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"Das soll ein Schnitzel sein"

„Das soll ein Schnitzel sein?“ Bärntaler starrt missmutig auf seinen Teller.

„Ja, was soll es denn sonst sein?“ Resi die Wirtin „Zur Goldenen Kugel“ wischt sich ungeduldig die Hände an der Schürze ab.

„Das frag ich ja dich! Die Sau von der das Schnitzel stammt, hat wohl an Schwindsucht gelitten, so klein wie das ist?“

Ohne ein weiteres Wort geht die Resi beleidigt durch die Schwingtür zurück in die Küche und lässt ihren Gast allein.

Da läutet das Telefon des Kommissars. Bärntaler tut so als würde er nichts hören und isst in aller Seelenruhe weiter.

„Telefon!“ schallt es aus der Küche.

„Ich hab jetzt Mittag!“ kommt die prompte Antwort.

Die Schwingtür klackert.

„Du hast es nicht anders gewollt!“ Resi hebt ab und meldet sich

„ Theresia Knapp am Telefon…ja der ist gerade beim Essen!“

Mit schadenfrohem Grinsen hält sie dem Kommissar sein Handy hin,

„ Da, die Rosa für dich, es ist was passiert, du sollst schnell kommen! Den Rest von der schwindsüchtigen Sau, stell ich dir im Kühlschrank kalt!“

 

                                                     * * * * 

 

Als Kommissar Bärntaler wenig später am Tatort eintrifft, sind bereits zwei Einsatzfahrzeuge vor Ort. Johann Braun, sein junger Kollege, ist gerade dabei die Spuren zu sichern. Rosa Mühlbacher, seine Assistentin hat schon damit begonnen einige Zeugen zu befragen.

„Na endlich, kommst du auch einmal!“ begrüßt sie ihn.

„Frech wie immer!“ denkt er, sagt aber nichts. 

„Was ist denn eigentlich passiert? Vielleicht kann mir ja einmal einer sagen was hier los ist?“ brummt er stattdessen unfreundlich.

„Also, diese Dame hier,“ Rosa zeigt auf eine ältere Frau in Mantelschürze und Kopftuch, „ war gerade auf dem Weg zum Einkaufen und hat gesehen wie ein junger Mann, aus dem Supermarkt gerannt kam. Er ist direkt in sie hineingelaufen und hat sie dabei umgestoßen.

Zum Glück ist ihr nicht passiert. Er ist aber nicht stehen geblieben um ihr aufzuhelfen oder so, sondern ist immer weiter gerannt und dann da hinten zwischen den Häusern verschwunden.“

„Ja und er hatte irgendetwas Großes in den Händen, eine Schachtel denke ich, habs aber nicht genau erkennen können, es ging ja alles so schnell!“ mischt sich die Dame aufgeregt in Rosas Bericht.

„Hast du die Leute im Geschäft schon befragt, ob jemandem etwas aufgefallen ist. Denn wenn einer was geklaut hat, dann sollte das doch bemerkt werden!“

Bärntalers Wut beginnt sich langsam aufzubauen.

„Nur weil irgend eine Alte von einem jungen Burschen umgerannt worden ist, der vielleicht etwas gestohlen hat, dafür der ganze Auflauf?“ denkt er zornig.

„So einfach ist es leider nicht,“ platzt Rosa mitten in seine Gedanken als hätte sie sie lesen können.

„ Drinnen im Geschäft, zieht sich durch den Gang mit dem Tiefkühlfleisch eine Blutspur und auf einem Regal lag ein blutverschmiertes Küchenmesser, aber gestohlen wurde scheinbar nichts. Da draußen geht es übrigens weiter mit dem Blut. Die Beweismittel sind natürlich sichergestellt worden und eine Streife hat sich da hinten auf die Suche nach dem Kerl gemacht!“

„Da fahren wir jetzt auch hin, wir brauchen nur der Blutspur zu folgen!“ bestimmt Bärntaler“ Die Einvernahme der Zeugen können wir später fortsetzten. Namen und Adressen hast du ja hoffentlich notiert?“

                                                 * * * *

Gleich darauf nähern sich der Kommissar und seine Assistentin so leise wie möglich einer Tür. Sie ist aus Metall und völlig verrostet. Bärntaler hatte erwartet, dass sie abgeschlossen sein würde, ist sie aber nicht. In ihren Angeln quietschend schwingt sie auf als er mit dem Fuß dagegen tritt. Ein Schwall abgestandener, modriger Luft schlägt ihnen entgegen.

Der dahinter liegende Raum ist völlig dunkel und leer. Auch hier brauchen sie im Schein der Taschenlampen, die sie jetzt angemacht haben, nur der Blutspur zu folgen, die sie schon hierher geführt hat. An der hinteren Wand erkennen sie schemenhaft eine weitere Tür. Auch sie ist unverschlossen. Der Geruch nach Tod und Verwesung, der sie dahinter empfängt, raubt ihnen für kurze Zeit den Atem. Zuerst können sie nichts erkennen, aber dann schreit Rosa schrill und lang gezogen auf.

Einige Tierkadaver liegen in der hinteren Ecke des Raumes.

Die meisten sind bereits bis auf die Knochen mumifiziert, ein paar sind aufgebläht und befinden sich im Prozess des Verfalls, auch eine frische Tierleiche ist darunter. Maden und Fliegen tummeln sich auf den toten Körpern. Rosa erkennt ein Reh, sein Körper ist noch warm, einen Marder, einen Luchs, zwei Füchse, etwas das vielleicht einmal ein Fasan gewesen sein könnte. Mühsam wendet sie sich ab und schaut ihren Chef flehend an.

Der öffnet den Mund und starrt dann wie gebannt auf einen Punkt hinter dem Berg aus Kadavern. Rosa folgt seinem Blick. Eigentlich möchte sie schon wieder schreien, aber ihre Stimme versagt ihr den Dienst.

Hinter den toten Tieren steht ein Karton und aus dem Karton ragt, wie der Hanswurst aus der Kiste, ein menschlicher Schädel, der auf einen Stock gespießt wurde.

Bärntaler nähert sich vorsichtig. „Der ist schon tot!“ raunzt Rosa.

„Das ist nur ein Bild!“ Bärntaler beugt sich über die Tierleichen und grabscht nach dem Kopf, dahinter. Mit einem Ratsch reißt er das Bild des Bezirksjägermeisters von einem Wildschweinschädel ab.

„Grusel, Graus, das sah aber täuschend echt aus!“

                                                   * * * *

 

Es ist heiß und staubig, als sie wieder im Freien stehen, trotzdem frösteln sie beide.

„Das ist ja grauenhaft!“ stöhnt Rosa.

Bärntaler überlegt. „Der Kopf auf dem Pflock gehörte einer armen Sau, aber was hatte das Bild des Bezirksjägermeisters da drauf zu suchen?“

„ Er ist als besonders fanatischer Wildhüter bekannt und duldet keine Unregelmäßigkeiten in seinem Revier. Jüngst hat er zum Halali auf einen Wolf geblasen, der es gewagt hat die Österreichische Grenze zu überqueren. Aber so wie er, scheinen viele in diesem Berufsstand zu sein, denn mir fällt auf, sobald ein Exemplar einer fast ausgerotteten Tierart unsere Grenzen passiert, wird es schwierig. Bären mutieren plötzlich zu Problembären, Wölfe die bisher unauffällig waren, verwandeln sich in reißende Bestien und werden darum zum Abschuss frei gegeben. Luchse findet man tot in irgendeinem Bachbett liegen.“

„Woher weißt du denn solche Sachen? Bist du etwa eine Tierschutzfiffi?“

„Und wenn, hast du ein Problem damit, Chef?“

„Nein, nein!“ schmunzelt Bärntaler „Hast ja recht, ich habe das auch schon mitgekriegt! Aber wie es jetzt weiter geht, kannst du mir wohl kaum sagen?“

„Wir folgen den Spuren!“ Rosa zeigt auf die Blutflecken die den staubigen Weg entlang in Richtung Wald führen.

„War das Blut vorher auch schon da?“

Rosa schüttelt den Kopf, „Nein, ich glaube nicht … oder doch? Und wo ist denn überhaupt die Streife hin?“

Am Waldrand finden sie den verlassene Polizeiwagen. Die Türen stehen offen, kein Mensch ist zu sehen.

„Das ganze wird mir langsam unheimlich!“ murmelt der Kommissar.

„ Mir auch!“ 

Als sie aus dem Sonnlicht in den Schatten des Waldes treten, verliert sich die Blutspur plötzlich im Moos.

„Und jetzt?“ fragt Rosa und blickt sich hektisch um.

Zwei Männer in Polizeiuniform tauchen vor ihnen auf.

„Gott sei Dank! Euch ist nix passiert! “ Bärntaler ist erleichtert.

„Kommts einmal her, wir haben da was, das wird euch interessieren.“ Die Männer deuten in den Wald hinein. 

Klaus Weninger ist mit Handschellen an einen Hochstand gefesselt, der auf einer kleinen Lichtung steht.

„Das ist er!“

„So, so. Da haben wir also den Übeltäter?“ Kommissar Bärntaler schaut dem jungen Mann forschend ins Gesicht. „ Sie haben also die armen Tiere ermordet und das mit dem Bild waren auch Sie? Warum um Gottes Willen haben Sie denn das Bild ihres Vaters auf den Sauschädel gepickt?“

„Das geht Sie gar nichts an!“

„Ja wenn Sie meinen! Aber für mich hat es so ausgesehen, als wollten Sie uns damit etwas sagen, als wäre es so etwas wie ein Hilferuf gewesen!“

„ Ein Hilferuf, das ist ja noch schöner!“ mischt sich Rosa ein.

Bärntaler schaut seine Assistentin finster an, dann fährt er fort.

„Ja, ein Hilferuf, ein ganz grauslicher, verzweifelter, denke ich!“

Etwas verändert sich im Gesicht des jungen Mannes, es sieht fast so aus als finge er gleich zu weinen an.

„ Ich … ich … ich musste ja, irgendetwas tun! Alle Jagdprüfungen habe ich machen müssen. Schon als Kind hat er mich gezwungen mit auf die Pirsch zu gehen. Ich wollte das alles gar nicht, aber ich musste. Er ist so streng so grausam so umbarmherzig. Das hat er jetzt davon. Jetzt hab ich sie alle umgebracht, die blöden Viecher, damit Ruhe ist!“

Klaus Weninger starrt auf seine blutverkrusteten Hände.

„ Und Ihr Vater, wo ist der jetzt?“ fragt der Kommissar.

„Ich hab ihn jedenfalls nicht umgebracht, noch nicht! Wahrscheinlich ist er irgendwo im Wald unterwegs, wie immer.“

„Und was sollte diese Aktion im Supermarkt mit der Blutspur?" Der junge Mann schweigt verbissen.

„ Also doch ein Hilferuf?"

Klaus Weninger nickt fast unmerklich

"Abführen!" befiehlt Bärntlaer.

 

                                               * * * *

 

Am Abend sitzt der Kommissar wieder im Wirtshaus.

Die Geschichte vom jungen Weninger ist Gesprächsstoff Nummer eins.

„Der hat völlig durchgedreht,“ weiß einer der Gäste zu berichten. „das ist nur die Schuld von dem Alten!“

„Ja, wer Gewalt sät wird Gewalt ernten!“ sagt ein Anderer.

„Überhaupt erntet man immer was man sät!“ ist ein Dritter besonders schlau.

In diesem Augenblick, kommt Resi, die Wirtin „ Zur goldenen Kugel“ und balanciert einen Teller vor Bärmntalers Nase um ihn dann vor ihm auf den Tisch zu stellen.

„Da schau, ich hab dir extra ein frisches Schnitzel ausgebacken!“

Angewidert starrt der Kommissar auf den Teller und schiebt ihn von sich weg.

„Nein, nein das geht heut gar nicht, mach mir gscheiter einen grünen Salat mit viel Kernöl!“

 

Impressum

Texte: alle Rechte bei der Autorin
Bildmaterialien: bei bookrix
Tag der Veröffentlichung: 21.08.2013

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