Gisela sitzt auf ihrem „Sorgenstuhl“ und überlegt. Das kann Stunden dauern. Ihr „Sorgenstuhl“ ist ein wackliger alter Sessel, den sie vor einem halben Jahr bei einem Trödelmarkt erstanden hat. Es war ein Schnäppchen und Gisela hat einen wirklichen Riecher für solche Dinge. Seit sie dieses Möbelstück besitzt, hat sie ihre Probleme und auch die der anderen, viel besser im Griff, findet sie jedenfalls
Immer wenn sie Sorgen hat und die hat sie öfter, setzt sie sich auf diesen Suhl und wartet ab. Dabei kommen ihr die besten Gedanken und manchmal auch richtig gute Ideen. Es sind oft wirkliche Problemlöser dabei.
Gisela die von allen immer Gisi genannt wird, überlegt gerade wie sie ihrer besten Freundin helfen kann. Das ist gar nicht so einfach, denn Maja steckt in großen Schwierigkeiten. Ihr Freund hat sie vor zwei Wochen verlassen und zwar auf die ganz klassische Art. Er fuhr zur Trafik um Zigaretten zu kaufen und kam nicht wieder.
Damit aber nicht genug, hat Maja noch ein anderes Problem, sie ist „Accessoiresüchtig“.
Sie ist verrückt nach Modeschmuck, Schals, Tüchern und Handtaschen. Ihre winzige Wohnung ist voll gestopft mit diesen kostbaren Kleinigkeiten und diese Sucht ist möglicherweise auch der Grund für die überraschende Flucht ihres Partners. Sie ist aber ganz sicher der Grund für die chronische Ebbe auf Majas Konto. Bernhard, ihr Verflossener, hat ihr ja öfter aus der Patsche geholfen, aber nun ist er weg. Unbekannt verzogen. Nur die Leere auf dem Konto ist noch da. Gisi will ja helfen, sie weiß nur noch nicht wie. Bei finanzieller Hilfe muss sie leider passen. Die Leere am Konto scheint irgendwie ansteckend zu sein.
Dann hat sie eine Idee, endlich.
Sofort tätigt sie ein paar Anrufe und zuletzt telefoniert sie mit Maja.
„Hallo meine Süße! Magst du dich mit mir treffen? Was? Du hast es schon wieder getan? Wieviel ist es denn diesmal? Waaaas? Soviel? Schrecklich! Ich komm zu dir! Kann man was zurückgeben? Nein? Noch schrecklicher!“
Eine halbe Stunde später ist Gisi bei Maja. Auf dem Wohnzimmerteppich hat ihre Freundin ihre neuesten Schätze ausgebreitet. Sie hat wieder zugeschlagen. Frusteinkäufe, rechtfertigt sich Maja. Gisi ist erschüttert weil ihre Freundin behauptet, es ist sei keine Rückgabe möglich.
Dann schreitet Gisi zur Tat.
„Maja wir gehen jetzt sofort zu einem Menschen der dir helfen wird.“
„Ich brauche keine Hilfe, mir geht es blendend!“
„Du weißt, dass das nicht stimmt. Du bist krank, du bist süchtig, du hast ein Problem, ein Suchtproblem, ein Accessoire-Suchtproblem!“
„ Du, Gisi, ich lass mir von dir soetwas nicht einreden!“
„ Hast du dir schon einmal überlegt, dass Bernhard vielleicht deshalb das Weite gesucht haben könnte?“
Maja ist ganz blass geworden. Gisi reitet zurück.
„Natürlich ist er nicht deshalb gegangen, das war blöd von mir, verzeih mir. Aber dein Kontoproblem? Es gibt professionelle Hilfe, du musst dir nur helfen lassen, komm einfach mit!“
„Aber auch die Hilfe kostet Geld.“ räumt Maja ein.
„Das investiere ich in unsere Freundschaft!“ erklärt Gisi.
Frau Doktor Nihrisani, schaut aus wie ein indisches Topmodell. Maja ist platt. So hat sie sich ihre Therapeutin nicht vorgestellt. Auf goldenen Stilettos kommt sie mit endlos langen Beinen hinter ihrem Schreibtisch hervor.
Sie hat viele, stylische Kämmchen in ihrem schwarz glänzenden Haar. An ihren Ohrläppchen baumeln goldene Ringe. Zierliche, mit bunten Steinchen verzierte Stecker schmücken ihre Nasenflügel. Ein zarter, bunt gemusterter Schal ist um ihren schlanken Hals geschlungen. Maja möchte sie gerne fragen wo sie all die herrlichen Dinge gekauft hat, sie hat beinahe schon vergessen warum sie her gekommen ist. Sie stellt sich vor wie diese Kämmchen ihr eigenes dunkles Haar zur Geltung bringen würden und ihre kleinen, zierlichen Ohren die Bernhard immer so bewunderte, wenn er zärtlich an ihnen knabberte, die großen Creolen würden sie richtig gut schmücken.
Frau Doktor Nihrisani spürt Majas Blicke. Sie lächelt wissend und meint dann „ Ist alles in Ordnung mit ihnen?“ Maja nickt “Natürlich, ich weiß gar nicht warum mich meine Freundin zu ihnen schickt!“
Nach einer guten halben Stunde erklärt Frau Doktor Nihrisani „Der Schein trügt. Es besteht eine massive Abhängigkeit bei ihnen. Ein schweres Suchtverhalten, auch wenn sie sich das selbst nicht eingestehen wollen. Es wird wohl ein hartes Stück Arbeit werden für uns beide und es kann nur funktionieren wenn sie einverstanden sind. Maja überlegt, dann nickt sie. „Ja ich werde es versuchen, wenn es nur auch meinem Konto hilft!“
Als Maja eine Stunde später die Ordination verlässt, läuft sie vor der Tür förmlich in Bernhards Arme.
Maja weiß zuerst nicht wie sie reagieren soll. Sie ist sehr wütend und verletzt, einerseits. Anderseits, stellt sie fest, dass Bernhard immer noch der schönste Mann ist, den sie je kennen gelernt hat. Bernhard wirkt ziemlich zerknirscht. Er sagt, dass es ihm leid tut, er sich aber nicht anders zu helfen wusste. Dann beugt er sich vor und küsst Maja auf die Stirn. Maja ist enttäuscht. Auf die Stirn küsst man seine Schwester, aber doch nicht die Frau die man liebt, oder?
„ Ich muss dir etwas sagen!“ murmelt Bernhard. Maja schaut traurig zu Boden. Gerade war sie bereit ihm seinen feigen Fluchtversuch zu vergeben, ja irgendwie konnte sie ihn sogar verstehen, aber dieser geschlechtslose Kuss eben, was sollte der und was will er ihr denn so dringend sagen?
Inzwischen sind sie auf der Straße, die Sonne lacht, die Vögel singen, es ist eigentlich alles wunderbar.
„Das perfekte Wetter für unser Gespräch“ Berhard blickt sehr ernst drein und zieht sie mit sich fort zu einem kleinen „Beserlpark“, auf der anderen Straßenseite.
„Komm,“ sagt er „setz dich!“ und zeigt auf eine Parkbank.
Maja gehorcht, denn plötzlich hat sie ganz weiche Knie.
Bernhard steckt seine Hände in seine Jackentaschen, das macht er immer wenn er sehr verlegen ist.
„Maja, in den letzten zwei Wochen ohne dich ist mir etwas klar geworden,“
Maja merkt wie ihr übel wird. „Nun ist es endgültig aus!“ muss sie denken „ Nun sagt er mir, dass er mich hasst wegen meiner Kaufsucht und mich deshalb nie wiedersehen will.“
„… dass ich ohne dich nicht leben kann, ich aber mit dir und deiner Kaufsucht auch nicht leben will. Als Gisi mich heute anrief und mir von ihrem Plan erzählte, wusste ich sofort, dass das vielleicht die Rettung für uns ist.“ fährt Berhard fort.
Maja laufen Tränen über die Wangen, sie kann gar nichts dagegen tun. Sie schüttelt den Kopf.
„ Wenn es gerade nicht so aussieht, „ sagt sie „ich bin glücklich, auch wenn ich jetzt weine. Es sind Tränen der Freude. Ich werde mir alle Mühe geben mein Problem in den Griff zu bekommen! Ich will dich nicht noch einmal enttäuschen und noch einmal verlieren!“ Maja schluchzt.
Bernhard nimmt sie ganz zärtlich in seine Arme.
“ Ich bin hier und ich stehe zu dir. Darum möchte ich dich fragen ob du nicht dein restliches Leben mit mir verbringen magst? Maja, ich möchte dich fragen, ob du meine Frau werden willst?“
Maja zittert am ganzen Körper, so aufgeregt ist sie. „Ja,“ flüstert sie „ Ja, ich will!“
Da steckt ihr Bernhard einen zarten, schmalen Silberring an den Ringfinger ihrer rechten Hand.
„Für mehr reicht es im Moment leider nicht!“ flüstert er und beugt sich über Maja um sie zu Küssen. Und das, so wird sie es später einmal ihren Enkeln erzählen, „ War der wundervollste Kuss meines Lebens!"
Gisi sitzt einstweilen schon wieder in ihrem „Sorgenstuhl. Schließlich muss sie sich gerade überlegen was sie zur Hochzeit ihrer besten Freundin anziehen soll.
Tag der Veröffentlichung: 19.09.2013
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