu machen. Mein Name ist Bayard.«

»Ich bin... ähm... Mrs. Peccato.« Die Lady nahm Bayard nun noch näher in Augenschein, und er hatte urplötzlich den deutlichen und herzerwärmenden Eindruck, dass sich nicht nur zwischen seinen Schenkeln etwas regte. Sie schauten sich eine ganze Weile an. Hätte sich der Bahnhofsvorsteher nicht mit einem dezenten Hüsteln eingemischt, wären sie wohl noch länger neben dem Gleis stehen geblieben.

»Willkommen in Chickenville, meine Herrschaften.«

Bayard und Mrs. Peccato tauchten aus ihrer Trance auf und fuhren wie zwei ertappte Jugendliche herum, die man beim Fummeln erwischt hat.

»Gibt’s hier ein Hotel?«, erkundigte sich Mrs. Peccato. Ihre Stimme klang nun ein wenig heiser – um nicht zu sagen erregt.

»Aber gewiss, Lady.« Das backenbärtige Männlein tippte munter an seine Dienstmütze. »Ich empfehle Ihnen das Grand Hotel. Es ist bei den Reisenden sehr beliebt und auch sehr komfortabel.« Der Stationsvorsteher wandte sich um und deutete auf einen schmalen Gang, der sich zwischen dem Bahnhofsgebäude und einem Lagerschuppen dahin zog. Dahinter lag offenbar die Innenstadt – falls ein Ort mit dem Namen Chickenville überhaupt über dergleichen verfügte. »Es ist fast genau gegenüber, auf der Main Street. Sie können es nicht verfehlen.«

»Danke.«

»Stets zu Diensten.«

 

 

2.

 

Bayard nahm er seine Reisetaschen auf und marschierte neben Mrs. Peccato über die Main Street. Zu dieser späten Stunde – es war fast zehn – war sie mehr oder weniger verlassen. Zwei oder drei Saloons hatten noch geöffnet. Man hörte das schräge Geklimper einiger Pianos, das Klirren von Gläsern und dann und wann ein lautes Lachen.

Im Horseshoe-Saloon, der dem Bahnhofsgebäude wirklich gegenüber lag, öffnete sich die Schwingtür. Eine schlaksige Gestalt, die von einem großen Mann mit einer weißen Schürze und einem noch größeren Bauch sowie einem bullig wirkenden Soldaten gehalten wurde, flog im hohen Bogen auf die Straße und fiel klatschend in den Dreck.

Bayard und Mrs. Peccato blieben fasziniert stehen, als er sich spontan aufrappelte und der Lokalität, die auf einen Gast wie ihn offenbar verzichten konnte, mit der Faust drohte. »Wir sprechen uns noch, ihr Lumpen!«

Aus dem Horseshoe-Saloon kam ein Knurren. Der aufgebrachte Trunkenbold nahm sofort die Beine in die Hand und tauchte in der Finsternis unter.

Bayard und Mrs. Peccato schauten sich an.

»Hier herrschen raue Sitten«, sagte Bayard, ohne den Zigarillo aus dem Mund zu nehmen. »Ich schlage vor, Sie bleiben an meiner Seite. Ich könnte Sie eventuell vor Grobianen beschützen.«

Mrs. Peccato kicherte irgendwie erheitert, dann deutete sie mit dem Kopf auf ein dreistöckiges Holzgebäude. Über der Treppe, die zum Eingang hinauf führte, stand auf einem großen Schild in schwarzen Buchstaben: GRAND HOTEL.

Zwei Oldtimer, die auf der Veranda saßen, Bier aus Flaschen tranken und an Maiskolbenpfeifen nuckelten, fraßen Mrs. Peccato mit Blicken auf, als sie an Bayards Seite die knarrenden Stufen hinauf ging.

Hinter dem Empfangstresen in der Lobby stand ein ältlicher Gentleman mit einem Kneifer auf der Nase. Er trug einen dunkelblauen Nadelstreifenanzug, der dringend nach einem Bügeleisen verlangte. Auf seiner Krawatte waren Soßenflecken.

»Sir? Lady?«

»Ich brauche ein preiswertes Zimmer für die Nacht«, sagte Mrs. Peccato und schaute sich um. »Hast du was auf Lager, Kumpel?«

Der Nadelstreifenmann runzelte angesichts der vertraulichen Anrede die Stirn. Bayard konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Er hatte schon an von Mrs. Peccatos Unterwäsche gesehen, dass sie nicht von Gestern war. Frauen, die solche Höschen trugen, hatten seiner bescheidenen Erfahrung nach Haare auf den Zähnen. Nun, im Licht der Hotelhalle, sah er ihr Gesicht noch besser als im Laternenschein: Das Rouge auf ihren Wangen und das obszön-verlockende Rot ihrer schmalen Lippen hätten am Tag gewiss den örtlichen Frauenverein für Anstand und Sittlichkeit gegen sie aufgebracht. Ja, keine Frage: Mrs. Peccato verbreitete die Schwüle jener Bars, die man vorwiegend in den Großstädten des Ostens fand. Außerdem strahlte sie die Laszivität jener Frauen aus, die ihr Geld verdienten, indem sie entweder auf Tischen tanzten oder sich auf selbigen vernaschen ließen. Er fragte sich, ob sie wirklich verheiratet war oder nur so tat, um vor aufdringlichen Gentlemen sicher zu sein.

Zum Glück hatte der Nadelstreifenmann ein preiswertes Zimmer für sie. Für Bayard, in dessen fransenbesetzter Wildlederjacke fünfhundert Dollar knisterten, hatte er auch ein so genanntes Fürstenzimmer. Es war sündhaft teuer und kostete einen ganzen Dollar pro Nacht.

»Ich nehm es.« Bayard sonnte sich in dem neugierigen Blick, den Mrs. Peccato ihm zuwarf. Geld regierte die Welt, und je mehr ein Mann davon hatte, desto interessanter wurde er für die Frauen.

»Was halten Sie davon, Mr. Bayard «, sagte Mrs. Peccato mit einem schlüpfrigen Lächeln, als sie die Treppe nach oben nahmen, »wenn ich Sie für meine Ungeschicklichkeit entschädige, indem Sie mich noch zu einem kleinen Umtrunk an der Hotelbar einladen?«

Ihre Frechheit war liebenswert.

»Nichts lieber als das.« Bayard wuchtete seine Reisetaschen durch die Tür des Fürstenzimmers. »Vielleicht kriegen wir auch noch was zu spachteln?«

»Dann bis gleich.« Mrs. Peccato zwinkerte ihm zu, öffnete ihren roten Mund und machte Bewegungen mit der Zunge, die nicht weit davon entfernt waren, obszön zu wirken.

Bayard betrat schmunzelnd das adrett eingerichtete Zimmer, schloss die Tür und packte seine Sachen aus. Er spülte sich an der Waschschüssel den Staub der Reise vom Leib, zog ein paar frische Sachen an und ging wieder nach unten.

Die Hotelbar war fast leer. Sechs männliche Gäste standen an der Theke und würfelten mit dem Keeper, einem Burschen mit einer gewaltigen Wampe, grässlich pomadisiertem Haar und einer Zahnlücke, die so breit war, dass man eine Havanna in sie rein klemmen konnte.

Bayard genehmigte sich ein Bier und erkundigte sich, ob die Küche noch offen war.

»Gewiss doch, Sir.« Der Keeper reichte ihm die Karte. »Wenn Sie bitte Platz nehmen wollen?«

Bayard nahm an einem gemütlichen Tisch am Fenster Platz und ließ den Blick durch die Bar schweifen. Nicht nur die Umgebung war angenehm: auch die Gäste. Sie wussten sich zu benehmen. Weit und breit war kein Raufbold zu erspähen. Er sah nicht mal jemanden, der sich an der Theke festhalten musste. Nach den drei wilden Jahren in Minneapolis empfand er die hiesige Atmosphäre als sehr entspannend.

Und so wird es in Zukunft immer sein, dachte er, als er allein an seinem Tisch und sein Taschenmesser zückte, um sich die Nägel zu reinigen. Immerhin hatte er eine Art Rendezvous. Da galt es, sauber zu sein.

Du bist jetzt zu alt für den Scheiß, den du in den letzten zwanzig Jahren gemacht hast, Doc. Du machst jetzt irgendein hübsches kleines Geschäft auf, suchst dir eine hübsche kleine – und vor allen Dingen: anständige – Frau und...

Mrs. Peccato betrat die Hotelbar. Auch sie hatte sich umgezogen. Der Rock, den sie nun trug, war noch kürzer als der vorherige. Ihre schlanken und verflucht wohlgeformten Beine waren bis zum Knie zu sehen. Sie steckten in sündhaft teuren dunkelbraunen Seidenstrümpfen. Außerdem trug sie süße kleine Stiefelchen mit hohen, spitzen Absätzen, die nicht nur Bayard gefielen, sondern auch seinem Taschenmesser, denn es klappte von allein auf, als sie klackernd auf ihn zu kam und sich zu ihm setzte.

Die Würfler an der Theke drehten sich wie ein Mann herum und gafften. Es waren ausnahmslos brave Bürger, aber Bayard rechnete trotzdem damit, dass sie jeden Augenblick, lossabberten. Doch allem Anschein nach aber hatten sich die braven Bürger von Chickenville unter Kontrolle. Der Keeper wieselte an ihren Tisch. Bayard und Mrs. Peccato bestellten die Spezialität des Hauses – Steak mit Bratkartoffeln – und zwei große Bier.

Als der Keeper in der Küche verschwand, um die Order weiterzugeben, schauten sie sich tief in die Augen.

»Ich hab das Gefühl, dass wir uns kennen«, sagte Mrs. Peccato mit geradezu dämonisch heiserer Stimme. »Waren Sie schon mal in Rapid City?«

»Yeah.« Bayard nickte und spürte, dass sein Atem nun schneller ging. »Aber wir sind uns bestimmt noch nie begegnet. Eine Frau wie Sie würde ich doch nicht vergessen.«

»Danke.« Mrs. Peccatos kleine Hand fuhr langsam über den Tisch und legte sich auf die seine. »So ein schönes Kompliment hat mir noch niemand gemacht.« Ihre Zunge huschte nervös von einem Mundwinkel zum anderen. »Außerdem sind Sie ein attraktiver Mann.«

Bayard errötete. Im Gegensatz zu ihr war er es nicht gewöhnt, dass man ihm Komplimente machte. Außerdem war er der Meinung, dass es die Sache des Mannes war, die Frau zu verführen. Zwar hatte er nichts dagegen, wenn Frauen ihm zeigten, dass er ihnen gefiel – on the contrary, wie die Briten sagten –, aber das Tempo, dass Mrs. Peccato vorlegte, war ihm irgendwie unheimlich.

Außerdem war sie verheiratet!

»Sie brauchen sich auch nicht zu verstecken, meine Liebe«, erwiderte Bayard, um seine Verlegenheit zu überspielen. Er prostete ihr zu. »Darf ich fragen, was Sie in dieses abgelegene Nest führt, Mrs. Peccato?«

Mrs. Peccato zog ihre Hand zurück. »Ach, nur eine Banalität... Eine Familienangelegenheit.« Sie hüstelte. »Ich würde es vorziehen, nicht darüber zu sprechen, denn so erfreulich ist sie nun auch wieder nicht.« Sie seufzte. Dann unterzogen ihre katzengrünen Augen ihn einer sondierenden Musterung. »Und Sie, Mr. Bayard?« Sie deutete aus dem Fenster. »Sind Sie geschäftlich hier?«

Bayard zuckte die Achseln. »Ich weiß nicht.« Konnte er ihr von seinem irrsinnigen Plan erzählen? Konnte er ihr sagen, dass ihm auf der Fahrt hierher – auf einer Fahrt, die eigentlich in Denver hatte enden sollen – die blödsinnige Idee gekommen war, ein neues Leben anzufangen? Ausgerechnet in einem Ort, der Chickenville hieß? Würde er sich damit nicht der Lächerlichkeit preisgeben?

Wenn er sie einweihte, würde sie vielleicht noch andere Fragen stellen. Dann musste er ihr womöglich auch von seiner nicht gerade ruhmreichen Vergangenheit erzählen. Nein, dazu kannte er sie nun wirklich nicht gut genug.

»Sie wissen es nicht?« Mrs. Peccato setzte eine verdutzte Miene auf.

»Nun ja...« Bayard biss sich auf die Unterlippe. Welch blödsinnige Antwort. Nun saß er in der Patsche. »Sagen wir es mal so... Ich bin auf der Suche nach einem Ort, an dem ich vielleicht mein Glück machen kann.«

»Ihr Glück machen?« Mrs. Peccato legte den Kopf schief. Sie sah nun noch entzückender aus. »Offen gesagt als Sie das Fürstenzimmer gemietet haben, war mein erster Gedanke der, dass Sie Ihr Glück längst gemacht haben.«

Bayard grinste. »Ach, das...« Er winkte ab. »Geld ist nicht alles.«

»Ist es nicht?« Mrs. Peccato hob das Bierglas an ihre roten Lippen und trank einen Schluck. Dabei spiele sie so anzüglich mit der Zunge am Rand des Glases herum, dass Bayards Angst um die Festigkeit seiner Hosennähte bekam. »Ich hab immer geglaubt, wenn man Geld hat, stellt sich der Rest des Glücks von allein ein.«

»Das ist ein weit verbreiteter Irrglaube.«

Mrs. Peccatos Augen verengten sich. »Sagen Sie bloß, dass die Reichen in Wirklichkeit alle unglücklich sind.«

Bayard lachte. »Nein, das erzählen wir den Armen nur, damit sie nicht neidisch auf uns werden.«

Mrs. Peccato lachte. Ihr Lachen kam aus vollem Herzen. Sekunden später kam der Keeper mit dem Essen. Sie hauten rein. Die Spezialität des Hauses war wohlschmeckend und nahrhaft und außerdem so gut gesalzen, dass sie anschließend noch ein Bier bestellten. Die braven Bürger von Chickenville verabschiedeten sich nach und nach, wenn auch ziemlich zögerlich, und so waren Bayard und Mrs. Peccato bald mit dem Keeper allein im Raum.

Es war inzwischen Mitternacht. Der Keeper ließ die große Uhr, die über der Theke hing, nicht aus den Augen.

»Er will Feierabend machen«, sagte Bayard. »Ist wohl besser, wenn wir jetzt auch gehen.«

»Ohhh!« Mrs. Peccato setzte eine enttäuschte Miene auf. »Ich werde doch gerade erst wach! Ich bin nämlich ein Nachtmensch, müssen Sie wissen.«

»So wie ich«, sagte Bayard. »Zumindest dann, wenn ich mich in so reizender Gesellschaft befinde.«

»Ich sag Ihnen was.« Mrs. Peccato beugte sich über den Tisch und legte ihre Hand erneut auf die seine. Bayard roch ihr berauschendes Parfüm und sein Schwengel wurde hart. »Wir nehmen uns eine Flasche und zwei Gläser mit und verschwinden in Ihrem Fürstenzimmer. Ich wollte schon immer mal sehen, wie so was eigentlich aussieht.«

»Sie werden überrascht sein«, sagte Bayard locker, um sie nicht merken zu lassen, wie gut ihr Vorschlag bei ihm ankam. »Es sieht so aus wie jedes andere Zimmer. Mit dem einzigen Unterschied, dass die Beine meines Bettes in Spiritusschälchen stehen – damit die Wanzen und Kakerlaken keine Chance haben, zu mir ins Bett zu krabbeln.«

 

 

3.

 

Bayard hatte die Tür kaum hinter sich zugemacht, als er auch schon das Bett knarren hörte. Er wandte sich um. Die Himmel über der Stadt war aufgebrochen und durch eins der beiden Fenster, mit denen das Fürstenzimmer protzte, fiel silbernes Mondlicht hinein.

Mrs. Peccato lag ausgestreckt auf dem Bett. Sie hatte die Arme hinter dem Kopf verschränkt und musterte ihren Gastgeber, der – die Whiskyflasche in der einen, die Gläser in der anderen Hand – an der Tür stand. Ihr langes rotes Haar breitete sich wie eine Wolke anderer Art auf dem blütenweißen Kissen aus. Und ebenso ihr Rock, der nun, da sie die Beine anzog, bis ihre bestiefelten Füße flach auf der Tagesdecke lagen, über ihre Knie rutschte, sodass Bayard in die Lage versetzt wurde, jene Stelle zu sehen, an der ihre Schenkel zusammenwuchsen.

Mrs. Peccato trug ein zu ihrer Haarfarbe passendes Höschen jener Art, die die Engländer French Knickers nannten. Dies bedeutete, dass es weit geschnitten war und einer Hand die Möglichkeit bot, mühelos hineinzugreifen. Außerdem hatte Bayard nun das große Vergnügen zu sehen, dass seine ansehnliche neue Bekannte ihren Busen nicht von irgendwelche Textilien beengen ließ: Mrs. Peccato knöpfte nämlich gerade bar von Scham und Hemmung ihre Bluse auf und warf sie beiseite. Das, was gleich darauf in Bayards Blickfeld quoll, war beachtlich, prall, fest und eine wahre Freude anzusehen.

»Ich bin beeindruckt.« Bayard nickte Mrs. Peccato bewundernd zu. Dann stellt die Gläser auf das Nachtschränkchen an der rechten Seite des Messingbettes und füllte sie mit der Flasche, die der Barkeeper ihm zuvor entkorkt hatte.

Als er den Blick hob, hatte Mrs. Peccato sich auch der hochhackigen Stiefel und des Rockes entledigt. Sie lag nun, lediglich mit dem roten Höschen und dunklen Strümpfen angetan, breitbeinig auf dem Bett. Ihre rechte Hand fuhr langsam in ihrem Schlüpfer, in dem sie, wie Bayard mutmaßte, an sich herumspielte – entweder, um ihn oder sich selbst auf Touren zu bringen. Er konnte nicht verhehlen, dass der Anblick ihm gefiel. Er hatte in seinem Leben nur wenige Frauen getroffen, die so etwas taten, wenn ihnen jemand zuschaute. Wenn er ehrlich war, musste er sogar zugeben, dass fast alle diese Damen zu der Fraktion derjenigen gehörten, die für harte Dollars alles taten.

Er vergaß den Whisky. Er schälte sich, ohne die sich nun lüstern auf Bett wälzende Mrs. Peccato aus den Augen zu lassen, aus seinen Kleidern – was nicht ganz einfach war, da sein pochender Prügel ihn gehörig behinderte. Als er endlich nackt war, nahm er an Fußende des Bettes Platz und schaute ihr zu.

»Gefällt dir, was ich mache?«, hauchte Mrs. Peccato und streichelt sich mit einem heiseren Seufzen. Ihr noch immer behoster Schoß ruckte erregt auf und nieder.

Bayard schluckte. Seine Kehle war noch nie so trocken gewesen, und seine Lanze nur selten so hart. Was hatte er sich mit dieser Frau ins Haus geschleppt? Nicht, dass er etwas gegen Nymphomaninnen hatte, aber... Ihm fiel das Foto ein, das am Bahnhof aus ihrem kleinen Koffer gefallen war – das Porträt des Mannes, der nicht so aussah, als ließe er sich die Butter vom Brot nehmen, ohne den Dieb mit Blei voll zu pumpen. Angeblich hatte eine Familienangelegenheit die schamlose Mrs. Peccato nach Chickenville geführt. Bedeutete dies etwa, dass ihre Familie hier ansässig war? Wenn er es recht bedachte, hatte der Mann auf der Fotografie ziemlich italienisch gewirkt. Und war Peccato nicht ein italienischer Name?

Bayard schüttelte sich plötzlich. In Chicago, wo er zur Welt gekommen war, hatte er viele Italiener kennen gelernt. Diese Typen waren heißblütig und ziemlich fix mit dem Messer. Die fackelten nicht lange, wenn sie vermuteten, dass jemand an ihrer Frau rumgrabschte. Manche Italiener hatten schon Kerle abgestochen, weil sie ihre Frau nur angeschaut hatten... Es musste nicht mal ein eifersüchtiger Ehemann sein. In solchen Dingen waren die Italiener sehr eigen und hielten auch über mehrere Seitenlinien zusammen. Vielleicht lebten Mrs. Peccatos Brüder in Chickenville. Oder ihre Vettern.

»Komm endlich her«, stöhnte sie. »Zieh mir das Höschen runter, du böser, böser Mann...«

Es wird böse enden, dachte Bayard. Aber sein Verstand war angesichts dessen, was ihm hier geboten wurde, längst beim Teufel.

Er kniete sich aufs Bett, rutschte zwischen Mrs. Peccatos gespreizte Schenkel und beugte sich über ihren Schoß. Mrs. Peccato zog die Hand aus dem Höschen und musterte ihn aus glitzernd grünen Augen, aus denen totale Geilheit sprach. Als Bayard den Saum ihres Seidenhöschens packte und es langsam über ihre wunderbaren Schenkel nach unten zog, hörte er das Wummern seines Herzens.

Er entblätterte sie. Dann fiel sein Blick auf ihren Schoß, der von keinem Härchen verunziert wurde. »Wow!«

»Gefällt es dir?« Mrs. Peccato hob den Kopf, schaute ihn und spreizte die Beine. Bayard warf das Höschen aufs Bett und fragte sich, ob er je im Leben größere Augen gemacht hatte. Sein Schwengel fing noch heftiger an zu pochen und ihm kam der Gedanke, was es wohl für ein Gefühl war, in der seidig wirkenden Muschel zu stecken, die sich seinen Blicken schamlos darbot. Er war so erregt, dass er Mrs. Peccato am liebsten auf der Stelle aufgespießt hätte, doch als Mann von Welt beherrschte er natürlich seine animalischen Instinkte.

Er legte sich mit hämmernden Schläfen zwischen ihre Beine aufs Bett, umklammerte ihre angezogenen Oberschenkel und küsste zärtlich ihren Schamhügel. Mrs. Peccato seufzte beglückt und griff sich an die Brüste.

Ihr Schoß war so heiß wie Bayards Phantasie: Er wölbte er sich ihm entgegen und fuhr hoch, so dass seine Lippen kurz darauf die ihren küssten. Hitze wallte in ihm auf. Da er auf dem Bauch lag, drückte sich sein Bolzen an die Tagesdecke, was ihn so sehr in Erregung versetzte, dass er sich zusammenreißen musste, um sich nicht vorzeitig zu entladen.

Bayard küsste ihren Schamhügel. Seine Zunge spielte mit ihrer Knospe. Mrs. Peccato wälzte sich kehlig seufzend auf dem Rücken. Ihre Hände hielten ihre prallen Brüste fest und kneteten sie. Sie zwickte sich stöhnend in die Nippel und rieb ihren Schoß an Bayards Gesicht. Es war ein göttlicher Anblick, der ihn mit jeder Sekunde mehr in Erregung versetzte. Als er schließlich glaubte, es nicht mehr aushalten zu können, richtete er sich auf, beugte sich über die erregte rothaarige Frau und küsste ihre Brüste.

Als er sich an ihrem haarlosen Schoß rieb, seufzte Mrs. Peccato heftig, ließ von ihren prächtigen Lungenauswüchsen ab, packte sein Zepter und knetete es mit fester Hand. Bayard ächzte vor Wonne. Seine Zunge peitschte um ihre erigierten Brustwarzen. Dann kroch er höher. Als sein Mund über dem ihren war, spürte er auch schon ihre spitze Zunge, die zwischen seine Lippen fuhr, um die seine auf obszöne Weise zu umtanzen.

Bayards Nerven vibrierten. Zwischen seinen Schenkeln tobte das Chaos. »Ich platz gleich«, stöhnte er zwischen zwei feurigen Küssen. »Ich hab eine ganze Woche abstinent gelebt...«

»Ich auch«, keuchte Mrs. Peccato. »Ich bin scharf wie ein Rettich!«

Bayard ließ sich auf sie sinken. Als sie sich küssten, spürte er, dass sie seine Lanze dorthin schob, wo er hin musste, um sie aufzuspießen. Eine Sekunde umfasste ihn ihre heiße, schlüpfrige Enge. Seine Intelligenz verabschiedete sich.

»Yeah...« Mrs. Peccatos Schenkel schlangen sich fest um seinen nackten Rücken. Ihr Schoß schmiegte sich an den seinen. »Oh, yeah, Mann... Komm, gib’s mir... Gib’s mir...«

Bayard stützte sich mit den Armen ab und schloss die Augen. Sein Unterleib setzte sich in Bewegung und fing an zu stoßen.

Es wird böse enden, zuckte er noch einmal durch seinen Schädel. Dann reichte sein Gehirn endgültig den Abschied ein. Er lauschte dem leisen Stöhnen der erregten Rothaarigen, deren Schoß sich lustvoll an ihm rieb und versank in ihren lustvollen Seufzern. Sie hielt ihn in jeder Hinsicht fest umklammert, und als Bayard die Augen öffnete, sah er, dass sie mit einer Hand ihre Knospe rieb.

Kurz bevor er sich entlud, explodierte Mrs. Peccato mit einem endlosen Stöhnen. Ihre Scheide verengte sich und sie schlang die Arme so fest um seinen Hals, dass Bayard, der nicht die Absicht hatte, sie zu schwängern, Mühe hatte, sich von ihr zu lösen. Er verdrehte die Augen und kam auf ihren Bauch. Dann sank er ächzend an ihre Brust und schnappte nach Luft.

»Ah, es war großartig...« Mrs. Peccatos Zungenspitze spielte an seinem Ohrläppchen. »Du glaubst nicht, wie mir das gefehlt hat.«

Bayard hob den Kopf, stützte sich ab und schaute sie an. Ihre Augen strahlten. Ihre Wangen waren gerötet. Sie sah sehr attraktiv aus und kam ihm nun noch begehrenswerter vor.

 

 

4.

 

»Ob du’s glaubst oder nicht«, sagte er ein paar Minuten später und stieg von ihr herunter, um sich der Flasche und den Gläsern zuzuwenden. »Du bist die erste Frau, mit der ich im Bett war, ohne ihren Vornamen zu kennen.«

»Oh.« Mrs. Peccato richtete sich kichernd auf. »Hab ich ihn nicht genannt? Ich heiße Louise. Aber meine Freunde...«

Bayard unterbrach sie mit einer Handbewegung. »Lass mich raten. Sie nennen dich Lou?«

Lou nickte. Dann kicherte sie. »Und wie heißt du? Ich war nämlich auch noch nie mit einem namenlosen Mann im Bett – abgesehen vielleicht von denen, die mir einen falschen genannt haben.«

»Nenn mich Doc«, erwiderte Bayard. »Mein Vorname so abartig, dass nur die alten Griechen ihn schätzen würden.« Er nahm die beiden Gläser und reichte eins Lou.

»Du bist Arzt?« Sie machte große Augen.

»Ach, was«, log Bayard, da er keine Lust hatte, mehr als unbedingt nötig über sich preiszugeben. »Als ich jung war, hab ich viele Bücher gelesen. Als Schüler hat man dann schnell den entsprechenden Spitznamen weg.«

Lou trank einen Schluck. Auch Bayard setzte sein Glas an die Lippen. Der Whisky schmeckte nicht schlecht, aber in einer ordentlichen Stadt wurde vermutlich auch ordentliches Feuerwasser gebraut. Chickenville gefiel ihm immer besser. Vielleicht ließ sich hier wirklich etwas Geschäftliches in die Wege leiten, das seine Zukunft sichern konnte. Vor allen Dingen war es nun, nachdem er seine Lust befriedigt war, wichtig, dass er von den etwaigen hier lauernden Gefahren erfuhr: Etwa von nachtragenden italienischen Ehemännern mit Stiletten und feurigem Temperament.

»Erzähl mir was über dich.« Er zündete sich einen Zigarillo an und nahm am offenen Fenster auf einem Stuhl Platz. »Was machst du hier?«

Lou stand auf, trat an die Waschschüssel, säuberte sich von dem Glibber, der an ihrem flachen Bauch klebte und trocknete sich mit seinem Handtuch ab. Dann packte sie ihr rotes Höschen, schlüpfte hinein und nahm ihm gegenüber auf der Bettkante Platz. »Gibst du mir auch einen?« Sie deutete auf die flache silberne Dose, in der Bayard seine Zigarillos aufbewahrte. Er gab ihr einen und zündete ihn an. Lou paffte eine Weile vor sich hin, dann erwiderte sie: »Ich bin hier, um ’ne Angelegenheit zu regeln.«

»Was ist das für ’ne Angelegenheit?«

Louise seufzte. »Es geht um meinen Mann.«

Bayards Muskeln spannten sich instinktiv. »Ist er hier? In der Stadt?«

Lou zuckte die Achseln. »Ich weiß nicht. Ich glaub nicht. Er hat sich irgendwann bei Nacht und Nebel einfach verdrückt.«

»Und?«

»Und? Ist das nicht offensichtlich?« Lou blies einen weißgrauen Rauchkringel in die Luft und setzte eine leicht empörte Miene auf. »Ich möchte natürlich wissen, wo er steckt.«

»Und das hoffst du hier zu erfahren?«

Sie nickte.

»Na, komm schon«, sagte Bayard. »Lass dir nicht jeden Wurm einzeln aus der Nase ziehen. Wieso glaubst du, dass du ausgerechnet hier etwas über ihn erfährst?«

»Seine Mama wohnt hier«, sagte Lou mit leicht spöttischem Unterton.

»Seine Mama?« Bayard strich sich übers Kinn. Welch ungewöhnlicher Ausdruck. »Nennt er seine Mutter so?«

Lou grinste nun. »Francesco – Frank, meine ich – ist Italiener. Seine Mama geht ihm über alles.« Sie grinste noch breiter. »Er hat gesagt, es gibt nur einen Menschen auf der Welt, dem er wirklich vertraut. Jetzt rat mal, wer das ist.«

»Mama?« Bayard saugte an seinem Zigarillo. »Seit wann bist du verheiratet?«

»Seit einem Jahr«, erwiderte Lou. »Aber nach einer Woche hat der Bastard sich abgesetzt.« Sie presste wütend die Lippen aufeinander. »Es war in Rapid City.«

»Glaubst du, er hat eine andere?«

Sie zuckte die Achseln. »Ich weiß nicht. Vielleicht hat er auch nur Dreck am Stecken und ist deswegen verschwunden.« Sie lachte leise. »Weißt du, wir haben uns nur ein paar Tage gekannt. Unsere Ehe war ein Witz. Ich glaube, wir waren beide nicht ganz nüchtern als wir uns vom Friedensrichter haben trauen lassen.« Sie knirschte mit den Zähnen und schaute Bayard an. »Ich will ihn eigentlich nur finden, damit ich mich scheiden lassen kann. Ich hab nämlich keine Lust, jemandem treu sein zu müssen, der sich irgendwo in der Welt rumtreibt und sich einen Scheißdreck dafür interessiert, wie es mir geht und wie ich mich durchs Leben schlage.«

Sie schnippte die Zigarillo-Asche auf die Untertasse, die anstelle eines Aschenbechers auf dem Nachtschränkchen stand und eines Fürstenzimmers völlig unwürdig war. »Sobald ich seine Alte ausfindig gemacht hab, prügle ich seinen Aufenthaltsort aus ihr raus, darauf kannst du dich verlassen!«

»Wieso kommst du erst jetzt hierher?«

Lou seufzte. »Hat eben lange gedauert, bis ich jemanden getroffen hab, der wusste, wie seine Alte heißt und wo sie wohnt. Es war ’n Soldat. Er hatte irgend ’ne Familiensache in Rapid City zu klären.« Sie stand auf, stellte sich ans Fenster und schaute in die stille kühle Nacht hinaus.

Bayard empfand eine kurze Besorgnis, dass jemand sie sah, aber die Main Street von Chickenville war menschenleer. Wahrscheinlich gingen die Bürger hier mit den Hühnern schlafen, nach denen sie ihre Stadt benannt hatten.

»Ein Kilometer nördlich von hier, am Fuß der Rockies, liegt ein altes Fort«, sagte Lou leise. »Ich hab gehört, dass Franks Alte dort die Kantine betreibt.« Sie wandte sich zu Bayard um. »Die Italiener sollen einen ziemlich großen Familiensinn haben. Wenn seine Alte ’ne echte Italienerin ist, hat sie bestimmt Verbindung zu ihm und nimmt mich hoffentlich mit offenen Armen auf. Dann krieg ich raus, wo der Lump sich versteckt hält – und was er möglicherweise ausgefressen hat.«

 

 

5.

 

Am nächsten Morgen – Lou hatte die Nacht im Fürstenzimmer verbracht – stand Bayard nach dem ersten Hahnenschrei auf.

Er wusch und rasierte sich lautlos an der Waschschüssel, dann warf er einen liebevollen Blick auf die noch immer schlafende Lou und begab sich in die Hotelbar hinunter, um sich ein Frühstück zu genehmigen.

Am Tresen erblickte er den Rücken einer Gestalt, die sich mit polternder Stimme mit dem Barkeeper unterhielt. Von hinten betrachtet sah der Mann aus wie ein Cowboy, doch an seinem mit Patronen gespickten Gurt baumelten zwei schwere Colts. Selbst wenn Bayard die heisere, bärbeißig klingende Stimme des breitschultrigen Burschen nicht gehört hätte – seine Säbelbeine waren unverkennbar. Sein schwarzer Filzhut lag neben ihm auf der Theke.

Nigel Smollets Haupthaar hatte sich gelichtet. Er hatte auch mehr Bauch als früher. Wie das listige Grinsen andeutete, das Bayard von der Seite sah, war er noch immer der alte Gauner, den er aus Chicago kannte. Dass auf der rechten Hälfte seiner Lederweste nun ein sechszackiger Stern prangte, empfand Bayard freilich als leicht schockierend. Er hatte Smollet zuletzt auf einem Foto gesehen. Es hatte einen Steckbrief geziert. Aber es war zehn Jahre her, und in Colorado scherte man sich wohl nicht sonderlich um die Gesetze des Staates Kansas.

»Ich wird ohnmächtig«, sagte Smollet, als er sich umdrehte und Bayard ins Auge schaute. »Was, in aller Welt, machst du denn hier? Wirst du nicht in Iowa gesucht?«

»Und du in Kansas?« Bayard klopfte Smollet fröhlich auf die Schulter und bewunderte den Bronzestern, der ihn als Marshal von Chickenville auswies. »Bist du etwa seriös geworden, Nigel?«

»Mann, es liegt am Alter.« Smollet zuckte die Achseln. Er hatte seinen britischen Akzent noch immer nicht abgelegt. »Ich werd bald fünfzig. Da kann man nicht mehr so wild rummachen wie mit achtundzwanzig.« Er deutete auf die Theke. »Trinken wir einen auf die alten Zeiten?«

»Nicht vor dem Frühstück.« Bayard zog den Marshal an den Tisch, den man für Lou und ihn gedeckt hatte.

»Du bist also auch seriös geworden, Doc?« Smollet grinste.

»Wie du schon gesagt hast, Mann. Es liegt am Alter.«

Die beiden Männer nahmen grinsend Platz. Eine bezopfte junge Frau in einem blauen Kleid, das sich ebenso über ihrem Hintern spannte wie über ihrem Busen brachte ihnen Kaffee. Als sie ging, warf Smollet einen Blick hinter ihr her und seufzte lüstern.

Bayard lachte. »Wie ich sehe, hast du dich nicht verändert. Was macht dein Zucker?«

»Gestern hat er noch gezuckt«, erwiderte Smollet.

»Du siehst so unverheiratet aus.« Bayard deutete auf die Kaffeekanne, und Smollet bediente sich.

»Ach, Doc, Burschen wie wir kriegen doch keine Frau mehr mit.« Smollet füllte die für Lou vorgesehene Tasse und trank einen Schluck. »Unsereiner ist schon wegen seines Rufes zu ewiger Einsamkeit verdammt. Wo wir auch hingehen – unser Ruf ist immer schon vor uns da. Und als Hüter des Gesetzes lebt man doppelt gefährlich. Auf so was lassen sich anständige Frauen nicht gern ein.« Er beugte sich zwinkernd über den Tisch. »Im Vertrauen: Auch die Bezahlung ist beschissen. Die Rustler, die ich kenne, fahren viel mehr Geld ein.«

Bayard deutete mit dem Kinn aus dem Fenster und auf die braven Bürger von Chickenville, die auf der Main Street ihren Geschäften nachgingen. »Der Ort sieht aber nicht nach ’nem heißen Pflaster aus.« Die Läden und Werkstätten waren trotz der frühen Stunde schon in Betrieb. Ganz in der Nähe war das Hämmern einer Schmiede zu hören.

Smollet wiegte den Kopf. »So was kann täuschen. Hier ist zwar nicht so viel los wie früher in Tombstone oder Abilene, aber hier passiert gelegentlich auch schon mal was.« Sein Kopf deutete auf das gegenüberliegende Büro der Overland-Postkutschenlinie. »Es stimmt zwar, dass die Leute hier normale Bürger sind und ich höchstens am Freitagabend mal ’ne eine Auseinandersetzung zwischen zwei Trunkenbolden schlichten muss, aber manchmal wird hier auch ’n Ding gedreht.«

»Zum Beispiel?« Die bezopfte junge Frau kam erneut herein und brachte Bayard eine würzig duftende Portion Rühreier mit Speck. Er haute kräftig rein.

»Vor ’nem Jahr ungefähr musste ich ’ne wirklich heiße Sache aufklären«, berichtete der Marshal und schaute ihm beim Spachteln zu. »Drei Burschen, die hier aus der Gegend stammen, haben ’n paar Kilometer südlich der Stadt ’ne Postkutsche überfallen...« Er runzelte die Stirn. »Ich hab sie sogar gekannt. Es waren die Peccato-Brüder.« Er schüttelte den Kopf. »Echte Taugenichtse, ziemlich schlimme Finger.«

Die Peccato-Brüder? Bayards Kopf fuhr hoch. Hatte er richtig gehört?

»Eddie Colby war gerade mit ’nem Zweispänner zu seiner Pferderanch unterwegs. Er hat die Schießerei gehört. Er ist sofort in die Stadt zurück gebraust und hat Zeter und Mordio geschrien. Ich bin sofort mit ’ner Posse raus, aber die Jungs waren schon über alle Berge – und mit ihnen die fünfzigtausend Dollar, die in der Kutsche waren. Es waren Soldgelder für Fort Doyle.«

Bayard riss die Augen auf. »Fünfzigtausend?!«

»Yeah.« Smollet nickte. »Der Sold für’s ganze Jahr. Die Jungs waren natürlich maskiert, aber Colby hat einen von ihnen an seinem Gaul erkannt. Der Blödmann hatte ihn nämlich erst ’n paar Tage zuvor bei ihm gekauft. Wir sind wie der Teufel hinter den Brüdern her. Am frühen Abend haben wir sie am Stony Creek gesichtet. Sie legten gerade ’ne Rast ein. Ich hab sie aufgefordert, die Knarren hinzulegen und sich mit ausgestreckten Armen auf den Boden zu fläzen, aber die blöden Hunde haben sofort auf uns geschossen. Woran man erkennen kann, wie schwach begabt sie waren, denn ich hatte zwanzig Mann bei mir und sie waren nur zu dritt.«

»Habt ihr sie umgelegt?«, fragte Bayard interessiert. Ob Louise Peccato sich über diese Nachricht freuen würde? Andererseits wusste er nicht, ob ihr Mann einer der Peccato-Brüder gewesen war. Italienische Familien waren in der Regel groß. Vielleicht... Er schaufelte den letzten Bissen in sich hinein, trank einen Schluck Kaffee und kramte in den Taschen seiner Jacke nach der flachen Dose, in der er seine Zigarillos aufbewahrte.

»Nee.« Smollet schüttelte den Kopf. »Dafür haben diese Deppen selbst gesorgt.« Er beugte sich vor. »Natürlich haben wir uns nicht einfach den Schwanz eingezogen. Als unser Blei ihnen um die Ohren flog, haben sie’s mit der Angst gekriegt und sind über den Stony Creek rüber...« Smollet strich über sein viereckiges Kinn. »Er ist ziemlich seicht, musst du wissen. Am anderen Ufer haben sie in einer Hütte verschanzt, die zu ’ner alten Silbermine gehört.« Er grinste plötzlich. »Leider wussten weder wir noch sie, dass der Mann, dem die Mine gehört, ein ziemlicher Schlamper war. Er hatte nämlich noch ’n Fässchen Dynamit in der Hütte gelagert... Und irgendwann bei der Ballerei hat einer unserer Leute es wohl getroffen.«

»Oh.« Bayard zündete sich einen Zigarillo an.

»Yeah, genau das hab ich damals auch gesagt.« Marshal Smollet kratzte sich am Kopf. »Als das Feuer erloschen war, die Rauchwolke sich verzogen hatte und es keine Balken und Bretter mehr vom Himmel regnete, haben wir versucht, die Einzelteile der Jungs zusammenzukratzen. Aber das war nicht einfach.« Er hüstelte. »Kann nicht sagen, dass ihre Mutter sich gefreut hat, als wir ihr die Überreste in einer Kiste brachten. Wir konnten die Jungs nicht mal identifizieren.« Smollet lehnte sich zurück, zückte seinen Tabaksbeutel und drehte sich eine Zigarette. »Von einem der drei haben wir gar nichts mehr gefunden – kein Schädel; nichts. Und von der Beute auch keine Spur.«

Bayard spitzte die Ohren, denn fünfzigtausend Dollar waren eine Menge Geld. »Ist sie verbrannt?«

»Verbrannt oder in Fetzen gerissen. Was weiß ich.« Smollet trank noch einen Schluck, dann steckte er sich die Zigarette an und stand auf. »Vielleicht haben sie das Geld auch auf der Flucht irgendwo versteckt oder Peccato Nummer drei ist vor der Explosion damit entwischt.« Er wiegte den Kopf. »Wer kann es schon sagen?«

Bayards Ohren wurden noch spitzer. »Ihr habt also keinen konkreten Anhaltspunkt, wer von Brüdern die Explosion überlebt haben könnte?« Er stellte diese Frage nicht nur, um in Erfahrung zu bringen, ob Louise Peccato nun Witwe war und sich die Suche nach ihrem Gatten schenken konnte, sondern auch deswegen, weil ein Name immerhin eine Spur war. Fünfzigtausend Dollar waren, wie gesagt, ein Haufen Geld – und für einen Mann, der erst gestern beschlossen hatte, sich eine neue Lebensaufgabe zu suchen, ein verlockender Grund, sich detektivisch zu betätigen.

»Nee.« Smollet schüttelte den Kopf. Dann beugte er sich zu Bayard hinunter. »Jetzt, wo ich dem Staat diene, bin ich eigentlich verpflichtet, in der Öffentlichkeit keine ehrabschneidenden Theorien zu verbreiten, aber...« Er schaute sich rasch um. »Ich hab da so ’ne Vermutung.«

»Erzähl mal«, gab Bayard leise zurück.

Smollet hüstelte. »Bevor wir die Spur der Burschen aufnahmen, hatten sie mehrere Stunden Zeit, die Beute zu verstecken.«

Bayard leckte sich die Lippen. »Du meinst also, sie könnte noch in der Gegend sein?«

»Tja, wer weiß...« Smollet zuckte die Achseln. »Ich hab die Jungs, wie schon gesagt, relativ gut gekannt. Ich kenn auch ihre Mutter, die wiederum ein Kapitel für sich ist.« Er runzelte die Stirn. »Italiener haben alle ’ne selten gute Beziehung zu ihren Mamas, und was Mama Peccato angeht... Sie ist ’n wahrer Teufel. Sie ist hart wie Stein und hat Haare auf den Zähnen. Sie würd für ihre Brut alles tun. Auch die Beute verstecken. Aber aus der kriegst du nichts raus.« Er tippte an seinen Hut. »Ich muss jetzt meine Runde machen. Lass dich mal in meinem Office sehen. Es ist das letzte Haus auf dieser Seite der Main Street – auch von der Qualität her. Dann heben wir einen und schwafeln über die gute alte Zeit.«

»Gemacht.« Bayard winkte dem Marshal zu und schaute hinter ihm her, als er krummbeinig die Hotelbar verließ und auf die Straße hinaustrat. In seinem Kopf wirbelten allerlei Gedanken umher, sodass er es fast verpasste, als Louise Peccato zu ihm trat. Sie sah so hinreißend vulgär aus wie am Abend zuvor, begrüßte ihn mit einem sinnlichen Lächeln und nahm ihm gegenüber Platz. Die junge Frau mit den Zöpfen eilte heran, brachte ihr eine neue Tasse und nahm ihre Bestellung auf. Während Bayard seine zweite Tasse Kaffee schlürfte, dachte er über Smollets Worte und all die schönen Dinge nach, die man sich für fünfzigtausend Dollar kaufen konnte.

Allmählich begriff er, dass er nicht jünger wurde, wenn er hier herumsaß und Louise beim Verzehr ihrer Rühreier zuschaute. Der Fall Peccato – beziehungsweise der Verbleib der Beute aus dem Überfall – schrie nach einer Lösung. Laut Smollet hatten die Brüder jede Menge Zeit gehabt, sie zu verstecken. Laut Lou hatte Frank gesagt, dass es nur einen Menschen gab, dem er vertraute: Seiner Mama. Und zu dieser Mama war Lou unterwegs. Fünfzigtausend Dollar waren ein Vermögen. Steuerfrei waren sie noch viel mehr wert. Ein durchschnittlicher Cowboy brachte es, wenn sein Arbeitgeber ihm wohl gesonnen war, auf fünfzig im Monat. Ein gewiefter Zocker konnte leicht das Zehnfache einsacken, wenn seine Mitspieler nicht wussten, wie viele Asse er im Ärmel hatte. Aber auch der ausgeschlafenste Zocker konnte nicht jeden Monat fünfhundert Dollar einfahren. Manchmal machte er auch fünfhundert Miese.

Bayard schaute Lou kurz an, dann fragte er sich, warum sie wirklich nach Chickenville gekommen war.

Angenommen, sie hat mir einen Bären aufgebunden? Angenommen, sie weiß sehr wohl wo Frank sich versteckt hält... Angenommen, er hat sie hergeschickt – um sich die Beute zu krallen, die Mama irgendwo für ihn versteckt hat.

Er versuchte sich in Franks Gedanken hineinzuversetzen. Frank selbst konnte sich hier nicht blicken lassen. Vielleicht wurde seine Mama heimlich von den Behörden beäugt. Möglicherweise wurde sie sogar im Auftrag einer Versicherung von getarnten Pinkerton-Detektiven beschattet. Lou hingegen kannte niemand in Chickenville und Umgebung. Sie war unverdächtig. Kein Mensch würde etwas ahnen, wenn sie ihren Schlüpfer und ihr Korsett, falls sie eins hatte, mit Dollarnoten ausstopfte und sich klammheimlich wieder vom Acker machte.

War Lou nach Chickenville gekommen, um die Beute abzuholen?

Er musste es herausfinden.

Als sie mit dem Essen fertig war, sagte er: »Hast du was dagegen, wenn ich dich zu deiner Schwiegermama begleite? Ich hab hier ohnehin nichts zu tun, und dieses Kaff sieht nicht so aus, als könnte es mich über mehrere Stunden fesseln.«

»Aber gar nicht.« Lou klang erfreut.

»Kennst du den Weg?«

Sie schüttelte den Kopf.

Bayard stand auf. »Dann zieh ich mal Erkundigungen ein.«

Er verließ die Hotelbar, an der Lou gemütlich ihren Kaffee trank und begab sich in die Empfangshalle, wo der Nadelstreifenmann gelangweilt eine Ausgabe der Zeitschrift The Black Cat durchblätterte.

»Gibt’s hier in der Nähe ein Fort, guter Mann?« Bayard ließ eine Dollarnote über den Empfangstresen wachsen.

Die rechte Hand des Nadelstreifenmannes schoss vor und ließ sie blitzschnell verschwinden. »Ja, Sir«, erwiderte er. »Fort Doyle. Aber nicht mehr lange, Sir.«

»Was soll das heißen?« Bayard runzelte die Stirn.

»Soweit ich weiß, Sir«, haspelte der Nadelstreifenmann diensteifrig, »wird die Truppe in den nächsten Tagen verlegt. Nach Fort Collins, glaube ich, wo irgendwelche aufmüpfigen Indianer mal wieder mit ihren Lebensbedingungen unzufrieden sind und Stunk machen.«

Wenn du so leben müsstest wie die, dachte Bayard, würdest du dir ’ne Schrotflinte greifen und Amok laufen. Er sprach es aber nicht aus, denn er hatte gelernt, dass es wenig brachte, sich mit Unbelehrbaren anzulegen.

»Und was wird dann aus dem Ding?«

Das Gesicht des Nadelstreifenmanns verzog sich zu einem schlüpfrigen Grinsen. Dann beugte er sich über den Tresen. »Wie man hört«, sagte er leise, als verriete er ein Geheimnis, »ist es verkauft worden.«

»Verkauft? An wen?«

»An die personifizierte Sünde«, raunte der Nadelstreifenmann. Er leckte sich die Lippen und schaute sich um. »Wenn die Gerüchte stimmen, die man so hört, wird sie dort bald ein... ähm... Etablissemang eröffnen.« Er zwinkerte vertraulich. »Wenn Sie verstehen, was ich meine.«

»Und ob ich verstehe.« Bayard ließ sich den Weg genau beschreiben. Er fand die Information interessant und nahm sich vor, bei Gelegenheit darüber nachzudenken. Dann kehrte er zu Lou zurück.

 

 

6.

 

Nachdem Bayard im Auftrag seiner Begleiterin im Livery Stable einen Einspänner samt Pferd gemietet hatte, fuhren sie nach Norden. Die Straße, die von Chickenville aus zum Fort führte, war gut in Schuss.

Eine knappe halbe Stunde später erspähte er auf der rechten Seite einen Palisadenzaun und einen hohen Mast, an dem die Flagge der Vereinigten Staaten wehte. Das Tor des Forts stand weit offen und wurde von zwei Uniformierten bewacht, die Lou so verzückt anstarrten, dass Bayard um ihre Moral fürchtete. Auf dem sich hinter ihnen ausbreitenden Gelände waren zehn oder zwölf Planwagen aufgereiht. Ein Trupp schwitzender Kavalleristen schleppte unter dem Kommando eines stiernackigen Master-Sergeanten Kisten, Kästen, Fässer und Säcke aus Unterkünften und Lagerhäusern hervor. Andere Soldaten, die auf den Planwagen standen, nahmen den Kram entgegen und verstauten und befestigten ihn auf den Fuhrwerken.

Ein hagerer Lieutenant mit blondem Haar und blauen Augen, der die Oberaufsicht über die Verladearbeiten zu haben schien, erspähte den Einspänner am Tor, verließ seinen Posten an einem Brunnen und stiefelte ihnen interessiert entgegen. Als sein Blick auf Lou Peccato fiel, errötete er heftig und Bayard wusste, dass nicht nur er eine schmutzige Phantasie hatte.

Der Lieutenant erkundigte sich nach ihrem Begehr.

»Ich möchte zu Mrs. Peccato.« Lou schenkte dem jungen Offizier einen Blick, der ihn noch roter werden ließ. »Ich bin ihre Schwiegertochter.«

»Ach, wirklich?« Der Lieutenant leckte sich die Lippen. Dann fiel sein Adlerblick auf Bayard. »Und der Gentleman in Ihrer Begleitung?«

»Dr. Bayard«, prahlte Lou. »Ein Freund der Familie.«

»Oh, ein Akademiker!« Der Lieutenant tippte an seinen Hut. »Willkommen in Fort Doyle, Sir! Ich bin Lieutenant van Husen, und hoffentlich bald Student der Medizin.« Er winkte den Wachen, und sie ließen den Einspänner passieren.

Bayard lenkte die kleine Kutsche zum Brunnen hin, der in der Mitte des Forts lag, dann sprang er ab und half Lou beim Aussteigen. Lieutenant van Husen gesellte sich zu den inzwischen stieläugigen Soldaten, die ihre Verladearbeiten nun einstellten und räusperte sich so heftig, dass sie zusammenzuckten und ihre Tätigkeit murmelnd wieder aufnahmen. Der Master-Sergeant, ein bulliger Bursche mit einem buschigen Schnauzbart, war der einzige Mann, der sich von den Kurven der hübschen Rothaarigen nicht ablenken ließ. Er brüllte weiterhin seine Kommandos.

Fort Doyle war nicht sehr groß. Etwa ein Dutzend ein- und zweistöckige Hütten waren an den Innenwänden des Palisadenzauns aufgereiht. Einige andere Gebäude schienen Ställe, Lagerräume und die Kantine zu beherbergen. Bayard schätzte, dass Fort Doyle von ungefähr zweihundert Soldaten bevölkert war. Wohin er schaute, erblickte er die Hektik der allgemeinen Aufbruchsstimmung.

»Kann ich Ihnen helfen, Sir und Lady?«

Bayard und Lou fuhren herum. Der Master-Sergeant mit dem buschigen Schnauzbart – er war etwa vierzig Jahre alt – stand plötzlich hinter ihnen. Lou stellte sich vor und erkundigte sich nach »Mrs. Carmen Peccato«.

»Sie sind Mrs. Peccatos Schwiegertochter?« Der Master-Sergeant machte große Augen. »Ich hab gar nicht gewusst, dass einer ihrer Jungs verheiratet war.«

»Frank hatte wohl keine Zeit, es seiner Mutter zu schreiben«, erwiderte Louise. »Ist sie hier? Kann ich sie sprechen?«

»Aber natürlich. Kommen Sie.« Der Master-Sergeant deutete auf das größte Gebäude im Innenhof. Es war mit einer Schwingtür versehen. »Ich bringe Sie hin.«

Lou warf Bayard einen fragenden Blick zu.

»Ich warte hier«, sagte er und nickte ihr zu. »Ich schau mir einstweilen das Fort an.«

Als Lou dem Uniformierten ins Innere die Kantine folgte, nutzte Bayard die Gelegenheit, sich mit der Umgebung vertraut zu machen und schaute den Soldaten bei der Arbeit zu.

Kurz darauf gesellte sich Lieutenant van Husen zu ihm. »Tja, ich war fast vier Jahre hier«, sagte er irgendwie wehmütig. »Meine Dienstzeit endet in drei Monaten. Ist es nicht blöd, dass ich den Umzug nach Fort Collins noch mitmachen muss?«

Sie kamen ins Gespräch, und Bayard erfuhr, dass er dreiundzwanzig Jahre alt war, aus Aurora stammte und es kaum erwarten konnte, endlich sein Studium aufzunehmen. Er erfuhr auch, dass Lieutenant van Husens Vater Geistlicher war und Wert darauf legte, dass sein einziger Sohn ein sittliches und moralisch einwandfreies Leben führte.

»Was wird nun aus dem Fort?«, fragte Bayard, als sich eine Gelegenheit bot, den Redeschwall des jungen Mannes zu unterbrechen.

»Die Army hat’s verkauft.« Van Husen stieß einen Seufzer aus. »An die personifizierte Sünde.« 

»Ach, wirklich?« Bayard, der diese Formulierung schon aus Smollets Mund gehört hatte, zupfte sich interessiert an der Nase. »Darf ich fragen, was Sie damit meinen?«

»Das sage ich lieber nicht«, erwiderte der Lieutenant errötend. »Außerdem sind es ja nur Gerüchte, die bisher von keinem Fakt untermauert werden.«

»Sie scheinen Ihnen trotzdem nicht zu behagen.«

Van Husen seufzte noch einmal. »Nun ja, nach allem, was man so hört, macht der neue Verwendungszweck von Fort Doyle unseren ruhmreichen Streitkräften wenig Ehre.«

»Könnten Sie vielleicht konkreter werden, Lieutenant?«

Van Husen errötete. Dann sagte er hinter vorgehaltener Hand: »Ich hab es zwar nur aus dritter Hand, aber wenn es stimmt... wird hier ein Sündenbabel entstehen. Mit roten Laternen.« Er hüstelte. »Wenn Sie verstehen, was ich meine.«

»Gütiger Gott«, sagte Bayard mit gespielter Empörung. »Meinen Sie etwa ein Bordell?« 

»So ist es.« Van Husen wand sich vor Verlegenheit. Offenbar waren seine Gehörgänge nicht daran gewöhnt, solche schmutzigen Worte aufzunehmen. »Wenn mein Vater das wüsste! Er ist nämlich ein Mann mit hohen moralischen Maßstäben.« Er schaute Bayard mit feuerroten Wangen an. »Obwohl ich zugeben muss, dass Mrs. Peccato eine gewisse Ausstrahlung hat, hätte ich so etwas doch nie von ihr erwartet!« Dann schien ihm plötzlich etwas einzufallen. »Ist Ihrer Begleiterin überhaupt bewusst, in was für eine Familie sie da eingeheiratet hat?«

»Ich fürchte, nein.« Bayard schüttelte den Kopf. »Vielleicht klären Sie mich auf, Lieutenant. Vielleicht habe ich noch eine Chance, sie zu warnen.«

»Gehen wir ein bisschen herum. Ich möchte nicht, dass uns jemand zuhört.« Lieutenant van Husen deutete auf einen hölzernen Aufgang, der zum Laufgang hinaufführte, der Fort Doyle an allen vier Seiten umgab. Bayard folgte ihm. Kurz darauf spazierten sie in luftiger Höhe dahin, und er hatte einen wunderbaren Ausblick auf die Rockies. Chickenville war nicht zu sehen. Die Stadt war von einigen kahlen Hügeln umgeben, die sie vor seinen Blicken verbargen.

»Der Familie Mrs. Peccatos«, raunte Van Husen, als sie nebeneinander standen und die prächtige Aussicht genossen, »haftet, wie man so hört, ein zweifelhafter Ruf an.«

»Was Sie nicht sagen!«

»Doch, doch.« Der Lieutenant nickte. »Hätte Master-Sergeant Quinn bei Major Martini nicht einen solchen Stein im Brett, hätte man sie vermutlich nach dem letzten Streich ihrer nichtsnutzigen Söhne aus dem Fort gejagt.«

»Master-Sergeant Quinn?« Bayard musterte van Husen neugierig. »Der Bursche mit dem buschigen Schnauzbart?«

Der Lieutenant nickte. »Ja. Er ist mit Mrs. Peccato verwandt. Er ist ihr Schwager. Wenn ich es richtig sehe, war seine verstorbene Frau die Schwester ihres verstorbenen Gatten.«

»Ach, nein.«

»Doch, doch.« Van Husen räusperte sich. »Er ist zwar kein Offizier und Gentleman, aber ein Mann mit Charakter, das muss ich schon sagen. Er hat einen eisernen Willen und eiserne Fäuste. Und wenn ich ehrlich sein soll...« Er deutete über seine Schulter. »Er schmeißt hier den ganzen Laden.«

»Und was hat nun konkret mit dem zweifelhaften Ruf der Familie Peccato auf sich?«, erkundigte sich Bayard.

»Ach ja.« Van Husen nickte. Dann erzählte er die Geschichte, die Bayard schon von Marshal Smollet kannte. »In Chickenville ist sie nicht sehr gut gelitten«, endete er, »weil manche Leute glauben, dass sie mit ihren Jungs unter einer Decke gesteckt hat – was aber völlig unbewiesen ist. Man hat verlangt, dass wir sie und ihre beiden Töchter aus dem Fort werfen, aber Quinn hat sich für sie stark gemacht. Er meint, in einem demokratischen Staat darf es keine Sippenhaftung geben.«

»Womit er nicht ganz Unrecht hat.«

Van Husen nickte. »Aber wenn sie aus unserem schönen Fort tatsächlich ein... ein...« Er hatte sichtlich Mühe, das böse Wort auszusprechen. »...Sie wissen schon... machen will, muss ich sagen, dass mir das gar nicht gefällt.«

»Es läge außerdem weit vom Schuss«, meinte Bayard.

»Oh, nein.« Van Husen schüttelte den Kopf. »Im Umkreis von fünfzig Kilometern gibt es hundert Ranches und mindestens noch mal so viele Farmen. Und wenn man bedenkt, dass sich die Lüstlinge aus Chickenville bestimmt scheuen würden, ein solches Etablissement in ihrer Heimatstadt zu betreten, wäre die Lage geradezu ideal. Ich bezweifle nicht, dass man mit einem solchen... ähm... Unternehmen hier draußen viel Geld verdienen kann.«

»Woher hat sie das Geld?«, fragte Bayard. Er dachte natürlich sofort an die Beute aus dem Überfall. »So ein Fort verkauft die Army doch nicht für einen Fünfer. Da würde sie ja mehr Geld verdienen, wenn sie es abreißen und das Bauholz und die Palisadenstämme einzeln verkaufen würde.«

»Das frage ich mich auch.« Lieutenant van Husen setzte eine nachdenkliche Miene auf. »Bei uns in der Kantine hat sie bestimmt kein Vermögen verdient.«

Bayard drehte sich herum und musterte das Kantinengebäude. Im gleichen Moment öffnete sich die Schwingtür. Lou trat in Begleitung dreier Frauen ins Freie. Er sah schwarze Haarmähnen, die im leichten Wind wehten und reckte den Hals. Die Frauen waren allesamt so attraktiv, dass sein Taschenmesser erneut Anstalten machte, sich aufzuklappen. Verwirrend war, dass sie sich wie Schwestern glichen. Lou wirkte mit ihrem roten Haar zwischen ihnen wie ein Fremdkörper.

»Mrs. Peccato und ihre Töchter«, sagte der Lieutenant.

»Verflixt«, sagte Bayard und starrte die Frauen wie gebannt an. »Von denen ist ja eine hübscher als die andere. Welche, zum Henker, ist die Alte?«

Van Husen kicherte. »Die Mittlere.«

Bayard nahm sie ausgiebig in Augenschein. Die Alte war ein südländisch aussehendes Vollblutweib, und ihre Rundungen sprengten fast den Stoff ihrer weißen Bluse. Die Bluse war zudem so offenherzig geschnitten, dass er damit rechnete, dass ihre Brüste gleich ins Freie sprangen. Die mit dem Beladen der Planwagen beschäftigten Soldaten hielten inne und gafften. Dass sie nicht sabberten, war nur Master-Sergeant Quinn zu verdanken, der sie brüllend zur Ordnung rief: »He, ihr Scheißer! Habt ihr nichts zu tun? Ran an die Arbeit!«

Die Männer senkten den Blick, murmelten Flüche und wandten sich ihren Kisten, Kästen, Fässern und Säcken zu. Die Wachen auf dem Laufgang grinsten schadenfroh, denn ihnen galt der Befehl natürlich nicht. Einer der Männer war von den Damen so fasziniert, dass er ein Fernrohr an sein Auge hob, um ihre Kurven einer genaueren Untersuchung zu unterziehen.

»Das ist Carmen Peccato«, sagte van Husen. »Oder Mama, wie ihre Töchter und die Soldaten sie nennen.«

»Gott, so eine Mama hätte ich auch gern«, murmelte Bayard und dachte: Wie gern ich an ihr nuckeln würde. »Kann ich sie kennen lernen?«

Van Husen seufzte gottergeben. »Kein Problem. Kommen Sie mit.«

 

 

7.

 

Als sie wieder am Boden waren, verschwand Lou mit einer von »Mamas« Töchtern in einem Gebäude, von dem Bayard gleich darauf erfuhr, dass es die Unterkunft des Küchenpersonals war. »Mama« Peccato und ihre zweite Tochter waren schon in die Kühle der Kantine zurückgekehrt.

Als Bayard mit seinem uniformierten Begleiter in den großen Raum hinter der Schwingtür trat, verschwand Tochter Nummer zwei gerade mit einem aufregendem Hüftschwung in einem Raum, der offenbar die Küche beherbergte. Würzige Düfte drangen an seine Nase.

Carmen Peccato stand mit einer Kaffeetasse in der Hand hinter dem Tresen. Als sie Lieutenant van Husen sah, sagte sie: »Ob Sie’s glauben oder nicht – ich bin gerade noch mal Mutter geworden.«

Van Husen stutzte. »Was Sie nicht sagen.«

»Doch, doch.« Carmen Peccato nickte. »Sie ist gerade hier reinspaziert. Kommt aus Rapid City. Sie ist die Frau meines braven Francesco. Möge Gott sich seiner armen Seele erbarmen.« Dann erspähte sie Bayard, und ihr Blick sagte ihm, dass sie ihn nicht hässlich fand. Dies freute ihn, denn die üppige schwarzhaarige Schönheit mit den dunklen Augen sah in der Tat wie die personifizierte Sünde aus.

»Wer ist der attraktive Kerl, den sie da mitgebracht haben, Mr. Van Husen?«, fragte Carmen Peccato mit einem spöttischen Lächeln. »Ich finde, er könnte eine Rasur vertragen.«

Bayard griff sich instinktiv ans Kinn. Der Lieutenant räusperte sich verlegen. »Darf ich Ihnen Dr. Bayard vorstellen?«

»Sie sind Arzt?« Carmens Augen blitzten auf.

»Ich hab mich aus dem aktiven Berufsleben zurückgezogen«, sagte Bayard.

»Ah, dann müssen Sie reich sein.« Carmen deutete auf die Hocker, die vor der Theke standen. »Kommen Sie, Doc, heben Sie einen aufs Haus. Sie natürlich auch, Lieutenant.«

»Das geht leider nicht.« Van Husen schaute sich linkisch um und warf einen sehnsüchtigen Blick auf die Flasche, die Mrs. Peccatos für Bayard öffnete. »Ich bin ja noch im Dienst.« Er tippte an seinen Hut, murmelte einen Gruß und stiefelte hinaus.

»Ein entsetzlich verklemmter Spießer«, murmelte Carmen Peccato. »Sein Alter ist Pastor. Aber er ist irgendwie lieb.« Sie hielt Bayard auf typisch europäische Weise die Hand hin, und er ergriff und schüttelte sie. »Ich bin Carmen Peccato. Aber alle hier nennen mich Mama.«

»Meine Mama sieht anders aus.« Bayard schwang sich auf einen Hocker. Carmen lachte kehlig.

»Sie sind Italienerin?«, fragte Bayard.

»Si, Signore. Als ich zwölf war, bin mit meiner Familie in einem großen, übel riechenden Schiff über den Teich gekommen.« Sie schaute Bayard an. »Und Sie? Franzose?«

Bayard nickte. »Mein Vater.« Er holte seine silberne Zigarillodose heraus. »Meine Mutter kommt aus Chicago. Ihr Mutter kam aus Amsterdam; ihr Vater aus Bagdad.«

»Ja, wir Americanos sind schon eine internationale Brut.« Carmen prostete ihm mit der Kaffeetasse zu. Da sie so aussah, als wüsste sie einen guten Zigarillo zu schätzen, hielt Bayard ihr die Silberdose hin. Sie nahm einen. Ihre Augen funkelten noch mehr. Er gab ihr Feuer. Sie inhalierten und tranken.

»Sie sind mit meiner Schwiegertochter gekommen?«, fragte Carmen interessiert.

»Yeah. Wir haben uns im Zug kennen gelernt. Das heißt, eigentlich vor dem Zug.« Er erzählte ihr, wie sie einander begegnet waren, ließ die Bettgeschichte aber aus. Schließlich war Lou verheiratet.

»Haben Sie was mit ihr?«, fragte Carmen neugierig.

Bayard hätte sich beinahe verschluckt. »Aber nein. Wie kommen Sie darauf? Sie ist doch verheiratet.« 

Carmen kicherte kehlig. »Ist das ’n Grund?«

Eigentlich hatte sie Recht. Doch andererseits war sie Italienerin. Vielleicht wollte sie ihm nur etwas entlocken, um es anschließend ihrem Frank zu stecken, der sich dann ein Stilett zwischen die Zähne klemmte und irgendwann in der Nacht bei ihm einstieg, um Hackfleisch aus ihm zu machen.

»Außerdem könnte sie inzwischen längst Witwe sein.«

Bayard spitzte die Lippen. »Was meinen Sie damit?«

Carmen erklärte es ihm. Sie erzählte ihm von dem Postraub, in die ihre braven Jungs angeblich verwickelt gewesen waren. »Natürlich waren sie unschuldig.« Sie berichtete auch von der Schießerei in der alten Silbermine und von der Explosion, die zwei ihrer unschuldigen Jungs in Fetzen gerissen hatte. Dann kam eine Tirade über den »verfluchten Engländer« – Marshal Smollet – und »seine dreckigen Deputies«, die ihre braven Kinder auf dem Gewissen hatten. Sie wusste auch nicht, welcher ihrer Söhne das Gemetzel überlebt hatte. Vielleicht hatte der brave Francesco, Louises Ehemann, längst ins Gras gebissen. »Smollet behauptet, dass einer überlebt hat«, beendete sie den Bericht. »Aber welcher, weiß ich nicht. Er hat sich nie bei mir gemeldet.«

»Was für eine Tragödie für ein liebend Mutterherz«, seufzte Bayard. »Die Ungewissheit muss Sie fürchterlich quälen, Ma’am.«

»Lassen wir die Förmlichkeiten.« Carmen beugte sich über die Theke, so dass er einen ausgiebigen Blick auf ihren Busen werfen konnte. »Wir sind doch im gleichen Alter. Sag Carmen zu mir.« Sie schenkte ihm einen feurigen Blick.

Sieht man mir meine vierundvierzig Jahre wirklich an? Bayard war erschreckt. Andererseits war er aber auch erfreut, denn er mochte Frauen, die ihn mochten. Und was Carmen anbetraf, so musste man schon blind sein, um nicht zu sehen, dass sie scharf auf ihn war. Wie günstig, denn er war auch scharf auf sie.

»Bleibst du über Nacht, Doc?«, hauchte sie. »Ich glaub, ich hab noch ’n überzähliges Kopfkissen...«

»Wirklich?«

Bayard wollte sich gerade vorbeugen, um eine Hand unter ihr Kinn zu legen, als die Küchentür aufging und Carmen schnell zurückwich. Tochter Nummer zwei betrat den Kantinenraum und schwenkte einen großen Kochlöffel. Sie musterte ihre Mama mit einem giftigen Blick. Vermutlich hatte sie Carmens letzte Worte gehört und missbilligte sie. Auch sie war ein entzückender Anblick. Ihr Busen war so prächtig wie der ihrer Mama. Sie hatte die gleiche wallende Mähne, die gleichen roten Lippen, die gleichen dunklen Augen und den gleichen einen wollüstigen Blick. Bayard schätzte sie auf etwa zwanzig Jahre.

»Annie und ich brauchen jetzt deine Hilfe, Mama«, sagte die Kleine mürrisch, als gönne sie ihrer Mutter nicht mal einen unschuldigen Thekenflirt. »In einer Stunde wollen die Jungs ihr Essen haben.«

»Ich komm schon.« Carmen wandte sich Bayard zu. »Darf ich vorstellen? Meine Tochter Rossana.«

»Sehr angenehm«, sagte Bayard. Sein Blick fraß Rossana ein wenig an.

»Ganz meinerseits«, erwiderte Rossana. Sie spitzte die Lippen. »Nennen Sie mich Rosie.« Ihr Blick saugte sich an ihm fest, was ihm sehr schmeichelte. Irgendwie, dachte Bayard, bin ich wohl der Typ, der die beiden gleichermaßen anspricht. Es wäre vielleicht nicht übel, wenn ich es ein bisschen für mich ausnutze. 

»Bis später, Doc«, sagte Carmen. »Du kannst auch gern hier essen. Wo zweihundert Mann essen können, fällt ein weiterer nicht auf.« Sie zwinkerte ihm zu und folgte Rosie in die Küche.

Bayard blieb noch einige Minuten sitzen. Er leerte die Bierflasche, drückte den Zigarillo aus und trat ins Freie. Die Sonne stand inzwischen hoch am Himmel, aber richtig warm war es nicht. Kein Wunder, der Oktober näherte sich dem Ende. Bald würde es hier lausig kalt werden.

Er blieb unter dem Kantinenvordach stehen und schaute den Soldaten zu. Die Stalltüren standen weit offen. Mehrere Männer striegelten die Gäule. Andere fetteten Sättel und Zaumzeug ein. Master-Sergeant Quinn war von einem knochigen Kerl abgelöst worden, dessen Kinn so spitz war, dass man Angst haben musste, ihm einen Haken zu verpassen. Unter dem Vordach einer Blockhütte, die Schild mit der Aufschrift »Kommandantur« zierte, beugten sich drei Offiziere – ein Major, ein Captain und Lieutenant van Husen – mit blitzblank polierten Stiefeln über einen Tisch, auf dem irgendwelche Ladepläne ausgebreitet waren, machten einen beschäftigten Eindruck und genossen das Privileg, sich den Buckel nicht krumm schuften zu müssen.

Wenige Minuten später trat ein Corporal mit einer blitzblank polierten Trompete auf den Hof, setzte sie an die Lippen und blies so schräg wie möglich das Signal »Essen fassen.« Die Soldaten warfen alles hin, was sie gerade in den Händen hielten und liefen zur Kantine. Die Offiziere unter dem Vordach folgten ihnen mit sorgfältig abgemessenen Schritten, um zu zeigen, dass sie auch unter den härtesten Lebensbedingungen Männer von Kultur geblieben waren.

Als die der Hof des Forts weitgehend leer war, kam Lou aus dem Haus, in dem sie mit Carmens jüngerer Tochter verschwunden war und zwinkerte Bayard zu. Sie trafen sich vor der Kantinenschwingtür und Bayard sagte: »Wie hat Mama deine Existenz aufgenommen?«

»Sie war sprachlos, aber sie hat sich wahnsinnig gefreut.« Louise lachte. »Sie ist ’ne echte Mutter, Doc, wirklich! Sie hat mich geherzt und abgeküsst und wirklich willkommen geheißen. Eigentlich hat sie nur geärgert, dass Frank ihr nichts davon mitgeteilt hat.«

»Weiß sie, wo Frank steckt?«

Louise schüttelte den Kopf. »Nee.« Ein Schatten fiel über ihr hübsches ovales Gesicht. »Sie weiß nicht mal, ob er noch lebt.« Sie erzählte ihm, was er schon von Mike Smollet und Carmen erfahren hatte. »Ich hab mir schon so was gedacht...«

»Wann hat er das Ding gedreht?«, fragte Bayard. »Vorher oder nachher?«

Louise runzelte die Stirn. »Vor oder nach was?«

»Eurer Eheschließung.«

»Hinterher.«

Bayard dachte blitzschnell nach. Dann konnte sie eigentlich nichts über das Versteck der Beute wissen. »Was machst du jetzt? Bleibst du hier?«

»Ich weiß es noch nicht.« Lou schaute nachdenklich drein. »Carmen hat jedenfalls nichts dagegen. Sie sagt, ich gehöre jetzt zur Familie. Außerdem hat sie mir einen Job angeboten.« Sie deutete auf die Schwingtür. »Erst möchte ich jedenfalls was essen. Kommst du mit?«

Bayard schloss sich ihr an. Sie fanden einen freien Zwei-Personen-Tisch neben dem Kücheneingang, wo Carmens jüngere Tochter sie bediente. Auch sie war ein Abbild ihrer Mutter.

»Das ist Annabella«, sagte Lou.

»Tag, Sir«, sagte Annabella. »Sagen Sie einfach Annie zu mir. Das tun hier alle.« Auch sie musterte Bayard mit einem Blick, der seinen Hemdkragen eng werden ließ. Er schätzte sie auf achtzehn. Ihr Blick durchdrang seine Hülle und sondierte sein Inneres. Das wagenradgroße Steak, das sie ihm kurz darauf brachte, schien zu beweisen, dass er ihr nicht unsympathisch war.

Bayard ließ es sich schmecken. Als er fertig war, standen die ersten Soldaten auf und gingen hinaus. Master-Sergeant Quinn stand am Tresen, genehmigte sich einen Kaffee und lachte mit Carmen. Bayard spürte einen leichten Stich von Eifersucht. War der Kerl etwa scharf auf sie? Die beiden waren doch verwandt! Auch wenn sie keine Blutsverwandten waren – er empfand das Verhalten der beiden irgendwie als inzüchtig.

Bayard steckte sich einen Verdauungszigarillo an und deutete mit dem Kopf auf Quinn. »Was weißt du über den Burschen, Lou?«

Lou machte große Augen. »Über Quinn? Was interessiert dich an ihm?«

Tja, was sollte er nun sagen? Bayard druckste herum. Lous Blick fiel auf Quinn und Carmen, die gerade über einen offenbar sehr komischen Witz lachten.

»Bist du etwa scharf auf die Alte?!« Louise riss die Augen auf.

»Hör mal«, fauchte Bayard leise. »Carmen ist keine Alte. Sie ist bestimmt nicht älter als ich.«

»Was, so alt bist du schon?!«

»In sieben Jahren bist du genauso alt«, erwiderte Bayard vergrätzt. »Bild dir bloß nicht ein, du bleibst ewig achtunddreißig!«

»Achtunddreißig?«, fauchte Louise. »Ich bin achtundzwanzig! »Was fällt dir ein, du Rüpel?«

Bayard grinste. »Sollte ’n Witz sein.« Er räusperte sich. »Also, komm schon. Was weißt du über Quinn?«

Lou breitete die Arme aus. »Er ist Carmens Schwager. Oder so was Ähnliches. Und ihr Geschäftspartner.«

»In Sachen Puff?« Bayard konnte es nicht fassen.

»Puff?« Louise starrte ihn an. »Was soll das heißen?«

Bayard erzählte ihr, was er von dem Nadelstreifenmann im Grand Hotel und Lieutenant van Husen gehört hatte. Lou schüttelte ungläubig den Kopf, was Bayard als merkwürdig empfand, da er bisher geglaubt hatte, sie hätte sich vor ihrer Eheschließung die Maiskolben mit gespreizten Beinen verdient.

»Carmen und Quinn machen aus Fort Doyle ein Bordell?« 

»Angeblich gibt es keine bessere Lage für so einen Laden.« Bayard musterte Lou intensiv. »Was schockiert dich so daran?«

»Nun... ähm...« Lou stotterte herum. »Sie hat gesagt, sie macht ’n Roadhouse auf. Ich hab gedacht, hier geht alles gesittet zu.«

»Vielleicht sind es doch eben nur dumme Gerüchte«, sagte Bayard. »Carmen sieht phantastisch aus; da spielt die Phantasie den Spießern sicher schon mal Streiche.« Sein Blick fiel wieder auf Quinn, der Carmen nun zuzwinkerte und die Kantine dann verließ. »Aber wie kann er ihr Partner sein? Er wird doch versetzt.«

Lou schüttelte den Kopf. »Nein, seine Dienstzeit ist abgelaufen. Morgen oder übermorgen hat er seine zwölf Jahre rum und scheidet aus der Army aus.«

»Und woher hat er das Geld, um ein Fort zu kaufen?« Bayard runzelte die Stirn. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Master-Sergeant so viel verdient.«

»Er hat ’ne Erbschaft gemacht.« Lou spitzte die Lippen. »Er hat das Geld in das Fort investiert. Carmen soll das Roadhouse leiten.«

»Ach.« Bayard dachte nach. Was für ein Frust. Bisher war er davon ausgegangen, dass die Kaufsumme aus der Beute der Peccato-Brüder stammte. Doch wenn Quinn sie aufgebracht hatte... Seine ganze schöne Theorie war beim Teufel! Wenn Quinn das geplante Unternehmen mit seiner Erbschaft stützte, konnte Carmen kaum wissen, wo ihre missratenen Bälger das Geld versteckt hatten. Hätte sie es gewusst, hätte sie sich doch niemals mit dieser schleimigen Kreatur zusammengetan.

Bayard kochte eine Weile vor sich hin. Als er den Zigarillo ausdrückte, war die Kantine fast leer. Ein paar Gefreite räumten das Geschirr ab, schafften es in die Küche und rissen Witze mit Annie und Rosie. Carmen bediente den Major, den Captain und Lieutenant van Husen, die an der Theke einen Kaffee tranken und wie hypnotisiert ihren Busen anstarrten.

Widerlich, dachte Bayard, einfach widerlich. Furchtbar, diese geilen Böcke! Er nickte Lou zu, dann ging er mit ihr ins Freie und sie spazierten am Palisadenzaun entlang. Die Soldaten standen in Grüppchen auf dem Hof herum, pafften, unterhielten sich oder hielten das Gesicht in die schwach leuchtende Sonne. Ihre Mittagspause war noch nicht zu Ende. Quinn war nirgendwo zu sehen.

»Wie sehen deine Pläne aus, Doc?«, fragte Lou, als sie das Fort von innen einmal umrundet hatten und sich wieder vor dem Kantinengebäude befanden.

»Wenn ich das nur wüsste.« Bayard hob die Schultern und zupfte an seinem Ohrläppchen. War die Sache mit seinem neuen Wissen zu Ende? Musste er nun in die Spießerstadt Chickenville zurückkehren, um sich zu überlegen, wie sein weiteres Leben verlaufen sollte? Welche Möglichkeiten wurden einem Mann wie ihm schon an einem Ort geboten, dessen Name schon nach Bauernhof klang? »Andererseits... Carmen hat mich eingeladen, heute Nacht hier zu bleiben...«

Lous grüne Augen blitzten auf, doch bevor sie etwas sagen konnte, stand Carmen, die ungesehen aus dem Haus getreten war, plötzlich zwischen ihnen. Sie zwinkerte Bayard zu. »Bleibst du wirklich?«

Bayard nickte. »Gern.«

»Komm mit, ich zeig dir dein Zimmer. – Entschuldige uns, Louise.« Sie nahm Bayards Hand und zog ihn ins Haus, in dem sie mit ihren Töchtern wohnte. Als Bayard wieder zu sich kam, befand er sich in einem gemütlich eingerichteten Wohnzimmer. Auf dem Boden lag sogar ein Teppich. Vor den Fenstern hingen Gardinen. Carmen führte ihn in durch alle Räume im Erdgeschoss, dann ging es eine Treppe hinauf. Sie endete an einem Korridor mit sechs Türen.

»Hier oben sind die Schlafzimmer. Meins ist das erste.« Sie schob die Tür auf und zog Bayard am Ärmel in den Raum hinein. Da war ein Bett, breit genug für drei. Auf einer Kommode stand drei gerahmte Fotos: Porträt unrasierter junger Männer, die er auf Anfang zwanzig schätzte. Eins davon hatte es schon mal gesehen: Bei dem Zusammenstoß mit Louise auf dem Bahnhof.

»Meine Söhne«, sagte Carmen, als sein fragender Blick ihr auffiel.

Bayard deutete auf den Ältesten, von dem er annahm, dass er Frank war. »Wie kann er dein Sohn sein? Er sieht aus wie Ende zwanzig.«

»Er ist fünfundzwanzig, aber er sieht älter aus.« Carmen grinste. »Ich hab ’n wildes Leben geführt. Ich hab ihn früh gekriegt. Mit achtzehn.«

»Ich hab auch ’n wildes Leben geführt«, sagte Bayard.

»Ach, wirklich?« Carmen ließ sich auf das Fußende des Bettes sinken und schlug die Beine übereinander. Sie waren lang und hübsch, und ihre Knie waren einfach entzückend. »Erzähl doch mal...«

»Nun, ähm...« Bayard bemühte sich, eine verlegene Miene aufzusetzen. »Ich hab nichts ausgelassen, wenn du verstehst, was ich meine.« Er schaute Carmen an. »Ich weiß nicht, ob ich in Gegenwart einer Mutter über solche Dinge reden soll.«

»He, he!« Auch Carmens Augen lachten so verdorben wie ihre Stimme. »Stell dich nicht an, Doc. Ich bin aus Hartholz geschnitzt. Ich hab auf den ersten Blick gesehen, dass du ein Schlawiner bist. Und ich mag Schlawiner. Ich mag sie sehr. Ihr seid so männlich. Vor dir ist bestimmt kein Rock sicher.« Das Wort Rock erinnerte sie offenbar an irgendwas. Sie lehnte sich zurück und stützte sich mit den Händen auf dem Bett ab. Ihr Rock rutschte so hoch, dass Bayard das Vergnügen hatte, oberhalb ihrer Knie fünf Zentimeter in Seidenstrümpfe verpacktes Fleisch zu sehen. »Setz dich, Doc«, raunte sie. »Lernen wir uns näher kennen...«

Bayard zog einen Stuhl heran und nahm ihr gegenüber Platz. Beim Anblick ihrer Knie zuckte es in seiner Hose. Carmen hatte offenbar eine exhibitionistische Ader, denn sie spreizte leicht die Beine und lehnte sich so weit zurück, dass er die Ränder ihrer Strümpfe und ihre gerüschten weißen Strumpfbänder sehen konnte.

Bayards Blut geriet in Wallung und in seiner Hose einiges in Bewegung. Das schlüpfrige Spiel der wohlgeformten Schwarzhaarigen signalisierte ihm, dass sie scharf war. Auch wenn sie nichts über den Verbleib der Beute wusste, wurde Bayard klar, dass es sich wahrscheinlich für ihn auszahlte, wenn er noch eine Weile in Fort Doyle blieb. Vielleicht irrte er sich aber auch. Vielleicht wusste sie doch, wo die Beute war. Carmen war vielleicht eine läufige Hündin, aber sie war gewiss nicht dumm. Vielleicht hatte sie Quinns Erbschaft nur gebraucht, um sich nicht mit ihrem eigenen Geld verdächtig zu machen...

»Findest du, dass ich schöne Beine habe, Doc?«, fragte sie plötzlich.

»Aber ja.« Bayard nickte eifrig. »Ich finde sie ganz wunderbar...«

»Sie sind wirklich nicht zu dick?« Ihre roten Lippen waren eine einzige Verlockung.

»Aber nein!« Bayard schüttelte sich vor Lust. »Sie sind perfekt!«

»Ach, das sagst du doch nur so!« Carmens rote Lippen wurden zu einem Schmollmund und sie spreizte die Beine noch ein wenig weiter. Bayards Hirnzellen fingen auf der Stelle mit der Produktion schmutziger Phantasien an.

Er schaute in ihre glitzernden Augen und seine Kehle wurde eng. Sie wurde noch enger, als Carmen mit einer geradezu obszön schlangenhaften Bewegung aufstand und vor Bayard stehen blieb. Sie packte den Stoff ihres Rockes mit spitzen Fingern und zog ihn aufreizend langsam hoch, bis sein Atem stockte und er ihre bestrumpften Schenkel in ihrer Gänze sah.

»Sagst du mir auch ganz ehrlich die Wahrheit? Ich meine... Du würdest mich doch nicht etwa belügen, weil du mich nicht verletzen willst?«

»A-aber n-nein...« Bayard schüttelte heftig den Kopf. Der Anblick ihrer Schenkel war so wahnsinnig aufregend, dass nicht nur sein Hemdkragen eng wurde, sondern auch seine Hose. Noch aufregender als ihre Schenkel war freilich der Anblick ihres von keinem Textil verhüllten Schamhügels, der so prall und knuffig war, dass er sich am liebsten auf ihn gestürzt hätte, um ihn mit allem zu liebkosen, was er bei sich hatte. Auf ihm wuchs ein kleiner schwarzer, herzförmig gestutzter Haarbüschel.

Bayard stand auf und schlang die Arme um Carmens Taille. »Ich glaube«, sagte er, »wir sollten uns wirklich näher kennen lernen.«

Carmen seufzte. Sie löste eine Hand von ihrem Rocksaum, packte eine der seinen und schob sie zwischen ihre Schenkel. Bayard ertastete heißes Fleisch. Sein Schwengel wurde auf der Stelle hart. Er streichelte ihren Schamhügel, und ihr Schoß drängte sich seiner Hand entgegen. Carmens Kopf sank an seine Schulter. Sie seufzte begehrlich. Bayards Herz raste. Er musste sich zusammenreißen, um sie nicht aufs Bett zu werfen.

»Wenn du willst«, stöhnte sie in sein Ohr, »gehöre ich heute Nacht dir.«

Bayard zog sie fest an sich, und sein Blick fiel in den offenherzigen Ausschnitt ihrer prall gefüllten Bluse. Er hatte plötzlich Angst, seine Hose könne platzen. »Warum erst heute Nacht?«

Carmen küsste seufzend seinen Hals. »Weil ich weiß«, flüsterte sie, »dass in spätestens einer Minute eine meiner missgünstigen Töchter hier reinplatzt und uns stört.«

Sie hatte es kaum ausgesprochen, als irgendwo unten im Haus eine Tür knallte. »Mama?«, rief Rosie. »Wo steckst du?«

 

 

8.

 

Den Nachmittag verbrachte Bayard im Quartier von Lieutenant van Husen, der ihn, während er seine Satteltaschen packte, mit der völlig uninteressanten Historie von Fort Doyle und der noch langweiligeren religiösen Ideologie seines frommen Erzeugers unterhielt. Nach einer Stunde war Bayard sich absolut sicher, dass der Vater des jungen Offiziers in seinem ganzen Leben nur eine Nummer geschoben hatte.

Als van Husen fertig war, gab er sich die Ehre, Bayard ins Offizierskasino einzuladen, wo seine beiden Vorgesetzten bereits alles für die Abschiedsfeier vorbereitet hatten. Die Versetzung war natürlich ein willkommener Anlass zum Leeren der Fässer. Als Bayard und Lieutenant van Husen das in einer winzigen Hütte untergebrachte Kasino betraten, stellte sich heraus, dass die Vorgesetzten des jungen Mannes bereits vor geraumer Zeit mit den Festlichkeiten begonnen hatten: Sie waren heftig angebraten, sodass Bayard sich große Mühe gab, sich auf ihr Niveau herunter zu trinken.

Major Martini, der Kommandant von Fort Doyle, ein schlanker, spitznasiger Levantiner, verfluchte den Umzug und äußerte sich abfällig über die »verdammten Bürokraten«, die das schöne Quartier seiner Truppe »für einen Dollar achtzig« an die »Zivilunken« verkauft hatten. Angeblich hätte es mehr gekostet, die Hütten und Palisaden einzureißen.

»Wenn ich darüber nachdenke, was aus diesem glorreichen Fort werden soll, könnte ich mich übergeben«, lamentierte er und deutete aus dem Fenster. »Und dass ausgerechnet ein alter Soldat wie Quinn die Schirmherrschaft über ein Bordell ausüben soll, verursacht mir böse Bauchschmerzen.«

»Es ist vielleicht nur ein übles Gerücht«, wandte Bayard schüchtern ein.

»Er ist eben kein Offizier und deswegen auch nicht von edler Gesinnung«, sagte der rotnasige Captain Stutzer und zwirbelte seinen gewaltigen Schnauzbart. »In meiner alten Heimat Preußen hätte es kein Bürokrat Seiner Majestät erlaubt, dass eine traditionsbewusste Garnison in einen Puff verwandelt wird!« Es hätte nicht viel gefehlt und er hätte auf den Boden gespuckt.

»Es ist vielleicht nur ein...«, wiederholte Bayard, doch niemand hörte ihm zu, so groß war die Empörung.

»Fürwahr, mit der Menschheit geht es immer weiter bergab.« Major Martini seufzte. »Ich brauche nur an die Jugend von heute denke, dann kommt mir das Frühstück von vorgestern hoch.« Er nippte an seinem Glas und schaute in die Runde. »Die Söhne der Sünde sind das beste Beispiel für die Verkommenheit der heutigen Generation! Wie alt waren die Bälger, als sie die Postkutsche ausgeraubt haben? Achtzehn? Neunzehn?«

»Denen fehlt Zucht und Ordnung!« Captain Stutzer schlug mit der flachen Hand auf den Tisch.

Lieutenant van Husen murmelte etwas, das niemand verstand – am allerwenigsten Lieutenant van Husen.

»Die Söhne der Sünde?« Bayard legte seine Stirn in stutzende Falten. »Was meinen Sie damit, Sir?«

Der Major lachte. »Ah, als gebürtiger Americano beherrschen Sie natürlich keine Fremdsprachen und können es natürlich nicht wissen! Peccato das italienische Wort für Sünde, Mr. Bayard.« Er schaute sich triumphierend um. »Ich finde, dieser Name passt sehr gut zu dieser Frau.« Sein Blick verfinsterte sich. »Ich finde, es sollte ein Gesetz gegen so ein Aussehen geben! Man braucht sie nur anzuschauen – und schon kriegt man sündige Gedanken!«

»Ja, wirklich«, erwiderte Captain Stutzer. Die sieben Schmisse, die seine Wangen zierten, zuckten heftig, als er angewidert das Gesicht verzog. »Wenn man sie ansieht, hat man Gedanken, für die man sich schämen muss!« Er schüttelte sich, und Bayard fragte sich, ob echte Abscheu oder heimliche Wollust der Grund dafür war.

»Hätte Quinn sie und ihre Brut nicht ins Fort geholt«, fuhr Major Martini fort, »hätten wir überhaupt nie erfahren, was sündige Gedanken überhaupt sind!«

Bayard horchte auf. »Mrs. Peccatos Söhne haben hier im Fort gewohnt?«

»Ja, Quinn«, sagte van Husen, ohne auf seine Frage einzugehen. »Aber er konnte natürlich nicht ahnen, welche Höllenphantasien er damit heraufbeschwört.« Er schaute sich um. »Dass er sie vor den Leuten aus Chickenville beschützt hat, muss man ihm allerdings hoch anrechnen... Mein Vater würde so etwas Zivilcourage nennen. Quinns Verhalten zeigt, dass auch ein Unteroffizier hin und wieder so etwas wie Charakter und Noblesse entwickeln kann.«

»Das ist wohl wahr.« Captain Stutzer nickte. »Kommt aber selten vor. Eigentlich nie.«

»Außerdem darf man als aufrechter Christenmensch nicht vergessen, dass die Familie eines Banditen an seinen Taten nicht gemessen werden darf«, sagte Van Husen.

»Mrs. Peccatos Söhne haben hier im Fort gewohnt?«, wiederholte Bayard. Ihm gingen allerlei Gedanken durch den Kopf – unter anderem dieser: Falls Carmen wusste, dass die 50.000 Dollar hier versteckt waren – aber nicht wo –: Gab es einen besseren Grund, der Army das Fort abzukaufen als den, nach dem Abzug der Soldaten in aller Ruhe nach der Beute zu suchen?

»Es ist immer die Schuld der Familie, wenn die Söhne missraten sind«, warf Major Martini ein. »Die Peccato hat ihre Bälger eben nicht richtig erzogen.«

»Ganz genau!«, pflichtete Captain Stutzer ihm bei und schlug erneut auf den Tisch. »Bei uns in Preußen hätte man Frauen, die ihre Kinder nicht ordentlich züchtigen, wenn sie etwas ausgefressen haben, öffentlich ausgepeitscht!«

Und wenn ich dich so ansehe, dachte Bayard, hast auch du große Lust dazu. Zum Auspeitschen generell. 

»Ja.« Der Major nickte. »Ihre Rotznasen sind praktisch hier aufgewachsen. Sie hatten schon als Kinder nur Unsinn im Sinn. Sie haben zum Bespiel der Katze von Captain Stutzer eine Blechdose an den Schwanz gebunden. Sie hätten das arme Tier sehen sollen, als es wie ein geölter Blitz vor sich selbst davon gelaufen ist.«

»Ich habe immer gewusst, dass sich aus solchen Kindern nur Mörderpack entwickeln kann.« Captain Stutzer schenkte sich noch einen ein. Seine Nase sah inzwischen aus wie ein glühender Eisenkolben. »Prost!«

»Ihre Töchter sind allerdings...« Major Martini schnalzte mit der Zunge.

»Ja, die sind anders. Ganz anders.« Captain Stutzers Miene nahm einen gefräßigen Ausdruck an. »Irgendwie bedauere ich es, dass wir sie hier zurücklassen müssen. Und ihre Mutter natürlich auch.«

»Sie können nämlich toll kochen«, erläuterte Lieutenant Van Husen.

Major Martini und Captain Stutzer schauten sich mit glasigen Blicken an, und Bayard wusste, dass sie an etwas anderes gedacht hatten.

»Ja, kochen können sie toll...« Stutzer fiel plötzlich vom Tisch und blieb schnarchend auf den Dielenbrettern liegen. Major Martini rümpfte die Nase, dann brüllte er nach der Ordonnanz. Der spitzkinnige Sergeant stürzte herein und der Major befahl ihm, »die Leiche« zu entfernen.

Der Sergeant eilte hinaus und raunzte vor der Tür herum. Gleich darauf eilten an seiner Seite zwei Gefreite ins Offizierskasino und schleppten den trunkenen preußischen Captain in sein Quartier.

Sie waren gerade hinausgegangen, als Major Martinis Augen glasig wurden und er wankend aufstand.

»Ich glaube, ich muss mich ein wenig hinlegen«, lallte er mit schwerer Zunge. Er hielt Van Husen den rechten Arm hin. »Wenn Sie so nett wären, mir behilflich zu sein. Mr. Van Husen?«

Der Lieutenant sprang auf und stützte ihn. Der Major rülpste und taumelte hinaus.

»Prost!« Bayard hob sein Glas, doch es war leer. Dann fiel sein Blick auf die Flasche, die auf dem Tisch stand und er dachte: Halb besoffen ist rausgeschmissenes Geld. 

Er schenkte sich einen Fünfstöckigen ein, schob sich einen Zigarillo ins Gesicht und dachte über das nach, was er erfahren hatte.

Das heißt, er bemühte sich nachzudenken, was ihm aber aufgrund der konsumierten Getränke nicht leicht fiel. Als eingeschworener Biertrinker war Bayard starkes Zeug weniger gewohnt. Es schockierte ihn sehr, als er das Glas geleert hatte und beim Aufstehen bemerkte, dass er Schwierigkeiten hatte, auf den Beinen zu bleiben.

Als er aus dem Kasino wankte, war die Sonne längst hinter den Bergen verschwunden – falls sie dort je gewesen war. Das Fort lag still und leer vor ihm. In den Ställen schnaubten die Pferde. Als Bayard den Kopf hob, sah er da und dort auf den Palisadenlaufgängen eine schemenhafte Gestalt mit Gewehr. Erst an der frischen Luft wurde ihm klar, wie viel er getankt hatte. Konnte er es wagen, Mama Peccato in diesem Zustand unter die Augen zu treten?

Welchen Eindruck machte es wohl, wenn der Mann, dem sie sich heute Nacht hingeben wollte, sternhagelvoll über die Schwelle ihres Hauses trat? Welchen Eindruck würde er auf ihre Töchter und Lou machen?

Nein, nein, dachte Bayard. Tu ihr das nicht an. Such dir einen anderen Platz zum Schlafen. 

Sein Blick fiel auf die Stallungen. Viele Pferde erzeugten Wärme, und sicher gab es dort auch Stroh, um sich zuzudecken.

Bayard wankte am Brunnen vorbei und näherte sich der Stalltür. Als er sie erreicht hatte, ohne die Wachen auf sich aufmerksam zu machen, hörte er irgendwo hinter sich das leise Schlagen einer Tür. Um der Möglichkeit vorzubeugen, dass Carmen nach ihm Ausschau hielt, ging er hinter einer Regentonne in Deckung und schaute sich um. Vor der Tür ihres Hauses wehte ein heller Rock.

Bayard zog den Kopf ein und pirschte rückwärts in den Stall. Er wurde von zwei Laternen erhellt. Eine lange Leiter führte zum Dachgeschoss hinauf. Er schlich an den Gäulen vorbei, zog sich an den Sprossen hoch und schob den Kopf durch die Deckenluke.

Gott sei Dank! Hier gab trockenes es Stroh in Hülle und Fülle. Bayard zog sich hinauf, krabbelte ins Stroh, ließ legte sich auf den Rücken und schaute an die Decke. Gerettet. Er musste nun schnellstens einschlafen, damit er morgen früh fit war.

Es war nur blöd, dass er nicht die geringste Müdigkeit empfand und zahllose Gedanken in seinem Schädel kreisten. Die meisten seiner Gedanken betrafen Carmen Peccatos straff bestrumpfte Oberschenkel. Dann glaubte er, ein Rascheln zu hören und hob argwöhnisch den Kopf. In Ställen wurde Futter gelagert – und Futter zog allerlei gefräßiges Ungeziefer an. Zum Beispiel Ratten.

Bayard konnte Ratten nicht ausstehen, speziell nicht im Schlafzimmer. Er griff lautlos in die Innentasche seiner Wildlederjacke. Sein Derringer hatte sich bei der Rattenjagd mehrfach ausgezeichnet. Als er sich auf den Bauch drehte und in der Finsternis nach potentiellen Opfern Ausschau hielt, schob sich plötzlich ein langhaariger Kopf durch die Luke und ein von einer wallenden schwarzen Mähne umgebenes Gesicht schaute ihn an.

So ein Mist, dachte er. Sie hat mich im Stall verschwinden sehen. 

»Carmen?«, fragte er verlegen und hockte sich hin. »Ich... ähm... kann es dir alles ganz leicht erklären.«

Sie schwang sich mit einem leisen Kichern im die niedrige Dachkammer hinauf und warf sich in seine Arme. Bayard verlor das Gleichgewicht und fiel nach hinten. Das Stroh dämpfte seinen Fall. Parfüm nebelte ihn ein, und als sie die Arme um seinen Hals schlang und ihre Lippen auf die seinen presste, wurde ihm klar, dass er sich wie ein Trottel benommen hatte. Carmen hatte selbst gesagt, dass sie Schlawiner

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Texte: Ronald M. Hahn/Der Romankiosk. Mit freundlicher Genehmigung des Apex-Verlags.
Bildmaterialien: Christian Dörge/Apex-Graphixx.
Cover: Christian Dörge/Apex-Graphixx.
Lektorat: Dr. Birgit Rehberg.
Satz: Der Romankiosk.
Tag der Veröffentlichung: 18.11.2019
ISBN: 978-3-7487-2100-0

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