Anna Hausmann würgte. Speichel floss über ihr Kinn und tropfte auf ihre Bluse. Die junge Frau spürte es nicht. Anna hatte das Gefühl zu ersticken. Verzweifelt ruderten ihre Hände durch die Luft. Sie stießen an etwas. Ihre linke Hand verfing sich darin. Anna riss sie los. Ein Schwall frischer Luft schlug über ihr zusammen. Wie eine Ertrinkende schnappte Anna danach. Ein Fehler. Der Sauerstoff brachte ihren Magen endgültig zum Umkippen. Die junge Frau beugte ihren Kopf vor. Ein schmerzender Stich in der Stirn war das Ergebnis. Anna rutschte zusammen. Sie spürte noch, dass sie zur Seite glitt und aufschlug. Dann bahnte sich der Mageninhalt seinen Weg ins Freie. In Annas Kopf rasten die Gedanken. Nicht ersticken. Den Kopf oben behalten. Warum um alles in der Welt schaffte sie es nicht ihre Augen zu öffnen. Die Lieder schienen fest gewachsen zu sein. Endlich. Das Würgen ließ nach. Anna sackte zusammen. Ihre Gedanken verschwanden in einer weißen Wolke.
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Das Ferienhaus war offen geschnitten. Es besaß zwei Etagen. Von der oberen gestattete eine Empore den Blick in den Wohnraum. Dem Grundriss auf der Web-Seite des Ferienparks nach maß es mehr als 90 m². Für eine Person eigentlich zu viel. Aber für Thomas Vorhaben genau richtig. Außerdem hinterließ der großgewachsene sympathisch wirkende Mittvierziger den Eindruck, sich diesen Luxus durchaus leisten zu können. Seine Haare waren so voll wie vor zwanzig Jahren. Gegen das zunehmende Grau half eine Spülung. Thomas trug gern eine sportliche Garderobe. Dabei bevorzugte er Marken, die keinen Zweifel an seiner Bonität aufkommen ließen. Auch der BMW der X-Klasse auf den Stellplatz vor dem Haus war ein Zeichen seines Wohlstandes. Kein Zweifel. Thomas verdiente gut. Doch das nicht nur in seinem Job. Ein guter Teil seines Einkommens stammte aus einem Nebenerwerb. Manche hätten es auch als Hobby bezeichnet. Aber da Thomas dafür Geld nahm bezeichnete er es lieber als Zweitjob. Außerdem war es bei Licht betrachtet kaum mit den hiesigen Gesetzen vereinbar.
Thomas löste den Knoten und ließ das Seil durch seine Finger gleiten. Langsam senkte sich ein Teil des großen weißen Segeltuchs, das den Blick von der Empore auf den Wohnraum bis jetzt versperrte. Auch die beiden Schlafzimmer des Obergeschosses waren mit weißen Laken dekoriert. Sie schützten nicht nur die Möbel und machten es unmöglich die Zimmer wieder zu erkennen, sondern dienten wie das große Segel auf der Empore dazu, das Licht der hier oben aufgestellten Scheinwerfer optimal zu nutzen. Wenn Thomas Kunden etwas hassten, waren es verschwommene halbdunkle Aufnahmen. Sie zahlten für Qualität und die lieferte Thomas.
Dies betraf auch seinen letzten Gast. Der Kunde verlangte nach einer Dame um die 30 mit üppigen Busen, prallen Po und gut proportionierten Beinen. Natürlich durfte die Auserwählte trotz der bei diesen eindeutigen Vorgaben unvermeidlichen weiblichen Rundungen auf keinen Fall den Eindruck hinterlassen fett zu sein. Lediglich bei der Haarfarbe lies der Kunde Thomas freie Wahl. Es war ein gutes Stück Arbeit eine geeignete Kandidatin zu finden. Diese Anna Hausmann würde seinen Kunden Freude machen. Mit 31 passte ihr Alter perfekt. Bei einer Größe von knapp 1.70 m und einer Konfektionsgröße zwischen 40 und 42 wirkte ihre Taille im Verhältnis zu dem sehr ansehnlichen D-Körbchen recht schmal. Das lange dunkle Haar fiel seidig glänzend über die Schultern und reichte beinahe bis zu ihrem runden Po.
Bei dem Anblick dieser entzückenden Rückenansicht konnte Thomas sich selbst kaum noch zurückhalten. Nicht einmal der weiße Miederslip konnte diesen Anblick trüben. Für die Trägerin sicher ein Kompliment. Wenn sie nicht gerade kniend vor dem Geländer der Empore gehockt hätte. Ihre Hände lagen in Handschellen auf dem Rücken, während der Ballknebel in ihrem Mund mit dem Geländer verbunden war. Diese Anna trug auch noch ihren BH. Ebenfalls weiß und eher für den Alltag als zur Verführung gemacht. Thomas besaß kein festes Frauenbild. Er sah das weibliche Geschlecht eher als ein komplexes Ganzes, dass es zu bezwingen galt.
Persönlich liebte es Thomas die Frauen sich selbst Stück für Stück ihrer eigenen Kleidung entledigen zu lassen. Schwang doch mit jedem Kleidungsstück das sie ablegten, die Hoffnung, der maskierte Fremde gab sich damit zufrieden. Dazwischen mussten die Frauen verschiedene Fesselungen erdulden. Dieses Vergnügen gönnte er sich ab und an. Manchmal ging er bei den Frauen auch ein Stück weiter. Aber nie gegen ihren Willen. Darüber ließ er die Frauen im Vorfeld auch nicht im Unklaren. Zumindest jenen denen er seine persönliche Aufmerksamkeit gönnte. Die anderen wurden mit vorgehaltener Waffe gezwungen die Wünsche von Thomas Kunden zu erfüllen.
Seine Kunden hatten dabei recht genaue Vorstellungen. Da es sich bis auf Ausnahmen um Männer handelte wollten sie in der Regel Frauen. Das Alter schwankte zwischen 18, wo für Thomas selbst die unterste Grenze lag bis in die fünfziger hinein. Bei den Outfits gab es nichts was es nicht gab. Thomas besorgte stets alles Notwendige und setzte es seinen Auftraggebern auf die Rechnung. Einige Wünsche lehnte er jedoch kategorisch ab. Das waren vor allem Dinge, die körperliche Schäden hinterlassen konnten. Ein wenig Schmerz war in Ordnung. Aber die Frauen sollten, nachdem die Wirkung seines Mittels verflogen war keine äußeren Zeichen ihrer Zeit mit ihm behalten. Sie würden eine Lücke von 24 Stunden haben an die sie sich einfach nicht erinnern konnten. Dazu besaß Thomas die erforderlichen Kenntnisse. Wozu hatte er sonst Pharmazie studiert? Manche der Frauen würden diese Lücke einfach hinter sich lassen. Manche würden daran zerbrechen. Thomas interessierte das nicht.
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Vogelgezwitscher drang an Anna Hausmanns Ohren. Die junge Frau schlug die Augen auf. Das verschwommene Bild ließ keinen Zweifel offen. Sie lag im Freien. Nur der stechende Geruch passte nicht dazu. Anna stützte sich auf und hob langsam den Oberkörper. Ihre Hand fuhr über die Augen. Sie lag im ihrem eigenen Erbrochenem. Direkt neben der Fahrertür ihres Wagens. Der Schlüssel steckte. Auf dem Beifahrersitz stand wie immer ihre Handtasche. Auch den Parkplatz kannte sie. Anna hatte ihn selbst angesteuert. Gestern am frühen Abend musste das gewesen sein. Sie kam aus dem Büro. Um den Feierabendstau zu umgehen benutzte Anna meistens die Landstraße. Oft hielt sie auch auf diesem Parkplatz. Früher um eine Zigarette zu rauchen. Im Auto zu rauchen war Anna zu wider. Aber dieses Laster war Geschichte. Ein eigenes Geschenk zu ihrem 30. Geburtstag. Doch die Gewohnheit hier eine kurze Pause einzulegen war geblieben. Um Frust abzubauen. Den Tag ausgleiten zu lassen. Pläne für den Abend zu schmieden.
Was war eigentlich passiert? Sie musste zusammengeklappt sein. Ein Kreislaufkollaps? Warum hatte sie dann gebrochen? Gestern gab es in der Kantine Fisch. Wie jeden Freitag. War dieser etwa schlecht. Falls ja hieße, das am Montag Krankmeldung über Krankmeldung. Vielleicht sollte sie sich auch krankmelden? Nein. Sie war die Abteilungsleiterin. Noch dazu die jüngste in der ganzen Firma. Ihre Abteilungsleiterkollegen würden sich ins Fäustchen lachen. Diese Blöße durfte sie sich auf keinen Fall geben. Vielleicht verkrafteten es ihre Mitarbeiter besser? Schließlich handelte es sich meist um Männer. Die steckten so etwas besser weg. Einen Schnaps und schon war die Sache erledigt. Anna dagegen kannte ihren Magen. Schon als Kind hatte sie sich vor allem und jedem geekelt. Sobald auch nur ein Fettauge auf der Suppe schwamm musste sie würgen. Der Fisch war schuld. Eine andere Erklärung gab es nicht.
Anna sah an sich herunter. Der Hosenanzug war reif für die Mülltonne. Er war nicht nur dreckig und mit Erbrochenem beschmutzt, sondern auch am linken Ärmel zerrissen. Das konnte man nicht mehr retten. Schade um das teure Teil. Die Schuhe sahen schlimm aus. Aber diese konnte man Putzen. Bei dem Rest musste sie sehen. Anna stieg in den Wagen. Er sprang ohne Probleme an. Sie würde nach Hause fahren und in die Wanne steigen. Morgen war Sonntag. Da konnte sie sich ausruhen. Danach sah die Welt wieder anders aus.
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Die Morgensonne schien in das Ferienhaus. Thomas trat aus dem Badezimmer. Trotz der kurzen Nacht war er nicht müde. Außerdem gab es eine Menge zu tun. Aber ein Kaffee konnte nicht schaden. Mit der Tasse in der Hand ging Thomas zur Couch. Während das Notebook hochfuhr überschlug Thomas den Zeitplan. Er hatte dieses Ferienhaus noch zwei Tage. Alle Termine, die er in dieser Gegend wahrnehmen wollte waren abgearbeitet. Jetzt konnte er sich ohne schlechtes Gewissen seinem Zweitjob widmen. Der Kunde verlangte ein Paar. Möglichst um die Zwanzig. Ein Mann stellte immer ein Problem dar. Das wusste auch der Auftraggeber und akzeptierte den Risikoaufschlag. Ansonsten waren die Wünsche nicht außergewöhnlich.
Thomas hatte bereits ein Pärchen im Auge. Beide 19 Jahre alt und gerade das Abitur hinter sich. Sie wohnten noch bei den Eltern. Diese befanden sich jedoch im Urlaub. Über die Pläne der beiden war Thomas recht gut informiert. Gegen ein im Vergleich zu Thomas Honorar besserem Taschengeld hatte er die Smartphones der beiden jungen Leute haken lassen. Das machte er eigentlich immer. Eine bessere Methode die Schwachstellen seiner Kandidaten zu finden gab es nicht. Nur bei Anna Hausmann brachte das nicht viel. Sie schien einen bescheidenen Freundeskreis zu besitzen und lebte mehr oder weniger für die Arbeit. Ein Glücksfall für ihn. Hübsche Frauen wurden in der Regel schnell vermisst. Bei Anna konnte Thomas sich Zeit lassen. Genug Zeit um sich seinen eigenen Neigungen hinzugeben.
In den letzten Jahren hatte Thomas seine Methode verfeinert. Es gab faktisch keine Minute in denen seine Opfer nicht von einer Kamera beobachtet wurden. Diese Aufnahmen waren real. Von einem Augenblick zum andern entführt und aus ihrem Umfeld gerissen reagierten die Frauen ganz unterschiedlich. Thomas fand es faszinierend diese Wandlung zu verfolgen. Während sie hier im Haus waren gab es viel zu viele andere Dinge auf die Thomas achten musste. Erst jetzt im Nachhinein konnte er dies richtig genießen. Er suchte die Aufnahmen von Anna Hausmann und startete erwartungsvoll den ersten Clip.
Sein SUV bog auf den Parkplatz ein. Der Golf von Anna Hausmann stand bereits. Die Qualität der Bilder seiner Kamera auf dem Armaturenbrett war ausgezeichnet. Die junge Frau stieg aus. Der dunkle Hosenanzug stand ihr. Zwar verdeckte die lange Jacke den runden Po. Aber die Beine waren sehenswert. Das hochwertige Material der Hose lag eng um die Oberschenkel und die für das Büro eigentlich zu hohen Pumps taten ihr Übriges. Die junge Frau hatte seine Ankunft bemerkt. Sie sah nur kurz hinüber und setzte in gemächlichen Schritten ihre Runde über den Parkplatz fort. Thomas stieg aus. Er ging auf Anna Hausmann zu. Jetzt reagierte sie und drehte sich um. Unter der Jacke trug sie ein beiges Top. Schade, dass sie als Schmuck statt einer Kette ein Tuch gewählt hatte. Bei dem Schnitt des Tops wäre Thomas bereits jetzt ein netter Blick auf das Dekolleté möglich gewesen.
Die Hand der Frau strich ein Haar aus der Stirn. „Kann ich Ihnen helfen?“ Die Offensive schien ihr zu liegen. Innerlich hatte Thomas geflucht. Er war noch nicht nahe genug. „Eigentlich dachte ich, sie brauchen Hilfe. Vielleicht ein Problem mit ihrem Wagen.“, antwortete er. „Wer hält ohne Not auf diesem Parkplatz?“ Anna lachte. „Danke für Ihre Sorge. Aber mit meinem Wagen ist alles in Ordnung. Ich brauche nur ein paar Minuten frische Luft.“ Thomas steckte eine Hand in die Tasche seiner Jacke und suchte nach dem vorbereiteten Tuch. „Keine Ursache.“, erklärte er. Er musste unbedingt noch ein paar Schritte näher heran. Doch der Blick von Anna Hausmann ließ keinen Zweifel offen. Sie wünschte, dass Thomas verschwand. Ihm blieb nichts anderes übrig als sich umzudrehen. In diesem Moment hatte er seine Chance erkannt. Anna Hausmanns Spiegelbild in der Seitenscheibe ihres Wagens. Die junge Frau hatte sich umgedreht. Bevor sie reagieren konnte sprintete Thomas los. Anna Hausmann brachte es nicht mal mehr zu einem Schrei, bevor er ihr das Tuch auf den Mund drückte. Ein paar Sekunden später hing sie bewusstlos in seinen Armen. Thomas nahm sie auf den Arm und trug die junge Frau zu seinem SUV.
Er verschwand aus dem Winkel der Frontkamera. Thomas schob die Maus auf den nächsten Clip. Anna Hausmann zu tragen hatte er sich viel schwerer vorgestellt. Trotz ihrer üppigen Figur schien sie kein Gewichtsproblem zu haben. Unter dem Stoff spürte Thomas zwar weiche weibliche Rundungen. Die erwarteten Speckröllchen fehlten. Der Clip lief an. Er stammte von der Kamera im Laderaum des SUV. Thomas hatte sie so umgebaut, dass er den Gepäckraum von dem Display des Mediasystems verfolgen konnte. Erfahrungsgemäß reichte die Betäubung durch das Tuch um seine Opfer zu fesseln. Für die Fahrt selbst bekamen sie eine Spritze. Auch diese lag bereits vorbereitet in einem Fach des Gepäckraums. Thomas schob Annas Arm ein wenig hoch. Ihr Körper rutschte etwas zur Seite. Sie ist wirklich hübsch, hatte Thomas an dieser Stelle gedacht. Hübsche grüne Augen, schwungvolle Lippen und niedliche Grübchen. Eigentlich hatte er diesen Typ Frau nur auf Grund der Vorgaben seines Auftraggebers ausgewählt. Doch jetzt im nach hinein auf der Couch wusste Thomas, dass er in diesem Augenblick den Entschluss gefasst hatte. Auch er wollte seinen Spaß mit dieser Frau.
Aus den Seitenfächern holte Thomas Ledermanschetten. Sie waren besser als Handschellen, Seile oder gar Kabelbinder. Sie hinterließen keine Abdrücke und man konnte sie über Haken an den Verzurrösen im Laderaum fixieren. Vorsichtig schob er die Hosen seines Opfers etwas noch oben und fuhr mit der Hand darunter. Weder Söckchen noch Kniestrümpfe. Anna Hausmann trug darunter demnach eine Strumpfhose. Thomas legte die Leder Manschetten um die Knöchel und schloss die Riemen. Er fixierte sie an einer Öse. Nun waren die Hände an der Reihe. Thomas führte sie in den Schoss der bewusstlosen Frau. Durch das Tragen war ihr Top im Rückenbereich etwas nach oben gerutscht. Es gab den Bund einer Strumpfhose frei. Er lag mit seiner Vermutung richtig. Anna Hausmann trug eine Strumpfhose.
Die Ledermanschetten legten sich um die Gelenke. Anna die Hände auf den Rücken zu fesseln war zu diesem Zeitpunkt nicht nötig. Thomas wollte die Frauen möglichst unversehrt in sein Versteck schaffen. Wie aus dem Ei gepellt sollten sie aussehen. Abgekämpfte, zitternde Körper, zerrissene Kleidung und verheulte Gesichter störten Sexgangster sicher nicht. Er aber war Geschäftsmann. Den Frauen ging es bei ihm gut. Ihre private Kleidung wurde geschont. Arbeitskleidung beschaffte in weiterem Sinne der Auftraggeber. Sie durften Duschen und wurden verpflegt. Auch Kosmetikartikel standen zur Verfügung. Alles war perfekt. Ideale Arbeitsbedingungen für jedes Model. Doch die Auftraggeber wollten Amateure. Sie wollten die Angst in den Augen der Frauen sehen.
Thomas nahm einen Ballknebel und schob ihn Anna Hausmann zwischen die Lippen. Zufrieden stellte er fest, dass der Lippenstift nicht verschmierte. Wie bei ihrer Kleidung legte die junge Frau auch hier Wert auf Qualität. Das Make-up nur hauchdünn aufgetragen. Weniger war in diesem Fall mehr. Eine dicke Schicht hätte dem hübschen Gesicht lediglich seine Natürlichkeit genommen. Die junge Frau war versorgt. Blieb nur noch Annas Handtasche zu holen. Eine Frauenhandtasche in einem Auto ohne Frau passte nicht. Ein verschlossener und ordentlich abgestellter VW Golf konnte ohne Probleme einen Tag auf diesem Parkplatz stehen bleiben.
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Die Tür fiel ins Schloss. Anna wankte zur Garderobe. Eigentlich ging es ihr ganz gut. Der Magen rebellierte nicht. Der Kopf schmerzte ein wenig. Der Grund für ihr Schwanken war sicher die Beule an ihrer Stirn. Sie musste bei ihrem Kollaps irgendwo angestoßen sein. Außerdem war sie irgendwie vollkommen fertig. An ihr ramponiertes Gesicht im Spiegel hatte sich Anna schon während der Fahrt gewöhnt. Jetzt im großen Spiegel der Garderobe wirkte es anders. Puppenhaft. Künstlich. Erstmal raus aus den Sachen und in die Badewanne.
Im Schlafzimmer inspizierte sie noch einmal gründlich den Hosenanzug. Anna widerstrebte es das Teil sofort in einen Müllsack zu stecken. Dafür war es einfach zu teuer und zu neu. Außerdem zeigte die Hose außer Schmutz keine weiteren Beschädigungen. Zumindest die konnte man mit einem anderen Oberteil durchaus noch anziehen. Lediglich ein Ärmel der Jacke war aufgerissen. Für einen Schneider dürfte die Reparatur kein Problem sein. Für Anna selbst schon. Ihre Erfahrungen mit Nadel und Faden beschränkten sich auf das annähen von Knöpfen.
Die junge Frau hängte den lädierten Hosenanzug auf einen Bügel. Sie schlüpfte aus ihren restlichen Sachen und ging in das Badezimmer. Während Wasser in die Wanne lief begann Anna sich abzuschminken. Dies wollte ihr heute nicht gelingen. Das Make-up verschmierte mehr als sich vom Gesicht zu lösen. Anna musste mit einer kräftigen Portion Reinigungsmilch und Waschgel nachhelfen. Die Ratgeber in den Frauenzeitschriften hatten schon recht. Mann sollte sich jeden Abend abschminken, sonst schadete es der Haut. Diese Tortur vor dem Spiegel war der perfekte Beweis.
Anna glitt sich ins Wasser gleiten und streckte sich aus. Normalerweise gönnte sie sich ihr Bad immer am Sonntagabend. Sozusagen als ruhigen Ausklang ihres Wochenendes. Aber sie brauchte es jetzt. Dann wären es dieses Wochenende eben zwei Bäder. Annas Hand tastete nach der Fernbedienung des CD-Players. Der Versuch das Gerät anzuschalten ging ins Leere. Anna erhob sich ein wenig und zielte erneut. Mitten in der Bewegung hielt sie irritiert inne. Auf dem Display. Vor Uhrzeit und Datum standen zwei kleine Buchstaben. So. Sonntag. Das konnte nicht sein. Heute war Samstag. Anna sprang aus der Wanne und griff das Badetuch. Mit nassen Füßen lief sie zur Garderobe. Das Display ihres Smartphones zeigte ebenfalls Sonntag.
Mit zitternden Knien rannte Anna ins Wohnzimmer und schaltete den Fernseher ein. Dieser brachte Gewissheit. Es war Sonntag. Die junge Frau ließ sich auf das Sofa sinken. Es war Sonntag. Ihr fehlte ein ganzer Tag in ihrem Leben.
Anna Hausmanns Herz raste. Ihr fehlte ein ganzer Tag. Dabei war sie genau an jener Stelle aufgewacht an die sie sich als letztes erinnern konnte. Hatte sie tatsächlich einen ganzen Tag ohnmächtig auf dem Parkplatz gelegen? War dieser Parkplatz wirklich so einsam? Anna konnte das nicht glauben. Außerdem war die Stelle, an der sie am Freitagabend hielt von der Straße her zu sehen. Irgendwer musste sie doch in dieser langen Zeit bemerkt haben. Ein ganzer Tag und zwei Nächte.
Zwei Nächte? Annas Herz krampfte. Es fühlte sich an, als ob sich ein eiserner Ring darumlegte. Zwei Nächte. Was konnte in zwei Nächten alles passieren? Anna wurde die Brust eng. Hatte sie möglicherweise jemand gefunden und ihren Zustand ausgenutzt? Hatte dieser jemand sie in den angrenzenden Wald geschleift? Vielleicht wurde sie auch überfallen? Die Beule an ihrem Kopf konnte alle möglichen Ursachen haben. Eine Gehirnerschütterung hatte meist eine Amnesie zur Folge. Zumindest galt das für die Arztserien im Fernsehen. Waren Kopfschmerzen und Erbrechen nicht Symptome einer Gehirnerschütterung?
Anna atmete tief durch. Sie versuchte den Ring um ihr Herz zu sprengen. Nur nicht panisch werden. Die junge Frau rannte zum Spiegel an der Garderobe und musterte ihren Körper. Nichts deutete darauf hin, dass sie jemand angefasst hatte. Aber es blieb die Beule. Anna brauchte Gewissheit. Nicht erst morgen. Sofort. Gott sei dank, war ihre Gynäkologin auch ihre Tante. Anna griff zum Telefon. „Entschuldige die Störung, Petra.“, begann sie nach dem sich ihre Tante meldete. „Ich brauch deine Hilfe. Als Ärztin. Können wir uns in deiner Praxis treffen?“… „Danke.“…. „Den Grund besprechen wir besser dort.“
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Der weiche Waldboden gab eine ideale Grundlage zum Joggen ab. Thomas zog das Tempo ein wenig an. Das Joggen hielt ihn fit. Aber heute war es nicht nur Eigennutz. Er hatte ein Ziel. Das Haus des männlichen Teils seiner neuen Opfer. Thomas wollte sehen, ob seine Informationen stimmten und die Eltern des Jungen heute Nachmittag tatsächlich zu einer dreiwöchigen Kreuzfahrt aufbrachen. In diesem Fall gedachte der Nachwuchs das Haus faktisch zu okkupieren. Die ersten Feten waren für die nächsten Tage geplant. Grund genug für Thomas schnell zuzuschlagen. Falls das Mädchen sich bereits diese Nacht bei ihrem Freund einquartierte dachte er an Morgen früh. Das Mädchen sah zwar ganz niedlich aus aber für Thomas war es mehr ein Auftrag, den es zu erledigen galt. Bei dieser Anna hatte der Fall ganz anders gelegen.
Als sie am Ferienhaus ankamen parkte Thomas seinen Wagen nah beim Haus. Die obere Etage war bereits vorbereitet. Kameras und Scheinwerfer standen bereit. Wie alle seine Opfer trug Thomas die ohnmächtige Frau in eines der oberen Schlafzimmer. Er legte sie auf das Bett. Die Ledermanschetten und der Knebel wurden abgenommen. Jetzt brauchte er Anna Hausmann nur noch das Gegenmittel zu injizieren und der Spaß konnte beginnen. Die Aufwachphase nutzte Thomas zum Feinjustieren seiner Kameras. Die Tür des Schlafzimmers war verschlossen. Das Geschehen drinnen konnte Thomas über eine Web-Cam verfolgen. Anna Hausmann brauchte nach dem Aufwachen nicht lange um ihre Situation zu realisieren. Sie befand sich in einem mit weißen Tüchern ausgekleideten Raum. Auch die Möbel bedeckten weiße Bezüge. Die junge Frau hatte sich sofort auf die Suche nach der Tür begeben und diese unter den Stoffbahnen auch gefunden. Ein Rütteln an der Klinke blieb erfolglos.
Spätestens jetzt musste Anna Hausmann klar sein, dass sie Opfer einer Entführung geworden war. Trotzdem gab sie nicht auf und begann den Raum systematisch zu durchsuchen. Thomas nahm es gelassen. Selbst, wenn die junge Frau das Fenster fand. Die in den Ausschnitt gespannte Spanplatte verhinderte die Flucht. Doch soweit wollte es Thomas nicht kommen lassen. Er zog eine Maske über den Kopf, nahm die Pistole und schloss die Tür auf. Anna Hausmann drehte sich um. Ihr Blick wanderte von der Waffe hinauf zu Thomas Maske. „Wer sind Sie und warum haben Sie mich hier eingesperrt?“ Annas Frage kam sachlich und bestimmt. Das mochte Thomas. Winselnde Frauen waren ihm ein Graus. „Du bist mein Gast.“, antwortete er. Die junge Frau trat an ihn heran. „Gäste sperrt man nicht ein. Also warum bin ich hier? Eine Entführung? Da haben Sie die Falsche.“
„Alles zu seiner Zeit.“, war Thomas Antwort gewesen. „Zunächst möchte ich nur, dass du dein Tuch ablegst und die Jacke ausziehst.“ Mit deutlichen Misstrauen band Anna ihr Tuch ab und schlüpfte aus der Jacke. „Leg die Hände hinter den Kopf und streck die Ellenbogen zur Seite.“ Die junge Frau befolgte die Anweisung. Thomas Vermutung wurde bestätigt. Das Dekolleté war eine Augenweide. Eigentlich Grund genug um weiter zu machen. Doch Thomas hielt sich zurück. Eins nach dem anderen. „Dreh dich um.“ Anna Hausmann drehte sich um. Die Hose saß perfekt um ihren runden Po. Thomas Auftraggeber würde begeistert sein. Aber auch Thomas konnte seine Hände kaum im Zaum halten. Zu gern hätte er diese Frau berührt. Doch soweit war es noch nicht.
„Mein Po wird auch nicht kleiner, wenn Sie ihn noch länger anstarren.“, sagte die Frau vor ihm. „Vielleicht will ich gar nicht, dass er kleiner wird.“, versuchte Thomas zu scherzen. Anna Hausmann ging nicht darauf ein. „Sie können sich hinter einer Maske verstecken, aber ich weiß wer sie sind. Sie sind der Mann vom Parkplatz. Haben Sie mich verfolgt oder ist es nur ein Zufall?“ „Das kann dir doch egal sein.“, antwortete Thomas. „Nicht ganz.“, verbesserte seine Gefangene. „Wir wissen beide worauf es hinausläuft. Haben Sie mich bewusst ausgesucht oder war ich einfach die erste die Ihnen über den Weg lief?“ Thomas konnte sich das Lachen unter der Maske nicht verkneifen. So eine Frage hatte noch keine Frau gestellt. „Brauchst du das für dein Ego?“ „Ich wollte es nur einfach gerne wissen. Schließlich werde ich das erste Mal vergewaltigt.“, antwortete die Frau vor ihm.
„Wenn es dich beruhigt. Ich habe nicht vor dich zu vergewaltigen.“, erklärte Thomas. „Warum muss ich dann diese Verrenkungen machen?“, wunderte sich Anna Hausmann. „Weil es mir gefällt, wenn Frauen tun was ich von ihnen verlange.“, gab Thomas zurück. Er hob das Tuch vom Boden auf und trat hinter die junge Frau. „Ich werde dir jetzt die Augen verbinden. Anschließend führe ich dich aus dem Zimmer.“ „Tun Sie was Sie nicht lassen können.“, hatte Anna Hausmann trocken erwidert.
Thomas verringerte das Tempo. Er hatte das Wohngebiet erreicht. Stattliche Einfamilienhäuser mit großen Gärten. Natürlich war er am frühen Sonntagnachmittag nicht allein unterwegs. Aber ein joggender Mann in seinem Alter fiel in diesem Viertel nicht weiter auf. Thomas wechselte die Straßenseite. Er wollte nicht unmittelbar an seinem Ziel vorbeilaufen. Von der anderen Straßenseite besaß er zudem den besseren Überblick. Die Eingangstür, des an eine Villa erinnernden Hauses stand offen. Ein Mann um die Fünfzig trug zusammen mit einem blonden Jungen Koffer zu einem Mercedes der gehobenen Klasse. Thomas Informationen waren korrekt. Er beschloss noch eine weitere Runde durch die Siedlung zu drehen und dann zum Ferienhaus zurück zu laufen. Noch vor dem Morgengrauen würde er zurückkehren.
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„Du kannst dich wieder anziehen, Anna.“, sagte die schlanke Mittfünfzigerin in weißem Kittel. Anna Hausmann stieg von dem Untersuchungsstuhl herunter und raffte den weißen Überwurfkittel, den sie während der Untersuchung getragen hatte zusammen. „Danke, dass du deinen Sonntag opferst, Petra. Ich brauchte Gewissheit.“ „Was das betrifft, kannst du beruhigt sein.“, antwortete die Ärztin. „Du hattest in den letzten Tagen keinen Verkehr. Gleich auf welche Weise.“ Anna atmete auf. „Zumindest auf die herkömmliche Weise solltest du es in deinem Alter regelmäßig tun.“, fuhr ihre Tante fort. „Es gibt kein besseres Mittel um Frust und Stress abzubauen als guten Sex.“ „Ist ja gut.“, wiegelte die junge Frau ab. „Ich bin ja keine Nonne.“
Petra ließ nicht locker. „Wann hast du das letzte Mal mit einem Mann geschlafen oder hast du das Lager gewechselt?“ „Das geht dich überhaupt nichts an.“, gab Anna unwillig zurück. „Doch.“, konterte ihre Tante. „Ich bin nicht nur deine Ärztin, sondern auch eine Freundin.“ „Ich steig nicht mit jedem beliebigen ins Bett.“ Die Fragerei nervte gründlich. „Du sollst auch nicht mit jedem beliebigen ins Bett steigen, sondern mit einem Typen der dir gefällt.“, erwiderte die Gynäkologin. Anna klatschte sich selbst auf ihren Po. „Typen die mir gefallen stehen nicht auf Frauen mit fetten Ärschen und Beinen wie Betonpfosten.“ Ihre Tante lachte. „Ich weiß zufällig was du wiegst. An dir ist nichts fett. Deine Figur liegt in der Familie. Finde dich damit ab und nutze deine Vorzüge. Du hast ein hübsches Gesicht und einen fantastischen Busen.“ „Leider zwei Nummern zu groß.“, seufzte Anna. „Dann würde er nicht mehr zu deinem Po passen.“, gab ihre Tante zurück.
Anna reichte es. Sie war nicht hier um sich erklären zu lassen, dass sie sich einen Mann suchen sollte. Das wusste sie selbst. Anna hätte gerne einen Partner. Ihre Ansprüche waren nicht hoch. Sie wollte einen anständigen Kerl. Jemandem zu dem man nach Hause kam und sich fallen lassen konnte. Heute beschäftigte sie jedoch etwas anderes. Ihr fehlte ein Tag in ihrem Leben. Dass sie nicht missbraucht worden war machte diese Lücke erträglicher. Aber eine Lücke blieb eine Lücke. „Was ist mit der Beule, Petra?“ „Nur eine Beule. Nichts weiter.“, antwortete die Ärztin. „Ich bin keine Neurologin, aber du hast keine Ausfallerscheinungen. Ich mache dir aber sicherheitshalber gleich morgen einen Termin bei einem Kollegen. Ansonsten solltest du überlegen zur Polizei zu gehen. Außerdem müssen wir sehen, was das Labor sagt. Ich schicke dein Blut und den Urin morgen früh dorthin und sorge dafür, dass es sofort untersucht wird.“ Anna Hausmann nickte. Was konnte sie noch tun? Vielleicht noch einmal zu dem Parkplatz fahren? Schaden konnte es nicht.
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Thomas holte die Segeltuchrolle aus dem großen Schlafzimmer im Obergeschoss. Bevor er in der zweiten Nachthälfte aufbrach musste er die Empore wieder herrichten. Thomas liebte offene Häuser mit Empore. Die Balken und Pfosten waren für seine Pläne ideal. Besonders diese Pfosten, die bis zum Dachstuhl reichten und die Basis für weitere Querbalken bildeten. Unter einem dieser Balken stand gestern Anna Hausmann. Die Hände über den Kopf in Ledermanschetten. Diese waren an einem Seil befestigt dessen Ende über die Balken führte. Thomas hatte das Seil soweit angezogen, dass die junge Frau gerade noch stehen konnte. Keine sehr angenehme Haltung.
Natürlich hatte sie gestöhnt als Thomas das Seil anzog. Eine normale Reaktion. Ein roter Ballknebel zwischen den Lippen verhinderte, dass ihr Stöhnen an fremde Ohren drang. In dieser gestreckten Haltung war sein Opfer auch ohne weitere Fesseln praktisch bewegungsunfähig. Diese Situation nutzte Thomas mit Freude aus. Er konnte die intimsten Stellen der jungen Frau berühren. Wollte sie nicht hilflos am Seil baumeln musste Anna Hausmann die Berührungen ohne Reaktion über sich ergehen lassen. Hinzu kam, dass der jungen Frau die Augen verbunden waren. Zu Beginn versuchte sie noch Thomas Berührungen zu entgehen. Doch Anna lernte schnell. Nach dem ersten Schwanken verharrte sie regungslos in ihrer Position.
Noch kamen Thomas Finger nicht zum Einsatz. Als Hauptinstrumente dienten ihm eine flexible Gerte und eine Art Staubwedel. Thomas wusste wie man eine Frau in dieser Position nahe an den Wahnsinn trieb. Das brachte die Erfahrung einfach mit sich. Weder das Top noch der BH darunter verhinderten das Anschwellen der Brustwarzen. Auf plötzliche Berührungen ihrer Scham reagierte die junge Frau mit einem krampfhaften zusammenpressen ihrer Schenkel. Ein kleiner Schlag auf den Po erzielte den gegenteiligen Effekt. Anna schob ihre Hüfte wieder vor. Thomas erzwang diese Reaktionen in immer schnellerer Folge. Irgendwann schaffte die Wehrlose nicht mehr seiner Gerte zu folgen und gab auf. Thomas Gerte suchte sich einen Weg von hinten zwischen den Beinen hindurch. Diesmal erfolgte eine Reaktion. Ein Wimmern drang unter dem Knebel hervor.
Thomas hatte die Position gewechselt. Tatsächlich. Anna Hausmann weinte. Tränen liefen über ihre Wangen. Zeit sich wieder ihren Brüsten zuzuwenden. Doch bereits nach der ersten Berührung wusste Thomas, dass die junge Frau genug hatte. Sie zerrte wie eine Verrückte an den Fesseln und heulte in den Knebel. Das Seil wurde gelöst. Anna Hausmann sank zusammen. Thomas fing sie auf. Er ließ die junge Frau auf den Boden gleiten und erlöste sie von dem Knebel. Der Speichel lief über das Kinn. Kein schöner Anblick. Aus dem kleinen Bad im Obergeschoss holte Thomas ein Handtuch. Er schloss die Ledermanschetten auf und reichte es der Verzweifelten.
„Danke.“, sagte sie leise. Eine Reaktion, mit der er gerechnet hatte. Jedoch nicht mit dem was folgte. Anna Hausmann riss sich das Tuch vom Gesicht. Trotz der noch feuchten Augen war ihr Blick klar und fest. „Ich wusste es. Sie sind der Mann vom Parkplatz.“ „Umdrehen! Sofort!“, herrschte Thomas die junge Frau an. Anna gehorchte. „Sie haben gesagt, ich werde nicht vergewaltigt. Was war denn dann das?“ „Das Vorspiel.“, erklärte Thomas. Er zog seine Maske über. „Ich würde es begrüßen, wenn wir auf weitere Vorspiele verzichten und zu dem kommen was sie eigentlich vorhaben. Egal was es ist.“ Die Stimme der jungen Frau klang entschlossen. Thomas überlegte. Er hatte eine bestimmte Idee. Dafür schien Anna Hausmann perfekt geeignet. War er dafür schon bereit? Die nächste Viertelstunde würde es zeigen. „Zieh dich aus.“, forderte er die junge Frau auf.
Ohne zu Zögern griffen Anna Hausmanns Hände nach ihrem Top und streiften es ab. Ein weißer BH kam zum Vorschein. Ein typisches Oversize-Teil. Die Bügel endeten in einem breiten elastischen Rand. Zwar folgte dieser ihrer Form. Doch nur bis zu einem gewissen Punkt. Dieser lag tiefer als bei einem BH für kleinere Größen. Der Steg war dadurch recht breit. Dies galt auch für die Träger. Die Körbchen bestanden zu zwei Dritteln aus festem weißem Material und boten dem Busen guten Halt. Erst im Bereich des Dekolletés zeigte der BH Haut unter der Spitze.
Die junge Frau zog ihre Schuhe von den Füßen. Sie rappelte sich auf und stieg aus der Hose. Die Strumpfhose darunter war nichts Besonderes. Weder stützend noch formend. Auch nicht blickdicht. Einfach ein Teil, das man unter eine Hose zog. Vermutlich stammte die Strumpfhose aus einem Drogeriemarkt. Der Miederslip war schon interessanter. Sein Bund endete ein wenig über dem Bauchnabel. Von Stil und Material bildete der Slip zusammen mit dem BH ein Ensemble. Die weiße Spitze der Körbchen fand sich auch im Vorderteil des Höschens wieder. Der Einsatz reichte vom Bund bis in die Nähe der Scham. Natürlich war er nicht transparent wie bei dem BH. Immer wieder unterbrochen durch stützende Vertikalstreifen, ging dieser an den Seiten in formendes Material über. Für einen Mann der Retro-Look mochte, wären dieser Slip und der BH eine nette Überraschung. Die meisten Männer jedoch würden sich ein Schmunzeln nicht verkneifen können. Anna hatte sich der Strumpfhose entledigt. Ihre Hand ging zum BH. „Nein.“ Thomas Zwischenruf stoppte dir Handbewegung sofort. „Du brauchst deinen BH nicht abzulegen. Zieh auch die Schuhe wieder an.“ Zügig, doch sichtlich verwundert befolgte Anna Hausmann die Anweisung. Thomas zog ein paar Handschellen aus der Tasche. „Dreh dich um und nimm die Hände auf den Rücken.“
Anna Hausmann hatte seinen Befehl wortlos befolgt. Sie war eben eine erwachsene Frau, die ihre Lage realistisch einschätzte und vernünftig handelte. Thomas arbeitete gern mit diesem Typ Frau. Bei dem Pärchen das Thomas ins Auge gefasst hatte, war er sich der Reaktionen nicht so sicher. Thomas verzurrte die Halterungen der Segeltuchbahn an den Balken. Das Obergeschoss war wieder abgeriegelt. Bis zu seinem Aufbruch konnte er in aller Ruhe noch ein paar Stunden schlafen.
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Annas Wagen stoppte auf dem Parkplatz. Jetzt, am späten Nachmittag war dieser gut gefüllt. Damit hatte sie ehrlich gesagt nicht gerechnet. In der Woche war Annas Wagen meist der einzige. Am Wochenende schien der Parkplatz bei Spaziergängern sehr beliebt zu sein. Für die junge Frau ein Grund mehr zu fragen warum sie niemand gefunden hatte. Ein älterer Herr trat aus dem Wald. Auf den ersten Blick ein Wanderer. Aber die teure Kamera um seinen Hals passte nicht dazu. Der Mann überquerte zügigen Schrittes den Platz. Dann entdeckte er Anna und wechselte die Richtung.
„Der Golf gehört also Ihnen.“, rief der Mann noch bevor er die junge Frau erreichte. „Ein schöner Wagen. Neu und bestimmt nicht billig.“ Der VW war wirklich keine zwei Monate alt und bei der Ausstattung hatte Anna auch nicht gespart. Sie ging ein paar Schritte auf den älteren Herrn zu. „Sie kennen mein Auto?“ „Es stand den ganzen Samstag hier.“, erklärte der Fremde. „Ich hab mich gewundert wer so etwas macht. Das ist nicht ungefährlich. Besonders bei so einem teurem Modell.“ „Das wusste ich nicht. Danke für den Tipp, Herr…“ „Obermeier.“, erwiderte der Mann. „Hans Obermeier.“ Er reichte Anna die Hand. Die junge Frau schlug ein. „Anna Hausmann.“
Dieser Herr Obermeier wusste etwas das zumindest ein wenig Licht in die Sache bringen konnte. „Ein Freund hat diesen Parkplatz als Treffpunkt empfohlen und mich hier abgeholt. Wir wollten nicht mit zwei Autos fahren.“ „Ihr Freund hat Ihnen einen schlechten Rat gegeben, Frau Hausmann.“, erklärte Hans Obermeier. „Hier wurden schon Räder abgeschraubt und Scheiben eingeschlagen. Besonders nachts. Ich hab mir ehrlich Sorgen um den Wagen gemacht.“ „Was meinen Sie damit, Herr Obermeier?“, fragte Anna. „Nun.“, begann der ältere Herr. „Ich bin so etwas wie ein Hobby-Ornithologe. Um Vögel zu beobachten muss man früh raus.“
Anna hörte aufmerksam zu. Hans Obermeier bemerkte ihren Wagen das erste Mal am Samstagmorgen gegen fünf. Als er einige Stunden später zurück kam stand der Golf immer noch da. Noch dachte sich der ältere Herr nichts dabei. Der Zufall wollte es, dass er mit seiner Frau diesen Parkplatz am Nachmittag für einen kleinen Spaziergang noch einmal aufsuchte. Annas Wagen hatte sich nicht von der Stelle gerührt. Das gab Herrn Obermeier zu denken. Den Protest seiner Frau trotzend, die Sache ginge ihn nichts an, sah er sich Annas Golf genauer an. Das Auto war verschlossen. Auch ein Blick in das Innere machte ihn nicht schlauer. Trotzdem nahm Herr Obermeier sich vor, falls der Wagen am Sonntagmorgen noch hier parkte die Polizei zu informieren. „Aber da war der Golf ja weg.“, beendete Annas Zufallsbekannter seinen Bericht.
„Danke, Herr Obermeier. Ich werde meinen Wagen bestimmt nicht noch einmal hier über Nacht stehen lassen.“, antwortete Anna. „Darf ich Sie auf eine Tasse Kaffee einladen. Als Dank für ihre Mühe.“ Der Mann schüttelte den Kopf. „Lassen Sie mal junge Frau. Wenn uns jemand sieht gibt’s nur Gerede.“ Er drehte sich um und ging. Anna suchte ihr Handy. Wenn sie schon die Adresse dieses Hans Obermeier nicht hatte, dann wenigstens ein Foto von seinem Kennzeichen. Nach diesem Gespräch bestand an einer Sache keine Zweifel mehr. Annas Wagen stand den Samstag ordentlich verschlossen auf diesem Parkplatz. Aber sie war nicht hier.
Das leise Surren kam näher. Vergeblich versuchte Anna ihre Hüfte wegzudrehen. Sie kniete auf allen vieren auf dem Boden. Jeder Versuch aufzustehen scheiterte bereits im Ansatz. Ihre Arme und Beine fühlten sich wie festgenagelt an. Auch den Kopf zu heben war unmöglich. Da war es wieder. Wie ein Stromschlag fuhr es durch den Körper. Der Schweiß rann ihr aus allen Poren. Er sammelte sich zwischen den Brüsten und tropfte auf den Boden. Um sie herum war es taghell. Ein Schatten glitt über eine weiße Wand. Ein Mann? Sein Schattenriss sprach dafür. Jetzt sagte er etwas. Aber die Stimme gehörte einer Frau. Das verschwommene Umfeld klarte ein wenig auf. Anna konnte die Frau sehen. Sie trug eine schwarze Lederkorsage ohne Körbchen. Ihr Busen lag frei. Die Beine bedeckten schwarze Overknees. Ein Slip fehlte. Warum mussten diese Korsagen immer so extrem eng geschnürt sein. Anna konnte kaum Atmen. Auch ohne das Ding in ihrem Mund. Was erzählte die Frau dort? Warum ratterte sie Zahlen herunter. „09005…“
Anna schreckte auf. Sie brauchte einen Augenblick um sich zu sammeln. Ihr verschwommener Blick suchte eine Uhr. Bereits nach Mitternacht. Sie musste eingeschlafen sein. Nachdem Anna wieder zu Hause war hatte sie sich etwas zum Abendbrot gemacht. Damit war sie ins Wohnzimmer gegangen und hatte den Fernseher eingeschaltet. An mehr konnte sich Anna nicht erinnern. Der auf dem Tisch stehende Teller sprach für sich. Der Belag auf dem Brötchen schrumpelte vor sich hin und der Salat sah alles andere als lecker aus. Der Körper hatte sich einfach seinen Schlaf genommen. Die Zahlen herunterratternde Frau stammte aus einem dieser geistlosen Werbespots für Sexhotlines im Nachtprogramm. Zwar zeigte das Bild statt einer peitschenschwingenden Domina jetzt ein dürres nacktes Mädchen. Der Tonfall beim herunterleiern der Zahlenkolonnen war jedoch identisch.
Ein paar Stunden Schlaf blieben ihr noch. Anna war entschlossen diese nicht auf der Couch zu verbringen. Im Fernsehen folgte der nächste Spot. Eine Wiederholung. Die Domina mit der Lederkorsage. Anna hatte sich nicht geirrt. Die Korsage saß tatsächlich sehr eng. Noch Anna spürte den Druck auf den Rippen als das Teil festgezogen wurde. Dabei stand sie mit über den Kopf gefesselten Händen in einem hell erleuchteten Raum. Was war das denn? Anna versuchte das Bild aus ihrem Kopf zu vertreiben. Aber es blieb. Es schien in ihrem Gehirn eingebrannt zu sein. Aber nicht nur dies eine Bild. Anna sah sich über einem Gestell knien. Genau in dieser Korsage. Die Hand- und Fußgelenke in metallenen Schellen. Diese schmerzten nicht. Massive Overknees und dicke bis zu den Ellenbogen reichende Lederhandschuhe schützten die Haut. Ihre Schmerzen stammten von der zu eng geschnürten Korsage und dem Teil das sich ihr immer wieder nährte um ihre schutzlose Scham zu berühren. Anna konnte nichts dagegen tun. Noch nicht einmal schreien. Das verhinderte ein großer runder Ball in ihrem Mund.
Anna sprang auf. Sie lief ins Bad. Kaltes Wasser rann über ihr Gesicht. Der Halbschlaf verschwand. Die Bilder nicht. Anna ließ sich auf den Boden gleiten. Mit dem Rücken an der Badewanne atmete die junge Frau tief durch. Diese Bilder waren real. Sie stammten aus ihrem verlorenen Tag. Dieser hirnlose Werbespot spülte sie aus der Verdrängung in das Bewusstsein. Plötzlich hatte Anna Angst ins Bett zu gehen. Was für Bilder würde sie noch sehen müssen?
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Wohlhabende Menschen neigten dazu ihre Gärten mit hohen Mauern oder Hecken zu umgeben. So war es auch bei diesem, an eine Villa erinnernden Haus. Thomas kam dies sehr entgegen. Die hohe Hecke schützte ihn ebenso vor fremden Blicken wie sie die am Pool liegende Hausherrin schützte. Mit einer Alarmanlage rechnete Thomas nicht. Dafür mit über Bewegungsmelder gesteuerte Lampen, gut gesicherten Terrassentüren und verstärkten Fenstern. Die Bewegungsmelder störten ihn wenig. Die Nachbarn schliefen. Das Problem waren eher die Fenster. Einbruchsspuren durfte er auf keinen Fall hinterlassen. Bei seinem Plan baute Thomas hauptsächlich auf die Nachlässigkeit zweier Teenager.
Diese enttäuschten ihn nicht. Kurz nach drei Uhr in der Nacht schob Thomas eine unverschlossene zu einem Indoor-Pool führende Schiebetür auf und verschwand im Haus. Außer einem Rucksack mit allem was er für den Abtransport des Pärchens brauchte hatte Thomas auch seine Pistole dabei. Mehr eine Vorsichtsmaßnahme um, wenn etwas schief lief seinen Rückzug abzusichern. Für das Pärchen brauchte er sie eigentlich nicht. Vermutlich schliefen die beiden im Obergeschoss. Das sie schliefen, stand für Thomas fest. Seit drei Stunden schwiegen ihre Smartphones.
Thomas inspizierte das Untergeschoss. Sein Plan die beiden hier wegzuschaffen war simpel. Das es eine Verbindung zwischen Haus und Garage gab kam seiner Idee sehr entgegen. Gut gelaunt stieg er die Treppe nach oben. Von dem geräumigen Flur gingen mehrere Türen ab. Alle Räume zu durchsuchen brachte nichts. Thomas setzte auf Angriff und Überraschung. Er öffnete eine der Türen zu den Zimmern der Gartenseite. Bereits mit seinem ersten Versuch lag er richtig. Das Elternschlafzimmer. In Häusern wie diesen besaß natürlich jedes sein eigenes Bad. Thomas drehte das Wasser in der Dusche auf und verließ das Badezimmer. Im Elternschlafzimmer zog er die Maske über. Außerdem legte Thomas Fesselmaterial und ein Betäubungsmittel bereit. Sicher hörten die beiden das Wasser. Der Junge würde kommen und nachsehen.
Lange brauchte Thomas sich nicht zu gedulden. Draußen klappte eine Tür. Schlurfende Schritte überquerten den Flur. Die Tür wurde geöffnet. Das Licht flammte auf. Es blendete den nur halbwachen Jungen mehr als Thomas selbst. Von der Größe überragte er Thomas sogar ein kleines Stück. In den Schultern fehlte ihm aber noch jene Breite, die einen Mann ausmacht. Der Junge trug lediglich Shorts. Thomas packte zu. Mit dem linken Arm umklammerte er den Überraschten. Die rechte Hand drückte ihm das Tuch mit dem Betäubungsmittel gnadenlos auf den Mund. Noch bevor der Schlaftrunkene begriff sank er zusammen. Thomas schob ihm einen Ringknebel zwischen die Zähne und zerrte diesen fest. Ein Paar Handschellen fixierten den Bewusstlosen am Bettpfosten.
Es wurde Zeit sich um das Mädchen zu kümmern. Mit einem frisch getränkten Tuch überquerte Thomas den Flur. Das schwache Licht unter einer der Türen wies ihm den Weg. Thomas riss die Tür auf. Verschlafene Augen blinzelten ihn an. Das Mädchen schien nicht zu wissen, dass ihr Freund das Zimmer verlassen hatte. Ihre Hand tastete über das zweite Kissen. Thomas hechtete auf das Bett. Er begrub den schlanken Körper des Mädchens unter sich und drückte ihr das Tuch auf den Mund. Unter ihm wurde es lebendig. Das Mädchen hieb mit ihren Fingernägeln auf seinen Arm. Thomas erhöhte den Druck. Die Kleine wurde ruhiger. Ein letztes hilfloses Aufbäumen, dann war es vorbei. Thomas schob die Bettdecke weg und hob das junge Ding hoch. Das Mädchen trug ein Top und Shorties. Es hätte auch nackt sein können. Thomas war an ihr nicht interessiert. Diesmal erledigte er nur einen Auftrag.
Zurück im Schlafzimmer der Eltern legte er das Mädchen auf das Bett und stellte die Dusche ab. Er sah auf die Uhr. Diese Aktion hatte nur eine halbe Stunde gedauert. Trotzdem durfte er keine Zeit verlieren. In den Jungen kam schon wieder Bewegung. Es war Zeit für die Spritze. Thomas arbeitete schnell und konzentriert. Nachdem die beiden ruhig gestellt waren, bereitete Thomas sie für den Transport vor. Bei Männern kannte er zu seiner eigenen Sicherheit keine Gnade. Das galt auch für den Jungen. Eine lederne Augenmaske, dazu ein Lederknebel mit innen liegendem Ball und massive Ledermanschetten an Händen und Füßen. Außerdem verpackte er ihn in eine Decke und fixierte diese mit Spannriemen aus dem Baumarkt.
Mit dem Mädchen ging er sanfter um. Ein Ballknebel und eine einfache Augenmaske reichten. Trotzdem würde sie es ungemütlicher als Anna Hausmann haben. Thomas musste die beiden liegend in seinem SUV transportieren. In der Dunkelheit kein Problem. Die beiden schliefen. Trotzdem durfte Thomas nicht riskieren, dass sie sich bewegten. Auch bei dem Mädchen blieb ihm als Lösung nur eine Decke und die Spannriemen. Thomas rollte das junge Ding ein und verzurrte sie. Nacheinander trug er die beiden in die Garage hinunter. Der Platz des Mercedes des Hausherrn war seit gestern leer. Dort ließ Thomas das bewusstlose Pärschen zurück. Er packte seine Sachen zusammen, suchte Hauschlüssel und Garagentoröffner. Dann verließ er das Haus mit größter Selbstverständlichkeit durch die Vordertür und holte seinen Wagen.
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Der Anruf ihrer Tante erreichte Anna direkt nach der Mittagspause. „Ich hab einen Termin bei einem Neurologen für dich, Anna. 16:30. Passt das?“ „Das schaff ich schon irgendwie. Danke für deine Hilfe, Petra.“ Doch ihrer Tante lag noch etwas anderes auf der Seele. „Das Ergebnis deiner Blut- und Urinuntersuchung ist da. Jeder anderen hätte ich bei diesem Ergebnis geraten, sie soll es am Wochenende nicht übertreiben.“ Ihre Tante redete in Rätseln. „Was meinst du damit, Petra?“ „Ich hab das Labor nach dem Befund noch einmal angerufen und es mir bestätigen lassen.“ Anna reichte es jetzt. „Sag es endlich. Bin ich schwanger oder was?“ „Nein.“, hatte ihre Tante erwidert. „Das Fachchinesisch verstehst du sowieso nicht. Also sag ich es anders. Es wurden Rückstände einiger Stoffe gefunden, die man in den so häufig zitierten Partydrogen findet. Einige davon in erheblicher Konzentration.“
„Ich nehme keine Drogen.“, antwortete Anna. „Außerdem wüsste ich gar nicht woher ich sie kriegen sollte.“ „Das weiß ich. Genau deshalb mache ich mir Sorgen.“ Die Stimme ihrer Tante unterstützte diesen Satz. „Diese Stoffe können in bestimmten Kombinationen genau jenen Zustand herbeiführen, den du mir geschildert hast.“ „Du meinst eine Art Filmriss. Mein fehlender Tag.“, wollte die junge Frau wissen. „Genau das meine ich.“, bestätigte die Ärztin. „Ich kenne auch deinen empfindlichen Magen. Er würde mit Sicherheit dagegen revoltieren. Ich denke jemand hat dir etwas untergeschoben. Du solltest Anzeige erstatten. Vielleicht bist du ja nicht die einzige der das in letzter Zeit passiert ist.“ Wenn ich nur wüsste was passiert ist, dachte Anna. Die Bilder aus ihrer Erinnerung waren keine Beweise. Wohl aber die Laborergebnisse. Außerdem gab es da noch den alten Herrn Obermeier. Über das Kennzeichen würde die Polizei dessen Adresse sicher ermitteln können.
„Kannst du mir die Ergebnisse mailen, Petra?“ „Natürlich. Vergiss den Termin beim Neurologen nicht.“, antwortete ihre Tante und nannte die Praxis. Jetzt blieb nur noch ein Problem. Ihr Chef musste Anna den Nachmittag frei geben. Weshalb musste dieser nicht wissen. Aber dafür gab es den Termin beim Neurologen. Termine beim Facharzt waren schwer zu bekommen. Normalerweise wartete man Monate darauf. Das musste, obwohl er mit aller Wahrscheinlichkeit privat versichert war, auch ihr Chef wissen. Dass er ebenfalls wusste, dass sie sich bei ihrem Gehalt nicht einfach aus der gesetzlichen Krankenversicherung verabschieden konnte setzte Anna voraus.
Die Sache lief unproblematischer als erwartet. Ihr Chef zeigte sogar einen Hauch Mitgefühl. Anna solle sich nicht übernehmen. Vermutlich sah sie nach der schlaflos verbrachten zweiten Nachthälfte wirklich nicht gut aus. Außerdem mochte es ihr Chef, wenn man persönlich seinen Kotau machte und sich nicht hinter dem Telefon versteckte. So schnell es die Absätze ihrer Schuhe zuließen stieg Anna die Treppe aus dem gläsernen Turm der Direktionsetage hinab. Die Treppe endete auf einer Empore. Normalerweise wäre sie jetzt um in die Tiefgarage zu ihrem Parkplatz zu fahren in den Fahrstuhl gewechselt. Doch heute versperrte ein Schild mit der Aufschrift Malerarbeiten den direkten Weg. Die Maler hatten eine Art Baldachin zwischen die Treppen gezogen um ungestört arbeiten zu können. Anna blieb nichts weiter übrig als den Fahrstuhl im anderen Treppenhaus zu benutzen.
Die junge Frau wollte sich umdrehen. Doch irgendwas an diesem Bild hielt sie zurück. Eine Empore mit einem Geländer. Ein weißer Baldachin, der den Blick nach unten versperrte. Anna sah die Streben ganz dicht vor ihrem Gesicht. So dicht, dass ihre Augen sie nur verschwommen wahrnahmen. Der Abschluss des Geländers berührte ihre Stirn. Sie selbst war unfähig etwas dagegen zu tun. Hinter ihr stand jemand, der ihren Po mit den Augen fixierte. Anna spürte seine Blicke wie Nadelstiche auf der Haut. Das Bild verschwamm. Ein anderes baute sich auf. Anna konnte es nicht fassen. Nur das Geländer und der weiße Stoff blieben. Sie schob das Bild aus ihrem Kopf. Es würde wiederkommen. Klarer und deutlicher. Jetzt musste sie zur Polizei.
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Thomas warf einen Blick auf das Notebook. Das Mädchen lag ruhig auf dem Bett. Nur gelegentlich bewegte es ihre Hände in den Handschellen. Diese lagen über dem Kopf des Mädchens und waren mit dem Lattenrost verbunden. Ihre Füße wurden von einer ähnlichen Konstruktion am Bett gehalten. Das Mädchen war nicht mehr geknebelt. Die Augenmaske hatte ihr Thomas jedoch nicht abgenommen. Ihr Freund lag bis vor einer halben Stunde auf die selber Art und Weise an das Bett gebunden im zweiten Schlafzimmer des Obergeschosses. Bei ihm hatte Thomas nicht auf einen Knebel verzichtet. Es handelte sich um einen Ballgag mit Löchern. Der Junge konnte nicht ersticken, aber auch nicht herum zetern. Thomas hatte bei ihm etwas gemacht, dass er nur ungern tat. Er zog den Jungen um. Normalerweise zogen seine Gäste das gewählte Outfit selbst an. Aber bei Männern war ihm das zu gefährlich. Aus diesem Grund hatte Thomas im Fetisch-Fachhandel eine besondere Shorts erstanden. Diese war elastisch und passte vielleicht mit Ausnahme von sehr korpulenten Männern jedem. Thomas hatte sie selbst bereits ausprobiert. Nur um ein Gefühl zu haben wie sich das Material anfühlte und was damit möglich war. Außerdem wollte er testen wie man das Teil anzog. Die Besonderheit dieser Shorts war ein Reißverschluss an jeder Seite. Für Thomas hieß das. Er konnte sie auch einem gefesselten Mann anziehen.
Beim Betreten des Zimmers hatte der gefesselte Junge seinen Kopf gehoben und etwas in den Knebel gemurmelt. Thomas ignorierte es. Stattdessen zog er die Fesseln noch fester an. Er wollte nicht, dass der Junge sich bewegen konnte. Wie richtig Thomas damit lag bewies die Reaktion als er ihm seine Shorts herunterzog. Der Junge wurde panisch und versuchte sich wegzudrehen. Thomas zog ihm die Shorts bis zu den Knien herunter. Weiter ging es nicht. Sonst hätte er die Hose zerschneiden müssen. Die Hose würde jedoch von selbst herunter gleiten, sobald Thomas ihn auf die Füße hob. Er schob den heftig an den Fesseln ziehenden Jungen die Shorts aus dem Fetisch-Handel unter den Po, legte sie herum und zog die Reißverschlüsse zu. Sofort wurde der Junge ruhiger. Diese Reaktion hatte Thomas erwartet.
Der Junge lag noch immer im anderen Schlafzimmer. Thomas Interesse richtete sich wieder auf das Mädchen. Mit einer Tasche in der Hand betrat er das Zimmer. Sie spürte seine Anwesenheit und begann sich zu regen. Thomas stellte die Tasche ab und setzte sich auf das Bett. Er legte seine Hand auf den Bauch des gefesselten Mädchens. Sofort blieb diese regungslos liegen. „Dein Freund ist auch hier. Euch beiden passiert nichts.“ beruhigte er das Mädchen. „Wenn ihr tut was ich sage seid ihr Morgen früh wieder zu Hause. Hast du verstanden?“ Das Mädchen nickte. „Gut.“ statuierte Thomas. „Wie heißt du?“ „Sophie.“, antwortete das Mädchen. „Und dein Freund?“, forschte er weiter. „Niklas.“ Die Stimme des Mädchens war kaum zu verstehen. „Hat dich Niklas schon einmal gefesselt, Sophie?“ Das Mädchen schüttelte den Kopf. „Hast du Niklas schon einmal gefesselt?“ Erneut schüttelte das Mädchen den Kopf.
„Dann ist es für euch beide eine Premiere.“, stellte Thomas fest. „Sie Schwein.“ Die Stimme des Mädchens klang jetzt fester. Thomas ignorierte den Satz. „Vorher wirst du dich umziehen.“, fuhr er ungerührt fort. „Neben dem Bett steht eine Tasche. Darin ist alles was du brauchst. Die Sachen werden dir passen, Sophie.“, erklärte Thomas. „Ich werde dir jetzt die Handschellen aufschließen und das Zimmer verlassen. Wenn du die Tür hörst kannst du dir die Maske abnehmen und dich losbinden. Den Schlüssel für die Fußschellen lasse ich auf dem Bett. Hast du verstanden?“ Das Mädchen nickte. „Ich möchte, dass du es wiederholst, Sophie.“ „Ich bleibe so lange auf dem Bett liegen bis ich die Tür höre.“, antwortete das Mädchen. „Dann werde ich mich umziehen. Die Sachen sind in einer Tasche neben dem Bett. Was soll ich tun, wenn ich fertig bin?“ „An die Tür klopfen.“, erklärte Thomas ein wenig unwirsch. Der jungen Frau keine Anweisung dafür zu geben war ein Fehler, der eigentlich nicht passieren durfte. Natürlich wusste er durch die Kamera, wann das Mädchen mit dem umziehen fertig wäre. Aber das musste sie nicht wissen. Er musste aufpassen. Er schloss die Handschellen auf, deponierte den zweiten Schlüssel auf dem Bett und verließ das Zimmer.
Als er einen Blick auf sein Notebook warf hatte das Mädchen bereits die Fußschellen abgenommen und inspizierte den Inhalt der Tasche. Natürlich konnte man eine 19-jährige nicht einfach in irgendwelche Dessous stecken. Darin wirkten sie einfach lächerlich. Was aber immer ging war ein Catsuite aus Lack. Schlanke Frauen sahen darin umwerfend aus und bei dieser Sophie gab es keine Rollen an den falschen Stellen. Thomas hatte einen Catsuite in rot gewählt. Dazu ein Paar geschlossene High-Heels in der gleichen Farbe. Die ohnehin schon langen Beine des Mädchens würden darin noch ein Stück länger wirken.
Das Mädchen hatte sich ausgezogen und stieg in den Catsuite. Thomas musste lächeln. Diese Sophie machte das sehr geschickt. Ob sie so ein Teil schon einmal getragen hatte? Auch die High-Heels schienen sie nicht sonderlich zu beeindrucken. Für ein junges Ding in ihrem Alter stand sie darauf erstaunlich sicher. Sophie ging die wenigen Schritte zur Tür und klopfte. „Geh ein paar Schritte zurück, dreh dich um und leg die Hände hinter den Kopf.“, befahl Thomas. „Ruf, wenn du soweit bist.“
„Ich bin soweit.“, drang es keine Minute später durch die Tür. Thomas überprüfte auf den Bildschirm das Ergebnis und klappte das Notebook zu. Mit einem roten Ballknebel in der Hand betrat er das Zimmer. Sophie machte keinen Versuch sich zu bewegen. Trotzdem ging eine Nervosität von ihr aus. Das Mädchen schien zu Zittern. Recht hat sie, dachte Thomas. Sie weiß irgendetwas wird passieren. Sie weiß nur nicht was. Sie weiß nur, dass sie es nicht verhindern kann.
Thomas trat hinter das Mädchen. Sie zitterte tatsächlich. „Mund auf.“, befahl er. Die Haltung des Kopfes veränderte sich. Thomas schob ihr den Ballknebel zwischen die Lippen und zog zu. Ein leises Stöhnen war die Reaktion. Thomas hatte keinen Zweifel. In den nächsten Stunden würde Sophie sich noch öfter stöhnen hören.
Enttäuscht verließ Anna die Polizeiinspektion. Sie hatte sich mehr erhofft. Was wusste sie selbst nicht richtig. Aber etwas mehr als ein Formular auszufüllen, eine kurze Aussage zu Protokoll zu geben und die Befunde zu den Akten zu geben, hatte die junge Frau schon erwartet. Die zuständigen Beamten würden sich mit ihr in Verbindung setzen hieß es lapidar. Dafür machte sie nun früher Feierabend und ihre Arbeit liegen lassen. Diese erledigte sich nicht von alleine. Vielleicht sollte sie den Arzttermin absagen und zurück in die Firma fahren? Das wäre jedoch unfair ihrer Tante gegenüber.
„Ich hab dir gesagt, es ist sinnlos.“, hörte Anna eine Stimme hinter sich. „Aber irgendwas müssen wir tun.“, widersprach eine zweite. Die junge Frau schaute sich um. Hinter ihr standen zwei junge Männer um die zwanzig. Einen davon kannte sie. Er hatte im letzten Sommer ein Praktikum in ihrer Abteilung gemacht. Anna war seine Betreuerin. Eine Aufgabe, die ihr damaliger Abteilungsleiter an sie abschob. Dass sie ein halbes Jahr später auf seinem Stuhl sitzen würde, ahnte sie damals nicht. „Felix?“ Der größere der beiden jungen Männer sah auf. „Anna? Was machst du denn bei der Polizei?“ „Das ist eine lange Geschichte.“, wich die junge Frau aus. „Entschuldigt bitte, aber Ich habe euer Gespräch gehört. Was ist sinnlos?“. „Ein Freund von uns ist verschwunden.“, erklärte Felix. „Seine Freundin auch.“ „Wir waren verabredet.“, ergänzte sein Begleiter. „Die beiden waren nicht da. Die Autos parken aber vor dem Haus.“
„Auf Nachrichten und Anrufe reagieren sie auch nicht.“, fuhr Felix fort. „Das ist komisch. Niklas klebt sonst an seinem Handy. Manchmal ist das richtig nervig.“ „Was sagt die Polizei?“, fragte Anna. „Wir sollen morgen wiederkommen. Dann würden sie eine Anzeige aufnehmen.“, antwortete der andere Junge. Er schüttelte den Kopf. „Sind die denn irre. Der Typ wollte einfach nicht begreifen, dass niemand von uns seit gestern Abend mit Sophie oder Niklas Kontakt hatte. Das sind fast 24 Stunden. Wozu gibt es denn sonst Smartphones.“
Um den Menschen das letzte Stück Privatleben zu nehmen, dachte Anna. Sicher, diese Dinger waren ungemein praktisch. Sie führten aber auch dazu, das Vorgesetzte auf eine um halb zehn Uhr abends gesendete Mail eine Antwort erwarteten und dies nicht erst am nächsten Morgen. „Die Beamten halten sich sicher nur an ihre Vorschriften.“, versuchte Anna die beiden zu beruhigen. „Vielleicht wollten euer Freund und seine Freundin nur mal ihre Ruhe. Das soll vorkommen.“ „Das kann man aber auch auf WhatsApp schreiben.“, maulte Felix Begleiter. „Dann weiß man wenigstens was Sache ist.“
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Thomas justierte die Kameras noch einmal nach. Er wollte sicher gehen seine beiden Gefangenen gut im Bild zu haben. Schlampige Arbeit war nicht seine Sache. Außerdem gab das im Nachhinein immer Ärger mit den Auftraggebern. Sophie und Niklas standen mit gespreizten Beinen an dem Geländer der Empore. Thomas hatte ihre Fußgelenke mit Spannriemen an den Verstrebungen festgezurrt. Die Oberkörper der beiden lagen über das Geländer gebeugt und so tief es ging heruntergezogen. Sophies Hände waren mit Seilen gefesselt und an der unteren Strebe befestigt. Bei dem Mädchen reichte dies aus. Ihrem größeren Freund hätte diese Position zuviel Bewegungsfreiraum geboten. Deshalb waren seine Arme weit auseinander gezogen und einzeln mit Seilen an der unteren Strebe fixiert. Beide waren geknebelt. Sophie immer noch mit dem roten Ballknebel. Ihr Freund durch einen schwarzen. Dieser maß auch einige Zentimeter mehr und garantierte absolute Ruhe.
Die beiden ahnten, dass sie nebeneinander gefesselt waren. Sehen konnten sie es nicht. Thomas hatte ihnen die Augen verbunden. Er arbeitete gewissenhaft. Ganz nach den Vorgaben seines Auftraggebers. Diesmal verzichtete er auf sein privates Vergnügen. Diese Sophie sah zwar ganz nett aus, aber sein Typ war sie nicht. Zu jung. Sie leistete auch keinen Widerstand. Thomas war gespannt wie sie reagierte, wenn er sich jetzt ihren Freund vornahm.
Thomas setzte seine Maske auf und schaltete die Kameras ein. Dann trat er hinter das Mädchen und nahm ihr die Augenbinde ab. Es dauerte ein paar Sekunden bis sie ihren Freund entdeckte. Ein durch den Knebel verschluckter Aufschrei war die Reaktion. Als Gegenreaktion zog ihr Freund wie ein Irrer an den Fesseln. So ein Unsinn, dachte Thomas und griff in seine Tasche. Die Augen des Mädchens wollten nicht glauben was sie sah. Mit einem Massagestab in der Hand trat Thomas hinter ihren Freund. Bei jedem Mann gab es eine Stelle am Ansatz des Hodens, die man nur genug zu reizen brauchte. Dieser leistungsstarke Massagestab schaffte dies sogar durch die Shorts des Jungen.
Bei der ersten Berührung versuchte sich Niklas noch wegzudrehen. In seinen Fesseln ein sinnloses Unterfangen. Thomas wusste genau wo er ansetzen musste und tat dies gnadenlos. Niklas schrie in den Knebel. Für Thomas nichts Neues. Dabei handelte es sich nur um die erste Phase. Dem Schreien folgte ein Wimmern. Dazu eine eindeutige Reaktion unter den Shorts. Die Dauerstimulation zeigte Wirkung. Phase zwei. Jetzt durfte Thomas den Punkt nicht verpassen ab dem er den Massagestab dosierter einsetzte. Er probierte es mit kurzen Pausen. Der Körper des Jungen entspannte sich deutlich. Er war noch nicht soweit. Thomas erhöhte die Frequenz.
Nach einer weiteren Dosis Dauerstimulation ging Thomas zu Intervallen mit Ruhephasen über. Dabei hatte er seine eigene Methode. Bevor sich Niklas Körper darauf einstellen konnte begann ein neues Intervall. Ein Teufelskreis aus dem es nur einen Ausweg gab. Niklas Körper reagierte mit purem Instinkt. Er forderte diesen Ausweg. Das Wimmern verlagerte sich in die Pausen. Dagegen drang in den Phasen der Stimulation ein wohliges Stöhnen unter den Knebel hervor. Phase drei war erreicht. Thomas setzte die Stimulation abrupt ab. Zunächst wimmerte der Junge. Er erwartete das nächste Intervall. Thomas gab es ihm nicht. Aus dem Wimmern wurde ein Protest. Der Körper des Jungen forderte sein Recht. Soweit es die Fesseln zuließen streckte ihm Niklas die Hüfte entgegen. Das alles unter den Augen seiner Freundin. Diese starte ihren Freund einfach nur an. Das Mädchen begriff nicht was geschah. Dafür war sie einfach zu jung. Schade. Thomas hätte sich gewünscht, dass sie bettelte ihren Freund die Qualen abzunehmen.
Es war Zeit die Sache zu Ende zu bringen. Zum letzten Mal setzte Thomas den Massagestab an. Keine halbe Minute später stöhnte Niklas erleichtert auf. Er hatte sich in die Shorts entladen. Schlapp hing sein Körper über das Geländer. Thomas trat an das Mädchen heran. „Ich hoffe es hat dir gefallen, Sophie. Denn du bist als nächste dran und er darf zusehen.“
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Mit der Notebooktasche über der Schulter stieg Anna die Treppe zu ihrer Wohnung hinauf. Der Besuch beim Neurologen brachte nichts Neues. Sie war gesund. Der Arzt kannte die Laborergebnisse. Auch er sah darin den Grund für diese Amnesie. Wenn Anna die Fakten zusammen zählte blieb nur eine Lösung. Sie wurde mit diesen Partydrogen betäubt und entführt. Wie ihr diese Drogen verabreicht wurden lag im Dunkeln. Bei der Frage nach dem wo lag die Sache anders. Es blieb eigentlich nur der Parkplatz. Bei dem warum musste Anna jedoch wieder passen. Sie war nicht vergewaltigt worden. Trotzdem fühlte sie, dass ihr jemand etwas angetan hatte. Dieses Bild von ihr in der Lederkorsage auf allen vieren knieend und in ein Metallgestell gezwängt sprach für sich.
„Vorsicht, Frau Hausmann.“, hörte Anna eine Stimme. Sie gehörte ihrer Nachbarin. Diese kniete auf dem Boden des Treppenhauses vor Annas Wohnung und versuchte die Reste eines Glases Kirschkonfitüre aufzuwischen. „Diese Papiertüten, die man jetzt in den Supermärkten bekommt taugen einfach nichts. Dafür sind sie teuer.“, erklärte Annas Nachbarin das zerbrochene Glas. „Die Plastiktüten waren einfach stabiler und die gab’s früher sogar umsonst.“ Das muss aber sehr lange her sein, dachte Anna. Sie selbst konnte sich daran nicht mehr erinnern. Ihre doppelt so alte Nachbarin hatte diese Zeiten unbegrenzter Rohstoffverschwendung jedoch noch erlebt.
„Brauchen Sie Hilfe?“, fragte Anna während sie sich an der Wand zu ihrer Wohnungstür entlang schlängelte. „Danke Frau Hausmann, aber ich bin gleich fertig.“, erwiderte die Nachbarin. Mit raumgreifenden Bewegungen schob sie die Überreste zusammen. Anna sah das Treppenhaus herunter. Gut, dass die Dielen und die alte Holztreppe bei der Sanierung einen pflegeleichten Belag bekommen hatten. Auf den alten Dielen hätte die Konfitüre sicher Flecken hinterlassen. Anna zuckte zusammen. Eine Holztreppe. Nicht so breit wie diese im Treppenhaus. Auch um einiges steiler. Eine Treppe wie man sie zum Beispiel aus Maisonette-Wohnungen kannte. Bei diesen Treppen hatte man immer das Gefühl plötzlich zu stürzen. Trotzdem sah sich Anna eine solche Treppe herunter hassten. Dazu noch mit Pumps an den Füßen. Ein Wahnsinn.
Anna verfing sich in etwas und drohte zu stürzen, kam aber wieder frei. Sie hörte das Klappern ihrer Absätze. Eine Hand legte sich auf ihre Schulter. Anna spürte deutlich deren Wärme. Sie selbst fror. Warum fror sie nur? Das Bild wurde klarer. Ein großes Zimmer, hell und freundlich. Die Sonne schien hinein. Auch oben war es hell. Doch dieses Licht musste künstlich gewesen sein. Anna konnte sich nicht daran erinnern ein Fenster gesehen zu haben. Hier unten gab es viele Fenster. Besser gesagt Türen. Terrassentüren. Dahinter lagen kleine Hecken, welche Grundstücke abgrenzten. Der Druck auf ihrer Schulter nahm zu. Anna schlug danach. Der Druck verschwand. Sie rannte weiter. Weiter auf eine der Türen zu. Hinter der kleinen Hecke musste ein Weg liegen. Jemand auf einem Fahrrad radelte vorbei. Anna packte den Griff der Tür. Sie war verschlossen. Hinter sich hörte sie eine Stimme. Anna drehte sich um. Das Bild verschwamm.
„Ist Ihnen nicht gut, Frau Hausmann.“ Die besorgte Stimme ihrer Nachbarin holte Anna zurück. „Sie sind ja ganz weiß im Gesicht.“ „Nein. Es geht schon.“, stieß Anna hervor. „Ich muss nur etwas essen. Es war heute etwas viel in der Firma.“ Sie schloss die Tür auf und taumelte in ihre Wohnung.
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Sophie und Niklas lagen nebeneinander auf dem Bett. Die beiden hatten ihre Portion seines Mittels bereits bekommen. Thomas musste sie lediglich wieder zurück nach Hause schaffen. Morgen früh würden die beiden aufwachen und sich an nichts erinnern. Thomas hatte ihnen sogar gestattet zu duschen. Genau genommen war das kein Luxus, sondern eine Notwendigkeit. Der Junge blieb mit Handschellen an die Duschstange gefesselt, während seine Freundin ihn abseifte. Sie trocknete ihn auch ab und half Niklas wieder in seine Shorts, bevor sie selbst in ihre Sachen stieg. Thomas vermied somit das Risiko dem Jungen die Fesseln abnehmen zu müssen. Dieser war von der Tortur zwar erschöpft, aber immer noch gefährlich. Seine Freundin hatte sich mit der Situation abgefunden und befolgte Thomas Anweisungen ohne Widerspruch. Nachdem sie ihrem gefesselten Freund Thomas Spezialcocktail eingeflösst hatte, trank sie ihren Teil in einem Zug aus und legte sich auf das Bett.
Die Shorts und der Catsuite ruhten sicher in Plastiktüten verpackt im Bad. Die mehrfachen Entladungen des Jungen in die Shorts blieben nicht ohne Folgen. Die Innenseite der Hose und sein Unterleib zeigte das Ergebnis. Der Catsiute des Mädchens sah im Bereich der Scham auch nicht viel besser aus. Zudem hatte sie darunter geschwitzt. Es war nicht bei der Fesselung über dem Geländer geblieben. Thomas hatte den beiden alles ab verlangt und dabei immer wieder seinen Massagestab eingesetzt. Der Höhepunkt und das Finale bildete ein Doppelhogtie, den sich ein Kunde der ein Paar orderte natürlich nicht entgehen ließ. Dabei waren die Vorgaben des Kunden präzise. Er wollte die beiden im Hogtie auf der Seite liegend und aneinander fixiert. Dazu ein Doppelknebel, den Thomas extra dafür beschaffen musste. Das Alter und die gute körperliche Kondition von Sophie und Niklas kamen Thomas bei dieser Position sehr entgegen. Mit einem älteren Paar wäre diese Aufgabe sicher schwieriger umzusetzen.
Thomas schloss die Tür. Noch hatte er etwas Zeit. Die beiden vor Mitternacht nach Hause zu schaffen war zu gefährlich. Die Zeit konnte Thomas nutzen um aufzuräumen. Als erstes musste das Geländer gereinigt werden. Über den Stellen an denen die Körper von Niklas und seiner Freundin das Holz berührt hatten lag getrockneter Schweiß. Der musste weg. Thomas holte einen Lappen aus dem Bad und begann die Stellen zu bearbeiten. Das Geländer leistete gute Dienste. Auch bei Anna Hausmann. Die junge Frau hatte davor gekniet. In ihrer Unterwäsche und Schuhen. Die Hände lagen in Handschellen. Im Mund steckte ein Ballknebel. Jedoch kein gewöhnlicher. Dieser besaß an der Außenseite der Kugel einen Ring, den Thomas mit Hilfe eines Seiles an dem Geländer befestigt hatte. Eine fiese Fesselung, die ihrem Körper relativ viel Bewegungsraum ließ, den Kopf jedoch gnadenlos fixierte.
Diesmal setzte Thomas seine Hände ein. Systematisch fuhren seine Finger über Anna Hausmanns Körper. Er wiegte ihren durch den BH geschützten Busen in seiner Hand. Kniete sich hinter sie und rieb seine Hüfte an ihrem Po. Anna ließ es geschehen. Sie versuchte nicht seinen Berührungen auszuweichen. Sie atmete ruhig und konzentriert durch die Nase. Die Frau lies ihn einfach gewähren. Trotzdem spürte er Veränderungen. Ihre Knospen zeichneten sich unter dem BH ab. Die Atemfrequenz veränderte sich. Außerdem streckte sie ihren Po beinahe auffordernd entgegen. „Etwas ungemütlich zum Kuscheln. Oder?“ Eine Kopfbewegung bestätigte Thomas Frage. Er löste den Riemen des Ballknebels. Anna Hausmann sank hinab. Thomas umfasste ihren Körper und zog sie in die Löffelchenstellung.
„Warum tun Sie es nicht einfach?“, fragte die Frau in seinen Armen. „Was tun?“, wollte Thomas wissen. „Das was Sie wirklich wollen. Mit mir Schlafen oder was auch immer Ihr Plan ist.“, erklärte Anna. „Ich hab gesagt, ich werde dich nicht vergewaltigen.“, verbesserte Thomas. Die nächste Frage kam für Thomas nicht unerwartet. „Wollen Sie, dass ich Ihnen einen blase?“ „Warum so vulgär. Du bist doch eine intelligente Frau.“ „Eine Tatsache bleibt eine Tatsache, egal wie man sie nennt.“ Dieser Logik konnte sich Thomas nicht verschließen. Er zog Annas Körper noch ein wenig näher an sich heran. Sie ließ es geschehen. „Ich will mit dir keinen Oralverkehr. Darf ich dich küssen?“ „Nicht so lange ich gefesselt bin.“ Die Antwort kam entschieden. Thomas griff in seine Hose und holte den Schlüssel heraus.
Die Handschellen fielen. „Danke.“ Diese Antwort klang ehrlich. Anna wollte sich herumdrehen. Doch Thomas hielt sie zurück. „Noch nicht.“ Er zog seine Maske herunter. und stülpte sie Anna soweit über den Kopf, dass ihre Augen bedeckt waren. „Jetzt darfst du dich umdrehen.“ Die Frau in seinen Armen drehte ihren Körper. Vorsichtig suchten ihre Lippen die seinen. Thomas kam ihr zuvor. Seine Hände zogen Anna Hausmann an sich. Sie erwiderte die Umarmung. Wenige Sekunden später wälzten sie sich wie ein frisch verliebtes Paar auf dem Fußboden. Anna schien es zu genießen. Sie zog sich enger an ihn heran. Thomas spürte ihre Fingernägel in seinem Rücken. Diese Frau war voll unterdrückter Leidenschaft und Thomas freute sich darauf sie zu genießen.
„Oh Mann. Was war denn das?“ Anna Hausmann rang nach Luft. „Du küsst wie ein Wahnsinniger.“ „Du bist auch nicht schlecht.“, bestätigte Thomas. „Was machen wir nun?“ Anna lachte. „Das fragst du? Wer hat denn wen entführt?“ „Du bist mein Gast.“, verbesserte Thomas. „Ich mache nichts was du nicht möchtest.“ Diese Illusion musste er noch eine Weile aufrecht erhalten. Je länger desto größer würde Annas Absturz sein. „Ich will mit dir schlafen.“, erklärte die Frau in seiner Umarmung. „Ganz einfach. Ohne Hintergedanken.“ Jetzt hatte er die Frau dort wo er wollte. Sie wollte Sex. Thomas ebenfalls, aber nicht auf jene Weise die Anna Hausmann vorschwebte.
Thomas rollte die Frau auf den Rücken und kniete sich über sie. Anna lächelte ihn an. Thomas lächelte nicht. Das machte keinen Unterschied. Unter der Maske war sie ohnehin blind. Die Hände der Frau tasteten nach dem Träger ihres BHs. Thomas kam das sehr entgegen. Plötzlich griff Anna nach der Maske. Thomas packte ihre Hand. Im diesem Augenblick spürte er einen stechenden Schmerz zwischen den Beinen. Anna Hausmann hatte zugetreten. Thomas krümmte sich. Die Frau unter ihm riss die Maske von seinem Gesicht und sprang auf. Sie rannte zur Treppe. Den Schmerzen trotzend stemmte sich Thomas auf die Knie. Er griff seine Pistole und Maske. Mit zusammengebissenen Zähnen taumelte er los. Anna hatte die Treppe bereits erreicht. Sie verhedderte sich in den Stoffbahnen. Ihr Vorsprung war dahin. Thomas packte sie an der Schulter.
Anna gab nicht auf. Sie riss sich los und hetzte weiter. Thomas blieb dran. Unten im Wohnzimmer hatte er sie. Seine Hand griff zu. Anna Hausmann trete sich um und holte aus. Ihre Hand traf Thomas klatschend an der Wange. Diese Ohrfeige hatte es in sich. Das Wohnzimmer schien zu schwanken. Anna Hausmann rannte weiter. Sie packte den Griff der Tür. Thomas blieb stehen. Die Flucht der Frau war zu Ende. Er richtete die Pistole auf sie. „Die Tür ist verschlossen. Dreh dich um und komm her.“ Anna Hausmann drehte sich um. In ihrem Blick lag die pure Verachtung.
Thomas schloss die Tasche mit den Seilen. Nachdem er Sophie und Niklas zurück nach Hause geschafft hatte würde er ein wenig schlafen, seine restlichen Sachen packen und auschecken. In diesem Haus hatte er zumindest für die nächsten Monate nichts verloren.
„Danke für ihre Zeit, Frau Hausmann.“, verabschiedete sich die Kriminalbeamtin am Empfang. „Das war doch selbstverständlich.“, antwortete Anna. Als die Kommissarin heute Morgen anrief um einen Termin zu vereinbaren saß Anna sprichwörtlich gesehen zwischen zwei Stühlen. Sie konnte sich frei nehmen und ihre Aussage auf der Dienststelle machen oder das Angebot sie aufzusuchen annehmen. Beides keine optimalen Lösungen. Anna wählte das kleinere Übel und bat die Kriminalbeamtin in die Firma zu kommen.
An Diskretion mangelte es der Kommissarin nicht, aber Anna spürte, dass sie ihren Aussagen misstraute. „Wie viele Mitarbeiter hat das Unternehmen?“, fragte die Kommissarin bereits auf dem Weg ins Büro. Anna nannte die ungefähre Anzahl. Fragen über ihre Position in der Firma und den Aufgabenbereich ihrer Abteilung folgten. Kaum das sie Platz genommen hatte fasste die Kriminalpolizistin die Antworten in einer neuen Frage zusammen. „Haben Sie bei diesem Job überhaupt noch ein Privatleben?“ Damit nahm die Beamtin die Richtung ihrer Befragung vorweg. Es ging um Annas Privatleben. Lebte sie allein? Gab es einen Partner? Wie verbrachte sie ihre Freizeit? Ging sie regelmäßig aus? Wie stand es um ihren Alkoholkonsum? Hatte sie bereits vor diesem Wochenende Kontakt mit Drogen?
Annas Antworten kamen zunehmend frustriert und einsilbiger. Die Richtung dieser Befragung gefiel ihr nicht. Die Beobachtungen des netten Herrn Obermeier überging die Beamtin mit der Bemerkung einen Wagen dort zu parken, wäre ja nicht verboten. Dafür galt ihr Interesse umso mehr den Ergebnissen des Labors. Langsam dämmerte es Anna wohin die Reise ging. Die Polizei interessierten ausschließlich die Partydrogen und deren mögliche Herkunft. Das ihr ein ganzer Tag fehlte war eine logische Nebenwirkung des Drogenkonsums. Seit dem Anruf der Polizei hatte Anna überlegt, wie sie die Fetzen ihrer Erinnerung am sinnvollsten beschrieb. Nachdem die Befragung diesen Verlauf nahm verzichtete sie darauf. Die Bilder wären doch nur Erinnerungen einer durch Drogen vernebelten Frau.
Ein letzter Händedruck bevor die Kommissarin den Haupteingang passierte. Anna gab den Besucherausweis zurück. Nach dieser Befragung bereute sie den Gang zur Polizei. Daraus konnte ein gefährlicher Bumerang werden. Ihr Name im Zusammenhang mit Drogen? Daran wollte sie lieber nicht denken. „Hi, Anna.“ Verwundert schaute sich Anna um. Die Stimme kam ihr bekannt vor. „Felix?“ An der Jacke des Jungen baumelte ein Besucherausweis. „Wolltest du zu mir?“ Der Junge schüttelte den Kopf. „Nur Bewerbungsunterlagen abgeben. Fürs duale Studium.“ Das fällt dir aber spät ein, überlegte Anna Hausmann. Felix erriet ihre Gedanken. „Erst fürs nächste Jahr. Vom Lernen hab ich fürs erste genug. Ich jobbe ein paar Monate und dann mal sehen.“ Er grinste. „Mit deiner Top-Beurteilung vom letzten Jahr stehen meine Chancen gar nicht so schlecht. Nachdem du Karriere gemacht hast sogar noch besser. Muss ich jetzt Frau Hausmann zu dir sagen?“ „Darauf kannst du wetten.“, erwiderte Anna ebenfalls grinsend. „Ich sitze in der Auswahlkommission.“
Sie wechselte das Thema, „Sind deine Freunde wieder aufgetaucht?“ „Welche Freunde?“ Felix verstand nicht. „Die ihr als vermisst melden wolltet?“, erinnerte ihn Anna. „Ja klar.“, bestätigte der Junge. „Die beiden waren zu Hause. Sie müssen sich total zugedröhnt haben. Ein 24-Stunden Black-Out.“ Anna sah ihn an. „Was meinst du mit 24-Stunden Black-Out?“ „Die beiden sind angeblich am Sonntagabend ins Bett und heute Vormittag wieder aufgewacht.“, erklärte Felix kopfschüttelnd. „Wer soll diesen Quatsch glauben? Die haben sich was eingeworfen und wollen es nicht zugeben.“ Annas Aufmerksamkeit war geweckt. „Du meinst Partydrogen?“ „Glaub ich nicht.“, antwortete Felix. „Das haben die nicht nötig. Niklas Eltern sind auf einer Kreuzfahrt. Ich glaube, die haben einfach den Tablettenschrank seiner Mutter geplündert. Die ist Ärztin. Wer weiß was dort drin war.“
Anna überlegte. Sollte sie mit den beiden sprechen? Auf den ersten Blick glichen sich die Ereignisse. Aber Felix brauchte davon nichts zu wissen. Diesen Niklas und seine Freundin würde Anna auch ohne ihn finden. Wozu gab es Internet. Sie kannte seinen Namen, er war in Felix Alter und seine Mutter war Ärztin. Felix sah auf die Uhr. „Ich muss jetzt. Wenn du in der Kommission sitzt. Sehen wir uns ja, Frau Hausmann.“
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Der BMW stoppte auf einem reservierten Parkplatz in der Tiefgarage. Thomas holte seinen Koffer und das Notebook aus dem Laderaum. Die restlichen Sachen würde er nachher im Keller verstauen. Zwar wartete ein neuer Auftrag, doch diesen würde er erst nächste Woche in Angriff nehmen. Vorher musste er das Material von Anna Hausmann und dem Pärchen bearbeiten. Außerdem musste sich Thomas in den nächsten Tagen durch einen Berg Büroarbeit kämpfen. So schön diese Ausflüge in seinem Zweitjob auch waren, seine eigentliche Arbeit blieb liegen. Zudem machte es noch keinen Sinn sich um den neuen Auftrag Gedanken zu machen. Er hatte noch kein passendes Opfer gefunden. Sein neuer Auftraggeber wollte eine Hausfrau. Von Typ und Aussehen her besaß der Auftrageber recht genaue Vorstellungen. Aber bevor seine Termine für die nächste Woche nicht standen machte eine Suche für Thomas keinen Sinn.
Er stieg in den Fahrstuhl und drückte den Knopf für die oberste Etage. Dort lebte er auf großzügigen 150m² mit Dachterrasse. Vor einer Weile hatte Thomas überlegt sich ein Haus zuzulegen. Finanziell für ihn kein Problem. Aber dann hätte er Nachbarn, mit denen er um nicht als Sonderling zu gelten Kontakte pflegen müsste. Ein Risikofaktor mehr. In diesem Haus interessierte es niemanden wer nebenan wohnte. Thomas betrat seine Wohnung. Sie war sauber und aufgeräumt. Das war sie immer, wenn er nach Hause kam. Bevor Thomas wegfuhr räumte er auf und saugte durch. Außerdem füllte er den Kühlschrank. Thomas hätte auch jemanden engagieren können, aber er wollte niemanden der in seiner Abwesenheit in der Wohnung herumschnüffeln konnte. Lediglich seine Wäsche machte Thomas nicht selbst. Diese gab er zum Waschen.
Thomas stellte das Notebook ab und öffnete die Fenster. Der Inhalt seines Koffers landete im Wäschekorb. Thomas baute das Notebook auf. Während er die restlichen Sachen aus dem Auto in den Keller brachte konnte er eine weitere Sicherungskopie des Materials der letzten Tage ziehen. Eigentlich war Thomas mit den Aufnahmen zufrieden. Sein persönlicher Höhepunkt fehlte jedoch auf dem Material. Nachdem Anna Hausmanns Flucht an der verschlossenen Terrassentür ihr Ende fand, kochte in Thomas die Wut. Auf die Frau vor ihm und auch auf sich selbst. Er war der festen Meinung gewesen Anna Hausmann hätte sich mit ihrer Lage arrangiert und glaubte ihm. Dabei war diese Wandlung lediglich ein Teil ihres Fluchtplanes. Auch nach dem Scheitern des Planes gab sie nicht klein bei. Blitze schossen aus ihren Augen.
Thomas zog wieder die Maske über. „Zurück nach oben.“. Anna gehorchte. Sie stieg die Treppe hinauf. Er selbst mit der Pistole in der Hand hielt ein wenig mehr Abstand. „Zieh dich aus. Alles.“, wies er die junge Frau, kaum dass sie wieder auf der Empore standen an. Anna Hausmann führte ihre Hände auf den Rücken und hakte den BH auf. „Falls Sie bis jetzt nicht vorhatten mich zu vergewaltigen jetzt tun Sie es ganz sicher.“, erklärte die junge Frau. „Zunächst will ich einfach nur wissen, wie du nackt aussiehst.“, erwiderte Thomas. „Also runter mit dem Slip.“ Anna streifte den Slip ab. Ein praller runder Po kam zum Vorschein. Warum trägt sie nur diese Miederslips, dachte Thomas. Der Po vor ihm brauchte keine Unterstützung. Er besaß bereits eine perfekte Apfel-Form.
Eine Frau wie Anna Hausmann war noch nie unter seinen Gästen gewesen. Thomas Hand fuhr über ihren Po. Unter der weichen Haut spürte er festes Fleisch. „Warum trägst du keine normale Unterwäsche?“, wollte er wissen. „Was ist an meiner Unterwäsche unnormal?“, fragte die Frau verwundert. „Für diese Wäsche bist du zu jung.“, erklärte Thomas. Ihr Lachen klang erstaunlich ehrlich. „Sagen Sie es doch einfach. Alle Männer denken bei Damenunterwäsche an winzige Strings. Dabei tragen sie selbst am liebsten Boxer-Shorts. Auch Frauen mögen es bequem.“ Thomas steckte die Pistole ein und griff von hinten mit beiden Händen an Annas Brüste. „Au. Sie tun mir weh. Das sind keine Gummibälle.“ „Hast du es schon mal spanisch gemacht?“, fragte er. „Spanisch? Warum?“ Anna war verwundert. „Du weißt was das ist?“, fragte Thomas.
„Ich bin ja kein Kind mehr.“, kam eine etwas nörglige Antwort. „Aber was hab ich davon? Nichts. Also warum sollte ich einem Mann erlauben zwischen meinen Brüsten zu onanieren?“ „Diesmal wirst du es erlauben.“, antwortete Thomas. Er griff in eine seiner Taschen auf der Empore. Eine Tube Gleitcreme kam zum Vorschein. „Streck die Arme aus ich will dich eincremen.“ „Darf ich es selber machen?“, fragte die Frau vor ihm. „Natürlich. Aber dafür drehst du dich um.“ Anna Hausmann drehte sich um. Thomas reichte ihr die Tube. Mit kreisenden Bewegungen begann sie ihre Brüste einzureiben. In Thomas Hose wurde es eng. Genauso hatte er es geplant. „Es reicht.“, sagte er nach einer Weile. Anna gehorchte. Sie gab ihm die Tube zurück. „Wo wollen sie es haben?“ „Hier.“, Thomas zeigte auf den Boden. Die junge Frau legte sich hin. Thomas nahm ihren Körper zwischen die Beine und öffnete die Hose. Sein Glied sprang hinaus.
Er hatte sich ein wenig vorgebeugt. Anna Hausmann schob ihre Brüste zusammen und presste sie an sein Glied. Thomas seufzte. Schade, dass er davon keine Aufnahmen besaß.
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Der große Feierabendverkehr war bereits vorüber. Nur an einzelnen Ampeln brauchte Anna mehr als eine Rotphase zu warten. Sie hatte es nicht eilig. Die junge Frau schwamm einfach im Strom der Fahrzeuge mit. Nur gelegentlich wechselte sie nach den Anweisungen ihres Navigationsgerätes die Spur. Annas Ziel lag in einem Vorort den sie eigentlich nur vom Namen her kannte. Von der Straße in der ihr Ziel lag hatte sie noch nie etwas gehört. Die Navigationssoftware ihres Autos jedoch schon. Früher hätte sie Karten wälzen und Routen auswendig lernen müssen. Heute gab man einfach das Ziel ein und vertraute der Technik. Es lebe die moderne Kommunikationstechnik, dachte Anna. Ohne das Internet wäre sie auch jetzt nicht auf dem Weg zu ihrem Ziel.
Sie brauchte keine halbe Stunde um diesen Niklas zu finden. Die Abschlussklasse des Abiturjahrgangs stand mit Bild auf der Web-Seite des Gymnasiums. Es gab nur einen Niklas. Dieser hieß mit Nachnamen Möller. Eine Frau Doktor Möller hatte sich als Internistin niedergelassen. Auch über diese Dame fanden sich Informationen. Die Bildersuche förderte einen Schnappschuss der Familie zu Tage. Bei dieser Frau Dr. Möller handelte es sich tatsächlich um Niklas Mutter. Der Rest war ein Blick in das örtliche Telefonbuch. Natürlich ebenfalls virtuell. Danach musste Anna lediglich die Adresse notieren und in ihr Navigationsgerät eingeben.
Das Ziel erinnerte Anna an die Vororte in amerikanischen Fernsehserien. Große Häuser in hellen Farben mit hübschen Vorgärten. Die Büsche auf den sorgfältig geschnittenen Rasenflächen wirkten dagegen recht klein. Ein untrügliches Zeichen, das diese Häuser vor nicht allzu langer Zeit gebaut wurden. Eines der größten davon wies Annas Navigationsgerät als Ziel aus. Die junge Frau parkte den Golf am Straßenrand, stieg aus und ging zur Haustür. Entschlossen drückte sie den Klingelknopf. Anna hatte lange nach einem Aufhänger für das Gespräch gesucht. Felix direkt erwähnen wollte sie nicht. Dann kam ihr die Szene vor dem Polizeigebäude in den Sinn. Diese konnte sie einfach mitgehört haben. Gingen die beiden auf ein Gespräch ein konnte sie offener werden.
Ihr Klingeln blieb ohne Reaktion. Auch ein zweites brachte nichts. Heute hatte Anna den Weg hier hinaus umsonst gemacht. Schade. Sie würde es Morgen wieder versuchen. Anna ging zu ihrem Wagen. Sie wollte gerade einsteigen, als ein merkwürdiges Blubbern an ihre Ohren drang. Dieses Geräusch war neu und es schien aus dem Garten zu kommen. Anna verschloss ihren Wagen erneut und ging die Einfahrt hinauf. Diesmal lag ihr Ziel hinter dem Haus. Die mannshohe Tür neben den Garagen war nicht verschlossen. Im Gegensatz zu dem offenen Vorgarten schirmte eine hohe Hecke diesen Teil von den Nachbargrundstücken ab. Für das Alter der Häuser eindeutig zu hoch. Es musste ein Vermögen gekostet haben diese anpflanzen zu lassen. Jetzt konnte Anna auch das Blubbern zuordnen. Es musste von einem Rasenmäher stammen. Deshalb hatte niemand auf ihr Klingeln reagiert.
Anna umrundete das Haus. Das Blubbern wurde schwächer. Dessen Quelle lag jetzt rechts von ihr. Es stammte also vom Nachbargrundstück. Sie hatte sich täuschen lassen. Dafür war jetzt ein leises Kichern zu hören. Unterbrochen von unverständlichen Worten einer dunkleren Stimme. Anna folgte dem gepflasterten Weg. Er endete auf einer Terrasse. Diese grenzte an einen Pool. Davor lagen zwei junge Leute auf einer der Sonnenliegen. Beide trugen Badebekleidung. Das Mädchen lag auf dem Rücken. Lang ausgestreckt. Ihr Bikini-Oberteil lag auf dem Pflaster. Der Junge hatte ihren Körper zwischen die Beine genommen, den Rücken durchgestreckt und sich leicht zurück gelehnt.
Wie vom Schlag getroffen blieb Anna stehen. Dieses Bild wirbelte durch ihren Kopf. Annas Gehirn durchsuchte das Unterbewusstsein. Szenen poppten hoch und versanken wieder. Doch eine blieb. Anna lag auf dem Boden. Auf ihr saß ein maskierter Mann. Sie spürte sein Gewicht auf ihrem Bauch. Sie selbst war nackt. Der Mann keineswegs. Dennoch spürte sie seine Haut auf ihrem Körper. Er keuchte. Warum keuchte er? Warum alles in der Welt drückte Anna ihre Brüste zusammen? Der Mann stöhnte. Er schrie fast dabei. Etwas Schleimiges spritzte auf Annas Gesicht. Die Bewegungen des Mannes auf ihr stoppten. Sie spürte etwas Feuchtes zwischen ihren Brüsten. Es suchte sich seinen Weg an ihrem Hals herunter. Der Druck auf ihr ließ nach. Der Mann richtete sich ein wenig auf. Sein Glied rutschte zwischen Annas Brüsten hervor. Der Mann auf ihr war zwischen ihren Brüsten gekommen und sie hatte ihm dabei geholfen. Ein Schauer zog über Annas Körper. Was hatte der Kerl mit ihr noch alles angestellt?
Ein gellender Schrei fegte das Bild zur Seite. Er stammte von dem Mädchen auf der Liege. Auch der Junge hatte sie entdeckt. Er sprang auf. Das Mädchen griff nach ihrem Bikinioberteil und zog die Beine an. Drohend kam der Junge auf sie zu. Anna fasste seinen Blick. „Niklas Möller?“ „Was geht Sie das an?“ Der Junge stand direkt vor ihr. Anna wich nicht zurück. „Mein Name ist Anna Hausmann. Ich möchte mit dir reden.“ „Wirf die Spannerin raus.“, kreischte das Mädchen. „Freunde von dir haben euch beide vermisst und wollten Anzeige erstatten.“, sagte Anna schnell. „Sind Sie von der Polizei?“, fragte der Junge verwundert. „Nein.“, antwortete Anna. „Ich war nur zufällig auf dem Revier und habe das Gespräch mitgehört.“ „Wir wollten nur mal unsere Ruhe.“, erklärte dieser Niklas. „Außerdem was geht Sie das an?“ „Schmeiß die Alte endlich raus.“, schrie das Mädchen auf der Liege.
Anna trat ein wenig zur Seite. „Heute habe ich erfahren ihr beide hattet so etwas wie einen 24-Stunden-Black-Out.“, warf sie dem Mädchen hinüber. „Mir ist das vor ein paar Tagen auch passiert. Deshalb war ich bei der Polizei. Vielleicht gibt es einen Zusammenhang.“ Das Mädchen hatte es inzwischen geschafft ihr Bikini-Oberteil anzulegen und sprang auf. „Was für einen Black-Out? Niklas hat es doch eindeutig gesagt. Wir wollten allein sein.“ Hysterie beherrschte ihre Stimme. „Verschwinden Sie. Sofort!“ Nicht weniger hysterisch schob sie ihren Freund zur Seite und stieß Anna in Richtung Ausgang. „Raus jetzt.“ Anna ließ es geschehen.
Ihr Besuch war ein Reinfall, aber für Anna stand fest, Sophie und Niklas reagierten aus purem Frust so rabiat. Felix Worten nach fehlte ihnen ein Tag in ihrer Erinnerung. Grund genug frustriert zu sein. Vielleicht besaßen sie nicht einmal jene Schnipsel an die Anna sich selbst erinnern konnte. Beim Aufwachen lag sie in ihrem eigenen Erbrochenen. Egal, was man ihr eingeflösst hatte, ihr Magen hatte revoltiert. Das könnte die Wirkung der Drogen beeinträchtigt haben. Wenn jemand diesen Kerl schnappen konnte dann sie. Anna würde nicht aufgeben. Sie musste das Haus finden.
Annas Entschluss das Haus zu finden stand fest. Auch nach drei Tagen vergeblichen Suchens rückte sie keinen Millimeter davon ab. In diesen drei Tagen hatte die junge Frau jedoch die Erfahrung gemacht, dass die Bilder auf google-Maps keineswegs aktuell waren und nur bedingt dazu taugten die Suchgebiete abzustecken. Der durch das billige Geld der letzten Jahre angeheizte Bauboom ließ die Neubaugebiete wie Pilze aus dem Boden schießen. Anna hatte ihre wenigen Erinnerungen an das Haus zusammengefasst. Bei dem Haustyp war sie sich keineswegs sicher. Es kamen sowohl ein Einfamilienhaus, eine Doppelhaushälfte oder ein Reihenhaus in Frage. Aber es musste eine Terrasse haben, die an eine Wiese grenzte. An Bäume konnte sich Anna nicht erinnern. Wohl aber an eine Hecke. Nicht so riesig, wie das Teil bei den Möllers. Viel kleiner und damit sicher noch nicht alt. An der Rückseite des Grundstücks befand sich ein Weg, den man auch mit dem Fahrrad befahren konnte. Auf dem Grundstück dahinter stand ein einzeln stehendes Haus. Das war nicht viel. Aber genug um mit der Suche zu beginnen.
Nach den ersten schlechten Erfahrungen mit der Suche über Maps änderte Anna ihre Vorgehensweise. Sie durchforstete die Internetseiten der Behörden. Gut, dass es die meisten Unterlagen als PDF zum Download gab. Die ausgedruckten Bebauungspläne stapelten sich auf Annas Schreibtisch. Die wichtigsten davon hatte sie zusätzlich auf ihrem Smartphone gespeichert. Mit einem Blatt Papier durch die Wohnviertel zu laufen war viel zu auffällig. Das jemand auf sein Smartphone schaute eher nicht. Ein Weg zwischen zwei Grundstücken musste auf den Bebauungsplänen eingezeichnet sein. Außerdem legten diese fest was auf den angrenzenden Grundstücken zu bauen war. Da Bäume fehlten konnte die Siedlung auch noch nicht sehr alt sein. Dies schränkte die in Frage kommenden Neubaugebiete noch mehr ein. Eigentlich blieben nur zwei übrig. Heute Morgen auf der Fahrt zur Arbeit hatte Anna mit ihrem Golf eine Runde durch das erste der beiden gedreht. Es lag beinahe auf ihrer Strecke und nicht weit von jenem Parkplatz entfernt auf dem sie aufgewacht war. Ihr besonderes Interesse galt einer Häuserzeile am Rand der Siedlung. Schmucke Reihenhäuser mit Terrasse und von niedrigen Hecken begrenzten Gärten. Dahinter ein gepflasterter Weg. Die andere Seite des Weges säumten Einfamilienhäuser.
Jetzt am frühen Freitagabend stellte Anna ihren Golf in der Nähe dieser Häuserzeile ab. Die Parkplätze am Straßenrand waren kaum besetzt. Nur ein weiterer Wagen parkte in der Nähe. Es handelte sich um einen Transporter wie ihn Handwerker häufig benutzten. Ein Logo fehlte jedoch. Wohnte Annas Entführer tatsächlich in einem der Häuser durfte er sie auf keinen Fall erkennen. Anna hatte ihr langes Haar zu einem festen Knoten eingedreht. Eine Modebrille mit Fensterglas versteckte ihre Augen. Zunächst hatte Anna gedacht sich als Joggerin zu tarnen. Sie lief zwar so gut wie nie. Trotzdem besaß sie ein recht ansprechendes Outfit. In ihrem Fall mangelte es nicht an Vorsatz oder Equipment, sondern an Zeit. Nach einem Blick in den Spiegel entschied sie anders. Laufhosen und Top passten zwar in den frühen Abendstunden, Dafür fiel dieses Outfit später umso mehr auf. In einem dunklen Hosenanzug, mit weißen Top und schwarzen Pumps war sie einfach jemand der von der Arbeit kam. Dazu eine Handtasche und eine kleine Aktenmappe. Später am Abend ging sie in diesem Outfit als Versicherungsvertreterin auf dem Rückweg von einem Kundenbesuch durch.
Anna verschloss ihren Wagen und holte ihr Smartphone aus der Handtasche. Die dunkle Rückseite des Gerätes fiel auf dem schwarzen Leder der Aktenmappe nicht auf. Anna schaltete die Kamera ein und klemmte die Aktenmappe samt Smartphone unter den Arm. Im gemächlichen Schritt überquerte sie die Straße und ging an der Häuserzeile entlang. Ihr Interesse galt den Namensschildern. Familien konnte sie von ihrer Liste streichen. Bei Paaren musste man sicher abwägen. Annas vorrangiges Interesse galt jedoch alleinstehenden Männern. Beim Gehen bemühte sie sich nicht zu auffällig auf die Haustüren und Briefkästen zu schauen. Schon um den beiden Männern, die ihr entgegen kamen nicht aufzufallen. Umso intensiver widmete sich die junge Frau nachdem passieren der Häuserreihe den Aufnahmen des Smartphones. Manche Häuser konnte sie nach der Durchsicht der Aufnahmen bereits ausschließen. Bei anderen würde die Runde an der Rückseite Klarheit bringen. Anna hoffte bei dem schönen Wetter die Bewohner auf der Terrasse anzutreffen.
Ihre Hoffnung erfüllte sich. Familien mit Kindern und ältere Ehepaare. Bei einem Haus waren die Rollläden heruntergelassen. Auf der Terrasse des Nachbarhauses saß ein Mann und las. Anna schätzte ihn auf Ende dreißig. Das helle Haar trug er kurz geschnitten. Irgendwie kam ihr dieses Gesicht bekannt vor. Sollte sie bereits bei ihrem ersten Versuch Erfolg haben? Anna suchte im Schatten eines Gerätehauses auf den Nachbargrundstück Schutz. Sie zog ihr Smartphone aus der Tasche und lies die Aufnahme ablaufen. Falls sie richtig lag, stand auf dem Briefkasten dieses Hauses schlicht Ballhofer. Diesen Herrn würde sie im Auge behalten.
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Beide Auftraggeber hatten gezahlt. Thomas Konto bei dem Internetbezahldienst wies eine Summe aus, die auf keinen Fall dort bleiben konnte. Sobald er den beiden Kunden den Link zu ihrem bestellten Material gesendet hatte, würde er dieses Guthaben zu einer Bank auf den Kanalinseln transferieren und von dort in verschiedene Anlagen in Übersee investieren. Dieses half ihm in spätestens zehn Jahren Deutschland zu verlassen und auf einer Karibikinsel den Ruhestand zu genießen. Natürlich mit einer mindestens 20 Jahre jüngeren Frau an seiner Seite.
Während Thomas die Mail an seine Kunden abschickte und das Geld transferierte beschäftigte er sich gedanklich bereits mit dem nächsten Auftrag. Er brauchte eine Hausfrau. Aber keine vom Typ braves Hausmütterchen. Thomas Auftraggeber dachte eher an eine Frau die die Werbung mit dem Begriff Familienmanagerin um schrieb. Die Familie war der Mittelpunkt ihres Lebens. Sie erzog nicht nur die Kinder, sondern sorgte auch dafür, dass die Karriere ihres Mannes in die von ihr gewünschte Richtung lief. Außerdem kannte sie sich in den Spielarten der Liebe so gut aus, dass ihr Ehemann keinen Gedanken an Fremdgehen verschwendete. Die von Thomas Auftraggeber gewünschte Frau sollte um die Vierzig sein und maximal Konfektionsgröße 38 tragen, dazu natürlich keine zu kleine Oberweite besitzen und, darauf bestand sein neuer Auftraggeber ihr Haar lang tragen. Die Farbe war dabei egal.
Verheiratete Frauen an sich waren schon ein Problem. Dazu kam, dass die Altersgruppe die seinem Auftraggeber vorschwebte meist noch Kinder im Teenageralter besaß. Eine solche Frau 24 Stunden verschwinden zu lassen war schwer, aber nicht unmöglich. Thomas Ansatz war simpel. Auch Männer, die wie er im Außendienst arbeiteten waren verheiratet. Mit dieser Strategie begann er seine Recherche. Den Ort, an dem Thomas sein neues Opfer finden musste stand fest. Das Ferienhaus war gemietet und die Termine mit den Kunden in dieser Gegend gemacht. Er brauchte nur noch eine Frau.
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Ein heller Lichtschein fiel plötzlich auf das Armaturenbrett. Anna erschrak. Im ersten Moment glaubte sie ein Auto wäre in die Parklücke hinter ihr gefahren. Das helle Licht stammte jedoch von den Straßenlaternen. Annas volle Aufmerksamkeit galt bis jetzt ihrem Smartphone und ihrer Recherche über den Namen Ballhofer. Erstaunlicherweise trugen mehr Menschen diesen Namen als Anna erwartete. Verwundert sah die junge Frau auf die Uhr. Etwas früh für diese Jahreszeit. Aber die rasch aufziehenden dunklen Wolken am Horizont sprachen für sich. Ein Sommergewitter. Ihr Plan war es sich nach der Dämmerung an die Rückseite des Grundstücks zu schleichen. Sobald dieser Ballhofer das Licht in seinem Wohnzimmer anschaltete wüsste sie, ob das Zimmer mit den Fetzen in ihrer Erinnerung übereinstimmte. An das Gerätehaus auf dem Nachbargrundstück konnte sie sich zwar nicht mehr erinnern, aber das musste nichts bedeuten. Dieser Plan erforderte Geduld. Genug Zeit für Anna etwas über diesen Ballhofer im Internet herauszufinden.
Wind kam auf. Die dunklen Wolken nährten sich gefährlich rasch. Hinter den ersten Fenstern schalteten die Bewohner das Licht ein. Dieser Herr Ballhofer saß bestimmt nicht mehr lesend auf der Terrasse. Es war nicht ungefährlich sich bei diesem Wetter im Freien aufzuhalten. Aber es war auch eine Chance etwas über das Wohnzimmer des Hauses herauszufinden. Eine Chance, die sich Anna nicht entgehen lassen würde.
Die Bewohner waren von den Terrassen geflüchtet. In den meisten Wohnzimmern brannte Licht. Nur leider nicht im Haus dem Annas Interesse galt. Die ersten dicken Tropfen platschten bereits auf das Pflaster. Einfach hier auf dem Weg stehen bleiben konnte sie nicht. Annas Blicke flogen über die Grundstücke. Unter dem Überstand des Nachbarhauses fand sie vielleicht Schutz. Ohne zu Zögern stieg Anna über die Hecke und rannte zum Haus. Jetzt begann es wirklich zu regnen. Es goss wie aus Kannen. Annas Hoffnung auf ein halbwegs trockenes Plätzchen erfüllten sich nicht. Der Wind peitschte über die Terrasse und trieb den Regen gegen die Hauswand. Sie musste hier weg.
Anna Hausmann rannte los. Diesmal in Richtung des Weges. Das Rennen hätte sie sich eigentlich sparen können. Sie fühlte die Nässe bereits auf der Haut. Ihr Plan war buchstäblich ins Wasser gefallen. Die Absätze ihrer Pumps versanken im Rasen. Anna stolperte. Ihr Körper knallte gegen die Wand des Gerätehauses. Ihre Handtasche rutschte von der Schulter. Blitze durchzuckten den Himmel. Anna riss sich zusammen. Sie musste zu ihrem Wagen. Die junge Frau packte den Riemen ihrer Handtasche. Diese hing an der Türklinke des hölzernen Gerätehauses fest. Anna zerrte an dem Riemen. Die Klinke gab nach. Die junge Frau wäre jede Wette eingegangen, dass das Haus verschlossen war. Doch die Tür schlug auf. Kurz entschlossen verschwand Anna im Haus.
Dunkelheit umfing sie. Lediglich das mit geriffeltem Glas ausgefüllte obere Drittel der Tür zeichnete sich als heller Umriss ab. Anna atmete durch. Hier drin war sie vor dem Regen erstmal sicher. Aber sobald das Gewitter vorbeigezogen war und die Sonne zum Vorschein kam saß sie in diesem Haus fest. Draußen war es einfach noch nicht dunkel genug. Die Lage des Hauses hatte jedoch einen unbestrittenen Vorteil. Anna konnte sehen, ob im Nachbarhaus jemand Licht einschaltete. Sie brauchte nur ein wenig Geduld um ihren Plan doch noch umzusetzen. Doch zunächst musste sie aus den nassen Sachen heraus.
Die junge Frau schaute sich um. Ein Rasenmäher. Gartengeräte. Ein Regal mit Werkzeugen. Anna legte ihre Jacke ab und stieg aus der Hose. Das Top folgte. Sie hängte die Sachen zum Trocknen an das Regal. Auch die Strumpfhose konnte sie unmöglich anbehalten. Wie ein Storch auf einem Bein balancierend entledigte sich die junge Frau dieses Teils. Beide Schuhe ausziehen wollte Anna nicht. Dafür war der Boden einfach zu staubig. Die Unterwäsche konnte sie anbehalten. Das synthetische Material trocknete schnell. Jetzt blieb ihr nichts anderes übrig als zu warten.
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Ein systematisches Vorgehen brauchte Geduld, aber es brachte auch Erfolg. Thomas hatte seine Frau gefunden. Sie hieß Claudia Schäfer, war 42 Jahre alt und die Mutter zweier Kinder die sich nächste Woche auf Klassenfahrt befanden. Auch das Aussehen passte. Das in weichen Wellen auf die Schultern fallende dunkelblonde Haar würde Thomas Auftraggeber gefallen. Natürlich war die Frau verheiratet. Ihr Ehemann arbeitete zwar nicht im Außendienst, doch leitete er die Filiale einer Möbelhauskette die gut 150 km von seinem Wohnort entfernt lag. Der Vita des 43-jährigen auf der Homepage der Filiale zu Folge durchlief er im Laufe seiner Karriere in diesem Unternehmen bereits eine Reihe von Stationen die, so sah es zumindest Thomas irgendwann in einer gehobenen Stellung enden würde. Da sich der Stammsitz der Firma in seinem Wohnort befand gab es keinen Grund der Familie einen Umzug zuzumuten.
Während ihr Ehemann seine Qualitäten als Filialleiter zeigen musste, engagierte sich seine Frau ehrenamtlich im Förderverein der Schule ihrer Sprösslinge. Sie gehörte zwar nicht dem Vorstand an schien aber dennoch das Gesicht des Vereins zu sein. Ein sehr ansprechendes Gesicht. Über dieses Gesicht hatte Thomas die Frau bei der Bildersuche auch gefunden. Doch nicht nur ihr Gesicht war nett anzuschauen. Auch an ihrer Figur gab es nichts auszusetzen. Diese Frau wusste wie man sich richtig in Szene setzte und verfügte über die Mittel dies zu tun. Bei ihrem ehrenamtlichen Engagement sicher von Vorteil. Claudia Schäfers Aufgabe bestand offenbar darin Geld für den Verein zusammeln. Darin war sie den Lobenshymnen der anderen Eltern auf der Webseite des Vereins zufolge recht erfolgreich. Sie hatte es geschafft für mehrere Klassen eine Freizeitfahrt an die Ostsee zu organisieren ohne die Eltern finanziell zu belasten.
Von der Dankesrede des Rektors bei der Übergabe des Sponsoren-Schecks gab es sogar einen Clip auf Youtube. Zwar nur in Handy-Qualität. Doch Thomas erkannte Claudia Schäfer sofort. Sie saß im Designer-Hosenanzug in der ersten Reihe. Bei dem Herrn mit vollem Haar im dunklen Maßanzug handelte es sich seinem huldvollen Nicken bei der Verlesung der Spenden nach um den Hauptsponsor. Beide hatten die Beine übereinander geschlagen und lächelten in Richtung Podium. Bis zu diesem Zeitpunkt war Claudia Schäfer nur eine Spur gewesen. Erst die Worte des Rektors über das wann und wie dieser Freizeitfahrt ließen Thomas hellhörig werden. Diese Fahrt begann morgen und der abgedroschene Scherz des Rektors, Frau Schäfers Kinder seien bestimmt nicht böse, dass ihre Mutter nicht zu den freiwilligen Betreuern gehörte steigerten Claudia Schäfers Chancen zu einem von Thomas Opfern zu werden gewaltig.
Thomas recherchierte weiter. Er brauchte Claudia Schäfers Adresse. Ohne Smartphone ging diese Frau garantiert nicht aus dem Haus. Möglicherweise konnte er auf den Fotos den Typ des Gerätes ermitteln. Alles was helfen konnte dieses Smartphone zu knacken war wichtig.
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Die Nacht war hereingebrochen. Aber die Fenster im Erdgeschoss des Hauses auf dem Nachbargrundstück blieben dunkel. Nur eines der Fenster im Obergeschoss leuchtete vorhin kurz auf. Vielleicht war dieser Ballhofer ausgegangen oder lag bereits im Bett. Das er ohne Licht in seinem Wohnzimmer saß hielt Anna für ausgeschlossen. Hier in der Hütte war es bereits so dunkel, dass sie die Umgebung nicht mehr erkennen konnte. Falls dieser Ballhofer bereits zu Bett gegangen war konnte sie ewig warten. Vielleicht sollte sie den Versuch wagen einen Blick in das Wohnzimmer zu werfen. Das Licht der Taschenlampen-App ihres Smartphones reichte sicher für diesen Zweck.
Anna fasste sich ein Herz. Vorsichtig schob sie die Tür ein wenig auf und streckte den Kopf hinaus. Von keinem der angrenzenden Grundstücke drang Licht auf den Rasen. In wenigen Minuten konnte sie Gewissheit haben. Anna zog sich in die Hütte zurück und tastete nach ihren Sachen. Diese waren fast trocken. Anziehen konnte sie sich hier drinnen ohne Licht nicht. Zwar gab es eine Lampe. Diese zu benutzen verbot sich jedoch von selbst. Anna atmete tief durch. Dann musste sie eben so raus wie sie war. Sie griff nach ihrem Smartphone und schlich aus der Tür. Vorsichtig drückte sie die Tür des Gerätehauses zu. So schnell es die Absätze ihrer Pumps zuließen lief Anna über den Rasen. Sie wählte bewusst den Weg in Richtung Haus. Dessen Schatten bot Schutz. Anna drückte sich an der Abgrenzung der Mauern entlang und überstieg die kleine Hecke.
In einer Ecke der Terrasse kauernd aktivierte sie die App und leuchtete hinein. Nur wenige Sekunden. Mehr brauchte es nicht um ihre Hoffnung in Luft aufzulösen. Es war nicht das Haus aus ihrer Erinnerung. Es fehlte die offene Treppe. Anna deaktivierte die App. Sie musste zurück ins Gartenhaus. Ihre Sachen holen und verschwinden. Dass sie nur Unterwäsche trug störte nicht weiter. Der angrenzende Weg lag im Dunkeln. Im Schein einer Straßenlaterne waren Jacke und Hose schnell angezogen. An die Wand gedrückt schlich Anna auf die Nachbarterrasse zurück. Sie fixierte den Eingang der Hütte. Der kurze Sprint über den Rasen war die gefährlichste Strecke ihres Rückweges.
Nach einem tiefen Einatmen rannte Anna los. Ohne Vorwarnung bewegten sich plötzlich mehrere Schatten auf sie zu. Wer ließ nachts seine Hunde freilaufen? Anna versuchte auszuweichen. Sie musste in die Hütte. Auch die Schatten änderten die Richtung. Eine Sekunde später waren sie über ihr. Die junge Frau wurde umgerannt. Sie landete auf dem Boden. Doch statt Pfoten fühlte sie Leder auf der Haut. Bevor Anna es begriff wurde sie gepackt. Etwas Schweres legte sich auf ihren Mund. Dann ging es zur Hütte. Ihr blieb keine Wahl. Anna schrie um Hilfe. Der Druck auf ihren Mund verhinderte jeden Ton. „Halt die Klappe.“, zischte eine Männerstimme.
Die Tür schlug zu. Taschenlampen leuchteten auf. Anna versuchte mit den Händen ihre Augen zu schützen. Doch der Arm über ihrer Brust presste ihre Arme an den Körper. „Oh Gott. Die ist ja nackt.“, stellte eine weitere Männerstimme erstaunt fest. „Trotzdem. Fesseln.“, rief eine Dritte. Der Mann der Anna in seinem Griff hielt brummte Zustimmung. Anna verlor den Boden unter ihren Füßen. Es war als schwebte sie waagerecht durch den Raum. Der Fall endete auf dem kalten Beton. „Im dem Regal liegt Paketband.“, sagte die zweite Stimme. Annas Hände wurden auf den Rücken gerissen. Etwas Klebriges legte sich um ihre Gelenke. Dieses Gefühl spürte sie auch an den Fußgelenken. Die junge Frau wehrte sich nicht. Gegen drei Männer besaß sie ohnehin keine Chance.
„Im Nachbarhaus! Da ist jemand!“ flüsterte einer der Männer erregt. „Dann nichts wie weg hier. Ich will nicht mit einer Nackten erwischt werden.“, warf der Mann der Anna den Mund zu hielt ein. „Ich auch nicht. Aber was ist, wenn sie schreit.“, überlegte der Dritte. „Ganz einfach. Knebeln.“, antwortete der Mann hinter ihr. Der Druck von Annas Mund verschwand. Eine Hand in Lederhandschuhen riss ein Stück Tape ab. Eine zweite griff in Annas Haare und riss ihr den Kopf nach hinten. Anna stöhnte auf. Die Hand mit dem Tape nährte sich ihrem Gesicht. „Bitte nicht knebeln.“, versuchte Anna vergeblich das Tape über ihrem Mund zu verhindern. Glücklicherweise blieb es bei dem einen. „Weg hier.“ Der dazugehörige Umriss verschwand durch die Tür. Die anderen folgten und schlugen sie zu. Anna blieb stillliegen. Plötzlich fiel Licht in das Gartenhaus. Der Mann im Nachbarhaus musste etwas bemerkt haben. Auf der geriffelten Scheibe zeichnete sich ein Schatten ab. Die Tür wurde geöffnet. Anna musste nicht raten. Es war der Nachbar in dessen Wohnzimmer sie einen Blick geworfen hatte. Sie brauchte schnell eine gute Geschichte für ihre Lage. Nein, diese Lage war bereits verzwickt genug. Die Wahrheit glaubte ihr ohnehin niemand. Noch nicht einmal die Polizei. Warum also Lügen?
Christian Ballhofer drückte sich in den Schatten der Hauswand. Diese Taschenlampen im Gartenhaus seiner Nachbarn konnten nur eines bedeuten. Dort wurde eingebrochen. Christian kam gerade von der Arbeit. Für einen Freitagabend sicher ungewöhnlich. Nicht für ihn. Er war Geschäftsführer des Feriendorfes am See. Freitagabend war der Hauptanreisetag. Nachdem die Gäste am Nachmittag ihre Urlaubsdomizile bezogen hatten, kamen am Abend die ersten Klagen. Dies oder jenes funktionierte nicht, fehlte oder entsprach nicht den Erwartungen. Meist handelte es sich um falschen Alarm. Die Häuser waren in Ordnung. Christians Anwesenheit verhinderte, dass sich die Klagen in Frust verwandelten. Er beruhigte, erklärte den Gästen Heizung, Fernsehen oder W-Lan und sorgte bei wirklichen Mängeln für rasche Abhilfe. Dieser Einsatz am Freitagabend garantierte ihm ein ruhiges Wochenende. Dafür nahm er einfach den Freitagnachmittag frei und erledigte die Hausarbeit.
Als er vor ein paar Minuten das Wohnzimmer betrat fiel ihm das Licht im Gartenhaus sofort auf. Christian zückte sein Handy und schlich vorsichtig auf die Terrasse. Er wollte sich nicht mit den Einbrechern anlegen, sondern Informationen sammeln und die Polizei rufen. Ein Stöhnen drang aus dem Gartenhaus. Dieses Stöhnen klang eindeutig weiblich. Dort drinnen war eine Frau. Doch kein Einbruch? Eine Vergewaltigung? Ein Grund mehr die Polizei zu rufen. Plötzlich wurde die Tür des Gartenhauses aufgerissen. Drei Gestalten stürmten heraus. Sie flüchteten in Richtung Weg und verschwanden in der Dunkelheit. Unter diesen Gestalten befand sich definitiv keine Frau. Kurz entschlossen schaltete Christian die Beleuchtung auf der Terrasse ein und stieg über die Hecke.
Bereits als er die Tür des Gartenhauses öffnete sah er die Umrisse eines hellen Körpers. Das Aufflammen des Deckenlichtes brachte Gewissheit. Auf dem Boden vor ihm lag eine Frau. Er schätzte sie auf um die dreißig. Das dunkle Haar hatte sie zu einem Knoten gedreht. Auf den ersten Blick hätte Christian gewettet, dass die Frau dort einige Pfunde zu viel auf den Rippen hatte. Doch zeigte ihr Körper keine Anzeichen für einen Bauch oder irgendwelche Speckrollen. Weder der im Bund recht hohe hautfarbene Slip noch der gleichfarbige Pulli-BH schnitten an irgendeiner Stelle ein. Außer diesem Ensemble trug die Frau lediglich ihre Schuhe. Der Rest ihrer Kleidung baumelte an einem Regal. Normalerweise hätte sich Christian höflich abgewandt und eine Entschuldigung gemurmelt. Aber die vor ihm liegende Frau war mit Tape an Händen und Füßen gefesselt. Auch über ihrem Mund klebte ein Stück davon. Die grünen Augen blickten ihn erleichtert an.
Christian ging in die Knie und befreite den Mund der Frau von dem Tape. Schwungvolle rote Lippen kamen darunter zum Vorschein. Dazu niedliche Grübchen. Ein schönes Gesicht. Eine schöne Frau. An irgendwen erinnerte sie ihn. Nur an wen, wusste Christian auf die Schnelle nicht. „Keine Angst. Ich alarmiere die Polizei.“ „Keine Polizei.“, stieß die Frau hervor. „Warum?“; fragte er verwundert. „Ich habe Ihr Stöhnen gehört.“ „Das stimmt.“, bestätigte die Frau auf dem Boden. „Trotzdem alarmieren Sie bitte nicht die Polizei bis ich Ihnen meine Geschichte erzählt habe.“ Sie sah sich um. „Auf dem Regal liegt ein Messer. Bitte schneiden Sie mich los. Ich möchte mich anziehen.“
Ein verständlicher Wunsch. Christian griff das Messer. Er durchtrennte das Tape und half der Frau auf. „Danke.“ Sie drehte sich um. Ihre Hände lösten den Knoten im Haar. Seidig glänzend floss es den Rücken hinab. Die Spitzen reichten beinahe bis an den Po. Jetzt fiel es Ihm wie Schuppen von den Augen. Er hatte diese Frau bereits einmal gesehen. Letzten Samstag. In der Feriensiedlung. Eigentlich war es nur ein Zufall, dass er bei seiner Radtour den Rückweg durch die Feriensiedlung nahm. Dabei hatte er diese Frau gesehen. In einem der größeren Häuser. Sie trug auch nur ihre Unterwäsche und war auf dem Weg zur Terrassentür. Als sie ihn entdeckte drehte sie sich um und verschwand in der Tiefe des Raumes. Nicht viele Frauen trugen ihr Haar heute noch so lang. Außerdem war da noch etwas anderes. Christian hatte zwar nur einen kurzen Blick darauf werfen können. Aber dieser Po hatte sich in seine Erinnerung eingebrannt. Jetzt sah er ihn keinen Meter entfernt in einer Hose verschwinden. Die Frau drehte sich um und reichte ihm die Hand. „Mein Name ist Anna Hausmann.“ Er schlug ein. „Christian Ballhofer.“
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„Die Polizei glaubt Ihnen nicht?“ Christian Ballhofers Stimme klang sachlich. Sie saßen in seinem Wohnzimmer. Auf dem Tisch standen zwei leere Kaffeetassen. Sein Angebot Kaffee zu kochen hatte Anna nicht ausgeschlagen. Sie fror und außerdem war ihre Geschichte nicht in fünf Minuten erzählt. „Die Polizei war eher daran interessiert woher ich mir diese Drogen beschafft habe. Mein Black-Out war für die Kommissarin lediglich eine Folge des Drogenkonsums.“ Anna sah dem Mann auf der anderen Seite des Tisches fragend an. „Glauben Sie mir?“ Ein Nicken war die Antwort. Anna lachte auf. „Danke. Sie sind nett. Aber jetzt im Ernst. Warum sollten sie einer Frau glauben die Ihr Haus ausspioniert und Sie für einen Sex-Gangster hielt.“ „Weil Ihre Geschichte schlüssig ist.“, erwiderte der Hausherr. „Niemand versteckt sich, obwohl er nass bis auf die Haut ist ohne Grund in einem Gartenhaus oder schleicht in Unterwäsche über fremde Terrassen.“ Trotzdem könnte das alles eine Ausrede sein.“, stellte Anna in den Raum. „Vielleicht bin ich eine Einbrecherin, die sich im Gartenhaus versteckt hatte und beim Umziehen von einer anderen Diebesbande überrascht wurde.“ „Auch möglich.“, bestätigte der Mann. „Aber es gibt noch einen anderen Grund warum ich Ihnen Glaube.“ Anna sah ihn auffordernd an. „Dieser wäre?“ „Ich habe Sie schon einmal gesehen. Auch in Unterwäsche. Nur war diese damals weiß.“
„Wo und wann?“ Mehr als diese kurze Frage brachte sie nicht heraus. Dafür kam das Geständnis dieses Herrn Ballhofer zu überraschend. „Am Samstag. In einem Ferienhaus.“, antwortete er. „Ich war mit dem Rad unterwegs. Sie liefen zum Fenster und drehten sich plötzlich um. Ich nahm an Sie hätten mich gesehen und wären deshalb vom Fenster geflüchtet.“ In Annas Kopf kreisten die Gedanken. Natürlich ein Ferienhaus. Ihr Entführer kam nicht aus dieser Gegend. Er hatte einfach ein Ferienhaus gemietet. Das Bild vor dem Fenster erhob sich vor Annas Augen. Der Fahrradfahrer. Dieser Herr Ballhofer musste der Fahrradfahrer sein. Die junge Frau riss sich zusammen. „Wo liegt dieses Ferienhaus?“ „Im Feriendorf unten am See.“ Sein Arm wies in eine Richtung. „Ich bin der Geschäftsführer.“
Annas Magen krampfte. Ihre Knie wurden weich. „Der Geschäftsführer?“ Christian Ballhofer nickte. „Sehe ich so schäbig aus?“ „Nein. Nein.“, wehrte Anna ab. Sie wusste genau was sie von dem Mann wollte. Aber die Fakten, die sie in den letzten Minuten erfahren hatte mussten erstmal sacken. Anna atmete durch. „Können wir uns das Haus anschauen? Außerdem muss ich wissen wer es letztes Wochenende gemietet hatte.“ „Kein Problem.“, erklärte Christian Ballhofer. „Wenn Sie wollen sofort.“ Anna griff ihre Handtasche sprang auf. Doch ihre Beine sackten zusammen. Christian Ballhofer packte zu und fing ihren Körper auf. „Danke.“, sagte Anna und befreite sich aus der Umarmung des Mannes. „Setzen Sie sich.“, riet er. „Vielleicht sollten wir unsere Besichtigung auf morgen Vormittag verschieben. Sagen wir gegen 10:00.“ Anna nickte. Bei Tageslicht sah man auch mehr.
Eigentlich sollte sie jetzt gehen. So einfach war das jedoch nicht. Da gab es immerhin einen versuchten Einbruch auf dem Nachbergrundstück. „Machen Sie sich darüber keine Sorgen?“, wischte Christian Ballhofer diesen Einwand vom Tisch. „Außer uns hat es niemand bemerkt. Nach ihrer Erfahrung mit der Polizei sollten wir keine Anzeige erstatten.“ Anna lachte. „Seien Sie doch ehrlich? Sie haben keine Lust mit einer drogenabhängigen Verrückten auf dem Revier zu sitzen.“ „Ich vermute nur das uns die Wahrheit niemand glauben würde.“, gab Christian Ballhofer ebenfalls lachend zurück.“ „Wir könnten doch einfach aussagen, ich war bei Ihnen zu Besuch.“, schlug Anna vor.
Das Gesicht des Mannes neben ihr verdüsterte sich. „Das wäre eine Lüge, Frau Hausmann.“, sagte er ernst. „Ich glaube Ihnen und werde Ihnen helfen den Kerl, der Ihnen das angetan hat zu finden. Aber ich will nicht das unsere Bekanntschaft mit einer Lüge beginnt.“ Anna Hausmann schluckte. So direkt sprach schon lange kein Mann mehr mit ihr. Sie wusste nicht recht was sie von diesem Satz halten sollte. Christian Ballhofer schien das zu ahnen. Er reichte Anna seinen Arm. „Ich bringe Sie zum Auto. Vielleicht treiben sich diese Einbrecher noch in der Gegend herum.“
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Der Golf bog um die Ecke. Christian Ballhofer sah ihm besorgt nach. Von ihrem Schwächeanfall hatte sich Anna Hausmann rasch erholt. Der Grund für ihre weichen Knie war sicher nicht die Tatsache, dass sie drei Einbrecher überrascht und von ihnen gefesselt wurde. Die Ursache des Schwächeanfalls lag in ihrem Kopf. Christian mochte sich nicht vorstellen wie es jetzt darin aussah. Für das Chaos in Annas Kopf hatte er selbst gesorgt. Seine Informationen überrollten sie sprichwörtlich. Christian glaubte der Frau ihre Geschichte. Ihre Reaktion lies keinen anderen Schluss zu. Schon aus eigenem Interesse würde er Anna Hausmann helfen. In einem Haus seiner Feriensiedlung hatte sich ein skrupelloser Gangster eingemietet. Auf die Polizei konnte man Annas Worten nach derzeit nicht bauen. Christian sah das etwas anders. Er hatte nicht vor diesen Gangster selbst zu fassen. Er konnte nur dafür sorgen, dass dieser Unbekannte verhaftet wurde und dies hoffentlich bevor er wieder zuschlug.
Außerdem interessierte Christian seine Zufallsbekanntschaft brennend. Es lag schon eine Weile zurück als er dies, dass letzte Mal über eine Frau dachte. Das wollte bei Christian etwas heißen. Die meisten Menschen hätten ihn um sein bisheriges Leben beneidet. Mit seinen 38 Jahren hatte Christian mit Ausnahme der Antarktis auf jeden Kontinent in Ferienressorts gearbeitet und die letzten drei selbst geleitet. Aber Christian hatte schlicht gesagt die Nase voll davon von Job zu Job zu hetzen. Er wollte sesshaft werden. Als ein Geschäftsführer für dieses Feriendorf gesucht wurde griff er sofort zu. Seine ehemaligen Kollegen schüttelten verwundert die Köpfe. Wer ging von der Karibik freiwillig in die Provinz? Aber Christian machte Nägel mit Köpfen. Er wechselte nicht nur den Job, sondern kaufte auch ein Reihenhaus. Was ihm jetzt noch zu seinem Glück fehlte, war jemand mit dem er es teilen konnte. Der Zufall hatte Anna Hausmann in sein Leben gespült. Eine intelligente und wie Christian fand auch sehr attraktive Frau. Die Chance ihre Bekanntschaft zu vertiefen würde er sich nicht entgehen lassen.
Christian schloss die Haustür auf. Bevor er zu Bett ging musste er noch einmal auf das Nachbargrundstück. Wenn sie die Polizei außen vorließen durfte nichts zurückbleiben, dass an den Zwischenfall erinnern konnte.
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Annas erster Versuch die Hauptstraße zu erreichen endete in einer Sackgasse. In der Nacht glich das Wohngebiet eher einem Labyrinth von Einbahnstraßen als einem modernen Wohnviertel. Das war zumindest Annas Eindruck. Vielleicht lag es auch daran, dass sie mit den Gedanken weit weg war. Annas Hoffnungen, die sie auf den Besuch dieses Viertels gesetzt hatte wurden durch die Ergebnisse überrollt. Sie hatte nicht nur eine heiße Spur gefunden, sondern auch jemand der sie bei ihrer Jagd unterstützen würde. Bleib realistisch, rief Anna sich zur Ruhe. Sie glaubte zwar nicht, dass dieser Christian Ballhofer die Geschichte erfunden hatte, aber wo stand geschrieben, dass man ein Ferienhaus unter seinem richtigen Namen buchen musste. Name und Adresse des letzten Mieters konnten frei erfunden sein.
Auch die angebotene Hilfe dieses Herrn Ballhofer konnte sich rasch in Luft auflösen. Er schien ihre Bekanntschaft ausbauen zu wollen. Im Grunde hatte Anna nichts dagegen. Er war zwar kein Adonis aber auch nicht unattraktiv. Außerdem konnte er zuhören. Eine weitere Tatsache die für ihn sprach. Trotzdem konnte hinter der Hilfsbereitschaft knallhartes Kalkül stecken. Anna war keine Frau, die aus Dankbarkeit mit jemandem ins Bett stieg. Wenn dieser Herr Ballhofer darauf hinaus war, holte er sich schnell einen Korb und es wäre vorbei mit der Hilfsbereitschaft. Das war aber reine Spekulation. Morgen nach der Besichtigung des Hauses wäre sie schlauer.
Endlich hatte Anna die Zufahrt zur Hauptstraße gefunden. Sie wollte gerade abbiegen als ein Transporter an ihr vorbei schoss und bremste. Ehe es Anna begriff blockierte der Wagen die Straße. Die Laderaumtür wurde aufgerissen und zwei vermummte Männer sprangen hinaus. Eine Sekunde später waren sie an der Tür ihres Wagens. Aus dem Dunkel flog ein Sack über ihren Kopf. Anna schrie um Hilfe. Vier kräftige Hände zerrten sie aus dem Wagen. Das nächste, das Anna spürte war der harte Ladeboden des Transporters. Die Tür krachte ins Schloss. Anna spürte einen schweren Körper auf ihrem Rücken. Der Transporter fuhr los. Die junge Frau war sicher, bei ihren Entführern handelte es sich um die drei Einbrecher. Was wollten diese Männer von ihr? Dachten sie etwa sie fuhr jetzt, über zwei Stunden nach dem Überfall zur Polizei?
Der Transporter bremste und änderte die Richtung. Der ganze Wagen kam schwankend zum Stehen. Sie waren von der Straße abgebogen. Die Tür wurde aufgerissen. Einen Augenblick später hörte Anna das Ratschen des Tapes. Ihre Hände wurden auf den Rücken gefesselt. Den Fußgelenken ging es nicht besser. „So ein Mist.“, drang eine Männerstimme unter den Sack. „Was ist?“, fragte eine zweite. Anna erkannte beide. Es waren die Männer, die sie überfallen hatten. „Ihr Handy fehlt. Es ist nicht in ihrer Tasche.“, erklärte die erste Stimme. „Wo ist dein Handy?“, fragte der zweite Mann. „Ich habe keine Ahnung.“, stieß Anna hervor. Warum wollten die Männer ausgerechnet ihr Smartphone? Wenn es nicht in ihrer Handtasche war musste sie es auf dem Rasen verloren haben. „Stell dich nicht dumm.“, fauchte der Mann neben ihr. Was war denn das für ein Satz, schoss es Anna durch den Kopf. Wer sprach denn so? Eigentlich nur ältere Leute.
Ein Schütteln an der Schulter riss Anna aus ihrem Gedanken. „Wo ist das Ding?“ „Ich muss es verloren haben.“, fasste die junge Frau ihre Vermutung in Worte. „Auf dem Rasen. Dort wo Sie mich überfallen haben.“ „Wir müssen zurück.“, forderte eine dritte Stimme. „Ja. Aber nicht alle.“, entschied der Mann neben Anna. „Du fährst. Nimm den Golf. Wir brauchen das Handy. Unbedingt. Sie hat uns damit gefilmt.“ „Ist gut, Kurt.“, antwortete der dritte Mann. „Bist du verrückt Namen zu nennen.“, tobte der Kurt genannte. Der andere Mann murmelte etwas. Wenig später klappte eine Autotür. Es musste die ihres Golfs sein. Anna wurde gepackt und an die Wand des Laderaumes gedrückt. „So Fräuleinchen.“, sagte dieser Kurt. „Jetzt mal Butter bei die Fische. Warum brichst du in fremde Häuser ein?“
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Das Viertel lag im Dunkeln. Christian trat auf die Terrasse hinaus und schaltete das Licht ein. Er ging die Grundstücksgrenze entlang. Seine Augen suchten das Nachbargrundstück ab. Ein Lichtreflex weckte seine Aufmerksamkeit. Christian überstieg die niedrige Hecke und ging in die Knie. Bei dem Lichtreflex handelte es sich um das Display eines Smartphones. Christian hob es auf. Der Bildschirm war nicht gesichert. Die Schutzhülle des Gerätes ließ Christian auf eine Frau tippen. Anna Hausmanns Smartphone. Ein Blick in die Kontakte brachte Klarheit. Das Bild neben der eigenen Nummer zeigte den Schnappschuss einer ein wenig zu ernst blickenden Frau. Anna Hausmann.
Sein Smartphone zu verlieren war ärgerlich. Natürlich würde Anna den Verlust bemerken. Besser sie wusste das ihr Smartphone sich in Sicherheit befand. Christian drückte die Festnetznummer. Er ließ es lange klingeln. Doch niemand hob ab. Sicher war Anna noch nicht zu Hause. Christian kam eine Idee. Er suchte die Maps-App. Anna hatte ihr zu Hause markiert. Er würde ihr das Telefon ganz einfach bringen. Zunächst musste er noch einen Blick in das Gartenhaus werfen. Dafür brauchte er jedoch seine Taschenlampe.
Christian ging zurück auf sein Grundstück, löschte das Licht auf der Terrasse und verschwand im Haus. Als er wieder die Terrasse betrat stutzte er. Über den Rasen des Nachbargrundstückes huschte ein Schatten. Anna Hausmann konnte es nicht sein. Dafür war der Schatten zu groß. Christians Augen suchten das Grundstück ab. Es blieb bei einem Schatten. Versuchte einer der Einbrecher noch einmal sein Glück? Die Nachbarn hatten erzählt, dass in dieser Siedlung in letzter Zeit tatsächlich öfter eingebrochen wurde. Dabei musste es sich um die Bande der Anna Hausmann in die Quere gekommen war handeln. Christian kam eine Idee. Sich mit drei Männern anzulegen wäre Wahnsinn. Mit einem fertig zu werden traute er sich durchaus zu.
Er zog seinen Gürtel aus der Hose und baute eine Schlinge. Im Schatten des Hauses schlich Christian näher an die Grundstücksgrenze heran. Der Einbrecher bemerkte ihn nicht. Dessen Aufmerksamkeit galt dem Gartenhaus. Christian spannte die Muskeln an und sprintete los. Er stieß den Schatten zu Boden und hechtete auf seinen Rücken. Das ging erstaunlich einfach. Zwar versuchte der Mann sich umzudrehen, aber Christian hatte seinen Körper fest zwischen den Knien. Er riss dem Einbrecher die Hände auf den Rücken und legte seinen Gürtel darum. Christian zog die Schlinge zu. Ein Stöhnen drang unter ihm hervor. „Bitte hören Sie auf. Bitte. Ich ergebe mich ja.“
„Fräuleinchen. Wir haben dich was gefragt!“, herrschte die zweite Stimme Anna an. Wieder dieses Wort. Wer nannte eine Frau heute noch Fräuleinchen? „Rede endlich.“, schnauzte dieser Kurt. „Ich breche nicht ein.“, stieß Anna Hausmann hervor. „Sie wollten einbrechen.“ „Unsinn.“, erklärte der Kurt genannte Mann. „Du bist eine ganz Ausgekochte. So was kann nur einer Frau einfallen. Nackt in ein Haus einzubrechen. Falls dich jemand erwischt schreist du einfach los und erfindest eine Geschichte. Vergewaltigung oder so. Einer nackten Frau glaubt die Polizei immer. Also raus mit der Sprache. Wo ist die Beute, Süße?“ „Ich bin nicht Ihre Süße.“, fauchte Anna. „Außerdem habe ich keine Ahnung von was Sie reden.“
„Dann müssen wir eben andere Saiten aufziehen.“, sagte der zweite Mann. Noch so ein antiquierter Satz. Anna wurde gegen die Wand des Transporters gedrückt. Eine Hand griff unter den Sack und packte ihr Kinn. Eine Zweite stopfte ihr ein Tuch in den Mund. „Du siehst wir spaßen nicht.“, erklärte Kurt. „Falls du Reden willst nicke einfach.“ Er wandte sich an seinen Partner. „Pass du draußen auf. Ich bleibe hier.“ „Ist gut.“, quittierte dieser die Anweisung. Die Laderaumtür flog krachend ins Schloss. Anna lehnte sich zurück. „Mach es dir ruhig ein wenig gemütlich.“, sagte dieser Kurt. „Vielleicht hilft dir das beim Denken.“ Idiot, schimpfte Anna innerlich. Sie brauchte eine Lösung. Mit diesen Männern zu reden machte keinen Sinn. Sie hatten sich in die Idee verrannt, Anna würde nackt in Häuser einbrechen.
Dabei war ihre Logik nicht mal so weit hergeholt. Erwischte ein Hausherr eine nackte Frau war es schwer zu beweisen, dass es sich um eine Einbrecherin handelte. Diese Frau konnte wirklich alles behaupten. Ihre Nacktheit sprach für sich. Der Dumme war der Hausherr. Die Polizei würde ihm unangenehme Fragen stellen. Natürlich, Anna viel es wie Schuppen von den Augen. genau darin lag ihre Chance. Die Männer hatten ihr im Grunde den Plan für eine Flucht selbst geliefert. Dafür brauchte sie aber ihren Wagen.
Nach einer gefühlten Ewigkeit stoppte draußen ein Auto. Das musste ihr Golf sein. Sofort begann Anna heftig zu nicken. „Na endlich.“, lobte dieser Kurt. Seine Hand griff unter den Sack und zog das Tuch aus ihrem Mund. „Ok. Sie haben gewonnen. Ich bin eine Einbrecherin.“ „Warum nicht gleich so.“, freute sich der Mann. „Aber eine Bedingung hab ich.“, fuhr Anna fort. „Du hast hier gar keine Bedingungen zu stellen.“, erklärte der Mann. „Doch.“ Anna blieb hart. „Ich muss mal. Wenn Sie wollen können Sie mir dabei auch zuschauen.“ „Darauf kann ich verzichten.“, antwortete dieser Kurt. „Such dir einen Busch. Aber nicht zu hoch. Wir wollen deinen Kopf sehen.“ „In Ordnung.“, bestätigte Anna. „Können Sie mich jetzt bitte losbinden? Ich halte es nicht mehr aus.“
Hinter dem Transporter stand tatsächlich Annas eigener Golf. Der Motor surrte im Leerlauf. Die Scheinwerfer waren auf Fernlicht geschaltet. Die junge Frau kniff die Augen zusammen. Nach der langen Dunkelheit blendete das Licht. Ihrem Bewacher ging es nicht besser. „Was soll diese Festbeleuchtung. Mach gefälligst das Licht aus.“, knurrte er und schaute sich um. „Darf ich jetzt?“ drängelte Anna. Der laufende Motor kam ihr sehr entgegen. „Darüber.“, fauchte dieser Kurt. „Denk dran ich will deinen Kopf sehen.“
Viel mehr durfte er tatsächlich nicht sehen, dachte Anna als sie hinter dem Busch in die Hocke ging. Jetzt musste sie sich beeilen. Schuhe aus. Die Hose in der Hocke auszuziehen war eine Herausforderung. Anna zog die Hose über ihren Po und ließ sich auf den Boden plumpsen. „Oben bleiben.“, fuhr sie eine Stimme von hinten an. „Tut mir leid.“, rief Anna zurück. „Ich musste meine Schuhe ausziehen. Mit den Absätzen sinke ich ein.“ Die Antwort kam prompt. „Red nicht. Beeil dich lieber.“ Anna zerrte die Hose von den Beinen. Sie streifte ihre Jacke ab. Top und BH folgten. Sie suchte ihre Schuhe. Barfuss Auto zufahren hatte sie noch nie probiert und wollte jetzt auch nicht damit beginnen. Ihr Kopf kam wieder hinter dem Busch zum Vorschein. „Bist du fertig?“, fragte ihr Bewacher.
Anna nahm allen Mut zusammen. „Ja.“, sagte sie und stand auf. Mit in die Hüfte gestützten Händen ging sie auf den Mann zu. Außer einem Schattenriss konnte sie nichts erkennen. Diesem Kurt musste es ähnlich gehen. Wenn er nicht auf den Kopf gefallen war musste er jedoch sehen, dass der Umriss vor ihm eine beinahe nackte Frau war. „Aus dem Weg oder ich schreie um Hilfe.“, fauchte Anna. Der Mann sah sie verwirrt an. „Ich werde jetzt zu meinem Wagen gehen und wegfahren.“, setzte sie hinzu. „Wir vergessen die Sache einfach.“ Sie stand jetzt direkt vor dem Mann und fixierte dessen Augen unter der Maske. Darin lag nichts als flackernde Unsicherheit. Anna ließ ihn stehen und ging zu ihrem Wagen.
Sie hatte den Golf gerade erreicht als ein gurgelnder Schrei in ihrem Rücken Anna herumfahren ließ. Dieser Kurt zappelte auf dem Boden. Auf seinem Rücken kniete Christian Ballhofer. Er hatte dem Mann die Hände auf den Rücken gezogen und legte ihm aus Kabelbindern improvisierte Handschellen an. „Starke Leistung, Anna. Bist du in Ordnung.“ Die junge Frau nickte. „Wie kommst du hier her? Wo ist der andere Einbrecher?“ „Gefesselt und geknebelt drüben im Wald.“, erklärte er. „Der Dritte sitzt in meiner Abstellkammer.“ Christian Ballhofer stand auf. „Das sind auch keine Einbrecher. Du bist einer Art Bürgerwehr aus älteren Herren in die Arme gelaufen.“ Er reichte Anna seine Jacke. „Ich bin Christian. Bevor wir mit den Jungs ein ernstes Wörtchen sprechen, sollten wir du zueinander sagen. Meinst du nicht auch, Anna.“
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Ein paar Stunden später musste Christian über diese Szene immer noch schmunzeln. Ältere, mit Kabelbindern an Händen und Füßen gefesselte, sowie mit Tape geknebelte Männer waren eher ein lächerlicher Anblick. Ganz im Gegensatz zu einer Anna Hausmann oben ohne. Es wäre eine Lüge, wenn Christian sagen würde er hätte diesen Anblick nicht genossen. Anna Hausmann faszinierte ihn. Er war sicher Anna wäre ihre Flucht auch ohne sein Eingreifen geglückt. Sie hatte die selbst ernannten Sheriffs in die Ecke gedrängt und matt gesetzt. Dabei waren diese drei bis zum Schluss der Meinung gewesen sie hätten wirklich eine Einbrecherin erwischt. Ihre Theorie musste sogar für Annas Ohren logisch geklungen haben, denn sie hatte diese erfolgreich kopiert.
Die drei schämten sich ehrlich dafür Anna in diese Lage gebracht zu haben. Sie hatte sich ihre gestammelten Entschuldigungen mit einem verschmitzten Lächeln angehört. Dabei saß Anna in seiner Jacke, Slip und Schuhen auf der Couch in Christians Wohnzimmer. Sie hatte keinen Versuch gemacht sich umzuziehen. Vielleicht war es ihr egal. Sowohl die Männer als auch Christian selbst hatten sie bereits oben ohne gesehen. Zu Christians Freude ging Anna Hausmann sofort auf sein du ein. Es änderte jedoch nicht nur ihre Anrede. Von einer Minute zur anderen war da eine eigenartige Vertrautheit. Christian hatte das Gefühl er würde Anna schon eine Ewigkeit kennen. Als die drei Freizeitdetektive mit hängenden Köpfen abzogen standen sie beide in der Haustür und sahen ihnen nach. Anna hatte ihre Hand um seine Taille gelegt und einfach gesagt, „Gehen wir wieder hinein.“ So wie ein Ehepaar das seine Gäste verabschiedet und jetzt ebenfalls zu Bett gehen will.
Natürlich gingen sie nicht zu Bett. Anna schlüpfte in ihre Hose und verabschiedete sich. Die Jacke nahm sie mit. Christian sah dies als eine Art Pfand, das Anna Hausmann morgen nicht kneifen würde. Er behielt nur teilweise Recht. Kurz vor zehn am nächsten Morgen stoppte Anna Hausmanns Golf vor dem Verwaltungsgebäude der Feriensiedlung. Christian wartete bereits mit dem Schlüssel für das Haus in der Hand und der Adresse des letzten Mieters in der Tasche. Bei Annas Outfit musste Christian schlucken. Er hatte etwas Geschäftsmäßiges erwartet. Möglicherweise auch Jeans und Freizeitlook. Aber auf keinen Fall einen dunklen Wollmini und schwarze Stiefel mit recht hohem Absatz. Dazu trug Anna Hausmann eine hautfarbene Strumpfhose und einen in verschiedenen Rottönen gestreiften Longpulli mit Kapuze. Das lange dunkle Haar war zu einem festen Knoten geschlungen. Ihr Make-up verdeckte die Folgen der kurzen Nacht. Gegen den Hauch Müdigkeit in ihren Augen half es jedoch nicht.
„Deine Jacke war schmutzig. Sie hängt noch auf der Leine. Das ist doch ok?“, erklärte Anna das Fehlen seiner Jacke. Christian nickte. Seine Augen hatten sich auf Anna festgesaugt. Was für ein Anblick. Der Frau vor ihm war seine Reaktion nicht entgangen. „Falls es das Haus ist, will ich mir den letzten Mieter näher anschauen. Ich will aber nicht, dass er mich erkennt.“ „Natürlich.“, murmelte Christian und wies seiner Begleiterin den Weg. Das er Anna Hausmann alleine fahren ließ kam gar nicht in Frage. Er hatte den letzten Mieter zwar nie persönlich gesehen, aber ein Paar viel weniger auf als eine Frau allein. Besonders da Anna in diesem Outfit die Blicke der Männer auf sich ziehen würde. Außerdem war dieser Samstagsausflug kein Vergnügen, sondern gefährlich. Weit gefährlicher als diese Hilfssheriffs letzte Nacht.
Christian schloss die Tür des Ferienhauses auf. Er ließ Anna den Vortritt. „Nimm dir so viel Zeit wie du willst. Die neuen Gäste reisen erst heute Nachmittag an.“
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Anna Hausmann trat ein. Der Korridor war nicht gerade groß. Von ihm gingen drei Türen ab. Zwei davon interessierten Anna wenig. Ihr Interesse galt der Glastür, durch deren Milchglas helles Licht drang. Vorsichtig drückte Anna die Klinke. Plötzlich viel ihr etwas ein. „Ist das Haus schon geputzt.“ Ihr Begleiter nickte. „Gestern und zwar sehr gründlich. Falls du an Fingerabdrücke oder ähnliches gedacht haben solltest, muss ich dich enttäuschen.“ Eigentlich hatte Anna nichts anderes erwartet. Die Siedlung machte einen gepflegten Eindruck, warum sollten es die Häuser nicht auch sein.
Sie öffnete die Tür und trat ein. Licht flutete in den Raum. Rechts von der Tür führte eine schmale Treppe von einer Empore herunter. Vor ihr lagen große Terrassentüren. Auf die Gardinen hatte man verzichtet. Stattdessen zierten große Volants die Fenster. Auch die Aussicht passte zu Annas Erinnerung. „Du bist sicher, dass es dieses Haus war, die Nachbarhäuser sehen sehr ähnlich aus.“ „Ganz sicher.“, bestätigte ihr Begleiter. Von diesem Typ haben wir in dieser Reihe nur drei. Eines ist seit vorletztem Wochenende an eine Familie mit drei Kindern vermietet. Das zweite an ein Paar in mittleren Jahren.“ Er grinste. „Einschließlich Schwiegermutter.“ Ein Lächeln huschte über sein Gesicht. „Außerdem weiß sich was ich gesehen habe.“ Ich auch dachte Anna. Sie wandte sich in Richtung Treppe. „Ich möchte mich oben umschauen.“ Christian wollte voraus gehen. Doch Anna hielt ihn zurück. „Allein.“
Auf der Empore ließ sie sich in einen der Sessel fallen. Es gab keinen Zweifel. Es war das Haus. Das offene Gebälk an dem sie gehangen hatte. Das Geländer vor dem sie hockte. Alles war vorhanden. Christian Ballhofer log nicht. Das hatte sie von diesem äußerst sachlichen Mann im Grunde auch nicht erwartet. Erst recht nicht seit er ihr diese Nacht zu Hilfe geeilt war. Auf Chris, wie Anna ihn für sich nannte konnte man sich verlassen. Eine Tugend die sie persönlich sehr hoch einschätzte. Außerdem war da noch etwas anderes. Sie fühlte sich in seiner Nähe wohl. Anna mochte gern mit Christian zusammen sein. Ein Wunsch, den sie nicht bei vielen Männern verspürte. Es war ihr auch keineswegs peinlich, dass er sie oben Ohne gesehen hatte. Chris ging auch nicht weiter darauf ein. Es war einfach ein Fakt der sich aus der Situation ergeben hatte. Egal wie sich ihre Bekanntschaft entwickelte, Anna war froh diesen Mann kennen gelernt zu haben.
Die junge Frau stieg die Treppe herunter. Christian saß auf der Terrasse und hatte die Beine von sich gestreckt. Als er ihre Schritte hörte drehte er sich um. „Und?“ „Es ist das Haus.“, bestätigte Anna. Sie nahm auf dem gegenüberliegenden Stuhl Platz. „Wer war der letzte Mieter?“ „Ein Thomas Leiwaldt.“, erklärte Christian. Er angelte einen Zettel aus der Brusttasche und las die Adresse ab. „Wenn die Autobahn frei ist knapp zwei Stunden.“, überlegte Anna laut. Der Mann auf dem Terrassenstuhl gegenüber nickte Gedanken versunken. Er ist ebenso müde wie ich, dachte Anna. Trotzdem hoffte sie inständig, dass Christian ihr seine Begleitung anbot. Ein Paar fiel viel weniger auf. Christian hob den Kopf. „Anna ich habe gedacht es wäre besser…“ „Einverstanden.“, unterbrach ihn die junge Frau. „Wenn wir zusammen fahren wäre das echt super.“
Ein Strahlen vertrieb die Müdigkeit aus Christians Gesicht. „Wir nehmen meinen Wagen. Den kennt dieser Typ nicht.“ Er stand auf und schob den Stuhl zurück. „Ich hab übrigens mit der Mitarbeiterin bei der dieser Herr Leiwaldt eingecheckt hat noch einmal gesprochen. Sie konnte sich gut an den Gast erinnern. Er zahlte mit Kreditkarte und wollte getrennte Belege.“ Anna sah ihn erstaunt an. „Getrennte Belege?“ „In der Woche ging das Haus auf eine Firma.“, erklärte Christian. „Das Wochenende war sein Privatvergnügen.“ „Dann ist dieser Leiwaldt Vertreter oder etwas in dieser Richtung?“, überlegte Anna. „So ähnlich.“, antwortete Christian und reichte ihr die Hand. “Pharmareferent.“ Ein Pharmareferent? Das erklärte auch die Herkunft dieser Partydrogen. Er wusste womit man jemandem einen Black-Out verpassen konnte. Nur hatte er nicht mit Annas empfindlichen Magen gerechnet.
Annas Beine waren plötzlich wie aus Gummi. Sie war der einzige Mensch, der diese Bestie aufhalten konnte. Die anderen Opfer konnten sich tatsächlich an nichts erinnern.
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Thomas Finger glitt über die Wochenübersicht seines Kalenders. Natürlich besaß er ein Smartphone in dem er seine Termine speicherte und mit dem Notebook synchronisierte. Für seine offiziellen Termine kein Problem. Für die Termine seines Zweitjobs jedoch kaum möglich. Hier ging nichts ohne Papier, das am Ende der Woche auf nimmer Wiedersehen vernichtet wurde. Thomas Interesse galt dem Mittwoch oder besser gesagt der Zeit zwischen Dienstag 17:00 und dem Mittwochabend. Sein letzter Termin am Dienstag endete gegen 16:30 und am Mittwoch um 20:00 war er mit einem seiner Stammkunden zum Essen verabredet. Diese Lücke musste Thomas nutzen.
Nachdem er sich Zugang zu Claudia Schäfers Smartphone verschafft hatte, begann Thomas das Leben dieser Frau auf passende Gelegenheiten abzuklopfen. Diese Jugendfreizeitfahrt war am Samstagmorgen gestartet und endete am nächsten Sonntagnachmittag. Herr Schäfer weilte zudem dieses Wochenende auf einer Führungskräfte-Konferenz seines Arbeitgebers. Diese Chance kam eine Woche zu früh. Schade, aber für Thomas kein Grund aufzugeben. Das nächste Wochenende wäre ihm am liebsten gewesen. Doch das viel aus. Am Donnerstag würde sich Claudia Schäfer in ihren Wagen setzen und zu ihrem Mann fahren. Von dort aus ging es über das Wochenende in ein Wellness-Hotel. Das Ehepaar Schäfer wollte die Zeit ohne die Sprösslinge offenbar für ein romantisches Intermezzo nutzen.
Bis zum Donnerstag wies Claudia Schäfers Terminkalender hingegen eine erstaunliche Leere auf. Ein Problem blieb jedoch. Der Kontakt zwischen dem Ehepaar riss natürlich auch während der Zeit in der Claudia allein war nicht ab. Zu Thomas Erleichterung beschränkte er sich jedoch auf Whats-App Nachrichten und Mails. Die Illusion, dass seine Frau zu Hause saß würde Thomas diesem Herrn Schäfer sicher vermitteln können. Das Haus der Schäfers kannte er bereits aus dem Internet. Morgen Abend würde er es sich aus der Nähe ansehen. Bis dahin musste Thomas aber noch einiges erledigen. Als erstes ein Paket abholen, das in einer Packstation auf ihn wartete. Darin befand sich ein Outfit, das sein Kunde für Claudia Schäfer ausgesucht hatte.
Wenig später öffnete sich das Tor der Tiefgarage vor Thomas BMW. Vorsichtig ließ er den Wagen aus der Einfahrt rollen. Zwar gab es Spiegel, die den toten Winkel abdeckten, aber bei auf dem Bürgersteig heranrasenden Fahrradfahrern halfen diese wenig. Nicht nur einmal hatte einer dieser Verkehrsraudis mit der Faust gedroht. Thomas fuhr ein paar Meter vor und schaute sich um. Heute waren jedoch nur Fußgänger unterwegs. Sein Blick viel auf ein Paar. Die Frau trug einen dunklen Wollmini und hohe Stiefel. Die Kapuze ihres in verschiedenen Rottönen gestreiften Longpullis hatte sie über das Haar geworfen. Ihr Begleiter trug Jeans und eine Freizeitjacke. Thomas interessierte jedoch mehr der ansehnliche Po der Frau. Der Pullover bedeckte zwar einen Teil des Rocks, schmiegte sich aber eng an die weiblichen Rundungen. Auch ihre Schenkel waren nett anzuschauen.
Beim Alter konnte Thomas nur schätzen. Er sah das Paar leider nur von hinten. Von Anfang dreißig bis Ende vierzig war alles möglich. Die Zeiten als Frauen ab 40 kein Bein mehr zeigten waren lange vorbei. Dieses Outfit würde auch Claudia Schäfer sehr gut stehen. Das Paar strebte einem Audi A4 zu. Thomas riss seinen Blick von den beiden los. Er hatte einen Auftrag und den galt es vorzubereiten.
Anna schnallte sich an. Christian lenkte sein Auto von dem Parkplatz des Schnellrestaurants herunter. Er selbst mochte dieses Fastfood nicht. Nach der Lust mit der Anna in ihren Burger biss, sie offenbar auch nicht. Heute blieb ihnen jedoch keine andere Wahl. Sie hatten Hunger und nach 22:00 bekam man in der Regel selbst am Samstagabend in normalen Restaurants nichts mehr. Außerdem wollten sie nach Hause. Seit dem frühen Nachmittag beobachteten Anna und er Thomas Leiwaldt. Identifiziert hatten sie ihn an Hand seines Autos. Dieser auffällige BMW parkte vor dem Haus, dass er gemietet und an dessen Fenster Christian selbst Anna halbnackt beobachtet hatte.
Thomas Leiwaldt wohnte in einer Art Penthaus. Zumindest befand sich sein Klingelschild an der obersten Stelle in der langen Reihe neben der Haustür. Doch diese war verschlossen. Zu Beginn hatten sie noch gehofft, sobald einer der Bewohner das Haus verließ in einem günstigen Augenblick durch die Tür schlüpfen zu können. Aber von zu Fuß gehen hielten die Bewohner offenbar nicht viel. Umso öfter rollte das Tor der Tiefgarage nach oben. Diesen Weg zu benutzen Verbot sich von selbst. Über dem Sektionaltor prangte unübersehbar eine Überwachungskamera.
„Er hat etwas aus einem Paketshop abgeholt.“, sinnierte Anna. Christian fand daran nichts ungewöhnlich. Wer war schon zu Hause, wenn der Paketbote mittags klingelte. „Er wird etwas von einem Versandhaus bestellt haben.“ „Aber von keinem gewöhnlichen.“, relativierte Anna seine Antwort. „Dafür war das Paket einfach zu neutral. Normalerweise ist der ganze Karton doch eine riesige Werbung.“ Das stimmte. Christian sah zu seiner Beifahrerin hinüber. „Du denkst an Firmen die mit einem diskreten und neutralen Versand werben.“ Anna lachte. „Genau. So hieß das jedenfalls früher. Als Kind hab ich mich immer gefragt was dahinter steckt.“ „Du glaubst, Leiwaldt hat etwas von einem Erotik-Shop bestellt?“, wollte Christian wissen. „Genau das glaube ich.“, bestätigte Anna. „Diese Ledercoursage, die ich anziehen musste war garantiert nicht selbst genäht. Irgendwo muss er die Handschellen und Knebel auch herhaben.“
„Dafür war das Paket zu groß.“, überlegte Christian. Seine Begleiterin nickte. „Von der Größe hätte eine Ledercoursage oder etwas in dieser Art garantiert in das Paket gepasst. Ich denke er hat ein Outfit abgeholt. In ein paar Tagen schlägt er wieder zu. Darauf wette ich.“ „So kurz hintereinander?“, zweifelte Christian. „Das ist für ihn kein Problem.“, erwiderte Anna. „Mich muss er Samstagnacht auf dem Parkplatz abgeladen haben und in der nächsten Nacht holte er sich Niklas Möller und dessen Freundin. Das halte ich für kurz. Dagegen ist der Kerl jetzt geradezu abstinent.“
Diese Überlegung war nicht von der Hand zu weisen. Dafür gab es einen einfachen Grund. Thomas Leiwaldt trieb sein Unwesen nur auf Reisen. Da er als Pharmareferent ohnehin viel unterwegs war eine logische Schlussfolgerung. Statt eines Hotelzimmers mietete er sich einfach ein Ferienhaus. Seinem Arbeitgeber war das sicher egal. Das Wochenende bezahlte Leiwaldt ohnehin selbst. So hatte er genügend Zeit seine Opfer auszusuchen und dann zuzuschlagen. „Eine Vorauswahl trifft er über das Internet.“, riss ihn Annas Stimme aus den Gedanken. „Bevor er zuschlägt, schaut er sich seine Opfer noch einmal in Ruhe an. Dafür hat er die erste Woche. In der zweiten schlägt er zu. Alles was er braucht ist ein Ferienhaus das groß genug ist.“
Christian schaute die Frau neben ihn erstaunt an. War das Gedankenübertragung? „Was starrst du mich an? Du denkst ich spinne?“ „Nein.“, wehrte Christian ab. „Ganz und gar nicht. Wir haben nur gerade dasselbe gedacht.“ „So abwegig ist das nun wieder nicht.“, erklärte Anna Hausmann. „Der Gedanke bietet sich an.“ Sie lachte. „Sogar von mir findet man ein paar Bilder im Netz. Auf der Homepage der Firma steht außerdem eine Kurz-Vita. Der Typ wusste also, wo ich arbeite und nicht verheiratet bin. Über Niklas und seine Freundin wird er noch viel mehr herausgefunden haben. Er braucht ein Haus das geräumig genug ist um darin seine Opfer gefangen zu halten und gleichzeitig dort zu wohnen. Es muss anonym genug sein. Er kann nicht riskieren das der Vermieter plötzlich vor der Tür steht. Außerdem darf es nicht auffallen, wenn er nachts mit dem Wagen wegfährt.“
Genau das ist es, schoss es Christian durch den Kopf. „Wann hat der Kerl bei euch eingecheckt?“, fragte Anna plötzlich. „Am Sonntagnachmittag.“, antwortete Christian etwas genervt. In seinem Kopf formte sich gerade eine Idee. Anna entging seine Gereiztheit. „Dann sollten wir ab Morgen Mittag diesen Kerl wieder beobachten. Dafür müssen wir uns abwechseln. Ich…“ „Vielleicht versuchen wir es erstmal anders.“, unterbrach Christian Annas Redefluss. Die Frau auf dem Beifahrersitz warf ihm einen verwunderten Blick zu.
„Wir kennen seinen Namen und seinen Beruf. Mal sehen was wir über diesen Leiwaldt noch im Internet herausfinden.“, begann Christian zu erklären. „Vielleicht beschränkt sich seine Tätigkeit auf eine bestimmte Region. Häuser die seine Vorrausetzungen erfüllen gibt es nicht wie Sand am Meer. Ich müsste vielleicht nur ein paar Anrufe machen.“ Unvermittelt lachte Ana los. „Entschuldigung. Daran hab ich überhaupt nicht gedacht.“ Sie zückte ihr Smartphone. „Ich bin gespannt was über Sie im Web zu finden ist Herr Leiwaldt.“
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Der Koffer schnappte zu. Darin befanden sich Thomas persönliche Sachen. Die Kameras, sein Fessel-Equipment und das für Claudia Schäfer bestimmte Outfit waren separat verstaut. Thomas plante morgen am frühen Nachmittag aufzubrechen. Zu dem Ferienhaus, das er gemietet hatte brauchte er etwa anderthalb Stunden. An der Rezeption würde Thomas ganz normal einchecken und mit seinem persönlichen Gepäck das Haus beziehen. Das restliche Gepäck brachte er gewöhnlich erst im Schutz der Dunkelheit in das Ferienhaus. Niemand brauchte erfahren, dass jemand mit derart großem Gepäck reiste.
Thomas verließ das Schlafzimmer. Sein Notebook surrte noch leise. Bevor er zu Bett ging musste er noch einen Blick in das Smartphone seines zukünftigen Opfers werfen. Für den Fall das Claudia Schäfer ihre Pläne änderte musste er es so früh wie möglich wissen. Außerdem wollte sich Thomas morgen am frühen Abend die Frau und vor allem die Gegebenheiten vor Ort genauer anschauen. Dazu wäre es gut, wenn Claudia zu Hause war. Thomas setzte sich hinter den Schreibtisch. Er startete das Programm, das ihm Zugang zu Claudia Schäfers Smartphone verschaffte und las die Daten aus. An den Terminen der Frau hatte sich nichts geändert. Unter den Nachrichten und Anrufen fand Thomas lediglich ein kurzes Telefonat mit ihrem Mann und die Nachricht von den Kindern, dass sie gut an der Ostsee angekommen waren.
Unter den derzeit aktiven Apps befand sich auch die Kamera. Nichts Ungewöhnliches. Claudia hatte sie gebraucht und vergessen zu schließen. Smartphonekameras waren keine Webcams an Computern. Sie taugten zum ausspionieren nur bedingt. Gewöhnlich sah man nicht viel. Trotzdem klickte Thomas auf den Link. Es erschien das erwartete Bild. Eine verschwommene matt beleuchtete Zimmerdecke. Aller Wahrscheinlichkeit jene in Claudia Schäfers Schlafzimmer. Die Frau selbst lag vermutlich im Bett und las. Plötzlich bewegte sich das Bild. Wollte Claudia telefonieren oder schickte sie ihrem Mann eine Nachricht. Nichts von beiden geschah. Stattdessen startete eine Aufnahme.
Die Kamera richtete sich auf das Bett. Thomas wollte seinen Augen nicht trauen. Auf dem Bett lag aufgespannt wie ein X ein Mann. Seine Hände und Füße waren an das Bett gefesselt. Die Augen verbunden. Von ihm selbst sah man nur die Rückenansicht. Sein Gesicht hatte der Mann in den Kissen vergraben. Instinktiv aktivierte Thomas die Mitschnittfunktion in seinem Spy-Programm. Der Mann war nicht Claudias Ehemann. Die Haarfarbe passte nicht. Nur wer war er dann? Falls Claudia einen Liebhaber hatte vermerkte sie die Termine bestimmt nicht im Kalender ihres Smartphones. Dieser gefesselte Kerl dort konnte Thomas gesamte Planung über den Haufen werfen.
Langsam glitt die Kamera über den gefesselten Mann. „Nimm mir die Augenbinde ab, Claudia. Ich will dich sehen.“ „Sofort.“, antwortete die Frau mit zuckersüßer Stimme um im nächsten Satz ihre Aussage zu relativieren. „Sofort nachdem ich dich vorbereitet habe. Wir müssen uns nicht beeilen. Diesmal haben wir die ganze Nacht.“ Das Smartphone wanderte wieder auf seinen Platz zurück. Die Aufnahme lief weiter. Ein Rascheln folgte. Danach wohliges Stöhnen. „So ist es gut.“ schnurrte der Mann. „Du bist Klasse, Claudia.“ Ein leises Lachen war die Antwort. „Es gefällt dir? Soll ich den Stab nehmen?“ „Nimm den Stab.“, hauchte der Mann. „Aber nicht ohne Knebel.“, gab Claudia zurück. „Du schreist die Nachbarschaft zusammen.“
Erneut ein Rascheln. Dann erschien der gefesselte Mann auf dem Bett wieder im Bild. Er hatte seine Hüfte leicht angehoben. Claudia musste ihn demnach bereits stimuliert haben. Langsam glitt die Kamera über das Bett. „Ich hole den Knebel. Er ist unten.“, sagte Claudia Schäfer. „Nimm mir vorher die Augenbinde ab. Ich will dich sehen?“ Ein erneutes Lachen war die Antwort. „Damit du sofort kommst? Heute habe ich noch eine besondere Überraschung. Genieß die Vorfreude.“ Bei diesen Worten sank das Smartphone hinab. Das Bild der Kamera wurde hektisch. Eine Tür schlug zu. Offensichtlich ging es eine Treppe herunter.
Der Bildschirm wurde schwarz. Das Licht reichte nicht mehr für brauchbare Bilder. Der Ton lief jedoch weiter. Ein Aufschrei. „Wer sind Sie. Wie kommen Sie in dieses Haus?“ Eindeutig Claudias Stimme. „Lassen Sie das!“… „Nein.“…. Bitte.“ „Hilfe…..“ Ein Thomas nicht unbekanntes Gurgeln folgte. Claudia Schäfer wurde geknebelt. Der Bildschirm blieb dunkel. Thomas beendete die Aufnahme. Für ihn gab es keinen Zweifel. Claudia und ihr Lover wurden überfallen. Diese beiden Gangster passten ihm überhaupt nicht in den Plan.
Thomas Maus suchte die Ortungsfunktion seiner Spy-Software. Er konnte nur hoffen, das Claudia so clever war sich nicht in ihrem eigenen Haus zu treffen. Falls doch wimmelte es dort morgen von Polizei. Natürlich würde Claudia dafür sorgen, dass ihre Affäre unentdeckt blieb, aber einen Raub konnte sie nicht vertuschen. Das Ergebnis ließ Thomas aufatmen. Die Koordinaten passten nicht zu Claudia Schäfers Adresse.
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So einfach hatte sich Anna die Recherche nicht vorgestellt. Dagegen war die Suche nach Niklas Möller eine wahre Detektivarbeit gewesen. Als sie sich dem Viertel näherten in dem Christians Haus lag kannte sie die Firma für die Thomas Leiwaldt reiste und sein Vertriebsgebiet. Christians Meinung nach gab es in diesem Gebiet maximal zehn Möglichkeiten ein Ferienhaus, das für die Pläne dieses Leiwaldt geeignet war zu mieten. Annas Begleiter war optimistisch recht schnell heraus zu finden, ob Thomas Leiwaldt eines davon gemietet hatte. Es lag nahe, das er zu den Stammkunden gehörte und telefonisch reservierte. Auf diese Weise mietete er auch das letzte Haus. „Falls ich bis um 10:00 nichts herausgefunden habe fahren wir.“, hatte Christian sie beruhigt. Das war ein guter Kompromiss.
Ein anderes Problem war damit jedoch nicht vom Tisch. Sie mussten Thomas Leiwaldt im Auge behalten. Nur wie? Anna glaubte kaum, dass ihr Chef von jetzt auf gleich eine Woche Urlaub genehmigte. Bei Christian lagen die Dinge ein wenig anders. Er war der Geschäftsführer und konnte selbst entscheiden. Doch auch bei ihm blieb die Arbeit liegen. „Warten wir doch erst einmal ab, wo dieser Leiwaldt absteigt.“, hatte Chris auf diese Frage geantwortet. „Außerdem müssen wir ihn nur am Abend und in der Nacht überwachen. So groß das wir nicht in drei Stunden an jedem Ort sein könnten ist sein Vertriebsgebiet auch wieder nicht. Wenn wir abwechselnd schlafen, halten wir das schon eine Weile durch.“ Jetzt, als Christians Wagen in die Straße einbog in der ihr Auto parkte, sah Anna dieses Problem ebenso. Bis nächsten Freitag hielten sie schon durch und ab Freitag mieteten sie sich einfach in der Nähe dieses Herrn Leiwaldt ein. Anna war sicher, dass er spätestens am nächsten Samstag wieder zuschlug.
„Was ist denn da vorne los?“, holte Christians Stimme Anna aus den Gedanken. Über die Straße zuckte Blaulicht. Mehrere Polizeifahrzeuge versperrten die Weiterfahrt. Christian fuhr an den Straßenrand und hielt an. „Ich glaube es ist besser du läufst das letzte Stück zu deinem Wagen.“, schlug er vor. „Wer weiß wie lange das da vorn dauert.“ Eine gute Idee, dachte Anna. Sie wollte dem Mann auf den Fahrersitz die Hand reichen. Aber mitten in der Bewegung hielt Anna inne. Chris hatte mehr verdient als einen unpersönlichen Händedruck. Die junge Frau atmete durch. Sollte sie das wirklich tun? Mach es bevor du zuviel darüber nachdenkst. Anna schob ihren Kopf vor und gab dem Mann neben ihr einen Kuss auf die Wange. „Bis morgen. Ich bin um neun bei dir und bringe Brötchen mit.“
Ohne auf Antwort zu warten stieg Anna aus. Wenn sie zu ihrem Wagen wollte musste sie an dem Polizeiaufgebot vorbei. Auf dem Fußweg gegenüber stand eine kleine Gruppe und beobachtete das Geschehen. Ganz vorn, Anna traute ihren Augen nicht, stand mit vor der Brust verschränkten Armen und zufriedener Haltung der selbsternannte Hilfssheriff Kurt. Auch er hatte Anna entdeckt. „Komm’se her Hausmännchen.“, rief er fröhlich hinüber. „Wir haben die Gangster.“, freute sich Kurt und wies auf einen Mannschaftswagen der Polizei. „Wie habt ihr sie geschnappt?“, wollte Anna wissen. Die beiden Männer dort im Wagen machten einen kräftigen Eindruck. Zu kräftig für drei Ruheständler.
„Na also nicht wir direkt,“, relativierte Kurt. „Wir haben nur die Augen offen gehalten und die beiden Männer entdeckt. Diese Räuber schlichen in der Straße unten beim Musterhaus herum.“ Er zwinkerte Anna zu. „Wir haben sie nur beobachtet. Wenn sie Einsteigen wollten wir die Polizei rufen. Dann waren die aber plötzlich weg.“ „Weg?“, fragte die junge Frau verwundert. „Ja.“, bestätigte der Mann. „Einfach verschwunden. Wir dachten die Kerle haben uns bemerkt und sind getürmt.“ Seine Hand wies in Richtung der gegenüberliegenden Straße. „Meine Kumpels und ich waren schon auf dem Heimweg als wir plötzlich sahen wie zwei Kerle in ein Haus einsteigen. Wir sind sofort in die Büsche und haben den Notruf gewählt.“ Kurt kratzte sich am Kinn. „Sie müssen von hinten über die Zäune sein. Auf der Straße hätten wir sie auf jeden Fall bemerkt.“
Dann hatten Kurt und seine Mitstreiter doch noch ihren Erfolg, dachte Anna als sie sich von dem alten Herrn verabschiedete. Natürlich hatten die drei nicht aufgegeben. Trotzdem war ihnen die Begegnung letzte Nacht eine Lehre. Die drei rüstigen Rentner hätten diese Einbrecher garantiert nicht aufgehalten. Sie wären zusammen geschlagen im Krankenhaus gelandet. Jetzt hatten sie ihren Triumph ohne dabei ihre Gesundheit zu riskieren.
Da der direkte Weg zur Ausfahrt durch die Polizei versperrt war, musste Anna eine Runde durch die Siedlung drehen. Im Kegel ihres Scheinwerfers erschien ein Hinweisschild mit der Aufschrift Musterhaus. Hier mussten sich die beiden Einbrecher demnach herumgetrieben haben. Das Haus selbst war durch eine Tafel neben dem Eingang gekennzeichnet. Aber auch ohne diesen Hinweis war es leicht zu erkennen. Bei den anderen Häusern dieser Reihe waren die Rollläden herunter gelassen oder aus den Fenstern fiel mattes Licht auf die Straßen. Die Fenster des Musterhauses zeichneten sich jedoch als graue Rechtecke von der Hauswand ab.
Aus heiterem Himmel traf aus einem dieser Rechtecke ein heller Strahl Annas Augen. Geblendet stieg sie auf die Bremse. Die junge Frau kniff die Augen zusammen. Der helle Schein blieb. Seine Quelle lag auf der anderen Seite des Musterhauses. Eine Laterne, die den Fußweg an der Rückseite der Grundstücke beleuchtete. Jemand musste vergessen haben die Zimmertüren im Untergeschoss des Musterhauses zu schließen. Anna wandte sich ab. Das Rätsel war gelöst. Sie wollte nach Hause und in ihr Bett. Anna legte den Gang ein. In diesem Augenblick bewegte sich etwas auf dem Armaturenbrett. Ein Schatten. Anna fixierte erneut das nun hellere Rechteck des Fensters. Sie konnte nichts erkennen, aber der Schatten huschte weiter über ihr Armaturenbrett.
Die junge Frau stellte den Motor ab und stieg aus. Mit raschen Schritten überquerte sie die Straße. An der Wand des Musterhauses ging sie in die Hocke und schlich an ein Fenster. Vorsichtig spähte Anna hinein. Es war die Küche. Diese war im Gegensatz zu Christians Haus zum Wohnzimmer hin offen gehalten. Anna streckte ihren Kopf noch ein wenig weiter vor. Dort im Wohnzimmer bewegte sich tatsächlich etwas. Ihr stockte der Atem. Das waren die Unterschenkel einer Frau. Sie zeigten im rechten Winkel nach oben. Die Absätze ihrer Schuhe wackelten. Doch sie konnte die Füße nicht bewegen. Diese Frau war gefesselt. Die Polizei, schoss es Anna durch den Kopf. Sie musste die Polizei holen.
Die junge Frau rannte zu ihrem Wagen und gab dem Golf die Sporen. Eschrocken stellte sie fest, dass das Blaulicht verschwunden war. Die Polizei hatte die Einbrecher abtransportiert. Jetzt blieb nur eine Chance. Anna wendete den Wagen. Ihr Ziel war Christians Haus. Die gefesselte Frau musste befreit werden, aber nicht bevor jemand davon wusste und im Notfall die Polizei alarmieren konnte.
„Du bleibst hier.“, wies Christian seine Begleiterin an. Anna nickte. Sie saßen in ihrem Wagen. Einer von ihnen musste versuchen in das Musterhaus zu gelangen, während der andere mit dem Mobiltelefon in der Hand wartete. Bei ihrer Konstellation war die Rollenverteilung klar. Als Mann war es seine Aufgabe in das Haus zu gelangen, während Anna draußen wartete. Sie hatte seinem Vorschlag nicht widersprochen. Anna musste ahnen, dass sie ihn nicht umstimmen konnte. „Verschließ die Türen und lass den Motor laufen.“, riet er. „Falls sich jemand dem Wagen nähert gibst du Gas.“ Ein erneutes Nicken war die Antwort.
Anna wies auf die Front des Hauses. „Die Haustür ist zu. Das Fenster auch. Du wirst es von hinten versuchen müssen.“ Damit lag Anna sicher richtig. Doch bevor er die Häuserzeile umrundete wollte Christian einen Blick in das Haus werfen. Er stieg aus und lief über die Straße. Neben einem Fenster blieb Christian stehen und spähte hinein. Anna hatte sich nicht geirrt. Dort lag tatsächlich jemand. Der Form der Unterschenkel nach eine Frau. Christian überlegte. Er wandte sich zur Haustür und zog an dem Griff. Umsonst. Es blieb nur der Versuch über die Terrasse.
Christian trabte los. Ein paar Minuten später stieg er über den niedrigen Zaun des Musterhauses. Das Licht der Straßenlaterne, die Anna geblendet hatte spiegelte sich in den großen Scheiben der Terrassentür. Christian musste seine Nase im wahrsten Sinne an der Scheibe plattdrücken um etwas zu sehen. Das innere des Musterhauses hatte Christian noch von seiner eigenen Besichtigung in Erinnerung. Um die Interessenten nicht durch kahle Räume führen zu müssen hatte der Bauträge es mit dem Notwendigsten möblieren lassen. Dort zwischen der Couchecke und dem mehr als Arbeitsplatz genutzten Esstisch lag eine Frau. Ihre Hände waren mit Seilen auf den Rücken gefesselt. Auch um ihre Fußgelenke lagen helle Windungen.
Um die Bedauernswerte endgültig zu einem hilflosen Paket zu machen hatte man ihr die Beine angewinkelt und mit den Fesseln der Handgelenke verbunden. Hinter dem Kopf der Frau zeichnete sich über dem schulterlangen hellen Haar ein schwarzer Riemen ab. Falls er die Silhouette richtig deutete trug die Frau dort im Wohnzimmer lediglich ihre Unterwäsche. Jetzt hatte ihn die Frau ebenfalls bemerkt. Sie zog an ihren Fesseln und versuchte sich bemerkbar zu machen. Hilfloses Gewimmer drang auf die Terrasse. Christians Blick ging zu der Verriegelung. Sie war offen. Ein Glück für die hilflose Frau. Im anderen Fall hätte er nichts weiter tun können als die Polizei zu alarmieren.
Mit einem Ruck schob Christian die Terrassentür auf und lief zu der gefesselten. Sie hatte es geschafft sich auf die Seite zu drehen. Erleichterte Augen sahen zu ihm auf. Im Mund der Frau steckte ein schwarzer Ball. Dieses riesige Ding beanspruchte die Kiefergelenke bis an ihre Grenzen. Was die Silhouette der Frau betraf hatte sich Christian nicht geirrt. Sie trug keine Oberbekleidung. Doch als Unterwäsche hätte er dieses Outfit ebenfalls nicht bezeichnet. Die Frau trug eine trägerlose schwarze Lack-Corsage mit einer Kettenschnürung an der Vorderseite. Dazu einen schwarzen Lack-String, gleichfarbige Nylons und dunkle Stiefel mit gigantischem Absatz.
Christian ging in die Knie. Er befreite die Frau von dem Knebel. „Danke.“, krächzte diese kaum verständlich. „Ich binde Sie los.“ Die Frau schüttelte den Kopf. „Nein… Oben. Mein Mann… Sehen Sie nach ihm… Bitte.“ „Sofort.“, erwiderte Christian. Er löste den Knoten der Handfesseln und stand auf. Im Hausflur stolperte er beinahe über eine Reisetasche. Er schob sie zur Seite. Die Haustür lag nur im Schloss. Er riss sie auf und winkte. Anna verstand und sprang aus dem Wagen. „Im Wohnzimmer liegt eine gefesselte Frau. Kümmere dich um sie.“ Er selbst sprintete die Treppe nach oben. Aus einem der Zimmer drangen verzweifelte Laute. Dort lag bäuchlings auf einem Bett ein nackter Mann. Seine Hände und Füße waren mit Seilen an den Lattenrost gefesselt.
Wie ein aufgespanntes X wiesen die Arme und Beine auf die Ecken des Doppelbettes. Seine Augen waren mit einem Tuch verbunden. Im Mund des Mannes steckte mit einer Socke fixiert ein Slip. Sein eigener konnte es nicht sein. Dieser lag bei den Sachen des Mannes. Diese hingen ordentlich über einem Stuhl. Ganz oben der Slip. Bei der Kleidung auf dem Stuhl daneben fehlte dieser jedoch. Der Mann war demnach mit dem Slip seiner Frau geknebelt. Christian setzte sich auf das Bett und befreite den Mann von dem Knebel. „Eine Freundin kümmert sich unten um Ihre Frau.“, beruhigte er den Mann. „Sobald ich Sie losgebunden habe rufen wir die Polizei.“ „Keine Polizei.“, japste der Mann. „Keine Polizei. Das war alles nur ein Spiel.“
Bei dem etwas schief gegangen ist, setzte Christian für sich hinzu. Der Mann hatte sich selbst ausgezogen und seine Frau trug dieses Outfit sicher auch freiwillig. Die Fesseln mochten auch noch geplant gewesen sein, aber sie hilflos gefesselt und geknebelt zurück zu lassen war bestimmt nicht Teil eines Spiels. Die Tür wurde aufgerissen. Die Frau stürzte herein. Rüde schob sie Christian zur Seite. „Ich kümmere mich jetzt selbst um meinen Mann. Lassen sie uns bitte allein.“
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„Wir sind Ihnen wirklich dankbar, Herr Ballhofer.“, erklärte die Frau. Ihr Mann saß mit gesenktem Kopf daneben und sagte gar nichts. In ihren schnell übergeworfenen Sachen boten sie einen etwas zerzausten Anblick. Ansonsten war es ein nett anzuschauendes Paar. Die Figur der Frau würde Anna selbst nie erreichen. Da halfen weder Diäten noch Sport. Das von schulterlangen dunkelblonden Haaren umrahmte Gesicht zeigte erstaunlich wenig Falten. Das galt auch für das Gesicht ihres Mannes. Mit seinem vollen und durch eine Spülung in der Orginalfarbe gehaltenem Haar würde er auf den ersten Blick als Ende Dreißig durchgehen. Aber Anna hatte das Gefühl die beiden hatten die Vierzig schon überschritten. Sie erst vor ein oder zwei Jahren. Er nährte sich bereits der Fünfzig.
„Bitte vergessen Sie den Vorfall. Ich bitte Sie beide, Frau Hausmann.“, flehte die Frau händeringend. „Wir regeln das mit unseren Bekannten allein.“ Wie willst du das denn regeln, wunderte sich Anna. In dem du deine Bekannten bei eurem nächsten Spiel ebenfalls allein gefesselt zurück lässt. Den Worten der Frau nach war es bei einem Rollenspiel zum Streit gekommen. Das andere Paar hatte die Frau überwältigt und gefesselt. Ihr Mann konnte ihr nicht helfen. Diesen hatten die angeblichen Räuber bereits auf das Bett gebunden. Anna hatte ihre Zweifel an dieser Geschichte. Kurt und seine Nachbarschaftswache bemerkten zwei Männer in der Nähe des Musterhauses. Es gab keinen Grund an ihren Aussagen zu zweifeln. Schließlich hatte die Polizei zwei männliche Räuber verhaftet. Auf jeden Fall gab es nur eine Erklärung warum die drei aufmerksamen Rentner die Einbrecher aus den Augen verloren.
„Falls jemand erfährt, wofür wir das Musterhaus benutzt haben, wird mein Mann entlassen.“ Die Frau heulte jetzt beinahe. Warum machten sie diese Spiele überhaupt hier? Sie hätten doch einfach ein Ferienhaus mieten können. So arm sah dieses Ehepaar nun nicht aus. Ein Grund mehr an der Geschichte zu zweifeln. „Bitte, Versprechen Sie das Sie die Angelegenheit für sich behalten.“, bettelte die Frau. Anna reichte es jetzt. Sie sah zu Chris und nickte leicht. Er nickte zurück. Ihn nervte diese Bettelei ebenfalls. „Anna und ich werden die Angelegenheit für uns behalten.“, erklärte er. Die Frau atmete erleichtert auf. Ihr Mann erhob sich. „Es ist schon spät. Wir wollen Sie nicht länger aufhalten.“
Der Rausschmiss kam Anna sehr recht. Statt mit wildfremden Leuten über angeblich aus dem Ruder gelaufene Rollenspiele zu reden, sollte sie im Bett liegen. Draußen auf der Straße fasste sie Chris am Arm. „Komm ich fahr dich nach Hause.“ Er folgte ihr bereitwillig. „Meinst du die beiden klären das mit dem anderen Paar?“, fragte Christian als sie im Auto saßen. „Meiner Meinung nach gab es kein anderes Paar.“, antwortete Anna. „Ich hab vorhin unseren Kurt getroffen. Die beiden Einbrecher, die vorhin verhaftet wurden haben sich in der Nähe des Musterhauses herumgetrieben und waren dann plötzlich verschwunden.“
„Du meinst sie sind zufällig über das Ehepaar gestolpert und haben die Zeugen ruhig gestellt?“, fragte Chris. „Genau das.“, bestätigte Anna. „Die beiden wollen nur verhindern, dass ihre Fantasien bekannt werden.“ „Meinetwegen sollen sie ihre Fantasien ausleben wo sie wollen.“, antwortete Chris. Anna stoppte den Golf. Christian sah zu ihr. „Du brauchst nicht nach Hause zu fahren. Ich hab ein Gästezimmer.“ Ein verlockendes Angebot. Aber nein. Dafür kannten sie sich noch nicht lange genug. Anna schüttelte den Kopf. „Ich hab nichts zum Wechseln mit.“ „Schade.“ In Christians Stimme lag Enttäuschung. „Wir sehen uns um neun.“, sagte er und griff nach dem Türöffner. „Warte.“ Anna beugte sich zu ihm hinüber. Ohne einen Kuss auf die Wange wollte sie ihn jetzt auch nicht gehen lassen. Plötzlich fühlte sie Christians Arme um ihren Körper. Er zog sie an sich. Anna lies es geschehen. Sie versank in einem Gefühl von Geborgenheit und Wärme. So etwas hatte sie lange nicht gespürt.
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Claudia Schäfer war überfallen wurden. Daran gab es für Thomas keinen Zweifel. Ebenso stand fest, dass sein ins Auge gefasstes Opfer eine dominante Ader besaß und nicht monogam lebte. Wer oder was der gefesselte Typ in diesem Bett war blieb offen. Das Gegrübel raubte Thomas den Schlaf. Handelte es sich um Claudias Liebhaber war es garantiert kein einmaliger Seitensprung. Nur ein Idiot ließ sich beim ersten Date fesseln. Blieb die zweite Variante. Claudia Schäfer besserte ihr Haushaltsgeld durch Liebesdienste ein wenig auf. Dass diese Frau mit jedem für Geld ins Bett stieg schloss Thomas aus. Seiner Meinung nach ähnelte in diesem Fall Claudias angebotene Dienstleistung eher der einer Domina. Warum machte sie mit ihrem Smartphone Aufnahmen von dem Treffen? Dazu noch so, dass der Mann nichts bemerkte. In Filmen lief das meist auf eine Erpressung hinaus. Auch das traute er Claudia zu.
Ärgerlich wälzte Thomas sich auf die andere Seite. An Schlaf war nicht zu denken. Wer war dieser Typ im Bett. Traf Claudia sich öfter mit ihm und falls ja wo? Thomas stieg aus dem Bett. Er wusste wo das Treffen und der Überfall stattgefunden hatten. Zumindest so genau es die GPS-Ortung von Claudias Handy zu ließ. Thomas fuhr sein Notebook hoch und startete das Spy-Programm. Zu seiner Überraschung lagen zwischen den angegebenen Koordinaten und Claudias Heimatadresse knapp 100 km. Das sie jeden Tag diese Strecke zu ihrem Lover fuhr bezweifelte Thomas. Sie mussten sich bei ihm getroffen haben, denn die Koordinaten gehörten zu einer Wohnsiedlung jener Stadt in deren Nähe Thomas letzte Woche selbst gewesen war.
Wer war der Typ, der sich von Claudia Schäfer fesseln ließ? Thomas startete den Mitschnitt. Als der gefesselte Mann ins Bild kam stoppte er die Aufnahme. Er fixierte die Rückenansicht des gefesselten. Der Mann war mittelgroß. Vom Körperbau her normal. Nicht übergewichtig, aber auch nicht trainiert. Thomas schätzte ihn auf die zweite Hälfte der 40. Das volle Haar vermittelte jedoch einen jüngeren Eindruck. Thomas stutzte. Dieses volle Haar hatte er bereits einmal gesehen. Er suchte den Youtube-Clip der Schulveranstaltung. Tatsächlich. Der gefesselte Mann auf dem Bett war der Hauptsponsor dieser Freizeitfahrt. Erotische Erlebnisse gegen Geld. Claudia Schäfer kämpfte wirklich mit allen Mitteln für das Wohl der Kinder. Jetzt machte auch diese Aufnahme einen Sinn. Falls das Interesse dieses Herrn an Claudia erlosch sicherte diese Aufnahme dem Förderverein zumindest eine abschließende Spende.
Thomas fuhr das Notebook herunter. Auf eine Frau wie Claudia Schäfer war er noch nie getroffen. Seine Vorfreude auf Dienstagnacht wuchs. Hoffentlich waren die Gangster mit Claudia nicht zu grob umgegangen. In den Kriminaldokus und Fahndungssendungen wurden in der Regel nur die Männer arg verprügelt. Bei den weiblichen Opfern blieb es meist bei einer Fesselung. Auch sexuelle Übergriffe von Räubern waren selten. Für Thomas standen die Chancen also recht gut, dass Claudia Schäfer mit einem blauen Auge aus der Sache herausgekommen war.
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„Genau das ist er. Thomas Leiwaldt.“, freute sich Christian. „Hat er auch direkt bei euch im Park gebucht? Für zwei Wochen?“ „Ja.“, bestätigte sein Gesprächspartner. „Ich fand das auch merkwürdig. Ich denke es hängt mit den zwei Rechnungen zusammen. Eine Privat über das Wochenende und über die Woche eine für die Firma. Das ist am Telefon schneller erklärt als in einer Mail.“ Dem konnte Christian nur zustimmen. Manche Sache erledigte man besser im Gespräch. „Aber warum fragst du nach diesem Leiwaldt, Chris?“, wollte sein Gesprächspartner wissen. Diese Frage hatte Christian erwartet. „Wegen seiner ungewöhnlichen Buchungsmethode. Ich wollte einfach wissen, ob er das immer so macht und nicht zufällig ein Gangster auf der Flucht ist, Tim.“ Die Stimme im Hörer lachte. „Du hast Ideen. Freu dich lieber darüber, dass Leute wie dieser Leiwaldt deine großen Häuser auch in der Vorsaison auslasten. Einen schönen Sonntag, Chris.“
„Dir auch.“, antwortete Christian Ballhofer beinahe euphorisch. Damit, dass seine Suche so schnell und vor allem bereits zu dieser recht frühen Morgenstunde einen Erfolg brachte erwartete er nicht. Anna würde es freuen. Christian lief die Treppe nach oben. Vor der Tür des Schlafzimmers blieb er stehen. Er konnte doch unmöglich einfach hineinstürmen und Anna aus dem Schlaf reißen. Diese Situation war für sie beide ungewöhnlich. Gestern Abend hatten sie sich gehen lassen. Besser gesagt ließ sich Anna in Christians Umarmung fallen. Christian spürte was sie wollte und wollte es ihr geben, weil er es auch wollte. Er führte Anna ins Haus, trug sie die Treppe nach oben und legte sie auf das Bett. Anna tat nichts. Sie blieb passiv.
Auch als Christian sie Stück für Stück entkleidete tat sie nur das nötigste. In einigen Augenblicken hatte Christian das Gefühl Anna würde im nächsten Moment aufstehen und gehen. Beinahe ein wenig enttäuscht lag Christian über ihr als wie aus dem Nichts Annas Leidenschaft über ihn hereinbrach. Annas Arme packten seinen Körper. Er spürte den Druck ihrer Schenkel an seiner Hüfte. Christian wurde herum gewirbelt. Ihr großer Busen lag auf seiner Brust. Die seidigen Haare bedeckten Christians Schultern, während Annas Hüfte einen Tanz über seinem Unterleib aufführte. Christian packte mit beiden Händen ihren Körper genau an jener Stelle in der Annas schmale Taille in den prallen runden Po überging. Anna verstand und ließ sich führen. Die kraftvollen Bewegungen ihres Unterleibs übertrugen sich auf Christians Glied. Er hatte das Gefühl sein Penis fuhr in Anna Fahrstuhl. Plötzlich hielt sie inne und richtete sich auf. Anna machte sich schwer. Sie kämpfte um jeden Millimeter. Christian spürte den Druck auf seinem Penis. Auf dem Rücken liegend konnte er nichts weiter tun als sich stöhnend zu entladen.
Auch Anna stöhnte. Sie sank zusammen, glitt von ihm herab und kuschelte sich in seine Umarmung hinein. Im nächsten Moment war sie eingeschlafen. Christian brauchte eine Weile bis er wieder herunterkam. Er grübelte. Zuerst diese eigenartige Passivität und dann der plötzliche Wechsel. Es war als hätte Anna eine Entscheidung getroffen. Irgendwann musste er auch eingeschlafen sein. Das nächste an das er sich erinnerte war das Grau des Sonntagmorgens als er die Augen aufschlug. Es war noch früh, aber noch nicht so früh um mit der Suche nach einem Ferienhaus das Thomas Leiwaldt gemietet hatte zu beginnen. Christian kannte fast alle Manager der in Frage kommenden Ferienhaussiedlungen oder Parks persönlich. Die Whats-App Nachrichten rauschten hinaus. Christian ging Duschen und hatte gerade die erste Tasse Kaffee in der Hand als das Handy klingelte.
Seine Hand griff nach der Klinke des Schlafzimmers. Anna lag auf dem Bauch. Sie hatte ihren Kopf in die Armbeuge gekuschelt. Die Bettdecke bedeckte ihren Po. Der Rücken und eines ihrer Beine waren unbedeckt. Ein Anblick den er nur zu gerne in sich aufsog. In dieser Position schienen Annas Beine endlos zu sein. Kein Wunder, dass sie seinen Körper einfach umschlossen und auf den Rücken drehten. Anna Hausmann war eine Frau und kein Zuckerpüppchen. Diese Frau lag jetzt in seinem Bett. Ihr Atem ging tief und ruhig. Christian wollte sich bereits zurückziehen als eine leise Stimme an sein Ohr drang. „Wie spät ist es?“ „Früh genug. Wir müssen uns nicht beeilen.“ „Ich muss nach Hause. Mich umziehen. Wir dürfen diesen Leiwaldt nicht aus den Augen verlieren.“, murmelte Anna Hausmann leise.
Das war das Stichwort für die gute Nachricht. „Ich hab ihn gefunden.“ Wie ein Blitz war Anna auf den Beinen. Verschlafene Augen starrten ihn an. Das sie nackt war schien sie nicht zu interessieren. „Wirklich? Wo?“ Bevor Christian antworten konnte, wich das Blut aus Annas Gesicht. Sie ließ sich wieder fallen. „Verdammt. Jetzt kippe ich das zweite Mal wegen diesem Kerl aus den Latschen.“ Christian setzte sich auf das Bett und legte seinen Arm um Annas Schultern. Sie senkte ihren Kopf und erwiderte die Umarmung. „Chris, die letzte Nacht war schön.“ Damit sprach sie ihm aus der Seele. Christian hoffte, dass es nicht bei der einen Nacht bleiben würde.
Anna drehte das Wasser ab und angelte sich das Duschhandtuch von der Stange neben der Kabine. Auf ihr sonntägliches Bad musste sie heute verzichten. Christian und sie hatten Thomas Leiwaldts Spur aufgenommen und durften sie nicht verlieren. Seine Ferienanlage lag nur etwa 100 km entfernt. Auch über die Bundesstraße brauchten sie dafür nur knappe 90 Minuten. Mit soviel Glück hatte Anna nicht gerechnet. Irgendwie würden Chris und sie es schon hinkriegen das Haus dieses Leiwaldt im Auge zu behalten. Zu zweit war vieles möglich.
Eine wohlige Erregung stieg in Anna auf. Christian Ballhofer. Seit der letzten Nacht war vieles anders. Anna hatte sich fallen lassen. Was kam dabei heraus? Sie schliefen mit einander. Chris hatte es gewollt, weil er ahnte, dass sie es auch wollte. Sie hatte nicht versucht, sich dagegen zu wehren. Zu Beginn glaubte Anna in einer weißen Wolke gefangen zu sein. Sie spürte nichts außer den warmen Händen des Mannes der sie auszog. Erinnerungen an die Nacht im Ferienhaus kamen hoch. Sie allein mit einem Mann, der unbeschreibliche Dinge mit ihr anstellte. Wellen erzwungener Erregung schlugen über ihr zusammen.
Auch letzte Nacht schlug eine Welle über ihr zusammen. Doch diesmal war es ihr eigenes Verlangen. Anna wollte mit einem Mann schlafen. Das letzte Mal war eine halbe Ewigkeit her. Ihre Tante hatte recht. Sex entspannte und baute Frust ab. Nur wollte Anna keinen Sex um des Sex willens. Sie wollte einen Partner. Jemandem zu dem sie nach hause kam. Jemanden mit dem man reden konnte und der sie verstand. Christian Ballhofer schien so ein Mensch zu sein. An die große Liebe auf den ersten Blick glaubte Anna nicht. Liebe wuchs langsam. Sie kam nicht über Nacht. Falls jemand fragte ob sie Christian liebte hätte Anna dies heute verneint. Aber sie hoffte das es nicht die einzige Nacht blieb die sie zusammen verbrachten und sie irgendwann sagen könnte Chris ich liebe dich.
Das Duschhandtuch wanderte auf den Trockner. Anna schlang ihre Haare zu einer Banane und steckte sie gerade fest als es klingelte. Das musste Chris sein. Er kam zu früh. Anna schlüpfte in ihrem Bademantel und ging zur Tür. Bei ihrem Anblick blitzte ein erfreutes Leuchten in Christians Augen auf. Anna ging es herunter wie Öl. Ihr Blick blieb an einer Reisetasche in Christians Hand hängen. „Warum die Tasche? Willst du bei mir einziehen?“ „Nein.“, lachte Christian. „Aber du solltest auch ein paar Sachen packen. Das Ferienhaus neben diesem Leiwaldt war noch frei. Ich hab es ab heute auf deinen Namen gemietet.“
Genial schoss es Anna durch den Kopf. Damit saßen sie quasi in der ersten Reihe. Anstatt sich an den Kerl dranzuhängen brauchten sie nur zu warten. Die Fahrerei zur Arbeit würde ein wenig stressig, aber das ging schon irgendwie. Vielleicht konnte sie auch ein oder zwei Tage von zu Hause arbeiten. Ihr Chef mochte Homeoffice nicht besonders, tolerierte es aber. Doch bedeutete Christians Entscheidung noch etwas anderes. Die nächsten zwei Wochen würden Chris und sie praktisch in diesem Haus wohnen. Ob das gut ging?
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Die Schäfers mochten es ländlich. Ihr Haus lag in einem Ortsteil, der früher mal ein eigen ständiges Dorf gewesen sein mochte. Den Kartenprogramm auf seinem Notebook nach hatte Thomas das Grundstück für eines der Häuser am Ortsrand gehalten. Das es ich dabei um ein Gehöft handelte war ihm in der Satellitenansicht entgangen. An Platz zum Toben mangelte es dem Nachwuchs der Familie Schäfer nicht. Auch die Eltern konnten sich, falls sie es wollten aus dem Weg gehen.
Thomas hatte eingecheckt, die Formalitäten erledigt und sich im Ferienhaus eingerichtet. Dann zog er Wanderkleidung an um wie üblich einen Blick auf seine potentiellen Opfer zu werfen. Für die erste Strecke musste er zunächst den Wagen nehmen. Dem Navi nach gab es einen Ausflugsparkplatz am Ortsrand. Von dort aus konnte Thomas als harmloser Wanderer das Grundstück in Augenschein nehmen.
Das Anwesen der Schäfers musste früher einmal ein Dreiseitenhof gewesen sein, von dem man die Flanke zum Wald hin abgerissen hatte. Das Wohnhaus und die ehemaligen Stallungen standen noch. Der große Hof war sauber gepflastert. Grobe rustikale Bänke säumten den Eingang zum Wohnhaus. Für Thomas ein perfektes Anwesen die Hausherrin zu entführen. Er konnte einfach auf den Hof fahren, in das Haus eindringen, Claudia Schäfer überwältigen und sie fortschaffen. Vierundzwanzig Stunden später brachte er sie einfach auf demselben Weg zurück. Dafür musste es noch nicht einmal richtig dunkel sein.
Das Grundstück zeigte keine Hinweise auf die Anwesenheit seiner Bewohnerin. Schade. Thomas hatte erwartet, dass Claudia Schäfer bei diesem schönen Wetter zu Hause wäre und sich im Freien aufhielt. Er wollte sein potentielles Opfer heute noch persönlich in Augenschein nehmen. Thomas wich etwas in den Wald zurück. Er suchte einen Platz von dem er den Hof gut im Blick hatte und machte es sich bequem. Die Nachmittagsonne schien durch die Bäume. Ein frühsommerlicher lauer Wind lies die Blätter rauschen. Thomas dachte nach. Hatte Claudia Schäfer nach dem Überfall ihre Pläne geändert? War sie zum Beispiel zu ihren Eltern gefahren?
Wie ein Blitz aus heiterem Himmel raste ein schwarzer Audi A8 auf das Grundstück. Der Wagen bremste scharf. Ein Mann sprang heraus. Thomas erkannte ihn sofort. Es war der gefesselte Mann auf dem Bett. Er rannte in Richtung Hauseingang. Bevor er die Tür erreichte wurde sie geöffnet. Claudia Schäfer stellte sich dem Mann entgegen. Man musste kein Hellseher sein um zu erkennen, dass sich die beiden stritten. Plötzlich packte der Mann zu. Claudia Schäfer wehrte sich. Gegen den Angreifer hatte sie jedoch keine Chance. Keine Minute später schob sie der Mann mit auf den Rücken gedrehten Armen in Richtung der ehemaligen Stallungen.
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„Von diesem Küchenfenster können wir die Eingangstür des Nachbarhauses überwachen.“, stellte Christian fest. „Ich bau meine Webcam hier auf, Anna.“ „Das ist der einzige Platz an dem sie uns überhaupt etwas nützt.“, stimmte Anna ihm zu. „Die Fenster im Obergeschoss wird er wieder verhängen und einen direkten Blick in das Untergeschoss haben wir von diesem Haus nicht.“ Eine leichte Enttäuschung lag in ihrer Stimme. Was hat sie den erwartet, fragte sich Christian. Die Planer eines Ferienparks achteten darauf, dass zumindest die Terrassen und Wohnzimmer der großen Häuser nicht direkt einsehbar waren. Das gehörte zum dem Stück jener Privatsphäre die der Mieter eines Hauses dieser Größe erwartete.
Bis jetzt verlief alles nach Plan. Anna hatte ihre Tasche gepackt. Außerdem plünderte sie ihren Kühlschrank. Etwas an das Christian selbst nicht gedacht hatte. Ein dummer Fehler. Heute war Sonntag und sie mussten etwas essen. Frauen dachten in dieser Richtung eben praktischer. Das Einchecken klappte trotz der kurzfristigen Online-Buchung ohne Probleme. Anna übernahm das Haus. Ohne Murren schleppte sie auch sein Gepäck hinein. Christian beobachtete sie dabei aus sicherer Entfernung. Er selbst wollte im Hintergrund bleiben. Eine zufällige Begegnung mit dem Geschäftsführer des Parks warf nur unangenehme Fragen auf. Seinen Wagen würde er auf dem für Tagesbesucher zugänglichen Parkplatz abstellen. Vor dem Haus parkte nur Annas Golf. Durch geschicktes Ausfragen des jungen Mannes an der Rezeption hatte sie herausgefunden, dass Thomas Leiwaldt das Nachbarhaus bereits bezogen hatte. Da sein Wagen nicht auf dem Stellplatz parkte musste er unterwegs sein. Vermutlich befand er sich auf der Suche nach seinem nächsten Opfer.
„Bevor du dir Gedanken über deine Webcam machst, sollten wir die Sachen nach oben schaffen und die Zimmer aufteilen.“, unter brach Anna seine Überlegungen. Christian sah sie verwundert an. Natürlich die Zimmer. Aber warum oben? Das Schlafzimmer befand sich im Erdgeschoss. Oben gab es nur zwei Zimmer mit Einzelbetten. Mein Gott, dachte er ohne Annas Frage hätte ich meine Sachen ins Schlafzimmer getragen. Allein aus alter Gewohnheit. In seinem Leben wohnte Christian bis jetzt meist möbliert. In den Apartments der Hotels standen Doppelbetten. Auch für sein Haus kaufte er sich eines. Es machte ihm nichts aus allein darin zu schlafen. Nur war er diesmal nicht allein. Christian packte seine Tasche und stieg nach oben. Anna folgte. Oben ließ er ihr den Vortritt. Anna verschwand in dem Schlafzimmer zur rechten. Eine logische Entscheidung. Es lag dem Haus, das Thomas Leiwaldt gemietet hatte abgewandt.
Christian trug seine Tasche in das zweite Schlafzimmer. Auspacken konnte er später. Zuerst musste die Webcam eingerichtet werden. Ein hantieren am Fenster des Nachbarhauses konnte die Aufmerksamkeit ihres Nachbarn wecken. „Chris, meinst du nicht, dieser Leiwaldt könnte sich an mein Auto erinnern?“ Anna lehnte im Türrahmen seines Zimmers. „Wenn es dir nichts ausmacht sollten wir die Wagen tauschen.“ Das macht Sinn, überlegte Christian. Schließlich wurde Anna direkt neben ihrem Golf entführt. Aber ein Problem gab es. „Was ist mit dem Mann von der Rezeption? Hat er dein Auto gesehen?“ Anna schüttelte den Kopf. „Nein. Wir sind zu Fuß zum Haus. Mein Wagen stand noch auf dem Besucherparkplatz.“ Christian zog seinen Schlüssel aus der Tasche und reichte ihn Anna. „Ich schlage vor du tauschst die Autos sofort.“
Anna nahm ihn. „Bis gleich.“ Wie ein Kind hopste sie die Treppe nach unten. Bei ihren Absätzen ein nicht ungefährliches Unterfangen. Anna sah heute wieder umwerfend aus. Die hellblaue Destroyed-Jeans lag eng um ihren sexy Po. Mit den dunkelblauen High-Heels waren ihre Beine ein Hammer. Das weiße BH-Top machte Annas Busen zu einem echten Hingucker. Die dunkelblaue kurze Jacke verdeckte davon nicht allzu viel. Für den jungen Mann der Anna das Haus übergab sicher der Höhepunkt seiner Schicht.
Christian hatte das Haus unter rein praktischen Aspekten gemietet. Es war die beste Ausgangsbasis für ihre Jagd. Zumindest bis Thomas Leiwaldt wieder zuschlug würden sie die Nächte zusammen in diesem Haus verbringen. Eine Tatsache die Christian erst bei Annas Frage nach den Zimmern in den Sinn kam. Aber was kam danach?
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Weder der Mann noch Claudia Schäfer hatten das ehemalige Stallgebäude wieder verlassen. Die Begegnung der beiden war alles andere als freundschaftlich gewesen. Zu gern hätte Thomas gewusst, was dort unten vorging. Er machte sich Sorgen um die Frau. Das letzte was Thomas gebrauchen konnte, war ein durchgedrehter Liebhaber der Claudia Schäfer verprügelte. In diesem Fall konnte er seine Pläne mit dieser Frau ad acta legen. Vorsichtig erhob sich Thomas aus seinem Versteck. Er nutzte den Waldrand als Deckung und suchte die kürzeste Entfernung zum Stall. Ein kurzer Sprint und Thomas hockte unter einem der Fenster des Gebäudes. Er richtete sich langsam auf.
Aus der Öffnung drang mattes Licht. Er sah ein Gebälk. Ein Fachwerk, dessen Füllung man entfernt hatte. Thomas erkannte mehrere Reihen Tische mit massiven Bauernstühlen. Im Halbdunkel der Stirnseite warf eine Bar lange Schatten. Aus dieser Richtung waren Stimmen zu hören. Thomas wechselte das Fenster. Jetzt sah er besser. Zwischen zwei senkrechten Balken kniete Claudia Schäfer. Sie trug eine trägerlose schwarze Lack-Corsage. Außerdem einen schwarzen Lack-String, gleichfarbige Nylons und dunkle Stiefel mit beachtlichen Absatz. Ihre Arme waren nach oben gezogen. Um jedes Gelenk lag eine Handschelle, deren anderes Ende mit Kabelbindern an den Pfosten verzurrt war. Thomas ging jede Wette ein. Die Handschellen gehörten Claudia Schäfer. Nur vermutlich fesselte sie die Männer damit. Die kniende Frau dort befand sich nicht freiwillig in dieser Situation.
„Andreas. Es tut mir leid. Diese Aufnahmen waren keine Absicht. Ich muss die Kamera zufällig aktiviert haben. Bitte, mach mich los.“ Mit Aufnahme konnte eigentlich nur der Handy-Clip gemeint sein. Claudias Stimme klang eher genervt als bittend. „Was wolltest du mit dem Clip?“, fragte dieser Andreas unbeeindruckt. „Mich erpressen?“ „Nein.“, antwortete Claudia. „Ich hab doch gesagt, es war ein Zufall.“ Sogar Thomas hörte die Lüge heraus. Der Mann dort drinnen ebenfalls. „Erzähl keinen Unsinn.“, fauchte er. „Das ist kein Unsinn.“, fauchte die gefesselte Frau zurück. „Du überfällst mich auf meinem Grundstück. Du zwingst mich dieses Outfit anzuziehen. Dann werde ich gefesselt….“ „Halt die Klappe.“, herrschte sie dieser Andreas an. „Diese Fetisch-Klamotten und die Handschellen gehören schließlich dir.“ „Was spielt das für eine Rolle?“, konterte Claudia. „Du hast mich überfallen. Das bleibt eine Tatsache.“
Der Mann schwieg. Ein Fehler. Claudia Schäfer setzte sofort nach. „Diese zufällige Aufnahme war auf meinem Handy. Woher kennst du sie überhaupt?“ „Das geht dich gar nichts an.“ Thomas musste lächeln. Nun war dieser Andreas in der Defensive. Ihm wäre das in dieser Situation nicht passiert. „Ich kann es mir denken.“, schoss Claudia hinterher. „Diese Anna muss während ich oben war an meinem Smartphone herumgespielt haben. Vermutlich kennt sie so ein Teil nur aus der Werbung. Die war doch vollkommen durch den Wind. Immer nur das eine Wort. Polizei. Ich wette als ich mich umgezogen habe hat sie dir den Clip gezeigt. Sie dachte sicher er ist ein Beweis.“ „Nein.“ Die Antwort kam prompt und entschieden. „Weder Frau Hausmann noch Herr Ballhofer haben dein Handy angefasst.“
Thomas horchte auf. Anna Hausmann? So ein häufiger Name war das nun nicht. Falls es seine Anna gewesen sein sollte, musste sie sich schnell von ihrem fehlenden Tag erholt haben. Deprimierte Frauen saßen am Samstagabend allein zu Hause. Anna offensichtlich nicht. Thomas hatte es gewusst. Anna Hausmann besaß einen starken Charakter und ein stabiles Nervenkostüm. „Woher hast du ihm dann?“, forderte Claudia Schäfer unmissverständlich. Dieser Andreas zog ein Smartphone aus seiner Jacke. „Daher.“ Er hielt es Claudia vor die Augen. Die gefesselte Frau starrte es entsetzt an. „Das bin ich. Gefesselt. Unten im Wohnzimmer.“ Eine männliche Stimme quäkte aus dem Lautsprecher. „Schau dir das an. Ein gefesselter Kerl.“ „Der Clip ist keine fünf Minuten alt.“, überlegte die andere Männerstimme „Dieser Typ muss hier im Haus sein. Wo ist er? Oben Im Schlafzimmer?“ Eine geknebelte Stimme brabbelte Zustimmung.
„Im Wohnzimmer des Musterhauses gab es eine Kamera?“ Claudias Stimme klang entsetzt. „Du Schwein. Da unten hab ich mich ein duzend Mal umgezogen. Hat deine halbe Firma jetzt Nacktaufnahmen von mir?“ „Nein.“, erwiderte dieser Andreas gleichgültig. „Die sind nur auf meinem privaten Notebook zu Hause. Zumindest noch.“ „Du Schwein.“, stieß Claudia Schäfer hervor. „Mag sein.“, antwortete der Mann vor ihr. „Aber was willst du dagegen machen. Ich bin nicht verheiratet. Du schon. Denk an deine Familie. Der Skandal würde die Karriere deines Mannes ruinieren.“ „Halt, die Klappe.“, fuhr Claudia den Mann an. „Sag lieber was du für die Aufnahmen willst.“ „Für heute nur eines.“, erklärte dieser Andreas. „Darum hab ich dich bereits öfter gebeten.“ Er öffnete seine Hose. „Ok.“, erwiderte die kniende Frau. „Wenn ich dir einen blasen soll musst du schon näher kommen.“
Thomas ging in die Knie. Was hinter dem Fenster passierte wollte er nicht sehen. Natürlich würde es nicht bei diesem einem Mal bleiben. Dieser Andreas hatte Claudia Schäfer in der Hand. Sobald er anrief musste sie springen. Das konnte Thomas unmöglich zulassen. Es durchkreuzte seine Pläne. Thomas überlegte. Er würde Claudia Schäfer ein Geschenk machen. Eine Art Bezahlung für ihren fehlenden Tag. Aber auch etwas, das damit für immer verschwand. Dafür brauchte Thomas einen Plan. Als erstes musste er wissen, wo dieser Andreas wohnte.
Das halbe Brot auf dem Küchentisch war glücklicherweise aufgetaut. Gut das es in diesem Ferienhaus eine Brotschneidemaschine gab. Mit dem großen Messer hätte Anna definitiv keine brauchbaren Scheiben zu Stande gebracht. Im Umgang mit dem Brotmesser fehlte ihr die Erfahrung. Ihres diente nur dazu den Laib in der Mitte zu teilen. Ein Brot war für eine Person zuviel. Er wurde trocken. Deshalb fror Anna meist die Hälfte ein. Diese hier stammte ebenfalls aus ihrem Tiefkühler. Wie viele Scheiben würde Christian essen? Anna selbst reichte eine. Oben klappte eine Tür. Chris musste aus dem Bad gekommen sein. Anna trat unter die Treppe. „Chris? Wie viele Stullen isst du?“ Keine Antwort. Eine erfahrene Hausfrau besaß sicher ein Maß. Anna nicht. Seit Jahren deckte sie wieder für einen Mann den Abendbrottisch. Auch ihr Vater war in dieser Hinsicht kein Maßstab. Der wurde von ihrer Mutter an der kurzen Leine gehalten. Bei seinem Bauch, sicher zu recht. Nur zeigte Christians Figur davon nicht einmal einen Ansatz.
Noch einmal rief Anna ihre Frage in Richtung Obergeschoss. Wieder blieb die Antwort aus. Seufzend stieg sie die Treppe nach oben. Christian trat gerade aus seinem Zimmer. Er hatte sich umgezogen. Eine Jeans und T-Shirt. Eng lag der Stoff um seinen Oberkörper. Verwundert musterte er Annas Outfit. Natürlich hatte sie sich ebenfalls umgezogen. Ein Big-Shirt, Leggings und bequeme Wollsocken. Ihr langes Haar hing zu einem Pferdeschwanz gebunden über der Schulter. „Das Bad ist frei. Du kannst unter die Dusche.“ „Das mach ich später.“, erklärte sie. Christians verwunderter Blick blieb. Anna lachte. „Hast du gedacht ich laufe den ganzen Tag in Mini, knappen Jeans und BH-Tops herum, die ich sonst nur als Unterwäsche trage. Außerdem bevorzuge ich Schuhe, in denen man sich nicht die Beine brechen kann. Das war nur damit dieser Leiwaldt mich nicht erkennt. Den Rest der Woche musst du dich an dunkle Hosenanzüge, weiße Blusen und langweilige Büropumps gewöhnen.“
„Außerdem an hautfarbene Slips und Pulli-BH’s.“, konterte Christian und zwinkerte ihr zu. „So hab ich dich das erste Mal gesehen. Du erinnerst dich?“ „Nein.“, gab Anna trocken zurück. „Das ist zu lange her. Eigentlich wollte ich nur fragen, wie viele Stullen ich abschneiden soll.“, wiederholte sie ihre Frage zum dritten Mal. „Lass mich das machen.“, erklärte Christian. „Ich werkle ganz gern in der Küche.“ „Das sagen alle Männer vor der Hochzeit.“, erwiderte Anna belustigt. Von einem Augenblick zum anderen veränderten sich Christians Gesichtszüge. „Ich hab die letzten Jahre in Vollpension gelebt. Davon habe ich genug.“ Er ließ den Blick schweifen. „Ich kann ehrlich gesagt auch keine praktischen unpersönlichen Ferienmöbel mehr sehen. Normalerweise würde ich sofort aus diesem Haus flüchten.“ Anna ging auf seinen Ton ein. „Warum tust du es nicht?“ „Weil du hier bist und ich dich mag.“, antwortete Christian.
Er trat auf Anna zu und umfasste ihre Taille. Anna schlang ihre Arme um Christians Körper. „Ich mag dich auch.“ Sie sah ihn an. „Weißt du, dass ich vorhin meine Sachen schon in das große Schlafzimmer getragen hatte. Einfach aus reiner Gewohnheit. Ich bin eben zu lange allein.“ Christian zog sie fester an sich. Sie spürte seine Muskeln durch das Shirt. „Wir beide waren zu lange allein, Anna.“
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Trotz der rasanten Fahrweise des Audi bereitete es Thomas in seinem BMW keine Mühe an dem A8 dranzubleiben. Dabei klebte er keineswegs an dem Heck des Wagens. Inzwischen war es dunkel und die Straßen so gut wie leer. Thomas brauchte lediglich den markanten Rückleuchten dieses Oberklassemodells zu folgen. Die Bremslichter leuchteten auf. Das Licht der Scheinwerfer fiel auf die Straße. Der Wagen wurde langsamer und bog ab. Die Konturen eines ansehnlichen Hauses hoben sich wie ein Schattenriss von dem dunklen Grau des Nachthimmels ab. Thomas fuhr den BMW in einen Feldweg schräg gegenüber dem Grundstück und schaltete die Beleuchtung aus. Sofort verschmolz der SUV mit der Dunkelheit.
Thomas überquerte die Straße und nährte sich dem Tor. Auf dem Schild stand nur ein Name. Mohrenkamp. Zufällige Beobachter brauchte Thomas nicht zu fürchten. Dieses Haus lag bereits außerhalb der Stadt. Dieser Mohrenkamp musste gute Beziehungen haben, sonst hätte er nie eine Baugenehmigung bekommen. Bei der einsamen Lage und der Größe des Hauses war mit einer Alarmanlage zu rechnen. Ansonsten wiegte die Einsamkeit den Hausherrn in Sicherheit. Von seinem Platz bei dem Tor hatte Thomas die komplette Auffahrt im Blick. Ein breiter gepflasterter in leichtem Bogen verlaufender Weg. Er endete vor zwei Doppelgaragen. Dieser Mohrenkamp musste einen stattlichen Fuhrpark besitzen. Von dort führte eine schmalere Variante zu dem mit Säulen bewehrten Hauseingang. Der Rest des Vorgartens bestand aus gepflegtem Rasen.
Der Audi stoppte. Der Hausherr machte keine Anstalten die Garage zu öffnen. Stattdessen ließ er den Wagen stehen und ging zur Tür. Bevor er diese erreichte wurde die Tür geöffnet. Das Licht sprang an. Jemand trat heraus. Der Silhouette nach eine Frau. Sie hatte lange Haare und trug einen Rock. Mehr ließ sich aus dem Umriss nicht herauslesen. Mohrenkamp betrat das Haus ohne die Frau zu begrüßen. Diese schloss die Tür. Das Licht erlosch. Vermutlich seine Haushälterin, spekulierte Thomas. Diese Vermutung lag Nahe. Thomas Mohrenkamp war nicht verheiratet. Trotzdem schwang er bestimmt nicht den Kochlöffel. Es gab eine Haushälterin. Vermutlich auch einen Gärtner. Mohrenkamp schob sicher nicht selbst den Rasenmäher.
Zum zweiten Mal an diesem Tag machte sich Thomas auf ein Grundstück auszukundschaften. Dass er noch seine Wanderbekleidung trug erleichterte seine Aufgabe beträchtlich. Hinter dem Haus begann ein hoher Zaun. Zu hoch um darüber zuschauen. Kein Grund aufzugeben. Thomas suchte einen Baum, sprang hoch und zog sich auf dem untersten Ast. Für andere Männer in seinem Alter sicher eine beachtliche Leistung. Nicht für Thomas. Sein Hobby hielt ihn fit. Zu seiner großen Freude lag das Wohnzimmer des Hauses hell erleuchtet vor ihm. Mohrenkamp saß auf der Couch und blätterte in Papieren. Die Frau stand ein paar Schritte abseits. Auf ihrem Arm lag eine Unterschriftenmappe. Sie trug ein rotes Kostüm, gleichfarbige Pumps und eine hautfarbene Strumpfhose. Der strenge Knoten im dem sicher langen hellblonden Haar vervollständigte das Bild der perfekten Sekretärin. Nur das Alter machte Thomas stutzig. Diese Frau zählte bestimmt noch keine 25 Jahre.
Andreas Mohrenkamp unterschrieb und reichte die Papiere zurück. Die Sekretärin schloss die Mappe und legte sie auf den Tisch. Ihre Haltung entspannte sich. Mohrenkamp stand auf. Er ging an die Bar und füllte zwei Gläser. Die Frau nahm das Glas gerne an. Sie setzte sich und schlug die Beine übereinander. Mohrenkamp nahm neben ihr Platz. Er legte seinen Arm um die junge Frau. Diese lies es geschehen. Während er redete nippte sie gelegentlich an ihrem Glas. Nach einer Weile stellte sie eine Frage. Der Mann neben ihr schüttelte den Kopf. Seine Hand fuhr über die Schenkel der jungen Frau. Diese stellte ihr Glas ab, legte ihren Arm um Mohrenkamps Nacken und gab ihm einen Kuss. Dann erhob sie sich und verließ das Zimmer. Thomas Mohrenkamp blieb allein zurück.
Plötzlich ging das Licht am Hintereingang des Hauses an. Die junge Frau trat heraus. Sie schloss die Tür und durchquerte den Garten. Über Bewegungsmelder gesteuerte Lampen begleiteten ihren Weg. Dieser endete vor einem Gartenhaus im Bungalowstil. Der Größe nach hätte es auch für eine Familie gereicht. Eines stand fest. Andreas Mohrenkamp war niemand der sich an eine Frau band. Claudia Schäfer hatte ebenso wenig Einfluss auf die Entscheidungen des Mannes wie diese junge Frau. Dieser Mann kaufte sich einfach was er wollte. Bei Claudia die erotische Sinnlichkeit einer erfahrenen Frau, bei dem jungen Ding ihren straffen Körper und die Ausdauer der Jugend. Alles hatte seinen Preis. Bei dem jungen Ding sicher in direkterer Form gezahlt als bei Claudia Schäfer. Ihr ging es nicht um einen materiellen Vorteil im direkten Sinn. Andreas Mohrenkamps Geld gestattete Claudia sich selbst in der Öffentlichkeit zu inszenieren.
Im Grunde hatte Thomas nichts gegen diese Arrangements. Ging man ehrlich damit um hatten alle Beteiligten ihren Vorteil. Doch Thomas hatte den Verdacht Andreas Mohrenkamp spielte nicht ehrlich. Irgendwann kam der Punkt an dem er zur Erpressung überging. Claudias stümperhafter Versuch sich selbst als Erpresserin zu betätigen hatte diesen Zeitpunkt nur vorverlegt. Auch bei der jungen Frau im Gartenhaus würde er unweigerlich kommen.
Thomas kletterte vom Baum herunter. Diesmal machte er diesem Mohrenkamp einen Strich durch die Rechnung. Als erstes musste dessen Smartphone gehakt werden. Dazu genügte eine Nachricht. Dann brauchte er einen Plan. Dieser musste rasch umsetzbar sein. Thomas Zeitfenster für Claudia Schäfer stand. Bis dahin musste er die Aufnahmen haben. Einen Vorteil gab es allerdings. Wer ein Leben wie Andreas Mohrenkamp führte duldete im Haus keine weiteren Angestellten die sein Geheimnis ausplaudern konnten. Auf dem Grundstück wohnten nur Mohrenkamp und diese junge Frau.
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„Guten Morgen.“ Christian sah auf. Durch das alles übertönende Brodeln des Wasserkochers hatte er Anna nicht gehört. Sie war bereits angezogen und trug exakt jenes Outfit, das sie gestern mit einem schelmischen Lächeln beschrieb. Einen dunklen Hosenanzug, eine weiße Bluse und schwarze Pumps mit straßentauglichen Absätzen. „Ich war auf der Couch eingeschlafen.“, erklärte Anna. Das bist du und zwar an meiner Schulter, dachte Christian. Mitten im Gespräch fielen Anna die Augen zu. Sie kuschelte sich an seine Schulter. Ihr Atem ging tief und ruhig. Zuerst traute er sich nicht aufzustehen. Er wollte Anna nicht wecken. Außerdem wäre es eine Lüge zu sagen, er hätte diese Nähe nicht genossen. Nach einer Weile wurde Christian ebenfalls müde. Als dann das Licht im Nachbarhaus anging, stand er auf und spähte vorsichtig aus dem Fenster. Wenig später verlosch drüben das Licht und Christian kehrte ins Wohnzimmer zurück. Anna schlief tief und fest. Sie zu wecken brachte er nicht über das Herz.
Christian stieg nach oben und ging zu Bett. Allein. Der Abend war schön gewesen. Sie hatten geredet. Über ihr Leben. Christian über seine Jahre in der Tourismus-Branche. Anna über ihr Studium und den Job. Sie war die jüngste Abteilungsleiterin in ihrer Firma. Dazu noch die einzige Frau. Auf dem Weg dorthin hatte sie mehrere männliche Mitbewerber überholt. Das brachte ihr den Ruf einer knallharten Emanze ein. Sehr böse schien Anna darüber nicht zu sein. Ihren Worten nach war das der beste Schutz vor plumper sexistischer Anmache. Aber auch ein Grund das Männer um dich einen Bogen machen, hatte Christian überlegt. Dabei war Anna eine gefühlvolle warmherzige und nicht zu letzt eine sehr attraktive Frau. Dies sagte er ihr auch offen. Die Reaktion auf dieses Kompliment war ein sofortiger und mit hochrotem Kopf energisch vorgetragener Widerspruch.
Anna zählte ihre Schwachstellen auf. Für eine Frau war sie recht groß. Dazu kamen in der Regel noch die Absätze der Schuhe. Männern gefiel es nicht, wenn eine Frau sie überragte. Ihr Po besäße weder die Form eines Apfels noch einer Birne, sondern die eines ausgewachsenen Kürbis. Im Bikini sähe ihr Busen aus wie zwei übergroße Melonen. Die Männer schauten zwar darauf. Aber hinter ihrem Rücken machten sie Witze. Das schlimmste wären ihre Beine. Diese hielt Anna für eine vollkommene Katastrophe. Christian hatte Lächeln müssen. Anna kritisierte jene Vorzüge ihrer Figur die ihm an ihr besonders gefielen. Dass sie dies mit tiefer Schamröte im Gesicht tat bewies, dass es Anna nicht gewohnt war mit Komplimenten um zu gehen. Vielleicht normal für ein junges Mädchen, aber nicht für eine Frau um die Dreißig. Das Herz dieser Frau gewann man nicht mit Süßholz, sondern nur über Freundschaft.
„Wann ist unser Nachbar nach Hause gekommen?“, wollte Anna wissen. Christian wies auf das Notebook. „Gegen elf. Schau es dir an. Er ist dann sofort ins Bett. Auf jeden Fall war zehn Minuten später das Haus dunkel.“ Anna schüttelte den Kopf. „Jetzt nicht. Wir müssen uns beeilen. Was machst du da eigentlich?“ „Frühstück“, klärte er sie auf. „Ich dachte, wenn wir morgens nur schnell einen Kaffee trinken und im Auto essen sparen wir Zeit. In deiner Firma habt ihr doch für Mittag eine Kantine?“ Anna nickte. „Ja. Nur wenn du Zeit sparen willst dann richtig. Wir nehmen auch den Kaffee mit. Heute Morgen müssen wir aber mit dem Zeug von der Tanke auskommen. Auf dem Rückweg hole ich zwei Reisebecher aus meiner Wohnung.“ Das klang einleuchtend.
„Was hältst du davon gemeinsam zu fahren.“, warf Christian einen zweiten Vorschlag in den Raum. „So teilen wir uns die Fahrerei. Entweder eine hin und der andere zurück oder jeden Tag abwechselnd.“ Annas Augen leuchteten auf. „Das ist eine Super-Idee.“ Sie nahm ihm das Messer aus der Hand. „Zieh dich an. Ich mach das Frühstück fertig.“
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Grübelnd lenkte Thomas seinen Wagen über die Bundesstraße. Das Grübeln konnte er sich leisten. Die Straße war um diese Zeit kaum befahren. Die ersten Kundenbesuche hatte Thomas erfolgreich hinter sich gebracht. Vor ihm lagen zwar noch ein paar Termine am Nachmittag. Diese waren aber Routine. Langjährige Kunden die eigentlich nur auf seine Angebote, die man unter dem Deckmantel der Weiterbildung zusammenfassen konnte warteten. Thomas Gedanken gingen in eine andere Richtung. Das Smartphone von Andreas Mohrenkamp war geknackt. Heute Abend gab es keine Termine. Der Herr wäre also zu Hause. Er und diese niedliche Sekretärin. Außerdem war das Smartphone noch in anderer Hinsicht eine ergiebige Quelle. Über dieses Gerät konnte man die Alarmanlage steuern. Den Protokollen nach wurde diese jeden Abend, sobald Mohrenkamp das Haus betrat eingeschaltet. Der Herr liebte keine Überraschungen. Für Thomas wäre es theoretisch möglich, die Anlage abzuschalten, in der Nacht unbemerkt in das Haus einzudringen und das Notebook zu stehlen. Praktisch lenkte dieses Vorgehen jedoch die Aufmerksamkeit auf Claudia Schäfer. Zudem wäre es besser, wenn ihm Mohrenkamp die nächsten Tage nicht in die Quere kam. Eine verzwickte Aufgabe, für die Thomas noch keine Lösung hatte.
Ein Schild an der Bundesstrasse wies auf einen Rastplatz hin. Einen Augenblick überlegte Thomas, ob er eine Pause machen sollte. Bis zu seinem nächsten Termin hatte er noch genügend Zeit. Bevor er einen Entschluss fasste, war der Abzweig auch schon heran. Ein asphaltierter schmaler Weg, der ein paar duzend Meter später wieder auf die Straße mündete. Lediglich ein paar Büsche grenzten den Rastplatz von der Straße ab. Auf dem Rastplatz parkte ein sehr neu aussehender Mercedes. Davor eine VW-Passat Limousine älterer Bauart. Neben dem Mercedes standen zwei Männer. Der Fahrer des Wagens stieg gerade aus. Thomas wollte seinen Blick wieder auf die Straße richten als einer der Männer zuschlug.
Was war denn war das? Thomas trat auf das Gas. Hundert Meter weiter fand er eine Stelle zum Wenden. Der BMW raste zurück zum Rastplatz. Von den Männern war nichts mehr zu sehen. Die durchgehende Linie ignorierend bog Thomas auf den Rastplatz ein. Er griff unter das Armaturenbrett. Dort befand sich seine Pistole. Diese verschwand in der Jackentasche. Mit dem Smartphone in der Hand stieg Thomas aus. Sein erster Blick galt dem Passat. Auf dem Beifahrersitz lag eine blaue Rundumleuchte. Auf der Hutablage war provisorisch ein LED-Display befestigt. In Thomas keimte ein Verdacht auf. Aus dem angrenzenden Unterholz waren Stimmen zu hören.
Thomas kämpfte sich durch die Äste. Seinem Anzug tat das nicht gut. Egal, dann würde er sich eben noch einmal umziehen müssen. Die Zufahrt zum Feriendorf zweigte nur wenig mehr als einen Kilometer weiter vorn von der Straße ab und wenn Thomas Orientierungssinn funktionierte lag das Dorf auf der anderen Seite dieses Waldes. Das Gestrüpp lichtete sich. Der Hochwald begann. Durch diesen trieben zwei Männer in Jeans und Lederjacken ein Paar. Der Mann Mitte fünfzig. Sportlich gekleidet. Die Frau etwa zehn Jahre jünger. Sie trug Jeans, Stiefel und einen Rolli unter der leichten Jacke. In ihrer Armbeuge baumelte eine Handtasche. Am Hals der Frau lag ein Messer. Ihr Partner wurde von den größeren der beiden Männer mit kräftigen Stößen in den Rücken weiter in den Wald getrieben. Thomas blieb im Unterholz. Er holte sein Smartphone aus der Tasche und startete eine Aufnahme.
Plötzlich blieb der Mann stehen und drehte sich um. Die Verwirrung nach dem ersten Schlag hatte er offenbar überwunden und dachte an Widerstand. Ein Fehler. Die Faust des Mannes hinter ihm traf ihn voll in en Unterleib. Der zweite Schlag war ein Haken aufwärts. Der Kopf des Mannes schnellte hoch. Blut spritzte. Seine Frau schrie auf. Ihr Bewacher drückte sie mit dem Rücken an einen Baum. Seine linke Hand packte ihren Hals. Die Augen der Frau starrten ängstlich in die Runde. Taumelnd kam ihr Mann wieder auf die Beine. Blut floss über sein Gesicht. Der Angreifer packte ihn und gab dem Taumelnden den Rest. Mit aller Wucht stieß er sein Knie zwischen dessen Beine. Der Mann sank zu Boden. Der Angreifer kniete sich auf ihn und zog den Wehrlosen die Hände auf den Rücken. Kabelbinder ratschten. Auch um seine Fußgelenke.
Der Angreifer drehte den Gefesselten um und zog ihm die Brieftasche aus der Jacke. Alles was ihn nicht interessierte flog auf den Waldboden. Die Dialoge konnte Thomas nicht verstehen, aber dass es um die PINs der Karten ging war offensichtlich. Zufrieden steckte der größere Räuber die Brieftasche ein. Er nährte sich der Frau. Bis jetzt hatte diese die Szenerie mit fassungslosem Blick verfolgt. Nun da sie im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stand wurden ihre Bewegungen heftiger. Ein kurzes Ausholen des kleineren Räubers mit dem Messer setzte diesem Bewegungsdrang rasch ein Ende. Die Vorderseite des Rollis zierte ein langer Schnitt. Darunter leuchtete ein Bügel-BH hervor. Der größere Räuber griff die Handtasche. Der Ablauf begann von Neuen. Für die Räuber nutzloses landete auf dem Waldboden und die Geheimnummern bei den Räubern. Diese tippten sie gelassen in die geraubten Smartphones ihrer Opfer.
Der kleinere Räuber zog eine Rolle Tape aus der Jacke. Er drehte die Frau auf den Rücken und zog ihr die Jacke von den Schultern. Ihr Schrei erreichte sogar Thomas. Die Reste des Rollis folgten. Erneut wurde die Frau umgedreht. Ein kräftiger Ruck und der BH war Geschichte. Panisch vor Angst versuchte die Frau ihren Busen mit den Händen zu bedecken. Der kleinere Räuber drückte der Frau ihre Sachen in die Hand und wies in den Wald. Die Frau schüttelte panisch den Kopf. Eine Drohung mit dem Messer verschaffte der Forderung Nachdruck. Die Frau trottete los. Ihr Mann kämpfte verzweifelt gegen die Fesseln. Die beiden Räuber packten ihn unter den Armen und zerrten ihn einfach hinterher.
Thomas folgte ihnen nicht. Das war zu gefährlich. Aber jetzt besaß eine Idee für das das Problem Andreas Mohrenkamp.
Schritte näherten sich. Die Männer kamen zurück. Thomas tastete nach der Waffe in seiner Tasche. Die Pistole war die Garantie dafür, dass er nicht zusammen geschlagen im Straßengraben landete. Die Räuber hatten bei ihrem Überfall nur ein Messer verwendet. Wer eine Pistole besaß verwendete kein Messer. Die beiden Männer brachen aus dem Unterholz. Von Thomas Anblick waren sie einen Augenblick lang überrascht. Sie fassten sich. Der Größere wies auf den Wald. „Pinkeln. Du verstehen.“, radebrechte er und grinste. Sein osteuropäischer Akzent war so falsch wie seine Haare. „Nix verstehen.“, ahmte Thomas ihn nach. Er hob sein Smartphone mit der linken Hand in Augenhöhe. „Du verstehen das hier.“ Ein Standbild von dem Raubüberfall füllte das Display.
Der Kleine zückte das Messer. Mit geballten Fäusten kamen die beiden auf ihn zu. Thomas zog seine Waffe. „Nicht so schnell, Freunde. Ich will euch ein Geschäft vorschlagen.“ Die beiden blieben stehen. In ihren Augen spiegelte sich Hass. „Warum das Misstrauen?“, fuhr Thomas ungerührt fort. „Was ist eure Masche? Falsche Polizisten in Zivil?“ Die Männer nickten. „Habt ihr Ausweise?“ Ein erneutes Nicken war die Antwort. „Aber keine Knarren.“, stellte Thomas fest. „Die brauchen wir nicht.“, antwortete der Kleinere. Sein Kumpan hob die Faust. „Uns reichen die hier.“ Thomas lachte. „Solange keine Knarre im Spiel ist. Also seid ihr interessiert an einem Geschäft? Ich könnte zwei wie euch brauchen.“ „Wer bist du?“, fragte der Größere. „Sagen wir mal so.“ begann Thomas. „Ich bin jemand der Sachen wieder beschafft die anderen abhanden gekommnen sind.“
Er gab seiner Stimme einen bewusst herablassenden Klang. Wohl war ihm bei dieser Sache nicht. Nur durften diese beiden Gangster nie auf die Idee kommen, dass er bluffte. „Also Interesse?“ „Was für ein Geschäft soll das sein?“, fragte der Größere deutlich interessiert. „Eine Villa. Zwei Leute. Ein Typ um die Fünfzig und seine Privatsekretärin.“ Thomas schob sich ein Grinsen ins Gesicht. „Die Kleine ist zwanzig Jahre jünger als die Alte vorhin. Es muss wie ein Überfall aussehen. Dafür brauche ich euch und eure Polizistennummer.“ „Was springt dabei für uns raus?“, wollte der kleinere Räuber wissen. „10.000 für jeden von euch. Als Anzahlung. Außerdem könnt ihr die Beute behalten. Ich will nur etwas aus dem Haus. Das hole ich mir aber persönlich.“
„Das klingt mir alles zu glatt.“, zweifelte der Große. „Wir brauchen Einzelheiten.“ „Die bekommt ihr heute Abend.“, erklärte Thomas. „Punkt 18:00 Uhr. Thomas nannte einen Treffpunkt in der Nähe des Mohrenkampschen Anwesens. „In Ordnung.“, bestätigte der Kleine. „Die 10.000 bevor wir uns den Kerl und seine Sekretärin vornehmen. Klar!“ „Glasklar.“, bestätigte Thomas. Er hob erneut das Smartphone. „Den Clip kriegt ihr, wenn der Deal gelaufen ist. Falls ihr nicht da seid landet er bei den Bullen.“ „Wir werden da sein.“, bestätigte der Größere. Thomas wies auf den Wald. „Was ist mit denen da drin?“ Die beiden Räuber zuckten mit den Schultern. „Wenn die Alte sich Mühe gibt hat sie sich in ein oder zwei Stunden befreit. Wenn nicht, wird sie schon irgendwer finden.“ Thomas gab den beiden einen Wink mit der Waffe. „Verschwindet.“
Die beiden Räuber stiegen ohne ihn aus den Augen zu lassen in ihren Wagen und gaben dem Passat die Sporen. Thomas ging zu seinem BMW. Er musste sich um das gefesselte Paar kümmern. Die beiden taten ihm leid. Nur befreien durfte er sie nicht. Trotzdem gab es Möglichkeiten ihnen ihr Los zu erleichtern. Mit einem kleinen Koffer in de Hand verschwand Thomas im Wald. Er folgte den Spuren der Räuber und ihrer beiden Opfer. Nach wenigen Minuten hatte er das Paar gefunden. Der Mann stand an einem Baum. Die Räuber hatten ihn an mehreren Stellen mit Klebeband am Stamm fixiert. Auch über seinem Mund und den Augen lagen dicke Streifen Tape. Seine Frau hockte mit dem Gesicht zum Baum vor ihm. Ihre Hände waren um den Baum geschlungen. Im Mund der Frau steckte ein Knebel aus den Resten ihres Rollis. Tränen rannen über ihr Gesicht.
Thomas setzte die Tasche ab. Die Augen der Frau waren nicht verbunden. Ein Risiko. Jedoch, wenn er rasch und entschlossen handelte kalkulierbar. Thomas suchte einen Platz im Rücken der Frau und bereitete zwei Tücher vor. Eines für den Mann und eines für seine Frau. Mit diesen beiden in den Händen sprintete er los. Die Frau hörte seine Schritte und wollte sich umdrehen. Doch in diesem Augenblick hatte sie bereits das Tuch vor dem Gesicht. Ein vergebliches Aufbäumen, dann sank sie zusammen. Ihr gefesselter Mann hatte dazu nicht einmal mehr die Kraft. Er stöhnte kurz auf und wurde ohnmächtig. Thomas befreite ihn von dem Tape über den Augen und löste die Knebel.
Den Mann konnte er unmöglich so gefesselt am Baum stehen lassen. Thomas holte seine Tasche. Mit einem Messer durchtrennte er das Tape und ließ den Mann auf den Boden gleiten. Dann inspizierte er die Fesseln der Frau. Eine eigenartige Konstruktion. Die Räuber hatten einfach ihren BH um den Baum gelegt und mit den Enden um je ein Handgelenk geschlungen. Wenn die Frau kräftig genug daran zog, schaffte sie es vielleicht den BH zu zerreißen. Auf jeden Fall würde es ihr gelingen nach einer Weile das feine Gewebe an der Rinde des Baumes durchzuscheuern. Thomas nahm das Messer und ritzte den Steg zwischen den Körbchen an. Auf diese Weise würden ihre Befreiungsversuche, wenn sie in ein paar Stunden erwachte garantiert Erfolg haben.
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Anna schloss die Tür des Ferienhauses auf und gab den Weg frei. Christian trug die beiden großen Tüten in die Küche. Sie hatten auf dem Rückweg an einem Supermarkt angehalten und eingekauft. Die Lebensmittel in den beiden Tüten sollten für den Rest der Woche reichen. Zwei Kisten mit Getränken standen noch im Kofferraum von Annas Golf auf dem Besucherparkplatz. Die tägliche Fahrt zur Arbeit hatte sich Anna schwieriger vorgestellt. Christian übernahm die Rückfahrt. Von ihrem Zwischenstopp bei dem Supermarkt abgesehen konnte Anna auf dem Beifahrersitz dösen.
„Ich wollte nachher noch eine Runde durch den Ferienpark drehen.“, sagte Anna, während sie die Lebensmittel verstaute. Christian nickte nur. Sein Interesse galt den Aufnahmen der Webcam. „Unser Freund war gegen Mittag noch mal im Haus und hat sich umgezogen.“ „Er wird geschwitzt haben.“, spekulierte Anna. „Ich zieh mich jetzt übrigens auch um.“ Christian reagierte nicht. Stattdessen zoomte er in den Aufnahmen herum. Grollend stieg Anna die Treppe nach oben. Männer. Ein technisches Spielzeug ist für sie wichtiger als zuhören.
Wenig später kam sie wieder die Treppe herunter. Ihr Outfit bestand aus einer schwarzen dreiviertellange elastischen Laufhose und einem ärmellosen Laufshirt in Pink. Das elastische Material stützte ihren Busen, so dass Anna auf einen Sport-BH verzichten konnte. So gut wie Ladenneue Laufschuhe, ein Stirnband und ihr Smartphone am Oberarm ergänzten das Outfit. Anna lief recht wenig. Ihr fehlte die Zeit. Außerdem fühlte sie sich zwischen den anderen Joggern auf den üblichen Strecken untrainiert wie sie war einfach nicht wohl. Anna hatte das ständige Gefühl belächelt zu werden. Wann joggten Leute mit wenig Zeit? Natürlich im Urlaub. Hier in dieser Feriensiedlung würde sie garantiert keine abfälligen Blicke ernten.
„Anna, schau dir das mal an.“, rief Chris aus der Küche. Bei ihrem Anblick leuchteten seine Augen auf. Bitte halt den Mund, flehte Anna. Welche Frau mochte es nicht, wenn ein Mann ihr Komplimente machte. Aber Chris übertrieb es wirklich. Warmherzig und attraktiv. Eine Mutter bezeichnete man als warmherzig. In diese Rolle passte sie nun wirklich nicht. Attraktiv. So ein Unsinn. Als Frau kannte Anna ihre Problemzonen. Dass Christian ausgerechnet diese besonders mochte wollte ihr nicht in den Kopf. Bekanntlich sollten verliebte Männer nun einmal blind sein. Hatte Chris sich etwa in sie verliebt? Was ging in dem Kopf dieses Mannes vor?
Anna selbst hatte sich dabei ertappt, dass sie in der letzten Stunde auf Arbeit alle paar Minuten auf die Uhr schaute. Dabei war sie niemand der auf den Feierabend wartete. Normalerweise erledigte sie das Tagespensum und schaute erst dann auf die Uhr. Doch heute sehnte sie das Arbeitsende herbei. Sie freute sich darauf Christian abzuholen. Auch der Stopp am Supermarkt war alles andere als eine Last. Mit jemanden zusammen einkaufen zu gehen machte mehr Spaß als allein durch die Regale zu hetzen.
„Was soll ich mir ansehen?“, fragte Anna. „Leiwaldt. Seine Haare sind zerzaust. Sein Anzug sieht aus als ob er durch ein Gebüsch gekrochen wäre.“ Tatsächlich machte der Mann auf dem Bildschirm einen zerstörten Eindruck. Der Anzug erinnerte Anna an den Zustand ihres Outfits als sie auf dem Parkplatz aufgewacht war. Reif für die Reinigung. „Du siehst toll aus. sagte Christian mit ein wenig zu viel Euphorie. „Aber offenbar nur in hautengen Outfits und kurzen Röcken.“, antwortete Anna deutlich gelassener als gestern Abend. „Warum hast du dich umgezogen?“, wollte er wissen. „Wenn du zugehört hättest wüsstest du, dass ich noch eine Runde durch die Feriensiedlung laufen wollte.“, erklärte Anna erneut. „Schließlich mache ich offiziell hier Urlaub. Ich hab meinen Chef gebeten ein oder zwei Tage zu Hause arbeiten zu können. Er hat nichts dagegen. Ab und zu sollte ich mich tagsüber auch mal draußen sehen lassen.“
„Das ist eine gute Idee.“, lobte Christian. „Falls du nichts dagegen hast, kümmere ich mich während du läufst um das Abendessen. Worauf hast du Lust?“ Gegen diesen Vorschlag hatte Anna nichts einzuwenden. Aber Gedanken machen was es gab, konnte sich Christian selbst. Während des Einkaufs hatten sie das eine oder andere besprochen. Mal sehen was dabei heraus kam. „Denk dir was aus.“, sagte Anna und verschwand durch die Tür.
Draußen verfiel sie in langsamen Trab. Nicht zu schnell angehen. Das bringt nichts. Außerdem wollte sie einen Blick auf das Nachbarhaus werfen. Der Stellplatz war leer. Auch sonst deutete nichts auf die Anwesenheit seines Bewohners hin. Anna drehte eine Runde durch die Feriensiedlung. Das Laufen strengte sie weniger an als erwartet. Anna fühlte sich fit genug für eine Runde durch den angrenzenden Wald. Sie steigerte das Tempo ein wenig und passierte den Hinterausgang. Angenehme Kühle umfing sie. Hier im Wald machte das Laufen weit mehr Spaß als auf den gepflasterten Wegen des Feriendorfes.
Ein Knacken ließ Anna aufhorchen. Gab es so nah an der Feriensiedlung Tiere? Auf eine Begegnung mit einem Rudel Wildschweine konnte sie gern verzichten. Anna verlangsamte die Geschwindigkeit. Ihre Augen suchten den Wald ab. Ein erneutes Knacken. Sie schaute sich um. Dort im Gebüsch war etwas. Die Zweige bewegten sich deutlich. Wildschweine waren das bestimmt nicht. Ohne Vorwarnung brach eine menschliche Gestalt aus dem Gebüsch. Taumelnd nährte sie sich dem Weg. Nichts wie zurück zur Feriensiedlung schoss es Anna durch den Kopf. Doch die Gestalt schwenkte die Arme. „Hilfe.“, keuchte eine Stimme. Sie gehörte einer Frau. Anna wechselte die Richtung. Die Frau kam auf sie zu. Sie war halb nackt. Jedoch nicht im üblichen Gebrauch dieser Formulierung der einen Menschen in Unterwäsche beschrieb. Diese Frau war wirklich halb nackt. Sie trug Jeans und Stiefel. Oberhalb des Hosenbundes fehlte aber jede Bekleidung, einschließlich des BHs.
Anna griff der Frau unter die Arme. Sie sank zusammen. „Helfen Sie meinem Mann. Bitte. Wir wurden überfallen.“ Ihr Arm wies in Richtung des Gebüsches. Anna riss ihr Smartphone vom Arm. „Ich rufe einen Rettungswagen.“ „Nein. Nein.“, würgte die Frau hervor. „Zuerst mein Mann.“ Dabei brauchte die Frau selbst Hilfe. Anna schätzte sie auf Mitte vierzig. Das Make-up verschmiert. Die sorgfältig manikürten Hände waren zerkratzt und die mit einem aufwendigen Nageldesign verzierten Fingernägel abgebrochen. Spuren an den Handgelenken bewiesen, dass diese Frau gefesselt gewesen sein musste. Ihr Oberkörper war von Kratzern bedeckt.
„Mein Mann. Bitte. Er stirbt.“ Anna lies die Frau zu Boden gleiten und stürzte in das Gebüsch. Die Zweige verhakten sich in ihrem Top. Anna ignorierte sie. Peitschenschläge prasselten auf ihren Arm. Endlich hatte sie es geschafft. Das Unterholz lichtete sich. Nur konnte Anna niemanden entdecken. Ihr Finger rollte über das Display des Smartphones. Chris Nummer war die letzte. „Ruf die Polizei. Ich bin etwa 300 m vom Hinterausgang des Ferienparks entfernt. Es gab einen Überfall. Wir brauchen einen Rettungswagen.“ Die nächste Frage kam nicht unerwartet. „Nein. Nicht ich. Beeil dich bitte.“ Die Verbindung brach ab. Christian hatte sie beendet. Hilfe war unterwegs. Nur wo war der Mann? Annas Augen suchten den Wald ab. Neben einem der Bäume bewegte sich etwas. Sie rannte hin. Es war der Mann. Zusammengeschlagen. Außerdem an Händen und Füßen mit Kabelbindern gefesselt. Ohne Hilfsmittel konnte ihn seine Frau nicht befreien. Anna kniete nieder. „Meine Frau. Wo ist meine Frau?“, stöhnte der Mann. „In Sicherheit.“, beruhigte sie ihn.
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Der Audi A8 von Andreas Mohrenkamp bildete die Spitze der kleinen Kolonne. Diese bestand aus dem Audi. Ihm folgte in einigem Abstand der Passat mit den falschen Polizisten. Den Schluss der Kolonne bildete Thomas BMW. Sie nährten sich Mohrenkamps Haus. Thomas stoppte in dem Feldweg, den er gestern bereits benutzt hatte. Jetzt hing alles von den beiden Männern ab. Thomas zweifelte jedoch nicht, dass sie ihren Job machten. Das Geld hatten sie erhalten. In der Stadt gab es eine Filiale von Thomas Hausbank. Er ging einfach dort hinein und äußerte seinen Wunsch 20.000 Euro abzuheben. Nach einem Blick der Angestellten auf den Kontostand, sowie ein paar Formalien verließ er die Bank mit dem Geld.
Mohrenkamps A8 hielt vor dem Tor. Der Passat verlangsamte das Tempo. Die beiden Männer machten sich bereit. Kaum war das Tor offen heulte das Blaulicht auf und der VW sprintete hinter dem Audi auf das Grundstück. Der A8 hielt wie gestern vor der Garage. Verwundert stieg Mohrenkamp aus. Die beiden Männer traten entschlossen an ihn heran und zückten ihre Ausweise. Andreas Mohrenkamp nickte und wies mit selbstsicherer Geste auf die Haustür. Dort wartete bereits die junge Dame. Der Schnitt des Kostüms glich dem von gestern. Heute trug die junge Frau jedoch Marineblau. Mohrenkamp schien etwas zu erklären. Die junge Frau gab daraufhin den Weg frei. Alle vier verschwanden im Haus.
Thomas stieg aus und sah auf die Uhr. Seine Hand umschloss die Waffe in seiner Jackentasche. Die beiden Räuber allein zu lassen war ein Risiko. Wollte Thomas unerkannt bleiben musste er es eingehen. Die Haustür wurde geöffnet. Der kleinere Räuber trat hinaus. Das war das Zeichen. Thomas schob seine Haare unter ein Basecap und setzte eine Sonnenbrille auf. Zumindest an der Haustür rechnete er mit Kameras. In leichtem Trab lief er die Einfahrt hinauf. Die Haustür war nur angelehnt. Aus der Tiefe des Hauses drangen hilflose undefinierbare Geräusche an sein Ohr. Thomas sah in das große Wohnzimmer. Dort lagen sich verzweifelt in den Fesseln windend Mohrenkamp und die junge Frau. Ihre Hände und Füße waren mit Kabelbindern zusammengezogen. Die Münder und Augen mit Tape verklebt. Die beiden Räuber konnte er nicht entdecken. Den Geräuschen nach durchwühlten sie die Schränke im Obergeschoss.
Systematisch begann Thomas das Haus in Augenschein zu nehmen. Er suchte Mohrenkamps Arbeitszimmer. Bei einem erstaunlich nüchtern eingerichteten Raum wurde er fündig. Thomas fuhr das Notebook auf dem Tisch hoch. Die Spannung stieg. Kein Passwort. Andreas Mohrenkamp war offenbar sicher, dass niemand Fremdes an das Gerät herankam. Gezielt durchsuchte er den Inhalt der Festplatte nach Clips. Bereits nach wenigen Augenblicken hatte er die richtigen gefunden. Claudia Schäfer beim umziehen. Eine Sekunde kämpfte Thomas mit dem Verlangen sich diesen Clip näher anzusehen. Das musste jedoch warten. Thomas zog einen USB-Stick aus der Tasche und steckte ihn in den Anschluss. Während der Browser die Dateien von Claudia Schäfer auf den Stick verschob, inspizierte Thomas die anderen Ordner. Die neusten zuerst. Wie er vermutet hatte handelte es sich dabei um Aufnahmen dieser jungen Sekretärin im Gartenhaus. Das gesamte Haus musste mit Kameras gespickt sein. Einschließlich Bad und Schlafzimmer.
Es gab noch weitere Ordner mit Clips aus diesem Gartenhaus. Mohrenkamp schien dessen Bewohnerin alle sechs Monate auszutauschen. Alle ausnehmend hübsch und was das Alter betraf in der unteren Hälfte der zwanziger. Andere Clips zeigten reifere Semester. Zwischen Anfang dreißig und Mitte fünfzig war alles dabei. Die Räume in den die Aufnahmen gemacht wurden zeigten stets eine sterile zweckmäßige Möblierung. Andreas Mohrenkamps Musterhäuser hatten nicht nur den Zweck potentielle Kunden anzulocken. Sie dienten ihm auch als Liebesnest. Für Thomas stand fest, diese Aufnahmen erfüllten nicht den Zweck Mohrenkamp an seine Abenteuer zu erinnern. Diese Aufnahmen waren als Druckmittel gedacht. Gegen die Frauen selbst oder deren Ehemänner. Andreas Mohrenkamps florierendes Bauunternehmen beruhte auf Erpressung und Nötigung. Thomas würde ihm diese Grundlage nehmen.
Die Aufnahmen wanderten in den Papierkorb des Computers. Dieser wurde geleert. Von draußen drang ein Gemisch harter Worte, verzweifeltes durch den Knebel unterdrücktes eindeutig weibliches Kreischen und sehr real klingendes männliches Stöhnen in das Zimmer. Die Räuber waren offensichtlich gerade dabei die Kombination des Tresors aus Andreas Mohrenkamp herauszuprügeln. Sollten sie. Thomas musste ohnehin noch einen Blick hineinwerfen. Von diesen Clips gab es Sicherungskopien. Vermutlich nicht nur eine. Dafür brauchte er ein wenig Glück. Ansonsten mussten die Räuber dem Gedächtnis des Mannes dort drüben noch ein wenig nachhelfen.
Thomas suchte den Desktop ab. Er fand die erwartete Verknüpfung zu einer Cloud. Ein Mausklick schaffte Klarheit. Das Passwort war gespeichert. Andreas Mohrenkamp sollte für diese Unvorsichtigkeit dankbar sein. Sie ersparte ihm schmerzhafte Nachfragen. Thomas löschte die Dateien. Er nahm das noch laufende Gerät und warf es auf den Boden. Ein kräftiger Fußtritt gab ihm den Rest. Thomas verließ das Arbeitszimmer. Auch die Räuber hatten Erfolg gehabt. Der Tresor war offen und leer. Der Hausherr krümmte sich auf dem Fußboden. Seine Augen waren wieder verklebt. Thomas sah in die Tasche mit der Beute. Dort lag zwischen Bargeld und Schmuck eine Festplatte. Er ging in die Knie und untersuchte die Unterlagen. Bei einem durch die Räuber aufgerissenen Umschlag musste er schmunzeln. Gut das die beiden Männer nur Räuber waren. Die Steuerfahndung hätte dieses Konto auf den Kanalinseln sicher sehr interessiert. Thomas selbst vertraute dieser Bank ebenfalls.
Mit den Unterlagen in der Hand ging er zurück ins Arbeitszimmer. Er verschloss den Umschlag mit einem Klebestreifen und schob ihn in eines der Schubfächer des Schreibtischs. Er wollte die Aufnahmen. Mohrenkamps Schwarzgeld war Thomas egal. Zufrieden verließ er das Zimmer. Im Korridor sah er den Grund für das helle Gekreische vor einer Weile. Die junge Sekretärin kniete vor dem Treppengeländer. Ihr Oberkörper war nackt. Ihre Hände hingen mit dem BH gefesselt an einer Strebe. Sie weinte. Eigentlich besaß sie keinen Grund dafür. Wenn die junge Frau wüsste was er auf dem Notebook vernichtet hatte, würde sie sicher aus Erleichterung weinen.
Thomas wandte sich ab und verließ das Haus. Er musste früher am Treffpunkt sein, als die beiden Einbrecher.
Ein Lichtschein kroch den Weg entlang. Er gehörte zu dem Passat der beiden Räuber. Thomas zog sich etwas zurück. Er steckte seine rechte Hand in die Jackentasche. Die nächsten fünf Minuten waren die entscheidenden seines Plans. Der Passat stoppte. Hinter dem Steuer saß der größere Räuber. Thomas trat so dicht an die Fahrertür heran, dass sie nicht mehr zu öffnen war. Der Trick funktionierte. Der Räuber auf dem Fahrersitz lies das Fenster herab. „Zufrieden mit der Beute?“, fragte Thomas. „Ganz brauchbar.“, antwortete der Mann.
Thomas rechte Hand schnellte vor. Sie hielt eine kleine Spraydose. Er wandte den Kopf ab und drückte den Knopf. Der Inhalt der Dose füllte das Innere des Wagens aus. Einige erstickte Laute, dann war es vorbei. In weitem Bogen umrundete Thomas den Wagen und öffnete die Beifahrertür. Er wartete eine Weile bis der Durchzug das Gas vertrieb. Von den beiden ohnmächtigen Männern ging keine Gefahr mehr aus. Sobald er ihnen sein Spezialmittel verabreicht hatte, waren auch ihre Erinnerungen der letzten 24-Stunden ausgelöscht.
Thomas Interesse galt der Beute. Besser gesagt der Festplatte aus dem Tresor. Sein Plan war es das kleine Teil hier an Ort und Stelle zu vernichten. Jetzt, da er sie in der Hand hielt brachte er es nicht über das Herz die Festplatte zu zerstören. Die Aufnahmen der Frauen darauf könnten ihm in Zukunft möglicherweise nützlich sein. Für Thomas Mohrenkamp waren die Aufnahmen eine Garantie für volle Auftragsbücher. Auch Thomas Auftraggeber hatten genaue Vorstellungen und auf dieser Festplatte befand sich eine umfangreiche Kollektion in Frage kommender Damen. Thomas steckte die Festplatte ein. Jetzt musste er lediglich noch die beiden Umschläge mit dem Geld mitnehmen. Von seiner Zusammenarbeit mit den beiden Räubern blieb keine Spur zurück.
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Die Türklingel dröhnte durch das Ferienhaus. Unwillkürlich warf Christian einen Blick in Richtung Flur. Auch Anna ließ verwundert das Messer sinken. Sie waren gerade im Aufbruch begriffen. „Ich sehe nach.“, sagte Anna und wollte zur Tür gehen. „Einen Moment noch.“, hielt Christian sie zurück. Er ging zur Türkamera. Das Bild zeigte einen Mann. Etwas jünger als er selbst. Von Körperbau und Statur jedoch ähnlich. Der Mann verzichtete auf ein zweites Klingeln. Stattdessen hämmerte er mit der Faust an die Tür. „Mach auf, Chris. Ich muss mit dir reden.“ Anna aus der Küche sah ihn fragend an. „Alles in Ordnung.“, beruhigte Christian sie und ging zur Tür. „Hallo, Tim.“
Ohne ein weiteres Wort schob der Mann ihn zur Seite und schloss die Tür. „Was ist hier los, Chris?“ „Was meinst du damit?“, stellte Christian eine Gegenfrage. „Das weißt du genau.“, gab der Besucher unbeeindruckt zurück. „Gestern Nachmittag. Das Großaufgebot an Polizei und Rettungswagen mit Blaulicht und Sirene am Ausgang zum Wald.“ „Was habe ich damit zu tun?“, fragte Christian teilnahmslos. „Falls du es schaffst heute Morgen einen Blick in die Zeitung zu werfen, kannst du es nachlesen.“, antwortete der Mann ihm gegenüber. „Gestern Mittag wurde unten am Rastplatz ein Ehepaar überfallen. Die Frau konnte sich befreien und ist einer Joggerin in die Arme gelaufen. Einer Anna Hausmann. Sie ist ein Feriengast und hat zufällig dieses Haus gemietet. Aber da gab es noch einen Besucher. Einen Freund dieser Hausmann. Er heißt Christian Ballhofer und meine Leute hatten keine Ahnung, dass er sich hier aufhält.“
„Du bist gut informiert.“, antwortete Christian. „Woher stammen deine Informationen? Presse oder Polizei.“ „Das geht dich gar nichts an.“, fauchte der Mann. „Erzähl mir ja nicht, diese Hausmann ist eine alte Freundin von dir und du besuchst sie nur zufällig. Ich habe ihre Adresse gecheckt. Was treibt ihr hier? Ist sie verheiratet oder was?“ „Ich bin nicht verheiratet.“ Anna war aus der Küche getreten. „Es stimmt. Chris und ich sind Freunde. Wir kennen uns aber erst ein paar Tage.“ „Anna Hausmann. Tim Kröger.“, übernahm Christian die verspätete Vorstellung. „Der Geschäftsführer dieses Feriendorfes.“ Ihr Besucher musterte Annas Outfit. Einen dunkelgrauen Hosenanzug. Passende Booties und einen weißen Rolli.
„Ein merkwürdiges Outfit für den Urlaub.“, kommentierte Tim Kröger. Er wandte sich Chris zu. „Ich will jetzt wissen was hier los ist. Hat es was mit deiner Frage nach diesem Leiwaldt zu tun?“ Seine Hand zeigte in eine bestimmte Richtung. „Der wohnt zufällig neben an. Chris, falls an diesem Typ was faul ist muss ich es wissen.“ Christian sah zu Anna. Sie nickte leicht. Es hatte keinen Sinn das Versteckspiel fortzusetzen. „An diesem Typ ist mehr als etwas faul.“, erklärte er. „Ist er ein gesuchter Bankräuber oder ist der Verfassungsschutz hinter ihm her?”, spekulierte Tim Kröger. „Nein.“, erklärte Anna emotionslos. „Thomas Leiwaldt hat mich entführt und missbraucht. Ich kann es nur nicht beweisen und die Polizei glaubt mir nicht.“
Der Geschäftsführer starrte sie an. „Das glaub ich jetzt nicht?“ „Glaub es ruhig.“, bestätigte Chris. „Vielleicht setzen wir uns und ich erzähle die Geschichte in Ruhe.“, schlug Anna vor. Sie trat an ihn heran. „Du musst los, Chris. Ich mache besser einen Tag Homeoffice. Die Geschichte ist nicht in fünf Minuten erzählt. Kommst du heute allein zurecht?“ Christian nickte. „Bis heute Abend, Anna.“ Er zog seine Jacke über. Auf Annas Gesellschaft im Auto musste er heute verzichten. Aber nicht auf ihren Abschiedskuss. „Freunde?“, hörte er Tim im Hintergrund kopfschüttelnd flüstern.
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Die Sonne meinte es gut mit diesem Frühsommertag. Anna saß im Bikini und Flip-Flops auf dem oberen Balkon. Vor sich ihr Notebook über sich den Sonnenschirm. Auf Thomas Leiwaldt brauchte sie nicht zu achten. Den Aufnahmen der Webcam zufolge verließ er das Ferienhaus gegen neun. Wenig später war auch Tim Kröger aufgebrochen. Anna hatte sich umgezogen und ihr Notebook hochgefahren. So wirklich voran kam sie mit ihrer Arbeit jedoch nicht. Entweder lag das an der ungewohnten Umgebung oder an dem Gespräch mit dem Geschäftsführer des Ferienparks. Dies dauerte beinahe zwei Stunden. Zwischendurch hatte Anna Kaffee gemacht. Tim hockte die ganze Zeit in seinem Sessel und ließ sie reden. Er war ein guter Zuhörer. Nach seinem Auftritt am frühen Morgen hatte sich Anna eher auf permanente Zwischenfragen und Spekulationen eingestellt.
„Eine schlimme Sache.“, waren Tims erste Worte. „Wenn ich Christian nicht so gut kennen würde, müsste ich dir raten zum Psychiater zu gehen.“ „Du glaubst mir nicht?“, hatte Anna gefragt. Tim schüttelte den Kopf. „Wenn Chris dir glaubt, bin ich der letzte der daran zweifelt. Für ihn zählen nur Fakten. Thomas Leiwaldt hatte dieses Ferienhaus gemietet. Selbst wenn deine Erinnerungstücke reine Phantasie sind, Chris hat dich in dem Ferienhaus gesehen. Dazu noch in Unterwäsche. Also warst du dort. Das sind die Fakten. Daran ist nicht zu zweifeln.“ Er erhob sich. „Ich muss los. Danke für den Kaffee. Ich denke wir sehen uns noch.“ Anna riss sich zusammen. Das sie hier im Bikini auf einem Balkon saß durfte keinen Einfluss auf ihre Arbeit haben.
Gut sechs Stunden später lehnte Anna sich erschöpft zurück. Die Uhr auf dem Display des Notebooks zeigte kurz nach drei und sie hatte ihr Tagespensum bereits geschafft. Ein gutes Gefühl. Schade, dass Chris nicht hier war. Ausflüge oder ein gemeinsames Abendessen fielen natürlich aus. Sie mussten das Nachbarhaus im Auge behalten. Aber Anna hätte gerne mit ihm auf dem Balkon gesessen und geredet. Chris war schon in einer Reihe von Ländern gewesen, die Anna vermutlich nie selbst sehen würde. Dazu reichte ihr Urlaubsbudget einfach nicht. Zumindest nicht, wenn sie diese Reisen allein unternahm. Ein halbes Doppelzimmer mochte sich für Freundinnen lohnen. Nur reiste sie allein und der Einzelzimmerzuschlag erhöhte den im Katalog angegebenen Preis in der Regel um ein Drittel. Zudem besaß sie bei der Auswahl, von Hotels kein wirklich gutes Händchen. Chris kam aus der Branche und wusste sicher worauf man achten musste. Ob er bereit war einen richtigen Urlaub mit ihr zu planen? Natürlich viel die Hochsaison aus. Aber was war mit dem November? Irgendwo auf der Welt war es immer warm und Chris wusste sicher auch wo.
Anna klappte ihr Notebook zusammen und stand auf. Ihr Magen knurrte. Sie musste etwas essen. Aus Richtung Rezeption eilte mit langen Schritten Tim Kröger an den Häusern vorbei. Wenig später ertönte die Hausklingel. Anna öffnete. Überrascht musterte Tim ihr Outfit. „Ich denke du arbeitest. Vielleicht sollte ich auch mal über die Kleiderordnung bei meinen Mitarbeitern nachdenken?“ „Du meinst vermutlich Mitarbeiterinnen.“, verbesserte Anna. „Oder willst du in Badehose am Schreibtisch sitzen.“ Tim schüttelte den Kopf. „Ich hatte schon mal einen Job in Badehose. Der hat mir gereicht. Das kann Chris dir bestätigen. Darf ich reinkommen?“ Anna gab den Weg frei.
„Falls dieser Leiwaldt wieder zuschlägt.“, begann Tim kaum das die Haustür geschlossen war. „Wie habt ihr euch das gedacht? Einfach das Haus stürmen und die Geisel befreien?“ „Beweise sammeln und die Polizei informieren.“, klärte Anna ihn auf. „Leiwaldts Opfer gehen nicht freiwillig ins Haus. Entweder sind sie bewusstlos oder er zwingt sie auf andere Weise.“ „Du weißt es nicht?“, wunderte sich Tim. „Leider.“, bestätigte Anna. „Aber zwei Aussagen, das jemand auf eigenartige Weise in das Nachbarhaus geschafft wurde, sollten die Polizei stutzig werden lassen.“ Sie ging in Richtung Küche. Ihr Besucher folgte. „Ok. Machen wir es so. Bevor ihr Krach schlagt, ruft ihr mich aber an. Ich bin der Geschäftsführer dieses Feriendorfes. Wenn ich vermute das in einem meiner Häuser ein Verbrechen passiert, wird mir die Polizei eher glauben als euch.“ „Die Wahrscheinlichkeit ist zumindest größer.“, stimmte Anna zu. „Willst du einen Kaffee?“
Tim Kröger schüttelte den Kopf. „Nein. Danke. Eigentlich bin ich gekommen um dir etwas anderes zu erzählen. Die Räuber, die das Ehepaar überfallen haben sind gefasst.“ Anna sah ihn überrascht an. „So schnell.“ Tim nickte. „Gestern Abend wurden Andreas Mohrenkamp und seine Sekretärin überfallen. Die Räuber haben ihn zusammengeschlagen, die beiden gefesselt und das Haus ausgeräumt. Einschließlich des Tresors.“ „Was macht eine Sekretärin bei ihrem Chef zu Hause?“, wunderte sich Anna. „Sie war wohl seine Privatsekretärin.“, erklärte Tim. „Jedes Ding braucht eben einen Namen.“, warf Anna ein. „Auf jeden Fall waren es dieselben Räuber, die am Mittag das Ehepaar überfallen haben.“, fuhr Tim fort.
„Ist das sicher?“, fragte Anna zweifelnd. „Ganz sicher.“, bestätigte Tim Kröger. „Die Beute aus dem ersten Überfall befand sich im Wagen der Räuber. Außerdem haben die Opfer die Männer eindeutig identifiziert.“ Er zückte sein Smartphone. „Kann sein das Chris diesen Mohrenkamp ebenfalls kennt. Ihm gehört die Firma von der er sein Haus gekauft hat.“ Er zückte sein Smartphone. „Im Netz ist die Nachricht schon rum. Trotz Informationssperre der Polizei. Andreas Mohrenkamp ist so etwas wie unser lokaler Baulöwe.“ Anna warf einen Blick auf das Display. Es war der Mann den Chris und Sie am Samstag befreit hatten. So wie es jetzt aussah sogar in seinem eigenem Musterhaus.
„Von wegen mein Mann wird entlassen.“, murmelte Anna. „Was hast du gesagt?“, fragte Tim. „Ich dachte nur das Frau Mohrenkamp großes Glück hatte, gestern Abend nicht zu Hause gewesen zu sein.“, sagte Anna schnell und lachte. „Hoffentlich war die Sekretärin wirklich nur eine Sekretärin.“ Tim starrte sie verwirrt an. „Mohrenkamp ist nicht verheiratet.“
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Der letzte Termin lag hinter Thomas. Bis Morgen Abend besaß er keine Verpflichtungen. Zum Ferienhaus musste er nach diesem Termin nicht mehr zurück. Alles was er brauchte um Claudia Schäfer zu entführen lag in seinem Wagen. Thomas machte sich nicht die Mühe zu überprüfen, ob Claudia Schäfer zu Hause war. Ihr Smartphone befand sich auf dem Gehöft. Seine Besitzerin aller Wahrscheinlichkeit somit ebenfalls. Der BMW passierte das Tor. Claudias Wagen parkte auf dem Hof. Thomas stoppte neben dem Hauseingang. Er steckte die Pistole in die rechte Jackentasche und stieg aus. Auf der Rücksitzbank öffnete er seinen Koffer und bereitete das Tuch vor. Dann schloss er die Tür und ging schnurstracks zum Haus. Die Tür war verschlossen. Damit hatte Thomas gerechnet. Er klingelte. Die Antwort lies ein wenig auf sich warten, kam aber energisch. „Sie wünschen.“ „Veterinäramt.“, antwortete Thomas. „Frau Schäfer, uns liegt eine Anzeige vor. Sie halten hier auf dem Hof Ponys?“
„Unsinn.“, quäkte es aus dem Lautsprecher. „Wir haben keine Tiere. Die Stallungen sind längst umgebaut.“ „Wenn es Ihnen nichts ausmacht würde ich mich trotzdem gerne umsehen.“, antwortete Thomas. „Verschwinden Sie.“, fauchte die Stimme. Thomas wechselte den Tonfall. „Frau Schäfer! Meine Aufgabe ist es diesem Sachverhalt nachzugehen. Um die Akte schließen zu können muss ich die Anzeige überprüfen.“, erklärte er extrem höflich. „Für den Fall, das sich diese Behauptungen als unwahr erweisen, bin ich verpflichtet gegen den Anzeiger ein Verfahren einzuleiten. Dafür benötige ich jedoch ihre Kooperation.“ Dieses frei erfundene Argument musste wirken.
Schweigen. Thomas legte nach. „Bitte. Frau Schäfer. Es ist auch in Ihrem Interesse, das wir die Angelegenheit aus der Welt schaffen. Ein Durchsuchungsbeschluss ist in Fällen wie diesem reine Formsache. Wollen Sie wirklich die Polizei auf dem Grundstück?“ „Wer hat mich angezeigt?“, wollte die Frau im Haus wissen. Thomas zog ein Blatt aus der Innentasche der Jacke und faltete es umständlich auf. „Die Anzeige stammt von einem Herrn Andreas Mohrenkamp.“ „Dieses Schwein.“, schrie die Stimme aus der Sprechanlage. Thomas wartete. Falls Claudia Schäfer mit Mohrenkamp telefonierte war sein Plan gescheitert. Dann half nur noch sich auf die Lauer legen und warten. „Einen Augenblick. Ich komme.“, drang es wenig später aus dem Lautsprecher.
Thomas holte sein Tuch aus der Tasche. Die Tür wurde geöffnet. Claudia Schäfer trat heraus. Sie trug helle Jeans, ein gelbes Top und flache Schuhe. Die Fleecejacke musste sie sich gerade übergezogen haben. Die Finger waren noch damit beschäftigt den Reißverschluss einzufädeln. „Mohrenkamp kriegt wirklich eine Anzeige, wenn er….“ Bevor Claudia Schäfer diesen Satz zu Ende bringen konnte, packte Thomas die Frau und drückte ihr das Tuch auf das Gesicht. Bevor sie zu Boden glitt, sahen ihn ihre überraschten Augen eine Sekunde lang an. Thomas fing den Körper auf. Er legte die ohnmächtige Frau auf die Stufen vor ihrer Haustür und öffnete den Laderaum seines SUV. Er trug Claudia Schäfer hinein.
Normalerweise bekamen die Frauen für den Transport eine Spritze, deren Wirkung später durch ein im Ferienhaus verabreichtes Gegenmittel aufgehoben wurde. Bei Claudia Schäfer musste er jedoch eine andere Vorgehensweise wählen. Bei Anna Hausmanns Entführung zeigte die Uhr bereits nach sechs. Außerdem waren in den zwei Wochen, seit damals die Tage länger geworden. Mit einer betäubten Frau zu warten bis es dunkel wurde war viel zu gefährlich. Außerdem hatte er für Claudia noch eine Überraschung. Bevor die Frau wieder zu sich kam musste sie im Laderaum fixiert sein. Thomas griff nach den Ledermanschetten. Claudia Schäfer trug unter der Jeans weder Strumpfhose noch Söckchen. Die Innenseite der Ledermanschetten war aber gepolstert. Druckstellen brauchte Thomas somit nicht zu fürchten.
Für die Manschetten an den Handgelenken schob Thomas die Ärmel der kurzen Jacke ein wenig hoch. Wie bei Anna Hausmann fixierte er die Hände vor dem Körper und befestigte den Steg der Manschetten an den Verzurrösen im Laderaum. Als letztes kam der Knebel. Natürlich ein Ballknebel. Da Claudia während der Fahrt aufwachen würde, wählte Thomas ihn eine Nummer größer. Dafür besaß dieses Exemplar Löcher. Thomas schaltete die Beleuchtung ein und schloss die Abdeckung des Laderaumes. Claudia war für das erste versorgt.
Die Haustür stand noch offen. Um seinen Plan perfekt zu machen musste Thomas noch einmal ins Haus. Claudias Handtasche stand auf der Garderobe. Nach einer kurzen Suche im Garderobenschrank fand Thomas ein buntes und von der Größe her für seine Zwecke genau passendes Tuch. Beim Verlassen des Hauses zog er den Schlüssel von der Innenseite der Tür ab und schloss von außen zweimal herum. Wieder auf dem Fahrersitz seines BMW aktivierte Thomas die Kamera im Laderraum des Wagens. Claudia Schäfer kam langsam wieder zu sich. Thomas startete den Wagen. Bis zur Feriensiedlung brauchte er nicht lange. Auf dem Weg dorthin würde er an einer ruhigen Stelle halten und die Frau dort hinten für den kurzen Weg von seinem Wagen bis zur Tür des Ferienhauses vorbereiten.
Der Stellplatz des Ferienhauses nebenan war leer. Leiwaldt ist also noch unterwegs, stellte Christian fest. Er parkte seinen Wagen und ging ins Haus. Anna saß auf der Terrasse und las. Sie trug einen Bikini und Flip-Flops. Noch hatte sie ihn nicht bemerkt. Christian blieb in der Terrassentür stehen und genoss das Bild. Anna sah in dem Bikini hinreißend aus. Das schwarz-weiß karierte Oberteil wirkte zwar recht massiv, aber Annas Busen brauchte auch etwas Stoff. Bei einem knappen Triangeloberteil hätte sie gleich oben ohne auf der Terrasse sitzen können. Das Oberteil verjüngte sich zur Mitte. Statt des Steges sah es so aus als ob ein schwarzes Band die beiden Körbchen trennte. Der im Stoff verborgene Bügel fiel kaum auf und sorgte für ein wundervolles Dekolleté. Das schwarze Höschen besaß eine klassische Bikini-Form. Am Bauch war es jedoch etwas höher geschnitten und endete in einem karierten Bund.
Wäre es nicht schön mit Anna wirklich mal Urlaub zu machen? Ob er sie einfach fragen sollte? Anna hatte bestimmt schon ihre Pläne für den Sommer. Die Hauptsaison fiel bei ihm selbst leider aus. Aber vielleicht ergab sich später im Jahr noch eine Gelegenheit. Es gab duzende Ziele, wo auch im November noch angenehme Temperaturen herrschten. Er selbst kannte die meisten. Ob Anna schon mal auf den Seychellen oder in der Südsee war? Eine Frage kostete nichts und Christian hatte das Gefühl Anna würde sich über diese Frage freuen.
Anna legte das Buch zur Seite. Sie hatte ihn bemerkt. „Du bist schon da?“, stellte sie verwundert fest. „Wieso schon?“, fragte Chris und ging auf sie zu. „Ich hab nur pünktlich Feierabend gemacht. Er griff Annas Hand. Sie drehte sich in seine Umarmung hinein. „Tim war hier.“, sagte sie. „Sie haben die Räuber, die das Ehepaar überfallen haben geschnappt.“ „So schnell?“ Chris konnte das nicht glauben. „Sie haben den hiesigen Baulöwen überfallen. Dabei sind sie der Polizei ins Netz gegangen.“, klärte Anna ihn auf. „Er heißt Mohrenkamp. Seine Firma hat auch dein Haus gebaut.“ Sie drehte sich aus seiner Umarmung heraus und gab ihm einen Kuss. „Wir sind ihm übrigens bereits über den Weg gelaufen. Du erinnerst dich an Samstagabend?“ „Dann waren das Mohrenkamp und seine Frau in dem Musterhaus?“, fragte Chris. „Eine Frau ja.“, erwiderte Anna. „Aber nicht seine Frau. Mohrenkamp ist nicht verheiratet. Das sagt zumindest Tim.“
„Tim wird es wissen.“, antwortete Christian. Er fasste Anna um die Taille und führte sie in das Haus. „Was hat er zu unserem Vorhaben gesagt?“ „Bevor wir die Polizei alarmieren sollen wir ihn anrufen. Er ist der Chef des Ferienparks. Die Polizei wird ihm eher glauben als uns.“ Dieser Logik konnte Christian nicht widersprechen. „Außerdem war er überrascht, dass ich im Bikini arbeite und wollte das Outfit seiner Mitarbeiter in dieser Richtung überdenken.“ Sie riss sich los und verschwand in Richtung Obergeschoss. Tim Kröger hatte Anna demnach ebenfalls in diesem Bikini bewundert. Das er es Anna gegenüber erwähnte war ein Zeichen, dass Tim gefiel was er sah. Dabei war Anna überhaupt nicht sein Typ. Tim wollte von den Frauen angehimmelt werden. Sie sollten hübsch aussehen, aber ansonsten ihren Mund halten. Mit einer Frau wie Anna Hausmann war das nicht zu machen. Trotzdem stieg ein merkwürdiges Gefühl in Christian auf. War das Eifersucht? Er schob den Gedanken weg. Das Gefühl aber blieb. „Tim hatte schon selbst mal einen Job, bei dem er Badehose tragen musste. Stimmt das?“, hörte er Annas Stimme von oben. „Vor zehn Jahren, als ich Tim kennen lernte versuchte er sein Glück als Tauchlehrer auf Reunion und war ständig pleite.“, rief Christian zurück. „Ich war damals Junior-Manager und hab ihn eingestellt. Wir brauchten jemanden der sich um die Schnupperkurse am Pool kümmerte.“
An diese Entscheidung erinnerte sich Christian mit Grauen. Die Schnupperkurse erfreuten sich danach zwar großer Beliebtheit. Das galt aber auch für Tim selbst. Nachdem ein hoher Ministerialbeamter seine gerade volljährige Tochter mit dem Tauchlehrer im Bett überraschte blieb Chris nichts anderes übrig als Tim in die nächste Maschine nach Hause zu verfrachten. Aber Tim lernte dazu. Als sie sich das nächste Mal über den Weg liefen, war er frischgebackener Absolvent einer Hotelfachschule. Auch sein Umgang in Bezug auf das weibliche Geschlecht hatte sich geändert. Er ignorierte sie und suchte stattdessen die Nähe der Väter. Das er dabei auch die Töchter kennen lernte war nicht zu vermeiden. Doch ab jetzt flirtete er mit der Erlaubnis der Herren Papas. Eine Veränderung die seiner Karriere sehr förderlich war und ihn relativ schnell auf den Geschäftsführerposten dieses Feriendorfes brachte. Nein, Tim war nicht hinter Anna her. Es gab keinen Grund eifersüchtig zu sein.
Christian ging in die Küche. Das Notebook lief und die Webcam zeichnete auf. Er überprüfte die Aufnahmen. Thomas Leiwaldt hatte wie jeden Morgen das Haus verlassen. Heute war er auch über Mittag weggeblieben. Christian spulte vor. Bei den letzten Aufnahmen starrte er ungläubig auf den Bildschirm. Ihr Nachbar war zurück. Bei der Durchsicht der Aufnahmen hätte er beinahe das wichtigste verpasst. Thomas Leiwaldt war vorgefahren. Er befand sich in Begleitung einer Frau. Chris riss sein Smartphone aus der Tasche und hielt voll drauf. „Anna.“, rief er. „Ich hab’s von oben gesehen.“, drang ihre aufgeregte Stimme die Treppe herunter. „Nimm es auf. Mit dem Handy.“
Thomas Leiwaldt führte eine Frau vom Stellplatz in Richtung Haustür. Diese Frau trug Jeans, flache Schuhe und eine leichte Jacke. Diese war bis oben geschlossen. Aus dem Kragen quoll ein buntes Tuch. Das Gesicht der Frau wurde davon bis zur Nase bedeckt. Ihre Augen verbarg eine Sonnenbrille. Sie sieht nichts, stellte Christian fest. Einen anderen Grund das Thomas Leiwaldt der Frau den Arm um die Schulter gelegt hatte und sie Schritt für Schritt zum Haus führte gab es nicht. Die Haltung ihre Arme war merkwürdig. Die Frau trug sie vor dem Körper. Die Ärmel der Jacke waren ganz nach unten gezogen. „Zoom auf die Hände. Sie ist gefesselt.“ Anna hockte inzwischen vor dem Notebook und verfolgte das Geschehen auf dem Monitor.
Christian zoomte auf die Hände. Zwischen den beiden Handgelenken gab es tatsächlich eine Verbindung. Die Frau schwenkte herum. Christian zoomte zurück. Leiwaldt hatte die Frau losgelassen und schloss die Tür auf. An der Seite war das Tuch ein wenig heruntergerutscht. Christian störte etwas an diesem Bild. Er fuhr den Zoom hoch. Ein dunkler Riemen führte hinter den Kopf der Frau. Sie war geknebelt. Mit ein wenig Fantasie konnte man den runden Ball in ihrem Mund erahnen. Die beiden verschwanden im Haus. Christian lies das Handy sinken. „Wir rufen Tim an. Er muss sofort kommen.“ Anna sah ihn verwundert an. „Klar muss Tim kommen. Aber hast du die Frau erkannt?“ Christian nickte. „Das ist die angebliche Frau Mohrenkamp.“
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Das Display der Kamera zeigte exakt das Bild das Thomas geplant hatte. Claudia Schäfer in einem pinken Catsuit und gleichfarbigen High-Heels. Das hautenge Lackteil bedeckte Claudias Körper vom Halsansatz bis zu den Fußgelenken. Dies galt auch für die Arme. Unter dem Material zeichnete sich jede Rundung ihres Körpers gnadenlos ab. Manchen Frauen wäre es sicher peinlich sich so zu sehen. Dafür besaß Claudia Schäfer nicht den geringsten Grund. Ihre weiblichen Rundungen befanden sich exakt dort wo sie hingehörten. An Busen und Po. Dieser streckte sich Thomas gerade in seiner ganzen Pracht entgegen. Claudia stand mit durch eine Spreizstange auseinander gehaltenen Beinen vor ihm. Ihr Oberkörper lag beinahe in der Waagerechten, während ihre auf den Rücken gefesselten Hände mit einem Seil gefesselt und in Richtung eines Balkens im Obergeschoss gezogen waren. In ihrem Mund steckte ein ebenfalls pinkfarbener Ballknebel. Die obere Gesichtshälfte bedeckte eine lederne Maske.
Das Obergeschoss hatte Thomas wie immer mit hellen Laken vom Rest des Hauses abgetrennt. Hier oben waren sie ganz ungestört. Thomas trat an die vor ihm hängende Frau heran. Seine Hände fuhren langsam über den Po und suchten den Reißverschluss zwischen ihren Beinen. Natürlich trug Claudia Schäfer unter dem Catsuit weder Slip noch BH. Erstens hätten sich diese Teile abgezeichnet und zweitens hätte es Thomas daran gehindert mit seinem Massagestab jene Stellen zu stimulieren auf die sein Auftraggeber bestand. In wenigen Minuten würde sich Claudia Schäfer in wohligen Qualen vor ihm winden.
Das Klingeln der Haustür riss Thomas aus seinen Fantasien. Wer zum Teufel war das denn jetzt? „Keinen Laut.“, flüsterte Thomas zu der gefesselten Frau und bahnte sich seinen Weg ins Untergeschoss. Erneut dröhnte die Klingel. Eine energische durch die Haustür gedämpfte Stimme forderte ihn auf. „Herr Leiwaldt. Ich bin Tim Kröger. Der Geschäftsführer des Feriendorfes. Bitte öffnen Sie. Es handelt sich um einen Notfall.“ Was denn für einen Notfall, überlegte Thomas. Egal. Das Beste war diesen Kröger so schnell wie möglich loszuwerden. Thomas öffnete die Tür. Im selben Augenblick wurde er zurückgestoßen. Zwei kräftige Männer in Uniform packten ihn und zwangen ihn zu Boden. Die Handschellen klickten. An Thomas vorbei bahnten sich eine Frau und ein Mann ihren Weg ins Obergeschoss. Auch sie trugen blaue Polizeiuniformen.
Oben schrie Claudia Schäfer in den Knebel. Die weibliche Polizistin versuchte sie zu beruhigen. Doch Claudia tobte. „Lassen Sie mich gefälligst los. Was soll der Unsinn?“ Auch weitere Beschwichtigungsversuche der Polizistin blieben ohne Erfolg. Absätze trappelten von oben. Claudia im pinken Catsuit stieg in Begleitung der Beamtin die Treppe hinab. „Thomas, was haben Sie mit dir gemacht? Nehmen Sie Herrn Leiwaldt sofort die Handschellen ab. Ich werde mich über Sie beschweren.“ Thomas wurde auf die Füße gehoben. „Herr Thomas Leiwaldt?“, fragte der ranghöhere Beamte. Thomas nickte. „Meine Papiere sind in meine Brieftasche auf der Garderobe. Der Polizist sah kurz hinein und verglich das Bild mit dem Mann vor ihm. „Sie kennen diese Frau?“ Thomas nickte. „Sie heißt Claudia Schäfer.“ Die Beamtin auf der Treppe warf ihrem Kollegen einen bestätigenden Blick zu.
„Wir haben einen Hinweis erhalten, dass in diesem Haus eine Frau gegen ihren Willen festgehalten wird.“, erklärte der Beamte. Thomas schüttelte dem Kopf. „Das ist ein Irrtum. Claudia ist nicht gegen ihren Willen hier. Aber schauen Sie sich ruhig um.“ „Wir sind dabei.“, erklärte der Polizist. Sein Partner verschwand im Wohnzimmer. Der Beamte wandte sich an Claudia Schäfer. „Sie haben sich freiwillig fesseln lassen?“ „Ist das verboten?“ Claudias Stimme klang herablassend. Das sollte sie sein lassen. „Sind Sie mit dem Wagen hier, Frau Schäfer?“, fragte die Polizistin. „Nein, Thomas hat mich abgeholt.“ Diese Antwort war etwas großzügig interpretiert. Irgendwer musste ihr Eintreffen bemerkt haben. Das war ihm noch nie passiert und Thomas fragte sich wie um alles in der Welt das geschehen konnte. Aber es war sinnlos die Umstände zu leugnen. Selbst nach dem Deal den er mit Claudia als Gegenleistung für Mohrenkamps Videos abgeschlossen hatte, musste er ihr die Augen verbinden und sie fesseln. Er traute dieser Frau einfach nicht.
„Das möchten wir gerne genauer wissen.“, bohrte die Beamtin weiter. Endlich begriff Claudia. „Thomas hat mich entführt. Aber das war alles geplant und abgesprochen.“ Die Beamtin ließ nicht locker. „Was ist mit der Kamera?“ „Die gehört mir.“, warf Thomas ein. „Falls Sie glauben, wir planten einen Privatporno zu drehen ist das richtig. Claudia und ich wollten einfach mal etwas Neues ausprobieren.“ „Das ist korrekt.“, warf Claudia Schäfer dazwischen. Wieder diese unnötige Arroganz, ärgerte sich Thomas. Ein Beamter kam die Treppe herunter. „Oben ist niemand.“, erklärte er. Auch sein Kollege im Untergeschoss hatte nichts gefunden. Der Einsatzleiter überlegte. „Wir müssen ausschließen, dass Sie tatsächlich entführt und zu dieser Aussage gezwungen werden, Frau Schäfer. Dafür fahren wir auf die Dienststelle.“ Er gab seiner Kollegin einen Wink. „Hol die Zeugen.“ „Aber ich schwöre Ihnen…“, versuchte Claudia den Einsatzleiter von diesem Vorhaben abzubringen.
Das wäre auch Thomas am liebsten. Claudias Versuchen gab er jedoch die größere Chance. Er war derzeit jemand der eine Frau entführt und gefesselt hatte. Selbst wenn diese das Gegenteil behauptete. „Bei nicht eindeutigen Situationen ist das Vorschrift, Frau Schäfer.“ Damit war alles gesagt, überlegte Thomas. „Darf sich Frau Schäfer vorher umziehen?“, fragte er. „Nein.“, lautete die einfache Antwort des Einsatzleiters.
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Anna zog Christian fester an sich. Sie hatten ihr Ziel erreicht. Die Polizei war gekommen und verschaffte sich mit Tim Krögers Hilfe Zutritt zu dem Haus. Nachdem die Beamten aus dem eingetroffenen Streifenwagen den Clip angesehen hatten, lief die Routine an. Chris und sie mussten sich ausweisen. Während eine Beamtin die Aussagen notierte, forderte ihr Kollege Verstärkung an. Die Polizei bat sie im Haus zu bleiben. Lediglich Tim stand etwas abseits und spielte den Unbeteiligten. Vom Nachbarhaus nährte sich wieder ein Polizist. Chris löste sich aus der Umarmung und öffnete die Tür. Anna konnte nicht hören was er mit der Beamtin sprach. Chris winkte ihr zu. Anna ging zur Haustür. „Die Polizei bittet uns mit auf die Dienststelle zu kommen, Anna.“
Vor dem Nachbarhaus drängten sich Menschen. Annas Blick suchte Thomas Leiwaldt. Dieser ging mit in Handschellen auf den Rücken gefesselten Händen zu einem der Wagen. Die Frau, die er ins Haus geführt hatte, trug einen extrem engen pinkfarbenen Catsuit und Schuhe mit gefährlich hohen Absätzen. Sie wurde von der Polizistin begleitet. Genau so hatte sich Anna die Situation vorgestellt. Thomas Leiwaldt verhaftet und sein Opfer befreit. Ihr Peiniger hatte den Blick auf den Boden gerichtet. Die Augen der Frau flogen unstet umher und blieben an Anna hängen. „Halt Stehen bleiben.“. rief sie. „Frau Hausmann? Herr Ballhofer? Was machen Sie denn hier?“ „Sie kennen diese Personen?“, fragte der Polizist. „Natürlich.“, antwortete die Frau erleichtert. „Die beiden können bestätigen, dass ich nicht entführt wurde. Sie haben mich letzten Samstag bereits in einer ähnlichen Situation gesehen.“
„Ist das richtig?“, wollte der Einsatzleiter wissen. „Das ist wahr.“, antwortete Chris in seinem gewohnt sachlichen Tonfall. „Die Dame bat uns nicht die Polizei zu informieren. Ihren Worten nach handelte es sich um ein aus dem Ruder gelaufenes Rollenspiel mit einem anderen Paar. Ihr Partner war auch gefesselt.“ „Wenn Sie die Dame kannten warum haben Sie dann Herrn Kröger gebeten der Sache nachzugehen?“ bohrte der Beamte weiter. „Wir kannten sie nicht.“, erklärte Anna. „Zumindest nicht ihren Namen. Außerdem hat sie uns am Samstag angelogen. Bei dem gefesselten Mann handelte es sich nicht, wie behauptet um ihren Ehemann, sondern wie wir durch Zufall erfahren haben um einen Bauunternehmer.“ „Sie kennen Herrn Mohrenkamp.“, warf Tim in die Runde.
Bei dem Namen gefror das Gesicht des Einsatzleiters. Seine Lust sich mit der hiesigen Prominenz anzulegen schien nicht sehr groß. Hinter seiner Stirn arbeitete es. Die Blicke der anderen Beamten lagen auf ihm. „Nimm Herrn Leiwaldt die Handschellen ab.“, wies er einen der beiden anderen Männer an. „Da sicher ist, dass Frau Schäfer nicht gegen ihren Willen in dieses Haus verbracht wurde besteht kein Grund ihn mit auf die Dienststelle zu nehmen.“ Seine Hand wies auf Christian und Anna. „Das gilt auch für Frau Hausmann und Herrn Ballhofer. Ich muss Sie aber bitten morgen alle drei auf die Dienststelle zu kommen und ihre Aussage zu Protokoll zu geben.“ Er gab der Beamtin einen Wink. „Führ Frau Schäfer zum Streifenwagen. Wir nehmen sie mit. Vielleicht ist die Dame ja aktenkundig.“ Die Frau wurde bleich. „Warum? Ich habe doch nichts getan.“ „Das wird sich noch herausstellen.“, antwortete die Polizistin und schob diese Frau Schäfer zum Streifenwagen.
Die Beamten verabschiedeten sich. Auch Thomas Leiwaldt wollte zurück in sein Ferienhaus. Tim Kröger hielt ihn auf. „Auf Grund der von der Polizei erwähnten Kameraausrüstung und dem zweifelhaften Status Ihrer Besucherin muss ich davon ausgehen, dass dieses Ferienhaus gewerblich genutzt werden sollte. Dies ist nach den Geschäftsbedingungen des Mietvertrages untersagt. Ich muss Sie bitten, das Haus morgen früh zu räumen. Selbstverständlich wird Ihnen der Restbetrag erstattet.“ „Selbstverständlich.“, presste Thomas Leiwaldt heraus. Tims Haltung war eindeutig. „Es wäre fair von Ihnen Frau Schäfer ihre persönlichen Sachen zukommen zu lassen. Falls Sie keine Möglichkeit haben werden wir sie selbstverständlich an der Rezeption verwahren.“
Tim drehte sich um und kam zu ihnen. Dieser Leiwaldt verschwand im Haus. „Ich kann nicht zulassen, dass eines der Häuser als Kulisse für einen Porno dient. Mein Schwiegervater würde mich vor die Tür setzen.“ „Dein Schwiegervater?“, fragte Chris. Tim grinste. „Er ist Geschäftsführer der Eigentümergesellschaft.“ „Das hätte ich mir eigentlich denken können.“, antwortete Christian. Anna fühlte seine Hand auf ihrer Taille. Sie war traurig. „Das Ganze ist ein gigantischer Reinfall. Keine Ahnung warum diese Frau Schäfer ihn in Schutz genommen hat. Vielleicht ist sie wirklich eine Professionelle. Dieser Leiwaldt wird auf jeden Fall weiter Frauen entführen und quälen.“ „Das wird er nicht. Zumindest nicht in irgendwelchen Ferienhäusern.“, widersprach Tim. „Stimmt’s, Chris.“
„Nach dieser Aktion können wir allen in Frage kommenden Vermietern einen Tipp geben.“, bestätigte dieser. „Lass uns reingehen.“ Anna blieb stehen. „Was meintest du vorhin mit Kameraausrüstung, Tim?“ „Die Polizistin erzählte etwas von einer Kamera im Obergeschoss.“, antwortete Tim Kröger. „Dann muss es auch Bilder oder Clips von mir geben. Vielleicht war das ganze doch nicht umsonst. Morgen werde ich mit dieser Frau Schäfer reden. Ich will wissen warum sie Leiwaldt in Schutz genommen hat.“
Frustriert warf Thomas seine Sachen mehr in den Koffer als er packte. Der gestrige Tag war ein Fiasko. Er konnte froh sein, die Nacht nicht in einer Arrestzelle verbracht zu haben. Doch das war es nicht allein. Gestern zerbrach die Grundlage für seinen Zweitjob. Er brauchte die Anonymität dieser Ferienhäuser. Nur würde ihm nach dem gestrigen Tag niemand mehr eines vermieten. Dieser Herr Kröger sorgte mit Sicherheit dafür, dass Thomas Name auf einer schwarzen Liste nicht erwünschter Gäste erschien. So etwas gab es in der Branche mit Sicherheit. Allein schon aus Schutz vor Zechprellern oder Chaoten die die Unterkünfte in Kleinholz zerlegten. Ihm blieb nichts weiter übrig als alle Aufträge zu stornieren.
Thomas leugnete es nicht. Als Anna Hausmann plötzlich vor ihm stand hatte er einen Augenblick weiche Knie. Noch niemals war er einem seiner früheren Opfer begegnet. Sie verschwanden wieder in dem Nichts aus dem sie gekommen waren. Soviel stand fest. Anna Hausmann hatte ihn nicht erkannt. Sie erinnerte sich an nichts. Im anderen Fall hätte sie Thomas selbst beschuldigt. Anna und ihr Begleiter hatten lediglich beobachtet wie er eine gefesselte Frau ins Haus führte und das Management informiert. Anna Hausmann musste das Zusammensein mit Thomas gut überstanden haben. Sie machte eindeutig Urlaub und einen Mann, der ihr vertraut den Arm um die Taille legen durfte hatte sie vor ihrem fehlenden Tag definitiv nicht. Vielleicht war dieses Erlebnis auch eine Initialzündung für sie, nicht mehr allein zu sein. Für die Männerwelt ein Segen. Anna Hausmann hatte eine Menge zu geben.
Thomas schloss den Koffer. Für Claudias Sachen reichte eine Tüte. Den pinken Lackbody musste er abschreiben. Den sah er nicht wieder. Bis dieser Kröger mit der Polizei vor der Tür stand lief alles perfekt. Mit Claudia Schäfer im Gepäckraum seines BMW suchte sich Thomas eine ruhige abgelegene Stelle. Natürlich sah er die Angst in den Augen der gefesselten und geknebelten Frau. Aber auch das Interesse nachdem er sich bei ihr für die Unannehmlichkeiten entschuldigt und ihr zum Tausch für ihre Dienste in der kommenden Nacht die Aufnahmen aus dem Musterhaus anbot. Für die Frau, die gefesselt in einer Ledercoursage von Andreas Mohrenkamp mehr oder weniger zum Oralverkehr erpresst wurde war es keine Frage. Sie wollte diese Aufnahmen und sie war bereit dafür zu zahlen. Sie hörte an was Thomas forderte und sagte, nachdem er ihr glaubhaft versichern konnte Mohrenkamp besäße keine Aufnahmen mehr zu. Das stimmte, denn der einzige in dessen Besitz sich diese und andere Aufnahmen befanden war Thomas. Er warf den Stick in die Tüte und stieg die Treppe hinab. Falls Claudia ihre Sachen abholte bekam sie auch die versprochene Gegenleistung.
In Zukunft würde sich Thomas wieder voll auf seinen Job konzentrieren können. Wenn er ehrlich zu sich selbst war hatte er dazu eigentlich keine Lust. Das Vertretergeschäft war ein mieses. Thomas beherrschte es zwar perfekt. Spaß machte es jedoch nicht. Nur was blieb ihm übrig? Für seinen geplanten Ruhestand reichten seine diversen Investments noch nicht aus. Ihm fehlten etwa 250.000 Euro. Eigentlich nicht mehr als ein anständiges Einfamilienhaus. Thomas blieb stehen. Natürlich, das war die Lösung. Es gab jemanden der die 250.000 ohne weiteres aufbringen konnte. Thomas wusste auch wie er mit diesem jemand in Kontakt treten konnte und etwas das diesen jemand 250.000 Euro Wert war besaß er ebenfalls.
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Der Golf stoppte auf dem Hof der Schäfers. Nachdem sie ihre Aussage bei der Polizei zu Protokoll gegeben hatten, war Chris auf Arbeit gefahren. Anna dagegen trommelte ihre Mitarbeiter zu einer Telefonkonferenz zusammen, ließ sich von dem gestrigen Tag berichten, verteilte die Aufgaben und erklärte, morgen auf jeden Fall wieder hinter ihrem Schreibtisch zu sitzen. Heute musste sie mit dieser Frau Schäfer sprechen. Thomas Leiwaldt hatte eine Tüte für diese Frau an der Rezeption abgegeben. Darin befand sich neben ihren Sachen auch ihr Handy. Tim Kröger rief einfach die dort gespeicherte Festnetznummer an, fragte nach der Adresse und erklärte, dass man Frau Schäfer ihre Sachen bringen würde. Seinen Worten nach war die Antwort mehr oder weniger zustimmend ausgefallen. Auch deutete Tim an, dass Frau Schäfer nicht mehr ganz nüchtern war. Anna konnte nur hoffen noch halbwegs vernünftig mit ihr zu reden.
Zu ihrer Überraschung zeigte die Frau die jetzt die Tür öffnete keine Spur von Trunkenheit. Ihr Blick war fest ihre Stimme klar. Das Make-up saß perfekt. Ebenso der bestimmt nicht billige Hosenanzug. „Sie?“, quittierte Claudia Schäfer Annas Anwesenheit. „Arbeiten Sie jetzt für diesen Ferienpark?“ „Nein.“, antwortete Anna Hausmann. „Ich will mit Ihnen reden. Da bot es sich an dem Feriendorf einen Weg abzunehmen.“ „Was müssen wir beide besprechen?“, fragte die Frau in der Haustür. „Zum Beispiel warum Sie Thomas Leiwaldt in Schutz genommen haben?“, warf Anna ihr entgegen. Claudia Schäfer reagierte schnell. „Sie haben nicht zufällig gesehen wie ich in das Nachbarhaus gebracht wurde. Sie haben das Haus beobachtet.“ Anna schwieg. Claudia Schäfer nahm es als Bestätigung. „Warum? Hat der Kerl Sie sitzen lassen?“ Sie lächelte. „Nein. Bestimmt nicht. Dafür sieht der Typ mit dem Sie zusammen sind einfach zu gut aus. Er passt auch besser zu Ihnen als Leiwaldt.“
Claudia Schäfer hielt Chris und sie für ein Paar. Zumindest schienen sie gestern Abend diesen Eindruck vermittelt zu haben. Ob andere das ebenso sahen? Tims Bemerkung als Christian gestern Morgen das Haus verließ deutete ebenfalls darauf hin. Waren sie es denn bereits? Anna schob diesen nicht unsympathischen Gedanken zurück. „Leiwaldt hat mich entführt, missbraucht und anschließend unter Drogen gesetzt. Vermutlich gibt es noch andere Opfer. Nur können sich die an nichts erinnern. Durch Zufall habe ich ein paar Fetzen im Gedächtnis behalten. Aber die Polizei glaubt mir nicht. Reicht das als Begründung?“ Claudia Schäfer gab den Weg frei. „Kommen Sie rein.“
Anna folgte der Hausherrin durch die große Diele in das Wohnzimmer. Bei dem Umbau dieses Hauses hatten die Handwerker ganze Arbeit geleistet. Die ehemals kleinen Zimmer waren zu einem riesigen offenen Raum vereinigt. Von ihm ging ein breiter Durchgang zur Küche. Diese musste bereits vor dem Umbau recht groß gewesen sein. In alten Bauernhäusern nichts Ungewöhnliches. Das ganze Haus war darauf angelegt Eindruck zu machen. Claudia Schäfer lebte nicht allein. Die grobe Herrenjacke und die Kinderstiefel sprachen dagegen. Annas Blicke entgingen der Hausherrin nicht. „Die Kinder sind auf Klassenfahrt und mein Mann wohnt die Woche über auswärts. Er leitet ein Möbelhaus. Mein Großvater nannte so etwas Bewährung an der Front. Danach wechselt mein Mann in den Vorstand der Firma hier in der Stadt.“
Ihre Hand griff nach der Tüte. „Darf ich?“, Anna reichte sie ihr. Claudia Schäfer sah hinein. Ihr Handy und ein USB-Stick waren die einzigen Gegenstände, die sie interessierten. Auf dem Wohnzimmertisch stand eine halb leere Flasche Weißwein. Sie hat getrunken, stellte Anna fest. „Ich vermute Sie bevorzugen zu dieser Zeit ebenfalls Kaffee?“, fragte die Hausherrin. Ohne eine Antwort abzuwarten verschwand sie in der Küche. Anna folgte. Ihre Gastgeberin hatte dies offenbar erwartet. Sie platzierte zwei große Tassen auf dem Küchentresen und wies auf zwei Hocker. Auch der Kaffee war bereits fertig. Über das Ertränken der Erlebnisse in Alkohol war Claudia Schäfer augenscheinlich hinweg. Sie setzte sich neben Anna. „Die Polizei ist zwar immer noch überzeugt, dass ich mit verschiedenen Männern Sex hatte, aber dass ich Geld dafür nehme konnten sie mir nicht nachweisen.“, begann ihre Gesprächspartnerin. „Zum Schluss waren sie wenigstens so anständig mich nach Hause zu fahren.“ Claudia Schäfer sah zu ihr hinüber. „Sie glauben auch, dass ich es mit jedem treibe?“ „Ich glaube gar nichts.“, antwortete Anna. „Dafür kenne ich Sie zu wenig.“
Die Frau neben ihr lachte. „Eine gute Antwort. Die Wahrheit ist, dass ich weder mit Andreas Mohrenkamp noch mit diesem Leiwaldt Sex hatte. Wenn Andreas Sex haben will, steigt er zu seiner so genannten Sekretärin ins Bett. Diese wechselt er regelmäßig aus. Danach machen die Mädchen in irgendeiner seiner Firmen Karriere. Mich brauchte er um seine devoten Fantasien zu befriedigen. Zumindest dachte ich das. Bei Leiwaldt war es ein Geschäft.“ „Ein Geschäft?“, fragte Anna. „So kann man es nennen.“, bestätigte die Hausherrin. „Leiwaldt hat nicht nur sie entführt. Er hat auch mich betäubt und verschleppt. Aufgewacht bin ich irgendwo auf einem Feldweg im Kofferraum seines Autos. Gefesselt und geknebelt. Dort schlug er mir das Geschäft vor.“ „Welches Geschäft?“, fragte Anna erneut. „Mohrenkamp hatte das Musterhaus mit Kameras verwanzt. Leiwaldt besaß die Aufnahmen. Woher weiß ich nicht. Auf jeden Fall war er auf ein Geschäft aus. Er wollte ein paar Clips mit mir drehen und dafür bekomme ich die Aufnahmen von Mohrenkamp.“
„Ein merkwürdiger Tausch.“, stellte Anna fest. „Was ist der Unterschied zwischen diesen Aufnahmen und den Clips für Leiwaldt?“ „Ganz einfach.“, erklärte Claudia Hausmann. „Auf den Aufnahmen war ich zu sehen. In ganzer Schönheit oder zumindest was in meinem Alter davon noch übrig ist. Sie verstehen?“ Warum sagt sie nicht einfach, dass sie nackt war, dachte Anna. „Auf den Clips hätte man mich nicht erkannt.“, fuhr ihre Gastgeberin fort. „Das hat Leiwaldt mir versprochen und ich habe ihm geglaubt.“ „Außerdem waren die Clips nicht für Leiwaldt, sondern für irgendwelche Auftraggeber bestimmt.“ Sie nahm einen Schluck Kaffee. „Für mich persönlich ist es ein großer Unterschied, ob sich irgendwo auf der Welt ein Kerl den ich nicht kenne und der mich nicht erkennt bei dem Clip einen herunterholt oder ob sich der Aufsichtsratsvorsitzende meines Mannes Nacktaufnahmen von mir im Internet anschauen kann. Damit hat Mohrenkamp gedroht und mich gezwungen ihn einen zu blasen. Wer weiß was der Kerl noch alles verlangt hätte. Aber jetzt kann er mich mal.“ Bei diesem Satz wirkte die Frau neben Anna erstaunlich zufrieden. Claudia Schäfer stand auf. Ein Zeichen das sie Annas Besuch für beendet hielt. „Sie entschuldigen, Frau Hausmann. Mein Mann erwartet mich heute Abend.“
Anna stieg in ihren Golf und fuhr los. Ein Gedanke ging ihr im Kopf herum. Bei Claudia Hausmann hatte Thomas Leiwaldt etwas besessen gegen das er die Dienste dieser Frau eintauschen konnte. Bei ihr und den anderen Opfern musste er diese Leistungen mit Gewalt erzwingen. Trotzdem glaubte Anna nicht, dass er diese Informationen in dem Kopf der Frau belassen wollte. Claudia Schäfer wäre wie den anderen auch ein fehlender Tag geblieben. Ob sie die Aufnahmen dieses Herrn Mohrenkamp je bekommen hätte blieb fraglich. Aber damit musste diese Frau selbst leben. Trotzdem hatte Anna etwas Entscheidendes erfahren. Thomas Leiwaldt hatte konkrete Aufträge. Tim Kröger mochte recht haben. Vielleicht gab es jetzt keinen unauffälligen Ort mehr um neue Projekte umzusetzen, aber die alten hatten Spuren hinterlassen und diese Spuren galt es zu finden. Anna ging jede Wette ein, in Thomas Leiwaldts Wohnung würden sie fündig werden. Nur was brachte das? Auf gestohlene Beweise gab die Polizei nichts.
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Das Zimmer dieses Landgasthofes war urgemütlich. Liebevoll und doch praktisch möbliert. Für Thomas hätte es aber auch eine Abstellkammer mit einem Bett sein können. Hauptsache die Betreiber des Hauses boten High-Speed-Internet und mit einem solchen Anschluss warb das Hotel. Thomas Entschluss stand fest. Funktionierte sein Plan kündigte er zum nächsten ersten seinen Job und machte eine lange Reise von der er gedachte nicht wirklich zurück zu kehren. Wenn er sich eingerichtet hatte würde er seinen Haustand in Deutschland auflösen und in seiner neuen Heimat, wo immer das auch war sein Leben genießen. Dazu fehlten ihm noch 250.000 Euro. Eine Summe, die ein weitsichtiger Unternehmer wie Andreas Mohrenkamp sicher bereit war zu zahlen.
Sein Plan war simpel. Er besaß zugriff auf das Smartphone des Bauunternehmers. Thomas hatte einige Ausschnitte der Clips auf das Smartphone gespielt und Mohrenkamp über einen Mitteilungsdienst eine Nachricht zu kommen lassen. Bei dem Absender handelte es sich um eine Pre-Paid-Karte, die Thomas extra zu diesem Zweck erworben hatte. Die Nachricht besagte nichts weiter als das Mohrenkamp über diesen Mitteilungsdienst Kontakt mit dem Absender aufnehmen sollte. Thomas hatte sich die Festplatte genau angesehen und dabei die Clips auf denen Claudia Schäfer zu sehen war gelöscht. Er hielt sein Wort. Die Aufnahmen für Mohrenkamp waren nicht zufällig ausgewählt. Zum einen handelte es sich um Mitschnitte aus dem Badezimmer des Gartenhauses. Seine aktuelle Sekretärin bevorzugte es nach dem Baden ihre Haare unbekleidet zu frisieren. Vielleicht mochte sie das feuchte Handtuch mit dem sie sich vorher gründlich abfrottierte nicht auf der Haut.
Die anderen beiden Clips stammten aus Musterhäusern. Wenn Claudia Schäfer die Inhalte der anderen Clips auf der Festplatte gekannt hätte, wäre ihre Reaktion weniger impulsiv ausgefallen. Sie wurde lediglich beim Umziehen gefilmt. Die beiden Aufnahmen, von denen Thomas Ausschnitte wählte waren ein ganz anderes Kaliber. Der erste zeigte eine Frau um die Fünfzig mit breiter Hüfte und großem Busen. Dieser Eindruck wurde durch ihr Outfit noch unterstrichen. Sie trug eine hautenge Leggins in Lederoptik, dazu Lackpumps mit hohen Absätzen und einen schwarzen BH mit massiven Körbchen und Spitzenbesatz. Der schmale Streifen Stoff über dem Bund der Leggins zeigte dasselbe Muster. Die Schuhe hätten besser unter ein Abendkleid gepasst und statt des BHs wäre ein Oberteil, das den Bauch der Frau bedeckte sinnvoller gewesen.
Das Outfit war eindeutig improvisiert. Die Frau wollte damit ihre dominante Seite zeigen. Doch an ihr wirkte es einfach lächerlich. Nicht lächerlich war der Umschnalldildo, den die Frau in den vor ihr stehenden jungen Mann rammte. Dieser war sicher nur halb so alt wie sie. Er hatte den Oberkörper über die Lehne eines Stuhles gebeugt. Seine Hände waren an die Stuhlbeine gebunden. Auch um seine Fußgelenke lagen Windungen, die diese mit dem Holz verbanden. Im Mund des jungen Mannes steckte ein Ballknebel. Sein rhythmisches Stöhnen klang Thomas ein wenig zu gespielt. Das heftige Keuchen der Frau hinter ihm war echt. Sie gab das letzte. Nur war dieser junge Mann vermutlich bereits heftiger genommen wurden. Die Frau hatte Thomas als Hauptabteilungsleiterin des für Bau- und Infrastruktur verantwortlichen Ministeriums identifiziert. Mohrenkamp war nicht zu sehen. Thomas hatte jedoch keinen Zweifel. Mohrenkamp arrangierte dieses Treffen und hatte der Frau Hauptabteilungsleiterin dafür großzügig eines seiner Musterhäuser zur Verfügung gestellt.
Dies galt auch für den letzten Clip, den Thomas ausgewählt hatte. Die dort auf dem Bett gefesselte Frau entsprach schon eher seinen Vorstellungen. Sie war gut 15 Jahre jünger mit einer ansprechenden Figur. Zwar hatten gutes Essen und zu wenig Bewegung bereits einige Pölsterchen hinterlassen. Aber nicht so viele, dass die Frau dort dick gewirkt hätte. Ihr Stöhnen klang im Gegensatz zu dem des Mannes aus dem anderen Clip durchaus echt. Die Ursache kniete zwischen den Schenkeln der Frau. Ein Mann, etwa im selben Alter. Gebaut wie ein Bär mit muskelbepackten Oberarmen und Händen wie Schaufeln. Diese drückten die Hüfte der Frau fest gegen das Bett, während seine Zunge sie zum Wahnsinn trieb. Der Oberkörper der Frau zuckte voll hilfloser Begierde. Ihre Brüste wippten. Die an den Knospen befestigten Klammern beschrieben wilde Kreise.
Die Frau war nackt. Zumindest beinahe. Sie trug lediglich weiße Nylons und gleichfalls weiße Stiefel. Ein dunkler Rock und die Reste einer weißen Bluse vervollständigten das Outfit. Streifen dieses Materials fixierten die Hände der Frau an dem Bettpfosten und hielten ihre Beine gespreizt. Der Rest ihrer Kleidung diente als Knebel. Der sicher nicht große Slip füllte ihren Mund keineswegs aus und wurde von einem trägerlosen BH an seinem Platz gehalten. Bei dieser sich in Ekstase windenden Frau handelte es sich um die Gattin eines Staatsekretärs. Es war die zweite Ehe dieses Herrn. Vom Alter her hätte die Frau aus dem vorherigen Clip an dessen Seite eine passendere Figur abgegeben. Der in die Jahre gekommene Gatte brachte im Bett wahrscheinlich nicht mehr die nötige Leistung. Aber dafür gab es den guten Freund Andreas Mohrenkamp, der so etwas diskret zu lösen verstand.
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Ob Anna schon im Ferienhaus war? Das Ergebnis ihres Besuchs bei Claudia Schäfer interessierte Christian immens. Immerhin hatte diese Frau ihren Plan sicher nicht absichtlich, aber erfolgreich in einen Reinfall verwandelt. Zwar schien Anna eine Idee zu haben, wie Thomas Leiwaldt doch noch aus dem Verkehr gezogen werden konnte, aber Christian war in dieser Richtung weniger optimistisch. Seiner Meinung nach lag Tim Kröger richtig. Sie hatten Leiwaldt, zumindest einen Strich durch die Rechnung gemacht. Ein großes Ferienhaus in der er seine Opfer versteckte und quälte würde er in absehbarer Zeit nicht mieten können. Aber die große Chance Leiwaldt auf frischer Tat zu überraschen war vertan.
Hinter ihm auf der Landstraße raste ein roter Fiat 500 heran. Die Lichthupe des Wagens blinkte auf. Der Tachometer von Christians Audi zeigte bereits die zulässige Höchstgeschwindigkeit. Trotzdem reichte dies dem Kleinwagen hinter ihm nicht. So ein Irrsinn, dachte Christian. Er war die Strecke während der Woche mehrmals gefahren und kannte sie. Vor ihnen lag eine Kurve. Die Verkehrschilder wiesen darauf hin und reduzierten die Geschwindigkeit auf 70 km/h. Vorsichtig bremste Christian an. Der Fiat war so dicht hinter ihm, dass er einen Unfall befürchtete. Noch lag seine Geschwindigkeit weit über der erlaubten. Der Fiat blinkte und scherte aus. Christian bremste ab. Mochte der Fahrer des Fiats mit seinem Leben spielen. Er nicht.
Zum Glück für den Raser kam ihnen kein Auto entgegen. Trotzdem blieb der Fiat auf der Gegenfahrspur. Der Wagen driftete weiter nach links. Der Fahrer musste die Kontrolle verloren haben. Jetzt erst reagierte er und bremste. Der Kies des Banketts spritzte gegen Christians Motorhaube. Dank ABS und ESP kam der Fiat nicht ins Schleudern. Trotzdem endete die Fahrt halb im Straßengraben. Der Motor erstarb. Chris bremste und schaltete die Warnblinkanlage ein. Mit langen Schritten überquerte er die Straße und riss die Tür auf. Eine junge blonde Frau hing schwer atmend im Sitz. Thomas löste den Sicherheitsgurt. In die junge Frau kam Bewegung. „Lassen Sie mich. Ich muss ins Krankenhaus.“ „Keine Angst wir rufen einen Rettungswagen.“, versuchte er sie zu beruhigen.
„Nein. Keinen Rettungswagen. Ich muss zu meinem Chef. Er liegt im Krankenhaus.“, stotterte die junge Frau. Ihre Hand drehte den Autoschlüssel. Der Motor sprang an. Die junge Frau riss an der Gangschaltung und trat auf das Gas. Die Räder drehten durch. „Das bringt nichts. Sie haben sich festgefahren.“, erklärte Christian so ruhig er konnte. Er schaltete den Motor aus und zog den Schlüssel ab. „Ich rufe einen Rettungswagen und die Polizei.“ Die junge Frau griff seine Hand. „Keine Polizei. Bitte. Ich bin in Ordnung. Mir fehlt nichts. Bitte, glauben Sie mir.“ „Wie Sie wollen.“, gab Christian nach. In der jetzigen Situation machte es keinen Sinn mit der Fahrerin zu streiten. Sie mochte ihre Gründe haben. „Trotzdem. Wir müssen verhindern, dass noch mehr passiert. Wo ist Ihr Warndreieck.“ Die junge Frau zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung. Vielleicht im Kofferraum.“
Christian fand es. Er ging die vorgeschriebene Entfernung zurück und platzierte es am Straßenrand. Bei seiner Rückkehr war die junge Frau ausgestiegen und telefonierte. Als sie Christian sah steckte sie das Telefon ein und kam ihm entgegen. „Sie müssen mich für verrückt halten?“, begann sie und fuhr sich mit der Hand durch das Haar. „Ich danke Ihnen, Herr…“ „Ballhofer.“, antwortete Christian. „Ich weiß selbst nicht warum ich so schnell gefahren bin. Das ist mir noch nie passiert.“, versuchte sich die junge Frau in einer Entschuldigung. Christian warf einen Blick auf den Fiat. Der Wagen saß auf. „Ohne Hilfe kommen Sie hier nicht weg. Ich schlage vor Sie rufen einen Abschleppwagen und ich warte so lange.“ „Das ist nicht nötig.“, wiegelte die Fahrerin ab. „Ich habe in unserer Firma angerufen. Es kommt jemand und kümmert sich um alles.“ Sie reichte Christian die Hand. „Ich möchte Sie nicht länger aufhalten. Nochmals vielen Dank für Ihre Mühe.“ Christian erwiderte den Händedruck. Er ging zu seinem Wagen und startete den Motor. Eine merkwürdige junge Frau, dachte er.
Das Handy auf ihrem Schreibtisch klingelte. Anna schaute auf das Display. Enttäuschung machte sich breit. Sie hatte mit einem Anruf von Chris gerechnet. Doch diese Nummer sagte ihr gar nichts. Dementsprechend kühl fiel ihre Meldung aus. „Hausmann.“ „Guten Tag, Frau Hausmann.“, meldete sich eine ruhige kultivierte Frauenstimme. „Mein Name ist Nicole Singer. Die Dame aus dem Wald. Sie erinnern sich. Herr Kröger vom Ferienpark hat mir diese Nummer gegeben.“
„Natürlich erinnere ich mich, Frau Singer.“, antwortete Anna deutlich freundlicher. Die Szenen im Wald drängten sich in ihre Erinnerung. Polizei. Rettungswagen. Der Zustand des Mannes musste besorgniserregend gewesen sein. Ein Rettungshubschrauber wurde angefordert. „Wie geht es Ihrem Mann, Frau Singer?“, fragte Anna. „Er ist noch im Krankenhaus.“, erklärte die Frau am Telefon. „Sein Zustand ist stabil.“ Sie machte eine kleine Pause. „Ich möchte mich bei Ihnen bedanken, Frau Hausmann. Bei Ihnen und Ihrem Mann. Ohne sie beide wäre mein Mann vermutlich nicht mehr am Leben.“ Schon wieder jemand der annahm Christian und sie wären zusammen. Diesmal sogar verheiratet. Anna widersprach nicht. Es machte auch keinen Unterschied was Frau Singer annahm. „Das mindeste was ich tun kann, ist sie zum Essen einladen. Herr Kröger sagte, sie hätten das Haus bis zum Samstag nächster Woche gemietet? Wäre Ihnen morgen Abend recht?“
Was die Anruferin über das Ferienhaus sagte stimmte. Aber nachdem ihr Plan gescheitert war hätten Chris und sie genau so gut nach Hause fahren können. Aber bezahlt war bezahlt. Sie konnten von Tim nicht gut verlangen den Restbetrag zurück zu erstatten. Außerdem war morgen bereits Freitag. Mit Chris dort zusammen das Wochenende zu verbringen war das mindeste. „Es würde uns freuen, Frau Singer.“, antwortete Anna. Die Anruferin freute sich wirklich. Aber das Restaurant das sie nannte gefiel Anna keineswegs. Die Prospekte im Ferienhaus empfahlen es zwar als den lokalen Gourmettempel. Doch Annas Lust den Abend dort zu verbringen ging gegen Null. Erstens hatte sie keine passende Garderobe und zweitens kam in dieser gehobenen steifen Atmosphäre kein rechtes Gespräch zustande.
„Das Restaurant des Ferienparks soll nicht schlecht sein. Zumindest hat Tim uns einen Besuch ans Herz gelegt. Warum treffen wir uns nicht einfach dort.“, schlug Anna vor. „Das ist eine gute Idee.“, antwortete Frau Singer. Ihre Stimme klang sichtlich erleichtert. „Ich komme dann einfach um sieben bei Ihnen vorbei. Einverstanden?“ Eine vernünftige Frau, dachte Anna. Sie würde es auch mit Humor nehmen, Chris und sie für ein Ehepaar gehalten zu haben.
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„Du gehst davon aus, dass Leiwaldt von allen Frauen Aufnahmen macht?“, fragte Chris. „Genau das meine ich.“, bestätigte Anna neben ihm. „Die müssen wir haben.“ „Wir können aber nicht einfach in seine Wohnung einbrechen.“, gab Chris zu bedenken. Er saß auf den Beifahrersitz von Annas Golf. Heute hatte sie die Fahrt zur Arbeit übernommen. Nach vorgestern Abend hätten sie auch ihre Sachen packen und nach Hause fahren können. Gestern Abend wollte Chris diesen bereits Vorschlag machen. Zwar dachte Anna nicht ans aufgeben und sicher war Leiwaldt noch in dieser Gegend. Schließlich war er auch wegen seines Jobs hier. Aber er war untergetaucht. Die Wahrscheinlichkeit, dass der Gesuchte am Freitagabend in seiner Wohnung eintrudelte war recht groß. Trotzdem wäre es eine Schande gewesen abzureisen. Das Ferienhaus war bezahlt und morgen war Freitag. Danach kam das Wochenende. Christian wollte es mit Anna gemeinsam verbringen. Wenn sie nicht die Entscheidung traf abzureisen, er würde es ganz sicher nicht vorschlagen.
„Natürlich können wir nicht in seine Wohnung einbrechen.“, seufzte Anna. „Trotzdem ist es die einzige Chance jetzt noch an diesen Leiwaldt heran zu kommen. Wir müssen wissen, welche Frauen, Paare oder auch Männer er bereits entführt hat. Nicht alle reagieren wie Niklas und seine Freundin. Es gibt bestimmt ein paar Menschen darunter, die wissen wollen was an ihrem fehlenden Tag passierte.“ Natürlich wären weitere Mitstreiter eine willkommene Hilfe. Nur wirklich weiter brachte sie das nicht. Vielleicht gab es noch eine andere Möglichkeit. Chris wollte gerade etwas sagen als Anna ihren Gedanken weiterspann. „Leiwaldt putzt bestimmt nicht selbst. Wir könnten versuchen über die Putzfrau in seine Wohnung zu kommen. Vielleicht konfrontiere ich ihn auch einfach mit meinen Erinnerungen. Er könnte ausrasten und mich angreifen. Dann hätte die Polizei einen Grund sich mit ihm zu beschäftigen. Vielleicht versucht auch er mich zu entführen. Du müsstest natürlich an ihm….
„Nein.“, unterbrach Christian schroff. Anna sah zu ihm hinüber. „Was hast du? Ich überlege nur wie wir weiterkommen. Willst du aufgeben?“ „Nein. Das will ich nicht.“. Er wollte nur endlich seinen Gedanken zu Ende bringen. „Du bist der Meinung, dass Leiwaldt Frau Schäfer trotz ihres Deals einen Black-Out verpassen wollte?“ „Davon gehe ich aus.“, bestätigte Anna. „Alles andere wäre ein zu großes Risiko. Diese Informationen, die er Claudia Schäfer gab waren viel zu sensibel um sie nicht verschwinden zu lassen. Falls die Schäfer bei Mohrenkamp Krach geschlagen hätte besäße dieser Leiwaldt einen Feind mit dem nicht zu Spaßen wäre.“ „Nachdem was du erzählt hast, denkt sie aber nicht daran Krach zu schlagen.“, gab er zu bedenken. „Ich habe gesagt hätte und wäre.“, verbesserte Anna. „Nachdem die Polizei sie mitnahm hat muss Claudia Schäfer den Mund halten und froh sein, dass sie die Aufnahmen besitzt. Mohrenkamp braucht nur behaupten er hat die Schäfer bezahlt. Dann ist sie dran wegen Prostitution. Wer will ihm verbieten zu einer Nutte zu gehen. Er ist ja noch nicht einmal verheiratet.“
„Er nennt seine Nutten Sekretärinnen und sie wohnen bei ihm auf dem Grundstück.“, warf Christian ein. „Das behauptet deinen Worten nach zumindest Claudia Schäfer.“ „Das glaub ich ihr sogar.“, bestätigte Anna. „Aber die haben bestimmt einen wasserdichten Arbeitsvertrag mit Krankenkasse und Versteuerung des Sachbezugs.“ „Trotzdem könnte uns Mohrenkamp nützlich sein.“, begann Christian seinen Gedanken in Worte zu fassen. Anna sah ihn erstaunt an. „Mit deinem hätte und wäre liegst du gar nicht so falsch.“, fuhr er fort. „Diese Aufnahme kann nur durch den Überfall auf Mohrenkamp in Leiwaldts Besitz gekommen sein. Das heißt er hat etwas mit diesen beiden Gangstern zu tun. Eine Tatsache die Mohrenkamp wissen sollte.“ „Was nützt uns das, wenn er es weiß?“ Anna verstand offenbar nicht. „Mohrenkamp ist ein einflussreicher Unternehmer.“, erklärte Christian. „Er wird Leiwaldt hassen. Ein paar Tipps an die richtigen Leute und die Ermittler beißen sich an Thomas Leiwaldt fest. Sein Verhalten vorgestern Abend war bereits ungewöhnlich. Tim sagt er hätte zugegeben einen Privatporno drehen zu wollen. Ein Grund mehr für die Polizei sich ihn genauer anzuschauen.“
Ein wissendes Lächeln zog über Annas Gesicht. „Ihn und seine Wohnung. Was werden sie bei einer Hausdurchsuchung finden? Duzende, wenn nicht sogar hunderte Clips. Darunter auch meine. Gut, dass ich damals bei der Polizei war. Dann müssen sie zumindest meinen Fall neu anpacken.“ Anna blickte kurz zu ihm hinüber. „Wir müssen herausfinden wo Andreas Mohrenkamp wohnt.“ Christian suchte sein Handy. „Tim wird es wissen.“
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Das Smartphone piepte. Thomas sah auf das Display. Mohrenbach. Es wurde auch langsam Zeit das sich der Kerl meldete. Natürlich überprüfte er zunächst, ob seine Sicherungskopien noch vorhanden waren. Aber das konnte doch keinen Tag dauern. Mohrenkamps Notebook im Haus war ohne Zweifel zerstört. Es musste das einzige Gerät im Haus gewesen sein. Jedes andere, Notebook oder Tablet hätten die Räuber mitgenommen. In deren Beute fand Thomas jedoch nur die kleine Festplatte. Ein Unternehmer wie Andreas Mohrenkamp brauchte nicht einen ganzen Tag um zu überprüfen, dass die Quelle seiner Aufträge verschwunden war. Diese Zeit brauchte er um Sicherheitsmaßnahmen zu organisieren. Vermutlich las nicht nur Andreas Mohrenkamp die folgenden Nachrichten mit.
Mohrenkamps Frage war ganz einfach. „Was soll das?“ Erkennen Sie die Clips, tippte Thomas zurück. Kurz darauf kam die Antwort. Eine Mischung aus Spekulation und Drohung. Natürlich war Thomas klar, dass Mohrenkamp den Überfall auf ihn mit den Clips in Verbindung brachte. Aber mit der Polizei drohen brauchte er nicht. Diese wird die Aufnahmen ebenfalls interessant finden, schrieb Thomas zurück. Besonders die Art und Weise der Entstehung. Eine Pause folgte. Was wollen Sie, kam die entscheidende Frage. 250.000, schrieb Thomas zurück. Wo und wie, lautete die Antwort. Das könnte dir so passen, dachte Thomas. Eine persönliche Übergabe schied aus. Mohrenkamp verfügte nach diesem Überfall garantiert über Sicherheitsleute. Kein wo und das wie ist nur eine Transaktion, schrieb Thomas zurück. Haben Sie die Unterlagen in Ihrem Schreibtisch gefunden?
Eine sofortige Antwort blieb aus. Thomas fürchtete schon Mohrenkamp hätte die Anspielung nicht verstanden, als endlich eine Nachricht eintraf. „Dann muss ich mich bei Ihnen bedanken.“ Soweit wollte Thomas nicht gehen, aber diese Unterlagen wären für jeden Steuerfahnder ein gefundenes Fressen. Allein deshalb würde er mit Mohrenkamp ins Geschäft kommen. Die Summe, die er verlangte war bei dem Guthaben das dieses Konto auf den Kanalinseln auswies durchaus realistisch. Die Transaktion einfach und so gut wie risikolos. Trotzdem schien Mohrenkamp zu überlegen. Er berät sich mit den Sicherheitsleuten. Erneut piepte das Handy.
„Ich melde mich.“, las Thomas zu seiner Verwunderung. Er fuhr sein eigenes Notebook hoch. Nach seinem Spy-Programm hatte sich Mohrenkamps Smartphone seit dem Überfall nicht mehr aus dem Haus bewegt und wurde in den letzten 24 Stunden kaum benutzt. Für Thomas keine Überraschung. Seit er die Clips darauf platziert hatte musste jedem klar sein, dass dieses Gerät nicht mehr sicher war. Mohrenkamp hatte das Gerät ausgeschaltet. Trotzdem war sicher, Mohrenkamp würde sich melden. Inzwischen konnte Thomas seinen Plan für den Tausch vorbereiten.
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„Ganz schön weit draußen.“, überlegte Anna und bremste den Wagen ab. Langsam rollte der Golf an dem Grundstück vorbei in Richtung Einfahrt. „Privatsekretärinnen fallen hier draußen weniger auf.“, antwortete Chris. „Warum machen Frauen so etwas?“ Sein Blick schien von Anna eine Antwort zu erwarten. „Ich meine, wenn du so ein Angebot bekommen würdest.“ „Ich bekomme kein Angebot mehr. Erstens bin ich über dreißig und zweitens sind meine Maße nicht 90-60-90. Beides kannst du unschwer erkennen.“ „Wenn du mir nicht gesagt hättest, dass du 31 bist hätte ich es erstens nicht gewusst und zweitens meine ich nicht jetzt, sondern sagen wir mal vor zehn Jahren.“ „Damals war ich auch nicht schlanker.“, antwortete Anna. „Nun lass mal deine Figur aus dem Spiel.“, trieb Chris diese eindeutig nervige Fragerei weiter. „Ich finde daran gibt es nichts auszusetzen.“ „Auch wenn es nicht stimmt. Trotzdem danke.“ Natürlich freuten sie Chris Worte. Anna wusste aber auch, dass er sie nicht mehr objektiv sah. Bei Chris hatte die Liebe zugeschlagen. Dies war nicht mehr zu übersehen.
Zu Annas Ärger blieb er an dem Thema dran. „Was hast du vor zehn Jahren gemacht?“ „Studiert. Was sonst? Worauf willst du hinaus, Chris?“, stellte Anna eine Gegenfrage. „Was bewegt eine junge Frau dazu sich auf dieses Arrangement einzulassen? Nicht mehr und nicht weniger.“, klärte er sie auf. Annas Kopf wies in Richtung der Einfahrt. „Frag Sie doch. Ich wette das dort oben ist Mohrenkamps derzeitige Privatsekretärin.“ Die Haustür stand offen. Eine junge blonde Frau rannte heraus. Sie trug ein dunkelblaues Kostüm ein weißes Top und passende Pumps. „Vielleicht mach ich das sogar.“, erklärte Christian. „Das ist die junge Frau von der ich dir gestern Abend erzählt habe.“ „Dann haben wir sogar ein Entree.“, sinnierte Anna. „Vielleicht auch nicht.“, erwiderte Chris. Der jungen Frau folgten zwei Männer in dunklen Anzügen. Die beiden hatten sie eingeholt und zerrten die sich verzweifelt Wehrende zurück ins Haus. Die Tür schlug zu.
„Das glaub ich nicht.“, stieß Anna hervor. „Glaub es ruhig.“, sagte Christian neben ihr. „Ich hab es auch gesehen. Mohrenkamp hat nach dem Überfall aufgerüstet.“ „Willst du immer noch mit ihm reden?“, fragte sie. „Definitiv nicht.“, erklärte Christian. „Der hat mehr auf dem Kerbholz als heimliche Aufnahmen einer Claudia Schäfer. Ich mache mir nur Sorgen um das Mädchen. Diese Gorillas waren ganz schön grob.“ „Sind ganz schön grob.“, verbesserte Anna. Das Tor einer der Doppelgaragen fuhr nach oben. Ein richtiger alter Landrover rollte heraus. Wer am Steuer saß war nicht zu erkennen. Aber einer der beiden Männer in dunklen Anzügen stieß die junge Frau vor sich her. Ihre Hände waren eindeutig auf den Rücken gefesselt. Das Gesicht verklebt. Die Hecktür wurde aufgerissen. Das Mädchen und der Kerl verschwanden darin.
Der Wagen passierte das Tor und bog auf die Straße. Anna legte den Gang ein. „Wir müssen hinterher.“ „Sei vorsichtig.“, mahnte Christian. „Sie dürfen uns nicht bemerken.“ „Ein Golf ist auch so ein auffälliges Auto.“, beruhigte Anna ihn. „Deiner schon.“, widersprach Chris. „Sie biegen wieder ab. „Das sehe ich.“, gab Anna zurück. „Das kann nur ein Waldweg sein.“ Sie passierte ohne abzubremsen die Einmündung. Es handelte sich tatsächlich nur um einen Waldweg. Eine Schranke versperrte die Weiterfahrt. Einer der Männer war ausgestiegen und beschäftigte sich mit dem Schloss. Anna fuhr vorbei. Nach einhundert Metern fand sich eine Stelle zum Halten. „Ich wette, das ist ein Privatweg.“ „Das schau ich mir an.“, entschied Chris und stieg aus. „Du wartest hier bis ich anrufe.“ Anna schüttelte den Kopf. „Hier kann ich nicht stehen bleiben. Ich fahre zurück zu Mohrenkamps Villa. Schräg gegenüber der Einfahrt gibt es einen Feldweg. Dort warte ich.“ „In Ordnung.“, bestätigte Chris und stieg aus.
Er verschwand im Wald. Anna wendete ihren Wagen und fuhr zurück zum Haus. Gerade noch rechzeitig um zu sehen wie sich das Eingangstor wieder verschloss. Ein dunkler Audi A8 verschwand hinter der nächsten Straßenbiegung. So ein Wagen passte zu einem Baulöwen wie Mohrenkamp. Anna schob den Wagen in den Feldweg. Ihr Telefon klingelte. „Anna, der Landrover kommt wieder zurück.“ Christian atmete schnell. Er musste rennen. Der schwere Wagen bog gerade um die Ecke. „Ich sehe ihn. Mohrenkamp ist gerade weggefahren. In die andere Richtung.“ „Versteck dich. Ich warte. Der Weg führt zu einer Art Jagdhaus. Ich schau mich um.“ Die Verbindung brach ab. Der Landrover fuhr auf das Grundstück. Vor einer der Garagen blieb er stehen. Einer der beiden Männer im dunklen Anzug stieg aus und ging ins Haus. Beim Wagen blieb es ruhig. Der zweite Mann musste also bei der jungen Frau geblieben sein.
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Der Weg zum Jagdhaus war geschottert. Das Haus selbst nicht besonders groß. Neben der Eingangstür stand eine Bank. Christian kannte solche Hütten. Vermutlich nur ein großer Raum mit Kochmöglichkeit, davon abgetrennt eine kleine Schlafkammer mit mehreren Betten, Bad und Toilette In den kleinem Anbau befanden sich nach Christians Meinung die Heizung und ein Wirtschaftsraum mit Hauswasserwerk. Das Haus lag weit genug im Wald um den Lärm der Straße nicht zu hören, aber so nah das es lohnte eine Stromleitung hinzuführen. Bei Gas, Wasser und Abwasser sich musste der Eigentümer behelfen.
Die Tür des Anbaus flog auf. Ein Mann trat heraus. Er zog die junge Sekretärin hinter sich her. Die Hände der jungen Frau lagen noch immer auf den Rücken gefesselt. Das Klebeband bedeckte jedoch nur noch ihren Mund. Christian wich ein wenig in den Wald zurück. „Dein Chef will dich verschnürt wie ein Paket in diesem Loch verrotten lassen.“, erklärte er. „Aber mein Partner und ich sind Geschäftsleute. Mohrenkamp hat Geld und du etwas anderes. Du weißt was ich meine?“ Die junge Frau nickte. „Ein paar Gefälligkeiten und du verbringst die paar Tage bis alles vorbei ist verhältnismäßig komfortabel im Haus.“, fuhr der Mann fort. „Was meinst du wie du nach ein paar Tagen in diesem Loch aussiehst? Wir könnten dich auf einer Müllkippe entsorgen und niemand würde etwas merken. Du hast die Wahl, Lisa.“
Die Lisa genannte junge Frau brabbelte etwas in den Knebel. „Also das Haus?“, fragte der Entführer. Die junge Frau nickte ergeben. Der Mann zückte ein Messer. Es knackte. Zwei Kabelbinder fielen auf den Waldboden. Die Hand der jungen Frau ging zum Tape über ihrem Mund. „Lass das.“, herrschte sie der Mann an. „Ausziehen.“, lautete sein nächster Befehl. Lisa schüttelte den Kopf. Der Kidnapper drohte mit dem Messer. „Striptease oder du landest in diesem Loch. Was meinst du was die Klamotten dir da nützen?“ Die junge Frau gab auf. Stück für Stück entledigte sie sich ihrer Kleidung. Die kurze Jacke, der knieumspielende dunkelblaue Rock und das weiße Top. Zum Vorschein kamen ein weißer String, ein passender Spitzen-BH und anstelle der Strumpfhose halterlose Nylons.
Die Push-up des BHs waren nicht zu übersehen. Diese Lisa hielt ihren Busen offensichtlich für zu klein. Christian fand der BH machte ihn im Verhältnis zu dem schlanken Körper unnatürlich groß. Die Proportionen stimmten nicht. Ihr kleiner fester Po wirkte dagegen beinahe knabenhaft. Als das Mädchen nach kurzem Zögern den BH ablegte, passte es wieder. Der Entführer sah das anders. „Nicht sehr beeindruckend.“, erklärte er. „Mein Freund und ich mögen es oben etwas runder. Aber da Mohrenkamp dich ausgewählt hat, hast du sicher andere Qualitäten.“ Er gab Lisa einen Wink. „Umdrehen und Hände auf den Rücken. Das reicht erstmal.“ Der Mann zog ein paar Kabelbinder aus der Innentasche und trat an die junge Frau heran. Mein Partner soll nicht denken, ich hätte mir einen Vorschuss geholt. Du hast doch schon mit zwei Männern gleichzeitig?“
Das Mädchen wurde in die Hütte gestoßen. Christian überlegte. Die Privatsekretärin war ohne Zweifel entführt wurden. Von Mohrenkamps Leuten und auf seine Anweisung. Das einfachste wäre gewesen, die Polizei zu alarmieren. Nur war Mohrenkamp nicht irgendwer. Bekam er einen Tipp könnte er die junge Frau rechtzeitig fortschaffen. Was blieb wäre ein Fehlalarm in dessen Zusammenhang mal wieder die Namen Anna Hausmann und Christian Ballhofer genannt wurden. Würde die Polizei eine Anzeige von ihnen das nächste Mal überhaupt noch ernst nehmen? Dieses Risiko durften sie nicht eingehen.
Die Tür wurde geöffnet. Der Mann trat heraus. Er zog sein Telefon aus dem Sakko. „Wie lange brauchst du um, die Sachen der Kleinen verschwinden zu lassen?“… „Ok. Das ist früh genug. Wir können sie sowieso erst wegschaffen, wenn es dunkel ist.“… „Nein, die Kleine ist zahm wie ein Lamm. Sie denkt, wenn sie es mit uns treibt ist sie in ein paar Tagen aus der Sache raus. Für sie finden wir ohne Probleme einen Abnehmer.“ … „Bring was zum Beißen mit. In der Hütte gibt’s nichts.“… „Ja. Ich behalte die Gegend im Auge. Wer soll sich schon hierher verirren? Der ganze Wald gehört doch sowieso Mohrenkamp.“ Der Mann setzte sich auf die Bank neben der Tür und streckte die Beine aus. Christian wich in den Wald zurück, zückte sein Telefon und tippte eine Nachricht. Er musste mit Anna reden.
„Die Sache mit der Polizei sehe ich ähnlich, Chris.“, stimmte Anna seinen Überlegungen zu. Sie standen an der Stelle an der Anna ihren Golf gewendet hatte. „Mohrenkamp besitzt Einfluss und Freunde. Wir würden uns nur lächerlich machen. Trotzdem müssen wir diese Lisa dort herausholen.“ Annas Stimme klang entschlossen. Natürlich müssen wir sie dort herausholen, dachte Christian. Nur wie? „Die Männer haben Messer. Vielleicht auch Pistolen.“ „Erstmal ist es nur ein einziger Mann.“, widersprach Anna. Sie lehnte sich an den Wagen und legte den Kopf in den Nacken. „Der Job dieser beiden Männer ist es Mohrenkamps ehemalige Privatsekretärin verschwinden zu lassen. Überleg mal, Chris. Was würden die beiden machen, wenn diese Lisa es schafft zu flüchten?“ „Bestimmt nicht zu Mohrenkamp rennen.“, antwortete Christian. „Die Entführer würden denken Lisa ist bei der Polizei und abtauchen.“
„Damit käme Mohrenkamp wieder ins Spiel.“ bestätigte Anna. „Würde die Polizei Lisa ihre Geschichte glauben? Du musst zugeben. Sie klingt ganz schön nach B-Movie-Trash.“ „Aber das Mädchen muss etwas wissen, das Mohrenkamp gefährlich werden kann.“, warf Christian ein. „Sonst würde er sie nicht loswerden wollen.“ Über Annas Gesicht zog ein Lächeln. „Genau. Um das herauszufinden müssen wir sie befreien.“ Sie blinzelte in die untergehende Sonne. „Du hast erzählt, die Kerle stehen auf Frauen mit dicken Titten? Mal sehen wie ihnen meine gefallen.“ Anna griff seine Hand. „Ich hab einen Plan. Komm. Wir müssen uns beeilen.“
„Du bist irre.“, versuchte Christian Anna, als sie endlich stehen blieb von ihrem Plan abzubringen. „Hast du eine bessere Idee?“, fragte Anna und streifte ihre Jacke ab. Die Bluse folgte. Darunter trug sie heute wieder einen Minimizer-BH. Passend zur Bluse in weiß. Er fand, dass diese Teile Annas Busen unschön plattdrückten. Anna erriet seine Gedanken. Sie griff an den Verschluss und streifte ihn ab. „Wie du siehst muss ich ihn unter dieser Bluse tragen.“, erklärte Anna. „Ich hatte heute ein Abteilungsmeeting. Die Männer sollen zuhören und mir nicht in den Ausschnitt starren.“ „Und die Frauen?“, fragte Christian verschmitzt. „Die wissen, dass ihre Chefin nicht plant als Busenwunder in der Firma Kariere zu machen.“, gab Anna zurück und stieg aus ihren Pumps.
Die Hose folgte. Darunter kam der zum BH passende Miederslip zum Vorschein. Diesen brauchte Anna nicht wirklich. Ihr Po war prall, rund und fest. Auch nach einem Damenbauch suchte man vergeblich. „Nicht so sexy wie der Slip dieser Lisa. Stimmt’s?“, warf sie zu Chris hinüber. Warum machte sich Anna immer schlechter als sie war. „Ich finde nur diese Kniestrümpfe extrem hässlich.“, antwortete Christian ausweichend. Anna sah an sich herunter. „Sind sie auch. Aber was soll ich sonst unter einer Hose tragen? Bei Strumpfhosen schaut immer der Bund hinaus.“ Sie zog sich die Feinkniestrümpfe von den Waden. Heute brauchen wir sie für etwas anderes.“ Anna reichte einen davon hinüber. „Mit dem fesselst du mir die Hände auf den Rücken.“ „Dann musst du dich umdrehen.“, sagte Christian. „Noch nicht.“, erwiderte Anna. Sie ging in die Knie und band das Ende des zweiten Strumpfes um ihren Knöchel. Ihre Finger rissen an dem Miederhöschen. Das bestimmt nicht billige Teil hielt das aus. Aber es rutschte hoch und gab Annas rechte Pobacke frei. Ihr reichte das offenbar noch nicht. Sie schob die linke Seite des Bundes soweit hinunter das ihre Scham gerade bedeckt war. Erst jetzt drehte sie sich um und legte die Hände auf ihren Rücken.
„Nun darfst du dein missbrauchtes und wehrloses Opfer fesseln, du Mistkerl.“, warf sie ihm über die Schulter zu. Christian schlang den Strumpf um die Handgelenke. Tief schnitt das gespannte und dünne Material ein. „Wenn ich mit gefesselten Händen bis zur Hütte durch den Wald gerannt bin sehe ich aus, als ob mich jemand überfallen und gefesselt im Wald zurückgelassen hat.“ „Noch nicht ganz.“, verbesserte Christian. Er zog an seiner Krawatte und band einen Knoten hinein. Anna schluckte den überraschten Schrei als sie den Knoten zwischen ihren Zähnen spürte herunter. Doch der Knebel war kein Selbstzweck. „Der Entführer braucht eine Beschäftigung damit ich mich anschleichen kann.“, erklärte Christian. Er hob Anna von den Füßen. Sie zappelte kurz mit den Beinen bevor sie mit dem Rücken im Laub landete. Die Blätter verfingen sich ihn ihren Haaren. „Meine Haare.“, zeterte sie durch den Knebel. „Jetzt siehst du aus als ob du auf dem Waldboden gegen die Fesseln gekämpft hast.“ Er half Anna auf die Füße. „Gib mir ein paar Minuten Vorsprung.“ Anna nickte. „Pass auf dich auf, du Wüstling.“, brabbelte sie. Christian gab ihr einen Kuss auf die Wange. „Du auf dich auch, meine zerstörte Traumfrau.“
Trotz der Dämmerung konnte Christian das Haus gut erkennen. Für den Mann auf der Bank musste der Wald dagegen nur eine dunkle Mauer sein. An der Rückseite des Hauses entdeckte er einen Holzstapel. Einer der Scheite war perfekt für seinen Plan. Christian schlug einen Bogen und nährte sich dem Stapel. Er griff einen Scheit. Vorsichtig spähte er durch das Fenster. Dahinter befand sich die Schlafkammer. Auf dem Bett lag die junge Frau. Arme und Beine weit von sich gestreckt und mit Kabelbindern wie ein X an dem hölzernen Kopf- und Fußteilen verzurrt. Ihr Mund war dick mit Tape verklebt. Sie lag ganz ruhig da. Tränen rollten über ihre Wangen. Sie hatten bereits breite Bahnen auf dem einstmals sorgfältig aufgetragenen Make-up hinterlassen. Was hatte diese junge Frau verbrochen, dass Mohrenkamp sie zwei Mädchenhändlern überließ? Sie musste etwas erfahren haben. Etwas das ihre sinnlose Raserei gestern erklärte. Gestern hatte sie sich nach dem ersten Schock hinter die Fassade verbindlicher Geschäftsmäßigkeit versteckt. Heute lag dort nur ein hilfloses Mädchen, das vor Angst alles tat was man von ihr verlangte. Egal wie pervers es wäre.
Christian verschwand wieder im Wald. Der Mann war aufgestanden. Er schien etwas zu hören. Jetzt vernahm es Christian auch. Rascheln. Das Brechen von Zweigen. Dazu verzweifeltes Heulen. Ohne Vorwarnung brach Anna aus dem Unterholz. Mit auf den Rücken gefesselten Händen torkelte sie auf den Mann zu. Der Griff unter seine Jacke, hielt sich aber im letzten Augenblick zurück. Die Kerle hatten demnach Pistolen.
Anna sah den Mann und wandte sich in dessen Richtung. Mit scheinbar letzter Kraft sank sie vor ihm auf die Knie. Der Mann fing sie auf und lies ihren Körper auf den Boden gleiten. Seine Hände lösten den Knebel. Christian packte den Scheit fester und sprang auf. „Ich bin vergewaltigt worden.“, stieß Anna nach Luft ringend hervor. „Bitte helfen Sie mir.“ Bevor der Mann antworten konnte traf der Holzscheit seinen Kopf. Er sackte zusammen. Christians Finger durchsuchten seine Taschen. Die befürchtete Pistole kam zum Vorschein. Dazu das Messer und ein Packen Kabelbinder. Keine Minute später war der Mann an Händen und Füßen gefesselt. Als Knebel diente seine eigene Krawatte. Anna drehte ihm den Rücken zu. Christian verstand. Ein Schnitt mit dem Messer. Die Handfesseln waren Geschichte. Er packte den Bewusstlosen und schleifte ihn in das Jagdhaus. Anna mit dem Holzscheit und den restlichen Sachen folgte. Der Vorplatz des Jagdhauses sah aus wie vor wenigen Minuten. Nur der Mann auf der Bank fehlte.
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Das Surren des Smartphones signalisierte das Eintreffen einer Nachricht. Der Absender war Andreas Mohrenkamp. Thomas hatte eine neue Nummer und ein anderes Gerät erwartet, aber Mohrenkamp nutzte sein gehacktes Smartphone weiter. Den Daten nach zwar nur für die Kommunikation mit ihm. Trotzdem war es ungewöhnlich. Mohrenkamp musste doch wissen, dass er damit zumindest seinen Standort verriet. Zurzeit befand er sich in seiner Firma. „Das Material reicht mir nicht.“, las Thomas. „Schicken Sie folgenden Clip.“ Eine Beschreibung und das ungefähre Datum folgten. Thomas schloss die Festplatte an sein Notebook an und suchte den Clip.
Es war einer der ersten. Mohrenkamp wollte offensichtlich wissen, ob sich die Festplatte tatsächlich in Thomas Besitz befand. Die Aufnahmen zeigten eine Frau um die Dreißig. Sie trug Jeans, Stiefel und einen dicken Rollkragenpullover. Der damaligen Mode entsprechend reichte der Pullover nur knapp bis zum Bund der Hose. Dieser war flach geschnitten und zeigte in bestimmten Situationen mehr als nur den Ansatz eines Strings. Über einen Stuhl hing eine dicke Jacke. Die Aufnahme musste im Winter entstanden sein. Über den Ort gab es keine Zweifel. Eines von Mohrenkamps Musterhäusern.
Die Frau auf dem Monitor zog ihren Pullover aus. Darunter trug sie einen mintgrünen Bügel-BH. Diese Farbe zeigte auch der Bund des aus der Hose blitzenden Strings. Dass er damit richtig lag konnte Thomas sehen, nachdem die Frau sich ihrer Stiefel und der Jeans entledigt hatte. Sie streifte die Wollkniestrümpfe, die sie in den Stiefeln getragen hatte ab. Die Figur der Frau hätte Thomas ebenfalls angesprochen. Mittelgroß. Schlank. Das Verhältnis von Busen, Taille und Po passte. Ihre Beine standen in der richtigen Relation zur Körpergröße und waren auch nicht zu dünn. Nur die Kurzhaarfrisur störte ihn. Thomas mochte Frauen mit langen Haaren.
Lediglich mit ihrer Unterwäsche bekleidet verschwand die Frau kurz aus dem Bild. Ab hier Übernahm eine andere Kamera. Die Frau lag in Unterwäsche auf einem breiten Bett. Ein Mann trat ins Bild. Thomas stoppte die Aufnahme und vergrößerte den Ausschnitt. Der Mann war Andreas Mohrenkamp. Vielleicht zehn Jahre jünger, aber eindeutig zu erkennen. Deshalb war dieser Clip wichtig. Zu Beginn seiner Karriere als Erpresser war Mohrenkamp dieser Fehler unterlaufen. Allein machte der Clip keinen Sinn. Außer das er zeigte, wie es Mohrenkamp auf dem Bett mit einer Frau trieb. Im Zusammenhang mit den anderen Clips ein sicherer Hinweis auf welche Weise diese Aufnahmen entstanden waren und wer sich dahinter verbarg. Thomas stoppte die Aufnahme und verschob den Clip auf Mohrenkamps Smartphone.
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Der bewusstlose Kidnapper glitt zu Boden. Christian verband mit einem weiteren Kabelbinder die Hand- mit den Fußfesseln und zog zu. Anna legte den Holzscheit ab und sah sich um. Über einem Stuhl hing ein dunkelblaues Kostüm. Darüber ein helles Top. Von dieser Lisa selbst war nichts zu sehen. Hinter einer Tür drang jedoch ein Schluchzen in den Raum. „Sie ist in der Schlafkammer.“, sagte Christian. „Bind sie los. Wir müssen verschwinden.“ Er griff die Jacke des Gefesselten und zog eine Pistole heraus. „Die haben Waffen.“ Anna warf ihm aus der Küchenecke ein Geschirrtuch zu. „Verbinde ihm die Augen, bevor er wieder zu sich kommt. Es reicht, dass er mich einmal gesehen hat.“ Sie selbst verschwand in Richtung des Geräusches.
Die junge Frau auf dem Bett hob ängstlich den Kopf. ihr Blick ging an Anna vorbei. Sie dachte vermutlich ihre Kidnapper hätten ein zweites Opfer in ihre Gewalt gebracht. Von einer Frau die lediglich Slip und Schuhe trug erwartete sie bestimmt keine Rettung. Anna zog der jungen Frau vorsichtig das Tape vom Mund. „Keine Angst. Wir bringen dich hier raus.“ Die Antwort bestand aus einem ungläubigen Blick. „Bleib ruhig. Ich bin gleich zurück. Ich hole etwas um die Kabelbinder durchzuschneiden.“
In einer Schublade der Küche fand Anna eine Schere. Wenige Augenblicke später war die junge Frau befreit. Anna half ihr auf. Immer noch benommen von der Situation ließ sie sich aus dem Raum führen. „Schneller.“, drängelte Christian leise und wies auf den Entführer. In den Gefesselten kam langsam Bewegung. Anna griff die Hand der jungen Frau. Doch diese riss sich los. „Meine Sachen. Ich muss mich anziehen.“ Das fehlte noch. Sie selbst war so gut wie nackt und würde dieser jungen Dame bestimmt nicht beim Anziehen zu schauen. Anna drückte ihr die Sachen in die Hand. „Nicht jetzt. Oben ohne am Strand hast du auch nicht mehr an. Komm!“ Aber diese Lisa bewegte sich keinen Schritt.
Christian eilte ihr zu Hilfe. Er packte die junge Frau und hob sie einfach über seine Schulter. Ihre Sachen fielen zu Boden. Anna hob sie auf. In diesem Moment öffnete sich die Tür. Im Rahmen stand der zweite Entführer. Sie saßen in der Falle. Der Mann griff unter seine Jacke. Mit einem Urschrei hob Christian die junge Frau über den Kopf und warf sie dem Eindringling entgegen. Sie riss ihn um. Anna ließ die Sachen fallen, packte den Holzscheit vom Fußboden und schlug zu. Der Mann sackte zusammen. Die junge Frau schrie auf. „Schaff sie hier raus.“, rief Chris. Anna zerrte die Geschockte auf die Füße und riss sie mit sich. Sie mussten in den Wald.
Mit gesenktem Kopf und dem Mädchen am Arm stürmte sie durch das Unterholz. Die dünnen Äste schnippten zurück und trafen ihre Begleiterin. Die kreischte auf und blieb stehen. Eine Ohrfeige ließ die junge Frau verstummen. „Halt die Klappe.“, fuhr Anna sie an und schob sie vor sich her. Das Gestrüpp lichtete sich. Im Laub leuchtete Annas weiße Bluse. Nur noch ein paar Äste und sie hatten es geschafft. Anna trudelte aus und lies sich zur Seite fallen. Die junge Frau landete neben ihr im Laub des Vorjahres. Anna rang nach Luft. Ihre Begleiterin war besser in Form. „Wer seid ihr, verdammt?“, hallte die Stimme des Mädchens durch den Wald. „Schrei nicht so.“, fauchte Anna zurück.
Aus dem Unterholz drangen Schritte. Christian stolperte heraus. Vor seiner Brust die Kleidung der jungen Frau. „Dich kenn ich.“, war wieder die Stimme des Mädchens zu hören. „Du warst bei meinen Unfall dabei. Verfolgt ihr mich?“ „Jetzt reicht es.“, brauste Anna los. „Du hältst die Klappe oder du landest gefesselt im Kofferraum.“ Diese Lisa gab nicht auf. „Ich will wissen wer ihr seid.“ Anna stemmte sich auf die Füße. „Zwei Leute die sich Sorgen um dich machen und jetzt zieh dich gefälligst an.“
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Andreas Mohrenkamps Antwort bestand aus einer Frage. Können wir telefonieren? Natürlich schrieb Thomas zurück. keine Minute später klingelte sein Smartphone. „Mohrenkamp.“, sagte eine Stimme. „Wie darf ich Sie nennen.“ „Das sage ich Ihnen, sobald wir uns einig geworden sind.“, antwortete Thomas. „Da sie alle Daten zu haben scheinen, gehe ich davon aus, dass Sie in einer gewissen Beziehung zu diesen Gangstern stehen, die meine Sekretärin und mich überfallen haben.“ „In einer Beziehung stand.“, verbesserte Thomas. „Knappe zwölf Stunden lang. Danach waren sie lästig und im Gefängnis besser aufgehoben.“
„Wie haben Sie sich den Austausch vorgestellt?“, fragte Mohrenkamp. „Eine Transaktion.“, erklärte Thomas. „Sie kennen Mister Richway auf Jersey?“, „Der Herr ist mir bekannt.“, bestätigte Andreas Mohrenkamp. Den Namen des Anwalts kannte Thomas aus den Papieren, die er im Schreibtisch deponiert hatte. Auch er hatte sich bereits der Hilfe dieses verschwiegenen Herrn bedient. „Mein Vorschlag ist, dass Herr van Dongen, Mister Richway die besagte Summe zu treuen Händen zu kommen lässt und Herrn Ritter über das Eintreffen des Betrages informiert. Ein oder zwei Tage später wird Mister Richway ein Paket mit einem von Herrn van Dongen bezeichneten Inhalt in Empfang nehmen und den Transfer an Herrn Ritter veranlassen.“
„Ich gehe davon aus Sie sind Ritter.“, erklärte Mohrenkamp. „Ich bin Ritter.“, bestätigte Thomas. „In diesem Fall keine Einwände.“, antwortete der Bauunternehmer. „Mister Richway wird noch diese Nacht die notwendigen Anweisungen erhalten.“ „Danke.“, antwortete Thomas, aber Mohrenkamp hatte die Verbindung bereits beendet.
Frisch geduscht, in einem viel zu großen T-Shirt von Anna und einem heißen Kaffee in der Hand hockte die junge Frau zusammen gerollt in einem Sessel. Sie hieß Lisa Forschner und war 22 Jahre alt. Derzeit arbeitete sie als Privatsekretärin bei Andreas Mohrenkamp und wohnte in dem Gartenhaus auf dessen Grundstück. Ihre Pflichten gingen über die Dienste, die von einer Sekretärin normalerweise erwartet wurden hinaus. Die junge Frau dort im Sessel nannte es einfach ihren Arbeitgeber gelegentlich Gesellschaft zu leisten. Dies schien sie nicht weiter zu stören. Der Job wurde gut bezahlt. Nach Ende des auf sechs Monate angelegten Vertrages erwartete sie ein Bonus im oberen fünfstelligen Bereich. Außerdem platzierte Mohrenkamp seine ehemaligen Privatsekretärinnen mit gutem Salär und Firmenwagen an neuralgischen Stellen seines Firmengeflechts. Er nannte sie schlicht Controller. Aber mit Controlling im betriebswirtschaftlichen Sinne hatten diese Damen nichts zu tun. Sie überwachten die dort arbeitenden Führungskräfte und belieferten Mohrenkamp mit Informationen.
„Mein Vertrag wäre in sechs Wochen ausgelaufen. Der Job danach stand schon fest. Andreas wollte, dass ich mich um den Typen der den Vertrieb der Fertigteilhäuser leitet kümmere.“, erklärte Lisa. Auf den ersten Blick wirkte sie gelassen. Unter der Fassade spürte Chris jedoch die Unsicherheit eines verängstigten Mädchens. Anna sah dies ebenso. Als er ihr beim Kaffee kochen half brachte sie dies auf den Punkt. „Ich wette, Mohrenkamp trainiert die Mädchen in diesen sechs Monaten auf solche Aufgaben. Genau aus diesem Grund wählt er sie aus. Frauen in diesem Alter sind noch formbar. Ein paar Jahre mehr und sie hätten ihren eigenen Kopf.“
Die junge Frau nahm einen Schluck Kaffee. „Ich hab genug von mir erzählt.“, erklärte sie entschieden. „Jetzt seid ihr dran. Für wen arbeitet ihr. Polizei, Zoll oder für die Konkurrenz?“ „Für niemanden.“, antwortete Christian. „Wir sind nur zufällig über dich gestolpert.“ Lisa lachte auf. „Das glaubt euch kein Mensch.“ „Glaub es uns einfach.“, erklärte Anna. „Eigentlich wollten wir Herrn Mohrenkamp um Hilfe bitten. Wir glauben jemand hat etwas, das ihm gehört und er gerne wiederhaben würde. Hinter diesem jemand sind wir her.“ „Genauer.“, forderte das Mädchen. „Wer ist dieser jemand?“ „Ein Mann der an den Überfall auf Herrn Mohrenkamp und dich beteiligt war.“, erwiderte Anna.
„Die Suche könnt ihr euch sparen.“, sagte Lisa. „Die beiden Gangster, die uns überfallen haben hat die Polizei geschnappt. Mit der gesamten Beute.“ „Wir glauben es gibt noch einen Dritten.“, widersprach Christian. „Außerdem sind wir der Meinung es fehlt etwas von der Beute.“ „Was sollte das sein?“, fragte die junge Frau. „Aufnahmen. Videos. Mitschnitte. Nenn es wie du willst.“, warf Anna ihr hinüber. Lisa sah sie erstaunt an. „Ihr wisst von den Clips aus dem Haus.“ Christian nickte. „Jetzt bis du wieder an der Reihe.“, forderte er unmissverständlich. Lisa Forschner entwirrte ihre Beine und setzte sich gerade hin. „Die Räuber prügelten die Kombination für den Tresor aus Andreas heraus. Mich haben sie halbnackt an die Treppe gefesselt. Die Polizei hat die Typen ein paar Stunden später geschnappt. Sie waren total zu gekifft.“, begann sie. „Auf jeden Fall musste Andreas ins Krankenhaus. Ich hab das Haus in Ordnung bringen lassen und mich um die Termine gekümmert. Dafür brauchte ich sein Smartphone. Darauf waren Clips.“ „Auf dem Smartphone?“, wunderte sich Christian. „Ja. Drei Stück.“, antwortete die junge Frau. „Die anderen waren sicher auf seinem Notebook. Das ist aber bei dem Überfall kaputt gegangen.“
Lisa schüttelte den Kopf. „Ich hätte nie gedacht, dass Andreas auf SM steht. Von mir hat er das nie verlangt.“ „SM?“, wunderte sich Anna. „Nur ein Clip auf dem Smartphone war von mir.“, erklärte Lisa. „Die anderen beiden waren irgendein Schweinkram aus dem Internet. Bondage und so. Nicht mal professionell. Nur fette alte Weiber in halbdunklen Zimmern. Kaum zu erkennen.“ Du arrogante kleine Zicke, dachte Chris. Warte ab wie du in zehn oder zwanzig Jahren aussiehst. Bei den Clips handelte es sich um geheime Aufnahmen wie jene von Claudia Schäfer. Ohne Zweifel eine attraktive Frau. An Anna kam sie natürlich nicht heran. Trotzdem war sie definitiv kein fettes altes Weib. „Im Krankenhaus hab ich Andreas das Smartphone gezeigt und gefragt was das soll.“, fuhr das Mädchen fort. „Er hat sich echt erschrocken, dass ich die Aufnahmen gesehen habe und wollte sofort nach Hause. Die Ärzte wollten ihn nicht gehen lassen. Aber das war Andreas egal. Ich musste ihn mitnehmen.“
„Zu Hause ist er dann sofort im Arbeitszimmer verschwunden.“, erzählte das Mädchen weiter. „Ich bin ins Gartenhaus und habe gepackt. Darin wollte ich keine Nacht mehr bleiben. Das ich ab und zu mit ihm schlafe war Teil des Deals. Diese Kameras nicht.“ „Das hattest du herausgefunden?“, fragte Christian. „Deshalb warst du wütend.“ „Ja.“, bestätigte Lisa. „Du hast deinen Chef aber nicht zum Teufel gewünscht.“, stellte Anna fest. „Nein.“, bestätigte die junge Frau. „Plötzlich stand Andreas in der Tür. Er hat sich entschuldigt und versprochen die Kameras abbauen zu lassen. So lange sollte ich im Gästezimmer schlafen. Er wollte nicht, dass ich gehe. Er hat mich förmlich angefleht zu bleiben. Ich hab ja gesagt und bin ins Gästezimmer gezogen. Am nächsten Morgen waren dann die beiden Typen, die mich später entführt haben im Haus. Andreas meinte nach dem Überfall wäre es besser sie hier zu haben.“
„Kanntest du die beiden“, wollte Anna wissen. „Nur vom sehen.“, antwortete Lisa. „Die beiden waren ein paar Mal im Haus. Mich hat das nicht interessiert. Ich vermute sie haben für Andreas ein paar Sachen erledigt an denen er sich nicht die Hände schmutzig machen wollte.“ „Warum haben sie dich entführt?“, fragte Chris. Die junge Frau im Sessel zuckte mit den Schultern. „Ich hab nur eine Vermutung. Am nächsten Tag wollte ich mit Andreas die Termine durchgehen. Er war aber irgendwie durch den Wind und ist herumgelaufen wie ein Löwe im Käfig.“ Lisa sah auf. „Total nervös.“ „Ich kann es mir vorstellen.“, erklärte Anna. „Irgendwann hat es mir gereicht.“, erzählte die junge Frau weiter. „Die Arbeit muss schließlich gemacht werden. Gerade als ich mir Andreas schnappen wollte rannte er wie ein Irrer mit seinem Smartphone in der Hand zum Schreibtisch und holte einen Umschlag aus der Schublade. Er riss ihn auf und blätterte in den Papieren. Dann tippte er etwas auf seinem Smartphone. Danach sah Andreas irgendwie zufrieden aus. Ich dachte es wäre ein guter Zeitpunkt endlich die Termine durchzugehen. Andreas muss mich nicht bemerkt haben. Er starrte mich nur an. Plötzlich schrie er nach den beiden Männern. Sie haben mich einfach gepackt, gefesselt und mir den Mund verklebt. Bevor sie mich aus dem Haus geschleift haben, sagte Andreas es wäre besser, wenn ich ein paar Tage aus der Schusslinie bin.“
„Nachdem sie dich in die Hütte geschafft hatten, hab ich ein Telefongespräch zwischen den beiden Männern mitgehört.“, warf Christian ein. „Danach solltest du mehr als ein paar Tage aus dem Verkehr gezogen werden.“ „Das war mir auch klar.“, antwortete Lisa und seufzte. „Ich hatte echt Panik.“ „Das war nicht zu übersehen.“, bestätigte Anna. „Ich muss Andreas bei irgendwas gestört haben.“, erklärte die junge Frau. „Etwas von dem niemand erfahren durfte. Im Chatverlauf seines Smartphones stand eine Zahl. 250.000 und auf dem Tisch lagen Papiere.“ „Was waren das für Papiere?“, wollte Anna wissen. „Kontounterlagen. Von einer ausländischen Bank. Auf Jersey glaub ich.“, antwortete die junge Frau und grinste. „Vielleicht sollte ich mal meine Mutter anrufen und nach Nicoles Nummer fragen? Damit könnte ich Andreas bestimmt in Schwierigkeiten bringen.“
„Wer ist Nicole?“, fragte Anna. „Eine Freundin meiner Mutter.“, klärte Lisa ihn auf. „Ich hab sie auf der Polizei getroffen. Die Typen hatten sie und ihren Mann ebenfalls überfallen. Nicole und ich mussten die Räuber identifizieren. Ihr Mann lag noch im Krankenhaus.“ Anna wurde hellhörig. „Warum sollte diese Nicole Herrn Mohrenkamp in Schwierigkeiten bringen?“ „Nicole arbeitet beim Finanzamt. Steuerfahndung glaub ich.“, antwortete Lisa. „Zumindest hat einer der Kripo-Leute so was gesagt. Nicole kannte die außerdem alle.“ „Ich mach uns nochmal Kaffee“, sagte Anna. Sie stand auf und verließ den Raum. Christian runzelte die Stirn. Anna wollte bestimmt keinen Kaffee mehr. Sie hatte eine Vermutung. Nur fand er diese etwas zu weit hergeholt. Christian entschuldigte sich bei der jungen Frau und stand auf.
In der Küche lehnte Anna an der Arbeitsplatte und dachte nach. „Du glaubst unser Freund ist der Empfänger der 250.000.“ „Genau das denke ich.“, erklärte Anna. „Wenn wir Mohrenkamp die Steuerfahndung auf den Hals hetzen, wäre Leiwaldt wieder im Spiel.“ „Ohne Beweise bringt das nichts.“, gab Christian zu bedenken. „Wir müssten ins Haus. Außerdem liegt der Umschlag bestimmt wieder im Tresor?“ „Na und.“ Lisa war ihnen gefolgt. „Die alte Kombination kenne ich als Andreas sie den Gangstern verraten musste. Die Tresorfirma kommt erst am Montag um eine neue einzustellen.“ Die junge Frau legte den Kopf zur Seite. „Vorher konnten die nicht und da nichts wertvolles mehr drin war hab ich auch nicht gedrängelt.“ „Aber das Haus hat doch sicher eine Alarmanlage?“, fragte Anna. „Den Code kenne ich.“, erklärte Lisa. „Andreas hat ihn bestimmt nicht geändert.“
Nach einer kleinen Pause brachte die junge Frau ihren Gedanken zu Ende. „Ich könnte ins Haus. Vorausgesetzt die beiden Typen, die mich entführt haben sind nicht dort.“ „Um die brauchst du dir keine Sorgen zu machen.“, antwortete Christian. „Die sind beide sicher verpackt.“ „Dann fahren wir zum Haus.“, entschied Lisa. Natürlich fahren wir zum Haus, dachte Anna. Aber zuerst müssen wir etwas anderes erledigen. „Chris, bevor wir in eine Falle tappen, schau bitte noch einmal in die Hütte und überprüfe, ob die Männer gut verpackt sind. Ich geh mich umziehen und muss telefonieren.“
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Lisa verschwand im Haus. Sie musste sich auf dem Grundstück wirklich gut auskennen. Keiner der Bewegungsmelder reagierte. Das Mädchen blieb ein kaum zu erkennender Schattenriss im fahlen Mondlicht. Mit Sicherheitspersonal rechnete Anna eigentlich nicht mehr. Sie beobachteten das Haus jetzt eine knappe Stunde. Lisa und sie selbst die Straßenseite. Chris hatte den Garten seinen Worten nach gut im Blick. Wären Sicherheitsleute auf dem Grundstück wären sie ihre Runden gegangen. Die beiden Entführer lagen noch sicher verpackt in der Hütte. Von ihnen ging keine Gefahr aus. Trotzdem mussten sie einige Vorsichtsmaßnahmen treffen. Dazu gehörte unter anderem, dass Anna Lisa begleitete und Chris ihnen mit seinem eigenen Wagen folgte.
Die Haustür wurde geöffnet. Der Schatten flitzte die Zick-Zack-Bahn zurück. Auch diesmal blieb sein Weg im Dunkeln. Ein paar Minuten später stieg ein wenig außer Atem, aber unverkennbar zufrieden Lisa Forschner in Annas Golf. In der Hand einen braunen Umschlag. „Nichts wie weg hier.“, forderte das Mädchen. „Ich sag nur Chris bescheid.“, erklärte Anna und tippte eine Nachricht. Sie startete ihren Wagen. Ohne die Scheinwerfer einzuschalten lenkte sie den Golf auf die Straße. Erst hinter der nächsten Kurve schaltete Anna das Licht ein. Lisa knipste die Leseleuchte an und zog einen Packen Blätter aus dem Umschlag. Hinter ihnen kam ein Wagen auf. Der Höhe der Scheinwerfer nach ein SUV. Anna verringerte die Geschwindigkeit und lies den Wagen passieren. Im Licht der Scheinwerfer tauchte ein Waldweg auf. Anna bog ab und stoppte ihren Wagen.“
„Kann ich mal sehen?“, fragte sie. Wortlos schob Lisa ein paar Blätter hinüber. Kontounterlagen. Den Belegen nach gab es regelmäßige Bewegungen. Meist Eingänge. „Alexander van Dongen.“, las Anna. „Ein Deckname.“, erklärte Lisa. Sie reichte Anna einen niederländischen Pass. „Keine Ahnung wie er sich das Teil beschafft hat, aber es ist Andreas.“ Anna Smartphone piepte. „Christian.“, sagte sie und schrieb zurück. „Er soll zum Ferienhaus fahren. Wir treffen uns dort.“ Sie gab Lisa die Papiere zurück. Die junge Frau packte sie in den Umschlag und schob sie in das Handschuhfach. Anna legte den Rückwärtsgang ein. Unvermittelt jaulte es hinter ihnen auf. Scheinwerfer strahlten durch das Rückfenster. Schatten hasteten durch die Nacht. Die Türen wurden aufgerissen. Bevor Anna es begriff lag sie neben ihrem Wagen auf der Erde. Ein Fuß stand auf ihrer Brust. Auf der anderen Seite schrie Lisa auf. „Stopf der Kleinen das Maul.“, fauchte eine Männerstimme. Lisas nächster Schrei endete in einem Röcheln.
„Was wollen Sie von uns?“ Auch Annas eigene Stimme war kaum mehr als ein Röcheln. „Kohle, Handys oder was Tussen wie ihr sonst noch rumschleppen.“, höhnte eine Stimme. „Meine Handtasche ist im Wagen.“, krächzte Anna. „Da drin finden Sie alles was Sie suchen.“ Die Autotür knallte. „Ich hab sie“, rief eine Stimme. „Aber nur eine.“ „Wo ist deine?“, hallte eine weitere Stimme durch die Nacht. Die Frage war an Lisa gerichtet. Das unverständliche Brabbeln zeigte, das im Mund des Mädchens ein Knebel steckte. „Sie hat keine dabei.“, antwortete Anna an Lisas Stelle. „Bitte glauben sie mir.“ Ein heller Schrei drang hinüber. Der Mann über Anna wandte den Kopf. „Was machst du Idiot da?“ „Die Kleine durchsuchen.“, erklärte die Stimme aus der Dunkelheit. „Ich will ihr Handy.“ „Volltrottel.“, tobte Annas Überwältiger. „Du begrapschst die Kleine nur. Ich zeig dir wie man jemanden durchsucht.“
Er winkte. „Ihr da. Herkommen.“ Zwei Gestalten nährten sich. Die Hand des Mannes wies auf Anna. „Schafft sie in den Wald.“ „Bitte. Nein.“ Anna versuchte die zupackenden Hände abzuwehren. Vergeblich. Sie wurde gepackt und auf die Beine gerissen. Kräftige Hände stießen sie in Richtung Wald. „Das reicht.“, entschied der Anführer. „Scheinwerfer drauf. Fernlicht.“ Das Licht von Annas Golf zeichnete ihren Schatten in den Wald. „Fesselt sie zwischen die Bäume. Die Kleine daneben.“ „Bitte.“, versuchte es Anna noch einmal. „Bitte, lassen Sie uns gehen.“ Plötzlich spürte sie etwas zwischen ihren Lippen. Einer der Männer hatte ihr ein Tuch in den Mund gestopft und festgezurrt. Annas Arme wurden nach oben gerissen. Kabelbinder ratschten. Ein Fuß traf ihre Beine. Anna taumelte. Die Kabelbinder verhinderten den Sturz. Sie spürte das Plastik an ihren Fußgelenken. Ihr Schatten ähnelte jetzt einem X.
„Verschwindet.“, scheuchte der Anführer seine Männer fort. „Kümmert euch um die Kleine.“ Er trat hinter Anna. Seine Hände fuhren über ihren Körper. Sie berührten ihn kaum. Dennoch hatte Anna das Gefühl seine Finger lagen auf ihren Brüsten, betatschten ihren Po und suchten einen Weg über den Bauch hinab zur Scham. „Du hast zwei Möglichkeiten, meine Süße. Striptease oder ich reiße dir die Klamotten persönlich herunter. Also!“ Er stand direkt hinter ihr. Seine Hände umfassten ihren Körper. Diesmal fühlte Anna seine Kraft. Der Atem des Mannes strich über ihr Ohr. Die Hände tasteten in Richtung ihres Busens. In der nächsten Sekunde würde er in der Hand des Mannes liegen.
„Es ist gleich vorbei, Frau Hausmann.“, flüsterte der Mann hinter ihr. Anna nickte unmerklich. „Die Bullen.“, schrie plötzlich jemand in ihrem Rücken. Der Motor des SUV sprang an. Getrappel war zu hören. Die Männer flüchteten. Eine Sirene zerriss die Nacht. Anna spürte ihre weichen Knie. Sie konnte sich kaum noch auf den Beinen halten. Sie hatten es geschafft.
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Besorgt suchten Christians Augen das scheinbare Chaos ab. Am liebsten wäre er ausgestiegen. Nicole Singer musste dies ahnen. „Bitte, Herr Ballhofer.“, bat die Steuerfahnderin. „Offiziell sind wir gar nicht hier.“ Sicher dachte Christian. Hier gab es zwei offensichtlich überfallene Frauen, angebliche Gangster die vor der Polizei geflüchtet waren und echte Polizisten die sich vergeblich bemüht hatten diese Gangster zu fassen. Die Ärzte, Sanitäter und die beiden Rettungswagen waren echt. Die Steuerfahnderin und Christian saßen in einem neutralen Mittelklassewagen etwas abseits des Geschehens. Niemand beachtete sie. „Frau Hausmann geht es gut. Sie war großartig. Das haben mir die Kollegen vom Zoll versichert.“, versuchte Nicole Singer ihn zu beruhigen. „Sie ist eine sehr mutige Frau.“
Natürlich ist sie eine sehr mutige Frau, antwortete Christian in Gedanken. Aber nicht in der Art in der die Steuerfahnderin es meinte. Dieser getürkte Überfall diente lediglich dazu der Steuerfahndung die Papiere in die Hände zu spielen. Zwei Frauen wurden von einer Gang überfallen. Eine zufällige Polizeistreife verhinderte das Schlimmste. Dabei entdeckten die Beamten im Wagen der Opfer diese Papiere. Für den Diensthabenden Beamten ein Grund sofort die Steuerfahndung zu informieren. Der Antrag auf einen Durchsuchungsbeschluss von Mohrenkamps Villa war bereits gestellt. Der Herr würde unsanft geweckt werden. Die Männer in der Jagdhütte saßen in Haft und Lisa Forschner würde für einige Zeit unter dem Schutz von Polizei und Justiz abtauchen. Eine Chance für die junge Frau ihr Leben neu zuordnen.
Nur half dies alles Anna nicht wirklich. Sie jagte ihren Entführer. Gegen Thomas Leiwaldt ermittelte niemand. Niemand schien sich ernsthaft Gedanken darüber zu machen, dass ein perverser Serienentführer jederzeit wieder zuschlagen konnte. Es gab nur zwei Menschen die das verhindern konnten. Eine davon wurde gerade in eine Decke gehüllt zu einem der Rettungswagen gebracht. Die zweite war Christian selbst. „Keine Angst. Morgen früh haben Sie ihre Verlobte wieder.“, bemerkte Nicole Singer neben ihm. Christian sah zu der Finanzbeamtin hinüber. „Verlobte? Anna und ich kennen uns noch nicht einmal zwei Wochen. Ich glaub das ist ein wenig zu früh um über eine Verlobung nachzudenken.“ „Seit zwei Wochen?“ Nicole Singer versuchte ihr Erstaunen nicht zu verbergen. „Ehrlich gesagt, hatte ich den Eindruck, dass sie bereits sehr lange zusammen sind.“
„Was glauben Sie? Wie wird Mohrenkamp reagieren?“, wechselte Christian das Thema. „Den Vorwurf den Auftrag zur Entführung seiner Sekretärin gegeben zu haben wird er abstreiten.“, erwiderte die Steuerfahnderin. „Ansonsten wird er vermutlich kooperieren und versuchen zu verhandeln. Zum Beispiel Informationen über Politiker gegen die Zusage in seinem Fall etwas großzügiger zu sein. Auf jeden Fall wird er seine Geschäftspartner ans Messer liefern.“ „Falls darunter ein Thomas Leiwaldt sein sollte schauen Sie sich diesen Mann bitte sehr genau an.“, bat Christian. „Er ist das größte Schwein von allen.“ „Was meinen Sie damit?“, fragte Nicole Singer verwundert. „Er entführt und missbraucht Frauen. Anna war eines seiner Opfer. Aber die Polizei glaubt ihr nicht.“, begann Christian.
Die Frau neben ihm hörte aufmerksam zu. Von Satz zu Satz verfinsterte sich ihre Mine. „Um so etwas durchzuziehen muss man vollkommen skrupellos sein.“, fasste die Steuerfahnderin zusammen. Sie sah zu Christian hinüber. „Ich verspreche Ihnen, wenn ich auch nur über den Namen Leiwaldt stolpere hänge ich den Kerl an seinen Eiern auf. Plötzlich schoss ein Blitz aus der Nacht. Uniformierte Beamte rannten in dessen Richtung. „Diese verdammten Reporter.“, fluchte Nicole Singer. „Das war es mit der Geheimhaltung.“ Die Steuerfahnderin sah zu ihm hinüber. „Entschuldigen Sie mich Herr Ballhofer. Ich muss jetzt dafür sorgen, dass Sie morgen die offizielle Version in der Zeitung lesen.“
Zufrieden klappte Thomas sein Notebook zu. Der Anwalt aus Jersey hatte sich gemeldet. Für Herrn Ritter läge eine Zahlungsanweisung vor. Mr. van Dongen habe ihn ermächtigt diese nach Eingang eines bestimmten Paketes Herrn Ritter zu übergeben. Mohrenkamp hatte Wort gehalten. Für Thomas hieß das heute noch einen Flug nach Jersey buchen. Am besten über London. Eine Fahrt mit dem Auto fiel aus. Dafür reichte das Wochenende nicht. Am Montag musste Thomas zurück sein um wieder seinem Job nachzugehen. Er plante sich langsam zurück zu ziehen. Seinen Job kündigen. Ein neues Domizil suchen und seinen Haushalt auflösen. Immer einen Schritt nach dem anderen. Thomas zog eine leichte Hausjacke über. Es war an der Zeit zu Frühstücken. Er packte das Notebook in die Tasche und verließ das Zimmer.
Im Frühstücksraum des Landgasthofes war Thomas der erste. Die Feriengäste drehten sich zu dieser Zeit noch einmal in ihren Betten um. Sie drängte nichts. Thomas schon. Ein junges Mädchen im Kellnerinnen-Outfit trat aus dem Nebenraum. Sie musste seine Schritte gehört haben. „Guten Morgen.“, begrüßte sie ihn. „Kaffee oder Tee?“ Thomas wählte Kaffee. Ohne hinzusehen griff er eine der auf einem Tisch neben dem Eingang bereitliegenden Tageszeitungen und reservierte damit einen Platz. Im Grunde überflüssig. Nicht weiter als eine alte Gewohnheit aus einer Zeit in der Thomas auf Reisen seine Nächte gewöhnlich noch in Hotels verbrachte.
Das Buffet war ebenso üppig wie einfallslos. Thomas mochte am Morgen weder Schinken noch Leberwurst. Dem Käse sah man an, dass er vor einer Stunde noch in der Packung gelegen hatte. Die Brötchen waren Aufbackware. Gab es denn in diesem Dorf keinen Bäcker, der seinen Laden um diese Zeit bereits geöffnet hatte? Diese Teiglinge waren eine Garantie für Magenschmerzen. Trotzdem Thomas musste etwas essen. Der Tag würde lang werden. Hinter ihm durchquerte das Mädchen den Frühstücksraum. Zielsicher hatte sie den Platz mit der Zeitung als seinen erkannt. Als Thomas sich setzte war das junge Ding bereits wieder im Nebenraum verschwunden. Er schenkte sich eine Tasse Kaffee ein und griff die Zeitung. Es handelte sich um die hiesige Lokalausgabe des Regionalblattes. Als Lokalpolitik verpackter Klatsch und Tratsch. Nichts was Thomas interessierte. Trotzdem war es besser als beim Essen aus dem Fenster zu starren.
Thomas faltete die Zeitung auseinander. Das Bild auf der Titelseite zog sein Interesse an. Streifenwagen mit Blaulicht in der Nacht. Nächtliche Razzia. Titelte das Blatt. Thomas las genauer. Durchsuchung bei Bauunternehmer. Andreas Mohrenkamp vorläufig festgenommen. Verdacht auf Steuerhinterziehung und Geldwäsche. Der Artikel enthüllte erstaunliche Einzelheiten. Die Reporter dieser Lokalredaktion beherrschten ihren Job. Grund für die Durchsuchung und die vorläufige Festnahme Mohrenkamps waren Unterlagen, die man bei seiner Privatsekretärin fand. Diese Papiere gelangten jedoch mehr durch Zufall in die Hände der Polizei. Mohrenkamps Sekretärin und ihre Begleiterin wurden letzte Nacht Opfer eines brutalen Überfalls. Die Täter flüchteten vor einer zufällig vorbeifahrenden Polizeistreife. Im Wagen der Begleiterin entdeckte die Polizei die bewussten Unterlagen. Ein Schnappschuss zeigte die beiden Frauen nach einer Untersuchung im Krankenhaus beim Verlassen des Gebäudes.
Das Bild war unscharf. Vermutlich mit einem Handy ohne Blitzlicht aufgenommen. Aber es zeigte zwei Frauen. Einmal die hübsche Blonde, die Thomas im Mohrenkamps Haus beobachtet hatte. Neben ihr ging, Thomas musste zweimal hinsehen, Anna Hausmann. Was um alles in der Welt hatte diese Frau mit Mohrenkamps Sekretärin zu tun. Eines stand fest. Anna Hausmann war hinter ihm her. Sie kannte Claudia Schäfer und wusste von deren Bekanntschaft mit Andreas Mohrenkamp. Vielleicht hatte diese Hausmann den Kontakt zu Mohrenkamps Sekretärin absichtlich gesucht. Dass sich diese brisanten Unterlagen zufällig im Wagen befanden wollte Thomas nicht glauben.
Thomas lies die Zeitung sinken. Ihm blieb auch nichts erspart. Anna Hausmanns Hartnäckigkeit und Andreas Mohrenkamps Dummheit. Hätte er nicht seine Kunden betrügen oder jemanden umbringen können? Aber ausgerechnet Steuerhinterziehung und Geldwäsche. Natürlich hatte Mohrenkamp seine Verbindungen zu den Kanalinseln verschleiert. Es würde seine Zeit dauern bis die Behörden diese nachvollziehen konnten. Eine andere Gefahr war jedoch weit realer. Mohrenkamp könnte kooperieren. Eine mildere Strafe gegen Informationen.
Thomas schnitt ein Brötchen auf. Er musste handeln. Das Geld von Richway holen und Herrn Ritter verschwinden lassen. So schnell es ging. Ein Flug kam nicht mehr in Frage. Der Name Thomas Leiwaldt durfte auf keiner Passagierliste nach Jersey auftauchen. Er musste den Wagen nehmen und mit der Fähre übersetzen. Das brauchte seine Zeit. Außerdem wäre es besser die Pistole, statt im Reisegepäck zu verstauen bei sich zu tragen. Auf jeden Fall musste Thomas seine Termine heute absagen und am Montag würde er sich krankmelden. Diese Woche lief auch alles schief. Thomas faltete die Zeitung zusammen, schob das Brötchen in den Mund und spülte mit Kaffee nach. Als dieses wenig appetitliche Gemisch seinen Magen erreichte stieg Übelkeit auf. Thomas schluckte sie herunter. Er durfte keine Zeit verlieren.
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Annas Golf surrte im niedrigen Drehzahlbereich über die Landstraße. Sie saß allein im Wagen. Heute war Freitag und damit der Tag an dem Chris gewöhnlich länger arbeitete. Dafür fuhr er ein wenig später los. Für Anna machte das keinen Unterschied. Aber es bedeutete, dass sie allein zurückfahren musste. Den Rückweg für die Einkäufe zu nutzen bot sich an. Vielleicht schaute sie auch noch einmal in ihrer Wohnung vorbei. Die Nacht war kurz gewesen. Anna fühlte sich ein wenig müde. Dennoch auf eine eigenartige Weise euphorisch. Sie freute sich auf das Wochenende. Ob ihre Mitarbeiter dies merkten? Seit sie mit der Jagd auf ihren Entführer begann, hatte sich ihr Leben vollkommen verändert. Christian hatte es verändert. Sie war nicht mehr allein. Wenn es nach ihr ging würde sie es nie wieder sein. Nach dieser Nacht gehörte Christian endgültig zu ihr. Sie liebte ihn. Daran gab es keinen Zweifel. Innerlich musste Anna schmunzeln. Sie hatten erst einmal miteinander geschlafen. Einfach und ganz spontan. Danach fanden sie irgendwie nie die Zeit dazu. Dieses Wochenende würden sie alles nachholen. Anna war sicher auch Christian fieberte diesem Wochenende entgegen.
Der Preismast einer Tankstelle tauchte am Straßenrand auf. Anna warf einen Blick auf die Uhr. War Zeit genug für einen Kaffee? Heute Morgen hatte sie aus Zeitmangel darauf verzichtet. Zugegeben das Tankstellengebräu war nicht das Beste, aber es enthielt Koffein und das brauchte sie jetzt. Anna bog ab. Der Golf stoppte auf einem der Parkplätze seitlich neben dem Gebäude. Anna stieg aus.
Ein paar Minuten später trat sie mit einem Coffee-to-Go aus dem Verkaufsraum. Das Getränk war heiß. Auf den Weg zum Wagen wechselte der Becher mehrmals die Hand bis er schließlich auf dem Autodach abgestellt wurde. Anna suchte in ihrer Handtasche nach dem Schlüssel. Von der Rückseite des Gebäudes war eine Stimme zu hören. Jemand telefonierte. Dieser jemand Sprach englisch. Mit einem, wie Anna fand schrecklichem Akzent. Ihr eigenes Englisch konnte man sicher nicht als perfekt bezeichnen, aber so schlecht wie die Aussprache des Unbekannten war es auf keinem Fall. Dafür sprach er erstaunlich flüssig. Endlich spürten ihre Finger den Schlüssel. Sie drückte den Knopf. Die Zentralverriegelung sprang auf. Anna deponierte gerade den Becher in der Halterung als das Wort Jersey fiel. Sie horchte auf. Gestern um diese Zeit wäre der Name dieser Kanalinsel einfach an ihr vorbeigegangen. Heute war er ein Synonym für ein Verbrechen.
Die junge Frau spitzte die Ohren. Es fiel ein Name. Richway. Dann ein zweiter. Dieser lies Annas Bewegung abrupt stoppen. Mister van Dongen. Mohrenkamps Deckname. Die junge Frau sah sich um. Alle Parkplätze an der Seite der Tankstelle waren leer. Zwischen den Tanksäulen parkte ebenfalls niemand. Also musste der Anrufer seinen Wagen an der Rückseite abgestellt haben. Vorsichtig ging Anna ein paar Schritte nach hinten. Dort stand tatsächlich ein Auto. Ein BMW X5. Anna tastete sich noch etwas weiter vor. Der Anrufer stand neben der Tür der Herrentoilette. Der Schlüssel mit dem klobigen Anhänger steckte.
In diesem Moment drehte sich der Mann um. Annas Herz schien einen Augenblick auszusetzen. Der Anrufer war Thomas Leiwaldt. Nichts wie weg, schoss es der jungen Frau durch den Kopf. Sie rannte los. Im Rücken hörte sie Thomas Leiwaldts Schritte. Anna hatte ihren Wagen erreicht. Die Fahrertür stand noch offen. Mit einem Satz landete sie auf dem Sitz. Ihre Hand suchte den Griff. Plötzlich wurde sie gepackt. Ihr Kopf wurde auf das Lenkrad gedrückt. Sie spürte etwas Kaltes im Genick. „Keinen Ton.“, zischte Thomas Leiwaldt. „Das ist eine Pistole. Wir gehen jetzt zu meinem Wagen. Verstanden? Anna Hausmann nickte. In ihrer Lage blieb ihr keine andere Wahl.
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„Auf den Fahrersitz.“, herrschte Thomas die gebeugt vor ihm laufende Frau an. Wortlos stieg Anna Hausmann in den SUV und kroch über die Mittelkonsole. Thomas kletterte auf den Beifahrersitz. Annas Handtasche landete auf der Rückbank. Thomas schlug die Tür zu. „Losfahren.“, lautete sein nächster Befehl. Die Frau hinter dem Steuer sah ihn fragend an. „Wohin?“ „Das sag ich dir schon.“, fauchte Thomas. Erst einmal weg hier. Irgendetwas würde ihm schon einfallen. Anna Hausmann startete den Motor und steuerte den BMW in Richtung Straße. „Nach rechts.“, wies Thomas die Frau neben ihm an. Er hatte eine Entscheidung getroffen. In ungefähr einem Kilometer bog ein geschotterter Weg in den Wald ab. An Verbotschilder konnte sich Thomas nicht erinnern. Dort würde er Anna Hausmann sein Spezialmittel verabreichen und die junge Frau zurücklassen.
Sie hatte etwas gehört, das sie besser nicht gehört hätte. Also musste er dafür sorgen, dass sie es vergaß. Für ihn kein Problem. Anna Hausmann würde sich an nichts mehr erinnern. Erst recht nicht, wie sie zu dieser Stelle kam. Trotzdem war es ärgerlich, dass sie ihm über den Weg lief. Thomas verfluchte sich selbst für die Hast in der er sein Frühstück herunter geschlungen und das Hotel verlassen hatte. Warum war er nicht einfach noch einmal auf die Toilette gegangen? Er spürte doch wie diese Aufbackbrötchen seinen Magen terrorisierten. Hätte er sich zehn Minuten mehr Zeit gelassen, wäre ihm der Gang auf diese Tankstellentoilette erspart geblieben.
„Bieg dort vorne ab.“, wies Thomas die Fahrerin an. Anna Hausmann bog in den Waldweg ein und stoppte den Wagen. „Fahr weiter.“, forderte Thomas. Die Frau auf dem Fahrersitz sah ihn verwundert an. Sie gab Gas. Steine spritzten. Dem Lack des BMW tat das nicht gut. Doch das war jetzt Thomas geringste Sorge. Der Schotterweg führte schnurgerade in den Wald. Keine Möglichkeit anzuhalten. Das Mittel befand sich in einer Tasche im Laderaum seines BMW. So einfach kam er dort nicht heran. Außerdem musste er Anna Hausmann während dieser Zeit an einer Flucht hindern.
„Was wollen Sie in dieser Einsamkeit?“, fragte sie. „Dafür sorgen, dass du mein Gespräch an der Tankstelle vergisst.“, antwortete Thomas. „Ich vermute Sie werden sich nicht mit einem Versprechen von mir zufrieden geben.“, entgegnete Anna. „Was haben Sie vor. Mich umbringen?“ „Es gibt noch andere Möglichkeiten.“, erwiderte Thomas. „Welche wären das?“, wollte Anna Hausmann wissen. Thomas grinste. „Fotos oder Clips, die man im Internet besser nicht von sich sehen möchte. Du verstehst.“ „Vollkommen.“, lautete die lakonische Antwort. „Sie meinen einen Privatporno. So wie Sie ihn in diesem Ferienhaus drehen wollten.“ „Du hast es erfasst?“, bestätigte Thomas. Sein ganzes Gerede war nichts weiter als eine einzige Lüge. Außerdem würde Anna Hausmann das Mittel bestimmt nicht freiwillig nehmen. War sie erst einmal gefesselt hatte die Frau jedoch keine Wahl.
Der Weg wurde breiter. Endlich eine Chance zum Halten. Durch die Bäume schimmerte ein Bauwagen der Forstverwaltung. „Fahr rechts ran und halt an.“, befahl Thomas. Der BMW bremste ab und hielt. Thomas schaltete den Motor aus und nahm den Schlüssel. „Hände hinter den Kopf.“ Anna Hausmann gehorchte. Thomas stieg aus. Ein Wink mit der Waffe ließ Anna folgen. Ein weiterer Wink wies ihr den Weg zum Bauwagen. Thomas trat zur Seite und zog an der Tür. Sie war offen. „Rein da.“
Mit immer noch hinter dem Kopf verschränkten Händen stieg die junge Frau die Leiter hinauf. Ihr langes Haar fiel über die Jacke des dunkelroten Businesskostüms. Es endete knapp über ihrem runden Po. Dieser machte in dem knieumspielenden Rock eine extrem gute Figur. Auch die von einer hautfarbenen Strumpfhose bedeckten Beine waren ein netter Anblick. Es ärgerte ihn, dass Anna Hausmann seinen Blick bemerkte. „Umdrehen und Hände auf den Rücken.“ Anna folgte der Anweisung. „Was soll das denn jetzt wieder? Ich hätte gewettet, dass ich mich jetzt ausziehen muss.“ „Warum hast du es so eilig?“, fragte Thomas. „Ich muss erst noch etwas vorbereiten.“
Er zog seine Krawatte ab und fesselte der jungen Frau die Hände auf den Rücken. Etwas Besseres hatte er derzeit nicht zur Verfügung. Handschellen, Knebel und Seile lagen sicher verpackt im Kofferraum seines Wagens. Er drückte Anna auf einen Stuhl und zog seinen Gürtel aus der Hose. Tief schnitt das Leder in ihren Körper als Thomas den Gürtel hinter der Stuhllehne festzog. „Au.“, stöhnte Anna. Thomas ging nicht darauf ein. „Du brauchst nicht versuchen zu schreien. Es hört dich sowieso niemand.“ „So wie Sie mir dem Magen eingeschnürt haben macht mir etwas ganz anderes Sorgen.“, quetschte die gefesselte Frau hervor. „Falls ich mich übergeben muss könnte ich ersticken.“ „So lange bleibst du nicht allein.“, antwortete Thomas und verließ den Bauwagen.
Aus dem Kofferraum holte er zwei Taschen. In einer befand sich sein Fesselequipment. Bei der zweiten handelte es sich um seine Pharmazietasche. Mit dieser stieg Thomas auf den Rücksitz seines Wagens. Auf der Straße wollte er das Mittel nicht anmischen. Thomas schob Anna Hausmanns Handtasche bei Seite. Ein Zettel rutschte heraus. Er hob ihn auf und wollte ihn wieder zurückstecken. Der Name darauf ließ Thomas stutzig werden. Niklas Möller. Auch die Adresse stimmte.
Hastig zog Thomas Anna Hausmanns Smartphone aus der Tasche. Er durchsuchte die Kontakte und Protokolle. Nichts. Auch in den Email- und Messengerdiensten fand sich kein Hinweis darauf, dass Anna und Niklas in Verbindung standen. Thomas Befürchtungen schienen sich nicht zu bestätigen. Bis er auf die Downloads stieß. PDF-Dokumente von Bebauungsplänen. Was wollte Anna Hausmann damit? Wie kam sie an die Adresse seiner nächsten Opfer? Es gab nur eine Antwort auf diese Frage. Sein Mittel schien bei der Frau im Bauwagen nicht vollständig gewirkt zu haben. An irgendetwas konnte sie sich erinnern und an diesem Etwas hatte sich Anna Hausmann entlang getastet. Es war kein Zufall, das als Claudia Schäfer bei ihm war die Polizei an der Tür klingelte. Diese Hausmann und ihr Kerl spionierten ihm nach.
Das veränderte die Situation vollkommen. Es reichte nicht aus, dass Anna Hausmann das Gespräch an der Tankstelle vergaß. Er musste sie endgültig beseitigen und Thomas wusste auch wie. Anna Hausmann war an der Tankstelle einem perversen Sex-Gangster in die Hände gefallen. Sie wurde entführt und diese Entführung endete tödlich.
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Der Gürtel dieses Irren schnitt ihr in den Magen. Anna versuchte ruhig und gleichmäßig zu atmen. Nicht nur um die Schmerzen auszuhalten, sondern auch ihre aufsteigende Angst in den Griff zu bekommen. Sie war zur falschen Zeit am falschen Ort und hatte etwas gehört. Leiwaldts Worten nach lief alles auf eine Erpressung hinaus. Er würde einen Clip mit oder genauer gesagt von ihr drehen. Über den Inhalt machte sich Anna keine Illusionen. Leiwaldt hatte genug Erfahrung. Die wenigen Bruchstücke aus ihrer Erinnerung genügten um zu wissen was auf sie zukam. Gab es eine Möglichkeit zur Flucht? Leiwaldt bedrohte sie mit seiner Pistole. Das hatte er aber auch im Ferienhaus getan. Damals gelang ihr um ein Haar die Flucht. Sie musste auf eine Gelegenheit warten. Besser gesagt, musste Anna daraufhin arbeiten. So wie sie es im Ferienhaus tat. Schwierig, aber nicht unmöglich. Immerhin ahnte Thomas Leiwaldt nicht, dass sie sich an das Ferienhaus erinnerte. Das war ihr Geheimnis.
Die Tür des Bauwagens wurde aufgerissen. Thomas Leiwaldt hatte eine Tasche dabei. Die Pistole steckte im Bund seiner Hose. Die Tasche wanderte auf den Tisch vor ihr. Thomas Leiwaldt trat hinter den Stuhl und löste den Gürtel. Anna atmete durch. „Steh auf.“, wies er sie an und griff nach seiner Pistole im Gürtel. Anna befolgte seine Anweisung. „Ausziehen.“, lautete der nächste Befehl. Anna zog ihre Jacke aus und öffnete den Rock. Er glitt an ihren Beinen hinab. Das darunter lies Thomas auf sehen. Er musste einen Miederslip erwartet haben. Doch stattdessen trug Anna heute einen weißen String unter der Strumpfhose. Die Ursache dafür war einfach. Sie hatte keinen sauberen Miederslip dabei. Der vorletzter war nach der Aktion bei der Jagdhütte reif für die Wäsche und den letzten trug sie in der Nacht bei dem Sondereinsatz des Zolls. So blieb unter einer Strumpfhose nur ein String als Alternative. Dazu ein weißes Top mit ausgeformten Cups als Ersatz für den BH.
Dieses Outfit schien Thomas Leiwaldt magisch anzuziehen. „Was starren Sie so?“, fuhr Anna ihn an. „Haben Sie noch nie eine Frau im String gesehen. Bei Ihrem Hobby dürfte das kaum wahrscheinlich sein.“ „Halt die Klappe.“, schoss es zurück. Ihr Entführer wies auf die Tasche. „Dort drin sind ein Paar Handschellen. Nimm sie heraus und leg sie dir an. Die Hände auf den Rücken.“ Anna zog den Reißverschluss der Tasche auf. Sie sah die Handschellen. Aber auch jede Menge Seile, Kabelbinder. Tape und Knebel. Die Ausrüstung dieses Herrn Leiwaldt war beachtlich. Das Metall der Handschellen fühlte sich kalt an. Sicher hatte die Tasche über Nacht im Wagen gestanden. „Worauf wartest du.“, fauchte ihr Kidnapper. „Leg dir die Teile endlich an.“ „Schreien Sie nicht.“, fauchte Anna zurück. „Ich fessle mich schließlich nicht jeden Tag.“ Vorsichtig legte sie das Metall um ihr linkes Handgelenk und lies es einrasten.
Anna führte ihre Hände auf den Rücken. Sie versuchte die Handschellen um das andere Gelenk zu führen. Mit der linken Hand erwies sich das schwerer als erwartet. Ich hätte zuerst die andere nehmen sollen, dachte Anna. Mit rechts wäre es bestimmt einfacher gewesen. Plötzlich kam ihr eine Idee. Sie drehte sich um und streckte Thomas Leiwaldt die Hände entgegen. „Ich schaff das nicht. Wenn Sie mich fesseln wollen machen Sie es selbst.“ Ein verärgertes Knurren und das Rascheln in ihrem Rücken bewiesen, das der Mann die Pistole wegsteckte. Blitzschnell drehte sich Anna um. Die Pistole steckte zum greifen nahe im Hosenbund ihres Entführers. Annas Hand schnellte vor. Ein Schmerz ließ sie zusammenfahren. Leiwaldt umklammerte ihren Arm. Seine andere Hand schlug zu. Anna wurde schwarz vor Augen. Sie glaubte ihr Genick knirschen zu hören. Diese Ohrfeige hatte gesessen.
„Du kleine Schlampe.“, schrie Leiwaldt. „Hast du gedacht, du kannst mich reinlegen. Das schaffst du nicht. Nicht damals im Ferienhaus und nicht jetzt.“ Annas Blick klärte sich. Sie sah in hasserfüllte Augen. Vor ihr stand eine Bestie.
Die Tankanzeige nährte sich bedenklich dem roten Strich. Ein Blick auf die vom Bordcomputer errechnete Reichweite bestätigte Christians Befürchtung. Für die Fahrt zur Arbeit reichte der Inhalt des Tanks nicht. Er musste an der nächsten Tankstelle einen Stopp einlegen. Wie auf Zuruf tauchte der Preismast einer bekannten Marke auf. Christian bog ein. Um diese Zeit herrschte wenig Betrieb. Die Tanksäulen waren leer. Lediglich auf einem der Parkplätze stand ein Transporter mit einem Firmenlogo an der Seite. Die beiden Handwerker traf Christian wenig später im Shop. Sie entsorgten gerade ihre Pappbecher im Mülleimer. Mit einem Gruß zu der jungen Frau hinter dem Tresen strebten sie der Tür zu. Christian bezahlte. Das von der Mitarbeiterin lustlos pflichtbewusst heruntergeleierte Angebot eines Kaffees mit Croissants zum Sonderpreis lehnte er dankend ab. Danach war er für die junge Frau Luft.
Christian ging zu seinem Auto und stieg ein. Der Transporter hatte inzwischen die Tankstelle verlassen. Doch im Rückspiegel entdeckte er etwas, das ihn stutzig werden ließ. Einen auffälligen Golf. Sehr neu und von einer gehobenen Ausstattungslinie. Der Transporter hatte den Wagen bis jetzt verdeckt. Christian stieg aus. Jeder Meter dem er sich dem Golf näherte bestätigte seine Vermutung. Der Wagen gehörte Anna. Christian fasste an die Fahrertür. Sie war offen. Merkwürdig. Warum stand Annas Auto unverschlossen an dieser Tankstelle? Dazu ein Kaffeebecher dieser Tankstellen-Kette im Halter. Nur von Anna keine Spur?
Mit einem unguten Gefühl im Bauch betrat Christian wieder den Shop. Die junge Frau sah ihn fragend an. „Mich interessiert der Golf dort draußen. Die Fahrerin ist eine Bekannte von mir?“ „Dann richten Sie Ihrer Bekannten aus, das hier ist kein Parkplatz. Wenn der Chef nachher kommt lässt er den Wagen abschleppen.“ Der Tonfall der jungen Frau klang nicht anders als bei dem Versuch ihr Sonderangebot an den Mann zu bringen. Christian war erstaunt. „Sie ist nicht hier? Ich dachte meine Bekannte wäre vielleicht auf der Toilette.“ Die Tankstellenmitarbeiterin schüttelte den Kopf. „Sie hat einen Kaffee gekauft. Danach hab ich nur gesehen wie sie mit einem Mann ins Auto gestiegen ist.“
Die junge Frau wies auf den Bildschirm der Überwachungskamera und grinste ihn unverhohlen an. „Der Typ sah nach Kohle aus und benahm sich auch so.“ „Wie meinen Sie das?“, wollte Christian wissen. „Wie soll ich das schon meinen?“ antwortete die Frau. „Ein Typ in Markenklamotten holt sich den Kloschlüssel und ist zu fein ihn wieder zurück zu bringen. Das meine ich damit. Er sah auch irgendwie nach Chef aus. Wie die Frau mit ihm in das Auto gestiegen ist war mir klar, was da abgeht.“ Christian verstand nicht. Die Angestellte deutete seinen Blick richtig. „Der Typ trifft sich auf eine schnelle Nummer und wollte sich noch was drüberziehen. Die beiden haben sich umarmt und sind auch von der Beifahrerseite rein. Ich dachte, noch die wollen es gleich hier machen. Aber dann sind sie weg. Deshalb hab ich mir auch nichts dabei gedacht als der Golf stehen blieb. Kommt gelegentlich vor und dauert auch nicht so lange.“
„Wann war das?“, wollte Christian wissen. Seine Stimme klang ernst. Es gab keinen Zweifel. Der Fahrer des BMW war Thomas Leiwaldt und er hatte Anna. Die Angestellte wiegte den Kopf. „So vor einer halben Stunde.“ „Wissen Sie in welche Richtung der BMW gefahren ist?“, fragte er. Das Grinsen der Frau wurde breiter. „Ok. Ich verstehe. Aber von mir haben Sie es nicht. Als der BMW weg ist bin ich gleich raus. Der Kerl hatte ja den Kloschlüssel noch nicht zurückgebracht.“ Ihre Hand wies in die Richtung aus welcher Christian selbst kam. „Sie sind da lang.“
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Die Schultergelenke schmerzten. Anna schloss die Augen. Sie versuchte tief und ruhig zu atmen. Ein und wieder aus. Regelmäßig wie ein Uhrwerk. Der rote Ballknebel in ihrem Mund erleichterte dies nicht gerade. Nach ihrem missglückten Versuch an die Pistole zu gelangen ging Leiwaldt kein Risiko mehr ein. Annas Hände lagen in Handschellen auf dem Rücken. Genauer gesagt ragten ihre Arme beinahe senkrecht in die Luft, während ihr Körper nach vorn übergebeugt war. Ihr Entführer hatte an dem Steg der Handschellen ein Seil befestigt und es über den Ast eines Baumes geworfen. Ein kräftiger Zug zwang Anna ihren Körper zu beugen. Ihr Stöhnen ignorierend zwang Leiwaldt Annas Arme immer weiter nach oben. Als ihr Körper allein durch vorbeugen nicht mehr folgen konnte, blieb Anna nichts weiter übrig als die Beine zu spreizen. Genau darauf schien ihr Peiniger gewartet zu haben. Als Anna drohte das Gleichgewicht zu verlieren verzurrte Leiwaldt das Seil an dem Baumstamm und ging zu seinem Auto.
Anna verfolgte seinen Weg mit den Augen. Den Kopf zu heben bedeutete in ihrer Situation Schwerstarbeit, aber sie wollte diesem perversen Kerl ins Gesicht sehen. Leiwaldt entgingen ihre Blicke nicht. „Keine Angst.“, erklärte er mit einem unverschämten Grinsen. „Wir werden ein wenig Spaß zusammen haben und dann leg ich dich schlafen. Morgen früh wachst du auf und alles ist vergessen.“ Mit diesem Worten war er in dem Unterholz verschwunden das ihren Platz von dem Waldweg trennte. Anna lies den Kopf sinken. Spaß nannte es dieser Kerl. Thomas Leiwaldt brauchte sich nicht mehr zu verstellen. Die Rollen waren klar. Es ging nicht mehr allein um das Gespräch an der Tankstelle. Dieser Leiwaldt hatte ihre Entführung zugegeben. Die Scharade mit dem Privatporno und der Kamera konnte er sich sparen. Für Anna stand fest. Thomas Leiwaldt hätte seinen Spaß und sie würde leiden. Danach flößte Leiwaldt ihr sein Mittel ein und verschwand. Anna blieb zurück. Morgen erinnerte sie sich an nichts mehr. Weder an die Tankstelle, noch an den Forstwagen oder ihre Entführung. Erst recht nicht daran was Leiwaldt mit ihr anstellte. Soviel Glück, dass sie das Mittel wieder heraus brach hatte sie bestimmt nicht zwei Mal.
Ein Rascheln unterbrach ihre Gedanken. Anna hob den Kopf. Leiwaldt betrat wieder die kleine Lichtung. Er hatte zwei Taschen dabei. Eine große Reisetasche und eine kleinere. Diese erinnerte an einen Arztkoffer. Leiwaldts persönliche Hexenküche. Er stellte die Taschen ab und zog den Reißverschluss der Größeren auf. Zum Vorschein kam ein Massagestab. Anna wusste was dies bedeutete. Mit Schaudern dachte sie an den Orgasmus, den dieser Apparat erzwingen würde. Sie nahm sich vor alles so ruhig wie möglich über sich ergehen zu lassen. Sie wollte auf keinem Fall ihrem Entführer eine Show bieten. Doch tief in ihrem Innersten wusste Anna, dass genau dies passieren würde. Sie sah sich bereits windend und stöhnend am Baum hängen, während Leiwaldt mit einem fiesen Grinsen hinter ihr stand.
Schon spürte Anna seinen Atem in ihrem Nacken. Leiwaldts Hände strichen über die Innenseite ihres Schenkels. Der Massagekopf suchte die richtige Stelle zwischen ihren Beinen. Jetzt hatte er sie gefunden. Anna wartete auf das vibrierende Brummen. Aber es blieb aus. Stattdessen fühlte sie etwas an ihren Beinen. Leiwaldt hatte sein Folterwerkzeug mit Tape an ihren Schenkeln fixiert. Er wollte ihre Qualen anscheinend ohne eignes zutun genießen. Zwischen ihren Beinen klackte es. Anna spürte das erwartete Kribbeln. Noch war es erträglich. Nur wie lange.
Der Waldboden raschelte. Holz brach. Leiwaldt suchte sich seinen Logenplatz. Plötzlich durchfuhr Anna ein Schmerz. Sie stöhnte auf. Thomas Leiwaldt hatte sie geschlagen. Auf ihren Po. Es brannte wie Feuer. Warum tat er das? Anna versuchte den Kopf zu drehen. Leiwaldt sah sie zwar immer noch nicht, aber die Spitze des Triebes den er von einem Busch des Unterholzes abgebrochen haben musste sauste wieder in ihre Richtung. Der Schmerz traf sie diesmal nicht unvorbereitet, aber nicht weniger hart. Anna stöhnte in den Knebel. Schon spürte sie den nächsten Schlag. Nicht so stark wie der vorherige. Der nächste war ähnlich. Ihr Peiniger hatte seinen Rhythmus gefunden. Anna biss die Zähne zusammen. Sie hatte mit allem gerechnet. Nur nicht mit Schlägen auf ihren Po. Die kranke Fantasie von Thomas Leiwaldt schien keine Grenzen zu kennen.
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Langsam fuhr Christian die Landstraße zurück. Ein Glück das um diese Zeit kaum Verkehr herrschte. Die wenigen Fahrzeuge konnten ihn ohne Probleme überholen. In der Hauptverkehrszeit wäre ihm ein Hupkonzert der sich hinter ihm stauenden Fahrzeuge sicher gewesen. Die Angestellte der Tankstelle beschrieb den Zeitraum mit etwa einer halben Stunde. Genug Zeit für diesen Leiwaldt um mit Anna irgendwo zu verschwinden. Trotzdem glaubte Christian, dass Leiwaldt sich irgendwo in dieser Gegend aufhielt. Dafür sprach zum einen die Tatsache, dass er selbst diese Straße gefahren war. Ein auffälliger SUV im Gegenverkehr wäre ihm bestimmt nicht entgangen. Zum anderen ging Leiwaldt bestimmt nicht das Risiko ein Anna eine weite Strecke ungefesselt oder ohne Betäubung zu transportieren. Er musste sie ruhigstellen. Dafür brauchte er Zeit und einen abgelegenen Ort.
So viele Möglichkeiten diese Straße zu verlassen gab es nicht. Zur rechten Seite grenzte sie an einen dichten Mischwald. Zur Linken fiel die Böschung steil ab. Dahinter erstreckten sich Wiesen und Felder. Christian konzentrierte sich auf den Waldrand. Bei der kurvigen Straße keine ungefährliche Aufgabe. Eine gelbe Rundumleuchte von der anderen Straßenseite zog seine Aufmerksamkeit an. Sie gehörte zu einem Fahrzeug der Straßenmeisterei. Es diente zur Reinigung der Begrenzungspfosten. Christian hatte es vorhin überholt. Der Fahrer machte gerade Pause. Er hatte eine Ausbuchtung einer Kurve genutzt um sein Fahrzeug von der Straße zu fahren. Jetzt saß er an einem Kaffee schlürfend hinter dem Steuer.
Christian stoppte seinen Audi am Straßenrand und stieg aus. Der Fahrer des orangefarbenen Fahrzeugs ließ das Fenster herunter. „Ich würde nicht hier stehen bleiben, Meister.“, rief er. „Wenn die Polizei vorbeikommt gibts Ärger.“ „Ich bin gleich wieder weg.“, beruhigte ihn Christian. „Falls Sie mal müssen. Da hinten kommt gleich ein Weg.“, rief der Fahrer. „Danke für den Tipp.“, antwortete Christian und sprintete über die Straße. Der Mann sah ihn verwundert an. „Ich hab nur mal eine Frage.“ Der Straßenwärter sah auffordernd auf seine Uhr. „Wenn’s nicht zu lange dauert, Meister.“ „Ich suche einen Freund.“, begann Christian ohne Vorrede. „Wir wollten Pilze sammeln und haben uns unten im Ort verloren. Ich kenn mich hier nicht aus und ich krieg ihn nicht auf dem Handy. Funkloch.“ Der Fahrer nickte. „Davon gibt’s hier eine ganze Menge.“ „Haben Sie ihn vielleicht gesehen. Er fährt einen BMW X5. Irgendwo hier in der Nähe muss er ihn abgestellt haben.“, fuhr Christian fort.
Der Fahrer schüttelte den Kopf. „Kann mich nicht daran erinnern. Entgegen gekommen ist mir so ein Wagen auch nicht.“ Er kratzte sich am Kopf. „Ihr Freund wird sein Auto bestimmt nicht einfach am Straßenrand geparkt haben. Eigentlich gibt’s hier nur eine Möglichkeit sein Auto loszuwerden.“ Seine Hand deutete schräg nach hinten. „Der Weg dort.“ „Danke.“, antwortete Christian. „Viel Glück. Aber um die Zeit wachsen sie noch nicht.“, antwortete der Fahrer und schloss das Fenster. Christian rannte zurück zu seinem Audi.
Der Abzweig lag hinter der nächsten Kurve. Christian bog ab und hielt an. Der Weg schien recht gut befestigt und führte schnurgerade in den Wald hinein. Christian stieg aus und sah sich um. Nichts. Lediglich der Wind ließ die Blätter leise Rascheln. Falls Thomas Leiwaldt diesen Weg benutzt hatte würde er auch kaum dicht an der Straße geblieben sein. Dem Straßenwärter nach gab es keine andere Möglichkeit von der Straße abzubiegen. Thomas Leiwaldt musste also diesen Weg benutzt haben. Christian ging zurück zu seinem Wagen. Beim Einsteigen stutzte er. Neben dem Audi leuchtete der dunkle Waldboden durch den Schotter. Etwas weiter rechts davon ebenfalls. Für ein Forstfahrzeug war der Abstand nicht breit genug. Für einen PKW passte er. Es sah so aus, als ob ein Fahrzeug vor nicht allzu langer Zeit mit hoher Geschwindigkeit von der Straße abbog. Thomas Leiwaldts SUV. Christian hatte seine Spur. Hoffentlich kam er nicht zu spät.
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Anna Hausmann torkelte nur noch auf den Beinen. Jeden Augenblick musste sie zusammen brechen. Thomas senkte die Gerte und schaltete den Massagestab aus. Er löste das Seil. Sofort sank Anna Hausmann auf die Knie. Ihre Strumpfhose hing in Fetzen. Ihr Po zeigte jedoch nur leichte Striemen. Natürlich hätte Thomas auch härter zuschlagen können, doch dann wäre aus Annas Stöhnen ein Schreien geworden. Das wollte er nicht. Sein Ziel war ihr Zusammenbruch.
Thomas Erfahrung nach schaffte man dies am schnellsten, indem man sein Opfer zwei gegensätzlichen Impulsen aussetzte. In Anna Hausmanns Fall der permanenten Stimulation des Massagestabes und dem Schmerz der Gerte. Noch während das Gehirn den Reiz des Schlages verarbeitete, musste es gegen die aufsteigende Erregung ankämpfen. Daneben erwartete es bereits einen neuen Schlag. Dies erzeugte ein Gefühl der Ausweglosigkeit, das den Körper schneller zusammenbrechen lies als es massive Schläge vermochten.
Thomas warf den dünnen abgeschnittenen Ast in den Wald. Er brauchte ihn nicht mehr. Stattdessen holte er aus seiner Tasche ein Messer. Zwei Schnitte. Die Träger des Tops waren Geschichte. Erneut setzte Thomas das Messer an. Diesmal zwischen Anna Hausmanns Brüsten. Langsam fuhr es nach unten. Ohne die Unterstützung der Träger glitt das Top zu Boden. Annas wundervolle große Brüste lagen vor ihm. Von allen Frauen, die Thomas bereits oben ohne gesehen hatte war Annas Busen der weitaus Schönste. Weder die kleinen festen Brüste dieser Sophie oder Claudia Schäfers üppige weibliche Oberweite reichten an ihn heran. Einen Augenblick spielte Thomas mit dem Gedanken, sich dem Spiel dieses Busens noch einmal hinzugeben. So verlockend der Gedanke auch war, er hätte Spuren hinterlassen.
Langsam normalisierte sich Annas Atem. Thomas musste sich beeilen. Er löste den Massagestab von Anna Hausmanns Oberschenkeln und zog ihre Beine mit einer Rolle Tape zusammen. Weitere Bahnen fixierten die Oberschenkel der Frau aneinander. Thomas holte das Seil über den Ast ein. Die Fesseln um die Handgelenke blieben. Erneut kam das Tape zu seinem Recht. Mehrere Lagen fixierten die Arme über und unter dem Busen am Körper. Die vor ihm hockende Frau lies es geschehen. Sie versuchte nicht sich wegzudrehen oder in den Knebel zu zetern. Trotzdem brauchte sie seinen nächsten Schritt nicht unbedingt zu sehen. Thomas angelte ein Tuch aus seiner Tasche und verband Anna Hausmann die Augen. Dann löste er den Riemen des Ballknebels. Bevor Anna begriff was passierte schob Thomas einen Ringknebel zwischen die Zähne und zurrte ihn fest.
Das Tuch verschwand. Anna Hausmann schaute ihn an. In ihrem Blick lag eine Frage. Was hast du mit mir vor, du Schwein? Natürlich hatte sie eine bestimmte Ahnung. Der Ringknebel sprach für diese Variante. Nur lag die gefesselte Frau damit vollkommen falsch.
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Dieser Ringknebel gab Anna das Gefühl noch hilfloser zu sein, als sie es ohnehin war. Darüber was Leiwaldt mit diesem Teil bezweckte bestanden keine Zweifel. Der Kerl wollte seinen Spaß. Anschließend würde er ihr sein Mittel einflößen und Anna diese Tortur vergessen. Ihr Kidnapper hantierte an seiner kleineren Tasche. Wollte er ihr bereits jetzt das Mittel verabreichen? War sie danach noch so lange bei Sinnen um die Lust dieses Perverslings zu befriedigen? Die Packung die Thomas Leiwaldt aus seiner Tasche holte sprach dagegen. Ein Schlafmittel. Anna kannte es aus der Werbung. Es wurde dort als zuverlässig und schnell wirkend angepriesen. Tablette für Tablette versenkte Thomas Leiwaldt in einer Wasserflasche. Diese Dosis war doch viel zu hoch?
Leiwaldt kam auf sie zu. Mit der Wasserflasche in der Hand. Anna durchfuhr ein Stich. Ihr Herz schien stillzustehen. Dieser Kerl wollte sie nicht betäuben. Er wollte sie umbringen. Seine Hand griff in Richtung ihres Kopfes. Anna duckte sich weg und ließ sich auf die Seite fallen. Sie schrie in den Knebel. Vielleicht hörte sie ja jemand. Waldarbeiter oder Wanderer. Irgendwer. Leiwaldt ging in die Knie. Sie spürte seine Hand an den Haaren. Der Schmerz fuhr durch Annas Körper. Ihr Kopf wurde auf den Boden gedrückt. Die Flasche nährte sich ihrem Mund. Leiwaldt war über ihr. Anna zog die Beine an und trat zu. Ein Stöhnen hallte durch den Wald. Thomas Leiwaldt krümmte sich auf dem Boden. Die Absätze ihrer Schuhe mussten ihn genau zwischen die Beine getroffen haben. Die Wasserflasche lag daneben. Ihr Inhalt sickerte in den Boden. Sie hatte Zeit gewonnen.
Mit aller Kraft zog Anna an den Fesseln. Das Tape um ihre Beine gab nach. Anna fühlte, dass sie es abstreifen konnte. Sie brauchte nur noch einen Augenblick. Aber Leiwaldt war schon wieder auf den Beinen und über ihr. Seine Faust schoss in Richtung ihres Kopfes. Anna drehte sich weg. Der Schlag ging ins leere. Die zweite Hand griff ihre Kehle. Anna rang nach Luft. Ihr Schreien verwandelte sich in ein Röcheln. Erneut schlug die Faust zu. Diesmal erreichte sie ihr Ziel. Das Bild vor Anna verschwamm. Ein zweiter Schlag und sie würde das Bewusstsein verlieren. „Du verdammte Schlampe.“, zischte es über ihr. „Ich mach dich fertig.“ Das verschwommene Bild vor ihr hob die Faust. Das war es dachte Anna. Sie hatte verloren. Plötzlich sank der Mann über ihr zusammen. Kräftige Hände packten ihren Körper und zerrten ihn unter Thomas Leiwaldt hervor.
Ein Duft streifte Annas Nase. Sie kannte ihn. Erst heute Morgen hatte sie ihn gerochen. Es war Christians Aftershave. Anna ließ sich fallen. Es war vorbei. Die Dunkelheit schlug über ihr zusammen. Sie wehrte sich nicht. Christian war bei ihr.
Das Gehen viel ihr noch etwas schwer. Die Ärzte hatten ihr geraten über Nacht in der Klinik zu bleiben. Doch genau das wollte Anna nicht. Sie beantwortete die Fragen der Polizei, also konnte sie auch nach Hause gehen. Thomas Leiwaldt war verhaftet. Anna lag mit ihrer Vermutung richtig. In Thomas Leiwaldts Wohnung fanden die Beamten hunderte Mitschnitte entführter und gequälter Opfer. Darunter auch jene aus dem Ferienhaus.
Anna rechnete nicht mit einem schnellen Gerichtstermin. Das Material aus Thomas Leiwaldts Wohnung war die Grundlage der Ermittlungen und nicht das Ergebnis. Im Grunde war es Anna egal. Ihr Peiniger würde verurteilt werden. Wann, blieb nur eine Frage der Zeit. Einige mussten unangenehme Fragen beantworten. Claudia Schäfer zum Beispiel oder Andreas Mohrenkamp. Von dessen Bauimperium blieb nach der Arbeit der Steuerfahnder sicher nicht mehr viel übrig.
Jedes Opfer von Thomas Leiwaldt musste seine Erlebnisse verarbeiten. Anna selbst hatte einen Teil dieses Weges bereits hinter sich gebracht. Andere rätselten noch immer über ihren fehlenden Tag. Jetzt wurde diese Lücke endlich geschlossen. Sophie und Niklas half sicher ihre Jugend damit fertig zu werden. Die anderen Opfer würden ihren Weg finden den fehlenden Tag zu verarbeiten. Anna hoffte nur, dass keines der anderen Opfer dies allein tun müsste. Christian und sie hatten ihren Teil getan um Licht in das Dunkel zu bringen. Das Problem Thomas Leiwaldt war Geschichte. Vor ihnen lag die Zukunft. Anna hoffte, dass es eine gemeinsame wäre.
Vor der Klinik eilte Christian mit langen Schritten auf sie zu. Er griff Annas Arm. „Ich bring dich nach Hause. Du brauchst Ruhe.“ Anna schüttelte entschieden den Kopf. „Ich will nicht nach Hause und ich brauche auch keine Ruhe. Das einzige was ich brauche bist du.“ Sie hakte sich unter und zog Christian mit sich. „Es ist Wochenende. Das Ferienhaus ist bezahlt. Also komm. Ich will mit dir Schlafen. Das haben wir seid einer Ewigkeit nicht getan.“
- E N D E -
Tag der Veröffentlichung: 16.03.2018
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