Chapter 1
Ich kniff die Augen fest zusammen und dachte, 'Wer in Gottes Namen schreit da wie von Sinnen?'. Es war ohrenbetäubend und ging durch Mark und Bein. Etwas zerrte unaufhörlich am meinem Ärmel, ich öffnete die Augen und bemerkte, dass ich diejenige war, die schrie. Verwirrt sah ich mich um. Es waren viele Menschen, die um mich herumliefen und hektisch irgendwelche Dinge taten, flackerndes Blaulicht, was nicht dazu beitrug, dass ich verstand, was hier los war. Mein strapaziertes Hirn konnte nicht zuordnen, was diese Menschen hier taten. Irgendwer packte mich unter den Armen und schliff mich weg. Mein Kopf, mein Körper, meine Gedanken gehörten nicht mehr mir, es legte sich eine bleierne Schwere auf mich. Dann wurde alles beruhigend schwarz.
Leises Gemurmel holte mich zurück in die Gegenwart. Als ich die Augen öffnete, schien mir weißes Neonlicht entgegen, es schmerzte in meinen Augen und mein Schädel drohte zu bersten. Ich versuchte mich umzusehen, doch konnte ich den Kopf kaum drehen, so steril wie es hier aussah, war mir schon fast klar, wo ich war. Aber wie und warum hatte man mich ins Krankenhaus gebracht?
Ich versuche meinen Kopf zu heben, aber der Schmerz, der durch meinen Körper schnellte, machte es nahezu unmöglich. Alles um mich schien zu wabern, unwirklich, traumgleich. Dann beugte sich ein mir völlig unbekanntes Gesicht über mich. „Mrs. Linn? Können Sie mich hören?“Die leise Stimme klang sanft und beruhigend. Ich nickte vorsichtig und hoffte auf mehr Informationen. Ich versuchte zu sprechen, es gelang mir nicht, es war nur ein unverständliches Gekrächze, mein Hals fühlte sich an als ich ich 'ne Drahtbürste verschluckt.
„Sie hatten einen Unfall. Aber machen Sie sich keine Sorgen, es wird Ihnen bald besser gehen. Sie haben ein paar Prellungen und einen offenen Bruch an der rechten Hand.“ Das Gesicht mit der engelsgleichen Stimme lächelte verständnisvoll und verschwand aus meinen Blickfeld. Fürs Erste versuchte ich mich zu entspannen, denn so wie es schien, lebte ich.
Langsam schloss ich wieder die Augen, es war eine Wohltat. Das Wummern meines Kopfes wurde erträglicher, doch die Schmerzen in der rechten Hand stachen unaufhörlich. Ich versuchte mich auf meine Atmung zu konzentrieren, gleichmäßig und tief, so versuchte ich den Schmerz in den Hintergrund zu drängen. Um im nächsten Moment von einem Gepolter und für mich kaum ertragbaren, „Hallo Mrs. Linn, ich bin Ihr behandelnder Arzt, Dr. Carter“, wieder zurückgeholt wurde, und das in einer Tonlage, dass ich das Gefühl hatte, mein Kopf machte seine Drohung wahr.
Dann fing er an wie ein Wahnsinniger auf meinem Bauch herumzudrücken und mit einer kleinen, viel zu hellen Lampe in die Augen zu leuchten. Entrüstet über sein etwas rüpelhaftes Benehmen starrte ich ihn an. Er stellte zu viele Fragen und ich musste erst einmal meine Gedanken sortieren. „Wissen Sie, welcher Tag heute ist?“
Ich sah ihn verständnislos an, „ Freitag“, krächzte ich leise. Sein Gesicht schien mit der Antwort zufrieden. „Wissen Sie, warum Sie hier sind?“ Fragte er ein bisschen gelangweilt, mit monotoner Stimme und kritzelte auf seinem Klemmbrett herum. Ich runzelte die Stirn und überlegte angestrengt.
Ich versuchte an das anzuknüpfen, was mir als erstes einfiel. Ich war auf dem Weg zu Devi, er war mein bester Freund. Wir wollten uns einen gemütlichen DVD-Abend bei ihm zu Hause machen. Ich wusste noch, dass wir auf dem Weg zur Videothek waren, um uns einen Film auszuleihen und da es nicht so weit war, sind wir das Stück gelaufen. Dann war da nichts mehr, nur schwarze Leere. Ich konnte mich an nichts mehr erinnern. Das Letzte, was ich vor meinem inneren Auge sah war, dass wir nebeneinander lachend auf dem Bürgersteig zur Videothek liefen und herumalberten. Seine dunkelbraunen sanften Augen strahlten und verbreiteten die Geborgenheit, die ich an ihm so liebte. Mir wollte noch nicht mal einfallen, worüber wir so gelacht hatten. Devi? Wo war er? Misstrauisch sah ich die beiden an und mit immer noch in Mitleidenschaft gezogener Stimme flüstere ich, „Wo ist er? Wo ist Devi?“
Meine ganze Kraft zusammenkratzend versuchte ich mich aufzusetzen, um besser sehen zu können, dem Schmerz zum Trotz. Herumjammern konnte ich später immer noch, wenn Devi an meinem Bett säße und meine Hand hielt. Beunruhigt ließ ich meinen Blick durchs Zimmer schweifen, aus dem Überwachungsfenster hinaus in den Flur, auf dem geschäftiges Treiben herrschte. Doch nirgendwo konnte ich das mir so vertraute Gesicht finden. Er muss doch hier sein, er wird doch bestimmt wissen wollen wie es mir ginge, und ich wollte wissen, wie es ihm ginge, mehr als alles andere. Die Krankenschwester, die neben Dr. Carter stand, sah mich mitleidig an, als wollte sie mich in den Arm nehmen und trösten. Es irritierte mich und zugleich machte es mich wütend. Sie sollte es nicht wagen und sich hinreißen lassen. Da ich ihn nicht finden konnte, sah ich die beiden an, ihre Blicke waren nicht verheißungsvoll, eher niederschmetternd. Entsetzen schnürte mir die Brust zu.
„Sie müssen jetzt stark sein.“ Redete die Schwester beruhigend und leise auf mich ein. 'Was für eine abgedroschene Floskel', dachte ich. Bis mir der Sinn der Worte bewusst wurde. Meine Augen weiteten sich. „Wo ist er?“ Versuchte ich zu schreien, soweit meine Stimme es hergab. „Sagen sie mir sofort wo er ist!“ Nicht nur meine Stimme zitterte, auch meine Hände, die ich in die Bettdecke krallte, um irgendwie Halt zu finden. Tränen der Wut stiegen hoch. Keuchend brachte ich jetzt kaum mehr einen Ton heraus. Mir wurde schwindelig, alles begann sich zu drehen, wie in einem viel zu schnellen Karussell, in dem ich vergebens den Ausgang suchte. Dann wieder diese bleierne Schwere, die alle Angst und das Entsetzen von mir nahm, mir Gleichgültigkeit schenkte. Alles wurde angenehm still.
Warmes, weiches Sonnenlicht hatte die Neonröhren der letzten Nacht abgelöst und verbreitete ein Gefühl längst vergangener Tage. Der Baum vor dem Fenster wog langsam im Wind hin und her. Es sah so friedlich aus, ein unbeschwerter Sommertag. Wie ich ihn in den letzten Jahren oft erlebt hatte, unbekümmert und frei. Dieses Gefühl beschwor Bilder herauf, Devi und ich auf dem Dach des Manhattan Center. Wie so oft, hatten wir uns verbotener Weise hinaufgeschlichen und genossen die Aussicht und schmiedeten Pläne für die Zukunft. Auch sponnen wir uns Unerreichbares zusammen, der festen Überzeugung, dass es nichts gäbe, was wir nicht zusammen schaffen könnten. Naiv und unbeschwert. Ich hielt dieses wunderbare Gefühl fest, wir waren schon lange nicht mehr dort gewesen, wo unsere Pläne Realität waren und nicht von der Wirklichkeit zerstört wurden. Es war unser kleiner, ganz privater Himmel, den wir mit niemand anderen teilten. Wie oft wir uns vor Lachen die Bäuche hielten und Devi wieder mal die Cola aus der Nase schoss. Ich hatte einen einmaligen besten Freund.
Diesen Gedanken nachhängend huschte ein kleines, verschmitztes Lächeln über meine Gesicht und erfüllte mich mit Wärme.
Die Erkenntnis der letzten Nacht holte mich rücksichtslos wieder ein.
Langsam setzte ich mich auf, wenn es auch meine ganze Kraft in Anspruch nahm, stemmte ich die Hände auf die Matratze und drückte mich hoch, auf meine Atmung konzentriert ging es unerwartet einfach. Im selben Moment öffnete sich ohne Ankündigung die Tür. Die Schwester von letzter Nacht trat schnellen Schrittes ein. „Guten Morgen Mrs. Linn, wie geht es Ihnen? Ich bringe Ihr Frühstück.“ Ich sah sie verständnislos an, ihre gute Laune war wie ein Schlag ins Gesicht. Wut stieg in mir auf, wie konnte die Welt so tun als wenn nicht gewesen wäre. „Ich will kein Frühstück, ich will wissen was genau letzte Nacht passiert ist!“ Keifte ich explosiv. Sie schloss die Tür hinter sich , stellte das Tablett auf den Tisch am Fenster und setzte sich auf meine Bettkante. Wie schon in der vergangenen Nacht sah sie mich schrecklich mitleidig an. „Sind Sie ganz sicher, dass Sie das wissen möchten, Mrs. Linn?“
Sie wirkte betroffen, wie konnte man so verdammt dumme Fragen stellen. Doch war es nicht das, was sie sagte, sondern wie sie es sagte und es machte mir Angst, ich sah sie erschrocken an und dachte kurz über ihre Worte nach. War es so grausam, dass es mich vielleicht den Rest meines Lebens verfolgen würde? Doch war der Gedanke es nicht zu wissen, es nie zu erfahren, was in dieser Nacht passiert war, noch viel quälender.
„Natürlich möchte ich das“. Doch war ich jetzt nicht mehr so überzeugt wie noch vor ein paar Minuten.
„Ich kann Ihnen nur sagen, was der Notarzt berichtet hat. Sie und Mr. McIntyre wurden, so wie der Sachverhalt liegt, von einem angetrunkenen Mann mittleren Alters mit dem Auto erfasst.
Der Mann hat es nicht für nötig gehalten, das Auto zu stoppen und hat damit eine Fahrerflucht begangen, wurde aber kurz drauf von der Polizei aufgegriffen, als er sich um eine Laterne wickelte. Er ist mit dem Schrecken davon gekommen. Mr. McIntyre erlag noch am Unfallort seinen schweren inneren Verletzungen. Als der Notarzt eintraf, den ein aufmerksam gewordener Anwohner rief, knieten Sie neben Mr. McIntyre und waren durch nichts zu beruhigen. Erst als die Sanitäter Sie in den Rettungswagen brachten, haben Sie die Kräfte verlassen und sind ohnmächtig geworden. Es tut mir wirklich leid.“ Beteuerte sie und tätschelte meine Hand, einen Moment blieb sie noch sitzen und schien sich zu vergewissern, dass ich keinen Kollaps hinlegte. Dann verließ sie das Zimmer und ließ mich verstört zurück.
'Haltet die Welt an, ich will aussteigen.'Vor mich hin starrend wollte ich ihren Worten keinen Glauben schenken, das konnte nicht sein. Ein riesiges schwarzes Loch tat sich unter mir auf und wollte mich gierig verschlingen. Langsam ließ ich mich zurück ins Kissen sinken und heftete meinen Blick auf den Baum, deren Äste im Sonnenlicht sanft hin und her gewogen wurden und mir Erinnerungen brachte, die sich mit dem jetzigen Wissen nie mehr wiederholen würden. Die Bedeutung Leben schien eine nie da gewesene Form anzunehmen, die unerträglich schien. Ich rollte mich zusammen, um dem irgendwie Stand zu halten.
So einsam und verloren wie in diesem Moment fühlte ich mich nie zuvor. Meine Gedanken kreisten, ich wusste nicht wie ich ohne Devi an meiner Seite das Leben meistern könnte. Meine verwandte Seele war von mir gegangen, hinterließ nur diesen grauenhaft reißenden Scherz und Erinnerungen, die so einmalig waren, wie er.
Es waren Stunden vergangen in denen ich nur da lag, nicht in der Lage mich zu bewegen. Es war, als hätte ich keine Gewalt mehr über mich, ich versuchte nur diesen Schmerz auszuhalten, der in brennenden Wellen mein Inneres überschwemmte. Immer wieder liefen Schwestern und Ärzte ins Zimmer, sie erneuerten den Tropf, trugen irgendwas in meine Akte ein und fragten, wie es mir ginge. In den seltensten Fällen bekamen sie eine Antwort. Wie sollte es mir schon gehen? Ob einem von ihnen schon mal mit einem brennenden Schürhaken in der Brust herumgefuhrwerkt wurde? Anscheinend nicht, sonst würden sie nicht so dumme Fragen stellen. Die einzige Abwechslung, die ich bewusst wahrnahm, es dämmerte allmählich. Das war immer die schönste Zeit des sich neigenden Tages, wenn nach und nach Ruhe einkehrte, die Luft sich erfrischend abkühlte und es einfacher wurde, tief durchzuatmen. Bis die Nacht alles in geheimnisvolles Schwarz hüllte und die dunklen, schrägen Gestalten der Nacht, wie auch die schrillen Paradiesvögel ihre bunten Schwingen ausbreiteten und den Weg auf die Straßen New Yorks fanden.
Es klopfte an der Tür, die im selbem Moment geöffnet wurden. Mein Dad steckte den Kopf herein. „Hey, Kleines.“ Sein mitleidiger Blick war schwer zu ertragen. Ich raffte mich mühsam auf, vorwurfsvoll sah ich ihn an.
Langsam, mit schweren Schritten kam er näher, ging um das Bett und setzte sich auf die Kante. Er versuchte, verständnisvoll zu Lächeln und strich mir einzelne Haarsträhnen aus dem Gesicht. Ihm war anzusehen, wie mein Anblick ihn mitnahm.
„Es tut mir unsagbar leid.“ Flüsterte er, als er meine Hand nahm und sie mit seiner umschloss. Seine Worte waren aufrichtig, er mochte Devi. Er vertraute ihm und wusste, dass ich bei ihm immer gut aufgehoben war und er auf mich aufpasste, damit mir nie etwas zustoßen würde. Mit den Tränen kämpfend biss ich mir auf die Unterlippe und nickte, nicht in der Lage, auch nur ein Wort über meine zitternden Lippen zu bringen. Wortlos umarmte er mich und ich vergrub meinen Kopf an seiner Schulter. Seufzend atmete er aus, mitfühlend fuhr seine Hand über meinen Rücken. Ich wehrte mich gegen den Drang, loszuschreien, denn ich könnte gar nicht so laut schreien, dass es den Schmerz übertönen würde. So wimmerte ich leise vor mich hin. Wenn mein Dad jetzt hier war und versuchte zu retten, was noch zu retten war, so brachte es mir keinen Trost.
„Deine Mum ist auf dem Weg. Sie wird morgen hier sein.“ Murmelte er. Meine Mum war Schriftstellerin, seit ihren Anfängen war sie erfolgsverwöhnt. Jeder ihrer Romane schlug ein wie eine Granate. Jetzt war sie schon seit ein paar Wochen im Westen des Landes auf Lesungen unterwegs, wie auch in der Vergangenheit immer wieder. Was der Grund war, warum ich zu meinem Dad ein soviel besseres, innigeres Verhältnis hatte, er konnte mein rebellisches Verhalten oft nachvollziehen und hielt schützend seine Hand über mich, wenn meine Mum wieder einmal kurz vor dem Platzen stand und mir Hausarrest drohte. Er war immer für mich da, wie auch in dieser schwersten und dunkelsten aller Stunden.
Ich hatte nie viele Freunde, mir war es wichtiger einen echten Freund an meiner Seite zu wissen, als zwanzig geheuchelte Freundschaften. Auch war ich nie sonderlich beliebt, da ich mir selbst treu blieb und mich nicht verbog, so dass andere an mir Gefallen fanden. Was der Grund war, warum ich Devi so sehr zu schätzen wusste, er nahm mich wie ich war und versuchte nicht einen Moment, mich zu manipulieren, damit ich irgendeinem bestimmten Raster entsprach. So hatten wir uns einen Mordsspaß daraus gemacht, die anderen auf jede mögliche Art und Weise zu schockieren und uns in keinster Weise anzupassen, wir waren Rebellen und liebten es. Den täglichen Kampf des Lebens glich, mit ihm an meiner Seite, einem Spaziergang. Weshalb ich mir nicht vorstellen konnte wie es ohne ihn gehen sollte.
„Dad. Ich will nach Hause.“ Flüsterte ich mit dem Kopf noch immer an seiner Schulter. Diese schrecklich sterile Umgebung und die fremden Menschen, denen ich eigentlich egal war, waren ein Graus für mich und nur schwer zu ertragen. „Ich weiß.“ Murmelte er und sein Kinn ruhte auf meinem Kopf. „Bitte, nimm mich mit.“ Flehend sah ich auf. Ihm war anzusehen, dass er es nicht sofort ausschlug, sondern über meine Worte nachdachte. Ich wollte in meine vier Wände, die mir Schutz boten, dort konnte ich mich verkriechen und so der über mir zusammenschlagenden Welt entkommen.
„Ich soll dich einfach so mitnehmen?“ Fragte er und tat verwundert. „Genau das sollst du.“ Meine Stimme gewann an Kraft, ich versuchte ihm klar zumachen, wie unerträglich es hier für mich war, wenn es auch nicht nötig wäre es in Worte zu fassen, er wusste wie ich fühlte. Einen Moment musterte er mich, wahrscheinlich ob ich es packen würde oder doch aus Gründen der Vernunft noch eine Nacht hier bleiben sollte. Was juckte mich die Vernunft, die hatte mich noch nie weiter gebracht oder interessiert.
„Ich werde mal sehen was ich machen kann.“ Sprach er leise, küsste meine Stirn und stand auf. An der geöffneten Tür sah er sich noch mal um und lächelte betroffen. Als sie sich leise schloss, sah ich wieder zum Fenster hinaus. Mittlerweile hatte die Nacht die letzten orange schimmernden Strahlen der Leben schenkenden Sonne verscheucht und lag schwer und bleiern auf der Stadt und meiner Seele. Mein Kopf war voller Gedanken, die sich wild überschlugen, dass es mir schwindelig wurde und einer immer wieder kehrenden Frage. Warum? Warum er? Warum nicht ich? Mein Magen rebellierte, zog sich schmerzhaft zusammen und brannte. Das ohnmächtige Gefühl der Hilflosigkeit drückte mich in die Kissen und ließ mich leise schluchzen. Ich hatte meinen Lebensinhalt verloren und war überzeugt, dass ich nichts finden könnte was es wieder füllen würde. So war ich vor die Wahl gestellt, eine Wahl die keine wäre. Ein Leben ohne mein Leben. Unvorstellbar und doch wurde es von mir verlangt, ohne dass ich gefragt wurde. Ein schleichender Abschied wäre vielleicht tragbar, es würde einem die Zeit gegeben, sich langsam damit abzufinden. Aber so wurde mir die Klinge an die Kehle gehalten, friss oder stirb. Mein Leben mit Devi glich einer Symphonie. Harmonisch, verspielt, mit Höhen und Tiefen, manchmal dramatisch, aber nie schief oder unmelodisch. Und das war unsere Symphonie, das Ende war geschrieben und ihre letzten Töne verhallten langsam. Alles Festhalten wäre vergebens, wie sollte man Töne festhalten? Man könnte sich erinnern, doch würden sie mit vergangener Zeit leiser werden, bis am Ende nichts blieb.
Das leise Schließen der Tür ließ mich aufsehen, aber die Blicke meines Dad verhießen nichts Gutes und erstickten meine Hoffnung im Keim. „Sie wollen dich noch nicht gehen lassen.“ Resignierend schüttelte er den Kopf und trat näher. Mit anklagendem Blick sah ich wieder auf und wie es seit Jahr und Tag war, ich ließ mir nicht sagen, was ich zu tun hatte oder was das Beste für mich sei. Ich tat, von dem ich dachte, dass es das Richtige war. Doch fürs Erste behielt ich meinen Entschluss für mich.
Erneut öffnete sich die Tür und mein Abendessen wurde gebracht. Etwas gelangweilt stellte der Pfleger es auf den Tisch und verabschiedete sich mit einem Nicken. Es war diese Gleichgültigkeit, die hier an den Tag gelegt wurde, ich fand es einfach zum Kotzen. Zwar waren alle darauf bedacht, dass ich körperlich wiederhergestellt wurde, doch damit hörte es auch schon wieder auf. „Ich versuch morgen nochmal mein Glück, vielleicht zeigen sie sich dann gnädiger.“ Sagte er leise und fuhr mit seiner Hand über meinen Kopf. Zwar nickte ich, aber ich war auf ihre Gnade nicht angewiesen, ich konnte mir selbst helfen. „Dann lass dir dein Essen schmecken. Bis morgen. Ich hab' dich lieb.“ Noch einmal drückte er mich und küsste mein Haar. „Ich dich auch.“ Murrte ich, dann war ich wieder allein und sah erneut zum Fenster hinaus in die Freiheit, die nur auf mich wartete.
Es verging einige Zeit, mein Essen wurde unberührt wieder abgeholt und nach der letzten Runde der Nachtschwester war es an der Zeit, meinen Plan in die Tat umzusetzen. Ich saß auf der Bettkante und stöhnte leise, jeder Knochen tat mir weh, aber wäre es nichts, was mich aufhalten könnte. Nachdenklich betrachtete ich die Kanüle in meinem Arm, langsam löste ich das Pflaster, welches sie dort hielt wo sie war. Tief holte ich Luft und zog sie gleichmäßig heraus, sofort schnappte ich mir das Taschentuch, dass ich bereit gelegt hatte und drückte es fest auf die kleine blutende Wunde. Ich lauschte angespannt, ob ich irgendetwas von vor der Tür hören konnte, aber nichts, er war fast unerträglich still. Langsam rutschte ich von der Kante und kam etwas wackelig zum Stehen, nahm den Rucksack vom Stuhl, den Dad mitgebracht hatte und verschwand ins Bad. So schnell es ging wusch ich mir das Gesicht und wie ich den Kopf hob und in den Spiegel sah, erschrak ich. Einige tiefe Kratzer zierten meine rechte Gesichtshälfte, entsetzt tastete ich mit den Fingern darüber und fand mein Gesicht ziemlich entstellt. Aber mehr Zeit, mich darüber zu entsetzen, blieb mir nicht. Nachdem ich angezogen wieder im Zimmer stand, packte ich noch die restlichen Dinge ein, machte mir einen Zopf, setzte den Rucksack auf und löschte das Licht.
Mit der Türklinke in der Hand schloss ich die Augen und atmete noch einmal tief durch. Vorsichtig drückte ich sie herunter und öffnete sie Stück für Stück. Im Flur brannte nur eine Notbeleuchtung, gut so, es würde mir vielleicht etwas Schutz bieten. So leise wie ich die Tür geöffnete hatte, schloss ich sie auch wieder. Wie auf Samtpfoten schlich ich los, alle Sinne aufs Schärfste angespannt. Auf Höhe des Schwesternzimmers hörte ich leises Gemurmel und spornte meine Beine an. Ich wollte nur noch weg, hier war der Ort an dem ich erfahren musste, dass ich allein zurecht kommen musste. Verlassen, wütend und doch von Schmerz verzehrt.
Als ich die Station hinter mir ließ und den ewig langen Flur entlang zum Treppenhaus joggte, zog ich mir die Kapuze über den Kopf und tief ins Gesicht. Ich versuchte, mich nahezu unsichtbar zu machen. Im Schweinsgalopp raste ich die Treppen herunter, um dann im Erdgeschoss das Fenster zu öffnen. Spätestens am Empfang würde ich um diese Uhrzeit auffallen und um dem aus dem Weg zu gehen, wählte ich die Flucht durchs Fenster. Etwas unbeholfen kletterte ich hinaus, der innere Wunsch vor Schmerz los zu brüllen, wuchs ins Unermessliche. Der Rasen gab weich unter meinen Füßen nach und ich inhalierte die schwere Luft New Yorks, so roch die Freiheit. Noch immer in leicht gebückter Haltung, lief ich im Schatten des Gebäudes und mied jede Laterne auf meinem Weg. Erst als der lärmenden Krach der Straßen näher kam, wechselte die Anspannung mit Hoffnungslosigkeit. Das Gefühl, völlig allein zu sein, es gab niemanden, dem ich mein Herz hätte ausschütten können, meinen Schmerz und meine Wut hätte entgegen schreien können. Einfach nur jemanden der mich auch nur im Ansatz verstand und mir hätte Trost schenken können. Oder einfach nur für mich da wäre. Ich vergrub die Hände in den Taschen meiner Jeans und ging gesenkten Hauptes die Straße entlang, den Tränen ließ ich freien Lauf. Ich konnte es nicht länger von mir schieben, mein Weg führte mich am Manhattan Center vorbei. Kurz blieb ich stehen, sehnsüchtig sah ich auf. Noch immer hörte ich sein geliebtes Lachen, sah seine schönen funkelnden, braunen Augen und fühlte seine ehrlichen Berührungen. Klagende Blicke schickte ich zum Himmel, der voller Sterne hing, doch erschienen sie mir als hätten sie ihren einzigartigen Glanz verloren und waren nur noch ein trauriger Abklatsch dessen, was sie einmal waren. Es war einfach nicht fair und die Wut wurde größer als die Traurigkeit. Alles fühlte sich anders an, als wäre es nicht länger mein Leben, dass ich versuchte zu leben.
Es war nicht weit, bis sich mir das gewohnte Bild des Hauses bot, in dem wir, seit ich denken konnte, lebten. Dieser vertraute Anblick heuchelte mir vor, alles wäre wie immer, es war zu verführerisch sich diesem Trugschluss hinzugeben, käme das Erwachen nicht Folter gleich.
Mit leisen Schritten schleppte ich mich die Stufen hinauf, suchte in dem Rucksack nach meinen Schlüsseln und schloss auf. Ich streckte den Kopf hinein, bis auf das leise Gemurmel des Fernsehers war nichts zu hören. Bedacht leise schloss ich sie und schlich zu meinem Zimmer, aber ich blieb nicht unentdeckt.
„Karen?“ Ertönte die fragende Stimme meines Dad. „Nein, ich bin' s.“ Nuschelte ich etwas kleinlaut und erschien im Rahmen der Wohnzimmertür. „Reyna?“ Sein Gesicht verzog sich zu einem kleinen Lächeln und er schüttelte den Kopf. „Warum wundert es mich nicht?“ Ich erwiderte seinen Blick. „Weil du mich kennst.“ Er klopfte neben sich auf das Sofa, aber ich lehnte kopfschüttelnd ab. „Ich möchte allein sein.“ Mitleidig und besorgt zog er die Stirn in Falten. „Rey, ich bin jederzeit für dich da.“ Ich musste schwer schlucken und senkte den Blick. „Ich weiß.“ Einen Moment blieb ich noch, dann wandte ich mich zum Gehen. Meine Zimmertür warf ich zu und ließ mich so wie ich war aufs Bett fallen. Trotz der weichen Matratze wurde meine Unachtsamkeit mit sofortigem Schmerz bestraft. Jeder einzelne Muskel brannte als würde anstelle von Blut flüssiges Eisen durchfließen. Ich bevorzugte die Strategie des Abwartens, gequält schloss ich die Augen. Irgendwann musste es besser werden.
Etwas reckte ich den Arm und angelte mir die Fernbedienung der Anlange, leise machte ich sie an. War das der andere Grund, der mich am Leben hielt, Musik. Sie war neben Devi die andere große Säule in meinem Leben. Ich versuchte nur den angenehmen Klängen zu lauschen und die restlichen Gedanken auszublenden. Doch der Song `Boston´von Augustana ließ mich innerlich zucken. Dieser Song besang eines von Devi und meinen Zielen. Einfach abhauen, in eine andere Stadt, wo man uns nicht kannte, denen zu entfliehen, denen wir egal waren und von vorn anzufangen. Ich sah auf das große Bild an der Wand, wir hatten uns gegenseitig porträtiert und einfach einen Rahmen drumherum gemalt. Wie detailgetreu wir auf jede Kleinigkeit geachtet hatten, er war unsagbar begabt. Wie er mich von dort aus anlächelte, überdimensional und doch glich es in seiner Art einem Foto. Einige Haarsträhnen hingen ihm im Gesicht, den Mund zu einem verschmitzten Lächeln verzogen und seine Augen, die mich vom ersten Moment an in ihren verzaubernden Bann zogen.
Gefühle konnten etwas so grausames sein. So hoch sie mich einst fliegen ließen, so tief rissen sie mich jetzt in die heißesten Feuer meiner eigenen Hölle. Kraftlos raffte ich mich auf und trat näher an das Bild. Sachte fuhr ich über seine Wange. „Du fehlst mir so unglaublich.“ Hauchte ich unter erneut aufsteigenden Tränen und legte meine Hand auf die Wand, von der nichts als Kälte ausging. Keine Wärme, kein Herzschlag, kein Gefühl.
Chapter 2
Es vergingen Wochen, die das Leben alles andere als einfacher machten. Die Beisetzung von Devi war ein Kraftakt, der kaum zu bewältigen war und der Wunsch, neben ihn gebettet zu werden, wuchs mit jedem vergangenen Tag. Es war das erste Mal, dass ich seine Eltern wiedersah. Ihre Gesichter waren eingefallen und um Jahre gealtert, rot geränderte Augen mit tiefen Ringen. Schuldbewusst sah ich sie an und es fühlte sich an, als hätte ich das Leben nicht verdient. Ihre Blicken waren wie ein stiller Vorwurf, ´Du hast ein Leben, vergeude es nicht, mache etwas daraus´. Es war nicht in Worte zu fassen, was sie durchleiden mussten, wenn das einzige Kind vor Ablauf seiner Zeit aus dem Leben gerissen wurde. Dieses Gefühl, übrig geblieben zu sein oder zurück gelassen zu werden, zerfraß mich Tag für Tag ein bisschen mehr.
Es war falsch. Die Kinder sollten ihre Eltern zu Grabe tragen, aber nicht die Eltern ihre Kinder.
Ich ging nicht mehr zu Schule, alles hatte seine Wichtigkeit verloren und verblasste, angesichts dieses Verlusts. Ich lebte nur noch von einem Tag zum anderen, ich plante nichts mehr, auch waren mir Konsequenzen völlig egal. Man konnte es nicht mehr Leben nennen, es gab nichts, was mir auch nur im Ansatz Freude bereitete oder mich aus meiner Lethargie holen konnte. Meine Eltern versuchten es mit einem Überraschungsurlaub auf den Bahamas, aber nachdem ich einen gepflegten Anfall hingelegt hatte und ihnen unmissverständlich klar gemacht hatte, dass ich keinen Tag von Devis Seite weichen würde, hatten sie es irgendwann aufgegeben. Doch erst nach unzähligen, für mich überflüssigen Gesprächen, die alle nichts im geringsten änderten. Keiner von ihnen drang zu mir durch, auch nicht mein Dad, für den es sonst ein Leichtes war, mich zu verstehen, sie scheiterten kläglich. Alles war mir unfassbar gleichgültig, ich war einfach nur noch da. Die Welt hatte ihre prächtigen Farben verloren, es war nur noch ein Einheitsgrau, mit verschiedenen Helligkeitsabstufungen. Der Sinn meines Vor- mich- hin- siechen war es, meine Tage bei Devi zu verbringen. Ob die Sonne vom Himmel brannte oder es junge Hunde regnete. Ich sah den Friedhofsgärtner öfters als meine Eltern und lernte die kleinen Unterhaltungen mit ihm zu schätzen. Nur hier, an diesem friedlichen Ort, konnte ich Devi nah sein, nur hier konnte ich meinem inneren Frieden näher kommen, es war beruhigend und ich fühlte mich ein bisschen vervollständigter, es war wie nach Hause kommen.
Doch der Tag, an dem meine Eltern sich nicht mehr anders zu helfen wussten, kam.
Es war schon dunkel als ich den Weg nach Hause gefunden hatte, mit vom Regen durchnässten Klamotten öffnete ich die Wohnungstür und wollte wie jeden Tag am liebsten ungesehen in mein Zimmer. Doch bevor ich die Klinke zu meiner Tür runterdrückte, vernahm ich die Stimme meines Dads hinter mir. „Reyna, hast du kurz Zeit?“
Ich bereute es, nach Hause gekommen zu sein, bevor sie im Bett waren. Wenn sie schon schliefen, stand ich oft auf dem Balkon und sah auf die Stadt, die niemals schlief und wünschte ihn an meine Seite. Wie oft wir auf dem Balkon saßen und in den Himmel gesehen hatten. Leise hatten wir uns unterhalten und die Leute von hier aus mit Popcorn beworfen. Manchmal haben wir uns hinreißen lassen und lauthals gesungen, bis wir vor Lachen keinen Ton mehr herausbrachten oder die Nachbarn uns mit den Cops drohten. Er fehlte mir unbeschreiblich.
Es ließ mich laut seufzen und ich drehte mich um. Der Ausdruck auf dem Gesichts meines Dads machte mir ein bisschen Angst, es bahnte sich etwas an, von dem ich noch nicht ausmachen konnte was es war, doch beunruhigte es mich zusehend. Mit misstrauischen Blicken folgte ich ihm in die Küche. Meine Mum saß am Tisch und hatte die zusammengefalteten Hände auf den übereinandergeschlagenen Knien liegen, entschlossen sah sie mich an. Dad setzte sich zu ihr und sackte etwas zusammen. Es machte nicht den Eindruck, als würde er hundertprozentig hinter dem stehen, was jetzt folgen würde. Ich bevorzugte es, in der Tür stehen zu bleiben, so wäre eine Flucht einfacher.
„Na komm, setzt dich zu uns. Wir würden gerne etwas mit dir besprechen.“ Wenn meine Mum so hochoffiziell anfing, konnte es nur in einem Desaster enden. Mein Herz legte schon mal vorab einen Schlag zu. „Ich kann euch auch hier hören.“ Schlug ich ihre Bitte aus, lehnte mich an den Rahmen und versuchte mir nicht anmerken zu lassen, wie beunruhigend ich ihr Benehmen fand. Über meine abwehrende Haltung zog sie eine Augenbraue hoch und sah zu meinem Dad. „Wie du meinst.“ Sie räusperte sich und schien nach den richtigen Worte zu suchen. Ich sah abwechselnd von einem zum anderen, aber mein Dad schien das schwache Glied in diese Kette zu sein. Er hatte den Kopf gesenkt und sah nicht einmal auf. „Wir sehen, dass es dir schlecht geht, aber so wie es die letzten Wochen war, so geht es einfach nicht mehr weiter.“ Geräuschvoll sog ich die Luft ein und wartete auf ihre Sanktionen. Durchdringend sah sie mich an. „Reyna, damit du wieder zurück in ein normales Leben findest, haben wir uns dazu durchgerungen.....“ Sie machte eine kleine Pause und mein Herz hämmerte jetzt ziemlich laut, mit großen Augen sah ich sie an. Sie schnaufte. „Rey, wir werden umziehen.“ Beendete sie ihre Ansprache knapp. Ein Umzug? Ich hatte mit weitaus Schlimmerem gerechnet. Erleichtert atmete ich aus. Da die Gefahr gebannt schien, setzte ich mich auf einen der Stühle. „Okay und in welchen Stadtteil von New York?“ Fragte ich und kratzte mich am Kopf. Zwar verstand ich nicht so ganz den Sinn dieses Umzuges, aber vielleicht brauchten sie auch einfach mal einen Tapetenwechsel.
Stop. Hatte sie nicht gerade gesagt, 'Ich? Und zurück in ein normales Leben?'. Ich sollte mir angewöhnen zuzuhören und zwischen den Zeilen zu lesen. Sie merkten, wie ich plötzlich stutzte. Meine Augen weiteten sich und blieben auf meine Mum geheftet. „Wohin?“ Knurrte ich und merkte, wie die Wut hochstieg.
„Es ist ein bezauberndes Örtchen, im Grünen......“ Versuchte sie es mir schmackhaft zu machen. „Jersey?!“ Platzte es aus mir heraus. Ich wäre ewig unterwegs, von Jersey bis zum Friedhof der Trinity Church wäre es eine Himmelfahrt. Etwas verzweifelnd schüttelte sie den Kopf, aber ihr Blick blieb konsequent. „Nein Schatz, nicht Jersey.“ Jetzt war ich völlig durcheinander. „Wohin dann?“ Meine Stimme überschlug sich und klang unnatürlich hoch. „ Beaver, es liegt in der Nähe von Forks.“ Mit dieser Information konnte ich gar nichts anfangen und das spiegelte mein Gesicht wieder. „Hä? Wo in Gottes Namen liegt das?!“ Langsam aber sicher hatte ich die Schnauze gestrichen voll von ihrem Rumgedruckse. „Mum!“ Knurrte ich ermahnend.
„Im Bundesstaat Washington.“ Sie war die Ruhe selbst, aber meine Gesichtszüge entglitten mir gänzlich. „Washington?“ Wiederholte ich ziemlich tonlos und sah sie zweifelnd an. „Das ist einmal quer durchs Land.“ Stellte ich abwesend fest, sie nickte. „Dann wünsch' ich euch viel Spaß und schreibt 'ne Karte, wenn ihr da seid.“ Mit diesen Worten war das Gespräch für mich beendet und ich erhob mich. „Reyna ,du wirst mitkommen. Du bist der Grund, warum wir umziehen.“ Versuchte sie es mir zu erklären. Wütend wirbelte ich herum. „Wegen mir muss niemand an den Arsch der Welt ziehen. Darum habe ich nicht gebeten!“ Schrie ich und war außer mir. „Keine Wiederworte, es ist beschlossen und so wird es gemacht.“ Bestimmte sie im strengen Ton. Hilfesuchend sah ich zu meinem Dad, doch konnte er mich nicht ansehen, er wusste, was dass für mich bedeutete. Trotz allem glotzte er weiter resigniert auf die Tischplatte, dieses Mal konnte ich nicht darauf hoffen, dass er mir den Rücken frei hielt, es fühlte sich so an als wäre er mir mit Schwung in selbigen gefallen.
Eigentlich gab es von Anfang an nichts zu besprechen, sie hatten eine Entscheidung getroffen und ich war nur hier, damit sie mir mitgeteilt wurde. Doch die Option des Mitentscheidens wurde mir von vornherein verwehrt. „Denkst du wirklich, dass es für mich einfacher wird, je weiter ich von ihm weg bin?! Dann charter' schon mal ein Shuttle! Denn selbst wenn ich auf der Venus wäre, wäre es immer noch zu nah!!“ Ich verstand ihre Logik nicht, mit dieser Aktion schürten sie nur den Schmerz. Hier konnte ich zu ihm gehen, doch selbst das wollte sie mir nehmen, meine letzte Zuflucht, den einzigen Ort wo wir einander nah waren.
„Versteh doch, wir wollen nur dein Bestes. So kann es einfach nicht weiter gehen.“ Sagte sie jetzt wieder ruhiger. Die Verzweiflung über meine hilflose Situation schwappte über die Wut. „Mum, wenn ihr wirklich mein Bestes wollt, dann lasst mich hier. Kein Ort der Welt würde es erträglicher machen.“ Ich flehte sie förmlich an. „Schatz.“ Sie seufzte. „Das Haus ist gekauft und wir werden nach Washington gehen.“ Damit war ihr letztes Wort gefallen. Sich gegen sie aufzulehnen wäre sinnfrei, so lang mein Dad nicht in dieselbe Kerbe schlug und es machte nicht den Anschein, als hätte er es vor. Es war aussichtslos. Böse sah ich sie an.
„Wann?“ Tief holte sie Luft. „Bald.“ Ich dachte, ich müsste explodieren. „MUM, WANN?“ Schrie ich sie an. Sie wurde ungehalten und duldete so ein Benehmen nicht. „Nächste Woche.“ Fauchte sie zurück. Einen Schritt taumelte ich zurück und starrte sie entgeistert an, dann drehte ich mich um, ohne ein weiteres Wort zu verschwenden ging ich in mein Zimmer und die Tür schloss sich mit einem ohrenbetäubenden Knall . Hatte ich mir das tatsächlich alles selbst eingebrockt? Da ich unbelehrbar vor mich hin trauerte, die Tage in Devi und meiner Welt verbrachte, ohne dass ich irgendwem Eintritt gewährte. War es tatsächlich mein Verhalten, dass sie zu solchen Konsequenzen greifen ließ? Wieso gaben sie mir nicht die Zeit, die brauchte. War mein Verhalten so unnatürlich, dass bei ihnen die Alarmsirenen schrillten? Doch was wäre, wenn ihr Plan nach hinten losgehen würde und alles nur noch schlimmer machte? Ganz abgesehen davon, dass ich wegen Devi hier nicht weg wollte, so lebte ich schon immer in dieser Stadt, ich war den Trubel, den Lärm, all ihre Vielseitigkeit, ihre Toleranz gewohnt und brauchte es wie die Luft zum atmen, sie war mein zu Hause. Großstadtkind blieb Großstadtkind. Der Gedanke, mein komplettes jetziges Leben hinter mir zu lassen und allein an einen Ort zu müssen, an dem ich nicht sein wollte und von vorn anzufangen, kam einer Strafe gleich. Ich würde sie hassen für das, was die mir wie selbstverständlich aufbürdeten. Zwar wollten sie mir einen Neuanfang ermöglichen, ohne Altlasten, aber was wenn man seine Altlasten bis zum Ende seiner Tag mit sich herum tragen wollte? So das man nicht einen dieser kostbaren Momente vergaß, in denen das Leben noch so leicht war, wie atmen.
Mein letzter Tag in New York war angebrochen. Das Verhältnis zu meinen Eltern wurde immer angespannter. Ich redete mit ihnen so gut wie gar nicht, strafte sie mit Nichtachtung und ging ihnen aus dem Weg wo ich konnte. Tief in mir hoffe ich, dass alles irgendwie doch noch ein gutes Ende nehmen würde. Die Hoffnung starb bekanntlich zuletzt.
Wie jeden Tag der vergangenen Monate, schritt ich durch das große weiße schmiedeeiserne Tor des Friedhofes und das Gefühl der Ruhe und es Friedens ließ nicht lange auf sich warten. Es war ein Leichtes, ein schattiges Plätzchen zu finden, da ich diesen Weg Tag täglich ging. Wie gewohnt nahm ich auf der Bank vor seinen Grab Platz. Noch immer konnte ich mir nicht vorstellen, nicht mehr hierher zukommen. Wurden die Tage hier doch erst erträglich, ich konnte es morgens nach dem Aufstehen kaum erwarten, endlich diesen erlösenden Schritt durch das Tor zu tun. Es war der Schritt in die andere Welt, in Devi und meine Welt. Doch brachte der heutige Tag nicht nur die geliebte Erlösung, der Gedanke, dass dieser der letzte Tag hier wäre, lag tonnenschwer auf meinen Schultern, drückte mich zu Boden und anstelle dass sich meine wirrkreisenden Gedanken sortierten, so wie sie es sonst taten und ich alles klar sah, nahm das Chaos in meinem Kopf nie dagewesene Ausmaße an. Ich betrachtete die hellrosa Narbe auf meiner rechten Hand, die mich immer an das unfassbare Grauen erinnerte. Oft stach sie und tat unbeschreiblich weh, aber war dieser Schmerz nicht im geringsten mit den Seelenqualen zu vergleichen. Schlimmeres hätte ich Kauf genommen, um die Zeit zurück zu drehen. Dann sah ich auf und versuchte mir seine ewige Ruhestätte einzuprägen.
Wenn man es so sagen konnte, es war ein schönes Grab. Weit neigte eine Trauerweide beschützend ihre Schwingen über den schlichten weißen Stein, den die Worte,´Bedenke, über alles Leid, das die Tage bringen, zieht mit raschen Schwingen tröstend hin die Zeit.´, zierten. Wenn diese Worte wunderschön gewählt waren, so konnte ich sie bis zum heutigen Tag nicht bejahen. Wie viel Zeit auch vergehen mochte, Schmerz blieb Schmerz, ich wusste nicht, ob ich mich irgendwann daran gewöhnen, mich damit abfinden könnte oder das Ende doch unausweichlich schien. Wieder schweiften meine Gedanken zurück in der Zeit, als Devi und ich uns kennenlernten.
Es war fast genau vor sechs Jahren. Im Central Park sind wir mit den Fahrrädern ineinander gefahren waren und als wir mit blutenden Knien und Köpfen in der Notaufnahme saßen, waren wir uns sehr sympathisch. Aber nicht wie Verliebte, eher wie Bruder und Schwester. Das war der Beginn einer einzigartigen Freundschaft, aus der bald darauf eine Seelenverwandschaft wurde. Er verstand mich ohne Worte, er fühlte wie ich und ich wie er. Es war, als wären wir eine Person. Er war mein verlorener Zwilling, mit ihm fühlte ich mich ganz. Er war so besonders für mich. Ich könnte nicht in Worte fassen was genau er für mich war, er war wie aus einer anderen Welt, mit deren Worten ich es vielleicht hätte erklären können, wenn ich die Sprache gekannt hätte. Wir schrieben das Buch unseres Lebens, von dem es keine Fortsetzung geben würde. Sie lebten nicht glücklich bis zum Ende ihrer Tag.
„Habe mich schon gefragt, wann Sie kommen.“ Rissen mich die Worte des Gärtners aus meinen Gedanken. Etwas überrascht sah ich auf. Er hatte Recht, ich war heute spät dran. „Hey Finlay. Hab' Sie gar nicht kommen hören.“ Nuschelte ich und war mit meinen Gedanken schon wieder weit weg. „Ist alles in Ordnung?“ Fragte er etwas besorgt über meine geistige Abwesenheit. Erneut heftete ich meinen Blick auf Devis Grab.
„Finlay, ich werde nicht mehr herkommen.“ Aus dem Augenwinkel sah ich wie er nickte und dann neben mir Platz nahm. „Irgendwann, muss man einfach loslassen.“ Sprach er mir gut zu. „Das ist es nicht.“ Meine Stimme war nicht mehr als ein Flüstern. „Ich kann ihn nicht loslassen. Er ist mein Leben.“ Ich begann auf meiner Unterlippe herum zu beißen um die Tränen in Schach zuhalten. Jetzt sah ich auf. „Könnten Sie ihn für mich besuchen, wenn......“ Tief musste ich Luft holen. „.....ich fort bin.“ Betroffen musterte er mein Gesicht. „Das werde ich.“ Versprach er. „Er weiß gute Gesellschaft zu schätzen.“ Lächelte ich und fühlte die warmen Rinnsale auf meinen Wangen. Finlay nahm sich die Zeit, die er sonst nie hatte und blieb eine ganze Weile bei mir sitzen, ohne dass wir ein weiteres Wort verloren. Es war ganz schön, mal nicht allein hier zu sein.
Langsam dämmerte es, die Zeit war gekommen, ich musste ihm Lebewohl sagen. Wenn sich auch alles in mir sträubte, hatte ich keine andere Möglichkeit. Doch versprach ich ihm, mit Beginn meines einundzwanzigsten Lebensjahres, könnte es wieder mit meinen täglichen Besuchen rechnen. Ich wäre wieder für ihn da, so wie er immer für mich da war. Es wären zwar immer hin noch fast vier Jahre, die ich irgendwie rum kriegen müsste, falls mir nicht etwas anderes Glorreiches einfallen würde. Kurz verabschiedete ich mich von Finlay und wünschte ihm alles Gute. Dann machte ich mich auf den schwersten aller Wege. Mit jedem gelaufenem Meter verließ mich ein bisschen mehr der Mut und ich zweifelte, dass es ich es in Washington packen würde. Jetzt, da ich das letzte Mal durch die Straßen New Yorks lief, sah ich mich bewusster um. Wieviel Schönes sie zu bieten hatte, die vielen verschiedenen Kulturen, die friedlich nebeneinander existierten. Ihre Farben und Gerüche, der Lärm, auch wenn man sich diese Stadt auch mit noch so vielen Menschen teilte, fühlte man sich doch unglaublich einsam. Widersprüche, die sich widersprachen.
Als ich die Wohnungstür aufschloss, versuchte ich gar nicht, nicht gehört zu werden, laut schlug ich die Tür zu und pfefferte meine Schuhe in die Ecke. Ich war noch keinen Meter gelaufen als meine Mum mit verschränkten Armen im Flur stand. „Du weißt, was ich dir gesagt hatte.“ Erinnerte sie mich. „Was bis morgen früh nicht eingepackt ist, bleibt hier.“ Schnaufend, mit verachtendem Blick, lief ich an ihr vorbei in mein Zimmer. Ich konnte mich an keine Zeit erinnern in der sie mich mehr nervte und ich sie mehr verabscheute. Ihre Nähe war für mich unerträglich, jedes Wort aus ihrem Mund klang für mich wie Hohn.
Schnell schloss ich die Zimmertür und noch bevor ich die Jacke aus hatte, lief schon die Anlage, ohrenbetäubend laut. Es war mein Protest, so ließ ich sie wissen, was ich von ihrer Bevormundung hielt.
Ein großer Stapel Kartons lag auf meinem Bett und wartete nur darauf, auseinander gefaltet zu werden. So machte ich mich daran, meine liebgewonnen Dinge, auf die ich nicht verzichten wollte, einzupacken.
Ich begann mit dem Kleiderschrank, doch war meine Art zu packen alles andere als platzsparend. Was ich als erstes in die Finger bekam, wurde im hohen Bogen in die Kisten geworfen.
Nachdem ich dreiviertel des Schrankes schon verstaut hatte, fiel mir ein altes Shirt von Devi in die Hände. Ich hatte es völlig vergessen, es war sein Reserveshirt, wenn er mal wieder spontan hier übernachtet hatte und wir keine Lust hatten, zu ihm nach Hause zu laufen. Voller Entsetzen starrte ich es an, ließ mich aufs Bett fallen und drückte es an mein Herz. Es graute mir davor, weitere Schränke und Kommoden leer zu räumen, wer wusste, was ich noch alles finden würde. Was meinen Wunsch ihm zu folgen, ins Unermessliche wachsen ließe.
Es kam, wie ich es befürchtet hatte. Zwar leerte sich der Kleiderschrank ohne weitere Überraschungen, doch die Kommode barg Funde, dass ich drauf und dran war mir einen Strick zu basteln. Alte Zeichnungen und Briefe, die mich dem Rande der Verzweiflung so nah brachten, dass ich in Versuchung kam, darüber zuspringen. Ich kramte einen alten Schuhkarton hervor, in dem sie ihren Platz und somit auch ihren Weg nach Washington finden würden.
Mein Leben glich einer Zerreißprobe, als würde mir das Schicksal dreckig ins Gesicht lachen und sich fragen, wann meine endgültige Schmerzgrenze erreicht wäre, dabei war sie dass schon lange.
Es war kurz vor Mitternacht, als es an meiner Tür klopfte. Wie schon die letzten Tage ignorierte ich es gekonnt, was denjenigen nicht daran hinderte, sie trotzdem zu öffnen. „Rey?“ Es war meine Mum. Die ich aus mittlerweile mangelndem Respekt nur noch bei ihrem Vornamen nannte. Was noch deutlicher machte, wie sehr wir uns entfremdet hatten. Ich hielt es auch nicht für nötig mich umzudrehen, um ihr Aufmerksamkeit zu schenken. „Ich wollte dir nur Bescheid sagen, dass ich jetzt fahren werde.“ Gelangweilt zuckte ich mit den Schultern. Sie schien noch einen Moment zu warten, doch da ich mich in keinster Weise äußerte, fiel kurz drauf die Tür wieder ins Schloss und ließ mich laut schnaufen. Karen litt an Flugangst, weshalb sie mit dem Auto fuhr, Dad und ich würden morgen mit dem Flieger nachkommen. Sie wäre gute drei Tage unterwegs, je nachdem, wie sie durchkäme. So hätte ich noch ein bisschen Ruhe bevor sie aufschlug.
Als ich die letzte Kiste schloss war es früher Morgen, ich gähnte im Minutentakt. Mein Zimmer war in Kisten verpackt, die ich alle an einer Wand aufgereiht hatte. Gleich käme das Umzugsunternehmen und würde allen Krempel nach Washington karren. So hatte ich mir einen Koffer für die ersten Tage gepackt, in dem auch Devis Shirt seinen Platz fand. Mein Herz wog schwerer denn je, als ich mich völlig erledigt aufs Bett warf, war dieser einer der Orte, der mich vor der ungerechten Welt schützen sollte. Ich hatte alle Viere von mir gestreckt und lauschte meiner Atmung, die gleichmäßig war und immer tiefer wurde. In Gedanken legte ich mir zurecht was ich gleich noch machen wollte, meine Gedanken kreisten noch ums Duschen, als ich in dunklen Schlaf fiel. Devi ging und nahm meine Träume mit. In nicht einer Nacht nach seinem Tod, hatte ich mehr geträumt. So lang ich schlief, fiel ich in einen dunklen Abgrund, doch selbst wenn ich erwachte, war das Gefühl des freien Falls allgegenwärtig.
Chapter 3
Etwas fuhr langsam und warm über meinen Arm, es ließ mich leise seufzen. Allmählich hangelte ich mich aus dem Schwarz meiner Träume. Blinzelnd öffnete ich die Augen. Es war der einzige Moment jeden Tages, der Stunden hätte anhalten können. Wenn die Gedanken noch nicht zurückgekehrt waren, sondern irgendwo im Off herumschwirrten und ich nichts fühlen musste. Aber jeden dahinschreitenden Augenblick fanden sie ihren Weg zurück und ließen mich wissen, dass dieser Tag genau so unerträglich werden würde wie die vergangenen. Doch auf diesem Tag lastete noch zusätzlich die erdrückende Erkenntnis, dass es der letzte war. Als mir das nach und nach wieder bewusst wurde, hätte ich mich am liebsten erneut in meinen Kissen vergraben. Aber alles Verdrängen würde es nicht ändern, hier gab es kein gutes Ende für mich. Alles Hoffen und Beten war vergebens, die Hoffnung starb. Wenn sie sich immer noch wimmernd zur Wehr setzte, so hatte ihr letztes Stündchen geschlagen und ich hatte noch etwas, das ich zu Grabe tragen konnte.
„Guten Morgen, mein Schatz.“ Vernahm ich die bedrückte Stimme meines Dads. Er versuchte zu lächeln, doch hätte er es besser gelassen. Es sah nicht nur gespielt, sondern auch noch gequält aus, was alles noch schlimmer machte. „Du musst aufstehen.“ Anklagend fiel mein Blick auf ihn und ich drehte ihm demonstrativ den Rücken zu. Ich hörte, wie er schnaufte und den Rückzug antrat. Erst als die Tür geschlossen wurde, drehte ich mich wieder zurück und starrte an die Decke. Ich fragte mich, wie andere Menschen mit so einem Verlust fertig wurden. Lebten sie einfach weiter als wäre nicht gewesen? Würde es mit der Zeit besser? Oder waren es die Menschen, von denen man in den Nachrichten hörte, die sich vor einen Zug warfen, von einem Hochhaus sprangen oder sich eine Waffe besorgten? Waren doch alle der drei Möglichkeiten für sich reizvoll. Ich stellte mir ernsthaft die Frage, ob ich dazu den nötigen Mut aufbringen könnte. Aber vielleicht brauchte man dazu weniger Mut, vielleicht musste die Verzweiflung einfach nur groß genug sein und es wäre der letzte Ausweg, den man gehen könnte. Mehr als einmal hatte ich mir überlegt, auf welche Art und Weise man aus dem Leben scheiden könnte. Überlegt, aber nie in Betracht gezogen oder versucht, es in die Tat umzusetzen. Es war nicht die Angst vor dem Tod, es war die Angst, dabei Schmerz zu empfinden. Wie schlimm wäre der Schmerz, wenn man einen Fön in die volle Wanne warf oder sich in den Kopf schoss? Bekam man etwas davon mit, wenn der Zug einen bei voller Fahrt erwischte? Nur was wäre, wenn man scheiterte und es nicht zum Tode führte? Vielleicht würde es dann im Wachkoma enden oder man wäre verstümmelt, ohne Arme oder Beine, täglich auf fremde Hilfe angewiesen und nicht mehr in der Lage, es zu wiederholen. Ich war froh, dass niemand in meinen Kopf sehen konnte, solch fröhliche Gedanken schon am frühen Morgen, doch war es der alltägliche Wahnsinn. Vielleicht war ich auch ein Fall für den Psychiater oder die Klappse, schön auf der Propeller- Station, zugedröhnt mit Psychopharmaka, dann sähe das Leben bestimmt ganz anders aus. Doch fand ich es wenig erstrebenswert. Nachdem ich gedanklich jeden dieser Tode gestorben war, raffte ich mich auf und ging duschen.
Wieder in meinem Zimmer wühlte ich Devis Shirt aus dem Koffer, das brauchte ich. Ein bisschen er, mir ganz nah. Mies gelaunt schlurfte ich in die Küche und sah in den Kühlschrank. Doch war er schon leer geräumt, was meine Stimmung nicht gerade hob. „Wir besorgen uns etwas am Flughafen.“ Sagte Dad leise, der hinter mir stand. Doch das Klingeln der Haustür unterbrach ihn. Ich warf die Kühlschranktür zu und setzte mich an den Tisch. Keine zwei Minuten später rannten fünf Typen, breit wie Panzerschränke, durch unsere Wohnung und schleppen eine Kiste nach der anderen hinaus. Einer sah beim Vorbeigehen in die Küche. „Morgen.“ Trällerte er fröhlich. Brummig erwiderte ich seinen Blick und verlor kein Wort. Als er mit Kartons vollgepackt wieder an der Küche vorbei lief, grinste er. Als würde er wissen, wie sehr mich diese Fröhlichkeit ankotzte und es fiese Absicht von ihm war. Ich stand auf und hatte keine Lust auf das nächste dumme Grinsen, wenn er wieder vorbei lief. So stützte ich die Ellenbogen auf die Arbeitsplatte und sah aus dem Fenster. Von hieraus sah man direkt auf den Central Park, wo schon am frühen Morgen die Menschen spazieren gingen und die Jogger ihre Runden abrissen.
Jetzt begann ich mir Gedanken über das Kaff zumachen, wo wir in ein paar Stunden landen würden. Allein der Gedanke, dass ich auf eine neue Schule müsste und von allen dumm angeguckt würde, ließ mir die Galle hoch kommen. Wenn es wirklich so ein kleines unbekanntes Kaff war, konnte ich die Annehmlichkeiten der Großstadt getrost vergessen. Hier hatte man alles um die Ecke, egal was man brauchte und wenn es morgens einfach nur ein Kaffee wäre, brauchte man nie weiter als bis zur nächsten Ecke.
Die Panzerschränke waren fleißig, man konnte zusehen, wie die Wohnung sich leerte, es war ein schreckliches Bild. Alle Zimmer waren bis auf die Möbel leer geräumt. Da das neue Haus möbliert war, blieben sie hier. Doch hielten meine Eltern sich ein Hintertürchen offen. Sie verkauften die Wohnung nicht, was mich wissen ließ, eines Tages würde es vielleicht zurückgehen. Eines Tages vielleicht? Für mich würde es ein garantiertes Zurück geben, spätestens wenn meinen Eltern die Entscheidungskraft durch meine Volljährigkeit abgenommen würde, hatte ich mir geschworen zurück zu kommen. Zurück in mein geliebtes New York.
„Reyna, bist du so weit?“ Fragte mein Dad. Ich drehte mich um und sah ihn gleichgültig an. Was, wenn ich jetzt nein sagen würde? Denn eigentlich war ich es nicht, doch wäre es auch egal, der Flieger würde nicht warten. Ich ging wortlos an ihm vorbei in mein Zimmer, um den Koffer zu holen. Wieder blieb mein Blick an dem großen Bild hängen und mein Herz wurde schwer, der Frust wurde durch Traurigkeit abgelöst, wenn es auch nur für diesen Moment war. Würde ich wirklich eines Tages zurückkommen? Oder würde mich die Verzweiflung dahin raffen?
„Das Taxi ist da.“ Drängelte mein Dad. „Du kannst mich ma´.“ Fluchte ich leise. „Hast du was gesagt?“ Fragte er und tauchte in der Tür auf. „Würde mir nie einfallen.“ Knurrte ich und drängelte mich an ihm vorbei. „Lass nur, ich nehm' den Koffer.“ Rief er mir nach, doch nachdem ich meine Jacke anhatte, orgelte ich ihn selbst die Treppen herunter. Er sollte bloß nicht versuchen, mir in den Hintern zu kriechen.
Laut keuchend ließ ich den Koffer auf den Bürgersteig fallen und sah mich noch mal um. Wie schön das Wetter heute war, die Sonne hatte schon richtig Kraft und wärmte mich. Kurz drauf lief Dad an mir vorbei und nahm meinen Koffer, ungefragt mit zum Taxi, widerwillig folgte ich ihm und nahm auf der Rückbank Platz, die ich kurz drauf mit ihm teilte. Ihm drehte ich den Rücken zu, ich hatte mir fest vorgenommen, keinem von beiden jemals zu verzeihen. Das war es, was meinen Dad so reumütig machte, er kannte mich und wusste, wie verbissen ich meine Ziele verfolgte, wenn sie es wert waren. Die Fahrt zum Flughafen glich dem Weg zur Schlachtbank. Mein Magen rebellierte und zog sich brennend zusammen. Viel nahm ich aus meinem alten Leben mit, doch das, was mir alles bedeutete, musste ich zurücklassen.
Wir landeten in Tacoma, das Wetter spiegelte mein Inneres wieder, trostlos, grau und eine innerlich wachsende Wut, die die Verzweiflung fast gänzlich ersetzte. Ich fand es hier jetzt schon Scheiße und es würde an einem Wunder grenzen, wenn sich das noch mal ändern sollte. Nicht ein Wort hatte ich meinem Dad gegönnt. Doch sollte es mir jetzt noch schwerer gemacht werden. Wir hatten eine vierstündige Autofahrt vor uns, allein der Gedanke ließ es mir speiübel werden.
„Halt mal bitte.“ Bat mich mein Dad und hielt mir eine Tasche hin. Da er seine Aufmerksamkeit der Dame der Mietwagenfirma wieder widmete, bekam er nicht mit, dass ich ihm einmal mehr den Rücken zudrehte und die Tasche mit einem lauten Knall auf den Boden rumpse. Ich hörte ihn knurren und fragte mich, wann ich ihn endlich so weit hatte und er explodieren würde. Warum sollte ich es ihm leicht machen. 'Wie du mir, so ich dir', war mein Credo der letzten Wochen und dass kam verdammt gut an. Als ich mich jetzt wieder umdrehte, murmelte er irgendwas vor sich hin und hob die Tasche wieder auf. Finster grinste ich ihn an. Dann stapfte er mit dem Autoschlüssel in der Hand und grimmigem Gesicht an mir vorbei, widerwillig folgte ich ihm.
Als wir den Wagen endlich gefunden hatten und saßen, sah er mich an. „So geht’ s nicht, Rey.“ Es war weniger, dass er mir eine Standpauke halten wollte, er versuchte tatsächlich an meine Vernunft zu appellieren. Doch das hatte ich vor ein paar Tagen auch bei ihnen versucht, ziemlich aussichtslos. Was erwartete er jetzt von mir, Verständnis? Dass ich nicht lache. Gelangweilt sah ich ihn an. „Was.“ Er schnaufte. „Dein Benehmen, du bist total egoistisch.“ Bitter lachte ich auf. „Wie es in den Wald hinein ruft...... Komm mit dem Echo klar.“ Er schüttelte den Kopf über meine Uneinsichtigkeit und startete den Wagen. „Zum hundertsten Mal, wir machen das für dich.“ Jetzt ließ es mich schnaufen. „Zum hundertsten Mal, ich habe nicht darum gebeten und jetzt lass mich in Ruh'. Der Scheiß bringt eh nix.“ Ich sah aus der Seitenscheibe und fummelte die Stöpsel meines Ipods in die Ohren, damit ich mir das nicht länger anhören musste. ´Wir wollen ja nur dein Bestes, wir machen dass nur für dich, Neuanfang, normales Leben´, Bla bla bla.
Mehr als die Hälfte der Strecke hatten wir hinter uns gebracht, doch sah hier alles gleich aus, als würden wir im Kreis fahren. Wald soweit das Auge reichte, hier war echt der Hund begraben. Eine Siebzehnjährige könnte sich nichts Schöneres vorstellen, als von der Großstadt aufs Land zu ziehen. Es würde sterbenslangweilig werden. Wenn es mir in der Stadt schon schwer viel, ehrliche Freunde zu finden, wie sollte es dann in so einem Kaff funktionieren, da wäre die Auswahl noch wesentlich begrenzter.
Nach einiger Zeit tippte mein Dad mir aufs Bein, genervt sah ich ihn an. Da meine Musik so laut war und ich nicht die Anstalten machte, die Stöpsel heraus zunehmen, zeigte er nur auf das Schild. Beaver, fünfzehn Meilen. Ich verzog meine Gesicht zu einem zynischen Grinsen und klatschte übertreiben in die Hände, dann verdrehte ich die Augen und sah wieder zum Fenster hinaus. Ich konnte schon ziemlich ätzend sein, mich wollte ich nicht zum Feind haben. Aber er wollte es nicht anders. Noch etwas lauter machte ich meine Musik, weil ich wusste, dass er es nicht mochte. Normalerweise würde er mich anstupsen und mir einen Vortrag halten, wie ungesund das wäre und ich mit sechzig nichts mehr hören könnte. Aber ich glaube, heute traute er sich nicht, da er ohnehin nur Sarkasmus ernten würde.
Nach einer weiteren halben Stunde fuhren wird am Ortseingangsschild vorbei und so sah meine neue Heimat aus. Spießige Einfamilienhäuschen, eingerahmt von weißen Zäunen und perfekten Vorgärten. Die wenigen Leute, an denen wir vorbei fuhren, musterten uns misstrauisch.
Vor eben so einem spießigen Haus hielt mein Dad, mit einer hochgezogenen Augenbraue sah ich ihn. Er zog einen der Stöpsel aus meinem Ohr. „Wir sind da.“ Ohne etwas zu erwidern stieg ich aus. „Ist das nicht schön hier?“ Sagte er und reckte sich. „Grün ist es hier.“ Knurrte ich und ging zum Kofferraum. „Es wird dir hier gefallen, gib dem Ganzen eine Chance.“ Bat er mich. „Ja, klar.“ Zischte ich, ließ den Koffer fallen und folgte ihm zur Tür. Als wir das Haus betraten, schlug mir der Geruch von frischer Farbe entgegen, ohne mich unten erst einmal umzusehen, ging ich direkt nach oben und versuchte auszumachen, welches mein Zimmer sein könnte. Hätte ich es mir eingestanden, waren die Zimmer alle ganz nett und geschmackvoll eingerichtet, doch nach wie vor, ich wollte einfach alles hier hassen.
„Welches ist es?“ Fragte ich ihn, als er hinter mir auftauchte. „Keines davon.“ Seine Worte verwirrten mich. „Komm mal mit.“ Er ging die Treppe wieder hinunter, schnaufend folgte ich ihm. Dann ging er durch den breiten Flur in die Küche. Irritiert sah ich ihn an und fragte mich, ob ich in der Küche auf dem Läufer vor dem Ofen schlafen sollte. Doch ging er weiter zu der großen Glastür und öffnete sie.
„Das ist deins.“ Er zeigte nach draußen in den riesigen Garten. Misstrauisch tat ich hinter ihm den Schritt durch die Tür. „´Ne Gartenhütte?“ Rutschte es mir abwertend heraus. „Ich glaube, das wird hier Poolhaus genannt.“ Verbesserte er mich. „Dafür fehlt aber der Pool.“ Haute ich klugscheißerisch raus. „Sieh es dir erst mal an.“ Er hatte wirklich eine Engelsgeduld mit mir. Kurz verschwand er, um mit dem Schlüssel wieder aufzukreuzen. Hatte ich es mir so mit ihnen verscherzt, dass sie mich nicht mehr in ihrer Nähe haben wollten? Oder waren sie meine ewig laute Musik leid und sie schoben mich deshalb in diese Bretterbude ab. Es wurde echt immer besser, ich hatte so was von die Schnauze voll. Doch selbst wenn sie mir ein Schloss kredenzt hätten, ich hätte etwas daran auszusetzen. Zischend nahm ich den Schlüssel an mich und ging den gepflasterten Weg entlang. Es war schon ein ganzes Stück weit weg, was aber auch sein Gutes hatte. Nicht nur sie hätten ihre Ruhe, ich auch. Je näher ich kam, umso weniger sah es wie eine Hütte aus. Es schien ein festes Fundament zu haben, auch schien es größer zu sein als ich es gedacht hätte.
Ich drehte den Schlüssel im Schloss und schob die Tür auf. Auch hier roch es frisch renoviert, ich trat ein. Sie schienen alles dran zu setzen, dass es mir hier gefiel. Es war ein großer, sehr großer Raum, mit bis zum Boden reichenden Fenstern, die vom Haus nicht einsehbar waren, aber eine ganze Wand ersetzten. Dunkles Parkett zierte den Boden, schwere dunkelrote samtene Vorhänge, eine riesige Couch, auf der locker sechs Menschen Platz gefunden hätten, stand ein Stück von dem überdimensionalen Flatscreen entfernt. Eine der Wände war in einem blutrot gestrichen und verlieh dem Ganzen eine ziemlich gemütliche Atmosphäre. Es wurde mit viel Liebe zum Detail eingerichtet, Deko, Lampen, Teppich, einfach alles passte. Ich schlenderte durch das Zimmer und entdeckte hinter einer verschiebbaren Wand eine Kochnische. Doch das Badezimmer war echt der Knaller, alles schien hier nagelneu zu sein und der XXL- Whirlpool hatte etwas überaus Einladendes. Wenn es mich für den Moment beeindruckte, so war es nicht von Dauer, da es mir aufgezwungen wurde. Nichts Materielles würde ersetzen, was sie mir genommen hatten. All das, was mich umgab, wenn es auch noch so gut gemeint war, war völlig bedeutungslos. Es waren käufliche Dinge, aber waren für mich doch nur die Dinge von wahrer Bedeutung, die man nicht käuflich erwerben konnte. Die man geschenkt bekam, weil man geliebt und geschätzt wurde, ehrliche Freundschaft, Liebe. Wenn man auch noch soviel Geld besaß, waren das Werte, die man mit allem Geld der Welt nicht bezahlen konnte.
Es war wie es war und so nahm ich es, ich hätte es schlimmer treffen können und ändern konnte ich es doch nicht. Ich war ziemlich froh, dass meine Mum nicht mit uns angekommen war, sie hatte überschwängliche Euphorie erwartet, die ich ihr beim besten Willen nicht hatte bieten können. Zwar würde sie hier bald aufschlagen, aber ich hielt es wie schon in New York, ich würde ihr aus dem Weg gehen, wo ich könnte und mit dieser Bleibe wurde es mir fast zu leicht gemacht.
Als ich alles gesehen hatte ging ich zurück um meinen Koffer zu holen. In der Küche wieder angekommen, polterte Dad die Treppen herunter. „Gefällt es dir?“ Verstohlen grinste er mich an. „Hmm, is' toll.“ Maulte ich, ziemlich undankbar. „Ganz hier in der Nähe ist der Lake Plesant....“ Begann er. „Hast du nicht gesagt, das Meer ist nicht weit?“ Fragte ich und es ließ ihn nicken. „Was soll man mit ´nem See, wenn man das Meer haben kann.“ Grummelte ich verständnislos über seine Anmerkung und griff nach meinem Koffer. Indem ich es aussprach wusste ich , wie ich den restlichen Tag rumkriegen würde. „Kann ich das Auto haben?“ Irritiert sah er mich an. „Äh.....ja klar. Wo willste denn hin.“ Ich sah ihn an und zog eine Augenbraue hoch. „Keine Sorge, ich hau´schon nicht ab.“ Knurrte ich, brachte den Koffer ins Poolhaus und fragte mich, wie dicht ich mit einer Tankfüllung an New York heran käme. Dann schlich ich durch den Garten raus, um anderen nervigen Fragen aus dem Weg zugehen. „Freiheit.“ Flüsterte ich, als ich in den nagelneuen Q7 stieg und ihn startete, finster ließ es mich grinsen, als ich fest aufs Gas trat und er laut aufheulte. Dann legte ich den Gang ein und fuhr langsam auf die Straße, den Weg zurück, den wir gekommen waren. Vergebens suchte ich unterwegs nach einem Hinweisschild, das mir den Weg zum Strand vereinfachte, doch da es hier nicht viele Straßen gab, entschied ich mich an der Gabelung den anderen Weg zunehmen, obwohl der Gedanke, dass es links herum in Richtung New York ging, echt reizvoll war. Aber in meinem jugendlichen Leichtsinn hatte ich erwähnt, nicht abzuhauen und wenn es etwas gab, was ich nie brach, dann war es mein Wort.
Selbst als ich diese Straße entlang fuhr, konnte man kaum Unterschiede ausmachen. Wald, Wald, Wald. Ich stellte das Radio an und machte es anständig laut, im Takt tippte ich aufs Lenkrad. Das Wetter hatte sich etwas gebessert, die Sonne wechselte sich mit den Wolken ab und jetzt da ich allein meiner Lieblingsbeschäftigung frönte, schob sich die Wut in den Hintergrund und ich fühlte mich besser. Nach einer guten halben Stunde Fahrt, zweifelte ich das erste Mal, ob der Weg den ich eingeschlagen hatte, der Richtige war. Doch bekanntlich führten alle Wege nach Rom. Nicht ein anderes Auto kam mir entgegen, ich fragte mich, ob es hier überhaupt andere Menschen gab, oder war ich durch Zufall in eine Parallelwelt gesprungen, ohne es mitbekommen zuhaben, ein interessanter Gedanke. Den ich solange verfolgte, bis ich auf der gegenüberliegenden Seite ein Grüppchen entlang gehen sah und da ich mit meinem Latein am Ende war, rang ich mich dazu durch, nach dem Weg zu fragen. Langsam fuhr ich heran und war etwas verwirrt, als sich hinter den langen schwarzen Haaren nette maskuline Gesichter verbargen. Einen Moment sah ich sie überrascht an, bis einer von ihnen mich bemerkte und dem, der neben ihm ging in die Seite stieß und in meine Richtung nickte. Ich versuchte immer noch die langen Haare mit den Gesichter in Verbindung zubringen und glotzte sie ziemlich irritiert an.
„Ein Bleichgesicht.“ Murmelte einer von den beiden und mit diesem Satz zog ich die Aufmerksamkeit aller auf mich. Bleichgesicht? Wie reizend. Selbst wenn ich etwas von ihnen wollte und auf ihre Hilfe ein wenig angewiesen war, konnte ich meine große Klappe nicht halten. „Richtig Winnetou, ein Bleichgesicht. Wo geht’ s hier zum Strand?“ Ich war nicht wirklich freundlich. Einer, der hinter dem Großmaul ging, fing an zu kichern und Großmaul sah mich ziemlich angepisst an, zischte über meine wenig ruhmreiche Aussage und setzte seinen Weg fort, ohne mir Antwort zu geben. Ich sah den an, der immer noch kicherte. „Hat Sitting Bull immer so schlechte Laune?“ Fragte ich und musste mir das Lachen verkneifen. Er kam näher. „Er ist es nicht gewohnt, dass jemand zurück feuert.“ Wenn mir auch dazu ein dummer Spruch einfiel, so behielt ich ihn für mich. Ich wollte es mir nicht mit meinem plauderfreudigen Indianer verscherzen. „Du willst also zum Strand?“ Fragte er und ich nickte. „Zu welchem? Wir haben hier ein bisschen Auswahl.“ Breit grinsend lehnte er sich ans Fenster und kam, für meinen Geschmack ein bisschen zu nah. „Am besten einen mit Meer.“ Beäugte ich ihn und lehnte mich ein Stück zurück. „Komm, Jared.“ Knurrte Sitting Bull, der schon ein ganzes Stück weiter gegangen war. „Du musst nur der Straße folgen, dann ist links ein Schotterweg, da musst du rein und dann ist es nicht mehr weit.“ Erklärte er und kam der unsanften Aufforderung des Großmauls nicht nach. Ich fand es ziemlich nett, dass er mir Auskunft gab und da er nicht übel aussah, fand ich, dass ich ihm was schuldig war.
„Kann ich dich ein Stück mitnehmen?“ Grinste ich und konnte mir denken, dass es Sitting Bull nicht in den Kram passte. Überrascht zog er eine Augenbraue hoch und schien nicht lange nachdenken zu müssen. „Klar, hab' eh die Schnauze voll zu laufen.“ Flüsterte er, ging ums Auto und nahm neben mir Platz. Mit einem Hupkonzert fuhren wir an den anderen vorbei und zu allem Überfluss winkten wir wie die Teufel, was uns nicht nur überraschte, sondern auch böse Blicke ernten ließ.
„Aber nicht das Sitting Bull dich dafür an den Marterpfahl bindet.“ Grinste ich meinen Beifahrer an. Er grinste zurück. „Dann musst du kommen und mich retten.“ Ich sah wieder auf die Straße. „Darauf würd´ ich mich nicht verlassen. Sonst wickeln die mich noch mit dran.“ Es ließ ihn kichern. „Könnte mir Schlimmeres vorstellen.“ Etwas entsetzt wandte ich den Blick von der Straße und sah ihn an. Er sah weiter grinsend aus der Seitenscheibe. Nach einer kurzen Zeit des Schweigens versuchte er ein Gespräch zu beginnen.
„Du bist nicht von hier.“ Stellte er fest. „Wie kommst du darauf? Weil ich blond bin?“ Fragte ich. Er lachte. „Ne, weil das Kennzeichen von 'ner Mietwagenfirma ist.“ Er schien sehr aufmerksam zu sein. „Stimmt.“ Ich musste über meine eigenen Vorurteile grinsen. „Und.......von wo bist du?“ Abwartend sah er mich an. „Rate mal.“ Lockte ich ihn und er fuhr sich mit einer Hand übers Kinn und musterte mich. „Wenn du jetzt Alaska sagt, schmeiss' ich dich raus.“ Grinste ich und versuchte ihn anzusehen, so wie die Straße es zuließ. „Warum? Weil du blond bist?“ Wollte er mich gerade mit meinen eigenen Waffen schlagen, er hatte es darauf. „Ja richtig.“ Etwas verdrehte ich die Augen. „Entweder Oregon oder Kalifornien.“ Mutmaßte er. „Einen Versuch hast du noch.“ Erwiderte ich gnädig. Dieses Mal ging er es geschickter an. „Auf jeden Fall, irgend 'ne Großstadt.“ Es ließ mich schnaufen, war es es so offensichtlich? „Zum Glück haben wir in Amerika davon nicht so viele.“ Wieder überlegte er. „Ich hab 'ne bessere Idee.“ „Lass hören.“ Forderte ich. „Wir spielen Scharade.“ Schlug er vor. „Ich darf nicht mit fremden Jungs spielen.“ Mit großen Augen sah ich ihn an und klimperte mit den Wimpern. „Wie unhöflich von mir.“ Räusperte er sich und hielt mir eine Hand entgegen.
„Jared Cameron, Krieger der Quileute.“ Stellte er sich vor und beugte den Kopf, um dann eine stolze Siegerpose einzunehmen. „Es ist mir eine Ehre, Jared Cameron, Krieger der Quileute. Reyna Linn Großstadkämpferin New Yorks.“ Lachte ich über seine übertriebene Geste und nahm seine Hand, die riesig war und sich warm um meine schloss. „Ähhh ….... da hättest du links gemusst.“ Stieß er plötzlich hervor. Schnaufend ging ich in die Eisen und wendete. Es war kein Schotterweg auf den ich bog, sondern die Todesstrecke für jeden Stoßdämpfer. Das war kein Weg mit ein paar Schlaglöchern, sondern Schlaglöcher mit einem bisschen Weg. Jared und ich hopsten anständig auf unseren Sitzen auf und ab. „Gibt es keinen anderen Weg?“ Fragte ich zwischen zwei Schlaglöchern. „Doch, aber keiner macht so viel Spaß, wie dieser.“ Lachte er, während wir auf ein Neues durchgeschüttelt wurden. „Wo genau steht der Marterpfahl?“ Knurrte ich. Er lachte noch schallender. Nach einer guten halben Meile hatten wir ihn erreicht, den Strand. Wir hatten uneingeschränkte Sicht auf das Meer und so wie es da lag, war es anbetungswürdig.
„Wow.“ Gab ich etwas überwältigt von mir. „Das geht den meisten so, wenn sie es das erste Mal sehen.“ Murmelte Jared leise und schien selber auf ein Neues hingerissen. Die teilweise riesigen Felsen, die aus dem Wasser ragten und die Wellen, die sich an ihnen brachen, diese ungewöhnliche Mischung, links dichter Wald und rechts das grenzenlos scheinende Meer. Ich wartete fast nur darauf, dass Legolas, Aragorn, Frodo und die restlichen Zwerge aus dem Wald schlichen. Doch was es noch etwas mystischer werden ließ, war das überdimensionale Treibholz, das hier und da herum lag. Es waren Baumgiganten, von denen die Zeit und das Meer nur noch das Gerippe überließen. Es war ein atemberaubendes Panorama, dass einem Filmset glich.
„Hat er einen Namen?“ Fragte ich etwas abwesend, noch nie hatte ich etwas so Wunderschönes gesehen. „First Beach.“ Murmelte Jared. „First Beach von was?“ Fragte ich erneut, als ich ausstieg. „Das ist der First Beach von La Push.“ Erfuhr ich. Langsam und bedacht ging ich Schritt für Schritt. Ich hätte nie erwartet, dass diese Gegend so viel Schönes zu bieten hätte. „Ich muss dann mal weiter.“ Hörte ich Jared aus einiger Entfernung. „Ja, war nett.“ Murmelte ich abwesend und ging unbeirrt weiter. „Vielleicht sehen wir uns ja mal wieder!“ Rief er mir etwas hoffnungsvoll nach. „Vielleicht.“ Sagte ich leise und hob kurz die Hand. Wenn er auch versuchte auf Biegen und Brechen meine Aufmerksamkeit zu erlangen, kämpfte er bei diesem Ausblick auf verlorenem Posten. Als ich auf den Sand trat, gab er angenehm unter meinen Füßen nach. Ich kam mir vor wie in einer verwunschenen Zeit und das alles lag in einem hundertjährigen Dornröschenschlaf. Etwas näher ging ich an das Treibholz und betrachtete es, nachdem ich meinen Blick vom Meer lösen konnte. Es waren kleine Liebeserklärungen hinein geritzt, an denen aber auch schon der Zahn der Zeit genagt hatte, leider waren nicht mehr alle lesbar, vereinzelt waren noch ein paar Herzen zuerkennen. Um den Ausblick noch ein bisschen zu genießen, bevor die untergehende Sonne der Nacht wich, setzte ich mich in etwas feuchten Sand und lehnte mich an das Holz. Kurz sah ich mich um, Jared war schon verschwunden, ich war so verzaubert, dass ich nicht mitbekam in welche Richtung er sich vom Acker gemacht hatte. Ich fand ihn wirklich nett und er hatte Sinn für Humor. Es war schon etwas verwunderlich, dachte ich doch, dass es in so einer wenig besiedelten Gegend noch schwieriger wäre, geeignetes Material zu finden, was für eine Freundschaft geeignet wäre. Aber vielleicht war ich tatsächlich zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Zwar war er jetzt weg und ich hatte keine Ahnung, wo er wohnte, aber wenn es das Schicksal wollte, würden wir uns irgendwann wieder über den Weg laufen. Allein der Gedanke, dass es jemanden hier gab, der mir auf Anhieb sympathisch war, hatte etwas tröstliches. Ich hatte kalte Hände und um sie zu wärmen, vergrub ich sie in meinen Jackentaschen, als mir mein Ipod in die Hände fiel. ´Perfekt´, dachte ich und fummelte die Stöpsel in meine Ohren. Doch stellte ich die Musik nur so laut, dass ich das sanfte Rauschen der Wellen noch immer hören konnte. Es wäre ein perfekter Moment, wenn meine Gedanken nicht wieder tausende von Meilen weit abschweiften und mein Gemüt schwer zu Boden drückten. Wäre er doch nur mit mir hierher gekommen, er hätte es hier geliebt, da war ich mir sicher, er wusste Einzigartigkeit genauso zu schätzen wie ich. Die Musik tat ihres dazu und die Fröhlichkeit, die Leichtigkeit, die ich empfand als Jared zu mir in den Wagen stieg, war fort. Die Dämmerung schritt eilig voran, ich hätte vielleicht noch eine halbe Stunde, ehe alles in der Dunkelheit versank. Ich fand dieser Ort war es wert, dass ich ihn öfters aufsuchen würde, doch würde all das für einen Neuanfang reichen? Wenn es hier auch besonders war, so fehlte er mir. Jared hatte es geschafft, dass ich eine kurze Zeit nicht an ihn dachte, so fand Devi doch seinen Weg zurück in meine Gedanken und es machte mich unsagbar traurig. Ich schloss die Augen und wünschte mich zu ihm, wo auch immer er war, so gehörte er einfach an meine Seite. Das Leben war schrecklich ungerecht. „Scheiße.“ Fluchte ich leise und trocknete die Tränen. Mit geschlossenen Augen lehnte ich den Kopf gegen das Holz und versuchte angestrengt an etwas anderes zu denken, einen Zusammenbruch konnte ich hier nicht gebrauchen. Als ich die Augen wieder öffnete sah ich wie sich ein riesiges Paar Füße über das Treibholz schwangen und mit einem dumpfen Knall gegen meinen Kopf prallten.
Auf dem einen Ohr schrien mich immer noch Muse an, auf der anderen Seite war der Stöpsel herausgefallen. Meine Hände schnellten zu meiner Schläfe, die höllisch wehtat. „Aua.“ Sagte ich , ´Verdammt Scheiße was war das?´, dachte ich. Oder war es umgekehrt? Keine Ahnung. „Es tut mir leid. Ich hab dich nicht gesehen.“ Vernahm ich eine mir unbekannte Stimme. Ohne hinzusehen, wem ich das zu verdanken hatte, schimpfte ich in gewohnter Manier drauf los. „Kannst du nicht gucken, wo du hinspringst, Idiot!“ Dann fühlte ich eine Hand auf meiner. „Lass' mich mal sehen.“ Bat die Stimme reumütig. Erst jetzt sah ich auf. `Wow´, dachte ich und mir klappte der Mund auf. „Das blutet ganz ordentlich, ich denke du solltest besser ins Krankenhaus.“ Sagte er leise und betrachtete meine Kopf. „Ist dir schwindelig oder schlecht oder so was?“ Kurz räusperte ich mich. Krankenhaus? Ich war noch keine vierundzwanzig Stunden hier und wüsste schon wie die örtliche Notaufnahme von innen aussah, 'ne, dass ging gar nicht, obwohl man dort einzigartige Menschen kennen lernen konnte, so lehrte es mich die Vergangenheit. Ich merkte wie das Blut warm mein Gesicht hinunterlief.
„Kannst du mich hören?“ Fragte er mit gerunzelter Stirn, da ich auf keine seiner Fragen antwortete. „Natürlich kann ich dich hören, bin ja nicht taub.“ Jetzt fand ich zu meiner gewohnten Unfreundlichkeit zurück. „Darf ich dich ins Krankenhaus fahren?“ Fragte er erneut. „Lass ma' stecken, sonst breche ich mir auf dem Weg dahin noch was.“ Knurrte ich und versuchte aufzustehen. Ein, zwei Schritte wankte ich, bevor es mich fast erneut niederstreckte. Der Fremde schnappte mich und sah mich besorgt an. „Nimm deine Finger weg, sonst beiß' ich sie dir ab.“ Raunzte ich. „Aber.....“ Wollte er mich überzeugen, doch mein Blick veranlasste ihn, meiner Aufforderung augenblicklich nachzukommen. Ergeben hielt er die Hände hoch und ich machte einen wenig eleganten Abflug und landete im Sand. Ich rollte mich schnaufend auf den Rücken, noch immer eine Hand auf meine Schläfe gepresst, mir war schon ordentlich schwindelig.
Als ich ihn jetzt wieder ansah, hatte er eine Augenbraue hochgezogen und sah besserwisserisch auf mich nieder. Wie groß war er? Zwei oder drei Meter? „Okay.“ Schnaufte er. „Wenn du schon nicht ins Krankenhaus willst, ich kenne eine Krankenschwester, sie wohnt hier ganz in der Nähe. Darf ich dich da hinbringen?“ Böse sah ich ihn an. „Hab ich 'ne Wahl?“ Er grinste tatsächlich, dafür hätte ich ihn hauen können. „Ne, eigentlich nicht.“ Ich holte tief Luft und schnaufte, mein Schädel dröhnte und drohte zu zerspringen. „Darf ich dich anfassen?“ Fragte er vorsichtshalber und lächelte nach wie vor. „Anders geht’ s wohl nicht.“ Maulte ich resigniert und streckte ihm die Hand entgegen, damit er mich hochzog, doch ließ er es unbeachtet und griff unter meine Arme, in null Komma nix stand ich auf den Beinen. Anfangs noch immer etwas wackelig. „ So, Finger weg. Ich schrei', bevor ich falle.“ Knurrte ich und sah ihn misstrauisch an. „Das is' mal ´ne Ansage.“ Er verdrehte über meine Uneinsichtigkeit die Augen. „Wo lang?“ Er zeigte den Stand entlang. Auf dem Weg zu besagter Krankenschwester, verlor ich kein weiteres Wort und er brauchte mich auch nur gute zwanzig Mal schnappen bis wir endlich da waren.
Wir wankten auf eine kleine Siedlung zu, bestehend aus netten kleineren bis größeren Holzhäusern. Er navigierte mich auf eines der Häuser zu. „Na super. Was macht denn Sitting Bull hier?“ Fragte ich wenig charmant und beäugte ihn, wie er aus einem der Häuser kam. „Wer?“ Fragte der Fremde, in dessen Armen ich hing. „Ach, vergiss' es.“ Murmelte ich. „Was schleppst du denn an, Jake?“ Lachte Sitting Bull. „So schnell sieht man sich wieder. Bleichgesicht.“ Tief holte ich Luft, um nicht zu explodieren. „Ist dein Zopf zu stramm oder warum grinst du so blöd, Winnetou?“ Schoss ich zurück. „Oh, ihr kennt euch!“ Stellte Jake fest. Jake? Ich hätte eher mit ´großer Büffel´ oder ´brauner Wolf´gerechnet. Aber Jake klang ja schon fast zu normal für sein granatenmäßiges indianisches Aussehen.
Grimmig sah Bulli mich an und marschierte an uns vorbei. „Ist Sue da?“ Rief Jake ihm nach. „Ja.“ Knurrte er und ging weiter. „Der hat wieder 'ne super Laune.“ Stellte Jake fest und schlörrte mich weiter. Dann klopfte er an einer der Türen, die schnell geöffnet wurde. Ein Mädchen in meinem Alter etwa, stand uns gegenüber und sah uns überrascht an. „Ist deine Mom da?“ Fragte er sie und schob uns an ihr vorbei, da er es ja schon besser wusste. „Klar. Ich hol´sie.“ Erwiderte das Mädel und verschwand. Sie war wirklich hübsch und machte einen netten Eindruck. Sie tauchte mit einer älteren Frau auf und jetzt erklärte sich auch ihre Schönheit. Ihre Mum war zwar um einiges älter, aber mindestens genauso hübsch. Jake verfrachtete mich auf einen Stuhl in der Küche. „Was ist passiert?“ Fragte sie und kam schnell näher.
„Ich bin ihr vor den Kopf gesprungen.“ Nuschelte Jake etwas kleinlaut. Entsetzt sah sie auf und Jake an. „Es war ein Unfall.“ Rechtfertigte er sich. „Darf ich mal sehen?“ Fragte sie freundlich und lächelte. Ich nickte und lächelte etwas gequält zurück. Als ich die Hand von der Schläfe nahm, lief das Blut wieder in Strömen. „Leah, bring mir bitte den Erste Hilfe Kasten.“ Bat sie ihre Tochter, die darauf hin sofort verschwand. Als sie alles, was sie brauchte, auf dem Tisch ausgebreitet hatte, begann sie die Wunde zu säubern und es brannte höllisch. „Mein Name ist Sue.“ Sagte sie leise, als sie auf der Platzwunde herumdrückte. „Und du bist?“ Erst wollte ich sagen ´Schrecklich genervt´, aber sie war wirklich nett und hätte es nicht verdient, dumm angemacht zu werden, schließlich wollte sie mir helfen. „Rey.“ Presste ich durch die aufeinander gebissenen Zähne. „Das sieht ziemlich übel aus, Rey.“ Murmelte sie, als alles sauber war. „Das muss geklammert werden.“ Entsetzt sah ich erst sie und dann Jake an, dem ich das zu verdanken hatte. Der schuldbewusst das Gesicht verzog.
Sie zauberte so ein Tackerding aus ihrem Kasten und mir wurde heiß. „Das kann jetzt ein bisschen weh tun.“ Sagte sie konzentriert, als sie versuchte die Fetzen zusammen zu fügen und die erste Klammer hinein jagte. Ich weitete vor Schmerz die Augen und hätte am liebsten laut los geschrien. Doch ein wildes Klopfen gegen die Tür lenkte mich etwas ab. Leah marschierte los und keine Minute später stand sie mit Jared wieder in der Küche. Ich war schon ein bisschen froh über ein bekanntes Gesicht. „Hat Paul doch keinen Scheiß erzähl. Was machst du hier?“ Fragte er besorgt und kam näher. „Darf ich?“ Fragte ich eilig. „Hä, was denn?“ Erwiderte er und bevor Sue mir die zweite Klammer in den Schädel rammte, schnappte ich seine Hand und drückte rücksichtslos zu. Er fing ein bisschen an zu schielen. „Das tut weh.“ Jammerte er. „Wem sagste das.“ Knurrte ich und übertrug den Schmerz auf ihn. Leah lachte lauthals über Jareds dummes Gesicht. „Sei keine Memme.“ Zärgerte sie ihn.
Nach der achten Klammer nahm seine Hand eine leicht blaue Farbe an und waren das Tränen? „Heulst du?“ Fragte ich wenig mitleidig. „Ne, ich kann nur nicht sehen wenn andere leiden.“ Etwas grinste ich, das aber auf nimmer Wiedersehen verschwand, als Sue mir die letzte Klammer ins Fleisch schoss. „Geschafft.“ Es erleichterte mich, diese Worte zuhören, doch der nachfolgende Satz versetzte mich erneut in Angst. „In einer guten Woche müssen sie wieder raus.“ ´Na toll´, dachte ich und fand es hatte etwas Gangstermäßiges, vielleicht würde sowas irgendwann in Mode kommen, doch darauf wollte ich nicht warten. Jared strich über seine Hand, sah sie mitleidig an und ich wartete, das er anfing zu pusten, hieß es nicht immer, `Indianer kennt keinen Schmerz´. Als ich mich jetzt umsah wurde mir bewusste, was hier abging. Ich saß in einem fremden Haus, mit fremden Menschen, die mir den Kopf mit Tackerklammern zupflasterten, das war nicht normal.
„Ich bin Leah.“ Riss mich das Mädel aus meinen unheimlichen Gedanken und hielt mir lächelnd ihre Hand entgegen. „Das ist Reyna.“ Kam Jared mir zuvor. „Sie ist eine Großstadtkämpferin New Yorks.“ Er kniff mir ein Auge zu und ich musste, den Schmerzen zum Trotz, grinsen. „Nett dich kennenzulernen.“ Kurz schüttelte ich ihre an Hand und sie setzte sich neben mich. „Aus New York?“ Fragte sie neugierig. „Was verschlägt dich in Himmels Namen hierher?“ Es ließ mich leise schnaufen und ich wollte nicht mit der Sprache heraus. „Lange Geschichte.“ Tat ich es ab. „Bitte trink' das.“ Sue schob mir ein Glas herüber, es sah aus als wäre es mit Wasser gefüllt, aber es schmeckte wie Waschbenzin. Nach dem ersten Schluck verzog ich angeekelt das Gesicht. „Schön austrinken.“ Ermahnte sie mich und tapfer würgte ich es mir durch den Hals. „Was war das?“ Fragte ich und schüttelte mich. „Etwas gegen die Schmerzen.“ Lächelte sie. „Wie ist das passiert?“ Flüsterte Jared, der auf der anderen Seite Platz genommen hatte. „Da frag mal deinen Freund.“ Ich nickte in Jakes Richtung, der wieder schuldbewusst aufsah und dann die Geschichte erzählte. Er war noch nicht ganz fertig, als mich das Gefühl beschlich, besoffen zu sein. An den vorherigen Schwindel hatte ich mich gewöhnt, doch auch meine Zunge war ungewöhnlich schwer, meine Arme und Beine waren fast bleiern und meine Gedanken wirr. Ich schielte Sue an, die mich verständnisvoll ansah. „Es wirkt langsam.“ Indem sie es aussprach, fiel mir auf, dass nichts mehr weh tat, ich aber immer dusseliger wurde. „Was....war das?“ Lallte ich und versuchte meine schielenden Augen zu sortieren. „Ein starkes Schmerzmittel, damit du auch schlafen kannst und dich die Schmerzen nicht die ganze Nacht wach halten.“ ´Super Zeug´, dachte ich.
Ich versuchte aufzustehen, doch torkelte ich schlimmer als zuvor. „Ich werd' dich nach Hause bringen.“ Nuschelte Jake, stand auf und hielt die Arme so ausgestreckt, dass er mich, wenn es nötig wäre wieder aufschnappen könnte. „Wo wohnst du?“ Fragte er und sprang hinter mir herum, damit er meine wild fuchtelnden Arme nicht mitbekam. Ich zog die Stirn in Falten und überlegte tatsächlich, wie die Straße hieß, in der wir jetzt wohnten. „Woher soll ich das wissen.“ Zuckte ich mit den Schulter und fing an zu kichern. „Hä?“ Fragte er mit zusammengezogenen Augenbrauen. Wieder dachte ich angestrengt nach und hörte wie Jared über meine dummes Gesicht lachte und ich setzte mit ein. „Das Auto steht am Strand.“ Bemerkte ich, glücklich, dass mir überhaupt noch etwas einfiel.
„Beaver.“ Schoss es aus mir heraus. „Na super.“ Knurrte Jake. „Das ist fast 'ne Stunde von hier.“ Maulte er gerade rum? „Dann darfst du anderen Leuten nicht vor den Schädel springen, wenn du sie nicht nach Hause fahren willst.“ Belehrend hob ich den Finger und merkte, wie das Zeug immer mehr wirkte und ich todmüde wurde. Laut schnaufte er, doch Sue unterband seine Unfreundlichkeit mit Blicken.
„Jared, du nimmst mein Auto und fährst hinter uns her.“ Bestimmte Jake. „Kann ich nicht mit ihrem fahren?“ Maulte Jared und es ließ darauf schließen, dass Jakes Wagen nicht die selben Annehmlichkeiten aufwies wie meiner. „Wenn du 'ne Stunde mit dem kleinen Medikamenten- Junkie verbringen möchtest, gerne!“ Ich sah Jake an und es dauert einen Moment bevor ich kapierte, dass es alles andere als nett war, wie er sich über mich äußerte. „Du mich auch.“ Lallte ich und wankte zur Haustür, gefolgt von den beiden. Das erste Stück hakten sie mich beide ein. „Wir treffen uns vor dem Schotterweg.“ Sagte Jake genervt, ließ mich los und ich machte erst mal einen gepflegten Schlenker nach links, da die Stütze dort verschwand. „Jaaaahaaa.“ Stieß Jared hervor und versuchte mich wieder einzufangen.
Wir kamen eher schleppend bis gar nicht voran und er schnaufte. „Ich hab 'ne Idee.“ Er stellte sich mit dem Rücken vor mich und ging ein Stück in die Knie. „Sieht nach 'ner Schweinerei aus.“ Kicherte ich und machte ein paar Schritte zurück. „Na los, spring auf.“ Er sah über seine Schulter und ich nahm lachend Anlauf, doch verpasste ich torkelnderweise den Absprung und knallte mit soviel Wucht gegen ihn, dass wir beide im Dreck lagen. Ich hielt mir vor Lachen den Bauch und kugelte mich hin und her. Jared hatte sich vom Boden wieder aufgerappelt. „Nächster Versuch.“ Sagte er zuversichtlich.
„Was veranstaltet ihr da?“ Immer noch auf dem Rücken liegend sah ich hinter mich. „Sitting Bull!“ Bölkte ich und hielt ihm den ausgestreckten Daumen entgegen. Etwas mitleidig sah er mich an, dann grinste er. „Oh, Sue´s Supermischung?“ Fragte er und Jared nickte grinsend. „Hilf' mir mal. Sie muss auf meinen Rücken.“ Sie hievten mich wieder hoch, Jared stand in gewohnter Pose und Paul griff unter meine Arme, hob mich hoch und erst nachdem Jared sich meine Beine gegriffen hatte und sie fest hielt, ließ Paul mich wieder los. „Hau!“ Lächelte ich und Jared trabte los. Ich hatte meinen Kopf an seinen gelehnt und stand kurz vor dem Einschlafen. „Was nimmst du für ein Shampoo?“ Lallte ich und strich mit der Wange über seine Haare, die ich als unglaublich weich empfand und die verdammt gut rochen. „Das kommt nicht vom Shampoo, sondern von der Pfirsichhaarkur danach.“ Sagte er kaum hörbar. „Du bist so verdammt männlich.“ Nuschelte ich und hörte wie er lachte.
Wach wurde ich erst wieder als er versuchte mich abzustellen und nach den Schlüsseln verlangte. Ich hörte ihn laut atmen, war ich etwa so schwer? Mit geschlossenen Augen angelte ich meiner Hosentasche. „....weiß nicht wo er is´...“ Nuschelte ich und war wieder im Begriff einzuknacken. „Hey, hey, nicht einschlafen. Wo hast du ihn hingetan? Jake wird mich umbringen, wenn wir noch länger brauchen.“ Den letzten Satz sagte er so leise, dass ihn fast gar nichts verstand. Immer wieder fielen mir die Augen zu. „Jared.......müde.....Bett.“ Maulte ich. „Ich wäre auch lieber im Bett.“ Presste er durch die Zähne und griff in meine Hosentasche und wie es nun mal war, wenn man es nicht selber tat, sondern jemand anderes, kitzelte es ganz schrecklich und ich beugte mich lachend vor. So machte ich es ihm unmöglich, die Hand wieder heraus zu ziehen. „Ahhhh Reyna, meine Hand. Mach dich mal locker.“ Er hielt nicht still und ich hatte fast einen Lachanfall, der Müdigkeit zum Trotz.
„Ja, super.“ Knurrte Jared und es ließ mich mit Augen in halbacht Stellung aufsehen. Scheinwerfer kamen näher gehoppelt und er schnaufte. Kurz drauf hörte ich Schritte. „Kannst du mir mal sagen wo ihr bleibt?!“ Schnauzte Jake. Jareds Hand klemmte noch immer in meiner Hosentasche und es ließ Jake komisch gucken. „Verdammt, was machst du da?“ Zischte Jake. „Ich such den Autoschlüssel.“ Rechtfertigte sich Jared und wieder kicherte ich los. Jake lehnte sich ein Stück zurück und sah ins Auto. „Der steckt, du Profi.“ Jared umfasste mich mit seinem anderen Arm und bog mich bisschen nach hinten, damit er seine Hand befreien konnte. Jake schüttelte den Kopf und mit einem zischenden Geräusch ging er zurück zu seinem Wagen. Jared bugsierte mich eilig auf den Beifahrersitz und keine zwei Sekunden später saß er neben mir. „Wusstest du, dass er steckt?“ Fragte er und sah mich an. Breit grinsend drehte ich den Kopf zum Fenster und ließ seine Frage unbeantwortet.
Chapter 4
„REYNA!“ Flüsterte die entsetzte Stimme meines Dad, begleitet von einem scharfen Unterton. „Hmmmm.“ Murmelte ich völlig erschlagen und sammelte meinen Arm ein, der, schon fast taub, über die Bettkante hing. „Was bitte ist hier los?“ Ich fragte mich, warum er flüsterte, ich war ja schließlich wach. „Was soll sein, ich schlafe.“ Knurrte ich heiser. „Kannst du mir das bitte mal erklären.“ Ich fragte mich, wie man flüstern und gleichzeitig keifen konnte. „Was?“ Maulte ich genervt und rollte mich auf den Rücken, als meine Hand auf etwas Warmes fiel. Erstarrt blieb ich liegen, dann hörte ich ein leises Stöhnen. Erschrocken riss ich die Augen auf und sah meinen Dad, mit verschränkten Armen am Ende des Bettes stehen. Ich lag nur in Unterwäsche da und riss die Decke an mich, ohne den Blick von meinen Dad zu nehmen. Mit einer hochgezogenen Augenbraue sah er jetzt neben mich. „Erklär' mir das.“ Nickend zeigte er neben mich. Auch du Scheiße, ich traute mich kaum rüber zusehen, so verärgert hatte ich meinen Dad noch nie erlebt. Langsam drehte ich den Kopf und folgte seinem Blick. Ich sah in Jareds friedlich schlummerndes Gesicht, ganz leise schnarchte er und da ich die Decke, in Ermangelung an Kleidung, an mich gerissen hatte, lag er ohne da und trug nur Boxershorts.
„Und was ist mit deinem Kopf passiert? Wir unterhalten uns noch.“ Knurrte er und mir wurde, der Gesamtsituation sei Dank, kotzübel. Erst als mein Dad hinter sich die Tür schloss, sprang ich auf und suchte meine Klamotten. Sie lagen kreuz und quer vor dem Bett, gemischt mit Jareds Sachen. Kurz setzte ich mich wieder auf die Kante. „Denk nach, denk nach.“ Und tippte mit einem Finger vor meine Stirn. Ich hatte tatsächlich einen Filmriss, von wegen was gegen die Schmerzen, das waren K.O.- Tropfen. Langsam drehte ich mich zu Jared und fragte mich, `haben wir oder haben wir nicht´? Dann ging mein Blick an ihm vorbei, zu der Glasfront hinaus und ich dachte angestrengt nach. „Guten Morgen.“ Murmelte er und drehte sich auf die Seite. Ertappt sah ich ihn an. „Was macht DU in MEINEM Bett?“ Fauchte ich. Er zog die Augenbrauen zusammen. Schnell schnappte ich mir wieder die Decke und verhüllte mich. „Es war nicht meine Idee.“ Rechtfertigte er sich und fing an zu grinsen, was mich nur noch mehr beunruhigte. „Warum liegen meine und deine Klamotten vor dem Bett?“ Fauchte ich weiter. Sein Grinsen wurde immer breiter. „Du hast keine Ahnung, was wir letzte Nacht abgestartet haben.“ Stellte er laut lachend fest. Ich hielt mir eine Hand vors Gesicht und schnaufte, ´Das durfte nicht wahr sein´. „Ich kenn' dich ja noch nicht mal.“ Jammerte ich jetzt etwas verzweifelt. „Klar, hab' mich doch vorgestellt.“ Er hatte Nerven. Langsam robbte er näher. „Du warst geschmeidig wie ´ne Katze.“ Grinste er mit einer hochgezogenen Augenbraue und fuhr mir mit den Fingern über die Schulter.
In dem Moment war ich froh, dass Jake nicht auch noch irgendwo herum lag. Ich hoffte, dass er es nicht tat und sprang auf. Die Couch war leer, ich rannte ins Bad, auch das war leer und zum krönenden Abschluss, eine Runde ums Bett. „Suchst du deine Unschuld?“ Lachte Jared. „Ne, aber Jake, würde mich ärgern, wenn wir einen flotten Dreier abgestartet hätten und ich könnte mich nicht mehr erinnern.“ Ich nahm es mit Galgenhumor. Jetzt sah er mich überrascht an. „N´Dreier?“ Er überlegte. Langsam setzte ich mich neben ihn und sah ihm fest in die Augen. „Und?“ Fragte ich und grinste. „Warst du gut?“ Er kam noch näher. „Du hast die Nachbarn wach geschrien.“ Er kniff mir ein Auge zu, ich starrte ihn mit offenem Mund an und fand ihn ziemlich überzeugend. Ich hatte die Nachbarn wach geschrien? Dann musste er wirklich ´ne Rakete sein. Wenn er auch niemand zum verlieben war, da hatte ich andere Pläne, wäre er vielleicht eine nette Abwechslung. Noch immer war er meinem Gesicht ziemlich nah, ich dachte, wenn da echt was zwischen uns abging, warum fand ich den Gedanken, ihn jetzt und hier einfach zu küssen, so fremd und bedenklich. „Ich muss duschen.“ Stieß ich hervor und stand auf. „Soll ich mitkommen?“ Rief er mir nach. „Wenn Sue dir auch den Schädel zusammen tackern soll, kannst du es gerne versuchen.“ Lachte ich und ging unbeirrt ins Bad.
Als ich wieder aus der Dusche stieg, zweifelte ich immer noch an Jareds Aussage, doch wie sollte ich heraus bekommen ob es tatsächlich so war, ich konnte ja schlecht bei den Nachbarn klingeln. Ins Handtuch gewickelt ging ich zurück und wollte mir Klamotten aus dem Koffer holen. Jared lag noch immer im Bett und zog eine Augenbraue hoch, als er mich sah. Dann änderte ich meinen Plan, ging zu ihm und in den Angriff über. Ich stellte mich aufs Bett, sein Blick wechselte vom Wolf zum Reh und er sah mich mit großen Augen an. Grinsend schlich ich näher und setzte mich auf seine Hüften. „Niemals“ Flüsterte ich. Da uns nur ein dünnes Laken trennte, mit dem er zugedeckt war, war eine Reaktion nach Sekunden spürbar. Ich beugte mich etwas vor, grinste ihn verführerisch an und das Handtuch rutschte ein Stück. Doch anstatt dass er nahm, was ich ihm bot, schien er ein bisschen nervös zu werden. Noch weiter beugte ich mich vor, bis zu seinem Ohr. Ich hörte, wie er schluckte und musste noch mehr grinsen. „Bist du letzte Nacht auch so schüchtern gewesen?“ Hauchte ich und berührte sein Ohr mit den Zähnen. Anstelle seiner Überzeugung, war jetzt nur ein unverständliches Gestammel zuhören. „ Äh..... ich …..Rey......oh mein Gott.“ Meine Hände strichen seine Brust entlang und ich sah ihn an. Sein Atem beschleunigte sich, doch vermutete ich, dass mehr Angst als alles andere, im Spiel war. Langsam richtete ich mich wieder auf, ließ meine Hände erneut über seine Brust gleiten, warf den Kopf in den Nacken und schob mich langsam hin und her. Das Einzige, was ich hörte war eine Mischung aus Gegurgel und Stöhnen. Zögerlich, als hätte er Angst mich zu berühren, legte er seine Hände auf meine Hüften und brachte mich zum Stillstand. Ich legte den Kopf schräg und sah ihn erneut an. Seine Augen waren schreckgeweitet.
„Wir haben es einmal getan, tun wir es ein zweites Mal.“ Ich fuhr mit der Zunge über meine Lippen und sein Atem beschleunigte sich wie von selbst. Mit meinen Händen fuhr ich über seine, nahm sie und wollte sie an anderer, wichtigerer Stelle positionieren und er zuckte tatsächlich zurück. Ich ahnte nicht, was für ein Biest ich sein konnte. Aber jetzt wusste ich, was ich wissen musste. Der Zweck heiligte die Mittel. „Du bist echt ´n Killer.“ Flüsterte ich, stand auf und ging zum Schrank. Etwas entsetzt sah er mir nach und räusperte sich. „Mir is´grad nicht danach.“ Kurz lachte ich auf. „Na sicher.“
Als ich angezogen aus dem Bad kam, saß Jared, mittlerweile auch angezogen auf dem Bett und sah mich ein bisschen schuldbewusst an. „Es ist nichts gelaufen.“ Knurrte er. „Aber du hättest gerne.“ Redete ich ihm ein und wackelte mit den Augenbrauen. „So einer bin ich nicht.“ Rechtfertigte er sich wenig überzeugend. „Hmh, schade.“ Bedauerte ich seine Worte und musterte mit vielsagenden Blicken seine breite Brust. „Wo es doch sooo viel Spaß macht.“ Er schien zu überlegen. „Vielleicht is´ mir ja jetzt danach.“ Versuchte er es noch zu retten. „Chance vertan.“ Stöhnte ich und stand wieder auf. Ich hörte ihn leise fluchen und schüttelte den Kopf. „Ich werd´mir mal eben ´n Anschiss abholen, dann bring ich dich nach Hause.“ Mit diesen Worten schloss ich die Tür hinter mir und machte mich auf den Weg zum hohen Gericht. Ich konnte mir denken, was jetzt kam, ich würde ihn sich austoben lassen, um dann zu verschwinden. Mit eingezogenem Kopf schlich ich in die Küche, da ich hier niemanden fand, ging ich weiter ins Wohnzimmer. Ich konnte nur froh sein, dass meine Mum noch nicht da war, denn dann wäre was los.
Dad saß im Sessel und sah mich grimmig an. „Setz dich.“ Bestimmt er im scharfen Ton, jede Gegenwehr wäre kontraproduktiv, ich gehorchte und nahm Platz. Es dauerte keine Minute und dann ging es los. Wie gefährlich es wäre, jemand Fremden einfach mit nach Hause zu nehmen, er hätte mich ausrauben und töten können. ´Ich hätte tot sein können, oder schlimmer´, schoss es mir durch den Kopf und ich musste alle Kraft aufbringen, dass ich nicht laut los lachte. Dann ging es von sämtlichen Verbrechen, die hätten passieren können über zum Thema One-Night-Stand. Ich hätte mir nix schöneres vorstellen können, als mit ihm darüber zu sinnieren. Doch als er dann über das Thema Geschlechtskrankheiten philosophierte, musste ich ihn notgedrungen ausblenden. Kurz horchte ich bei Chlamydien einmal rein, okay, er war noch nicht fertig und wieder blendete ich ihn aus. Still summte ich vor mich hin und überlegte, was ich heute noch schönes machen könnte. „.......und was ist überhaupt mit deinem Kopf passiert?“ Maulte er mich an. Tief holte ich Luft.
„So Dad, schön dass ich auch mal zu Wort komme. Erstens, er ist kein One-Night-Stand, wir hatten nix miteinander, zweitens, er ist kein Krimineller.“ Ich hoffte, mich nicht zu weit aus dem Fenster zu lehnen und dachte, dass er mit meinem Flatscreen allein war, aber wie sollte er ihn hier wegbekommen? Ich sah ihn schon mit dem Riesending auf dem Buckel die Landstraße entlang laufen und verfluchte mein Kopfkino, weil ich kurz vor dem Lachkoller stand. „....und drittens, das an meinem Kopf war ein Unfall, womit wir wieder bei erstens wären, er wollte mich nicht allein lassen.“ Log ich, aber vielleicht war es ja auch so. „Ein Unfall?“ Fragte er etwas ungläubig. „Lange Geschichte....“ Schnaufte ich und war im Begriff, aufzustehen. „Sonst noch was?“ Fragte ich und schien ihm mit meinen Worten den Wind aus den Segeln genommen zu haben. Er schüttelte den Kopf. „Bis später.“ Sagte ich leise und machte mich schleunigst vom Acker, bevor ihm noch irgendwas einfiel.
Mit schnellen Schritten ging ich wieder zurück zum Poolhaus. Bevor ich aufschloss, lauschte ich, alles war ruhig. Ich fragte mich, ob er schon gegangen war, unweigerlich musste ich an das Bild denken, Jared mit dem Flatscreen auf dem Rücken, die Straße entlang laufend und ich kicherte. Vielleicht hatte er auch Jake angerufen, weil er das Warten satt hatte. Leise schloss ich auf und sah um die Tür, mit allen Vieren von sich gestreckt lag er auf dem Bett, seine Beine hingen über die Bettkante, es musste so sterbenslangweilig gewesen sein, dass er sich dann doch fürs Schlafen entschieden hatte.
Ich fand ich hatte nach seiner Aktion vorhin, noch was gut bei ihm. Jetzt war ich auf dem Weg, es einzufordern. Auf leisen Sohlen schlich ich näher, stellte mich zwischen seine Beine. Ganz vorsichtig öffnete ich seinen Gürtel, dann die Knöpfe der Jeans, so gut es ging zog ich sie herunter. Mein Gott, er schlief wie ein Toter. Ein Stück hob ich den Bund seines Boxershorts an und ließ ihn fletschen, indem stützte ich beide Hände neben seine Hüften und beugte mich ziemlich dich zu seinem Schritt. Ich hörte, wie knurrte, dann sah ich auf, entsetzt sah er mich an und grinsend wischte ich mir mit dem Handrücken die Mundwinkel entlang. Langsam erhob ich mich und klopfte ihm auf den Oberschenkel, wie einem alten Zossen. „Du hast nicht........, aber das würde den Traum erklären.“ Stammelt er völlig verdattert. „Ich brauch was zu trinken, möchtest du auch was?“ Säuselte ich und kniff ihn ein Auge zu. „Äh.... ich..... du..... hast doch nicht...... Hääää?“ Er war verwirrt und jetzt waren wir quitt. Mit zwei Dosen Cola in der Hand ging ich zurück und warf ihm eine zu. Es wunderte mich, dass er sie schnappte, da er mich immer noch entgeistert ansah. Dann zog ich meine Jacke an. „Können wir?“ Ich nahm den Autoschlüssel von der Kommode und sah ihn abwartend an. Ja, das würde wohl noch ein bisschen dauern, ehe er drauf klar käme. „Kann ich mich noch mal setzen?“ Fragte ich als Aufforderung, dass er hinne machen sollte. Mit immer noch offenem Mund, knöpfte er seine Jeans wieder zu und schloss den Gürtel, nahm seine Jacke und ging an mir vorbei zur Tür. Doch ließ er mich nicht einen Moment aus den Augen. „Ja, gib Kitt.“ Scheuchte ich ihn vor mir her und lachte in mich hinein.
Wir wollten gerade ins Auto einsteigen, als mein Dad aus dem Haus kam. ´Das hatte mir jetzt auch noch gefehlt´, maulte ich gedanklich. „Reyna, warte mal.“ Rief er. Schielend sah ich Jared an und schnaufte. „Du hast doch nicht gerade......“ Flüsterte Jared und war mit der Sache immer noch nicht fertig. Mit einer hochgezogen Augenbraue grinste ich wieder nur und sagte nichts. „Wo willst du hin?“ Fragte mein Dad und beäugte misstrauisch Jared. „Meinen Kleinkriminellen One- Night- Stand mit den Geschlechtskrankheiten nach Hause bringen.“ Maulte ich und drehte mich genervt um. „Was?“ Stieß Jared hervor. „Nichts für ungut.“ Winkte mein Dad ab und Jared verstand wieder einmal nur Bahnhof. Es war wie eine Komödie, seinem Gesicht dabei zu zusehen, dass er weder etwas kapierte noch vernünftige Schlüsse ziehen konnte, ich fand ihn Oscar- reif. „Ich brauche gleich den Wagen.“ Ließ mein Dad mich wissen. „Bestell dir ´n Taxi.“ Zickte ich ihn an. „Mein liebes Fräulein.....“ Begann er aber weiter kam er nicht. „Jetzt hör mir mal zu. Ohne Auto kommt man hier nirgends hin. Wie du wahrscheinlich schon festgestellt hast und es war nicht meine Idee an den Arsch der Welt zu ziehen, da ist ein Auto wohl das Mindeste, was ich erwarten kann und jetzt, sieh' zu.“ Ich lief echt zur Höchstform auf. Somit hatte ich ihm wieder einmal klar gemacht, was ich von der ganzen Umzieherei hielt und fand, ich hatte unschlagbare Argumente. Er starrte mich entgeistert, mit offenem Mund an. „Steig ein.“ Zischte ich Jared an, der mich etwas überrascht ansah und tat was ich sagte.
Als wir die Straße entlang fuhren, sah ich in den Rückspiegel, mein Dad starrte uns noch immer hinter her. „Ich hätte da mal ein paar Fragen.“ Sagte Jared etwas skeptisch. „Lass' hören.“ Stur sah ich geradeaus und war ziemlich angepisst. „Kleinkrimineller One- Night- Stand?“ Fragte er entsetzt. „Du hast die Geschlechtskrankheiten vergessen.“ Machte ich ihn drauf aufmerksam und fing an zu kichern. „Wie darf ich das verstehen? Weil ich ´n Indianer bin?“ Er schien ziemlich angesäuert. „Nein, so ´n Quatsch. Weil du in meinem Bett gelegen hast und mein Dad mich vorhin unerwarteter Weise geweckt hat, wovon du nix mitbekommen hast. Das war kein Spaß, sag' ich dir. Is´so ´n Vater- Tochter- Ding.“ Winkte ich ab und fand, dass man das nicht näher erklären musste.
Eine Zeit blieb es still. „Sag ma´, hast du vorhin wirklich.........“ Ließ er den Satz unvollständig, von diesem Gedanken noch immer gefesselt. Ich erwiderte seinen Blick. „Gehen wir mal davon aus........“ Breiter wurde mein dreckiges Grinsen. Seine Augen wurden groß wie Teller, dann verschränkte er seine Arme vor der Brust. „So eine bist du nicht.“ Unsicher beäugte er meine Reaktion, eigentlich hatte er Recht. „Wie du meinst.“ Finster grinsend sah ich auf die Straße. Dann wechselte er das Thema, doch war mir das Vorausgegangene lieber. „Wieso seid ihr von New York hier her gezogen? Haste die Jungs da auch so fertig gemacht und ihr musstest flüchten?“ Lachte er. Mein Grinsen wich. „Ist ´n lange Geschichte.“ Tat ich es ab und meine Stimme klang kühl, zu kühl. „Gut, dass wir Zeit haben.“ Er ließ nicht locker. Ich wollte mit ihm nicht darüber reden, war ich doch bei ihnen im Begriff, jemand anderes zu werden und das war gut, so konnte ich auch wie jemand anderes denken und musste mich nicht ständig erinnern. „Entweder du erzählst es mir oder als Alternative, fährst du hier rechts ran und wir starten einen ab.“ Ich sah ihn an und antwortete nicht sofort. „Du musst ernsthaft überlegen? Du bist echt krass.“ Stieß er hervor, indem trat ich so kräftig auf die Bremse, dass wir beide ordentlich nickten. „Rückbank?“ Fragte ich und schob die Lippen vor. Unruhig rutschte er auf seinem Sitz herum. „Ich muss nach Hause, wir essen zeitig.“ Versuchte er sich aus der Affäre zu ziehen. Belustigt sah ich es mir an und die Panik in seinen Augen warf die Frage auf, ob er es überhaupt schon mal getan hatte. „Jared.....“ Lachte ich. „...... wenn du mich noch einmal wegen New York fragst, bist du reif.“ Ich trat wieder aufs Gas. „Hört sich an wie ´ne Drohung.“ Kam es kleinlaut vom Beifahrersitz. „Betrachte es als ein einmaliges Angebot.“ Ich war mir so verdammt sicher, dass er es niemals annehmen würde, dann machte ich das Radio an. Eigentlich war es für mich untypisch und fast erschreckend wie ich abging, aber was soll ich sagen, es ging ganz gut und mit Jared konnte ich es machen, er würde es nie drauf ankommen lassen. Große Klappe, nix dahinter.
Wir bogen in die Straße, die zur Siedlung führte. „Da vorne kannst du parken.“ Flott bog ich in die Einfahrt, auf die er zeigte, dann stiegen wir aus. Ich wollte mich bei Sue für die nette Fürsorge bedanken, da ich gestern nicht mehr ganz in der Lage war. Nach nicht einmal fünfzig gelaufenen Metern klingelte mein Handy. Es war mein Dad, er ließ mich wissen, dass das Umzugsunternehmen eingetrudelt sei, indem kreuzte Jake unseren Weg. Ich lächelte ihn an, doch wurde es nur mit einem etwas unterkühltem Nicken beantwortet. Kurz sprach er mit Jared, ich ging ein Stück weiter und konnte mich überhaupt nicht auf das Telefonat konzentrieren. Als ich wieder zu den beiden sah, nickte Jared schäbig grinsend in meine Richtung und Jake zog beeindruckt eine Augenbraue hoch und er High- Fivte Jared. „Können wir das später bequatschen, Dad?“ Versuchte ich ihn abzuwimmeln. Wahrscheinlich wollte ich gar nicht wissen, was Jared ihm erzählt hatte. Dann aber doch von Neugier getrieben, legte ich schnell auf und ging zu den beiden. „Hey.“ Murmelte ich und merkte, wie Jakes Anwesenheit meinen Herzschlag unfreiwillig beschleunigte. „Was macht der Kopf?“ Fragte er und in seiner Stimme schwang ein abschätziger Unterton. „Es geht.“ Lächelte ich verlegen. „Bis später.“ Sagte er zu Jared und setzte seinen Weg fort. „Ist der immer so schlecht drauf?“ Flüsterte ich zu Jared und sah Jake nach. Doch der zuckte nur mit den Schultern. „Ich muss nach Hause, gib mir mal deine Handynummer. Für alle Fälle.“ Murmelt Jared und kramte sein Telefon aus der Tasche. „Für welche Fälle?“ Fragte ich und grinste, er antwortete nicht, sondern erwiderte das Grinsen. Nachdem das erledigt war, machte er sich auf den Weg und ich mich auf meine Mission, Danke zu sagen.
Ich stand vor der Tür und hob die Hand zum Klopfen. „Hey, wie geht’s dir? Wieder klar im Kopf?“ Wurde ich gefragt und drehte mich erschrocken um. Leah stand neben mir. „Hey, heute geht’s wieder. Ist deine Mum da?“ Sie ging an mir vorbei und schloss auf. „Ne, aber sie müsste gleich zurück kommen, möchtest du warten? Ich mach uns ´n Kaffee.“ Lud sie mich ein. Ich fand sie wirklich nett, vielleicht sollte ich hier weniger nach einem besten Freund suchen, sonder eher nach einer besten Freundin. „Gerne.“ Lächelte ich und trat nach ihr ein. „Setz dich.“ Bot sie mir einen Stuhl in der Küche an und orgelte an der Kaffeemaschine herum. „Ist sie das?“ Vernahm ich eine Stimme hinter mir, die sich noch ziemlich jung anhörte. Ich fuhr auf meinem Stuhl herum. „Ja Seth, das ist sie und jetzt lass uns in Ruhe.“ Fauchte sie. „Hallo.“ Sagte ich etwas überrascht und sah ihn an, er kam näher. „Das hat Mum aber gut hin bekommen.“ Murmelte er und begutachtete meine Blessuren. „Jake hat dir aber anständig vor die Murmel getreten.“ Lachend setzte er sich auf einen der Stühle. „Kann man so sagen.“ Wenn ich daran zurück dachte, verging mir das Lachen. Mit verschränkten Armen musterte er mich. „Das ist mein Bruder Seth.“ Stellte Leah ihn vor und verdrehte genervt die Augen.
Ein Klopfen an der Tür ließ sie aufsehen. „Wenn du schon hier 'rum sitzt und uns die Luft wegatmest, mach dich ma´nützlich.“ Raunzte sie und nickte zur Tür. Als ich mir das Gezicke der beiden eine Zeit angesehen hatte, dankte ich Gott, dass ich ein Einzelkind war und es auch bleiben würde. Leises Gemurmel war zu hören, dann Schritte. „Er ist so ´ne Nervensäge.“ Beschwerte sie sich, doch als sie zur Tür sah, breitete sich ein verliebtes Lächeln auf ihrem Gesicht aus und sie strahlte. Ein riesiger Typ, breit wie ´n Schrank, betrat die Küche, gefolgt von Seth. „Hey.“ Flüsterte er und küsste sie. Worauf sie sich nicht lang bitten ließ, ihre Arme schlang sie um seinen Hals und die wilde Knutscherei los ging. „Mir wird schlecht, ich muss gehen.“ Würge Seth gespielt und verschwand ins Hintere des Hauses. Okay, auch für mich wäre jetzt der passende Zeitpunkt, das Weite zu suchen.
„Ähh.....ich komm ein anderes Mal wieder.“ Räusperte ich mich und stand auf. „Wart ma´.“ Nuschelte Leah unter den Lippen des Typen und riss sich für einen Moment los. Jetzt schenkten sie mir beide ihre Aufmerksamkeit. „Ist sie das?“ Fragte er mit knurrend tiefer Stimme, Leah nickte. „Sam, das ist Rey.“ Stellte sie mich vor, kurz hob ich die Hand und fühlte mich unter seinen Blicken sichtlich unwohl. Jake und mein unfreiwilliger Zusammenstoß schien sich schneller verbreitet zu haben als ein Lauffeuer. So wie es aussah, war ich in aller Munde. „Wir wollen später nach Forks, da ist das alljährliche Frühjahresfest. Würde mich über weibliche Unterstützung freuen.“ Lächelte sie und Sam begann, weiter ihren Hals zu bearbeiten. „Ich überleg' s mir.“ Antwortete ich knapp. Mit einem Kopfnicken verabschiedete ich mich und sah zu, dass ich mich vom Acker machte.
Auf dem Weg zurück zum Auto überlegte ich, wie lange es dauern würde, bis ich sämtliche Kartons ausgepackt hätte. Auch beschäftigte mich immer noch die Frage, wie ich letzte Nacht meine Klamotten losgeworden was, vielleicht sollte ich Jared noch mal drauf anhauen. Gedankenverloren schloss ich das Auto auf und nahm Platz, bevor ich ihn startete, sah ich wie gewohnt kurz in den Rückspiegel, als es mir ein bisschen anders wurde. Jake stapfte mit ernstem Gesicht in meine Richtung. Vorsichtshalber machte ich den Wagen schon mal an, er klopfte vor die Scheibe. Erschrocken sah ich ihn an. Da ich ihn mehr mit schlechter als mit normaler Laune erlebt hatte, wusste ich nicht so ganz, was er von mir wollte oder was ich ihm getan hatte. Zögerlich ließ ich die Scheibe herunter und sah ihn etwas misstrauisch an. Er druckste ein bisschen herum und ich hatte das Gefühl, er könnte mir nicht in die Augen sehen. „Kann ich dir irgendwie helfen?“ Fragte ich vorsichtig. „Ich......wollte mich noch mal entschuldigen, auch wegen der Klammerei, ist ja alles meine Schuld.“ Nuschelte er leise und sah zu Boden. ´Hä?´, dachte ich und war davon ausgegangen, wir hätten das geklärt. „Is okay.“ Sagte ich kurz und hätte drauf gewettet, dass das nicht sein ursprüngliches Anliegen war, weil er dann noch mal Luft holte, als wollte er etwas sagen, den Blick hob und mir tatsächlich in die Augen sah. Hätte ich nicht gesessen, wäre ich umgefallen, der konnte aber auch gucken, Himmel Herr Gott. Ich glaube, mir klappte sogar der Mund auf. Wenn er auch den Mund zum reden öffnete, so kam kein Ton heraus und er sah mich genau so an wie ich ihn. Als öffneten wir für einander die Büchse der Pandora. Es sah aus, als würde es ihn einige Überwindung kosten, den Blick abzuwenden, was mir gänzlich unmöglich war, dann stockte er einen Moment und ging. Er ging einfach und das brachte mich noch mehr aus dem Konzept. Er konnte mich doch nicht ´so´ansehen und dann einfach gehen, da sollte mal einer schlau raus werden. Er war schon irgendwie komisch. Ich legte den Rückwärtsgang ein, wendete und es ging auf nach Hause.
Der Möbelwagen blockierte sämtliche Parkplätze vor dem Haus und ich musste ein ganzes Stück weit weg parken. Als ich zurück lief, sah ich den Wagen von Karen. Wieso war sie schon hier? Ich dachte ,ich hätte noch mindestens einen Tag Ruhe vor ihr, aber dem war nicht so. Auf leisen Sohlen schlich ich in den Garten und war versucht, einen Busch auszureißen, um mich damit zu tarnen. Zum Glück hatte ich es gelassen, ich wurde nicht entdeckt. Als ich die Tür hinter mir schloss, ließ ich den Schlüssel von innen stecken, damit sie nicht mehr von außen geöffnet werden konnte, sollte ich mir für die Zukunft angewöhnen. Es ließ mich laut stöhnen, als ich Berge an Kartons sah, die fein säuberlich an einer Wand aufgereiht standen. Allein der Gedanke, dass ich das alles auspacken musste, ließ mir die Lust gänzlich vergehen. Aber was soll' s, ich musste sie ja nicht alle heute auspacken, so nahm ich mir vor, mit dem Kleiderschrank zu beginnen. In weiser Voraussicht hatte ich die Kisten beschriftet und ich musste ich nicht jeden Karton vorher öffnen.
Mittlerweile war der Schrank dreiviertel gefüllt, als jemand versuchte die Tür von außen zu öffnen, es aber nach ein paar Versuchen aufgab und klopfte. Missmutig schlurfte ich zur Tür und öffnete sie, es war mein Dad. „Ja.“ Maulte ich. „Hallo, mein Schatz.“ Trällerte er, schob mich zu Seite und kam unaufgefordert herein. „Ich habe mir Gedanken gemacht....“ Sagte er und schlenderte durchs Zimmer, sah sich um, als würde er irgendwas oder irgendwen suchen. „Nicht schon wieder.“ Stöhnte ich leise. „....über das, was du vorhin gesagt hast.“ Fuhr er fort. „Und?“ Fragte ich genervt und hätte ihn am liebsten raus geworfen. „Das es Zeit wird und du ein eigenes Auto bekommst.“ Ich wurde hellhörig und überlegte schon mal, welches ich bevorzugen würde. Doch meine Träume, mir mein Auto selber auszusuchen, zerplatzten in dem Moment, als er einen Schlüssel hoch hielt. „Oh toll.“ Kam es mir zynisch über die Lippen. „Wärst du bitte so lieb und gibst mir die Schlüssel vom Mietwagen?“ Bat er mich, mit gewohnt ruhiger Stimme, ich ging zur Kommode und warf sie ihm zu. Weiß der Henker, mit was für einer Rostlaube ich jetzt herumfahren müsste. Er warf mir den anderen Schlüssel entgegen, den ich ungesehen wieder auf die Kommode legte und ihm den Rücken zudrehte, um weiter einzuräumen.
„Deine Mum ist da.“ Sagte er ganz glücklich und aus dem Zusammenhang gerissen. „Hm, hab ich gesehen.“ Knurrte ich und ließ mich nicht weiter stören. „Okay, ich sehe du bist beschäftigt. Bis später.“ Verabschiedete er sich und ging. Die Dämmerung war schon so weit voran geschritten, dass ich Licht machen musste. Völlig vertieft in meine Einräumaktion schreckte ich auf, als mein Handy klingelte. Als ich ranging, dröhnte mir kreischend laute Musik entgegen.
„Rey? Wo bist du?“ Bölkte Jared. „Wo soll ich sein, zu Hause, Hollywood hat noch nicht angerufen.“ Schrie ich, da er mich sonst nicht verstand. „Leah wartet sehnsüchtig auf dich. Und ich auch.“ Der zweite Satz fiel um einiges leiser aus und ich ging nicht weiter drauf ein. „Sag ihr, es tut mir leid, aber ich hab echt keinen Bock.“ Müsste ich weiter so schreien, wäre ich morgen heiser. „Ach komm schon.........Ey Jake, bring mir auch noch einen mit.“ Oh, wie war das? Jake war auch da?Vielleicht sollte ich doch kurz vorbei schauen und könnte so seinen Blicken von heute Mittag auf den Grund gehen. „Aber nicht lange.“ Knurrte ich und das wenig begeistert. „Du weißt, wo das ist?“ Schrie er in den Hörer, dass mir fast das Ohr abfiel. „Ich habe in New York gewohnt, da werd ich euch in so einem kleinen Kaff bestimmt finden.“ Fauchte ich, dass er so an meine Fähigkeiten zweifelte. „Is ja gut. Dann bis gleich.“ Ohne ein weiteres Wort legte ich auf und sah an mir herab. So könnte ich kaum gehen. Schlabberige Jogginghose, ein viel zu kurzes Oberteil und die Haare zu einem wilden Zopf. ´Ne, ne heute wird Eindruck gemacht´, dachte ich und warf meine Klamotten von mir, als ich ins Bad rannte.
Fertig geschminkt und mit gestylter Lockenpracht, die bis über den BH reichte, stand ich vor meinem Kleiderschrank. Es war irgend ein blödes Fest, also durfte es nicht zu overdressed sein. Nach einer kleinen Session lagen mehr Klamotten auf meinem Bett, als sich noch im Schrank befanden, womit ich meinen Schrank morgen auf ein Neues einräumen konnte.
Entschieden hatte ich mich dann für eine ziemlich engsitzende Hüftjeans, einem schwarzen Oberteil mit mördermässigem Ausschnitt, einer Lederjacke und schwarzen Vans. Bequem, nicht overdressed, aber trotzdem scharf wie ´ne Rasierklinge. Dann verbrauchte ich noch gut ´ne halbe Flasche Parfum, begutachtete noch einmal das Gesamtbild im Spiegel und fand es mehr als gelungen. Schnell schnappte ich meine Tasche, den Autoschlüssel und joggte den Weg durch den Garten. Vor dem Haus angekommen sah ich mich um, wo die alte Möhre stand, die jetzt mein war. Um es mir einfacher zu machen, drückte ich den Knopf auf dem Schlüssel und rechts von mir piepte es. Langsam drehte ich den Kopf und dachte, ich würde aus allen Wolken fallen. Mit offenem Mund ging ich näher und drückte mindestens noch fünf Mal auf den Schlüssel, weil ich nicht glauben konnte, dass das mein Auto sein sollte.
Ich stand vor einem brandneuen R8 und überlegte, kurz auszurasten. Langsam öffnete ich die Tür und hätte losschreien können, schwarzes Leder, passend zu meiner Jacke. Dann stieg ich ein, wie geil so sein Neuwagen roch. Ich hätte mir das Parfum sparen und mich einfach ein bisschen an den Sitzen reiben können. Mein Blick ging direkt zur Anlage, nachdem ich den Wagen angelassen hatte und er brüllte wie eine Wildkatze, die es kaum erwarten konnte, endlich losgelassen zur werden, suchte ich die Knöpfe zum Anmachen der Anlage und für laut und leise, na ja, laut würde reichen, gefunden hatte ich sie dann am Lenkrad. Vor mich hin grinsend legte ich den ersten Gang ein, keine Ahnung, wieviel PS die Schleuder hatte. Den ersten Gang konnte man locker bis siebzig ziehen, wie ich feststellte. Ich war mir sicher, dass dieser Abend nicht mehr getoppt werden könnte. Da ich die Strecke mittlerweile mehr als einmal gefahren war, trat ich anständig aufs Gas und mein Herz setzte bei dem Bass fast aus. Es war bedauerlich, dass ich so schnell in Forks war, ich hätte den Abend auch gerne auf dem Highway verbracht, am liebsten in Richtung New York.
Ich kurve durch Forks und fuhr an der Straße vorbei, die auf Grund des Festes gesperrt war, so zog ich einige dumme und neidische Blicke auf mich, aber ich konnt´ damit leben. Ganz in der Nähe fand ich einen Parkplatz. Als ich ausstieg, hörte ich ein paar Jugendliche hinter mir murmeln, ´boah´, ´is ja Granate´. Doch der Satz `Sie oder der Wagen´, ließ mich wissen, ich hatte alles richtig gemacht.
Breit grinsend betrat ich die Szenerie und kämpfte mich durch die Menge. Ein bisschen ratlos stand ich herum und überlegte, ob ich Jared anrufen sollte, doch würde ich mich damit nur lächerlich machen, hatte ich vorhin noch so groß getönt, ich würde sie finden.
„Hey Schönheit, ich bin der Vater deiner Kinder.“ Gröhlte irgendein Typ hinter mir. Mit einer hochgezogenen Augenbraue drehte ich mich ganz langsam um und sah in Jareds erst fett grinsendes und dann völlig verdutztes Gesicht. Langsam ging ich näher, er stand am Getränkewagen und holte Nachschub, so wie es aussah. „Rückbank?“ Hauchte ich, sah ihn verführerisch an und fuhr mit einem Finger über seine Brust. Als ihm dann das Portmonee aus der Hand fiel und er mich immer noch anstarrte, dachte ich ´Ziel erreicht`. Irgend so ein komischer Vogel, der neben ihm stand, hatte alles mitbekommen und meinte, „Wenn er nicht will, ich hätte Zeit und würde meinen rechten Arm geben.“ Etwas angewidert verzog ich das Gesicht. „Halt die Fresse, Mike.“ Murmelte Jared und bekam nicht mit, dass die Getränke kamen. „Bezahlen.“ Fasste ich mich kurz. „Für die Rückbank?“ Stammelte er etwas entgeistert. „Ne, die Getränke. Der Rest geht aufs Haus.“ Ich kniff ihm ein Auge zu, dann nickte ich in Richtung des Mannes, der Jared schon leicht genervt ansah. „Äh, ja klar.“ Als er bezahlt hatte, half ich ihm mit den Getränken. Die Musik wummerte ganz ordentlich und war gar nicht schlecht ausgesucht. In der Nähe der Boxen sah ich sie. Jared glotzte mich immer wieder von der Seite an. „Guck nach vorne, sonst fällst du noch auf die Fresse.“ Schrie ich über die laute Musik.
Leah sah mich schon vom Weiten und winkte. Grinsend ging sie uns entgegen. „Schön, dass du doch noch gekommen bist!“ Sagte sie und drückte mich. Da ich die Getränke festhielt, konnte ich es nicht erwidern. „Du siehst echt heiß aus.“ Stellte sie fest und betrachtete mich. Ich kniff ihr ein Auge zu und stellte mich in Pose. „Also, wenn ich auf Mädels stehen würde.....“ Laut ließen mich ihre Worte lachen. „Komm, ich nehm´ dir was ab.“ Sie half mir und wir gingen zu den anderen. Als erstes fiel mir Sam auf, seine Größe war beeindruckend. „Na, doch noch den Weg gefunden.“ Fragte er und zog sein Glas leer, es standen noch zwei weitere Jungs bei ihm, die ich noch nicht kannte. Ich nickte. „Das sind Embry und Quil.“ Stellte er sie vor. „Hey.“ Sagte ich und schüttelte ihre Hände. Kurz drauf waren sie schon wieder in ein Gespräch vertieft. „Die sind völlig abgelenkt.“ Lachte Leah. „Warum?“ Wollte ich wissen. „Hier ist grade so ´ne schwarze Hordcore- Karre vorbei geschossen, seitdem gibt ’s kein anderes Thema mehr.“ Ich fing an zu grinsen. „Und da saß auch noch ´ne Schnalle drin.“ Schnaufte Sam und verdrehte die Augen. „´Ne Schnalle?“ Fragte ich völlig ungläubig. Dann griff ich in meine Hosentasche und wedelte mit dem Autoschlüssel. „Dann bin ich wohl ab jetzt ´die Schnalle´!“ Sah ich ihn mit hochgezogener Augenbraue an.
Sprachlose Gesichter und totales Entsetzen. „Wie? Das warst du?!“ Raunte Sam. Leah lachte schallend und hielt sich an meinem Arm fest. Grinsend nickte ich. „Das darf nicht wahr sein.“ Sam fasste sich an die Stirn und wollte es nicht glauben. „Was darf nicht wahr sein?“ Fragte Jared, der neben mir auftauchte. „Der R8 gerade, weißte noch?“ Gab Sam noch immer kopfschüttelnd von sich. „Hää.“ Machte Jared. „Das war sie!“ Und Sam zeigte auf mich. Jared sah mich ungläubig an. „War das nicht ´n Q7?“ Fragte er, wie ich ihn jetzt so ansah fand ich, dass er schielte. „Sag mal, bist du voll?“ Er grinste. „Hm ...geht.“ Wie er so grinste, fand ich ihn schon ganz niedlich, aber meine Motivation, hierher zu kommen, war ursprünglich eine andere.
„Ich hol' die nächste Runde, wer will.“ Bölkte Sam, der so dicht hinter mir stand, dass ich zusammenzuckte. „Was möchtest du trinken?“ Lallte Jared. „´Ne Cola.“ Fürs Erste bekam ich, was ich wollte. „Bleichgesicht.“ Flüsterte jemand dicht an meinem Ohr, überrascht fuhr ich herum. „Sitting Bull.“ Stellte ich fest und Leah lachte wieder los, sie torkelte auch schon anständig. Alle schienen schon schön voll zu sein, das würde eine Zerreißprobe für meine Nerven werden. Als ich an ihm vorbei sah, lief meine Motivation in unsere Richtung, doch zu meinem Bedauern hatte er ´ne Trulla im Arm, die aussah, als ginge es ihr nicht gut, irgendwie war sie grün. Aber was hatte ich gedacht, dass er bei seinem Aussehen Single wäre? Gott, war ich naiv.
Er lief an uns vorbei. „Ey Paul, lass' die Mädels in Ruhe.“ Kicherte er. „Danke, kann mich schon allein wehren.“ Zischte ich zurück. Jake drehte sich noch mal samt Trulla um und jetzt erkannte er mich. Er mit offenen und sie mit zusammengekniffenen Mund. Etwas abschätzig sah ich ihn an und nickte. „Hey.“ Hauchte er und sein Arm rutschte von der Schulter des Mädchens neben ihm. Ich drehte mich wieder zu Jared und Paul. „Komm, wir setzen uns.“ Leah schnappte meine Hand und zog mich hinter sich her, zu einer der Bänke. Kurz drauf war Sam mit den Getränken zurück, als wir ein ekelerregendes Würgen hörten.
Jakes Trulla kotzte, was das Zeug hielt und er verdrehte genervt die Augen. Jared setzte sich neben mich und hing mit seinem Kopf fast auf meiner Schulter. „Du bist die schönste Frau, die ich kenne.“ Philosophierte er. „Und du bist besoffen.“ Lachte ich und tätschelte seine Wange. „Morgen soll das Wetter gut werden und wir wollen zum Strand. Ich würde ausflippen, wenn du auch kommst.“ Bittend sah Leah mich an. „Klar, bin dabei.“ Lächelte ich, ohne drüber nach zudenken. Jake kam rüber. „Ich bring sie nach Hause.“ Er zeigte hinter sich und sie göbelte schon wieder los. „Rey kann doch fahren, dann bist du schneller wieder hier.“ Es war zu großzügig von Sam, mich anzubieten. Mit großen Augen sah Jake mich an, wie bitte hätte ich da nein sagen können? „Natürlich.“ Schnaufte ich und verzog das Gesicht. „Wenn sie mir ins Auto kotzt, leckst du es sauber.“ Drohte ich ihm. Resigniert nickte er. „Ja dann.“ Ich erhob mich und fuhr mit der Hand über Jareds Schulter. „Nein, bleib hier, nicht weggehen.“ Jammerte er. „Ich bin doch gleich wieder da.“ Grinste ich und warf ihm ´ne Kusshand zu. Jake schnappte seine Alte und sie liefen hinter mir her.
Ich öffnete die Wagentür und war im Begriff, mich zusetzen. „Ich kann sie da nicht rein setzen.“ Meinte er entsetzt. „Warum nicht?“ Fragte ich leicht genervt. „Das ist ein nagelneuer R8, wenn sie da reinkotzt, könnte ich mir das nie verziehen.“ Sagte er. „Ich dir auch nicht und jetzt hau rein.“ Drängelte ich. Jake quetschte sie hinter die Sitze, es war nun mal nur ein Zweisitzer. Er nahm neben mir Platz und als ich den Wagen anließ, legte er den Kopf zurück und schloss die Augen. „Das klingt wie Engelsgesang.“ Säuselte er. ´Das sieht für mich wie purer Sex aus´, dachte ich, als ich ihn ansah. Er ließ den Kopf zurückgelehnt, drehte ihn und sah mich mit Schlafzimmerblick an. „Was hast du?“ Hauchte er wie die fleischgewordene Versuchung. ´Gleich ´n multiplen Orgasmus, wenn du mich weiter so anguckst´.
„Wo lang.“ Fragte ich dann einfach nur. Jake navigierte mich durch die Straßen von Forks, unser Ziel lag etwas außerhalb, ich war heilfroh, als sie ausstieg und nichts von ihrem Mageninhalt zurückließ. Zwei Minuten später saß Jake wieder neben mir und da wir die Kotzeule los waren, drehte ich Musik laut und trat anständig aufs Gas. „Alter, ist das geil.“ Stöhnte er. „Ich auch.“ Sagte ich leise, doch sein verdutzter Blick ließ mich wissen, dass er es gehört hatte. Finster grinste ich und sah auf die Straße. Ich fragte mich, ob er für die selben Spielchen geeignet wäre wie Jared. Vielleicht sollte ich es auf einen Versuch ankommen lassen, da er ja ´ne Freundin hatte, wäre mehr eh nicht drin. Wir schossen durch die Nacht und waren gefühlt ´bulletproof´. Adrenalin war schon was Geiles. Aber die Geschwindigkeit, dieses Auto, Jake und Adrenalin waren der Auftakt einer verdammt heißen Nacht.
Wir hatten geparkt und stiegen aus. „Ich bin dir was schuldig.“ Sagte Jake, als er die Tür zu warf. „Das bist du.“ Grinste ich und ging vor ihm her, mein Kopfkino hätte einen Oscar verdient.
Leah tanzte wie eine Wilde über die Wiese und war durch nichts und niemanden zu stoppen. Sam, Paul, Embry und Quil saßen auf der Bank. „Wo ist Jared?“ Fragte ich, weil ich ihn nirgendwo sehen konnte. „Der is´ gleich wieder da. Er is´ kotzen oder pinkeln oder beides.“ Lachte Sam, ich nahm ihnen gegenüber auf der Bank Platz und sah Leah zu. Dafür, dass es schon ziemlich spät war, steppte hier noch ordentlich der Bär. Embry und Paul standen auf, sie holten Nachschub. Jake setze sich auf den freien Platz neben Sam, der mir genau gegenüber war. „Ist meine Kleine nicht ´n scharfer Feger.“ Brummte Sam und warf Leah vielversprechende Blicke zu, die sie erwiderte. Ich schob die Lippen vor und grinste. Als ich von ihm zu Jake sah, trafen mich seine Blicke und mir wurde heiß. Gab es tatsächlich Head- Sex, fragte ich mich, denn so fühlte es sich an. Er konnte Sachen. Erst hielt ich dem Stand, doch bevor ich ihn mit Haut und Haaren verschlingen würde, schlug Jared wieder auf und lenkte mich ab.
Dann kamen Paul und Embry mit den Getränken, ungefragt drückte Paul mir ein Glas in die Hand. Ich nahm einen kräftigen Schluck. „Was ist das?“ Hustete ich. „Whisky- Cola.“ Grinste Paul. „Feige?“ Fragte er. Ich zischte, setzte das Glas an, zog es leer und schüttelte mich, es war echt ekelhaft. „Noch eins und du musst ins Bett.“ Foppte Paul mich. „Das werden wir sehen.“ Ich nahm Jared ungefragt das Glas aus der Hand und zog auch das leer, dann gab ich es ihm wieder und er guckte mich ziemlich doof an. „Ist für' n guten Zweck.“ Grinste ich. „Die Nächste geht auf mich.“ Bestimmte ich und marschierte los. „Es war ziemlich voll am Getränkewagen und ich musste mich durchquetschen. Nachdem ich bestellte hatte, drängte sich jemand von hinten an mich. Ich wollte schon herumfahren und Laschen verteilen, als ich erkannte, wer es war und es hätte noch sehr viel mehr gequetscht werden dürfen.
„Ich wollte dir helfen.“ Flüsterte er, dicht zu mir gebeugt. ´Dann reiß dir die Klamotten vom Leib, damit wäre mir geholfen´, dachte ich. Ich drehte den Kopf zu ihm „Danke. Hilfe kann ich gut gebrauchen.“ Hauchte ich und kam für den Bruchteil einer Sekunde in den Genuss, sein Gesicht von Nahem zu betrachten. Es wurde weiter gedrängelt, als würde es gleich nichts mehr geben. Jake legte seine Hände auf meine Hüften, keine Ahnung warum, aber es fühlte sich verdammt gut an. Mein Rücken war gegen ihn gelehnt, selbst durch die Lederjacke fühlte ich wie warm er war und für einen Moment schloss ich die Augen und ließ meiner Phantasie freien Lauf, was mich kurz drauf seufzen ließ und ziemlich scharf machte. Ich legte meine Hand auf seine und wartete ab, ob etwas passierte, immerhin wehrte er sich nicht.
Dann kamen leider unsere Getränke, ich hätte noch gut ´ne Stunde hier stehen können und sehen, wo es hinführen würde. Als ich bezahlt hatte, verschwanden die wärmenden Hände von meinen Hüften. Ich gab ihm ein paar Gläser, den Rest nahm ich. Ein Stück ging ich hinter ihm und bewunderte seinen Knackarsch, sein breites Kreuz, seine Größe und was man mit ihm nicht alles anstellen könnte. Wir hatten direkt für jeden zwei Gläser mitgebracht, dann brauchten wir nicht so oft laufen. Als wir wieder saßen, beugte Paul sich vor. „Wir wär' s mit ´ner kleinen Wette.“ Grinste er. „Lass hören.“ Forderte ich ihn auf. „Wer zuerst abkackt, dem darf der andere die Haare schneiden.“ Schlug er selbstsicher vor. Entsetzte Gesichter sahen mich an und ich lachte lauthals, dann überlegte ich einen Moment. „Feige? Bleichgesicht.“ Ich zischte. „Bin dabei.“ Und schlug in seine Hand ein, die er mir entgegen hielt. Unsere Haare hatten fast die gleiche Länge und es würde sicherlich ziemlich unterhaltsam werden oder ein böses Erwachen geben. Aber wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Jared fuhr mit seiner Hand über meinen Kopf, meine Haare entlang. „Und sie sind so schön dicht und lang.“ Lallte er. Es war fast beleidigend, wie wenig er mir zutraute. „Dicht bist du auch.“ Lachte ich und klopfte auf seinen Oberschenkel.
Es gingen noch einige Gläserinhalte unsere Kehlen herunter, ehe es hier nichts mehr gab. Mittlerweile schwankte ich schon ordentlich, doch war ich nicht so der Verlierertyp, eher so der Typ Endgegner. „Und jetzt?“ Fragte ich in die lustige Runde und hoffte, der Abend war noch nicht vorbei. „Ab ins E3.“ Quiekte Leah, als Sam ihr einen Klaps auf den Hintern gab. „E3?“ Fragte ich. „Is´ n völlig abgefuckter Schuppen, aber zum Saufen reichts.“ Klärte Embry mich leicht lallend auf. „Nix wie hin.“ Ich sprang auf und zeigte wild in irgendeine Richtung. „Ne, andere Seite.“ Verbesserte mich Jake und grinste. „Ab gehter, der Peter.“ Lallte Jared, stand aufstand und ich hakte mich rettend bei ihm ein.
Die anderen liefen vor uns und feierten ordentlich. „Rückbank?“ Fragte Jared und grinste, dass ich es für einen kurzen Moment tatsächlich in Betracht gezog. „Wohl eher Damentoilette.“ Konterte ich und er kicherte. Kurz bevor wir da waren, fiel mir ein, dass der Großteil unseres Trüppchens noch nicht volljährig war. Aber Sam kannte den Typen an der Tür und ruck zuck, waren wir drin. Das war aber auch ein Schuppen, es erinnerte mich ans ´Titti-Twister´ aus dem Film ´From Dusk till Dawn´, da bestand eine verwechselbare Ähnlichkeit. Wenn es hier echt übel war und teilweise ziemlich zwielichtige Gestalten rumliefen, so war der Laden doch gut besucht. Leah und ich marschierten sofort zum Tresen und weiter ging die Sauforgie, kurz drauf versammelten sich die anderen um uns. Ich reichte Paul breit grinsend das nächste Glas. „Auf deine neue Frisur.“ Prostete ich ihm zu, er brach in schallendes Gelächter aus. Leah rockte schon wieder die Tanzfläche und gab alles. Jared stand neben mir und sah sich mit coolem Blick um. Ich suchte Jake, da er nicht bei uns stand, konnte ihn aber nicht finden. „Ich bin mal eben auf siebzehn.“ Schrie ich Jared an. „Wo bist du?“ Brüllte er. „Auf´m Klo.“ Er nickte und ich lief los. Quer über die Tanzfläche und hottete noch ein bisschen mit Leah ab. Kurz vor dem Klo hatte ich auch Jake gefunden, er schien eine medizinische Untersuchung durchzuführen. Anders konnte ich mir nicht erklären, warum er mit seiner Zunge die Mandeln von so ´ner Perle abtastete. Als ich vorbei ging, sah er mich an, grinste, machte aber fleißig weiter. Erst begrabbelte er mich am Getränkewagen und jetzt steckte er dieser Alten seine Zunge bis zum Anschlag in den Hals. Gutes Aussehen verdarb eben doch den Charakter. Na gut, hatte sich dass für mich erledigt und ich würde mich Jared etwas intensiver widmen.
Als ich vom Klo zurück kam, war Jake samt Perle verschwunden, ich wollte gar nicht wissen, in welcher dunklen Ecke es jetzt zur Sache ging und hier gab es viele dunkle Ecken. Ich stand an der Tanzfläche und sah rüber, zur anderen Seite, zum Tresen. Was ging denn da ab? Mir fiel Embry auf, wie er gierig Leah anschmachtete, aber was ich noch krasser fand, sie erwiderte seine Blicke und Sam bekam von alledem nichts mit. ´Da geht aber was´, dachte ich und machte mich auf den Weg zu Jared, der meine ganze Aufmerksamkeit verdient hatte. Wieder am Tresen, stellte ich mich zu ihn und musterte ihn mit hochgezogenen Augenbraue. Kurz sah er mich an und stutzte. „Alles klar?“ Fragte er und beugte sich zu mir. Weiter sah ich ihn an und biss auf meine Unterlippe. ´Was solls´, dachte ich, auf den ich es abgesehen hatte, schien andere Pläne zu verfolgen, päh, von mir aus. Ich reckte Jared mein Gesicht entgegen, ich glaube, er dachte, ich wollte ihm etwas sagen und kam mir entgegen. Diese Chance ließ ich nicht ungenutzt verstreichen und küsste ihn. Ich merkte, wie er in die Knie ging und fühlte, wie er leise stöhnte, gut so.
Paul gröhlte neben uns los, um zu demonstrieren, dass ich noch lange nicht fertig war, legte ich Jared meine Arme um den Hals. Wie seine Lippen sich auf meinen bewegten, er hatte es sowas von drauf, der konnte küssen, dass es einem schwindelig wurde. Seine Hände schoben sich um meine Seiten und er drückte mich an sich. Ich fragte mich, warum er keine Freundin hatte, er sah gut aus, war witzig, charmant und konnte küssen als hätte es erfunden. Dann kam mir ein anderer Gedanke, vielleicht wurde er an anderer Stelle nicht so großzügig bedacht, dass sollte ich aber noch raus bekommen. Nach kurzer Zeit des wilden Knutschens, schob Paul sich dazwischen, es widerstrebte mir, den Meisters des perfektionierten Kusses zu unterbrechen, denn es wurde immer besser. Paul hielt mir das nächste Glas hin. „Wohl bekommts.“ Grinste er. Ich verdrehte die Augen und kippte es schnellstens hinunter. Jared grinste, als ich das Glas auf den Tresen knallte. Als ich ihn jetzt betrachtete, fiel mir auf, wie dunkel seine Augen waren. Es gab zig Brauntöne, doch seine waren so dunkel, dass ich kaum einen Unterschied zur Pupille ausmachen konnte und ich fand sie atemberaubend. Was das Äußerliche betraf, hätten wir nicht unterschiedlicher seine können. Er mit seinen tiefbraunen, fast schwarzen Augen, eben so dunklen Haaren , seiner gebräunten Haut, groß und breit. Ich im Gegenzug hatte hellblaue Augen, war strahlend blond und wenn ich meine Hand auf seine Wange legte, hätte der Farbunterschied nicht gravierender sein können, auch war ich mit einem Meter siebzig eher klein und von der Statur her zierlich. Aber Gegensätze zogen sich ja bekanntlich an und wie er anzog.
Bevor ich mich ihm wieder zu wandte, orderte ich noch ´ne Runde, damit Paul uns nicht wieder stören würde, als auch die vernichtet war, ließ ich meinen Blick kurz schweifen. Sam stand mit dem Rücken zur Tanzfläche und unterhielt sich mit Quil, die beiden waren so voll, dass es unter Garantie ein interessantes Gespräch sein musste. Leah tanzte immer noch, Embry hatte sich vorgewagt, tanzte mit ihr und sie machte ihn schön strubbelig. Von Jake war immer noch nichts zusehen, es ließ die Vermutung zu, dass er nicht auf Quickies stand. Doch wollte ich mir nicht die Mühe machen und mir den Kopf über ihn zerbrechen, wie es schien, war er die Gedanken nicht wert. So widmete ich mich lieber wieder dem, der es zu schätzen wusste, Jared. „Wo waren wir?“ Grinste ich und fuhr mit der Hand über seine Wange, seine Augen hielten meinem Blick stand, zogen mich tiefer und ich sah, was in seinen Augen blitzte. Es versprach, dass ich noch auf meine Kosten käme. Als ich an seinen Lippen hing, die hervorragende Vorarbeit leisteten und mich schon fast um den Verstand brachten, wurde es hektisch hinter uns.
Ein paar der Türsteher rannten im Stechschritt in Richtung der Toiletten. ´Oh Action´, dachte ich, doch als sie nach nicht mal zwei Minuten zurück kamen und Jake vor sich herschoben, der gerade seine Hose zuknöpfte, war mir klar, dass der Abend für uns hier gelaufen war. Entsetzt sah Leah ihnen hinter her, schnappte Embry und kam zum Tresen. „Abmarsch.“ Bölkte sie, zog Sam und Paul vom Tresen, Jared packte Quil, damit er nicht vergessen wurde und wir folgten Jake nach draußen.
Vor der Tür angekommen, faltete Leah in erstmal anständig zusammen, verdienterweise, wie ich fand. Mit den Händen in den Hosentaschen, verdrehte er die Augen und schnaufte. „Kannst du deinen Zipfel nicht einen Abend eingepackt lassen!“ Fauchte sie. Was Leah so unglaublich wütend machte, war nicht das Jake flachlegte was ihm vor die Nase kam, so wie es schien, waren sie das von ihm gewohnt, sondern dass sie und Embry gestört wurden. „Du bist so ein Idiot.“ Knurrte auch Embry, aus den selben Gründen wie Leah. Es war schon ´ne krasse Kiste, dass Sam von alledem, was zwischen den beiden abging, nichts mitbekam oder vielleicht wollte er es nicht mitbekommen, wer weiß, was sie für Absprachen hatten. So wie sie drauf waren, wurden sie mir alle immer sympathischer. Hier war es ein Leichtes für mich, jemand anderes zu sein. Ich hing in Jareds Armen und sah mir an, wie sie Jake absauten. Paul stand neben uns und glotzte nur vor sich hin, er sah nicht mehr ganz so frisch aus.
„Ruf mal einer ´n Taxi.“ Warf Quil ein und Jared zückte sein Handy. Nach gefühlten zwanzig Versuchen, eins zubekommen, gab er es auf. Auf Grund des Festes waren Taxis gefragter als Stripperinnen auf ´nem Junggesellenabschied. Bevor wir Wurzeln schlugen, entschieden wir uns, zu laufen. Bis Beaver wäre ein Taxi ohnehin zu kostspielig, deshalb bot Jared mir an, bei ihm zu bleiben. Erst war ich etwas skeptisch, wegen seinen Eltern, wie sollte man ihnen dass vernünftig erklären. Doch hatte er schlagende Argumente in Form einer Einliegerwohnung.
Wir marschierten los und wären bestimmt eine Stunde unterwegs, wenn man unsere Umstände bedachte, kein schlechter Schnitt. Nach wie vor lag Jareds Arm um mich, zum Glück, ich fand es total kalt und er war verführerisch warm. Dass er mir seine Zuneigung zeigte, gab mir seit langer Zeit wieder ein gutes Gefühl.
Nach halber Streckte drückte meine Blase und bis La Push würde ich es nicht mehr packen. Also hieß es ab in die Büsche. Ich ließ die anderen vorgehen, dann schlug ich mich ein Stück in den Wald. Nachdem ich mich erleichtert hatte, schlich ich den Weg zurück. Aber noch bevor ich wieder auf die Straße trat, hörte ich ein Räuspern. Erstarrt blieb ich stehen, es war ganz in meiner Nähe und ich bekam eine Gänsehaut. Hinter mir hörte ich, wie Äste zerbrachen, ich fuhr herum und konnte einen dunklen Schatten ausmachen, der sich vom Dunkel des Waldes abhob und sich stetig näherte. Das schwache Licht der Laternen, die die Straße säumten, ließen ihn mich erkennen.
„Ey Jake, hast du mich beim Pinkeln belauscht?“ Fragte ich entsetzt und fand die Vorstellung völlig krank, aber zu ihm passend. Das wenige Licht ließ seine Augen funkeln, beeindruckt ging ich ein paar Schritte zurück, aber stand er schneller vor mir als es mir lieb war. Da war er wieder, dieser Blick, die fleischgewordene Versuchung, der mich nur noch an eines denken ließ. ´Reiß dir die Klamotten vom Leib und besorgs mir, jetzt, hier´. Ich hätte mir, so besoffen wir ich war, niemals so viel Selbstbeherrschung zugetraut. Wenn es einem Kraftakt glich, ihm zu widerstehen, war ich ziemlich stark.
Er sagte nichts und ließ seine Blicke sprechen, aber bevor ich mich doch hinreißen ließ und er eine weitere Kerbe in seinen Bettpfosten ritzen konnte, drehte ich mich um und wollte gehen. Wie schon vor ein paar Stunden legte er seine Hände von hinten auf meine Hüften und brachte mich zum Stillstand. Auch fühlte es sich genau so gut an, wie vor ein paar Stunden, meine Phantasie drängte sich auf, ließ mich die Augen schließen und nach Luft schnappen. Ich fühlte, wie er seinen Kopf über meine Schulter beugte, seine Wange an meine legte, ich hörte seinen Atem, alles an ihm war so einladend und verführerisch. Seine Hände wanderten gekonnt von meine Hüften, über meinen Bauch, hoch zu meinem Busen. vorsichtig drückte er ihn, es ließ mich ein Stück in die Knie gehen, geräuschvoll atmete ich aus und ich legte mein Hände auf seine.
Ich versuchte zu denken, aber Dank seiner Berührungen scheiterte ich jämmerlich. Mein Verstand versuchte sich Gehör zu verschaffen, dass ich es sein lassen sollte. Aber die Begierde wollte ihn, auf Teufel komm raus.
Sein Atem beschleunigte sich, wir atmeten im selben Takt, was ich als ziemlich schräg empfand. Ich wollte mich zu ihm drehen und ihn anspringen, doch war ich wie erstarrt, fast willenlos in seinen Fängen. Seine unglaublich weichen Lippen fanden ihren Weg und erkundeten meinen Hals unaufhaltsam, ich wollte gar nicht wissen, wo sie heute schon überall waren. Der Gedanke war echt abstoßend. Nichts desto trotz legte ich den Kopf schräg und nahm, was ich kriegen konnte. Erst die Rufe der anderen, ließen mich wieder klar werden. Ich schob seine Hände von mir und drehte mich zu ihm. Er versprach sich mehr und grinste, er war sicher, dass er bekam, was er wollte.
„Für den Anfang nicht schlecht.“ Flüsterte ich und demonstrierte Entschlossenheit. Die ersten Schritte ging ich rückwärts und musterte ihn. „Für den Anfang.“ Wiederholte er leise. Ich drehte mich um und joggte den Rest aus dem Wald, nur noch weg, bevor es zu spät war und ich nicht mehr in der Lage wäre zu entscheiden. Seine Berührungen hatten mich so stubbelig gemacht, dass Jared mir jetzt schon leid tat, der würde heute dran glauben müssen. Aber ich war mir sicher, dass er es ähnlich sah. Eilig lief ich zu ihm, als Jake hinter mir aus dem Wald trat, ließ es ihn schräg gucken. „Ab nach Hause.“ Presste ich durch die Zähne, schnappte seine Hand und zog ihn hinter mir her, sonst würde ich ihn gleich in den Wald zerren.
Eine weitere, quälend lange halbe Stunde später, waren wir endlich in La Push. Als Paul im hohen Bogen loskotzte. Ich sprang um ihn herum .“Jetzt kommt die Matte ab, Sitting Bull.“ Sang ich lauthals. Aber er war nicht mehr aufnahmefähig. Langsam ging die Sonne auf. „Lass uns noch zum Strand.“ Schlug Leah vor. „Nä, ich will ins Bett.“ Maulte Sam und Quil stimmte mit ein, bevor sie nach Hause gingen, warf Sam Leah Blicke zu, die ich deuten konnte, dann schnappte er sich Paul und die Drei dackelten ab.
„Ich bin dabei.“ Grinste Embry. Ich musste lachen, es war so offensichtlich. „Lass uns mitgehen.“ Schlug Jared vor. Ob im Bett oder am Strand, war mir mittlerweile völlig egal. „Okay.“ Grinste ich. Jake sah zwischen uns hin und her, er war ziemlich über und sichtlich angepisst. Leah und Embry gingen schon mal vor, auch Jared setzte sich in Bewegung. „Gute Nacht.“ Hauchte ich, kniff Jake ein Auge zu und schickte ihn quasi nach Hause. Er fletschte mich an, wahrscheinlich hatte er es sich anders vorgestellt. Aber so war es, wenn man alles haben wollte, am Ende hatte man nichts.
Schnell lief ich den dreien nach, als Jake mich nochmal rief. Zwar drehte ich mich um, ging aber langsam rückwärts. Er fuhr sich mit der Zunge über die Lippen und machte eine anstößige Bewegung. Ich musste lachen, kurz drehte ich mich um, die drei liefen schön weiter. Dann sah ich wieder zu ihm, fasste an meinen Busen, ging ein Stück in die Knie und warf den Kopf in den Nacken. Als ich ihn jetzt wieder ansah, erwiderte er meine Blick mit einer hochgezogenen Augenbraue, entzückt von dem was er zu sehen bekam. „Viel Spaß.“ Rief ich, drehte mich um und folgte den anderen, ohne mich nochmal umzusehen.
Embry ließ sich in den Sand fallen und lehnte sich an das Treibholz, seine Blicken zogen Leah schon mal aus. Im Handumdrehen saß sie auf seinem Schoß, endlich konnten sie knutschen und hielten damit auch nicht hinter dem Berg. Jared schüttelte bei dem Anblick den Kopf und wir gingen noch ein ganzes Stück weiter, bis sie aus unserem Blickfeld verschwunden waren. Auch er setzte sich in den Sand, an einen Baumstamm gelehnt, ich setzte mich neben ihn und lehnte meinen Kopf an seine Schulter. Wir sahen zu, wie sich alles um uns orange färbte, nach und nach tauchte der riesige Feuerball aus dem Meer, es war sehnsuchtserweckend.
Jared griff meine Hand und wärmte sie. Ich sah zu, wie seine Hand meine hielt, es war ein beruhigendes Bild, seine große Hand, meine glich in seiner liegend, der Hand eines Kindes. Er führte sie zu seinen Lippen und küsste sie, dann sah er mich an. Mein Herz beschleunigte sich und mein Blick wechselte von seinen Augen zu seinen Lippen, die sich zu einem Lachen verzogen und mich ansteckten. Langsam beugte er den Kopf zu mir. Ich fuhr über seine Wange und nahm nicht mehr wahr, was uns umgab.
Es ließ mich tief Luft holen und seufzen. Vorsichtig, fast zögerlich fanden sich unsere Lippen, warm und weich bewegten sie sich im selben Takt und jagten Wellen der Hitze durch mich. Wir drehten uns zueinander, dann zog er mich auf seinen Schoß. Ganz nah schob ich mich an ihn und gab mich seinen Künsten hin, die mich sekündlich mehr fordern ließen, doch stand er mir in nichts nach. Seine Hände legten sich auf meine Schulterblätter und drückten mich noch näher und fester auf ihn. Meine Hände fuhren unter sein Shirt, seine Seiten hinauf und er schnappte nach Luft, mit geschlossen Augen legte er den Kopf zurück und ich widmete mich seinem Hals, er beantwortete es mit stöhnenden Seufzern. „Hör nicht auf.“ Flüsterte er, einen Teufel würde ich tun. Den ganzen Abend hatte ich darauf hingearbeitet. Seine Hände glitten weiter nach unten zum Bund meines Oberteils, ohne hinzusehen zog er es mir über den Kopf und ließ es in den Sand fallen, ich tat es bei ihm gleich und war von seinem Anblick hingerissen. Mein Kopfkino war schon wieder einen Schritt weiter und ließ mich leise seufzen.
Kleine Küsse hauchte ich auf seine Brust, die sich immer schneller hob und senkte. Im Hintergrund hörten wir Leah hingebungsvoll und alles andere als leise stöhnen, es verlieh dem Ganzen einen besonderen Kick. Sein Gesicht nahm ich in die Hände, er öffnete die Augen und war mir so nah, dass ich seinen Atem fühlte, es jagte mir eine Gänsehaut über den Rücken und schüttelte mich. Es war der Wahnsinn, wenn er mich so ansah.
„Lust mit mir zu fliegen?“ Hauchte er lächelnd und fuhr über meine Seiten, meinen Bauch, bis zu meinem Brüsten. Ich schnappte nach Luft und öffnete den Mund zum Reden, aber es kam kein Wort heraus. So legte ich als Antwort meinen Kopf in den Nacken und schloss die Augen. Seine Lippen hinterließen ein heißes Kribbeln auf meiner Haut. Langsam griff ich hinter mich und öffnete meinen BH. Vorsichtig strich er die Träger von meinen Schultern. Die Spur des heißen Kribbeln schlug einen neuen Weg ein, mein Puls raste, leise ließ es mich keuchen und alles begann sich zu drehen. Genug der schüchternen Plänkelei. Ich hob seinen Kopf und presste gierig meine Lippen auf seine, seine Hände griffen fester zu, er forderte ein, was ich ihm versprochen hatte und es wurde immer wilder.
Im wilden Durcheinander der über uns zusammenschlagenden Gefühle kämpften wir uns aus unseren restlichen Kleidungsstücken. Er saß noch nicht ganz und zog mich mit sich.“Ich will mir dir fliegen.“ Hauchte ich fast atemlos, Stück für Stück ließ ich mich nieder und schob mich langsam auf ihm hin und her. Seine Hände waren überall, alles verschwamm ineinander und ordnete sich neu. Sein Stöhnen wurde lauter, er umfasste meine Hüften und bestimmte das Tempo. Er übertraf meine wildesten Erwartung und ich nahm zurück, dass er auf diesem Gebiet erfahrungslos wäre. Er hatte Sachen drauf, von denen ich niemals dachte, dass sie funktionierten, die mich aber in den Wahnsinn trieben.
Kurz vor dem ersehnten Ziel hörte er auf zu tun, was er gerade tat. „Alter, verpiss dich, sonst bring ich dich eigenhändig um!“ Knurrte er so tief, dass ich das Vibrieren seiner Brust fühlte . Entsetzt riss ich die Augen auf und sah ihn an. „WAS?“ Keuchte ich, doch sein Blick ging an mir vorbei.
Chapter 5
Mit geweiteten Augen sah ich Jared an und traute mich nicht, hinter mich zusehen. „Ich dachte, ihr seid schon fertig.“ Hörte ich Jakes finsteres Lachen. „Interessante Technik.“ Schnell schnappte ich mein Oberteil und zog es über. Der Henker weiß, wie lange er schon da stand, ich fand es ziemlich krank. Nicht, dass er noch auf die Idee käme und fragte, ob wir einen Dritten gebrauchen konnten. Zuzutrauen wäre es ihm und vielleicht war es einen Gedanken wert, den ich einen Moment verfolgte. Kopfkino, es war nicht erst ab achtzehn, sondern ab fünfunddreißig, dann verwarf ich es. Ich hielt mir eine Hand vor die Augen und schüttelte den Kopf. Das war mir auch noch nie passiert.
„Jake, geh.“ Knurrte Jared wieder. Er war so ein skrupelloses, dummes Arschloch. Wenn er nicht ran durfte, wurde es den anderen eben auch versaut. Was hatte ich daraus gelernt? Keine Schweinereien an öffentlichen Orten, gab nur Ärger und lockte Spanner an. Ich fragte mich, ob Leah und Embry schnell genug waren. Jared guckte so böse, dass es selbst mir Angst machte. „Jake.“ Sagte ich erst ruhig und drehte mich zu ihm, so weit es ging, ohne dass ich Jared wichtige Dinge verbog. „Geh' und machs dir selbst.“ Das fauchte ich. „Miau.“ Gab er leise von sich. Es war völlig grotesk, was hier abging und Jake war es nicht im geringsten unangenehm. Sein abschätziges Lachen entfernte sich langsam, aber auch nur, weil Jared ihm mit dem Tode drohte. Etwas mitleidig sah ich Jared an. „Das wars dann wohl.“ Murmelte ich und beugte mich über ihn. Sanft küsste ich ihn, als ich diesen Kuss beenden wollte hielt er meinen Kopf fest und erwiderte ihn leidenschaftlich. ´Okay´, dachte ich, er war wieder am Start, aber die Stimmung war zum Teufel und bevor es peinlich wurde, noch peinlicher, beendete ich es. Ich könnte mich nicht komplett fallen lassen, wenn ich jede Sekunde damit rechnen musste, dass Jake mir wieder im Nacken saß. Ich sammelte meine Klamotten ein und zog mich an.
Mit ein bisschen Abstand zueinander und gesenkten Köpfen, liefen wir den Strand entlang. Von Leah und Embry war nichts mehr zusehen. „War er schon immer so gestört?“ Fragte ich Jared, ohne ihn anzusehen, auch brauchte ich Jake nicht namentlich erwähnen. „Krass war er schon immer.“ War seine Antwort. So wie es schien, war sein Benehmen nichts Außergewöhnliches und wurde zähnefletschend geduldet, doch wollte ich mir gar nicht ausmalen, was als nächstes käme, dazu war ich nicht pervers genug. Nach kurzer Zeit standen wir vor der Tür, die alles war, was mich von meinem ersehnten und dringend benötigten Schlaf trennte. Er schloss auf, ich ging nach ihm hinein und machte die Tür zu. Für ´ne Junggesellenbude war es fast zu ordentlich. Aber weiter wollte ich mich nicht umsehen und folgte ihm ins Schlafzimmer. Meine Klamotten ließ ich an Ort und Stelle fallen und ließ mich ins Bett sinken. Ich fühlte, wie er meine Schulter küsste und seine Hand über meinen Bauch fuhr. Aber ich wollte nur noch schlafen, drehte ihm den Rücken zu und war binnen Sekunden eingeschlafen.
Ich konnte mich nicht erinnern, dass mich letzte Nacht ein Bus überfahren hatte, aber so fühlte ich mich. Mein Kopf wummerte im Takt meines Herzens, blinzelnd öffnete ich die Augen und die Helligkeit ließ es nicht erträglicher werden. Langsam drehte ich den Kopf, Jared lag dicht bei mir und schnarchte, als wollte er einen Rekord aufstellen. Ich schlug mir die Hände vors Gesicht, als mir die Nummer am Strand wieder einfiel, doch jetzt mit genügend Abstand, musste ich grinsen, das war so schräg. Vorsichtig setzte ich mich auf die Kante und sah auf die Uhr, es war schon Mittag. Jetzt erstmal duschen, vielleicht würde es dann besser gehen. Nachdem ich meine Klamotten eingesammelt hatte und das Bad fand, war es eine Wohltat, als das warme Wasser über meine Haut lief und ich fand Sand an Stellen meines Körpers, dass ich mich ernsthaft fragte, wie der dahin kam und ob das so gesund war.
Frisch geduscht und wieder angezogen, ging ich zurück ins Schlafzimmer. Jared hatte sich breit gemacht und lag, lang ausgestreckt in der Mitte des Bettes. Ich setzte mich auf die Kante, stützte meine Ellenbogen auf die Knie und legte meine Kopf in die Hände, dann schloss ich die Augen. Ich war noch so verdammt müde und völlig erschlagen. Vor mich hindösend erschrak ich, als er mit seiner Hand über meinen Rücken fuhr. „Wie geht’s dir`“ Murmelte er. „Ging schon ma´besser.“ Nuschelte ich, den Kopf nach wie vor in den Händen liegend. Er legte seinen Arm um meinen Bauch und zog mich zurück, ohne große Gegenwehr ließ ich mich fallen. Warm kuschelte sich an mich, aber auf diesen Kuschelscheiß hatte ich gar keinen Bock. Ich hatte mir vorgenommen, nie wieder so einen Verlust hinnehmen zu müssen, ob es durch Tod oder Trennung war und bevor ich mich mit Herz und Hirn an ihn hängen würde, fand ich es besser und für mein Seelenheil gesünder, wenn ich ihn als nette kleine Affäre sehen würde, die zwar Potenzial barg, das aber ungenutzt bliebe. Wir hätten beide etwas davon, die positiven Seiten waren nicht zu verachten, keine lästigen Verpflichtungen, keine Rechenschaft, die man ablegen musste, jeder so wie er wollte und dazu noch eine Menge Spaß. Würde es dann irgendwann zu nervig werden, könnte man es beenden, ohne dass es einem Urknall gleichkäme.
Noch bevor ich mich aus seinen Armen befreien musste, klopfte es an der Tür. Er brummte und machte nicht die Anstalten aufzustehen. „Ich geh schon.“ Bot ich nicht ganz uneigennützig meine Hilfe an. Wie von der Tarantel gestochen sprang ich auf und lief zur Tür. „Komm schnell wieder.“ Rief er noch. ´Ja, klar´, dachte ich sarkastisch und würde zusehen, dass ich drumherum käme. „Wo bleibt ihr?“ Murrte Leah mit in die Hüften gestemmten Armen. „Hä?“ Irritiert sah ich sie an, dann schob sie sich an mir vorbei und kam rein. Konnte es sein, dass sie schon ihm Plural von Jared und mir sprach, es schüttelte mich kurz.
„Jared?“ Rief sie. Ein Brummen aus dem Schlafzimmer ließ sie wissen wo sie hin musste. Ich überlegte ob ich irgendwas versprochen hatte, an das ich mich nicht mehr erinnerte. Ich hörte sie murmeln und kurz drauf standen sie beide im Wohnzimmer. „Bin dann mal duschen.“ Gähnte Jared, kratzte sich am Hintern, dass ich mit einer hochgezogenen Augenbraue zu Kenntnis nahm. „Dann bis gleich.“ Sagte Leah, drückte mir im Vorbeigehen einen Bikini in die Hand und einen Kuss auf die Wange. Etwas irritiert sah ich ihr nach und fragte mich, ob ich mich tatsächlich an alles von letzter Nacht erinnerte. Mit dem Bikini in der Hand, der fast einen Hauch von Nichts glich, fiel mir wieder ein, dass sie mich gestern gefragt hatte, ob ich heute mit zum Strand käme. Viel lieber wollte ich zusehen, dass ich irgendwie zu meinem Auto käme, dann nichts wie nach Hause, ab ins Bett und die Decke über den Kopf gezogen. Aber daraus sollte erstmal nichts werden. Ich hatte es versprochen und ich würde mein Wort halten.
Schnaufend ging ich zurück ins Schlafzimmer und zog den Bikini an, ich versuchte es, aber eine Schleife hinten am Rücken, gehörte nicht zu meinen überragenden Fähigkeiten. „Darf ich dir helfen?“ Brummte Jared dicht hinter mir. Ich sah über meine Schulter, seine nassen Haare hingen ihm teilweise im Gesicht, er hatte mir die beiden Strippen aus der Hand genommen und berührte hier und da meinen Rücken, er war so warm, dass ich genießend die Augen schloss. Es gab kaum etwas Schöneres, wenn es einem kalt war und man sich an etwas Warmes schmiegen konnte. Als diese Mission erfolgreich abgeschlossen war, wanderten seine Hände um meine Seiten, zu meinem Bauch, sein Kopf lag auf meiner Schulter, seine Augen waren geschlossen. Er genoss es, er kuschelte schon wieder. Vielleicht sollte ich meine Absichten doch lieber klarer definieren, dass es nicht zu Missverständnissen kam. Aber heute hatte ich für so ein schwieriges Gespräch nicht die Nerven, ich würde es auf ein anderes Mal vertagen. Doch um einigermaßen aus dieser Nummer herauszukommen, fragte ich ihn nach einem Badehandtuch für den Strand.
Ein Stück drehte er sein Gesicht zu mir und lächelte, er schien glücklich. ´Oh Scheisse`, schrillte mein innerer Alarm, das war nicht gut, es würde meine Planung über Haufen werfen und völlig ruinieren. Er küsste meine Wange, seine Lippen verharrten und er drückte mich. Ich stand kurz davor, mich lauthals schreiend von seinen Armen und Lippen zu befreien, die mir versuchten bewusst zu machen, dass er in mir mehr sah als nur ein nettes Spielzeug. Aber das wollte ich nicht, es würde doch nur in einem Desaster enden. Wenn nicht in nächster Zeit, dann in ein paar Jahren und der Gedanke, erneut diesen reißenden Schmerz aushalten zu müssen, der sich dann zu dem von Devi gesellte, wäre für mich nicht schulterbar.
„Ich hol´dir eins.“ Flüsterte er und ließ von mir. Ich schnappte förmlich nach Luft, seine Zuneigung schien mich zu erdrücken, auf jeden Fall fühlte es sich so an. Eilig zog ich meine Jeans an und krempelte die Beine ein Stück hoch, zog das Oberteil drüber und schlüpfte ohne Socken in meine Vans. Etwas hektisch schnappte ich mir noch meine Jacke und ging schnellen Schrittes ins Wohnzimmer , fluchtbereit und etwas nervös stand ich an der Tür. Als er aus dem Bad zurück kam, sah er mich überrascht an. „Du bist schon fertig.“ Stellte er fest. Gequält versuchte ich zu lächeln und nickte. „Ich kann ja schon mal vorgehen.“ Schlug ich vor und fand meine Idee grandios. „Bin sofort soweit.“ Rief er aus dem Schlafzimmer, es ließ mich schnaufen, aber keine zwei Minuten später kam er zurück.
Von weitem sahen wir die anderen, die sich faul in der Sonne rekelten, hier schien noch keiner fit zu sein. Abgesehen von Seth, er war der Einzige, der letzte Nacht genügend Schlaf bekam. Leah lag mit dem Kopf auf Sams Bauch, ihre Beine hatte sie rüber zu Embry gestreckt, unauffällig berührte er sie immer wieder. Sam und Embry waren von Grund auf verschieden. Sam war riesig, maskulin, sein Gesicht war sehr kantig und sein Blick hatte etwas bedrohliches, seine Erscheinung war schon sehr imposant, aber trotzdem hatte er etwas beschützendes an sich. Embry hingegen war ein ganzes Stück kleiner und lange nicht so breit, sein Gesicht war sehr viel weicher und seine Augen sahen lieb aus, er war im Ganzen filigraner. Sam war ein Mann, Embry hingegen ein Junge. Neben Embry lag Paul, ich war mir fast sicher, dass er tot war, auf jeden Fall sah er so aus. Wie konnte ein Indianer so bleich sein?
„Morgen.“ Murmelte ich, als wir an ihnen vorbei schlichen, es wurde mit einem mehrstimmigen Knurren beantwortet. Neben Paul breitete ich mein Handtuch aus und entledigte mich meiner Klamotten. Mir fiel ein, dass ich Paul noch eine Frisur schuldete. Als ich lag, beugte ich mich ganz dicht an sein Ohr. „Schnipp Schnapp.“ Flüsterte ich und lachte leise. Erschrocken öffnete er die Augen, als ich so dicht über ihn gebeugt hing, verdrehte er sie, bevor sie sich wieder schlossen. „Ja, ich kann es auch kaum erwarten.“ Kicherte ich als Antwort auf seine mangelnde Reaktion. Ich ließ mich auf mein Handtuch sinken, Jared lag an meiner anderen Seite und war mir ziemlich dicht auf die Pelle gerückt, seine Schulter berührte meine. Jake hatte ich nirgendwo gesehen und war sehr dankbar, dass wir vor ihm verschont blieben. Nur das leise Rauschen der Wellen war zuhören, es war so friedlich und alle waren sowas von im Arsch.
Kollektives Kater ausschlafen war der richtige Ausdruck, für diesen Zeitvertreib. Ich war kurz vor dem Wegratzen, als hinter uns jemand losgröhlte. „Was seid ihr denn für lahme Schnarchnasen?“ bölkte Jake, der mit seiner Kotzeule im Arm den Weg zum Strand fand. Kurz drehte ich den Kopf, von den anderen ging überhaupt keine Reaktion aus, sie sahen noch nicht mal auf. Dann schloss auch ich wieder die Augen und ignorierte ihn. Sie machten sich neben Jared breit, ich war mir sicher er schlief, sein Gesicht war etwas zu mir geneigt, es war ganz entspannt und friedlich.
„Ey Jared, du geiler Stecher, was geht!“ Stieß Jake ihm vor die Schulter, mutig wie ich fand. Da ich vor ein paar Stunden noch den Eindruck hatte, Jared würde ihn zerfleischen. Na ja, es war noch nicht aller Tage Abend. Was er noch nicht getan hatte, konnte ja noch kommen. So entspannt wie vorher, blieb er liegen. „Lass mich in Ruhe.“ Knurrte er nur. Kotzeule, ihren Namen kannte ich immer noch nicht, kicherte etwas debil, ich war mir sicher, sie war nicht das hellste Licht auf der Torte, aber sie fand bestimmt mit Euphorie Gefallen an Jakes schräger Art. Auf Grund mangelnder Intelligenz war erst mal alles toll. Jeder so, wie er konnte.
„Was ein lahmer Haufen.“ Maulte Jake. „Lass' uns ins Wasser gehen.“ Wieder kicherte sie nur, ich fragte mich, ob sie überhaupt unserer Sprache mächtig war, ich hatte sie zwar schon würgen, aber noch nicht einen Ton sprechen hören. War sie vielleicht ein Inzuchtopfer? Was auf dem Land ja schon mal vorkam, auf Grund mangelnder Auswahl. Ich sollte auf ihre Daumen achten. Sie quietschte, als Jake sie ziemlich unsanft ins Wasser schubste, ich an ihrer Stelle hätte ihm eine gelangt. Mit einem Auge sah ich mir an, wie respektlos er mit ihr umging, entweder war sie so in ihn verliebt, dass sie es einfach übersah oder sie war echt strunzdoof, dass sie es nicht merkte. Doch was zerbrach ich mir den Kopf über die beiden, vielleicht hatten sie einander einfach verdient. Jared hatte sich auf die Seite gedreht und seine Hand auf meine Bauch gelegt. Körperkontakt schien etwas zu sein, worauf er total abfuhr, was man von mir nicht mehr sagen konnte. Diese Berührungen, jemanden so nah zu sein, aufrichtig und ehrlich, erinnerten noch zu sehr an Devi und brachten unterschwellig den reißenden Schmerz zurück, den ich mit allem was ich war, versuchte zu verdrängen. Doch wollte ich Jared nicht vor allen anbluffen, er zeigte seine Gefühle offen, ich hingeben verschanzte, was sich in meinem Inneren nach wie vor abspielte, wenn ich nicht gerade jemand anderes war, die keine aufrichtigen Gefühle besaß. Wie ich über Jared nachdachte, ließ es mich schwermütig werden und die Narbe meiner rechten Hand pochte, wie zur Erinnerung. Ich legte sie auf mein Herz, geschützt von der anderen Hand. Es wurde schlimmer und ich hielt es kaum mehr neben ihm aus. Ich drehte mich auf die Seite, ihm den Rücken zu und hoffte, seine Hand würde von meiner Seite rutschen. Wenn sie es auch tat, fand sie kurz drauf ihren Weg zurück. Es wurde unerträglich, ich wollte nach Hause und mir die Decke über den Kopf ziehen. Ich setzte mich auf, zog mein Oberteil an und sah zum Meer. Jake und seine Barbie blendete ich völlig aus. Doch als sie aus dem Wasser zurück waren, fand ich sie ätzend laut und so wie er auf ihr drauf hing, würde es gleich zur Sache gehen. Ich hatten keinen Bock, mir das anzusehen und schon gar nicht anzuhören, so stand ich auf und schlenderte den Strand entlang. Es fühlte sich an, als würde die verdrängte Trauer ihren Tribut fordern. So gut ich mich sonst in in der Nähe der anderen fühlte, weil sie mich ablenkten, umso schlimmer wurde es jetzt.
Ich war schon ein ganzes Stück gelaufen, auf dem nächsten Baumstamm, der meinen Weg kreuzte, nahm ich Platz. Meine rechte Hand, klemmte ich zwischen meine angezogenen Beine und den Bauch. Es war schon was her, dass sie so durchdringend stach. „Wie sollte ich dich vergessen.“ Flüsterte ich, als Antwort auf die Stiche und es war fast ungewohnt warm, als Tränen ihren Weg fanden.
„Von wem sprichst du?“ Wurde ich gefragt. Erschrocken fuhr ich herum und wischte schnell die Tränen weg. Sam stand ein kleines Stück entfernt und sah mich besorgt an. „Niemanden.“ Stieß ich schnell hervor und drehte mich weg. Er kam näher und setzte sich neben mich. Ich fragte mich, was er hier wollte, warum war er mir nachgegangen? Ertappt sah ich ihn kurz an, sein Blick war aufs Meer geheftet. „Wer war er?“ Fragte Sam mit brummend tiefer Stimme. Entsetzt sah ich ihn wieder an. „Ich weiß nicht, was du meinst?“ Knurrte ich und funkelte ihn an, da er mich zu durchschauen schien. „Dass mit dir was nicht stimmt, hab ich mitbekommen, als ich dich das erste Mal bei Leah sah.“ Sagte er leise. Da er ein Gespür dafür zu haben schien, ließ es mich leise schluchzen und ich hielt mir die Hände vors Gesicht, ich war versucht mich meiner Verzweiflung hinzugeben oder einfach mal mit jemanden darüber zu reden, in der Hoffnung ich könnte ihn dann ein kleines Stückchen gehen lassen.
„Deine Augen.“ Begann Sam. „Sie verraten dich.“ Ich konnte weder antworten noch sonst in irgendeiner Weise widersprechen. „Vielleicht wird es einfacher, wenn du es aussprichst.“ Langsam ließ ich die Hände wieder sinken und sah ihn mit tränennassen Augen an. „Du hast keine Ahnung.“ Flüsterte ich heiser. „Genau deswegen bin ich hier. Ich würde gerne die echte Rey kennenlernen und nicht die, die sich hinter einer Maske versteckt. Ich glaube, die echte ist noch viel liebenswerter.“ Es war unheimlich, er konnte in meinen Augen lesen wie in einem Buch. Würde Lügen hier noch viel Sinn machen? Es abzustreiten, wäre es überhaupt noch möglich? War es nicht, meine Kraft war aufgezehrt, ich konnte nicht länger so tun, als wäre nichts gewesen, als hätte ich keine Vergangenheit. Doch wenn ich das Erlebte in Worte fasste, würde ich tausend Tode sterben, wie so oft schon gedanklich. Er sah mich an, in seinen Augen lag so viel Wahres und sie erinnerten mich an das einzige Augenpaar, was ich abgöttisch geliebt hatte. Meine Brust bebte, die Tränen liefen, doch sah ich ihn weiter an und verbarg mein Gesicht nicht länger hinter den Händen. Ich fasste einen Entschluss, ob er von Erfolg gekrönt wäre, würde die Zeit zeigen. „Es ist alles in Ordnung.“ Sagte ich kühl, wischte die Tränen weg und stand auf. Nickend, aber doch mit bedauerndem Blick sah er mich an. Ich drehte ihm den Rücken zu und ging schnellen Schrittes zurück.
„Kannst du mich nach Forks bringen?“ Fragte ich und sah Jake verachtend an. „Nö, kein Bock.“ Desinteressiert sah er weg. „Blöder Arsch.“ Murmelte ich leise, dann aber fiel mir ein, ich hatte noch was gut bei ihm, da ich seine Kotzeule nach Hause gefahren hatte und ich erinnerte ihn daran. Genervt verdrehte er die Augen und machte ein gurgelndes Geräusch. Er war ein richtiger Kotzbrocken. Ich war drauf und dran ihm ins Gesicht zuspringen, aber wahrscheinlich würde er voll darauf abfahren. Meine Trauer wandelte sich wieder mal in Wut, die solange vor sich hin brodelte, bis sie ein Ventil fand. „Willst du schon nach Hause?“ Fragte Jared und schien etwas verstört. „Ja, ich muss ins Bett.“ Murmelte ich. „Könnte dir meins anbieten, dann hast du es nicht so weit.“ Hoffnungsvoll lächelte er. Ich zog meine Jeans und Schuhe an. „Ne, danke.“ Ich war völlig abwehrend. Endlich erhob sich auch Jake und zog sich an. „Machs gut.“ Murmelte ich leise und ging, ohne ihn noch mal anzusehen.
Bei Leah stoppte ich kurz. „Wo kann man hier eigentlich shoppen?“ Fragte ich und hockte mich zu ihr. „Port Angeles, da hat man die meiste Auswahl.“ Sagte sie und hielt sich schützend die Hand über die Augen. „Hast du Lust? Morgen?“ Ich brauchte andere Ablenkung. „Ja sicher, bin dabei.“ Lächelte sie. „Okay, ich hol dich so gegen zwei ab.“ Sie nickte, stützte sich auf ihre Hände und wie schon vorhin, küsste sie meine Wange. „Was is jetzt.“ Maulte Jake. „Bye.“ rief ich den anderen noch schnell zu. Ich lief hinter ihm her und nur kurz sah ich über meine Schulter. Jared sah mir ein bisschen traurig hinter her, Sams Blick war auf der einen Seite unergründlich, aber auf der anderen, als würde er mir Zeit geben, mit der Gewissheit, ich würde mich irgendwann an ihn wenden und er wäre meine Rettung. Es verunsicherte mich und machte mir Angst.
„Du fährst, wie du dich benimmst.“ Fauchte ich Jake an und klammerte mich an den Sitz. „Ach, ist das so?“ Grinste er und quälte seinen Golf, dessen Erstzulassung wahrscheinlich zusammen mit dem Farbfernsehen, das Licht der Welt erblickte. „Jaaa, so ist das.“ Zischte ich erneut. „Wie benehme ich mich denn?“ Versuchte er mich aus der Reserve zu locken. Doch knurrte ich nur, ihm wäre zuzutrauen, dass er mich einfach raus warf und kehrt machte. Ich hatte keine Lust zu laufen und schluckte die Beleidigungen notgedrungen herunter. Verachtend lachte er auf.
Von weitem sah ich den R8 und mir fiel ein Stein vom Herzen, er hatte noch nicht ganz gehalten, da hatte ich schon die Tür geöffnet und ein Bein draußen. Ich griff in meine Hosentasche und holte den Schlüssel heraus. Meine Wut war so herangewachsen, dass ich versucht war ihn einfach nur anzuschreien, bis dieser innere Druck endlich von mir abfiel. Den Griff der Tür hatte ich in der Hand und wollte sie öffnen, als Jake aus seinem Wagen sprang, mit schnellem Schritt und ernsten Gesicht näher kam. Wutschnaubend sah ich ihn an, am liebsten hätte ich ausgeholt, ihm richtig eine gegönnt. Doch bevor ich mich versah und reagieren konnte, hielt er meinen Kopf fest in seinen Händen und presste seine Lippen auf meine, dass es fast an Gewalt grenzt und da hatte ich mein Ventil, wenn es mir auch widerstrebte, kam es doch wie gerufen. Zu Anfang wehrte ich mich, wie eine wild gewordene Furie und schob ihn von mir, merkte aber ziemlich schnell, wie gut es tat, seine Wut so auszudrücken. Wäre ich mit dieser Wut im Bauch ins Auto gestiegen, hätte ich nicht gewusst, ob ich zu Hause angekommen wäre.
Er schob mich gegen den Wagen und hielt meine Hände fest, aber für meinen Geschmack und wie es die Umstände forderten, nicht fest genug. Unter seinen Lippen ließ es mich erst knurren, dann seufzen, meine Hände befreite ich ziemlich ruppig und griff in sein Haar, wenig zimperlich zog ich daran und drückte ihn fester an mich. Seine Hände lagen sanft auf meinen Seiten, auch erwiderte er die Küsse leidenschaftlich, doch mir schien er Respekt entgegen zubringen. Wenn man mal ein Arschloch brauchte.... Jetzt schubste ich ihn mit Schwung von mir, ein paar Schritte machte er zurück und sah mich überrascht an.
„Du tickst doch nicht richtig.“ Fauchte ich und stieg ein. Aber fragte ich mich, wer von uns beiden nicht richtig tickte. Als ich den Wagen anließ und der erste Gang eingelegt war, stand Jake noch immer neben dem Auto und sah mich irritiert an. Dem schenkte ich nicht weiter Beachtung und fuhr los. Die Straße zog sich endlos, es war als würde sie mir davon laufen. Die Fenster hatte ich runter gelassen und hoffte, der Wind würde dieses grauenhafte Gefühl mit sich nehmen und mich befreien. Dieses Mal fühlte es sich an, als würde der Weg ewig dauern und ich käme niemals an.
Ich schlich durch den Garten und hoffte, unbemerkt zu bleiben, doch wurde mein Name gerufen. Ich fuhr herum und sah das wütende Gesicht von Karen. Jetzt wünschte ich, ich wäre nie angekommen. Schnaufend ging ich den Weg zurück und stand kurz drauf vor ihr. „Ins Wohnzimmer.“ Knurrte sie und wenn sie fast einsilbig sprach, war das immer ein verdammt schlechtes Zeichen, ich konnte mich schon mal warm anziehen.
Genervt schlich ich rein und ließ mich in einen der riesigen Sessel fallen. Von meinem Das war nichts zusehen, ob das gut oder schlecht war, wusste ich noch nicht. Karen hielt es nicht für nötig sich zu setzen und rannte hin und her. In Gedanken zählte ich rückwärts, ´drei, zwei, eins und ab gehts´. Und dann ging es ab.
„Wo kommst du bitte her?“ Fauchte sie. Genervt sah ich sie an. „Von draußen.“ Verarschte ich sie und dachte, ihr platzte eine Ader im Kopf. „Werd nicht frech.“ Keifte sie. Unbeeindruckt sah ich mir die Show an und konnte sie überhaupt nicht ernst nehmen. „Das kann doch nicht sein, das ich hier her komme und das Erste, was ich machen muss, ist dich zusammenscheißen?!“ Ich holte tief Luft und schnaufte. „Dann lass es doch.“ Ich rieb mir durch Gesicht und wollte nur noch ins Bett. Energisch schüttelte sie den Kopf. „Du fällst von einem Extrem ins nächste.“ Warf sie mir vor. „Wären wir mal in New York geblieben.“ Gähnte ich. „Dir ist nicht mehr zu helfen.“Stellte sie fest, blieb stehen und sah mich entgeistert an. „Schön, dass du es auch schon merkst. Ich geh ins Bett. Gute Nacht.“ Maulte ich und beendete dieses Intermezzo indem ich aufstand, an ihr vorbei trabte und sie eiskalt stehen ließ. Mein Schritt wurde schneller, da ich befürchtete, sie würde mich zurückzitieren und eine Entschuldigung erwarten. Gerade schloss ich die Tür auf, als mein Handy piepte. Ich wollte doch einfach nur meine Ruhe, sie konnten mich alle mal.
„Hey, ist alles klar bei dir? Bist grad so überstürzt abgehauen, hoffe, ich hab nichts falsch gemacht. Die letzte Nacht war echt der Wahnsinn, sollten wir wiederholen. Jared.“ Wenn er nicht gefragt hätte, ob er etwas falsch gemacht hätte, wäre die Nachricht perfekt und ich wäre uneingeschränkt seiner Meinung, aber dass er sich den Kopf darüber zerbrach, was ich über ihn dachte oder von ihm hielt, allein dass er sich fragte, ob er mir gegenüber Fehler machte, war die ganz falsche Einstellung, es sollte ihm scheißegal sein. Vielleicht sollte er sich Jake doch ein bisschen zum Vorbild nehmen, denn der hatte das `Arsch- sein` erfunden und perfektioniert. Er war so geil gewissenlos, dass ich es schon fast bewunderte. Unbeantwortet warf ich das Handy auf die Kommode und hätte kotzen können, als ich das Chaos von gestern Abend sah. Noch immer lag ein riesiger Berg Klamotten auf meinem Bett und hier und da standen Schuhe herum. Da ich keinen Bock hatte den ganzen Krempel, schon wieder aufzufalten, schaufelte ich es armweise in den Schrank, warf die Schuhe hinterher und schob ihn zu. Mein Blick wechselte vom Bett zum Sofa, ich schnappte mir meine Bettdecke und warf sie auf die Couch. Dann schlüpfte ich in meine schlabberige Jogginghose, zog mir dicke Socken an und verkroch mich auf die Couch. Zwar machte ich noch den Fernseher an, doch nach nur ein paar Minuten, als mich wohlige Wärme umgab, fielen mir völlig erschöpft die Augen zu.
Allmählich kam ich zu mir, mittlerweile war es dunkel draußen, nur das Flackern des Fernsehers erhellte den Raum. Immer noch war ich todmüde, doch fragte ich mich warum ich wachgeworden war. Das klärte sich auf, als es leise an der Tür klopfte. Erst vergrub ich mein Gesicht unter der Decke, eigentlich war ich gar nicht da, dann aber rappelte ich mich knurrend hoch und eierte zur Tür. Auf dem Weg dorthin lief ich am Spiegel vorbei, in den ich kurz sah. Oh Gott, meine Haare standen in alle Richtungen und ich sah aus, wie ich mich fühlte, Scheiße.
Gähnend öffnete ich die Tür. „Jared?“ Murmelte ich leise, er grinste etwas verlegen. „Hey.“ Flüsterte er. Ich sah an ihm vorbei, ob er allein war. „Wie bist du hierhin gekommen?“ Fragte ich entgeistert, da ich hinter ihm niemanden sah. „Ich bin gelaufen.“ Nuschelte er und sah zu Boden, so wie es aussah, hatte er mit mehr Euphorie gerechnet oder wenigsten mit ein bisschen Freude. „Warum läufst du die Strecke, da bisse doch ewig unterwegs!“ Sagte ich entgeistert. Er streckte seinen Arm aus und hielt mir meine Jacke hin. „Ich dachte, vielleicht brauchst du sie.“ Mit offenem Mund starrte ich ihn an, kurz drauf fand ich mich wieder. „Du läufst den weiten Weg, nur um mir meine Jacke zubringen?“ Ich wollte es bestätigt haben. Abgesehen davon dass er sie mir morgen hätte geben können oder ich hätte sie mir geholt, bevor ich Leah eingesammelt hätte, war es doch eher unwahrscheinlich, dass ich nachts eine Jacke bräuchte, aber gut. Jared hatte nicht viel mehr geschlafen als ich und nahm so einen Marsch auf sich, nur um mir meine Jacke zu bringen. Nickend lächelte er. Da ich ihn weiter nur fassungslos ansah, war er im Begriff sich umzudrehen und wieder zugehen, ein paar Schritte hatte er schon getan. Ich schnaufte und hatte mir meinen Abend anders vorgestellt, doch wie undankbar wäre ich.
„Möchtest du reinkommen?“ Rief ich. Er blieb stehen, nach einem kurzen Moment drehte er sich um. „Wenn ich dich nicht störe?“ Sagte er etwas kleinlaut und doch hoffnungsvoll. „Wenn es dich nicht stört, dass ich schlafe.“ Entgegnete ich und erwiderte seinen Blick. „Das bin ich ja schon fast gewohnt. Es könnte Schlimmeres geben.“ Lachte er. Es stimmte, wie oft wir schon den anderen schlafend neben uns liegen hatten. Ich schloss hinter ihm die Tür. „Möchtest du was trinken?“ Gähnte ich wieder und kratzte mich am Kopf. Er tigerte zu Couch.
„Ja gerne. Du hast es dir aber kuschelig gemacht.“ Bemerkte er, als er den Wust an Decken und Kissen bewunderte, während ich hinter der verschiebbaren Wand verschwand und mich mit Getränken bewaffnete. Als ich zurück kam, lagen seine Schuhe vor dem Sofa, seine Jacke hing neben meiner über dem Sessel, er war bis zum Hals unter meiner Bettdecke verschwunden und grinste. Lachend stellte ich die Dosen Cola auf den Tisch, schüttelte den Kopf und kroch von der anderen Seite unter die Decke. „Was läuft denn?“ Fragte er, sah erst zum Fernseher und dann zu mir. „Keine Ahnung.“ Murmelte ich und warf die Fernbedienung in seine Richtung, die nur haarscharf seinen Kopf verfehlte. „Ey.“ Rief er noch und zog ihn im richtigen Moment ein, sein dummes Gesicht, das langsam wieder über die Decke lugte, ließ mich losbrüllen. „Du bist so geil.“ Lachte ich und hielt mir den Bauch. „Und das ständig.“ Geierte er und wackelte mit den Augenbrauen, was es nicht besser machte.
Nachdem wir uns wieder einigermaßen in der Gewalt hatten, begann er durch die Kanäle zu zappen. Er blieb an einer Show hängen, in der Menschen waghalsige oder unmöglich scheinende Wetten eingingen. Mittlerweile hatte ich meine Arme samt Kopf auf die breite Lehne gebettet und folgte dem Geschehen mit kleinen Augen. Seine Beine lagen an meine gelehnt, es war warm und kuschelig. Verstohlen sah ich zu ihm, schleichend fand ich Gefallen daran, dass ich nicht allein war. Dabei war es genau dfs, was ich auf keinen Fall mehr zulassen wollte, nie wieder wollte ich emotional von jemanden abhängig sein. Es war eine Macht, die schlimmste Auswirkungen hatte, wenn sie in falsche Hände viel und missbraucht wurde.
„Bist du noch wach?“ Flüsterte er. „Hmmm.“ Murrte ich und sah ihn wieder an. Er schien beruhigt und froh, dass er hier war, bei mir. Lächelnd fuhr er mit seiner Hand über meine Beine. Es war so schön, dass ich die Augen schloss und geräuschvoll die Luft einsog, die soviel süßer roch, seit er da war. Vielleicht konnte ich heute Abend einfach mal Reyna sein, die mitfühlend und aufrichtig war, für die es früher nichts schöneres gab, als aneinander gekuschelt zu liegen und das Geschenk der Zuneigung zu schätzen wusste.
Heute war ich schwach und hatte kaum Kraft, mich gegen die schönen Dinge des Leben zu wehren, meinen neu gesetzten Prinzipien zum Trotz. Langsam setzte ich mich auf, sollte ich dem Wunsch einfach nachgeben und aufhören, mich vergebens zu winden. Nur heute annehmen was mir entgegen gebracht wurde, einfach verdammt schwach sein und ihm die Beschützerrolle überlassen. „Is´ alles in Ordnung?“ Flüsterte er. Ich sah wieder auf und ihm eine lange Zeit in die Augen, die so liebe- und verständnisvoll zu mir aufsahen. Er strahlte die Gewissheit aus, dass es okay wäre und ich kein schlechtes Gewissen haben musste oder ich mich für meine mangelnde Disziplin geißeln sollte. Ich sollte mich hinreißen lassen, es einfach wagen und anderes, nur für eine kleine Ewigkeit, über Bord werfen. Langsam stand ich auf und ging die paar Schritte, die bedeutender waren als ich es je hätte ahnen können, sein Blick mischte sich mit Neugier. Ohne dass ich meinen Wunsch äußern musste, schlug er die Decke zurück und lächelte vorsichtig. Etwas verunsichert legte ich mich zu ihm und betrachtete sein Gesicht, wie schon heute morgen, legte sich dieser glückliche Ausdruck darauf, aber es machte mir keine Angst mehr. Erst schien er über mein Benehmen verwundert, da ich sonst die Flucht ergriff, wenn es um mehr als nur Körperlichkeiten ging. Noch etwas zögerlich legte ich meine Hand auf seine Seite, als wäre es das erste Mal, dass ich ihn berührte, sein Shirt war hoch gerutscht, seine Haut war so unglaublich weich und langsam rutschte meine Hand hinunter, seinen Rücken entlang. Sein Gesicht war mir ganz nah, wenn es das nicht zum ersten Mal war, so fühlte es sich doch neu an. Ganz dicht schob ich mich an ihn und meine Nase berührte seine Brust. Es ließ mich tief Luft holen, als sein Arm mich fest umschloss, er roch gut und war unglaublich warm, es fühlte sich bekannt und lang vermisst an. Er küsste mein Haar und seufzte, als wäre er froh, dass ich endlich über meinen Schatten sprang und meine Dämonen hinter mir ließ, wenn es auch nur für diese Nacht war. Der unterschwellig reißende Schmerz war verschwunden und ich fühlte mich geborgen und beschützt. So an ihn gekuschelt, für den Moment den Kampf aufgegeben, war es ein leichtes mich dem Schlaf hinzugeben.
Ich riss die Augen auf, mein Herz raste und laut keuchend schnappte ich nach Luft. Der Fernseher war aus, es war so dunkel, dass ich die Hand vor Augen nicht sah. Etwas lag schwer auf meinen Rippen, drückte mich nieder, engte mich ein. Ich fühlte mich in einen viel zu kleinen Käfig gesperrt, der mir kaum Platz zum atmen ließ. Panisch versuchte ich mich von der niederdrückenden Schwere zu befreien, ich sprang auf, ohne zu wissen wo ich landete. Immer noch keuchend stand ich vor dem Sofa, ich war völlig orientierungslos und durcheinander. „Rey?“ Flüsterte Jared verschlafen. „Was ist mit dir.“ Doch war ich nicht in der Lage zu antworten, ein paar Schritte stolperte ich koordinationslos nach hinten und lande unsanft auf dem Hintern. Eine Angst, die ich nicht erklären konnte, deren Ursprung ich nicht kannte, brach in meinem Inneren los und ließ mich zusammengekauert vor und zurück wippen. „Rey?“ Wieder flüsterte Jared meinen Namen. „Antworte mir. Ist alles in Ordnung?“ Mit jedem Wort klang seine Stimme besorgter. Leise vernahm ich das Rascheln der Decke, ich hörte wie er aufstand und befürchtete, er würde mich über den Haufen rennen. Er folgte meinem keuchenden Atem, der sich nicht beruhigen ließ und kurz drauf tastete seine Hand über meinen Arm. „Was war?“ Flüsterte er und schien sich neben mich zusetzen. „Angst.“ Keuchte ich noch immer atemlos und dann, als könnte er mich vor mir selbst retten, warf ich mich an seinen Hals und drückte mich an ihn. „Es ist alles gut.“ Flüsterte er beruhigend und fuhr mit der Hand über meinen Rücken. Meine Beine hatte ich fest um ihn geschlungen, ich zitterte am ganzen Körper. „Hast du schlecht geträumt? Fest drückte er mich. Erst in seinen Armen, konnte ich meinen Atem etwas beruhigen. „Ich träume nicht mehr.“ Hauchte ich und fühlte wie er stutzte, seine Umarmung lockerte sich. „Wie, du träumst nicht mehr?“ Sanft umfasste er meine Oberarme und schob mich ein Stück zurück, als wollte er mich ansehen. „Ich habe aufgehört zu träumen.“ Dieser Satz barg soviel trauriges, es waren nicht nur die Träume der Nacht, die mich an bessere Orte brachten, mich über weite Berglandschafen fliegen ließen, mich in die tiefsten Ozeane hinab tauchen ließen, nein, es waren auch die Träume des Lebens, die man versuchte zu verwirklichen, die einem Kraft gaben und zu Höherem anspornten, alles zu geben und noch viel mehr, damit sie sich erfüllten. Diese Träume, die einen Teil des Sinn des Lebens ausmachten, hatte ich aufgehört zu träumen und auch ein Stück weit hatte ich aufgehört zu leben.
Erst jetzt begriff ich was ich gesagt hatte und zuckte ein Stück vor ihm zurück. „Rey?“ Fragte er leise, da ich abrupt verstummte. „Manchmal ist es einfach besser und das Einzige, was man tun kann.“ Flüsterte ich. „Nein.“ Ich fühlte, wie er energisch den Kopf schüttelte. „Es kann nicht richtig sein, wenn man das Träumen aufgibt. Es gibt immer auch einen anderen Weg.“ Wenn es den für andere gab, hatte ich doch nie eine Wahl. Mein Weg war von meterhohen Mauern gesäumt, mit Stacheldraht als krönendem Abschluss, die mich zwangen ihn weiter zugehen, die Mauern waren so hoch, das ich noch nicht mal drüber sehen konnte und es sich mir keine Alternativen bot, es ging starr geradeaus, getrieben von dem aussichtslosen Wunsch zu Leben. Es überraschte mich, dass er soviel Kämpfer war, der mit Inbrunst verteidigte, was er für wichtig erachtete. „Was ist dir widerfahren, dass du das Leben so verachtest?“ Seine Frage und sein Interesse war aufrichtig, auch verurteilte er meine dunkle Ansicht nicht, selbst dass ich den Glauben an alles verloren hatte, schien er zu hinterfragen, mit ehrlichen Absichten, er wollte mich verstehen. Da war er wieder, der reißende Schmerz, der das Leben unmöglich machte. Ich schlang meine Arme um mich, gekrümmt saß ich noch immer auf seinem Schoß. Niemals würde der Schmerz vergehen, mein Herz trug Devis Namen, es würde besser werden, wenn es seinen letzten Schlag getan hätte, endlich Ruhe einkehrte und es seinen ewigen Frieden fand. „Lass' mich dir helfen.“ Hauchte er, mir ganz nah. „Das kannst du nicht.“ Wimmerte ich leise. „Noch kann ich es nicht. Gib mir die Möglichkeit, halt dich an mir fest.“ Seine Stimme war weich und melodisch, seine Worte waren bittend, fast flehend.
Ich sehnte mich nachdem Gefühl der Leichtigkeit, das ich nur empfand wenn ich meinem Vergnügen nachjagte, oberflächlich und einfach. Abgelenkt und den Fokus auf das Eine gerichtet, konnte ich alles andere ausblenden und mich dem voll und ganz hingeben. Aber das hier, ging zu tief, riss an mir und bereitete mir grauenhafte Schmerzen, die ich um alles in der Welt los werden wollte, aber allein nicht konnte. So war er der Eine in diesem Moment, der in der Lage war, sie zu lindern. Ich tastete nach seinem Gesicht, das mir näher als erwartet war. Mein Herz begann zu pochen, aber nicht mehr vor Angst. Meine Lippen fanden ihr Ziel, fast zu leicht, aber gierig und drängend. Über meine Reaktion entsetzt, zuckte er zurück.
„Das ist nicht die Lösung.“ Flüsterte er. „Das ist es nicht, aber eine Möglichkeit.“ Hauchte ich und wagte einen neuen Anlauf. Wieder presste ich meine Lippen auf seine. Seine Hände fanden meine Wangen und er bremste mich. Einen ewig scheinenden Moment passierte nichts, dann sanft und liebevoll fanden unsere Lippen sich wieder. So küsste man nicht, wenn man es auf das Eine abgesehen hatte. So küsste man, wenn man liebte. Seine Berührungen, die mehr waren als nur Berührungen. Er berührte nicht meinen Körper, er berührte meine Seele. Langsam aber unaufhaltsam, fühlte ich die unbändige Wut, die mich fast rasend machte. Ich bekam nicht, wonach ich verlangte, worauf ich drängte. Es war einfach zuviel Gefühl im Spiel, so brachte es keine Linderung, nur noch mehr blinde Wut. Hätte er nicht einen stundenlangen Fußmarsch vor sich, hätte ich ihn raus geschmissen. „Was soll das werden!“ Fauchte ich unter seinen Lippen. Er stockte. „Hä? Ist es nicht das, was du willst?“ Fragte er irritiert. „Aber doch nicht so.“ Presste ich knurrend durch die Zähne. „Wie dann?“ Er klang etwas hilflos und verstand den Sinn nicht, der sich für mich dahinter verbarg. Zischend sprang ich auf. „Ich kann dir ja ´ne Anleitung schreiben.“ Keifte ich. „Was um Himmelswillen ist los mit dir?!“ Fragte er und versuchte meine Reaktion zu verstehen. Im Dunkeln rannte ich hin und her, drauf bedacht nirgendwo vor zu laufen. „War mir schon klar, das du nix raffst.“ Raunte ich wieder und suchte den Schalter der kleinen Lampe in der Fensterbank. Das wenige Licht reichte aus, um sein verstörtes Gesicht zusehen. Böse und mit kaltem Blick sah ich ihn an. „Warum bist du hierher gekommen?“ Ich verschränkte abwehrend die Arme vor der Brust. „Um mir meine Jacke zu bringen?“ Verachtend lachte ich. Mit einem Satz war er auf den Beinen. „Vielleicht bin ich her gekommen weil ich gerne Zeit mit dir verbringen wollte. Weil ich dich mag!“ Sein Ton wurde eindringlich. „Zeit mit mir verbringen?“ Abwertend schüttelte ich den Kopf und lachte bitter, ich wollte an ihm vorbei, als er meinen Arm festhielt. „Was ist daran so lustig?“ Seine dunklen Augen funkelten. So gefiel er mir schon viel besser. „Es ist einfach albern.“ Faucht ich und war ihm wieder ziemlich nah. „Albern?“ Knurrte er zurück. Ich versuchte mich von seinem Arm zu befreien. „Es ist albern, dass ich mich in dich verliebt habe?“ Seine Stimme wurde sanfter. Entsetzt über seine Worte sah ich auf und starrte ihn mit offenem Mund an.
„Stehst du auf Sadomaso?“ Knurrte ich. „Man muss schon auf Schmerzen stehen, wenn man sich in mich verliebt. Aber ich habe keinen Bock auf ´n kitschige Teenie- Romanze.“ Ich konnte zusehen, wie sehr ihn jedes einzelne Wort mehr verletzte, doch blieb ich eiskalt und seine Gefühle waren mir scheißegal.
„War ich nur eine weitere Kerbe in deinem Bettpfosten?“ Ich tat ein paar Schritte zurück. „Sorry.“ War alles, was er zuhören bekam. Diesen Ausdruck in seinem Gesicht würde ich nie vergessen, er war zutiefst verletzt. Wortlos zog er sich Schuhe und Jacke an und ging zur Tür. In der geöffneten Tür blieb kurz stehen, schloss sie aber, ohne sich noch mal umzudrehen. Noch immer stand ich da, wo er mich zurück gelassen hatte. Das waren die Situationen, die ich fürchtete, zurück zu bleiben, wie es mir schon einmal widerfahren war. Doch dieses Mal hatte ich es selber heraufbeschworen, es darauf angelegt. Der einzige Unterschied war, dass ich nicht diejenige war, die verletzt wurde, ich hatte verletzt und das auf die Übelste und unmenschlichste Art und Weise die es gab, nämlich mit voller Absicht.
„Kerbe im Bettpfosten.“ Zischte ich leise. Dann wurde mir auf schaurige Weise bewusst, dass ich ein weiblicher Jake war. Entsetzt über die Erkenntnis, ließ ich mich auf die Couch fallen. Ich fand ihn so schrecklich, gewissenlos, er kannte keine Grenzen und war einfach nur respektlos, nahm sich was er wollte und behandelte die anderen wie Dreck. Ich fand diesen Gedanken ganz schrecklich, dass Jake und ich uns so ähnlich zu sein schien. Resigniert ließ ich mich zur Seite kippen und schwor mir, nie wieder die Tür zu öffnen, wenn es klopfte, auf jeden Fall nicht ohne telefonische Anmeldung. Zwar war Jared jetzt weg, meine Wut aber auch und ich fühlte ich mich wieder mal einfach nur Scheiße. Ich würde es niemals ändern können, die Angst vor Nähe, die manchmal auf sich warten ließ, dann aber einschlug wie eine Abrissbirne. Vielleicht sollte ich mich mit dem Gedanken vertraut machen, dass auch ich ein gewissenloses Miststück war, eine Jake halt. Wenn ich ein Gewissen besäße, hätte ich Jared nicht mit voller Wucht ein Messer ins Herz gejagt und ich wäre ihm nachgefahren, um ihn wenigsten sicher nach Hause zu bringen. Aber ich fühlte nicht die nötige Dringlichkeit, es war mir egal, ich wollte dass es mir egal war. Ich raffte mich schnaufend auf, ging ins Bad und putzte mir die Zähne, doch konnte ich keinen Moment in den Spiegel sehen, bei soviel Falschheit hätte ich gekotzt.
Ich nahm meine Decke von der Couch und schlurfte zum Bett. Wie konnte ich nur ans Schlafen denken, wenn Jared stundenlang durch die kalte Nacht rannte. Sollte ich vielleicht doch...., aber was wäre wenn er falsche Schlüsse zöge, was diese Aktion mit sich bringen könnte, dass er mir doch nicht völlig egal wäre. Vielleicht war ich ein Miststück, aber das ließ mir dann noch keine Ruhe, meinem vorher getroffenem Entschluss zum Trotz zog ich meine Schuhe an, schnappte mir die Autoschlüssel und joggte zum Wagen.
Ich hoffte, er war die Straße entlang gelaufen, hätte er irgendeine Abkürzung durch den Wald genommen, würde ich ihn nicht finden. Jetzt beschlich mich doch ein mulmiges Gefühl, dass ihm etwas passieren könnte. Die Straße, in der wir wohnten, ließ ich mit quietschenden Reifen hinter mir und bog auf die Landstraße. Ich hatte einen ordentlichen Zahn drauf, als ich um die nächste Kurve schoss und da sah ich ihn vom Weiten, die Kapuze seines Hoodies weit über den Kopf gezogen, die Hände in den Hosentaschen, mit gesenktem Kopf, er tat mir leid. Fest ging ich in die Eisen, fuhr langsam an ihn heran und ließ das Fenster runter. Die kalte Luft ließ mich schaudern. Kurz sah er zu mir, doch nur um seinen Weg unbeirrt fort zusetzen. Ich holte tief Luft.
„Bitte steig an.“ Sagte ich etwas kleinlaut. „Warum? Sind dir noch ein paar Beleidigungen eingefallen?“ Knurrte er. Okay, ich war her gekommen um guten Willen zu zeigen, aber er sollte es nicht überstrapazieren. „Jared, bitte steig ein.“ Bat ich ihn noch mal höflich. „Ich hab keinen Bock, mich von dir fertig machen zu lassen.“ Zischte er und war stinkwütend, was ich verstehen konnte. Ich fuhr den Wagen an den Rand, zog den Schlüssel ab und stieg aus. Er lief einfach weiter, als wäre ich Luft. Mein Schritt beschleunigte sich, damit ich ihn einholte. „Lass' mich dich nach Hause bringen. Bitte!“ Er blieb stehen und fuhr herum. „Damit dich dein nicht vorhandenes Gewissen nicht länger quält!“ Fauchte er. Überrascht über seinen Gefühlsausbruch tat ich beeindruckt einen Schritt zurück. Wow, so wütend wie er war, kam ich wieder auf schlüpfrige Ideen. Er war aber auch ein Sturkopf, anstatt dass er einfach einstieg, ich ihn nach Hause karrte und so wie er sagte, mein nicht vorhandenes Gewissen beruhigt wäre, führte er sich auf wie Prinzessin Tausendschön und zickte rum.
„Ja, vielleicht habe ich Dinge gesagt die du nicht hören wolltest.....“ Was noch lange nicht hieß, dass sie nicht so gemeint waren. Rasend vor Wut macht er auf der Hacke kehrt und stand vor mir. „Du bist echt ´n Biest!“ Knurrte er und seine Augen funkelten. „Sag das noch mal.“ Flüsterte ich, aufs schärfste angespannt. „BIEST!“ Knurrte er noch bedrohlicher. „Und was für eins!“ Stieß ich hervor, als ich seinen Kopf packte und meine Lippen auf seine presste. Ich war so herrlich gestört. Auf die Gefahr hin, dass er mich abschüttelte, als völlig durchgeknallt abstempelte und einfach ging, zog ich ihn fester zu mir. Doch es war nichts von Gegenwehr zu spüren, im Gegenteil, seine Lippen waren fast fordernder als meine und sein Griff, fest und bestimmend, er gab hier den Ton an. Ein Stück beugte er sich vor, griff meine Oberschenkel und zog mich hoch. ´Yiehaw Brauner, schneller, wilder´, schoss es mir durch den Kopf und ehe ich mich versah, saß ich auf der Motorhaube des R8 und er machte sich an meiner Hose zu schaffen. „Warum nicht gleich so.“ Hauchte ich. „Ich steh auf Dramatik und mag es, wenn ich angebettelt werde.“ Flüsterte er dicht an meinem Ohr und es entlockte mir ein finsteres Grinsen. Ich nahm mir seinen Gürtel vor, der mit ein paar Handgriffen geöffnet war und dann die Knöpfe seiner Jeans. Zum Glück waren wir auf einer Landstraße, die mitten in der Nacht so gut wie nie befahren wurde, im angrenzenden Wald wäre es vielleicht doch ein bisschen ungemütlich geworden, aber als Alternative immer noch in Betracht zu ziehen.
Meine Hose lag auf meinen Vans und seine auch. Die Hitze schlug in immer größer werdenden Wellen über mir zusammen, gekonnt bearbeitete er meinen Hals, meine Nägel gruben sich in seinen Rücken, immer deutlicher konnte ich hören und fühlen wie sehr er Gefallen daran fand, seiner Wut auf diesem Wege Ausdruck zu verleihen, so hätten wir doch eine granatenmäßige Basis für weitere Wutausbrüche. Das würden wütende Zeiten werden. Ganz langsam schob ich die Boxershorts über seinen Hintern, die fast das Einzige war, was uns noch trennte, das Fähnchen, dass ich trug konnte man super zur Seite schieben. Seine Hände leisteten unter meinem Oberteil hervorragende Arbeit, als eine von ihnen die Innenseiten meiner Schenkel entlang fuhr, warf ich den Kopf in den Nacken und es konnte los gehen. Als ich Scheinwerfer sah, die hinter meinem Wagen hielten.
Noch bevor Jared seine Hose wieder oben hatte, hörten wir nur, „N'abend, das wäre wohl Erregung öffentlichen Ärgernis. Einmal die Ausweise bitte.“ Neben uns stand ein Cop. Verdammte Scheiße, ich schwamm fast weg und er wollte unsere Ausweise, könnte er sich nicht für ein paar Minuten vom Acker machen, länger würde es heute nicht dauern. Jared schien es ähnlich zusehen, leise fluchend hatte er etwas Schwierigkeiten, die Jeans zuzubekommen, da seine Wut noch sehr viel Platz beanspruchte. Kurz schloss er die Augen, um an etwas anderes zudenken, da ich immer noch breitbeinig vor ihm saß. Jetzt da er einen Schritt zur Seite tat, rutschte ich von der Haube und hoffte, keine Spuren zu hinterlassen, schnell zog ich meine Hose hoch. Polizisten schienen wenig Schamgefühl zu besitzen, da er es keinen Moment für nötig erachtete, uns allein zulassen. Zum Glück lag meine Tasche noch immer auf dem Beifahrersitz, sonst wäre ich am Arsch.
Mit den Ausweisen in Händen zog er ab, zu seinem Wagen. Dieser unnötigen Störung zum Trotz musste ich grinsen. Es war nicht zu fassen, was mir hier für Dinge passierten. Hatte ich mir noch geschworen, es nicht mehr an öffentlichen Orten zu treiben, denn überall könnte ein Jake auftauchen. Tataaa und dieses Mal hatte er sogar eine Uniform an. Würden meine Eltern das spitz kriegen, sie würden mich bei lebendigem Leibe häuten. Jared stand neben mir und sah ziemlich angepisst aus. Ich sah zu ihm auf und grinste, kurz sah er mich an, dann grinste auch er, beugte sich zu mir und küsste meine Wange. Zwar endete sein Kuss doch blieb er zu mir gebeugt, mein Grinsen wurde breiter und ich fuhr mit der Zunge über seine Lippen, kurz schloss er die Augen, dann begann er an seiner Jeans herum zu zuppeln, so wie es aussah, wurde es wieder eng.
Das Ende vom Lied war, wir mussten mit aufs Revier, es wurden tatsächlich Fingerabdrücke genommen, als wären wir Schwerverbrecher, á la Bonny und Clyde. Flüsternd fragte ich Jared, ob gegen ihn ein Haftbefehl liefe. Irritiert sah er mich an und schüttelte mit dem Kopf. Na ja, ich wollte nur auf Nummer sicher gehen, gefeit vor bösen Überraschungen, mit der Gewissheit, heute wieder nach Hause zukommen. Es wurde uns noch eine belehrende Ansprache gegönnt, bei der ich hier und da dachte, ´Kann das deren Ernst sein´. Wenn ich damals das Aufklärungsgespräch mit meinen Eltern schon schräg fand, war das hier noch um einiges besser. Früher wäre es mir wahrscheinlich schrecklich unangenehm gewesen, aber mittlerweile, da ich diese Aktionen zu schätzen gelernt hatte, stellte ich auf Durchzug und ließ sie einfach quatschen. Gelegentlich sah ich Jared an und wartete förmlich nur darauf, dass sein Kopf in den Nacken fiel und er anfinge zu schnarchen. Mich beschlich dass dumme Gefühl, die Cops hatten Langeweile und nichts wichtigeres zu tun, deshalb verfolgten sie ihr Ziel akribisch und uns wurde ihre ganze Aufmerksamkeit zuteil. Dann endlich, wurden wir wieder in die Nacht entlassen. Was hieß Nacht, langsam setzte die Dämmerung sein.
Noch standen wir auf dem Parkplatz des Reviers, Jared saß auf dem Beifahrersitz und sah müde zum Fenster hinaus. Wenn es eines gab, von dem ich viel zu wenig bekam, seit ich hier war, dann war es Schlaf. Ich nahm mir vor, in näherer Zeit mal zwei Tage durchzuschlafen, um das Defizit wieder auszugleichen, sonst hätte ich bei Zeiten Falten im Gesicht, die tief wie Furchen wären. „Darf ich dich nach Hause fahren?“ Fragte ich und musste grinsen. Das hatten wir heute schon mal. Er sah mich an. Manno man, hatte er Ränder unter den Augen, doch nichts desto trotz grinste auch er. „Gerne.“ Warum nicht gleich so? Es hätte uns viel Theater erspart und da hieß es immer, Frauen wären kompliziert. Breiter wurde mein Grinsen uns ich startete den Wagen.
Von hier bis La Push war es ein Katzensprung.
Ich bog in die Straße, Jared war kurz vor dem Einschlafen. Er hatte den Kopf an die Scheibe gelehnt und schielte vor sich hin, als ich anhielt. „Sehr geehrte Damen und Herren, wir haben unser Ziel erreicht, wir wünschen ihnen einen schönen Tag, viel Spaß und alles Gute. Wir würden uns freuen, sie bald als Gäste wieder begrüßen zu dürfen. Vergessen sie nicht, dem Fahrer Trinkgeld zu geben.“ Murmelt ich mit verstellter Stimme. Mit geschlossen Augen lächelte er. „Du bist total durchgeknallt.“ Leise kicherte ich los. „Es ist nie zu spät, einen schlechten Eindruck zu hinterlassen und jetzt raus mit dir, ich hab noch ein bisschen was vor mir.“ Ich berief mich auf die Stunde Fahrt nach Hause. Er lehnte den Kopf gegen den Sitz und sah mich an. „Wieder mal ´ne unvergessliche Nacht.“ Schmunzelnd sah ich aus der Frontscheibe und nickte. „Fahr vorsichtig.“ Kurz berührte er meine Hand, unsere Blicke trafen sich. „Machs gut.“ Flüsterte ich. Er holte tief Luft, dann stieg er aus. Ich wendete den Wagen, es wäre Quatsch nach Hause zu fahren, in ein paar Stunden wäre ich sowieso wieder hier. Doch konnte ich schlecht in einer abgelutschten Jogginghose nach Port Angeles fahren. Eigentlich war es total bescheuert und leichtsinnig was ich tat, völlig übermüdet sich hinters Steuer zusetzten, aber da musste ich wohl durch. Beide Fenster hatte ich herunter gelassen und die Musik war kreischend laut, alles war mir recht, so lange es mich irgendwie wach hielt. Ich nahm mir vor, ein paar Dosen Muntermacher im Handschuhfach zu deponieren, für den Fall der Fälle. Wenn es auch eine Quälerei war, so verging die Zeit ganz gut und ich riss Meile um Meile ab.
Wie eine Irre bretterte ich in die Einfahrt, während ich im Stechschritt in den Garten taumelte, schloss ich noch den Wagen ab. Tür auf, Tür zu. Es hätte in diesem Moment nichts Schöneres geben können, als den einlandenden Anblick meines Bettes, schlapp schoss ich meine Schuhe in die Ecke und so wie ich war, ließ ich mich fallen und wie ich fiel, schlief ich ein.
Chapter 6
Was war das für ein nerviges und vor allem anhaltendes Geräusch? Und wo kam es her. Ich war noch total dusselig, meine Lider waren schwer und ich konnte sie kaum offen halten. Eine kurze Zeit brauchte ich, bis ich kapierte, dass es mein Handy war. Lauthals gähnend zog ich es aus der Hosentasche. „Hmm.“ Knurrte ich, als ich mich wieder zurückfallen ließ. „Wolltest du nicht vor ´ne halben Stunde hier sein?“ Ich strengte meine grauen Zellen an, aber mit denen schien nicht viel los zu sein, sie waren auf Grund von Schlafmangel und Alkoholexzessen teilweise verstorben. „Leah?“ Fragte ich mit rauer Stimme. „Hast du gesoffen?“ Lachte sie viel zu laut. „Ne, besser.....“ Murmelte ich. „Eure Motorhauben Aktion hat sich schon rum gesprochen.“ Wieder geierte sie. „Was?“ Ich fuhr hoch und jetzt war ich wach. „In so einem kleinen Kaff geht das rum wie ´n Lauffeuer. Kannste mit New York nicht vergleichen.“ Das merkte ich auch, in New York hätte kein Hahn danach gekräht, da kannte man noch nicht mal seine Nachbarn, geschweige denn was sie trieben. „Was sagt Jared dazu?“ Fragte ich und hielt mir eine Hand vor die Augen. „Den hab ich heute noch nicht gesehen. Wann bist du hier?“ Drängelte die. „Ich beeil mich, tu mir ´n Gefallen.“ Bat ich sie. „Alles was der scharfe Motorhauben-Feger möchte.“ Trotz allem musste jetzt auch ich kichern. „Besorg Red Bull, in rauhen Mengen. Bitte.“ Ich hörte wie sie im Hintergrund Seth ankeifte. „Klar, wird erledigt, bis gleich.“ Sie schmatzte in den Hörer und legte auf. Einen Moment blieb ich noch liegen und wollte mir gar nicht ausmalen, was für Blicke und vor allem was für Kommentare ich ernten würde. Wieder ein Pluspunkt für New York. Ein bisschen musste ich mir den Hals verdrehen, um auf den Wecker zusehen. Es war tatsächlich schon halbdrei und ich fühlte mich als hätte ich gar nicht geschlafen, also wie immer. Gott, was hatte ich nur immer für Scheißideen. Letzte Nacht war eine Scheißidee, aber doch auch ein grandioser Halberfolg und die Leute hatten was zu tratschen, Forks und La Push würden mich noch berühmt machen. Jetzt, auf Grund von Schlafmangel, fand ich es auch hirnverbrannt, dass ich Leah auf eine kleine Shoppingtour nach Port Angeles eingeladen hatte. Ich hatte Bock wie Jesus auf Karfreitag. Aber ich hatte es angezettelt und ich würde es durchziehen, im Durchziehen war ich unschlagbar. Über meine eigene Blödheit den Kopf schüttelnd, stand ich auf und verzog mich ins Bad.
Startklar wühlte ich einer Kiste nach meiner Sonnenbrille, die ich zu meiner Verwunderung tatsächlich fand. Sie sollte die Spuren der letzten Nächte verdecken. Schnaufend griff ich den Autoschlüssel und meine Tasche, als es an der Tür klopfte. Im ersten Moment zuckte ich zusammen. Unerwarteter Besuch war so Willkommen wie Ess- Brech- Durchfall. Kurz traf ich den Entschluss, mir einen Spion in die Tür einbauen zulassen, er würde lästige Besucher enttarnen. Da ich ohnehin durch diese Tür musste, öffnete ich. „Du lebst noch.“ Stieß Karen hervor, diese Tatsache schien sie ernsthaft zu überraschen. „Was gibt’s.“ Maulte ich und schloss die Tür hinter mir. „Willst du weg?“ Fragte sie und musterte mich. Mein Gott, sie nervte wie eine schlecht sitzende Intimfrisur. „Was willst du.“ Raunzte ich, ohne ihre Frage zu beantworten. “Morgen haben wir einen Termin in deiner neuen Schule. Wäre förderlich, wenn du nicht aussehen würdest wie das Leiden Christi.“ Etwas rümpfte sie die Nase, das wäre leichter gesagt als getan. „Sonst noch was.“ Knurrte ich und ging schon den Weg entlang. „Reyna, du siehst schrecklich aus. Ist alles in Ordnung?“ Wie würde sie nach einer, durch die Cops, versauten Nummer, mitten in der Nacht auf der Landstraße und nach Stunden auf dem Revier, aussehen. Die konnte Fragen stellen, wenn es mir auch als Antwort auf der Zunge lag, so beherrschte ich mich massiv, meine Klappe zuhalten. Ich winkte einfach nur ab, setzte meine Sonnenbrille auf und ging zum Wagen.
Das Wetter war wirklich Bombe, die Sonne schien, es war angenehm warm und kaum eine Wolke störte das Bild des strahlend blauen Himmels. Wie ich mir hatte sagen lassen, eher untypisch für diese Gegend. Die ewig lange Straße von Beaver nach La Push kannte ich mittlerweile so gut, dass ich mich unterwegs noch etwas schminkte. Karen hatte recht, wenn ich ihr auch nur zähneknirschend beipflichtete, ich sah wirklich unmenschlich aus. Gut, dass ich für solche Fälle, immer meinen Notfallkit in der Tasche hatte. Das Einzige, was sich beim Auto fahren als schwierig erwies, war das Ziehen des Lidstriches. Kurz fuhr ich rechts ran und vervollständigte das Meisterwerk. Nachdem ich wieder wie ein Mensch aussah, riss ich im gemütlichen Tempo den Rest der Strecke ab. Für meine Verhältnisse säuselte das Radio leise vor sich hin, die ganze Situation ließ es mir gut gehen. Der milde Wind , der durch die geöffneten Fenster den Geruch des nahenden Sommers brachte, die Musik und der Umstand, dass ich nicht mehr allein war. Sondern, dass ich Leute kennengelernt hatte, von denen jeder, auf eine mehr oder weniger kranke Weise, ziemlich einzigartig war.
Im Takt der Musik tippte ich auch aufs Lenkrad und nickte mit dem Kopf, als ich in die Straße bog, die ich heute morgen erst hinter mir gelassen hatte. Ich war gerade im Begriff auszusteigen, als Leah schon aus dem Haus kam, begleitet von Sam. Sie verabschiedetet sich gewohnt leidenschaftlich und kam breit grinsend näher. Sam sah mich an und nickte kurz zu Begrüßung, ich tat es ihm gleich, dann grinste er und ließ mich wissen, dass auch ihn die Ereignisse der letzten Nacht schon ereilt hatten. Leah ließ sich neben mich auf den Sitz fallen. Ich schob die Sonnenbrille ein Stück von meiner Nase und sah sie an. „Du und Jared, ihr seid das Thema.“ Lachte sie und kramte in ihrer Tasche. Schnaufend ließ ich den Kopf gegen das Lenkrad sinken. „Es könnte Schlimmeres geben.“ Versuchte sie dem Ganzen den Schrecken zu nehmen und fuhr mir mit der Hand durch die Haare. „Und das wäre?“ Schnaufte ich und drehte den Kopf, noch immer auf dem Lenkrad liegend, zu ihr. „Wenn die Leute dich gar nicht kennen würden. Das wäre lange nicht so unterhaltsam.“ Sie reichte mir die Dose des Muntermachers. „Gott sein Dank.“ Murmelte ich und öffnete sie umgehend, der bekannte Geruch des Getränks erinnerte an durchfeierte Nächte und mit Kopfschmerz beginnende Tage. So roch das Leben einer Siebzehnjährigen.
„Schön, dass meine Aktionen den Alltagstrott ein bisschen auflockern.“ Murmelte ich auf ihre vorherige Feststellung und nahm einen großen Schluck aus der Dose. „In ein paar Tagen ist das Schnee von gestern.“ Versuchte Leah mich zu beruhigen. „Meinste echt?“ Hoffnungsvoll hob ich den Kopf und ließ mich zurück in den Sitz gleiten. „Ne. aber ich dachte, ich bin mal nett.“ Sie prustete los und der Verzweiflung zum Trotz, setzte ich mit ein. Es war halt passiert, aber irgendwann würde vielleicht etwas anderes passieren, was spannender war und Jared und mir den Rang ablief. Wenn ich etwas überragend gut konnte, dann war es mir glaubhaft etwas vorzumachen.
Ich sah zur Seitenscheibe heraus, indem zockelte Jake in einiger Entfernung vorbei. Er sah herüber und grinste schäbig, machte eine ziemlich anstößige Bewegung, die an die vergangene Nacht erinnerte, mit einer überaus netten Mittelfingergeste beantwortete ich sein Gehampel. „Der hats grad nötig.“ Sagte Leah. „Jetzt ist er mal nicht die Hauptschlagzeile.“ Auch sie hielt ihm den Mittelfinger hin und zog ein doofes Gesicht. „Blöder Arsch. Der holt sich irgendwann noch ma´den Siff und nippelt ab.“ Murmelte sie und schnallte sich an. Über ihre wahren Worte musste ich kichern und zum guten Schluss ließ ich mich noch dazu herab, ihm die Zunge rauszustrecken. Huhu, ich war aber auch Böse. Mit einem grimmigen Lachen lief er weiter. Zischend startete ich den Wagen, setzte zurück und drehte in gewohnter Manier das Radio auf. „Yeah.“ Schrie Leah und performte zu Tönen von Pink. Get the party started. Das wäre heute unser Motto, das uns durch den Tag brächte.
Wir jagten über die Straßen, unserem Ziel entgegen. Gott, konnte das Leben schön sein. Leah navigierte mich sicher durch Port Angeles' Straßen, zwar war der Parkplatz am Arsch der Welt, doch dass machte heute wenig. Aus mir ungekannten Gründen schien die Sonne nicht nur vom Himmel, sondern mir auch aus dem Hintern, meine Stimmung war fast euphorisch. Ich hatte eine neue Ablenkung, die beste Arbeit leistete. Ich hakte mich bei Leah ein und wir schlenderten die Straße entlang, die uns geradewegs ins Einkaufsparadies führte. Das erste Geschäft, das unseren Weg kreuzte, war ein Schuhgeschäft, ich war definitiv im Himmel. Wir probierten an, was uns in die Hände fiel und das war einiges. Angefangen bei Peeptoes über Ballerinas bis hin zu den High Heels. Auf denen wir geschmeidig durch den Laden schwebten. Leahs waren von einem dunklen Rot, meine hingegen klassisch schwarz, aber beide hatten einen mördermäßigen Absatz. Sie machten die Beine unmenschlich lang, Grund genug sie zu kaufen, die nächste Nacht in irgendeinem Club würde kommen und dazu waren sie prädestiniert. Natürlich musste auch noch etwas Alltagstaugliches her, wie es bei mir schon fast Tradition war, ein gutes Paar meiner über allles geliebten Vans. Doch stach mir auch ein Satz Airwalks ins Auge, die ich so retro fand, dass auch diese ihren Weg in meine Taschen fanden.
Für genug Fußschmuck war gesorgt und es ging weiter. Wir wühlten uns durch den nächsten Laden, fanden einiges an Oberteilen, knackeng sitzenden Jeans, die fast verboten gehörten, somit wie für uns gemacht waren. Aus der hintersten Ecke fingerte ich eine echt scharfe Lederjacke, sie war ein Traum und trug quasi meinen Namen. Entzückt quietschte ich los. „Guck' dir das Schmuckstück an.“ Säuselte ich, als Leah langsam näher tigerte. „Zieh sie mal an.“ Drängelte sie und ich tat was sie sagte. Ich liebte diesen Ledergeruch, gemischt mit Parfum, war es nicht zu toppen. Sie saß, wie für mich gemacht. „Wenn du sie nicht nimmst, dann nehme ich sie. Das is aber auch ´n scharfes Teil.“ Bestaunte Leah die Jacke. „Eigentlich hab ich ja schon eine. Willst du sie?“ Ihre Augen leuchteten, schweren Herzens zog ich sie wieder aus, aber sollte es nicht so sein, dass man für Freunde auch mal auf etwas verzichtete. Mit vollbeladenen Armen, überforderten wir fürs erste den Kassierer. Als wir vollbepackt vor dem Geschäft standen, fiel mir ein Tattoo- und Piercing- Studio auf. „Hier halt mal.“ Ich drückte Leah meine Taschen in die Hand und sie kippte etwas nach rechts, so beladen wie sie war. Ich holte meinen Kalender heraus, riss ein Blatt ab und schrieb mir kurzerhand eine Einverständniserklärung, die Leah mir freundlicherweise im Namen meiner Eltern unterschrieb. „Willst du ´n Tattoo oder dich durchbohren lassen?“ Fragte ich neugierig, als wir schon vor dem kleinen Schaufenster herumlungerten. „Lass' dich überraschen, bin gleich wieder da.“ Grinste ich und hoffte, unsere super gefälschte Einverständniserklärung würde ausreichen.
Nach nicht mal zwanzig Minuten schlurfte ich mit hängendem Kopf wieder heraus. „Hat´s nicht geklappt? Na ja, vielleicht beim nächsten Mal.“ Versuchte sie mich aufzubauen und dann sah ich auf. Mein Gesicht zierte ein rebellenmäßiger Ring in der linken Seite der Unterlippe und einer in der Scheidewand der Nase. Wie ich fand, sah es verboten wild aus. Leah kreischte los und ließ die Taschen fallen. „Das is´ ja krass!“ Sie kam ganz nah und bewunderte die Ringe, die in der Mitte eine kleine Kugel zierte und wie ich fand, ergänzte es sich wunderbar mit meiner immer noch geklammerten Schläfe. „Wenn ich wüsste, das meine Mum mich nicht umbringen würde, würde ich es auch sofort machen.“ Da Leah auch Veränderung brauchte, die weniger drastisch und nicht so langanhaltend war, marschierten wir zum Friseur und ließen uns epische Hochsteckfrisuren zaubern. Vereinzelt fielen uns gelockte Strähnen auf die Schultern und ins Gesicht, für mich jetzt nicht so neu, da ich von Natur aus mit reichlich Locken gesegnet war, aber Leah fand es super, da ihr Haar sonst wie gebügelt war.
„Ich brauch ´n Kaffee.“ Schnaufte Sie. „Gute Idee.“ Stimmte ich ihr zu und wir suchten etwas geeignetes. Gelandet waren wir schlussendlich bei Starbucks, besorgten uns das ersehnte Heißgetränke und ließen uns draußen auf einer Bank nieder. Mit zurück gelegten Köpfen genossen wir die Sonne und ruhten unsere geschunden Füße aus. „Leah Clearwater, du Traum meiner schlaflosen Nächte.“ Säuselte eine männliche Stimme. Leah und ich hielten uns beide, wie auf Kommando die Hand über die Augen, damit wir etwas sahen. „Kenai.“ Stöhnte sie genervt und verdrehte die Augen. Irritiert sah ich sie an und dann machte mein Blick die Runde. Es hatte sich ein kleines Trüppchen vor uns versammelt. Deren Aussehen sehr Leahs ähnelte. Bis auf einen, der sich aus er dunkelhaarigen Masse hervorhob. „Schönheit! Dass ich dich heute hier treffe, versüßt mir meinen Tag.“ Schleimte besagter Kenai vor sich hin. Leah verschränkte die Arme vor der Brust und hatte nur verachtende Blicke für ihn übrig, was eigentlich bedauerlich war, er war ein schmuckes Kerlchen. „Was hab ich verbrochen, dass ich dich ertragen muss!“ Fauchte sie. „Temperamentvoll wie immer.“ Stellte er lachend fest. „Es ist so bedauerlich, dass du dich an Hulks kleinen Bruder vergeudest.“ Flüsterte er und beugte sich zu ihr. Etwas entsetzt sah ich sie an. Sprach er von Sam? „Du gehst besser, bevor ich mich vergesse.“ Zischte sie, schnellte vor und stoppte kurz vor seinem Gesicht. Unbeeindruckt von ihrer drohenden Gebärde, grinste er breit. „Machs gut, Schöne.“ Hauchte er und sie machten sich vom Acker. Leah schnaufte und ich sah ihnen etwas verstört hinterher. „Was war das?“ Fragte ich erschrocken. „Ich habe ihn damals für Sam abgesägt und bis heute kommt er darauf nicht klar.“ Kurz überlegte ich ob es ein guter Moment war, sie auf Embry anzuhauen, so hätte ich eine super Überleitung.
„Kann ich dich was fragen?“ Murmelte ich in meinen Kaffeebecher. „Klar.“ Sie sah mich an und wartete. „Das mit dir und Embry.......“ Ich brauchte den Satz nicht beenden, sich lächelte verständnisvoll. „Das mit mir und Embry läuft schon ewig, noch bevor das mit Sam anfing.“ Ihre Worte brachten mir keine Klarheit, mein verwirrter Blick ließ sie es weiter aufklären. „Sam weiß davon, hätte er es nicht hingenommen, wäre dass mit ihm und mir nichts geworden.“ Wow, wie sehr musste Sam sie lieben, dass er das in Kauf nahm, wieder beeindruckte er mich. „Okay ich fass´ mal zusammen, nur so für mich.“ Lachend nickte sie. „Hmmmm...... du und Embry, ihr habt gelegentlich Spaß miteinander und Sam weiß davon, würde er sagen, dass du es lassen solltest, würdest du ihn absägen??“ Ich dachte schon, meine Psychosen seien krank und ich wäre krass, aber Leah setzte in dem Moment noch einen obendrauf, es machte sie noch sympathischer. So einen wie Sam musste man erst mal finden, der so eine Dreiecksgeschichte mitmachte, Respekt. „Ja würde ich.“ Beantwortete sie meine Frage, ohne überlegen zu müssen. „Liebst du ihn denn?“ Eigentlich war diese Frage über, ob sie es täte oder nicht. Liebe wurde schon immer völlig überschätzt, irgendwie musste ich mir meine Welt ja zurecht biegen und meine hirnverbrannte Art rechtfertigen.
„Abgöttisch. Doch bin ich soviel Egoist, bevor ich unzufrieden wäre, damit wäre weder ihm noch mir geholfen, muss er damit klar kommen. Ganz einfach.“ Das waren klare Worte, die wenig Spielraum ließen. „Und was wäre, wenn Sam es so halten würde wie du? Und sich auch noch jemand anderen suchen würde?“ Auf die Antwort war ich echt gespannt. „Wir sind gleichberechtigt, natürlich würde es ihm genau so zustehen.“ Ich sah sie weiter an und überlegte. „Ist Embry der Einzige?“ Fragte ich vorsichtig. „Mit Jake habe nur mal rum gekutscht. Wir waren auf ´ner total lahmen Feier und da er der Einzige war, mit dem ich nicht verwandt war......“ Sie ließ es so stehen. „Und was ist mit Paul oder Jared?“ Hakte ich nach. „Paul ist nicht mein Typ, der ist viel zu oft Scheiße drauf und Jared ist dafür zu gewissenhaft. Der überlegt zweimal, bevor er sich jemanden aussucht. Kannst dir was einbilden.“ Sie kniff mir ein Auge zu. Sollte ich sie aufklären, dass ich beziehungsgestört war und auf eine kranke Art und Weise, mir holte was ich brauchte, um nicht völlig durchzudrehen? Ach wozu, früher oder später würde sie es merken, ich hielt meinen Mund.
Wir tranken unseren Kaffee aus, beluden uns mit den unzähligen Taschen und machten uns auf den Weg zum Auto. Es war ein gelungener Tag, wir hatten viel Spaß, gute Laune, schöne Klamotten und Schuhe bekommen, hatten grandiose Frisuren und ich noch wilden Gesichtsschmuck. Was ich aber noch mehr zu schätzen wusste, dass Leah ein bisschen was über sich erzählt hatte und ich sie besser kennenlernen durfte.
Wir hatten die Hälfte der Strecke hinter uns gebracht, als es begann zu dämmern. Das erste Mal seit langer Zeit war ich wirklich zufrieden und fühlte mich gut. Leah drehte das Radio leiser. „Wann führen wir unser Prachtstücke aus?“ Grinste sie. „Keine Ahnung.“ Zuckte ich mit den Schultern, als ihr Handy klingelte. Es war Sam, er sorgte sich und wollte nur hören, dass es ihr gut ginge. Ich glaube, da würden meine Probleme beginnen, wenn jemand so aufrichtig liebte und echte Gefühle im Spiel waren, von beiden Seiten und ich würde dann mit jemand anderen in die Kiste steigen, würde mein Gewissen mich auf links drehen. Dann doch lieber beziehungslos, frei und sich nehmen was nötig ist. Aber vielleicht war es für Leah schon normal und es war okay oder vielleicht rettete genau dass ihre Beziehung zu Sam. Hätte sie Sam zuliebe Embry den Rücken gekehrt und ihm abgeschworen, wer weiß ob die beiden heute noch zusammen wären, auf Grund von Unzufriedenheit. War das der schmale Grade, den man gehen musste, war es das Opfer, dass man der Beziehung zuliebe brachte, damit es funktionierte? Ich fragte mich, ob sie es schon mal zu dritt probiert hatten oder ob dass für Sam zu weit ging. Wusste sie was für ein Glück ihr zuteil wurde, so jemanden an ihrer Seite zu wissen? Ich hing solange meinen Gedanken nach, bis Leah das Radio wieder aufdrehte und lauthals mit sang.
Im Schutz der Dunkelheit erreichten wir La Push. Sam stand vor dem Haus der Clearwaters und wartete schon ungeduldig. Jetzt sah ich ihn mit ganz anderen Augen. Ich hätte es nie für möglich gehalten, dass ein Bär, wie er es war, in der Lage war, seine große Liebe, die sie zu sein schien, teilte. Als er sie sah, schien er beruhigt und lächelte verliebt. „Na los komm mit. Wir trinken noch was und quatschen ein bisschen.“ Grinste Leah. Ich nickte und wir stiegen aus. Mit ausgebreiteten Armen ging Sam ihr entgegen, erleichtert schlossen sie sich um sie. Es war nicht, dass ich neidisch war, aber kurz wurde mein Herzchen schwer.
„Hallo Reyna.“ Sagte er, dann ließ er von Leah ab. „Und was ist mit ihr?“ Lachend nickte sie in meine Richtung. Meine Augen weiteten sich, war das ihr Ernst? „Is´genug für alle da.“ Grinste Sam, tat ein paar letzte Schritte und umarmte mich. Er war ein Bär von Mann, ich bekam kaum meine Arme um seine Brust. Jetzt hatte ich eine Ahnung, was Leah an ihm mochte. Riesige, starke Arme, die sich beschützend um mich legten, hatten schon viel Schönes. „Alter, was geht denn hier.“ Lallte Jake, der plötzlich neben Leah stand und mit ansah, wie Sam und ich uns umarmten. „Was is´mit uns beiden Hübschen.“ Säuselte er Leah ins Ohr, die lachend die Augen verdrehte. „Träum´ weiter, du Idiot.“ Okay, ich stand da und wartete, dass er mich wieder frei gab, es dauerte für meinen Geschmack schon viel zu lange. Leise summte ich vor mich hin und tippte mit meinen Fingern auf seinen Rücken. Dann endlich ließ er mich los. Etwas gequält lächelte ich. „....sind am Strand....“ Lallte Jake wieder und versuchte, halbwegs geradeaus in Richtung des Strandes zulaufen. Leah und ich zuckten gleichzeitig mit den Schulter und gingen mit genügend Abstand hinter Jake her, Sam folgte uns. Paul, Embry und Seth saßen im Sand, sie hatten ein Feuer gemacht, obwohl der Himmel wolkenlos war, war es ziemlich düster. Kurz begrüßten wir einander und ich ließ mich neben Paul in den Sand fallen und blieb platt auf dem Rücken liegen. „Was geht, Linn!“ Grinste Paul, der war auch nicht mehr alleine und seit wann nannte er mich bei meinem Nachnamen?
„Du bist besoffen, alte Schnapsnase.“ Lachte ich und blieb liegen, ich war so im Eimer. Der Sand war von der Sonne aufgeheizt und wie eine warme Unterlage. Ich schloss die Augen und genoss das Hier und Jetzt. „Was in Himmels Namen ist mit deinem Gesicht passiert.“ Bölkte Paul, mit einem Auge sah ich ihn an und grinste. „Was hat ´se denn?“ Nuschelte Jake, der die Flasche Hörnerwhisky festhielt, als würde sein Leben davon abhängen. Auf allen Vieren kam er näher gekrochen und hängte sich dicht über mich. Mit einer hochgezogenen Augenbraue sah ich ihn an und er kam immer näher. „Is´ ja abgefahren. Tat das nicht weh.“ Flüsterte er, immer fester drückte ich meinen Kopf in den Sand um den Abstand zu wahren. Paul half nach und drückte Jakes Gesicht ziemlich unsanft auf meines. Ich zappelte und versuchte Pauls Arm zu erwischen, damit der Jake losließe, aber ich bekam ihn nicht zu packen und anstatt, dass Jake sich vielleicht auch mal zu Wehr setzte, schloss er die Augen. Ich hörte, wie die anderen lachten. Solange ich zappelte wie ein Fisch auf dem Trocken, würde Paul nicht locker lassen, also stellte ich meine aussichtslosen Versuche ein. Ja wer sagte es denn, Pauls Arm verschwand, aber Jake blieb und zu allem Überfluss, seufzte er auch noch. Kurz knurrte ich und er sah mich wieder an. Ich konnte fühlen, wie sich seine Lippen zu einem Grinsen verzogen, wie auch seine Augen, böse funkelte ich ihn an. Ohne mit der Wimper zu zucken brachte er tatsächlich seine Zunge ins Spiel. Das war zu viel des Guten. Wieder versuchte ich ihn aussichtslos wegzudrücken, aber so wie es schien, wollte er es unfair, da konnte er haben.
Langsam öffneten sich meine Lippen und seine Augen schlossen sich genießerisch auf ein Neues. So wie seine Zunge sich ihren Weg bahnte, biss ich zu. Er schreckte zurück und hielt sich eine Hand vor den Mund. Ich schnellte hoch und schubste ihn. „Mach das nie wieder, sonst beiße ich sie dir ab.“ Fauchte ich ziemlich angesäuert. „Wow, die Kleine hat ganz schön Pfeffer im Arsch.“ Bewunderte Paul meinen Wutausbruch. Jake robbte wieder zu Embry. „Sag ma´,blute ich?“ Er streckte ihm die Zunge raus und Embry ging ziemlich dicht ran, um im Schein des Feuers etwas zuerkennen. Wenn man das Vorhergegangene nicht mitbekommen hatte, sah es schon etwas schräg aus. „Hier schnapp', Rey.“ Leah warf mir noch eine Dose des Muntermacher zu. „Danke.“ Lächelte ich und wollte mich nicht länger über Jake ärgern, er war wie er war und würde sich auch nicht ändern. „Ihr beiden seht soooo süß aus.“ Lachte Leah, stieß Embry in die Seite und untermalte das Ganze mit Knutschgeräuschen. Als die das tat, sah ich mir Sam Gesicht ziemlich genau an. Kurz schloss er die Augen, als müsste er Schmerz aushalten, dann widmete er sich Leahs kleinem Bruder.
„Ey Seth, hol doch ma´die Boxen für dein Handy, dann haben wir wenigsten ein bisschen Musik.“ Seth war echt niedlich, wie er da saß und sich an seiner Cola festhielt. „Okay, bin gleich wieder da.“ Murmelte er und machte sich auf den Weg. Embry untersuchte währenddessen immer noch Jakes Zunge. „Mann Black, stell dich nicht so an, sie is´ja noch dran.“ Zeterte Paul und setzte sein Bier an. „Das tat weh.“ Jammerte Jake unverständlich, mit raushängender Zunge. „Mach n´Ring durch, sieht schick aus.“ Fauchte ich. Meine Worte wurden mit einem bösen Blick seinerseits beantwortet. „Der benimmt sich wie n´Mädchen.“ Setzte ich flüsternd nach, was es nicht besser machte, aber Paul kichern ließ. Jake nüchtern zu ertragen war echt eine Herausforderung, hier musste Abhilfe geschaffen werden. Ich stand auf, nahm Jake das Feuerwasser aus der Hand und füllte meine Dose auf. Halb zog ich sie leer, schüttelte mich und noch mal kippte ich das Teufelszeug nach, dann drückte ich sie Jake wieder in die Hand. „Prost.“ Ich hielt die Dose hoch und stieß mit Paul an, dann setzt ich mich wieder neben ihn. Auch Leah begann ihren Doseninhalt zu mischen und mit heranschreitender Stunde wurde es feucht fröhlich. Seth hatte seine Boxen gebracht, sich aber im selben Atemzug wieder auf dem Weg nach Hause gemacht, Quil ging mit ihm, er schien müde, jetzt dudelten im Hintergrund die Charts und sorgten für eine ausgelassene Stimmung.
„Jetzt wird gespielt.“ Bölkte Jake, irritiert sah ich ihn an, die anderen schnauften, sie schienen zu wissen was jetzt käme. „Also.....“ Er begann die Regeln zu erklären, na ja , er versuchte es. „Für alle, die neu in unserer illusteren Runde sind.....“ Schielend grinste er mich an, ich musste lachen. „Es werden abwechselnd Fragen gestellt und wer sie mit einem Ja beantworten kann, nimmt einen kräftigen Schluck.“ Er hielt ein paar Flaschen von dem Hörnerwhisky hoch und noch irgend ein anderes Zeug. Dann ließ er sie rum gehen, damit jeder eine hatte. Ich versuchte zu lesen, was ich bekommen hatte, gab es dann aber schnell auf. Die Regeln waren denkbar einfach, Kompliziertes hätte eh keiner mehr gerafft.
„Wo is eigentlich Jared?“ Lallte ich Paul ins Ohr, der sah mich an und belächelte meine besoffene Gestalt. „Der kommt noch! Warum fragst du? Willste noch mehr Kratzer in die Motorhaube machen?“ Geierte er. Schwankend sah ich ihn an. „Keinen falschen Neid.“ Wieder setzte ich die Dose an, mittlerweile schmeckte es sogar. „Ich fang an.“ Meldete sich Leah und grinste vielsagend in die Runde. „Wem geht Jake noch auf den Keks?“ Lachte sie, das Lachen wurde noch lauter, als alle, außer natürlich Jake, einen Schluck nahmen. Dann bestand Embry darauf. der Nächste zu sein. „Möchtet ihr an einem anderen Ort sein?“ Ich war die Einzige, die einen anständigen Schluck trank. „Wo würdest du denn lieber sein, als hier mit so gut aussehenden Granaten?“ Grinste Paul. Mein Blick blieb für einen Moment aufs wild lodernde Feuer gerichtet, dann sah ich fast automatisch zu Sam, da er der Einzige mit einer Ahnung war. Er lächelte verständnisvoll und ergriff das Wort, so dass ich die Antwort schuldig blieb.
„Jetzt ich.“ Lenkte er die Aufmerksamkeit auf sich. „Wer hat Piercings, die man nicht sieht.“ Alle tranken, bis auf Leah und ich. ´Wow ´, dachte ich, sie grinste mich vielsagend an. Die Jungs schienen es faustdick hinter den Ohren zuhaben. Dann wurde eine Regeländerung in Kraft gesetzt. Wer eine Frage mit einem Schluck beantworten müsste, es aber nicht wollte, musste irgendeinen aufgetragenen Scheiß erfüllen. Was mir ganz recht war, so langsam kam ich an meine Grenzen. Jetzt meldete sich Jake zu Wort. „Wer hat es schon mal auf ´ner Motorhaube getrieben?“ Na super, es hätte mir klar sein müssen, dass sowas käme. Keiner trank, ich hob die Hand und Jake durfte sich was fieses für mich ausdenken, grade er. Indem er sich denkender Weise am Kopf kratzte, schlug Jared bei uns auf. Laut grölend wurde er begrüßt. Er setzte sich neben mich, überbrückte den Abstand zu Jake und schloss so den Kreis, er sah mich an und grinste. Nur kurz wandte er den Blick ab, dann schnellte er zurück, entgeistert sah er mich an. „Wow, das is' krass.“ Stellte er fest und bewunderte die Ringe, die mein Gesicht zierten. „Das is´nich´ krass, das is´ wild.“ Verbesserte ich ihn lallend. „Du musst mich küssen, aber richtig.“ Warf Jake schäbig grinsend ein. „Was?!“ Fuhr Jared ihn an. „Is´nur ´n Spiel.“ Rechtfertige er sich, bestand aber nichts desto Trotz auf seine Forderung. „Dann reicht es ja, wenn ich spielt, ihr würdest euch küssen.“ Knurrte Jared und war damit überhaupt nicht einverstanden. Meldete da jemand Besitzansprüche an? Jake verdrehte die Augen und schnaufte. „Dann küss' halt Leah.“ War sein nächster grandioser Einfall. Ich zuckte mit den Schulter, ebenso wie sie, dass wäre mir lange nicht so unangenehm wie ihn zu küssen. Auf allen Vieren krabbelte sie auf mich zu und ich ihr eben so auf allen Vieren entgegen. Wir trafen uns vor Jake. Ich legte den Kopf schräg und langsam näherten sich unsere Gesichter.
Hätte die Musik nicht die Beschallung übernommen, hätte man eine Stecknadel fallen hören können, ich glaubte, sie hatten sogar die Luft angehalten. Unsere Lippen berührten sich. „Aber richtig.“ Hauchte Jake und beugte sich immer weiter vor, um ja nichts von diesem einmaligen Moment zu verpassen. Ein paar Mal trafen sich unsere Lippen fast unschuldig, bis die Zungen ins Spiel kamen. Jake hing mit seine Kopf so dicht bei uns, dass ich hören konnte, wie er schluckte und ich musste grinsen. Um dem ganzen die Krone aufzusetzen, fuhr Leah mir mit ihrer Hand ins Haar und seufzte hörbar. Die Aufgabe wäre erledigt und unsere Gesichter entfernten sich wieder von einander. Mit offenen Mündern wurden wir angestarrt, jetzt wäre für den ein oder anderen eine kalte Dusche nicht das Verkehrteste.
Am anderen Ende des Strandes hatten sich, wie es schien, noch ein paar Leute zum Feiern versammelt und machten ordentlich Rabatz. Leah sprang auf und frönte ihrer Lieblingsbeschäftigung, sie tanzte über den Strand. Ich ließ mich wieder neben Jared in den Sand fallen und blieb liegen, alles drehte sich. „Hier, trink was.“ Ich hielt ihm meine Dose hin. „Sonst hältst du es hier nicht aus.“ Er lachte kurz auf, dann nahm er sie und zog sie leer. Seth hatte einen ausgezeichneten Musikgeschmack, erst wippte ich nur mit dem Fuß, aber dann hielt mich nichts mehr am Boden, dem Schwindel zum Trotz sprang ich auf und gesellte mich zu Leah. Wir hotteten ab wie die Wahnsinnigen und ließen verführerisch die Hüften kreisen, nach kurzer Zeit war auch Embry mit von der Partie. Am Rande bekam ich mit, wie die anderen lachten und sich schweinische Witze erzählten. Leah und ich nahmen Embry in die Mitte und machten ihn ein bisschen strubbelig. Er war quasi die Stange für unseren Poledance, es schien ihm sehr zugefallen. Bei Leah griff er hier und da zu, bei mir traute er sich nicht. Wahrscheinlich hatte er noch lebhaft Jakes blutende Zunge vor Augen.
„Ich muss pinkeln.“ Etwas verkniffen sah ich Leah an. „Ich auch.“ Sie hakte mich ein und wir ließen Embry einfach stehen, der ihr sehnsüchtig hinterher sah. Wir liefen an den anderen vorbei und wollten erst ein kleines Stück den Stand entlang, bevor wir uns in den Wald schlugen. „Wohin?“ Fragte Jared und bog den Kopf nach hinten. Mit einem Finger fuhr ich ihm im vorbeigehen über die Stirn. „In den Wald.“ Grinste ich und zog eine Augenbraue hoch, ihm klappte der Mund auf. „Wenn ihr Hilfe braucht.....“ Stammelte er. „Danke, es wird schon gehen.“ Leah und ich giggelten vor uns hin, es war wieder kaum zu fassen, wie leicht man die Jungs wuschig bekam.
Vorsichtig tasteten wir uns vor in den Wald, nicht das noch einer von uns fiel und sich was brach. Von weitem erkannte man das Geflacker des Feuers. Nachdem wir erledigt hatten, was uns hergetrieben hatte, torkelten wir lachend aus dem Wand zurück an den Stand. „Heute ist mein Glückstag.“ Brummte aus einiger Entfernung eine tiefe Stimme. Ich kniff die Augen zusammen, um etwas zu erkennen. Doch an Leahs genervtem Schnaufen erinnerte ich mich an die Stimme, wenn ich sie auch kurz vorher zum ersten Mal gehört hatte. Es war Kenai und sein Trupp. Er kam näher und scharwenzelte um Leah, die die Augen verdrehte. „Was machst du hier?“ Knurrte sie, Kenai verringerte seinen Abstand zu ihr und seine Stimme glich nur noch einem Flüstern, aber es war angsteinflößend.
„Feiern, so wie ihr.“ Seine Anhänger standen nur ein kleines Stück entfernt, unterhielten sich leise und lachten dreckig, ich erkannte das ein oder andere Mädel dazwischen, aber auch sie schienen krawallgebürstet. So wie es war, war es mir nicht geheuer, mich beschlich ein ganz dummes Gefühl, am liebsten hätte ich Leahs Arm gepackt und sie im Schweinsgalopp hinter mir hergezogen, zu unseren starken Jungs. Aber sie war jemand, die sich keine Angst machen ließ, sie war echt mutig, im positivem Sinne. Ich hingegen wurde immer nervöser, mein Blick jagte zwischen Leah und Kenai unruhig hin und her, dann wieder hinter mich, zu unseren Jungs. Als einer von Kenais Gang im Begriff war meine Absichten zu durchschauen, wie angespannt ich war und was meine Idee zu sein schien. Der Schwindel und das benommene Gefühl waren wie in Luft aufgelöst. Er tat einen Schritt auf mich zu.
„Na Schmuckstück, was treibst du dich hier bei den Indianern rum?“ Misstrauisch beäugte ich ihn und fand es etwas bedrohlich wie er um mich herum schlich. „Das kannste genau so gut deinen blonden Kumpel dahinten fragen.“ Todesmutig, wie ich mich in dem Moment fand, gab ich rotzige Wiederworte, und ich nickte in Blondies Richtung. In Port Angeles war er mir schon aufgefallen. Er bekam mit, dass er Bestandsteil unser kleinen Konversation war und kam näher. Auch ihn betrachtete ich argwöhnisch. „Is' alles klar, Caleb!“ Fragte er das Monster von Typ, der immer noch seine Runden um mich zog. Leahs knurrende Stimme unterbrach Calebs Versuch mir Angst zumachen. „Fass mich nicht an.“ Fauchte sie, holte aus und verpasste Kenai eine schallende Ohrfeige. Mit offenem Mund stand ich da und fürchtete seine Reaktion. Wieder sah ich kurz über meine Schulter zurück. Gott sein Dank waren Sam & Co aufgrund des veranstaltenden Krachs aufmerksam geworden. „Leah!“ Rief Sam. „Es ist alles gut, Sam.“ Rief sie zurück. Entsetzt sah ich sie an. Nein, es war nicht alles gut. Sie wurde von dem Vogel bedrängt und ich war drauf und dran mir von Angst in die Hose zu scheißen, weil Kwai Chang Caine um mich herum tigerte. Aber Leahs Worten zum Trotz machten sie sich auf den Weg und mir fiel ein Stein vom Herzen.
„Schöne Scheiße.“ Flüsterte Leah, als sie ihr Näherkommen bemerkte. Ich verstand nicht, warum sie sich nicht helfen lassen wollte. Je näher sie kamen umso schneller wurden ihre Schritte, bis sie joggten. Ich war noch nie so froh' Jared zusehen. Jake torkelte eher etwas jämmerlich hinter ihnen her. Sam schien Kenai zu erkennen, noch im Laufen ballte er die Fäuste. Leah wandte sich von Kenai ab und rannte auf Sam zu, um ihn zu stoppen, sie hatte ganz schön zu kämpfen. Wenn Sam erst mal in Fahrt kam, konnte ihn so schnell nichts aufhalten, außer seine große Liebe. Jared tauchte hinter mir auf, Embry neben ihm. „Gibts ´n Problem?!“ Knurrte er, umfasste sanft meinen Arm und schob mich hinter seinen Rücken. Auch Paul war aufs Schärfste angespannt, er hätte allein mit seinen Blicken den ein oder anderen niederstrecken können. Jetzt verstand ich, warum Leah sie außen vor lassen wollte. Wenn ich gerade schon dachte, dass es schlecht für uns aussah, waren die Chancen was auf die Mappe zu bekommen in die Höhe geschnellt, wie Jakes bestes Stück beim Anblick einer Pussy. Wenn Jared noch einen ziemlich lockeren Eindruck machte, wurde dieser gänzlich zunichte gemacht, als ich meine Hand auf seinen Rücken legte und fühlte, wie er unter Strom stand.
„Wir gehen.“ Zischt Leah, als sie versuchte Sam zurückzuschieben. „Rey!“ Rief sie und deutete auf Jared und Embry. Sam schob sie vor sich her und Paul schlörrte sie am Hosenbund mit. Ich wollte Jared nicht so vor mir her scheuchen und ich versuchte es auf eine andere Weise. Vorsichtig griff ich seine Hand, die meine sofort umschloss. Langsam ging ich einen Schritt zurück und zog ihn sanft mit. Mir fiel ein Stein vom Herzen als er sich, aufgrund meiner sanften Bitte in Bewegung setzte, sich um drehte und mir folge. Embry hakte ich ein, auch er kam ohne Gegenwehr mit. Es hagelte noch einige Beleidigungen aus dem feindlichen Lager und ich konnte Sam ansehen, wie sehr es ihm widerstrebte, einfach zu gehen. Jared, Embry und ich gingen an Jake vorbei. „Los Spritti, gib Gas.“ Ihn schob ich nicht ganz so sanft vor mir her. Zurück am Feuer hatten Leah und ich die Fresse voll und keine Lust länger hier zubleiben, die Gefahr war zu groß, dass sie noch einmal aneinander gerieten. Die Jungs löschten es und wir sammelten unseren Müll ein. Leah ließ Sam nicht einen Moment aus den Augen, würde er es sich noch mal anders überlegen und sich Kenai doch noch vorzuknöpfen, wäre sie schnell genug, ihn aufzuhalten. Sie wollte Kenai nicht schützen, sie wollte nicht das Sam etwas passierte. Da die anderen ein paar mehr Leute in ihren Reihen hatten. „Dann gehen wir zu mir.“ Sagte Jared und endlich wich dieser böse Ausdruck und das Lächeln kehrte zurück. Das war eine akzeptable Alternative, so machten wir uns auf den Weg.
Embry war der Letzte und warf die Tür zu, sofort lief die Musik, nebenbei der Fernseher und sie warfen sich auf Couch. Ich setzte mich auf die Lehne, da sonst kein Platz mehr war. Die angenüselten Flaschen vom Strand kamen wieder auf den Tisch und es ging weiter. Paul saß mit müden Augen in einem der Sessel und hielt sich noch eine Zeit an seiner Flasche fest. „Ich geh nach Hause.“ Murmelte er nach einer Zeit und verabschiedete sich. Ich folgte eher dem Geschehen im Fernsehen als ihrer Unterhaltung, langsam aber sicher wurde auch ich müde, der Schlafentzug machte forderte seinen Tribut. Die Müdigkeit schien die Runde zumachen. Taumelnd erhob Jake sich. „Ich..... Bett.“ Lallte er. Anstatt dass er wie Paul sich auf den Weg nach Hause machte, marschierte er geradewegs in Jareds Schlafzimmer. Der es aber gar nicht mitbekam, da er sich mit Sam ganz schrecklich über Kenai und Konsorten aufregte. Ich war zu müde, um mich ihnen anzuschließen, die Wirkung des Alks fand ihren Weg zurück, mir war dusselig und alles drehte sich. Jetzt da Platz war, rutschte ich neben Sam aufs Sofa und legte meine Arme samt Kopf auf die Lehne, schloss die Augen und hörte nur noch eine kurze Zeit ihr Gemurmel.
Etwas lag schwer an meinen Rücken gelehnt und schob mich Stück für Stück vom Sofa. Leise brabbelte der Fernseher, ich hob den Kopf und sah hinter mich. Sam rutschte schlafend immer weiter zur Seite und sein Gewicht drückte mich unaufhaltsam an den Rand des Sofas. Leah lag auf der anderen Seite und ihr Füße lagen auf seinem Schoss. Jared hatte sich die Sessel zusammengeschoben und es sah scheiße unbequem aus, wie er da lag. Embry schien gegangen zu sein, da ich ihn nirgendwo mehr sah. Mir blieben noch ein paar Minuten, ehe ich auf dem Boden säße und da ich ohnehin aufs Klo musste, stand ich langsam auf, damit ich Sam nicht weckte. Schmatzend sortierte er sich, wurde aber nicht wach. Als ich vom Klo wieder zurück war, wusste ich nicht wohin. Sam hatte den restlichen Platz in Beschlag genommen und ich wollte mich nicht auf den Boden legen. Einen kurzen Augenblick zog ich es in Betracht, mich irgendwie auf Jared zu legen, aber da es so schon unmenschlich aussah, wie er da lag, wollte ich ihn mit meinem Gewicht nicht zusätzlich quälen. Einen Blick warf ich ins Schlafzimmer, Jake lag brav auf einer Hälfte es Bettes. So voll wie der war, würde er bis morgen durchratzen. Schleichend ging ich näher, zog meine Schuhe aus und kroch langsam und fast lautlos unter die Decke. Es gab doch nichts Schöneres, als ein gemütliches Bett und eine warme Decke.
Ich wusste nicht, wie lange ich geschlafen hatte oder wie spät es war, es musste mitten in der Nacht gewesen sein, da es noch dunkel draußen war. Kaum bekam ich die Augen auf, immer wieder fielen sie mir zu, doch versuchte mich irgendwer vorsichtig in die Mitte zu schieben. Ich erkannte einen Schatten, der sich zu mir beugte. „Bitte rutsch', mir tut alles weh.“ Flüsterte Jared, es wunderte mich nicht, so wie er auf den Sesseln gehangen hatte. So weit es ging, machte ich ihm Platz. Da ich auf dem Rücken nicht schlafen konnte, drehte ich das Gesicht in seine Richtung, wenn mein Hintern auch an Jakes gelehnt war, aber das war mir sowas von egal. Stöhnend legte er sich hin und drehte sein Gesicht auch zu mir. Wäre sein Bett zwei Meter breit, hätten wir wahrscheinlich genug Platz, doch so mussten wir uns zu dritt ein Bett mit einer Breite von einem Meter vierzig teilen. Da war Körperkontakt vorprogrammiert.
Mit geschlossenen Augen holte ich tief Luft und seufzte leise. Jared lag so dicht bei mir, dass ich die Wärme fühlte, die von ihm ausging, ich fühlte seinen Atem, gleichmäßig und beruhigend. Seine Hand fand meine Seite und rutschte weiter zu meinem Rücken, sanft schob er mich zu sich, als wäre es ihm nicht Recht, dass ich so dicht bei Jake lag. Mein Gesicht rutschte näher zu ihm, so das unsere Nasen sich berührten. Sein gewohnter Geruch vernebelte mir die Sinne. Mit meiner Hand fuhr ich über seinen Oberarm, seine breiten Schulter, bis zu seinem Nacken. Vorsichtig stupste er mit seiner Nase gegen meine und wieder ließ es mich leise seufzen. Ich wünschte Jake auf den Mond oder wenigsten ein Zimmer weiter. Jareds Lippen berührten meine, doch war es fast nur ein Hauch. Mein Bein winkelte ich an und schob es langsam zwischen seine. Seine Hand glitt weiter zu meinem Po, noch fester drückte er mich an sich. Wieder fanden sich unsere Lippen, jetzt spürbarer, warm und weich schmiegten sie sich perfekt aneinander. Ob Jake merken würde, dass er störte, wenn ich ihn aus dem Bett schubsen würde? Oder ihm anständig was auf die Nuss hauen, dass er gar nix mitbekäme, es gab schon ein paar Möglichkeiten. Doch würden diese, wenn es auch nur kurz wäre, meine Aufmerksamkeit beanspruchen, die in diesem Moment nur Jared zuteil wurde und so sollte es blieben.
Seine Hand lag noch immer auf meinem Hintern und er griff zu, seine Lippen forderten mehr. Der Schwindel, den der Alk mit sich brachte, machte das Gefühl des Fallens perfekt. Ich wollte ihn jetzt und hier. Noch nie war ich gut mich in Geduld zu üben. Fester zog ich seinen Kopf zu mir, ließ meine Hand über seine Brust zum Rücken streichen, unter sein Shirt und fuhr sanft mit meinen Nägeln über seine makellose Haut. Sein Atem wurde schwerer, so fest wie er mich an sich drückte, fühlte ich, was auch seine Absichten waren und es machte mich total strubbelig. Wenn ich nur kurz einen Gedanken daran verschwendete das Zimmer zu wechseln, wo sollten wir hin? Aber seine fordernden Lippen ließen mich das Denken einstellen. Ich zog ihn über mich, so hatte ich beide Hände zur Verfügung. Auch war es nie eine Spezialität von mir, sonderlich leise zu sein, was raus musste, musste raus. Somit war das die größte Herausforderung, nicht die ganze Bude zusammenzustöhnen. Jared kniete sich vor mich und begann, langsam die Knöpfte meiner Jeans zu öffnen und mich von ihr zu befreien. Immer wieder legte er Lippen auf meine, wenn es zu laut wurde. Die Begierde war ein Biest sondergleichen und dagegen waren wir beide machtlos. Keiner von uns hatte sich noch unter Kontrolle. Mit geübten Griffen öffnete ich seinen Gürtel, seine Knöpfe, es konnte gar nicht schnell genug gehen. An Jakes tiefer Atmung hörten wir, er schlief. Wenn der wüsste was neben ihm abginge, würde er sich ärgern, dass er geschlafen hatte.
Ich hörte, wie Jareds Hose aus dem Bett auf den Boden fiel, zwar hatten wir beide noch unsere Unterwäsche an, doch als er sich gegen mich drückte, kam ein ziemlich lautes Stöhnen über meine Lippen, die er sofort mit seinen verschloss. Meine Selbstbeherrschung hatte sich in Luft aufgelöst, wenn das keiner mitbekäme, käme es einem Wunder gleich. Als auch unsere Unterwäsche den Weg vors Bett gefunden hatte, rupfte ich ihm sein Shirt runter und schob ihm meine Hüften entgegen, er ließ sich nicht lange bitten und tat, was er so gut konnte. Mit mir fliegen, höher und immer höher. In Wellen stieg die Hitze hoch und ich konnte kaum noch an mich halten. Ich merkte, wie er versuchte sich zurückzuhalten und wie schwer es ihm fiel. Sein Atem ging schnell, aber im Verhältnis zu meinem kaum hörbar. Fest krallte ich mich in seinen Rücken und versuchte vergebens, mich zu beherrschen. Aber wie sollte man das, wenn es abging wie Sau. Dem Ziel entgegen fiebernd, griff ich hinter mich und drückte mein Gesichts ins Kissen, es war der einzige Schallschutz, der was taugte. Wenn auch Jared nicht mehr lang auf sich warten ließ, fiel es unerwarteter Weise verhältnismäßig leise aus. Mit seinem ganzen Gewicht lag er auf mir. Sein Atem war ganz dicht an meinem Ohr. Genießerisch schloss ich die Augen. Jetzt drehte Jake sich knurrend in unsere Richtung. Leise ließ es mich kichern, dass der größte Weiberheld der Westküste davon nichts mitbekommen hatte.
Jared angelte nach unserer Unterwäsche, nachdem die wieder an ihrem Bestimmungsort war, bekam er diese Nacht das, worauf er am meisten Wert legte. Auf Grund der knappen Platzverhältnisse lagen wir aneinander gekuschelt und ich wusste, er war selig. Die Müdigkeit drängte den reißenden Schmerz in den Hintergrund, so musste ich ihm nicht übermenschlich lange standhalten.
Chapter 7
„Schnell, Sam.“ Hörte ich Leah kichern und fragte mich, was am frühen Morgen so lustig war. Blinzelnd öffnete ich die Augen, sie stand im Türrahmen, Sam neben ihr, hätten sie keine Ohren gehabt, hätten sie im Kreis gegrinst. Leah hielt ein Handy in unsere Richtung und es hörte sich an, als würde sie ein Foto machen. Aber was bitte war es wert, um diese Uhrzeit geknipst zu werden? Ich unter Garantie nicht. Kurz versuchte ich mich zu orientieren, zu meiner linken, noch immer dicht an mich gekuschelt, lag nach wie vor Jared. Das war jetzt nicht so wild, dass es ein Foto wert wäre. Langsam drehte ich den Kopf und sah hinter mich. Jake war eben so dich heran gerobbt wie Jared. Doch das Beste war, Jareds Hand lag auf meiner Seite und auf seiner Hand lag die von Jake. Dieser Anblick ließ auch mich kichern. Jake und Jared öffneten fast im selben Moment die Augen und Jake tätschelte die Hand unter seiner, erst lächelte Jared zufrieden, doch dann hielt ich grinsend meine Hände hoch und sein Ausdruck wurde entsetzt. „Alter, nimm deine Finger weg und rutsch' rüber.“ Fauchte er Jake an, es ließ mich grölen vor Lachen. Als im selben Moment mein Handy klingelte, das sich in der Hosentasche vor dem Bett befand. Ich kämpfte mich aus der Mitte und hangelte mich über Jared. „Warum hast du keine Buchse an? Nicht, dass es mich stören würde.“ Grinste Jake. Ich wirbelte herum und sah ihn an, dann zog ich eine Augenbraue hoch und mein Blick wanderte grinsend zu Jared, der ihn ebenso erwiderte. „NEIN! Ihr habt doch nicht etwa.......“ Klappte Jake der Mund auf. Ich dachte Sam und Leah würden vor Lachen explodieren. „Warum hat mich keiner geweckt!“ Beschwerte sich Jake und verschränkte die Arme vor der Brust. „Nächstes Mal.“ Grinste ich und kniff ihm ein Auge. „Ich nehm' dich beim Wort.“ Schmollte Jake noch immer.
Eilig zog ich das Handy aus der Tasche und schon der Blick aufs Display ließ mich wissen, dass es Ärger gab. Es war Karen. Ich verdrehte die Augen und ging ran. „Ja, ich lebe noch.“ Knurrte ich in den Hörer. „Verdammte Scheiße, wo bist du?“ Keifte sie. „Warum?“ Beantwortete ich ihre Frage mit einer Gegenfrage. „Wir müssen in einer Stunde an der Schule sein.“ Das hatte ich überhaupt nicht mehr auf dem Sender, genervt und knurrend hielt ich mir eine Hand vor die Augen. „Dann treffen wir uns halt da.“ Maulte ich und hatte wenig Bock auf diesen Scheiß, ich legte einfach auf. Schnappte meine Hose und marschierte an Sam und Leah vorbei ins Bad. Ich musste ganz schön Gas geben, damit ich fertig wurde. Schnell unter die Dusche, mit dem Notfallkit ein bisschen aufgehübscht, noch eben die Haare angeföhnt und einen Zopf gemacht, das musste reichen.
Gerade öffnete ich die Badtür und Jake stand mit verkniffenem Gesicht davor. Überrascht sah ich ihn an. „Das wird aber auch Zeit.“ Murrte er, schob sich an mir vorbei, mich aus der Tür und schloss sie. „Wo musst du hin?“ Fragte Jared und kratze sich gähnend am Kopf. „Schule.“ Maulte ich wenig begeistert und fand es total über, da bald die Ferien anbrachen, doch fragte mich warum hier niemand zu Schule ging. Als ich das geäußert hatte, klärte Jared mich auf, dass die Schule auf die sie gingen, immer schon eine Woche eher mit den Ferien begann. So musste ich erfahren, dass keiner von ihnen die selbe Schule besuchte wie ich. Jetzt hatte ich noch viel weniger Lust. „Bis dann.“ Rief ich in die Weite, murmelnd wurde es erwidert. Ich stand schon in der geöffneten Tür und wollte los, als Jared meinen Arm festhielt und mich nochmal zurück zog.
„Kommst du später wieder?“ Flüstere er und umarmte mich. Ich fand, die notgedrungen durchkuschelte Nacht musste erst Mal im voraus für Wochen reichen, doch falsch gedacht. „Wenn ich es überlebe. Melde mich.“ Kurz hauchte ich einen Kuss auf seine Lippen, befreite mich von seinen Armen und joggte zum Auto. Er stand in der Tür und sah mir etwas wehmütig nach. Brüllend sprang die Katze an, ich kurvte aus der Einfahrt und machte mich auf dem Weg zur Schlachtbank, Karen würde mir das Fell über die Ohren ziehen. Kurz hielt ich noch an der Tanke und besorgte mir einige Dosen Red Bull, die erste zog ich noch an Ort und Stelle leer. Ich hoffte, sie würden mich solange wachhalten bis dieses Desaster vorbei wäre. Zwar hatte ich keine Ahnung wo die Schule in Forks war, aber irgendwie würde ich sie schon finden.
Nach einiger Zeit des Suchens fuhr ich auf den Parkplatz der Forks High School, zu allem Elend war gerade Pause und überall standen doof glotzende Blagen herum. Ich nahm die Sonnenbrille aus meiner Tasche und schob sie mir ziemlich cool auf die Nase, lässig stieg ich aus, warf die Autotür zu, ging an ihnen vorbei und würdigte niemanden auch nur eines Blickes. Ich machte mir schon mal direkt Freunde. Notgedrungen fragte ich mich durch, bis ich das Büro der Rektorin fand, noch waren meine Eltern nicht da und ich setzte mich auf die Stühle, die davor aufgereiht standen. Ich raunzte noch zwei Mädels an, die an mir vorbei gingen und mich blöd anglotzten, da waren sie heute bei mir richtig.
Als ich aus den Augenwinkeln jemand sehr Großes näherkommen sah. Langsam drehte ich den Kopf und musste zu meinem Entsetzen feststellen, dass es Caleb war. ´Ach du Scheiße´, schoss es mir durch den Kopf. Sein Grinsen ließ mich wissen, dass er mich erkannt hatte. „Schmuckstück.“ Nickte er, aber ging, Gott sein Dank weiter. Ich sah ihm grimmig nach, es war klar, dass ich mich mit dem Pöbel herum schlagen musste. Dann jagten Dad und Karen um die Ecke, genervt verdrehte ich die Augen. Schnellen Schrittes kamen sie näher, Karen Gesicht wurde immer entsetzter, je näher sie kamen.
„Reyna!“ Zischte sie mich leise an. „Was!“ Fauchte ich im selben Ton zurück. „Du siehst aus wie ´n Zuchtbulle, mach' diese grauenhaften Ringe aus deinem Gesicht. Oder ich mache es. Du tickst doch nicht ganz sauber.“ Meine Laune konnte kaum schlechter werden, doch Dank Karen, war immer noch eine Steigerung drin. „Wenn du mich nicht auf der Stelle in Ruh´ lässt, drehe auf der Hacke um und du kannst den Scheiß´hier allein machen.“ Fauchte ich und war drauf und dran zugehen. Nachdem das noch ein paar Mal hin und her ging, rief uns die nette Vorzimmerdame herein. „Benimm dich bloß“ Zischte Karen zu allem Überfluss und schubste mich vor sich her. Wir wurden in das Zimmer der Rektorin begleitet, die aber noch nicht da war. Ich warf mich auf einen der Stühle, stützte meinen Ellenbogen auf die Lehne und darauf meinen Kopf. „Setz' dich vernünftig hin.“ Fuhr Karen mich wieder an. Ich war gerade im Begriff herum zufahren um sie anzuschreien, als die Tür aufging und die Rektorin hereinkam. Freundlich begrüßte sie uns und nahm hinter ihrem Schreibtisch Platz.
Ihr Name war Mrs. Foster und mehr bekam ich auch schon nicht mit, da ich sie ausblendete, nur ein dumpfes Gebrabbel stieß durch den schweren Vorhang der Müdigkeit. Kurz quälte ich mich um ihnen etwas Aufmerksamkeit zu schenken und ich bekam mit, dass sie wusste, wer Karen war und dass sie ihre Bücher abgöttisch liebte und jedes einzelne verschlang. Na prima, mein Rektorin war ein Fan meiner Mum, konnte es noch schlimmer kommen? Ja konnte es, als sie mich wissen ließ, dass ich die letzten beiden Stunden des Unterrichts schon mal zur Probe mitnehmen sollte. Alter, ich dachte ich müsste ihr vor Begeisterung auf den Schreibtisch kotzen. Sie ließ mich wissen, in welchen Raum ich musste, sarkastisch lachte ich, drehte ihnen den Rücken zu und ging.
Motiviert wie ´ne tote Taube schlich ich durch die Gänge, um Zeit zu schinden. Da ich natürlich aus Gründen der Höflichkeit den Unterricht nicht stören wollte, gammelte ich den Rest der angefangenen Stunde vor der Tür herum. Erst als es klingelte, konnte ich mich überreden und öffnete sie. Fragende Gesichter sahen mich an, dass war es was ich auf den Tod hasste, angeglotzt zu werden. Unter den Blicken meiner neuen Klasse schlich ich zum Pult und ließ den etwas älteren Herrn wissen, wer ich war und was ich hier wollte. Na ja, eigentlich wollte ich nur weg hier.
Aber so stellte sich heraus, dass er Mr. Brown, mein Klassenlehrer war. Er hieß mich Willkommen, stellte mich kurz vor und wies mir meinen Platz zu, Bücher würde ich erst nach den Ferien bekommen. Mit misstrauischem Blick schlich ich in die letzte Reihe und setzte mich. Immer wieder drehten sich Köpfe um und gafften mich an. Ich war drauf und dran los zu brüllen, was deren Problem sei, doch konnte ich gerade noch an mich halten. Genervt sah ich mir die Hackfressen jetzt von hinten an und hoffte, dass die Zeit schnell rum ging. Ich sah mehr aus dem Fenster, als mir anzuhören was hier Sache war.
Als es endlich klingelte, wusste ich noch nicht mal, was für ein Fach es war, das ich mir die letzte Stunde antun musste. Mit schnellen Schritten verließ ich das Klassenzimmer, ich versuchte es zumindest. Doch Mr. Brown hielt mich auf und gab mir den Stundenplan, damit hieß es ab morgen wieder, mitten in der Nacht aufstehen! Wie ich mich freute. Jetzt war ich die Letzte, die das Zimmer verließ, etwas orientierungslos stand ich auf dem Flur und sah ich mich um, entschied mich dann linksrum zugehen. „Hey.“ Rief jemand hinter mir. Langsam drehte ich mich um. Es war Blondie gestern vom Strand, einer von Kenai´s Trupp. Skeptisch ruhte mein Blick auf ihm, als er näher kam und ich musterte ihn. „Ich kenn' dich.“ Grinste er. „Was Dümmeres ist dir nicht eingefallen?“ Knurrte ich, wandte mich ab und ging weiter. Er holte auf und lief neben mir her. „Du bist jetzt auch auf unserer Schule?“ Fragte er interessiert. „Nein, ich hatte heute nur nix anderes vor.“ Blaffte ich ihn an und lief weiter die verästelten Gänge entlang, ohne zu wissen, wo ich hin musste. Als wir in einer Sackgasse landeten, sah ich ihn etwas hilflos an.
„Ich bin Tidus.“ Er grinste schon wieder. „Und ich nicht interessiert.“ Schnaufte ich und schlug einen anderen Weg ein. „Bist du immer so schlecht drauf?“ Er machte mich total meschugge und rannte hinter mir her wie ein Hündchen. „Alter, geh mir nich´auf ´n Sack, sag´mir ma´wie man hier wieder raus kommt!“ Böse funkelte ich ihn an. Einen kurzen Moment betrachtete er mich ganz in Ruhe, seine katzengrünen Augen sahen eigentlich nett aus, auch so machte er einen ganz passablen Eindruck. Aber es war die falsche Zeit, der falsche Ort und er hatte die falschen Freunde. Genervt, dass er nichts sagte, tippte ich mit einem Fuß auf den Boden. „Komm mit.“ Lächelte er und schien sich von meiner groben und unfreundlichen Art nicht abschrecken zulassen. Ich ließ mir nur ungern von Leuten helfen, die ich nicht kannte, aber ohne ihn würde ich wahrscheinlich noch morgen hier herum irren. Gott, war ich froh als ich die großen Glastüren sah. Er ging vor und hielt sie mir auf, neben mir lief er die Treppen herunter. ´Der Schuldige hat seinen Dienst getan, der Schuldige kann gehen´, dachte ich und wurde schneller.
Geradewegs steuerte ich auf den R8 zu. „Ist das deiner?“ Fragte er und schien beeindruckt. „Nein, der is´geklaut.“ Knurrte ich. „Tidus!“ Wurde er gerufen, das war mein Startschuss, er war abgelenkt und ich sah zu, dass ich weg kam. „Was is´?“ Rief er zurück. Kurz sah ich über meine Schulter und erkannte Kenai und Caleb. Beide waren zwei Monstertypen, von der Statur wie Sam. Tidus sah neben ihnen fast wie ein Waisenknabe aus.
„Na, haste 'ne neue Freundin?“ Grinste Kenai. „Ey, Schmuckstück.“ Bölkte Caleb, unbeirrt ging ich weiter. „Wo hast du deine halbstarken Beschützer gelassen!“ Ich merkte, wie die Wut langsam hochstieg. „Ich rede mit dir!“ Knurrte er. Okay, da ich noch öfters hier her musste, blieb ich stehen und drehte mich langsam um. „Sie ist wirklich ein Schmuckstück.“ Grinste Kenai schäbig. „Sonst noch was.“ Fragte ich gelangweilt und ließ nicht durchklingen, dass die Beiden mir ´ne Scheißangst einjagten. Langsam kamen sie näher. „Wir dürfen jetzt öfters mit deiner Anwesenheit rechnen?“ Säuselte Kenai und schlich um mich herum, ich konnte es auf den Tod nicht leiden, dass ich ihn nicht im Auge hatte. „Scheint so.“ Zischte ich. „Oho, warum so biestig, Schmuckstück?“ Grinste er. „Ich hab ´n Namen.“ Mein Ton wurde immer angepisster. „Dann verrat' ihn uns doch.“ Würde er nicht aufhören um mich herum zulaufen, würde ich mir gleich einen gepflegten Anfall leisten. „Der geht dich ´n Scheiß an.“ Ich hatte keinen Bock auf ihre Psychospielchen, drehte mich wieder um und ging weiter. Kenai lief an mir vorbei und stellte sich mir in den Weg. „Sehr unhöflich, einfach zugehen, wo wir uns gerade etwas kennenlernen.“ Säuselte er wieder. So langsam war bei mir echt Feierabend, stinkwütend sah ich ihn an. „Keine Ahnung was du heute geraucht hast, aber ich habe nicht vor dich kennenzulernen!“
Seine Augen zogen sich zusammen, sein Blick war bedrohlich, so wie seine ganze Haltung. „Lass gut sein, Kenai.“ Mischte Tidus sich beschwichtigend ein. Mutig hielt ich Kenais Blick stand. „Wir sehen uns morgen, dann können wir das vertiefen.“ Grinste er und ging an mir vorbei, zurück zu den anderen beiden. „Lieber möchte ich kotzen.“ Murmelte ich zischend. „Wie war das?“ Hakte er nach. Noch mal drehte ich mich um. „Lieber möchte ich kotzen!“ Wiederholte ich meine Worte betont und um einiges lauter. Wieder wollte er einen Schritt auf mich zu machen, aber Tidus hielt ihn am Arm fest. „Es ist gut.“ Murmelte er. Einen Moment blieb ich noch stehen, wenn sie wüssten, dass sie es mit mir machen könnten, hätte ich verloren. „Sie ist echt mutig.“ Bewunderte Caleb meinen Widerstand. Dann drehte ich mich mit einem zischenden Geräusch um, ging zum Wagen und stieg ein. Sie standen da noch solange, bis ich vom Parkplatz gekurvt war. Mit zitternden Händen um griff ich das Lenkrad und hielt mich dran fest. Scheiße, was waren das für Psychopathen? Ich konnte es kaum erwarten, morgen wieder hier her zu kommen.
Einen Moment überlegte ich nach La Push zu fahren, aber ich hatte keinen Bock auf Jareds ewige Kuschelanfälle und schon gar nicht heute. Noch bevor ich diesen Gedanken zu Ende gedacht hatte, klingelte mein Handy. „Ja.“ Knurrte ich ziemlich unhöflich in den Hörer. „ Wie war dein erster Tag?“ Fragte Jared, gewohnt gut gelaunt. „Das willst du nicht wissen.“ Ich hatte keine Lust, den Scheiß runter zu beten. „Du bist aber gar nicht gut drauf.“ Stellte er fest. „Richtig.“ Knurrte ich. „Kommst du heute noch vorbei? Wir wollten grillen.“ Ich hatte befürchtet, dass,das kommen würde. „Heute nicht.“ So kurz angebunden war ich nur, wenn mir was anständig auf den Sack ging, was hier der Fall war. „Okay, dann ruf ich später noch mal an?“ Er klang ziemlich kleinlaut. „Lass ma´, ich will heute früh ins Bett.“ Wimmelte ich ihn ab. „Dann vielleicht morgen?“ Fragte er hoffnungsvoll. „ Ja vielleicht, machs gut.“ Ich legte auf, ohne seine Antwort abzuwarten.
Ich wusste, dass ich ihm Unrecht tat, aber wir waren nicht zusammen, somit mussten wir nicht jeden Tag aufeinander hängen und schon gar nicht dem anderen Rechenschaft ablegen. Auch juckte es mich wenig, wenn er sich den Kopf zerbrechen würde. Mit einem Affenzahn jagte ich nach Hause. Ich hatte von allem die Schnauze voll und war schrecklich genervt. Heute könnte man mich nicht mal mit der Kneifzange anfassen. Als ich in die Einfahrt bog, hoffte ich nicht meinen nervigen Erzeugern in die Arme zulaufen. Fast joggte ich den Weg zu meinem Häuschen und erst als ich hinter mir die Tür schloss, wandelte sich dieses ätzende Gefühl in Traurigkeit. Meine Tasche ließ ich neben die Tür fallen, ging ein paar Schritte und warf mich aufs Bett. Wenn ich vorhin noch todmüde war, war ich es jetzt immer noch, doch gesellte sich eine innere Unruhe dazu, die nicht zuließ, dass ich einfach einschlief und mich schwarze Leere erlöste. Nach kurzer Zeit saß ich wieder auf der Bettkante, dann stand ich auf, lief ziellos durchs Zimmer, getrieben von diesem Gefühl der Rastlosigkeit, das mich einfach nicht zur Ruhe kommen ließ. Da ich nichts weiter mit mir anzufangen wusste und der Tag noch jung war, begann ich produktiv zu werden und nahm mir meine restlichen Kisten vor. Zusehends leerten sie sich und es fiel mir nicht so schwer wie angenommen.
Bis auf eine letzte Kiste war alles verstaut, diese eine wollte ich jetzt auch noch schaffen, dann waren alle meine persönlichen Dinge eingeräumt und ich war offiziell angekommen. Ich öffnete den Karton, griff zu und holte heraus, was ich in Händen hielt. Es war der Schuhkarton mit den letzten Erinnerungen, die ich an Devi hatte. Im ersten Moment erschrocken, ließ ich ihn fallen, als er aufschlug, verteilten sich sämtliche Briefe, Bilder und meine Vergangenheit vor mir auf dem Boden. Erschrocken über die verdrängten Gefühle, die wie mit einem Schnipsen wieder da waren und mich in die Knie zwangen, starrte ich auf die kleinen Liebeserklärungen. Aber ich konnte nicht weinen, denn es legte sich das taube Gefühl wie zum Schutz auf alles, was über mir zusammenzuschlagen drohte, ich war unfähig irgendwas zu fühlen. Eine ganze Zeit saß ich zusammengesackt vor dem Inhalt und starrte es einfach nur an. Ich konnte nicht denken, ich konnte nichts fühlen, ich war einfach nur da und fragte mich, warum. Warum war ich überhaupt noch da? Was auf der Welt gab mir einen Grund hier zubleiben, was hielt mich davon ab, Devi einfach zu folgen? Es war nicht mehr der Schmerz, den ich einst fürchtete, nichts konnte schlimmer sein als dieses Reißen, dem ich einfach schon zu oft standhalten musste. Doch kehrte es immer wieder zurück und quälte mich unaufhaltsam. Ich wollte nicht mehr gequält werden, ich wollte nicht mehr leiden, ich wollte es nicht mehr aushalten müssen. Ich war des Lebens überdrüssig. Egal wie sehr ich mich winden würde, egal wen ich für meine Zwecke ausnutzte, wenn es kurz Linderung brachte, so war nichts was ich auch versucht hatte, von Dauer. Es war ein Bumerang, je gewaltsamer ich es von mir warf, umso schlimmer würde es mich treffen, wenn es seinen Weg zurück fand. An Gewalt grenzendes quälendes Leiden. Ich wollte nicht mehr, mit allem abgeschlossen was mich umgab, stellte sich nicht mehr die Frage wie oder wo. Ich wusste, was ich zu tun hatte und in etwa, wo ich hin musste.
Eines der Fotos nahm ich an mich und betrachtete es. Er hatte seinen Arm um mich gelegt und lächelte sein schönstes Lachen, damals war das Leben es wert, gelebt zu werden, jetzt war es eine Farce, bestehend aus dem unbändigen Wunsch, ihm zu folgen und Affären, mit denen ich mir einredete, sie würden es besser machen, sie würden mich vergessen lassen, vielleicht auch, sie würden ich retten. Mit dem Foto in der Hand griff ich nach dem Autoschlüssel, öffnete die Tür und ging, ohne sie zu schließen, den Weg zum Auto, meinen letzten Weg.
Ich öffnete den Wagen und nahm Platz, kurz drauf bog ich aus der Straße. Weder hatte ich Angst noch Zweifel, es war einfach in Ordnung, es würde alles gut werden. Anständig trat ich aufs Gas, wenn ich Glück hätte, würde ich mich vor meinem eigentlichen Ziel um einen Baum wickeln, so hätten sie noch die Möglichkeit, mich zu Grabe zutragen. Mein Ziel waren die Klippen von La Push, Sam hatte am Feuer erzählt, dass sie dort oft zum Klippenspringen hingingen und Leah warf ein, wie waghalsig es war und die Chancen, dabei drauf zu gehen, gar nicht schlecht standen, wenn die Brandung nur stark genug war. Ich hoffte, dass sie es heute war.
Ich war kurz vor der Straße, in die ich für gewöhnlich einbog, wenn ich in La Push war, doch schoss ich mit gut hundertachtzig Sachen vorbei. Als ich in einiger Entfernung, auf der gegenüberliegenden Straßenseite Embry und Jared sah, die in die Richtung gingen, aus der ich kam. Jared hob die Hand zum Gruß. Starr sah ich geradeaus und keinen der beiden an. Im Rückspiegel sah ich, wie sie entsetzt hinter mir her sahen. Ich hatte kein schlechtes Gewissen, keinem von ihnen gegenüber, dafür kannten wir einander zu wenig, dafür verband uns zu wenig. Es war nicht mehr weit, gleich wäre ich da und endlich war die Verzweiflung so groß, dass alles andere klein und nichtig wurde. Ich kannte mein Ziel und hatte es bald erreicht, ich wäre an seiner Seite, an die ich seit ewigen Zeiten gehörte. Ich gestand mir ein, dass dieser Schritt nur eine Frage der Zeit war und die Zeit war gekommen.
Ich bog in den Waldweg, der mit gefahrener Strecke an Steigung gewann, das letzte Stück musste ich laufen. Ich parkte den Wagen, ein letztes Mal holte ich tief Luft und stieg aus. Den Schlüssel ließ ich stecken, vielleicht konnte noch irgendwer etwas mit dem Wagen anfangen. Erhobenen Hauptes lief ich durch Wald, ich konnte schon den Wind fühlen, den das endlos scheinende Meer mit sich brachte. Er roch nach Freiheit, unschuldig und verheißungsvoll. Ich trat auf das kleine Plateau, von dem Sam erzählte und er hatte Recht, die Aussicht war atemberaubend und wie ich fand, sehnsuchtserweckend. Wieder machten meine Gedanken sich auf den Weg in die Vergangenheit, erinnerten mich an unvergessliche Momente, an das Gefühl der Freundschaft, der Liebe, das ich nur für ihn empfand, nach dem ich mich so sehr sehnte, dass ich bereit war, alles aufzugeben, allem abschwor und es in Betracht zog, zu sterben, als nur einen weiteren Tag ohne ihn zu sein. Das Leben, wie es war und alles, was es mit sich brachte, war für mich nicht mehr zu bewältigen. Von Tag zu Tag verlor es mehr den Sinn, nachdem ich mich immer öfters fragte. Was war der Sinn meines Daseins? Es erschloss sich nicht für mich, im Gegenteil, es war für mich ein unlösbares Rätsel. Näher ging ich an den Rand und sah hinunter. Das Meer war wild und tobte zu meinen Füßen, ich hoffte es wäre der sichere Tod, ich wünschte es mir, doch die Chancen standen gut. Würde ich den Sprung überleben, so hätte ich bei der Brandung die besten Voraussetzungen zu ertrinken. Wie es schien, war es eine todsichere Sache, die keine Zweifel offen ließ.
Ganz dicht ging ich an den Abgrund, so dass meine Fußspitzen mit ihm abschlossen. Noch mal ließ ich den Blick schweifen und ich fühlte mich gut, so erleichtert. Der Ballast, der mich Tag für Tag zu Boden drückte, fiel von mir ab und gab mir fast das Gefühl des Fliegens. Erst jetzt dem Ziel so nahm, kehrte das lang Vermisste zurück, ich fühlte mich, als würde er bei mir sein, so sehr wie noch nie zuvor. Ich war wieder ganz, für diesen einen Moment schien mein Herz geheilt, kein schmerzhaftes Reißen, keine Tränen, keine Verzweiflung und keine Angst. Ich war wieder ich.
Ein kleines, wissendes Lächeln umspielte meine Lippen. Langsam schloss ich die Augen, mit der Gewissheit, es wäre vorbei, ich hätte es endlich hinter mich gebracht. Weit streckte ich die Arme von mir und lehnte mich langsam vor. Fast konnte ich das Gefühl des freien Falls spüren, als mich etwas gewaltsam nach hinten riss. Ein Schrei entwich meiner Kehle, erschrocken riss ich die Augen auf und sah über meine Schulter. Sam stand keuchend hinter mir, als wäre er einen Marathon gelaufen. Seinen Arm um meinen Bauch geschlungen, fest entschlossen, mich nicht los zulassen, mich nicht beenden zu lassen was ich begonnen hatte, was mich her führte. Eine kleine Ewigkeit passierte nichts, wir sahen einander nur an. Ich war entsetzt, dass er hier war und er nicht zuließ, dass ich meinen ersehnten Frieden fand. Erst versuchte ich mich sanft von seinem Arm zu befreien, doch da der Erfolg ausblieb, riss ich immer mehr an seinem Arm und wand mich wie ein Aal, erfolglos. Sein Griff war fest, doch tat er mir nicht weh. Als ich merkte, dass ich mit meiner körperlichen Kraft gegen ihn nichts ausrichten konnte, versuchte ich ihn mit Worten zu überzeugen.
„Sam, bitte.“ Bat ich ihn mit ruhiger Stimme. „Warum?“ Flüsterte er. Resigniert ließ ich mich hängen. „Das ist nicht mehr wichtig.“ Sagte ich leise und sah ihn wieder an. „Was du hier vorhast aber schon und das werde ich nicht zulassen.“ Er war bestimmend und sanft zugleich. „Doch muss ich nicht um deine Erlaubnis bitten.“ Ich klang kraftlos, nichts war von der verheißungsvollen Freude war mehr zu spüren. „Rey, nicht so lang ich deiner Nähe bin.“ Sanft fuhr er mit seiner anderen Hand über meinen Arm, als wollte er mich trösten. „Weißt du Sam....“ Begann ich und sah ihn nach wie vor an. „.....eigentlich, lebe ich schon lange nicht mehr.“ Da es mir wieder einmal mehr bewusst wurde, füllten meine Augen sich mit Tränen, die Verzweiflung kehrte unaufhaltsam zurück. „Warum lebst du nicht mehr, was in Gottes Namen ist dir passiert, dass es dich zu so einem drastischen Schritt treibt?“
Ich sah ihm an, dass er nicht verstand, dass es etwas geben konnte, was einen Menschen dazu trieb den letzten, alles entscheidenden Schritt zugehen. Unaufhaltsam liefen die Tränen. „....er ist gestorben.“ Schluchzte ich leise. „....in meinen Armen.“ Ich hielt Sam meine Arme entgegen, so wie damals, als alles sein Ende fand und er ein letztes Mal ganz nah bei mir war. Alles schien über mir zusammen zu brechen. Erbarmungslos drückte es mich erneut zu Boden, meine Beine gaben nach und ich sackte zusammen. Sofort kniete er neben mir, sein Blick, erschüttert über meine Worte, ruhte auf mir. „Bitte....“ Flehte ich schluchzend. „..... er war mein Leben. Er war alles, was ich je geliebt habe. Sam, ich habe es versucht, vergebens habe ich versucht, ohne ihn zu leben. Aber es geht nicht, ich kann es einfach nicht.“ Es schlug in Wellen über mir zusammen, mit gesenktem Kopf kniete ich vor ihm und wollte doch nur zu Ende bringen, was keinen Aufschub mehr duldete, was keinen Sinn mehr in sich trug, mein Leben.
Als ich wieder aufsah und ihn erneut anflehen wollte, dass er einfach ginge, ohne sich umzusehen und er vergessen würde, was sich in diesem Moment zutrug, schlossen sich seine Arme um mich. Stark und beschützend, er versuchte aufzufangen was vor viel zu langer Zeit begonnen hatte und unaufhaltsam seinen Anfang nahm. „Lass mich für dich da sein.“ Er hielt mich an seine Brust gedrückt, es war das erste Mal, dass ich in beschützenden Armen um ihn weinen durfte und es auch konnte. Ich konnte ihm mein Leid klagen, wie schlecht es mir ging und dass es nichts in der Welt gab, dass es besser werden ließe, dass in meinem Herzen eine riesige Wunde klaffte, die niemals heilen würde und er gab mir das Gefühl, er würde mich verstehen und war einfach für mich da, weil ich ich war und er mich mochte wie ich war, ohne die Maske der Reyna, die immer stark war und nie Schwäche zeigte. Er war soviel Devi. In diesem einen Augenblick war er, was ich lange Zeit als verloren glaubte, er war ein Freund, er war ehrlich, er war aufrichtig. Er war so viel mehr. Herzzerreißend ließ mich diese Erkenntnis schluchzen, noch etwas fester drückte er mich, meine Arme schlang ich um seinen Hals und ich konnte mich an ihm festhalten und doch fallen lassen, er fing mich auf.
Er lockerte einen Arm und griff neben mich, er hielt das Foto in Händen. „Ist er das?“ Flüsterte er. Ich sah Sam an und dann auf das Foto. Langsam nickte ich und für Sam bekam meine Verzweiflung ein Gesicht. „Wie ist sein Name?“ Schluchzend holte ich Luft. „Devi.“ Verträumt sah ich auf das Foto und fuhr mit meinen Finger die Kontur seines Gesichts nach. „Er sieh nett aus.“ Wieder sah ich Sam an und nickte. „Ja.“ Bestätigte ich seine Feststellung. „Er war der beste Freund, den man sich wünschen konnte.“ Ich sah zurück auf das Foto. „Ja, das war er.“ Bestärke ich meine Aussage und wieder nickte ich. Sam lächelte. „Ich kann dich verstehen.“ Traurig senkte ich den Blick und starrte vor mich hin. „Wenn ich dir verspreche, jederzeit für dich da zu sein, wenn du mich brauchst, versprichst du mir dann, dass sich das hier niemals wieder wiederholen wird? Und wenn ich sage ´immer´,dann meine ich das auch so.“ Sein Blick war durchdringend, ich sah ihn an und überlegte, ob es möglich wäre. Ich wägte es gut ab, den wenn ich mein Wort gab, hielt ich mich dran, noch nie hatte ich es gebrochen. Er hielt mir seine Hand entgegen, ich brauchte nur zugreifen. Eine kleine Bewegung, die mich an ein Versprechen band, das einer Kraftprobe gleich käme, die ich so lange schon stemmen musste, doch war ein Unterschied auszumachen, ich müsste es nicht länger allein. Ich hätte zwei starke Arme die mir halfen. Ich haderte mit mir, hin und hergerissen, alles von vorn zu beginnen. Könnte ich überhaupt die Kraft dazu,erneut aufbringen?
„Du bist stark, du bist eine Kämpferin und zusammen schaffen wir das.“ Bestärkte er mich und seine Worte machten mir, der Verzweiflung zum Trotz Mut. Er war zuversichtlich, er war so hoffnungsvoll. Mit zitternder Hand ergriff ich seine und er atmete erleichtert aus. „Ich bring dich nach Hause.“ Flüsterte er, ließ meine Hand los und drückte mich erneut. Dann zog er mich hoch, legte einen Arm um mich und wir gingen zum Wagen.
Es war seltsam, auf dem Beifahrersitz meines Auto zu sitzen. Mein Kopf lag an den Sitz gelehnt und ich sah hinaus, doch nahm ich nichts wahr, meine Gedanken hielten mich gefangen. Sam rief Paul von unterwegs an, dass er ihn abholen sollte, doch versprach er im selben Atemzug hoch und heilig, niemand würde davon erfahren und dafür war ich ihm sehr dankbar, dass letzte was ich jetzt gebrauchen konnte, waren mitleidige Blicke. Er parkte in der Auffahrt und brachte mich rein. Er blieb noch eine Zeit, wir saßen auf dem Sofa und ich erzählte ihm von Devi, mit leuchtenden Augen. Immer wieder fragte er nach, sein Interesse war echt, er machte mir nichts vor. Es tat so gut, ihm von Devi zu erzählen, was für einmalige Zeiten wir mit einander verbracht hatten, wie wichtig er damals, wie heute für mich war. Ich konnte sogar Lachen, ohne dass es gekünstelt oder falsch war, auch schmerzte meine Kehle nicht, es war ehrlich und solange Sam da war, war es okay.
Doch als die Zeit kam und er ging, fanden die dunklen Gedanken ihren Weg zurück. Mehr als einmal zog ich es in Betracht, mein Wort zu brechen, doch tat ich es kein Mal. Ich konnte mich auf ihn verlassen, so wie er sich auf mich. So vergingen einige Tage, immer derselbe Trott. In der Schule wehrte ich mich, mit mehr oder weniger Erfolg gegen Kenai und Caleb, wenn es echt brenzlig wurde, rettete Tidus mir den Arsch. Gelegentlich telefonierte ich mit Leah und noch öfters mit Sam, wir erzählten uns von unseren Tagen und Leah drängte darauf, dass ich endlich mal wieder vorbei käme, ich würde ihr fehlen. Sam war da anders, er ließ mich und war wirklich zur Stelle, wenn es nicht mehr auszuhalten war. Wieder und wieder fing er mich auf und hielt mich fest. Anfänglich schrieb Jared mir oft sms oder er rief an, doch weder beantwortete ich sie, noch ging ich ran und irgendwann schien er es aufgegeben zu haben.
Wenn Sam sich auch alle Mühe gab, verfiel ich mehr und mehr in mein altes Muster. Ich verschanzte mich zu Hause und wollte von der Welt nicht mehr viel wissen. Ging nur zur Schule weil ich es musste, auch meine Eltern sah ich nur noch, wenn sie mich nerven wollten und wie die Irren an meine Tür hämmerten, bis ich irgendwann aufmachte. Dann fing das alte Theater wieder von vorn an. So würde es nicht weiter gehen, bla bla bla. Wie ich es machte, war es verkehrt. Bei mir gab es nur noch Extreme, entweder oder, es gab keinen gesunden Mittelweg. Von Zeit zu Zeit fragte ich mich, ob sie schon den nächsten Umzug planten. Oder ob sie endlich gelernt hatten, dass das nicht die Lösung aller Probleme war.
Chapter 8
Der Tag begann verhältnismäßig gut. Ich kam ganz gut aus dem Bett, auch waren meine Gedanken nicht so erdrückend wie sonst. Vielleicht lag es auch daran, dass es der letzte Schultag war und die Ferien vor der Tür standen. Gestern hatte ich mit Leah telefoniert, sie hatte mich eingeladen. Ihre Mum war mit Seth ein paar Tage weggefahren und sie hatte sturmfrei. Meine Antwort fiel, wie die letzten Male auch, eher schwammig aus. Doch so wie es mir heute ging, wäre es mal wieder nett, ihre Gesichter zu sehen und auf eines freute ich mich besonders. Wenn ich Jared auch seit dem Tag, als Sam mich von der Klippe gerupft hatte, weder gesprochen noch ihm geschrieben hatte, hoffte ich, er wäre nicht allzu enttäuscht. Auch hatte ich mir immer wieder Gedanken gemacht, ihm die Chance einzuräumen, die er schon längst verdient hatte, dass er und ich vielleicht doch mehr füreinander waren, dem wollte ich heute Abend auf den Grund gehen. Er hatte viele gute Eigenschaften, die ich sehr mochte und wenn ich mir eingestand, ich sie auch zu schätzen wusste. Vielleicht war ich auch jetzt an dem Punkt angekommen, an dem es nicht weiter abwärts gehen konnte. Ich war ganz unten und möglicherweise war er derjenige, der alles gut werden ließ.
Heute suchte ich meine Klamotten sorgfältiger aus, als an den vergangenen Tagen. Ich schminkte mich alltagstauglich und anstatt des immer schnöden Zopfes ließ ich meine Haare offen. In weichen Wellen fielen sie weit über meine Schultern. Auch war es das erste Mal, dass ich mich wieder im Spiegel ansah. Ich redete mir ein, dass jetzt alles gut werden würde. Ich war bereit Hilfe anzunehmen, wenn ich es auch nur Jared zutraute. Sam hatte mich auf eine andere Weise gerettet, er hatte mich vor dem Tod bewahrt, doch hoffte ich, Jared würde mich zurück ins Leben führen. Die Tage ohne ihn hatten mir gezeigt, dass er mir fehlte, wenn ich es ihn auch mit keinem Wort wissen ließ, würde doch heute Abend meine große Stunde kommen. Fast leichtfüßig lief ich den Weg zum Auto, warf die Tasche auf den Beifahrersitz und startete. Dieses Mal ließ ich mich nicht von Linkin Park anschreien. Wie auch meine Stimmung fiel die Musik heute um einiges fröhlicher aus. Im Vergleich zu den anderen Tagen war ich fast normal.
Der Weg zu Schule fuhr sich wie von allein und zog sich nicht ewig, wie sonst. Es war alles so viel einfacher.
Ich parkte den Wagen, nahm meine Tasche und stieg aus. Kenai, Caleb und mein Gelegenheits- Lebensretter Tidus, lauerten schon. Meine Tasche warf ich mir über die Schulter und lief grinsend an ihnen vorbei. „Schmuckstück, warum so gute Laune?“ Wunderte sich Kenai. „Leck mich. Du blöder Arsch.“ Doch säuselte ich es wie eine Liebeserklärung. „Sie ist immer noch die Alte.“ Stellte Caleb fest, doch war heute der Unterschied, dass sie mich in Ruhe ließen. Sie gingen mir nicht nach und nervten mich mit ihren dummen Kommentaren, selbst das hätte nichts an meiner guten Laune geändert. Geradewegs marschierte ich ins Schulgebäude zu unserer Klasse, da wir heute nur noch sporadischen Unterricht hatten, der nur ein paar Stunden dauerte und dann war es geschafft und wir hatten endlich Ferien.
Die Zeit ging um wie im Flug, ich fragte mich, warum es an den anderen Tagen nicht auch so schnell gehen konnte. Nach wie vor war meine Laune blendend. Schnell räumte ich meine Sachen zusammen und verstaute sie in meiner Tasche. Den Gang schlenderte ich regelrecht entlang und rannte ihn nicht fluchtartig wie sonst. „Rey. Wart mal.“ Ich sah über meine Schulter, Tidus lief mir hinter her.
„Na Kleiner.“ Grinste ich, da er nur einen halben Kopf größer war als ich, fand ich, er hatte diesen Namen durchaus verdient. „Wir haben es geschafft.“ Lächelte er und lief neben mir. „Ja. Endlich Ferien.“ Seufzte ich. „Und? Fahrt ihr in den Urlaub?“ Fragte er und vergrub die Hände in seinen Hosentaschen. „Nö.“ Antwortete ich knapp. „Vielleicht hast du mal Lust ins Kino zu gehen.“ Murmelte er etwas schüchtern und hielt mir einen Zettel hin. „Ist das das Kinoprogramm?“ Lachte ich und nahm ihn an mich. „Meine Handynummer. Wenn du magst, kannst du dich melden.“ Einen Moment stutzte ich. „Ja, vielleicht.“ Überlegte ich und legte einen Schritt zu. Vor dem Gebäude liefen wir nebeneinander die Treppen hinunter. „Bis in sechs Wochen.“ Verabschiedete ich mich von ihm. „Vielleicht auch eher.“ Setzte er hoffnungsvoll nach. Das beantwortete ich mit einem Lächeln hob die Hand und lief zum Auto. Es wunderte mich, von Kenai und Caleb war nichts zu sehen. Ich fragte mich, ob sie ein anderes Opfer gefunden hatten und ich vielleicht ein für alle mal meine Ruhe vor ihnen hätte.
Als ich vom Parkplatz fuhr, konnte ich es gar nicht glauben. Ferien, dass hieß jeden Tag ausschlafen, faulenzen, feiern und vielleicht ganz viel Zeit mit Jared verbringen. Dieser Gedanken zauberte mir erneut ein Lächeln aufs Gesicht. Ich fühlte mich so gut, wenn ich an ihn dachte. Der Weg nach Hause ging noch viel schneller und ich begleitete lauthals mein Radio, ich schmetterte, was das Zeug hielt. Als ich an der Tanke vorbei fuhr, überlegte ich, für heute Abend ein paar Flaschen Sprit mitzubringen, doch ich wollte nicht mehr ganz so extrem in mein altes Muster verfallen, also nahm ich mir fest vor, heute mal nichts zu trinken. Nicht nur um die anderen zu überraschen, sondern vielleicht auch mich selber. Kurz hinter der Tanke standen Kenai und Caleb, sie bölkten herum und signalisierten mir, ich sollte anhalten. Aber war ich den völlig bescheuert? Grinsend hielt ich weit meinen Arm aus dem Fenster und ihnen den Stinkefinger hin, während ich schön aufs Gas trat. Ich bedachte sie immer mit kleinen Ekeligkeiten. Wahrscheinlich würde ich in sechs Wochen ganz schrecklich dafür büßen müssen, aber mit siebzehn waren sechs Wochen fast eine Ewigkeit.
Als ich in die Einfahrt fuhr, überlegte ich, was ich bis heute Abend noch mit mir anfangen könnte. Ich stieg aus und verschloss den Wagen, langsam ging ich zum Haus. Das Wetter war passend zum Ferienbeginn, es war warm, ein leichter Wind ging und Sonne satt. Erst überlegte ich mir, eine Liege vor die Tür zustellen und meinem bleichen Teint ein bisschen auf die Sprünge zu helfen. Aber dann fiel mir ein, dass Dad am ersten unserer Tag hier erwähnt hatte, dass in der Nähe ein See wäre. Vielleicht war heute genau der richtige Tag, ihn zu erkunden, so könnte ich die restliche Zeit überbrücken.
Kurz brachte ich meine Tasche rein und machte mich dann auf den Weg. Ein Stück lief ich die Straße entlang und wieder einmal fand ich die Gegend, in der wir wohnten, grauenhaft spießig, aber nahm ich es jetzt mit einem Lächeln. Es ging ein kleiner Waldweg links ab, gemütlich schlug ich diese Richtung ein. Ich ließ meine Gedanken schweifen, sie waren federleicht, fast frei, so wie ich. Weiter lief ich den Weg entlang, die hohen Kronen der Bäume spendeten angenehmen Schatten. Der seichte Wind, der mir um die Nase wehte roch süß, nach heimischen Blumen. Dieser Moment war so wunderbar, dass ich ihn am liebsten festhalten wollte. Aber ich war auf einem guten Weg zu lernen, dass es Dinge gab, die man nicht festhalten konnte, sondern die Zeit käme, an denen man sie gehen lassen musste und loslassen nicht immer Verlust bedeutete. Von weitem sah ich das glitzernde Wasser, ruhig und fast so glatt wie ein Spiegel. Hier und da gingen ein paar Leute spazieren, ältere Paare, Hand in Hand, Familien, Mütter, die ihren Kindern hinterherjagten, damit sie nicht ins Wasser fielen. Es gab auch den ein oder anderen Mutigen, der das schöne Wetter nutzte und die Temperatur des Sees testete. Es war einiges los.
Ich ging bis zu einer Bank und setzte mich, sah mir an wie die anderen Menschen das Leben genossen und hoffte, dass ich es bald vielleicht auch wieder könnte. Als es dann ziemlich laut würde, entschloss ich mich noch ein Stück am See entlang zu schlendern. Von weitem sah ich eine kleine Rasenfläche, auf der eine riesige Trauerweide stand, deren Äste weit ins Wasser reichten. Da die Sonne ziemlich brannte, war dieser Baum der ideale Schattenspender. Schnell hatte ich ihn erreicht und ließ mich in der Kühle nieder. Hier, ein Stück ab von den quietschenden Schreien der Kinder, die sich gegenseitig nassspritzten, fühlte ich mich gut aufgehoben. Verträumt sah ich auf die sanften Wellen, die zwei Schwimmer in einiger Entfernung zu mir schwappen ließen und ich verlor mich in der Tiefe des Wassers. Aus meinen Gedanken gerissen wurde ich, als ein schneeweißer Schwan, keine drei Meter von mir entfernt, auf dem Wasser aufsetzte. Er putzte sein Gefieder, dann beugte er anmutig den Kopf und glitt auf der glatten Fläche dahin. Schneeweiß, wunderschön und stolz. Lange sah ich ihm nach, wie er unbeirrt seine Bahnen zog.
Die Zeit an diesem schönen, fast verwunschenem Ort verging viel zu schnell. Ich sah auf die Uhr und wenn ich vorhin noch dachte, zuviel Zeit zu haben, so musste ich mich jetzt doch fast beeilen. Schlendern war nicht mehr drin, mit schnellem Schritt legte ich den Weg zurück, den ich gekommen war. Ein kleines Kribbeln rumorte in meinem Magen, wenn ich an gleich dachte, wenn ich an Jared dachte. Ich ging tausend Dialoge durch, aber was sollte ich ihm sagen, auf jeden Fall die Wahrheit. Ich hatte mich dazu durchgerungen, ihm von Devi zu erzählen, es wäre ein besonderes Privileg, das ihm zuteil wurde, außer Sam wusste niemand von ihm und Sam behielt es für sich. Ich hatte mir vorgenommen, Jared alles zu erzählen, in der Hoffnung, er würde verstehen, warum ich war, wie ich war und mein Verhalten sich so für ihn erklärte.
Schwungvoll öffnete ich die Tür meines Heims. Mein erster Weg führte mich ins Bad, ich ging Duschen. Als das erledigt war, stand ich ins Handtuch gewickelt wieder einmal ratlos vor meinem Kleiderschrank. Heute wollte ich mich für ihn hübsch machen, aber nicht zu aufgedonnert. Ich legte mir die Jeans zurecht, die ich mit Leah zusammen in Port Angeles gekauft hatte, dazu ein rosafarbenes Oberteil mit einem netten Ausschnitt, die Lederjacke war nur nettes Beiwerk, bei den Temperaturen würde ich sie nicht brauchen. Dann schnell wieder ins Bad, mit Make- Up und allem was mein Beautycase hergab, rüschte ich mich auf, föhnte meine Haare gewohnt lockig. Als ich fertig angezogen vor dem Spiegel stand und mir ansah, was ich fabriziert hatte, stellte mich das Ergebnis sehr zufrieden. Leise vor mich hin summend griff ich meine Tasche und den Autoschlüssel, mit jedem gelaufenem Meter wurde ich aufgeregter.
Ich bog auf die Landstraße, die Sonne stand schon sehr tief und wenn ich in La Push wäre, könnte ich vielleicht noch bewundern, wenn sie im Meer versank. Im Takt der ungewohnt sanften Töne tippte ich auf das Lenkrad und lang leise mit. Dieser Tag schien ein Lichtblick im nicht enden wollendem Dunkel meiner Vergangenheit. Er strahlte nicht nur, er glitzerte in allen Farben des Regenbogens und war etwas ganz besonderes. Da ich es kaum erwarten konnte endlich anzukommen, trat ich anständig aufs Gas.
Die gewohnt bekannte Straße lag vor mir, mein Magen benahm sich wie ein Kind an Weihnachten, aufgeregt, nervös, hibbelig. Nachdem ich geparkt hatte, bog ich mir den Innenspiegel zurecht, um noch einmal sicher zu gehen, dass alles saß und das tat es.
„Auf geht’s.“ Ermutigte ich mich, stieg aus und warf die Autotür zu. Ich genoss jeden Schritt, den ich tat und fast zu schnell stand ich vor der Tür der Clearwaters. Noch einmal holte ich tief Luft, dann klopfte ich, fast zögerlich. Aber wurde sie im Handumdrehen geöffnet. Überrascht sah Leah mich an, dann fiel sie mir kreischend um den Hals. „Schön, dass du gekommen bist.“ Trällerte sie und schob mich rein. Auch die Blicke der anderen waren sehr überrascht. Sam stand am nächsten, verständnisvoll lächelte er, als ich näher kam, er drückte mich fest und küsste meine Wange. Keiner der anderen wussten wie mein Verhältnis zu ihm war und es ließ sie komisch gucken.
„Gut so.“ Flüsterte er und als er mich losließ, wurde sein Lächeln breiter. Paul, der auf der Couch saß, schlug ich kumpelmäßig auf die Schulter mit den Worten, „Ich schulde dir immer noch eine Frisur. Grinsend verdrehte er die Augen. „Ich dachte, du hättest es vergessen.“ Bevor ich Embry drückte, drehte ich mich noch mal zu ihm. „Ich vergesse nichts.“ Und kniff ihm ein Auge zu, dann widmete ich mich Embry. „Haben uns lange nicht gesehen.“ Beschwerte er sich. „Deswegen bin ich ja heute da, ich wusste, dass du Sehnsucht hattest.“ Wir kicherten und ich setzte mich neben Jake auf die Couch. „Na Spritti, bei dir auch alles gut?“ War alles, wie ich ihn begrüßte. „Du siehst echt heiß aus, Rey.“ Schäbig grinste er und wackelte mit den Augenbrauen. Bis auf den wichtigsten Menschen waren alle da.
„Wo ist Jared?“ Fragte ich beiläufig und griff nach der Dose Red Bull, die Leah mir hinhielt. „Der kommt noch.“ Ließ Paul mich wissen und ich war beruhigt, aber doch immer noch aufgeregt. Die Musik lief laut, wir redeten über belangloses Zeug. Leah versuchte mehr als einmal mit mir und Hochprozentigem anzustoßen, aber hatte ich mir vorgenommen, heute abstinent zubleiben. Da ich auch nicht besoffen mit Jared reden wollte, ich brauchte meine Sinne und wollte sie mir nicht vom Alk vernebeln lassen. Die Nacht hatte Einzug gehalten, Jake neben mir griff in gewohnter Manier zu und war schon schön voll. Ich hatte ihn selten nüchtern erlebt und fragte mich, ob er auch so ätzend war, wenn er nicht gerade voll wie ein Amtsmann war. Immer wieder sah Sam mich an und lächelte, als wollte er mich wieder unter den Lebenden Willkommen heißen, hatte er fast täglich mitbekommen, wie es immer weiter mit mir bergab ging, so war der heute Tag nicht nur für mich ein Schritt aus dem Dunkel.
Die Musik war so laut, dass ich nicht mitbekam, warum Paul zur Tür schoss, als er gerade von der Toilette kam. Aber dann sah ich es. Es war Jared und bei seinem Anblick, tat mein Herz einen Sprung, etwas verlegen lächelte ich ihn an. Doch wurde sein Blick eher entsetzt, als er mich sah. Gut, ich hatte nicht mit überschwänglicher Freude gerechnet, aber ich fand, dass er mir ruhig ein Lächeln hatte schenken können. Er sah zu Boden, mein Blick ging etwas hilfesuchend zu Leah und dann zu Sam. Deren Blicke auch nichts Gutes verhießen. Ich hatte keine Ahnung, was hier los war, sie machten Gesichter wie auf einer Beerdigung. Dann trat sie aus Jareds Schatten und legte ihren Arm um ihn. Das Lächeln gefror auf meinen Lippen. Etwas zögerlich legte er dann auch seinen Arm um sie, wie zur Demonstration. Ich kam mir vor wie in einem schlechten Film. Doch was wollte ich ihm vorwerfen, es war meine eigene Schuld, war ich tatsächlich so naiv zu glauben, dass es Menschen gab, denen so viel an mir liegen würde, das sie dieses ganze Theater mitmachten?
Ich hatte mich nicht einmal gemeldet, ich hatte ihn vor den Kopf gestoßen und jetzt bekam ich die Quittung. Langsam wandte ich den Blick ab, dieses taube Gefühl setzte für einen Moment ein. Mein Blick wanderte zu Jake neben mir, wie in Trance nahm ich ihm die Flasche Wodka aus der Hand und setzte sie an. Verwirrt sah er mich an. Warum verzichten, andere taten es auch nicht, also immer rein damit. Nach ein paar kräftig, brennenden Schlucken gab ich Jake die Flasche zurück. Jared setzte sich in einen der Sessel, möglichst weit weg. Seine neue Freundin trabte auf mich zu. „Hallo, ich bin Tima, wir kennen uns noch gar nicht.“ Strahlte sie und schien zu allem Elend auch noch nett zu sein.
„Hallo...“ Entgegnete ich eher kühl. „.... ich bin die, die dich nicht leiden kann.“ Hatte ich das tatsächlich gesagt? Sie schien zu überlegen, ob sie sich verhört hatte, doch da ich keine Anstalten machte ihre Hand anzunehmen, trat sie verunsichert den Rückzug an und setzte sich auf Jareds Schoss. ´Wäre einer so nett, mir einen Revolver zureichen?´, dachte ich und konnte überhaupt nicht hinsehen, wie sie das verliebte Paar mimten. Ich kam mir so unglaublich dumm vor. In diesem Moment verdunkelte sich dieser Tag und verschwamm zur selben schwarzen Suppe wie der Rest meines Lebens. Mein Herz zog sich zusammen und tat schrecklich weh. Langsam, aber mit schauriger Gewissheit, stieg die Panik hoch. Keine Minute länger würde ich es hier aushalten, es wäre nur eine einzige Quälerei, aber was stellte ich mich so an, waren Leid und Qualen doch mein täglich Brot. Ich konnte fühlen, wie sich mein Atem mehr und mehr beschleunigte. Nochmal sah ich auf, betretene Gesichter, die zu Boden sahen. Warum hatte mich niemand vorgewarnt, warum ließen sie mich ins offene Messer laufen. So viel zum Thema ´Freunde´. Einen Moment blieb ich noch sitzen, dann nahm ich meine Tasche, meine Jacke und stand auf. Doch bevor ich ging, nahm ich Jake wieder die noch fast volle Flasche aus der Hand. „Ist für ´n guten Zweck.“ Sagte ich emotionslos und sah ihn kurz an. Selbst der Kotzbrocken Jake schien kapiert zu haben, was hier abging und er schien Mitleid mit mir zuhaben. Wenn ich auf Grund meiner Vergangenheit es immer vermeiden wollte, mit mitleidigen Blicken konfrontiert zu werden, erntete ich sie jetzt Dank Jared. Ohne ein weiteres Wort oder einen weiteren Blick ging ich an ihnen vorbei und schloss leise die Tür hinter mir.
Es fühlte sich an, als hätte jemand das zarte Pflänzchen der Hoffnung platt getrampelt, war sie doch ohnehin nichts wert, nur Illusionen, die wie Rauch verpufften. Ich fühlte, wie die Tränen hochstiegen, mein Schritt wurde schneller und ich setzte die Flasche an, wäre der Alk nicht zum ersten Mal mein Trost. Wieder ein Verlust, es war ein unfassbarer Verlust, es tat so weh, hatte ich in ihm doch soviel mehr gesehen, wenn ich auch meine Zeit dafür brauchte, die er wie es schien, nicht hatte. Hatte ich mir vielleicht alles nur schön geredet und es völlig falsch interpretiert? Doch das hatte ich jetzt davon. Wäre ein Versprechen, dass man einem falschen Freund gab, mit Enttarnen seiner Falschheit, hinfällig? War ich nicht mehr an Sam gebunden, war das grade nicht nur das Messer, dass ich im Herzen spürte, sondern auch der Befreiungsschlag, frei zu sein, frei von allem zu sein. Konnte ich wieder Entscheidungen treffen und sie bis zum Ende durchziehen?
Ich hörte wie jemand meinen Namen rief, aber ich rannte unbeirrt weiter. „Rey, bleib' stehen.“ Es war Sam, er schien hinter mir her zu joggen, denn kurz drauf hatte er mich erreicht und umfasste meinen Arm. Ich wirbelte herum. „Lass mich los.“ Zischte ich und entriss ihm meinen Arm wieder, er schien nicht mit soviel Gegenwehr zu rechnen. „Wir wussten nicht, dass er sie mitbringt.“ Begann Sam sich sofort zu rechtfertigen. Ich rannte weiter und wollte von seinen lahmen Erklärungen nichts hören, würden sie es auch nicht wieder gut machen. „Verdammt, jetzt bleib stehen!“ Knurrte er und riss wieder an meinem Arm. Meine Wut kochte über und ich fühlte, ich müsste explodieren. „Ihr wusstet es nicht?“ Keifte ich ihn an. „ Sam, darum geht es nicht, warum habt ihr mir nicht ein Wort gegönnt, dass es sie überhaupt gibt! Warum lasst ihr mich so ins offene Messer laufen?“
Ich schrie ihn nicht weiter an, wozu, es hätte doch keinen Sinn. Für mich fühlte es sich wie Verrat an. Zu der unglaublichen Traurigkeit von Devi gesellte sich der Verlust von Jared. Die Grenze des Erträglichen war erreicht, bis hierher und nicht ein Stück weiter. Sam stammelte vor sich hin und während dessen traf ich erneut einen Entschluss. Aber würde es Sam unmöglich sein, es ein weiteres Mal zu vereiteln. Es wäre das erste, aber auch gleichzeitig das letzte Mal, dass ich mein Wort brechen würde, wenn es überhaupt noch Bestand hatte. Langsam legte ich den Kopf schräg und sah ihm zu, wie er um Worte rang. Dann ließ ich die Flasche fallen und ging einen Schritt auf ihn zu. Legte meine Hand auf seine Wange, er verstummte und sah mich überrascht an. Ich stellte mich auf die Zehenspitzen und küsste seine Wange. „Mach' s gut.“ Flüsterte ich und sah ihm fest in die Augen. Die sich bei meiner Geste und meinen Worten weiteten. Tief holte ich Luft, wandte mich von ihm ab und ging in Richtung meines Autos. Wieder lief er mir nach, aber jetzt war er außer sich und erkannte meine Absicht.
„Ich habe dein Wort.“ Knurrte er fast böse und stellte sich vor mich. Erst sah ich zu Boden, dann sah ich ihn an. „Ja, Sam.....“ Ich lächelte, mit dem Wissen er wäre Machtlos. „....mein Wort.“ Wissend schüttelte ich den Kopf und ging an ihm vorbei. „Wo willst du hin?“ Rief er mir nach. Erneut blieb ich stehen und drehte mich zu ihm, indem öffnete sich die Haustür, Jared trat heraus, hinter ihm Embry und Leah, sie schienen Sams Schreierei mitbekommen zu haben und sahen mich irritiert an. Von Sam ging mein Blick zu Jared und ich schenkte ihm ein Lächeln, dann sah ich wieder zu Sam „Endlich nach Hause.“ Sagte ich fast erleichtert und hob eine Hand. „NEIN!“ Schrie er und sprintete los. Jared sah verstört zwischen uns hin und her, wie die anderen beiden. Sam packte und riss mich herum, meine Tasche und die Jacke fielen zu Boden. „Sam!“ Versuchte Leah in zu bremsen. Fest hielt er mich an den Oberarmen. Sein Blick war eine Mischung aus Wut und dem Wissen, nichts dagegen unternehmen zu können. Zu allem Überfluss mischte Jared sich sein. „Lass sie los, du tust ihr weh.“ Ich war die Ruhe selbst und sah Jared an. „Keiner kann mir mehr weh tun.“ Lächelte ich und fühlte, wie die Tränen überliefen. Für Jared machten meine Worte wenig Sinn.
„Sie will....“ Begann Sam wütend seinen Satz. Mein Blick schnellte zu ihm. „Bitte brich dein Wort.“ Bat ich ihn. „So bin ich nicht länger daran gebunden.“ Jared verstand nur Bahnhof und zog die Augenbrauen zusammen. Ich sah wie Sam mit sich haderte, doch was er auch tun oder nicht tun würde, was er sagen oder nicht sagen würde, hatte kein Gewicht mehr. „Was will sie?“ Knurrte Jared und schien sauer zu werden, da er nicht verstand. Sams Griff lockerte sich, dann ließ er mich los. „Nach Hause. Sie will endlich nach Hause.“ Dankbar darüber, dass er mich zu verstehen schien, streichelte ich seinen Arm. Sam hielt sich eine Hand vor die Augen, dann sah er wieder auf und ich sah seine Tränen. „Danke, Freund.“ Kurz berührte ich seine Hand.
„Dafür werde ich mich hassen.“ Er schien aufgegeben zu haben. Ich wandte mich noch mal zu Jared und wischte meine Tränen weg. „Ich liebe dich.“ Lächelte ich, ihm klappte der Mund auf. Dann hob ich meine Sachen auf, doch kurz vor dem Wagen drehte ich mich ein letztes Mal um. „Es wird die Zeit kommen, da werden wir uns gegenüberstehen, von Angesicht zu Angesicht. Irgendwann.“ Jetzt hatte Jared sich wieder gefunden. „Was heißt das, wo fährst du hin? Du kommst doch wieder?“ Seine Worte waren so ahnungslos und ließen mich den Kopf schütteln. „Nein, ich komme nicht wieder.“ Ich konnte hören, wie Sam bei meinen Worten leise schluchzte. „Aber..... wo gehst du hin?“ Fragte Jared und schien fast noch hilfloser als Sam, der sich noch mal verzweifelt zu Wort meldete. „Was ist mit deinen Eltern?“ Verständnisvoll sah ich Sam an, Jared kam langsam näher. „Sie werden es verstehen, so wie du.“ Versuchte ich ihn mit sanfter Stimme zu beruhigen. „Rey, wo willst du nur hin?“ Sams Tränen schienen ihm Angst zu machen. Jareds liebes Gesicht so zu sehen, war fast noch unerträglicher. Er war mir jetzt so nah, dass ich ihn an der Hand berühren konnte, die unglaublich warm war, so wie immer. „Mach's gut Jared.“ Flüsterte ich, lächelte und ließ seine Frage unbeantwortet,dann stieg ich in den Wagen, ließ ihn an und wendete. Langsam fuhr ich los. Als Jared plötzlich wie ein Blitz um die Ecke geschossen kam und meinen Namen schrie, verzweifelt, als würde sein Leben davon abhängen. Wie es schien hatte Sam ihn wissen lassen, was mein Vorhaben war. Er hatte sein Wort gebrochen und ich somit ein reines Gewissen. Ich hielt nicht an, ich beschleunigte, ich wollte nach Hause.
Old is changed and new has been created
Chapter 9
Es war grauenhaft, Jareds Verzweiflung im Rückspiegel mit ansehen zu müssen. Wenn Sam mir meinen Weg ebnete, indem er sein Wort brach, so hatte ich jetzt, gegen einen Weiteren zu kämpfen, der versuchen würde mich davon abzuhalten. Er schien mich nur davon abhalten zu wollen, vielleicht weil wir uns kannten, sein Herz aber hatte er an jemand anderen verschenkt und sein Mitleid war das Letzte, was ich wollte. Weshalb ich nicht die Notwendigkeit sah, es noch mal zu überdenken. Mein Plan schien wasserdicht. Der nächste Schritt würde mich ein letztes Mal zu meinen Eltern führen, anders gesagt, zu ihrer Kreditkarte, die mir die Möglichkeit eröffnen würde, in der Stadt zu sterben, in der ich geboren wurde, New York. Ein letztes Mal ihren schweren Geruch einatmen, ein letztes Mal durch ihre Straßen wandeln, ein letztes Mal Devis Grab besuchen, ein letztes Mal fühlen, angekommen zu sein. Somit hätte ich meine Liste abgearbeitet, mit den Dingen, die noch Bedeutung hatten.
Auf dem Weg zu meinen Eltern klingelte mein Handy gefühlte fünfhundert Mal, bis ich es ausstellte. Karen wäre nicht zu Hause, sie war wieder einmal beruflich unterwegs, so müsste ich nur meinen Dad täuschen. Es würde schwierig, es täte mir leid, aber es wäre zu bewältigen. Als ich in die Einfahrt bog, beschlich mich nicht mal ein schlechtes Gefühl, dass ich sie bestehlen wollte. Waren es doch damals sie, die mich hierher schleppten, alles nur verschlimmerten und das Unausweichliche in die Länge zogen, so sah ich es als eine Art Wiedergutmachung. Den Wagen parkte ich so, dass ich sofort wieder los konnte. Ich hatte nicht viel Zeit, Jared würde Jake das Auto abluchsen und früher oder später hier aufschlagen, so bedurfte es ein bisschen Eile.
Ich schlich ins Haus meiner Eltern, sah mich um, rief etwas verhalten meinen Dad, doch blieb es ruhig in dem großen, weißen, spießigen Kasten. Trotz allem lief ich auf leisen Sohlen in die Küche, zu der Schublade, in der die Kreditkarte lag. Ohne zu zögern ließ ich sie in meiner Hosentaschen verschwinden. Ich hielt die Luft an und lauschte, es war alles ruhig. Ich zog das Handy aus meiner Hosentasche und machte es an, dreiundsechzig Anrufe in Abwesenheit. „Jared.“ Murmelte ich lächelnd und schüttelte den Kopf. Von der Auskunft ließ ich mich mit dem Flughafen in Takoma verbinden, um mir für heute noch einen Spätflug nach New York zu besorgen. Im Hintergrund hörte ich es anklopfen, Jared schien nicht aufzugeben zu wollen. Dann verlief es aber nicht so wie ich es mir vorgestellt hatte, der nächste Nonstop Flug nach New York, wo noch etwas frei war, wäre in zwei Tagen. Wo sollte ich zwei Tage bleiben, ohne gefunden zu werden? Ich konnte auch in kein Hotel, da meine Eltern jederzeit die Abrechnung der Kreditkarte abrufen konnten, dann wäre mein Plan für die Katz. Somit kam Plan B zum Einsatz, ich würde mit dem Auto fahren. Die Kiste war verdammt schnell, wenn ich nur das Nötigste an Schlaf mitnehmen würde, könnte ich in es schaffen und in zwei Tagen dort sein, viel mehr Möglichkeiten blieben mir nicht.
Ich war gerade im Begriff zu gehen, als das Telefon klingelte. Erst zögerte ich einen Moment, hob dann aber doch ab. Den Atem hielt ich an und sagte nichts, ich lauschte nur, ob ich irgendwas hören könnte. Erst ein leises Rauschen, dann ein etwas zurückhaltendes ´Hallo?´. Ich erkannte Jared, kurz schloss ich die Augen, gab mich seiner tiefen Stimme und meinen Gedanken hin. So hingerissen seufzte ich leise, doch schien es noch zu laut. „Reyna?“ Fragte er unsicher. Ich öffnete den Mund zum antworten, aber wieder wurde mir klar, es würde wenig bringen. „Rey, sprich' mit mir.“ Bat er mich sanft. Wenn ein nicht so geringer Teil in mir schrie und darauf drängte ihm zu antworten, so kam doch kein Ton aus meiner Kehle. „Ich bitte dich....“ Er klang so schrecklich verzweifelt, ich verfluchte Sam dafür, dass er ihn meine Absichten wissen ließ. „...du kannst mir nicht sagen, dass du mich liebst und dann.....“ Er stockte und ich merkte, wie schwer es ihm fiel, die Worte auszusprechen, es lag soviel Schmerz darin. „.....für immer gehen.“ Seine Stimme zitterte und wie er es aussprach, wurde mir die Endgültigkeit seiner Worte, meines Handeln, bewusst. Wenn es mir mit jedem Moment, dem ich ihm zuhörte schwerer gemacht wurde, so wusste ich aber auch, dass ich so nicht weiter leben konnte und wollte.
„Weißt du noch...“ Begann er. „...halt dich an mir fest.“ Diese Worte taten unmenschlich weh und erinnerten mich an die Nacht, als er mir alles geben wollte was er war, er mir gestand, dass er sich in mich verliebt hatte und ich ihn behandelt hatte als wäre seine Liebe einen Dreck wert. Ich wünschte mir nichts sehnlicher, als mich an ihm festzuhalten, seinen berauschenden Geruch einzuatmen und ihm ganz nah zu sein. Wäre es für den Moment alles was ich wollte, aber wie würde es weiter gehen. Seine Liebe galt einer anderen. „Es gibt etwas, was ich dir gerne sagen möchte, aber nicht am Telefon.....“ Im Hintergrund hörte ich wie ein Blinker gesetzt wurde, er saß ihm Auto, er versuchte mich hinzuhalten, um Zeit zu schinden. Fast panisch warf ich den Hörer aufs Telefon und rannte. Mit einem lauten Knall warf ich die Haustür hinter mir zu und wetzte zum Auto, als wäre der Teufel hinter mir her. Zu schnell versuchte ich ihn zu starten und würgte ihn ab. „Komm schon..., komm schon....“ Murmelte ich leise und versuchte immer wieder ihn anzulassen. Panisch gingen meine Blicke hin und her, vom Anfang der Straße, zu meinen Armaturenbrett. Ich wollte ihm nicht nochmal gegenüberstehen, mit dem Wissen, dass er meine Absichten kannte. „Verdammte Scheiße, jetzt mach schon.“ Knurrte ich und dann, das ersehnte Brüllen der Katze. Indem bogen Scheinwerfer von oben in die Straße. Mit quietschenden Reifen fuhr ich los, doch kam ich nicht weit.
Er parkte den Wagen quer auf der Straße, stieg aus und positionierte sich auf dem letzten freien Stück, wenn ich vorbei wollte, müsste ich ihn über den Haufen fahren, aber wie könnte ich. Im Licht meiner Scheinwerfer erkannte ich sein Gesicht. Bei seinem Anblick fühlte es sich an, als würde eine eiskalte Hand mein Herz zerquetschen. Was sollte ich tun, resigniert ließ ich den Kopf aufs Lenkrad sinken. Als er merkte, dass nichts weiter passierte, kam er langsam näher, die Hände in den Hosentaschen und den Kopf gesenkt. Ich wusste nicht warum, aber wieder ergriff Angst Besitz von mir. Angst, die mich keuchen ließ, die alle meine Muskeln anspannte, Adrenalin, dass durch meine Adern jagte. Hin und her gerissen, nicht wissend was ich tun sollte, begann mein Herz zu rasen. Er war noch ein ganzes Stück entfernt. Ich hatte das Gefühl dieses Auto würde mich erdrücken, als käme die Decke näher. Ich brauchte Luft, Weite und Freiheit. Mit Schwung riss ich die Tür auf und sprang hinaus. Jared sah auf, sein Blick war flehend. Weiter ging er langsam auf mich zu und streckte mir seine Hand entgegen. Wenn meine Beine auch puddingartig waren, so ergriff Panik die Oberhand. Ein paar Schritte ging ich zurück und sah ihn mit großen Augen an. „Rey?“ Ihm schien nicht zu entgehen, dass etwas nicht stimmte. Sein Schritt beschleunigte sich, indem drehte ich um und rannte los, in die Dunkelheit der Nacht. Ich zweifelte an meinem Verstand, vielleicht war ich auch auf dem besten Weg verrückt zu werden und völlig durchzudrehen, das würde einige meiner Verhaltensweisen erklären.
Weiter rannte ich, schlug den Weg zum See ein, den ich heute Mittag entlang geschlendert war. Hier gab es keine Laternen, war der Mond das einzige Licht, welches mir den Weg wies. Trotz dass mein Herz in den Ohren dröhnte, hörte ich wie Jared hinter mir her rannte. Ich hörte, dass er langsam aufholte und ich spornte meine Beine an, alles zu geben. Von mir selbst überrascht, dass wenn es sein musste, ich so über mich hinaus wachsen konnte. Warum war ich nicht fähig, in anderen Bereichen meines Lebens es über das Ziel hinaus zu schaffen. Waren meine Ziele so hoch, dass dort kein Rankommen war? Aber war es verkehrt nach Glück zu streben, wie auch immer es aussähe? Jared war so nah, ich hörte seinen keuchenden Atem, wie seine Füße donnernd auf dem Boden aufsetzten und sich abstießen. Aber was ich hier tat war nichts anderes, wie an dem Abend, als er vor meiner Tür stand. Auch da war ich auf eine gewisse Art und Weise vor ihm davon gelaufen, aus Angst vor Nähe, aus Angst, verletzt zu werden, eine Niederlage hinnehmen zu müssen und Schmerz auszuhalten. Ich wiederholte meine Fehler, unbelehrbar. Wenn ich meine Beine stoppen wollte, so liefen sie von Angst getrieben und wollten ihn nicht an meinem Leben teilhaben lassen, sie wollten nicht, dass er ein Teil von mir wurde, dabei war er das schon. Doch wollte ich mir das nicht eingestehen, bloß keine Schwäche zeigen, wer Schwäche zeigte, war so ein leichtes Opfer. Der Spielball in falschen Händen. Aber seine Hände waren nicht falsch, sie konnten mich halten, mich beschützen, mir erzählen, mir zeigen was ich ihm bedeutete. Hände waren etwas Wundervolles.
So waren es seine Hände die sich um meinen Bauch legten, mich bremsten, mich abhielten, eine unglaubliche Dummheit zu begehen, die mir aber in dem Moment der einzige Ausweg war. Langsam kamen wir zum stehen, ich warf den Kopf in den Nacken und rang nach Luft. Jetzt da ich stand, hätte er mich los lassen können, doch tat er es nicht. „Du kannst nicht mein Herz erobern und dann gehen, als hätte es dich nie gegeben.“ Flüsterte er atemlos. Ich versuchte einen klaren Gedanken zufassen, sah in den sternenklaren Himmel und erkannte, die Sterne hatten ihren unverkennbaren Glanz wieder. Nicht länger wurden sie von dem waberndem Grau umgeben. Sie strahlten unbeschreiblich in ihrer Einzigartigkeit. Etwas zögerlich drehte ich mich um. Es fühlte sich so unwirklich an, wie er mich ansah, ein stummer Vorwurf, über das was ich im Begriff war ihm anzutun. Ich war fast erschrocken, dass es ihn tatsächlich so traf. „Du solltest mich gehen lassen.“ Hauchte ich, berührte seine Wange und betrachtete sein Gesicht. „Rey....“ Er senkte den Blick und ich bereitete mich darauf vor, ihn gehen zu lassen, zu Tima.
„Du liebst sie.“ Doch klang es weniger wie eine Feststellung, eher wie eine unklar formulierte Frage. Über meine Worte irritiert sah er auf, leicht schüttelte er den Kopf. „Vielleicht kennst du den Schmerz. Wenn man von dem verlassen wirst, was man zu lieben lernt, um sich einfach nur trösten zu lassen, egal von wem. Das hat nichts mit Liebe zu tun. Es ist nur ein Aushalten, ein Lindern des reißenden Schmerzes.“ Wie er diese Worte aussprach, verkrampfte sich mein Magen. Wie konnte ich ihm antun, was ich selber kaum aushielt. Aber ich war hier, noch nicht unwiederbringlich gegangen. Ich konnte es wieder gut machen, den Schmerz lindern und ihn nicht die Leeren fühlen lassen, die es sonst mit sich brachte, die ich fast wie einen alten Freund begrüßen konnte. Mit kleinen sanften Küssen die Wunde verschließen und sie heilen lassen. Er hatte sein Herz nicht an sie verschenkt, er hatte es nur pflegen lassen, in der Hoffnung, es so besser aushalten zu können. Eine Tat der Verzweiflung, die ich nur zu gut nachvollziehen konnte.
Seine Augen funkelten verheißungsvoller als die Sterne, die zu tausenden auf uns hinab sahen, wie etwas Altes sich wandelte und etwas ganz Neues geschaffen wurde. „Ich brauche dich.“ Flüsterte er mit samtener Stimme. Meine Hand auf seiner Wange zitterte. Mit bebender Brust versuchte ich die Tränen im Zaum zuhalten. Vorsichtig lächelte er. Seine Worte betäubten das, was mich zu Boden drückte und drohte mich in den Wahnsinn zu treiben. Es fühlte sich so gut an, gebraucht zu werden, jemandes Lebensinhalt zu sein. Wichtig zu sein, unersetzbar, es wert geliebt zu werden. Vorsichtig strich er mir einzelne Strähnen aus dem Gesicht, dann fand seine Hand an meiner Wange Ruh und es ließ mich die Augen schließen. Die Tränen liefen, etwas legte ich den Kopf schräg und schmiegte mein Wange in seine Hand. „Du bist alles, was ich mir wünsche.“ Flüsterte er und etwas hob er mein Gesicht, mit tränennassen Augen sah ich zu ihm auf. „ Nur dich, für mich.“ Hauchte er und neigte sein Gesicht zu mir. Ihm so nah zu sein war nicht in Worte zufassen. Ein weiteres Mal stand die Welt still und hielt den Atem an. „Dich für mich.“
Wiederholte ich seine Worte. Erlösend schlossen sich seine Arme um mich. Leise seufzte er. „Du darfst mir nie wieder so eine Angst machen.“ Mein Kopf lag an seiner Brust und seine Stimme brummte so tief, das es mir durch und durch ging. In diesem Moment tat ich worum er mich schon vor langer Zeit bat. Ich hielt mich an ihm fest und gab ihm die Möglichkeit zu verstehen. „Was kann so unerträglich sein, dass du dem Menschen, für den du alles bist, den Rücken kehrst?“ Seine Umarmung lockerte sich und er sah mich an.
Ich wusste nicht, ob er wirklich verstehen würde, die meisten Menschen konnten es nicht nachvollziehen. Da sie so etwas, was Devi und mich verband, nicht kannten, es nie erleben durften und es deshalb kopfschüttelnd abstempelten. Aber er bekam die Chance. „Weil alles was ich brauchte, in meinen Armen diese Welt verlassen hat.“ Er trocknete die Tränen auf meinen Wangen und sah mir fest in die Augen. „Erzählst du mir davon?“ Mein Blick ging an ihm vorbei. Es wäre ein komisches Gefühl, der neuen Liebe von der alten Liebe zu erzählen. Wenn sie sich auf verschiedenen Ebenen befanden, hatten sie doch eines gemein, Liebe blieb Liebe und ihr gehörte alle Wertschätzung dieser Erde. „Ist es das, warum du nie von New York erzählen wolltest?“ Ich nickte und war erstaunt, dass es mir bei dem Gedanken nicht schlechter ging. „New York ist die Stadt in der ich geboren wurde, aber ist sie auch die Stadt, in der ein Teil von mir begraben liegt.“ Leise seufzte ich. „Weißt du, es ist schwer damit zu leben. Mich hielt das fälschliche Wissen gefangen, so etwas nie wieder zu finden, was mir das Leben aussichtslos erscheinen ließ. Und dann traf ich dich.“ Lächelnd sah er zu Boden. „Und du hattest Angst, ich würde dich verlassen, so wie er es tat?“ Ich biss auf meine Unterlippe und nickte. „Erzähl mir von ihm.“ Bat er mich erneut und ein kleines Lächeln umspielte meine Lippen.
„Devi war auch siebzehn, einen Kopf größer als ich, er hatte wilde braune Haare, die in alle Richtungen standen. Ihm saß der Schalk im Nacken, wir haben so viel Scheiß zusammen verbrochen. Was das Aussehen betraf, waren er und ich so unterschiedlich, wie du und ich, aber im Innern waren wir gleich. Wir dachten gleich, teilten die selben Ansichten, fühlten wie der andere fühlte. Es war so intensiv. Auch wenn ich versuche zu erklären, was er für mich war, ist es doch nicht in Worte zufassen.“ Ich sah zum Himmel, dann wieder zu Jared. „Alles was mir bleibt, ist das.“
Ich hielt Jared meine rechte Hand entgegen, auf der noch immer die Narbe der schwärzesten aller Nächte zu sehen war. Sanft fuhr er mit seinen Finger herüber. „Wunden können heilen.“ Flüsterte er und küsste meine Hand. „Doch braucht es Zeit.“ Wortlos sah ich ihm zu und hätte nicht gedacht, dass er verstand, wovon ich sprach. Wiedereinmal hatte ich ihn völlig unterschätzt, es hatte doch viel Schönes, immer auf ein Neues überrascht zu werden. Etwas verträumt sah ich auf den See. „Sam..“ Begann ich, er sah mich an. „Sams Augen bergen die selbe Tiefe.“ Ich dachte über die Begegnung am Strand nach, als er mich so sehr an Devi erinnert hatte. Jared küsste meine Wange. „Muss ich mir da Gedanken machen?“ Seine Worte ließen mich lächeln, doch verfolgte ich weiter meine Gedanken. „Er ist ein guter bester Freund.“ Sagte ich leise.
„Was macht dich so sicher?“ Überrascht über die Erkenntnis sah ich ihn wieder an. „Weil er mich vor ein paar Tagen an den Klippen abhielt, das zu Ende zubringen, was jetzt auch meine Absicht war.“ Jareds Ausdruck wurde entsetzt. „Was?“ Fragte er und seine wunderschönen Augen weiteten sich ungläubig. „Genau das meine ich. Er hat dicht gehalten, wir haben einander unser Wort gegeben und darauf konnte ich mich verlassen.“ Langsam nickte ich vor mich hin. „Das ist nicht dein Ernst.“ Aber dann schien ihm der Tag wieder einzufallen. „War das, als du an Embry und mir vorbei gebrettert bist?“ Seine Erkenntnis weitete sich aus. „Deswegen hatte Sam es auf einmal so eilig, als ich ihm davon erzählt hatte.“ Etwas fassungslos schüttelte er den Kopf. „Es war heute nicht das erste Mal, dass ich dich beinahe verloren hätte?“ So wie er es aussprach, meldete sich mein schlechtes Gewissen und ich schüttelte den Kopf. „Da will ich gar nicht dran denken.“Murmelte er und umarmte mich erneut. „Du bist voll das durchgeknallte Huhn!“ Stellte er fest und ich konnte ihm nicht widersprechen, leise gackerte ich in seinen Armen und hörte ihn kichern. „Durchgeknallt ist so ein unschöner Begriff, einigen wir uns auf ´Wild´.“ Dabei sah ich ihn an und zog eine Augenbraue hoch. „Verdammt wild.“ Hauchte er, ich reckte ihm meine Lippen entgegen. Dieser Kuss hatte etwas episches, es war der Beginn unserer gemeinsamen Zeit.
Ein lautes Hupkonzert verlangte nach unserer Aufmerksamkeit. „Vielleicht sollten wir die Autos zur Seite fahren.“ Nuschelte Jared unter meinen Lippen. Leise knurrte ich und fand es nicht so dringlich, dass es sofort erledigt werden müsste, gab mich dann aber doch geschlagen. Er nahm meine Hand und lächelte, nebeneinander gingen wir jetzt den Weg, den wir gerade noch gerannt waren wie die Wahnsinnigen. Immer wieder sah er mich an und betrachtete mich. „Guck nach vorne, sonst fällst du noch auf die Fresse.“ Lachte ich, als er böse ins Stolpern geriet, sich aber wieder fing, ohne sich was zu brechen. Ich prustete los und hielt seine Hand ganz fest. In einiger Entfernung stand einer unserer Nachbarn auf dem Bordstein neben seinem Auto, wild gestikulierend und machte ein riesiges Theater, dabei wäre es kein Problem gewesen, wenn er ein Stück über den Bordstein gefahren wäre, aber was verlangte man von so einem kleinen Vorstadtspießer. Nachdem wir die Autos vorschriftsmäßig geparkt waren, rief Jared Sam an, damit auch sie beruhigt waren. Er lief ein Stück die Straße herunter, da ich nicht mitbekommen sollte, wie er Sam zusammenfaltete, dass der seinen Mund gehalten hatte, über Dinge die Jared um den Verstand brachten, aber ich hatte verdammt gute Ohren. So bekam ich auch mit, wie er sich im selben Atemzug dafür bedankte, dass Sam schnell genug bei mir war und Endgültiges verhindern konnte. Als er aufgelegt hatte, schob er das Handy in seine Hosentasche und tigerte langsam näher.
Es wunderte mich, dass ich so lange brauchte um zu verstehen, was er für mich war, wenn ich ihn zu Anfang als Affäre mit Potenzial sah, sah ich jetzt nur noch das Potenzial für etwas ganz Besonderes. Wie er mich ansah, seine dunklen Augen, so liebevoll, sein Gesicht, wie gemalt, sein Charakter, der alles Schöne vereinte. Er war fast genau so durchgeknallt wie ich und es versprach eine interessante Zeit zu werden. Ich war an Jakes Auto gelehnt und grinste. „Zu dir oder zu mir?“ Vielsagend zog ich eine Augenbraue hoch. „Hmmm.“ Grinste auch er, als seine Hände auf meinen Hüften lagen. „Wie eilig ist es denn?“ Er beugte seinen Kopf, mit meinen Händen fuhr ich seine Arme entlang, hinauf zu seinen breiten Schulter. Gott, wenn er mich so ansah, war ich Wachs in seinen Händen. Wenn ich sonst die Ungeduld in Person war, hatte ich jetzt die Gewissheit, dass wir alle Zeit der Welt hatten. Die Begierde stand zurück, es fühlte sich anders an, ich könnte mich fallen lassen, aber das Ziel war ein anderes. Ich wollte nicht mehr vergessen, im Gegenteil, ich wollte mich an alles erinnern, an jeden kleinen wunderschönen Moment, den er mir nah war, einfach nur genießen. „Dann bleiben wir wohl hier.“ Flüsterte ich und hauchte kleine Küsse auf seine Wange, für diesen Moment schloss er die Augen und brummte zufrieden.
„Komm.“ Sagte ich leise und zog ihn hinter mir her in den Garten. Ich holte den Schlüssel heraus und wollte die Haustür aufschließen, er fuhr mir langsam mit der Hand über meinen Rücken, hinunter zu meinem Po. Indem stellte ich den Versuch, die Tür zu öffnen ein, schloss die Augen und ließ ihn machen. Etwas beugte er sich von hinten über mich und seine Händen glitten sanft weiter über meine Leisten zu meinen Oberschenkeln. Ich nahm seine Berührungen ganz anders war, ich lehnte seine Zuneigung nicht mehr ab, somit war es genau das, was ich wollte. „Brauchst du Hilfe?“ Sein Kopf lag auf meiner Schulter und er sah mich an. „Eigentlich ist mir nicht mehr zu helfen. Aber du kannst es gerne versuchen.“ Ich hielt ihm den Schlüssel hin. Grinsend nahm er ihn, drückte mich noch ein Stück in Richtung der Tür, damit er ran kam und schloss auf. Noch immer war er vorgebeugt, unter ihm drehte ich mich um und schlang meine Arme um seinen Hals, jetzt da seine Hände wieder auf meinem Po lagen, drückte er mich fest an sich. Seufzend schloss ich die Augen. Langsam bugsierte er mich rein und schubste die Tür mit dem Fuß zu. Mit den Händen fuhr ich durch sein Haar. „Lass und was gaaaanz Verrücktes tun.“ Flüsterte ich dicht an seinem Ohr und berührte es vorsichtig mit den Zähnen. Wieder ließ es ihn brummen. „Und das wäre?“ Seine Atmung wurde schwerer, seine Augen waren geschlossen. „Komm mit.“ Weiter an ihn gedrückt ging ich rückwärts und zog ihn langsam mit. Als das Bett zum Greifen nah war, ließ ich ihn los, mit einem Satz lag ich drin und klopfte neben mich. Sein Blick gab mir zu verstehen, dass ich ihn nicht lang bitten müsste und er warf sich neben mich. „Das war aber auch verrückt.“ Kicherte er und robbte näher. „Und es wird noch viel verrückter.“ Grinste ich, umschlang mit einem Arm seine Seite und kuschelte mich ganz dicht an ihn. „Du bist echt ´n Wild Child. Mein Wild Child.“ Lachte er, legte seinen Kopf aufs Kissen und seufzte zufrieden.
Wenn es harmlos wirkte, war es bedeutender als manches Nümmerchen, ging es hier um so viel mehr. Eine mit Absicht durchkuschelte Nacht hatte viel Schönes. Das Genießen seiner Wärme, seiner gleichmäßigen Atmung zu lauschen, das Pulsieren seines starken Herzens und das ich mich an ihn schmiegen konnte. Egal wie oft ich wach wurde, immer wieder auf ein Neues und das Wissen er würde bleiben, fühlte sich so leicht an, es war nicht länger das Gefühl, er würde mich erdrücken. Die Unverbindlichkeit, die es sonst mit sich brachte, wandelte sich in Beständigkeit und gab dem Ganzen eine andere Tiefe. Das Geschehene verband uns, da wir beide den anderen verloren glaubten, doch besaßen wir Stärke, jeder auf seine Art, so dass sich alles zum Guten wand.
Ein Klopfen weckte mich, müde sah ich mich um, ich war allein. Laut gähnte ich und wollte nicht aufstehen. Es waren immerhin Ferien, wer wagte es so früh zu stören. Ich sah auf den Wecker, na ja, früh war gestrunzt, es war Mittag. Knurrend rappelte ich mich hoch, auf dem Weg zur Tür fragte ich mich, wo Jared abgeblieben war. Als ich die Haustür öffnete, ging im selben Moment hinter mir die Badtür auf. Vor der Tür mein Dad, hinter mir Jared, klatschnass und wie Gott ihn schuf. Verdutzt sah mein Dad mich an, mit großen Augen sah ich wieder hinter mich. „Da seid ihr ja.“ Grinste ich Jared an, ich wusste, er liebte meine Doppeldeutigkeit, schnell angelte er nach einem Handtuch. Die Gesichter der beiden verursachten einen Beinahe- Lachkoller. Dann wurde das Gesicht meines Dads ernst.
„Kann ich dich bitte mal sprechen.“ Oh, oh der war wieder mal angepisst, so wie er die Worte betonte und da hatte ich gar keinen Bock drauf. „Is´grad schlecht, kannste dir wohl denken, dass ich beschäftigt bin.“ Ich nickte in Jareds Richtung, der verzweifelt grinsend, mittlerweile mit Handtuch, noch immer in der Tür des Bades stand. „Vielleicht später.“ Murmelte ich, warf die Tür wieder zu und verschränkte die Arme vor der Brust. „Meinste, mein Dad wird dich irgendwann mal angezogen zu Gesicht bekommen?“ Er zog ´ne doofe Fratze, ich marschierte kichernd wieder zum Bett und kuschelte mich erneut hinein. „Vielleicht würde er dann nicht immer so gucken, als würde ich Schweinereien mit seinem Töchterchen anstellen. Ich Böser ich!“ Schalt er sich selbst und warf sich neben mich. „Niemals, so einer bist du doch nicht.“ Grinste ich mit geschlossenen Augen. Er begann eine Strähne meiner Locken zu zwirbeln und zu allem Überfluss kitzelte er mich damit der Nase. Ich versuchte ihn zu verscheuchen wie eine lästige Fliege. Dann warf er sich auf mich, nass wie er war. Ich blinzelte ihn an. „Aber sonst geht ’s dir gut?“ Keuchte ich schwer atmend. Er grinste breit wie ein Honigkuchenpferd und nickte. „Es könnte gar nicht besser sein.“ Gespielt theatralisch faste ich mir an die Stirn und hielt den Atem an, in der Hoffnung er würde sich von mir rollen, aber er kicherte nur leise.
„Ich weiß, was du und ich heute Schönes machen.“ Nuschelte er, bedeckte meinen Hals mit kleinen Küssen und ich schloss die Augen. Laut ließ es mich seufzen. „Jaaaa, jetzt bekomme ich eine Ahnung.“ Und reckte mich ihm ein Stück entgegen, als er plötzlich seine kleinen Avancen einstellte. Gekünstelt räusperte ich mich, sah ihn mit einem Auge an und bog den Kopf nach hinten. Als er im selben Moment auf sprang. „Zieh dich an, wir fahren nach La Push.“ Mit einer Hand winkte ich und zeigte auf meinen Hals. „Willste hier nicht erstmal zu Ende bringen, was du angezettelt hast?“ Säuselte ich verführerisch. Noch einmal beugte er sich über mich und machte da weiter wo er gerade aufgehört hatte. „Später gibt ’s mehr.“ Flüsterte er und wollte sich anziehen. „Spielverderber.“ Murmelte ich, drehte mich auf den Bauch und drückte das Gesicht ins Kissen. „Na komm schon.“ Trieb er mich an, legte seine Hände auf meinen Hintern und schüttelte mich durch. Ich hörte mich an wie ein Lachsack auf Speed. Als er dann endlich von mir ließ, stand ich auf und trabte ins Bad. Mit Zahnbürste und zwei Zentnern Schaum im Mund stand ich vor dem Spiegel.
„Nimm dir ma´Plünnen für den Strand mit.“ Rief er durch die geschlossene Tür. Ich murmelte unverständliches Zeug, die Tür ging auf. „Häää?“ Grinsend sah er drum herum. Dann nickte ich einfach nur, er würde doch nichts verstehen. Schnell gewaschen und die Haare hoch getüddelt, jetzt musste ich mich nur noch anziehen.
Ich wühlte mir Klamotten, den Bikini und ein paar Handtücher aus dem Schrank und warf sie aufs Bett. Meine Schlafklamotten glitten auf den Boden. „Wow, Peepshow.“ Rief Jared vom Sofa und pfiff auf den Fingern. Kurz sah ich über meine Schulter und wackelte lachend mit dem Hintern. Was ihn natürlich veranlasste, aufzustehen und näherzukommen. Zwar hatte ich den Bikini soweit an, aber Jared nestelte an dem Verschluss des Oberteils herum und küsste meine Schulter. „Wenn du so weiter machst, kommen wir heute nicht mehr nach La Push.“ Flüsterte ich und legte den Kopf zurück. „Ich muss noch was erledigen.“ Murmelte er. Schnell drehte ich mich zu ihm und verdutzt sah er mich an. „Dann lass das jetzt.“ Tadelte ich ihn und widmete mich wieder meinen Klamotten. Er zog ´ne Fratze, dafür schubste ich ihn, was nur wenig ausrichtete. Nachdem ich vollständig angezogen war, packte ich eine Tasche und warf alles hinein, von dem ich dachte wir könnten es am Strand gebrauchen.
Jared stand kopfschüttelnd neben mir und fand, dass die Hälfte völlig überflüssig wäre. „Wo bleiben wir heute Abend? Wegen Klamotten?“ Fragend sah ich ihn an. „Ja pack ma´ ein, ich denke bei mir.“ Schnell holte ich eine weitere Tasche hervor und plünderte den Kleiderschrank. Jared hing mit dem Kopf über der Schublade mit meiner Unterwäsche. „Pack das ein.“ Säuselte er im inbrünstigen Ton der Überzeugung. Er hielt eine dunkelrote Spitzencorsage in Händen und der passende String hing über seinem Handgelenk. „Von mir aus.“ Lachte ich und er ließ sich nicht lang bitten. Ruck zuck verschwand es in der Tasche und er fand noch mindestens fünf andere Teile, von denen er überzeugt war, dass wir keine Nacht ohne sie überstehen würden. Es ließ mich den Kopf schütteln, wie er fröhlich vor sich hin summend diese Schublade durchpflügte und total selig schien. Mittlerweile platzte die Tasche fast aus allen Nähten. „Meinst du nicht, dass es für eine Nacht ein bisschen übertrieben ist?“ Mit gerunzelter Stirn sah ich Jared an. „Dann bleibste eben länger.“ Trällerte er, schnappte sich die Taschen und marschierte zur Tür hinaus. Ich zuckte mit den Schultern, nahm den Autoschlüssel und trabte ihm nach.
Wenn ich schon dachte er wäre dem Himmel nahe, als er durch meine Unterwäsche schnüffelte, stellte sein jetziger Gesichtsausdruck alles vorherige in den Schatten, ich überließ ihm den Wagen. Fast war ich mir sicher, er würde ausflippen, konnte sich aber gerade noch zurückhalten. Breit grinsend sah er mich an und schob sich die Sonnenbrille auf die Nase und er sah so verboten heiß aus, ahhh Kopfkino. Mit vorgeschobenen Lippen, kniff ich ihm ein Auge zu, dann kam auch meine Sonnenbrille zum Einsatz. „Ich mach dich lang.“ Knurrte er gespielt. „Hmmm, später.“ Er ließ den Wagen an und legte den Kopf nach hinten. „Unser Übereinanderherfallen ist ja kaum zu übertreffen, aber dass hier......“ Seufzte er hingebungsvoll. „Es sei dir verziehen.“ Gab ich großmütig von mir. „Wird das heute noch was?“ Drängelte ich im selben Atemzug. „Immer mit der Ruhe, das muss ich genießen.“ Hauchte er und ich glaubte, er hatte die Augen geschlossen, Männer und ihre Spielzeuge. Nach einer gefühlten Ewigkeit legte er endlich den ersten Gang ein und fuhr los.
Noch immer war mein Gemütszustand ein bisschen in Mitleidenschaft gezogen, aber ich wollte es nicht totquatschen und so hielt ich die Klappe, es würde die Zeit kommen und ich würde schmunzelnd daran zurückdenken.
Wenn Jared anfänglich noch etwas schüchtern aufs Gas trat, wurde es nach der Hälfte der gefahrenen Strecke besser und er trat ordentlich drauf. Wir waren kurz vor unserem Zie,l als ich auf der rechten Seite Kenai sah. Er runzelte die Stirn und sah angestrengt in das Auto, sein Blick verfinsterte sich zusehends. Dann fuhr er sich mit einem Finger an der Kehle entlang. Böse erwiderte ich seinen Blick. „Meint er dich oder mich?“ Murmelte ich. „Der meint mich.“ Gab Jared lässig zurück. Überrascht sah ich ihn an und die Erklärung folgte prompt. „Tima ist seine Cousine.“ Ich fasste mir an die Stirn und schüttelte den Kopf. „Warum lässt man sich mit der Verwandtschaft des Teufels ein?“ Fragte ich entgeistert und sah ihn mit großen Augen an, doch er zuckte nur mit den Schultern. Er bog in die Straße und und parkte kurz drauf vor dem Eingang seiner Wohnung. Ich stieg aus und warf mit Schwung die Tür zu. „Wird er dir was auf die Mappe hauen?“ Kenai traute ich alles zu. „Ich denke.“ Sagte Jared und war die Ruhe selbst. Wenn ich wüsste, dass Kenai mir an die Wäsche wollte, würde ich nie wieder aus meinem Haus kommen, doch Jared schien da etwas schmerzfreier. Immer hin war er auch kein Waisenknabe. Die Strandtasche nahm ich aus dem Kofferraum. „Ich zieh mich schnell um.“ Murmelte er, als er meine Stirn küsste. „Ich geh' schon mal vor.“ Kniff ihm in den Hintern und machte mich kichernd vom Acker, damit ich nicht auch noch etwas abbekam. „Bis gleich.“ Trällerte ich, er fuhr mit einer Hand über sein malträtiertes Hinterteil und schloss die Haustür hinter sich.
Aus einiger Entfernung sah ich die anderen. Leah und Sam turtelten im Wasser herum, Paul und Jake lagen faul auf ihren Handtüchern und brieten in der Sonne. Auf leisen Sohlen schlich ich näher, nahm noch eine Hand voll Wasser mit und warf sie auf Jake und Paul. Die hochschossen, als hätte sie der Blitz getroffen. „Guten Morgen, meine Damen.“ Verarschte ich sie zusätzlich. „Du glaubst gar nicht, wie froh ich bin dich zusehen!“ Schnaufte Paul, lächelnd kniff ich ihm ein Auge zu. „Hast mir schön den Abend versaut.“ Maulte Jake und sah mich etwas zerknittert an. „Ja Jake, scheiß Weiber.“ Pflichtete ich ihm gespielt bei. Kramte mein Handtuch aus der Tasche und breitete es neben ihm aus, dann schlüpfte ich aus meinen Klamotten und wollte ich niederlassen.
„Heiß, heiß Linn!“ Schäbig grinste Jake und hielt sich eine Hand über die Augen, damit er was sah. „Sieh' s dir gut an, da wirst du nie rankommen.“ Foppte ich ihn und drehte mich zur Demonstration im Kreis. Ich stockte, als Sam hinter mir stand und hinterlistig grinste. „Da bist du ja.“ Er breitete seine Arme aus, die sich nass und verdammt kalt um mich schlossen. Stocken zog ich die Luft ein. „Gott, bist du kalt.“ Schnatterte ich, noch bevor ich die Worte ganz ausgesprochen hatte, drehte er sich um und gab Kitt. Kalt schlugen die Wellen hoch. „Sam, nein!“ Schrie ich und zog die Beine hoch. Als ihm das Wasser fast bis zum Bauch reichte, blieb er stehen. Ein Stück entfernt sah ich Leah und winkte ihr, sie strahlte übers ganze Gesicht. Etwas ängstlich sah ich zurück zu Sam, sein Grinsen würde breiter, dann holte er aus und warf mich gefühlte fünfhundert Meter weit. Das Wasser war eiskalt, so dass das Luftholen zum Problem wurde. Auf Rache sinnend reckte ich die Faust in die Luft. Dann sah ich, dass er auf mich zu schwamm und ich versucht, schnell weg zukommen.
Aber hektisches Schwimmen war noch nie von Erfolg gekrönt und ruck zuck hatte er mich eingeholt. Doch hatte ich keine Lust, den Möwen noch mal Konkurrenz zu machen, drehte mich in seinen Armen und klammerte mich mit den Händen an seinen Hals und mit den Beinen um seinen Bauch. „Willste kuscheln?“ Lachte er lauthals. „Besser als geworfen zu werden.“ Beschwerte ich mich. Jetzt, etwas vorsichtiger umarmte er mich erneut. „Mach' mir nie wieder so eine Scheißangst.“ Flüsterte er dicht an meinem Ohr. Energisch nickte ich, dann sah ich ihn an. „ Es tut mir leid.“ Schuldbewusst senkte ich den Blick und unsere Umarmung wurde ein bisschen fester. Meine Wange schmiegte ich an seine und ließ mich einmal mehr von ihm halten. Kalte Hände legten sich auf meine Schultern. „Ich bin so froh, dich zusehen.“ Flüsterte Leah und küsste meine Wange. Etwas sah ich zur Seite und sie an, vorsichtig nickte ich. „Sind wir jetzt ein flotter Dreier?“ Kicherte sie und klammerte sich von der anderen Seite an Sam. „Zwei packt der nicht.“ Lachte ich zurück und Sam zischte abfällig. „Wenn ihr wüsstet.“ Leah sah ihn von der Seite an. „Hast du mir irgendwas zu erzählen?“ Grinsend schüttelte er den Kopf. „Nö.“ Ich ließ ihn los, wenn auch nur widerwillig, er war so schön warm.
Jared kämpfte sich mit lustigen Geräuschen ins Wasser, dicht gefolgt von Jake, der sich eben so anstellte. Finster grinsend schwamm ich auf ihn zu. „Alter, is´das kalt.“ Fluchte er und versuchte, den Wellen auszuweichen, mehr oder weniger erfolgreich. Er sah mich an und seine Augen weiteten sich, er schien mich zu durchschauen. „Denk' nicht mal dran.“ Bölkte er verzweifelt, als er den ersten Rutsch Wasser abbekam. „Ohhh, warte ab.“ Mit einem Kampfschrei warf er sich in die Wellen. Kichernd versuchte ich ihm auszuweichen und er hatte mehr Probleme, mich zu erwischen. Aber schlussendlich grapschte er mein Bein und zog mich heran. Fest drückte er mich an sich, er war so warm, dass mir eine Gänsehaut über den Rücken jagte und mich schüttelte. „Du hast Geräusche wie ein Mädchen gemacht.“ Flüsterte ich. „Ich bin aber keins.“ Säuselte er und um mich davon zu überzeugen, fasste ich ihm in den Schritt. Er gluckste und zog eine Augenbraue hoch. „Stimmt.“ Lachte ich dreckig und brachte ihn auf Gedanken. Er fasste mich an den Oberschenkeln und drückte mich gegen sich. Tief holte er Luft und schloss für einen Moment die Augen. Ich legte mich aufs Wasser und schloss auch die Augen. Eine seiner Hände fuhr über meine Lenden zu meinem Bauch und wieder zurück. Es ließ mich blinzeln. Ich verschränkte meine Beine hinter seinem Rücken, er fasste meine Hände und zog mich hoch. „Wie wärs, du und ich hier......“ Seine Lippen glitten meinen Hals entlang und eigentlich hätte ich nichts dagegen.
„Boah, hab ihr noch was anders im Kopp?“ Raunzte Jake ein Stück entfernt. „Keinen Neid, Black.“ Nuschelte Jared. „Wo ist deine Kotzeule?“ Seufzte ich, da Jared immer noch erfolgreich meinen Hals bearbeitete. „Geh mir wech mit der. Die ist nicht einsatzfähig. Hat ihre Tage oder so ´n Scheiß.“ Knurrte Jake und war sichtlich angepisst. Es war mal wieder kaum zu fassen, wie er sich über die Damenwelt äußerte, auch schien es ihn kein Stück zu stören, wie ich sie betitelte. „Du bist so ein Idiot.“ Stöhnte ich leise. „Aber ein ziemlich scharfer.“ Gab Jake schnalzend zurück. „Habt ihr was dagegen, wenn ich mich einklinke?“ Fragte er, wie selbstverständlich. Jared stellte seine wundervollen Versuche ein und sah ihn bitterböse an. „Sieh zu, dass du weg kommst, sonst schluckst du gleich, Wasser!“ Jake runzelte die Stirn. „Ich kann ziemlich lange die Luft anhalten.“ Schäbig grinste er und wackelte mit den Augenbrauen. Einen Moment brauchte ich ehe ich verstand was er meinte, dann ließ es mich kichern. „Kannst du das auch?“ Säuselte ich Jared ins Ohr. Verständnislos sah er mich an. Ich biss ihm vorsichtig ins Ohr. „Wenn nicht, sollten wir das üben.“ Wieder ließ es mich kichern.
Leah und Sam waren wieder zurück am Strand und wärmten sich in der Sonne. „Hau' ab Jake. Wir haben zu tun.“ Stärkte ich Jared den Rücken. „Seid ihr spießig.“ Mit diesen Worten machte er sich tatsächlich vom Acker. „Endlich.“ Nuschelte Jared und küsste mich leidenschaftlich. Trotz des kalten Wassers wurde mir immer heißer. Mit seinen Berührungen schaffte er es wieder auf ein Neues, mir die Sinne zu rauben. Alles um uns schien zu verschwimmen, es gab nur noch ihn und mich. Einer der atemberaubenden Momente war immer, wenn die sanfte Plänkelei in wilde Leidenschaft überging und er ordentlich zugriff, egal wohin. Man das Gefühl hatte, die Luft würde knapp werden und der Schwindel einsetzte. Laute Stimmen drangen vom Strand zu uns, doch nahm ich sie nur durch den dumpfen Vorhang der Begierde war. Jared war noch nicht an dem Punkt angekommen, an dem alles andere egal war und er hob den Kopf. „Oh Scheiße.“
Keuchte er etwas außer Atem und hörte einfach auf, das zu tun, was er so gut konnte, mich um den Verstand bringen. „Hör' nicht auf.“ Stöhnte ich und zog sein Gesicht wieder zu mir. Ein letztes Mal küsste er mich, dann setzt er sich in Bewegung. Ich sah auf, was tatsächlich so wichtig wäre, das dass hier unterbrochen werden müsste. Sam, Paul und Jake hatten sich vor drei riesigen Typen aufgebaut. Mich beschlich ein ganz dummes Gefühl bei diesem Anblick. „Wer ist das?“ Murmelte ich, während Jared mich hinter sich herzog. „Cad, Gunray und Tano.“ Knurrte er. Zwar kannte ich jetzt ihre Namen, aber wieso, weshalb und warum sie hier waren, wusste ich immer noch nicht. Jared blieb abrupt sehen, verwundert sah ich um ihn herum. „Was ist?“ Fragte ich vorsichtig. Er schnaufte. „ Das Wasser ist nicht kalt genug.“ Er nickte in Richtung seines Schrittes. Wenn es in dieser Situation auch unangebracht war, musste ich kichern. Dann schwamm ich an ihm vorbei, das letzte Stück joggte ich aus dem Wasser und stellte mich hinter Sam.
Chapter 9
Misstrauisch beäugte ich die drei, doch sah ich auch immer wieder unauffällig in die Gesichter unserer Jungs, um in ihnen zu lesen. Ihre Blicke verhießen nichts Gutes und mir wurde ein bisschen mulmig. Einen Schritt ging ich zurück und stand neben Jake. „Wo ist Embry?“ Ich dachte, je mehr wir wären, um so besser. „Der is´shoppen, mit Mutti.“ Knurrte Jake und verdrehte die Augen. Na super, so wie es aussah gab es Lafka und er is´ mit Mama seinen Klamottenfundus aufbessern.
Mittlerweile trabte Jared aus dem Wasser und schien wieder geschmeidig. „Da kommt unser Mann.“ Raunzte der Größte der drei und nickte in Jareds Richtung. Bei seinen Worten war mir nicht nur mulmig, sondern mittlerweile speiübel. Er lief an mir vorbei und nahm seinen Platz zwischen Sam und Paul ein, neben dem auch Leah stand. Ich fand es immer wieder bewundernswert, sie war so ein kleines, zartes Persönchen, aber sie hatte Löwinnenmut. Da sollte ich mir mal ´ne Scheibe von abschneiden. Ich griff nach vorne zu Jareds Hand, die zur Faust geballt war, indem ich sie berührte, entspannte sie sich und langsam umschlossen seine Finger meine Hand. In einem Moment auf Krieg gedrillt, angespannt und stählern und in nächsten sanft, warm und beschützend.
„Na Mädels, was gibt' s?“ Knurrte Jared und trug nicht dazu bei, dass sich die Situation entspannte. Die Gesichter der drei Fremden verfinsterten sich zusehends. „Schöne Grüße von Kenai. Wenn er dich in die Finger bekommt, hast du es hinter dir.“ Ich schluckte hörbar, während es den anderen nur ein müdes Lachen abrang. War ich die Einzige, die das beunruhigte? „Schönen Gruß zurück, dann soll er sich sein Sonntagskleidchen anziehen.“ Jared trieb es echt auf die Spitze. Einer der Fremden knurrte und tat einen Schritt vor, Jared zog mit und meine Hand rutschte aus seiner. „Du wirst dich noch wundern.“ Zischte er. „Ich liebe Überraschungen.“ Knurrte Jared und so wütend hatte ich ihn noch nie erlebt. Ihre Blicke machten die Runde, als wollten sie sich die Gesichter der Anwesenden einprägen. Ohne ein weiteres Wort drehten sie sich um und gingen. Okay, ich war jetzt soweit, dass ich gut einen Eimer gebrauchen konnte. Sam schüttelte den Kopf. „Das wird hässlich, Jared.“ Eindringlich sah er ihn an. „Yap.“ Gab der zurück und alle ließen sich gemütlich auf ihren Handtücher nieder, als wäre nichts gewesen. Ich stand noch immer da und sah sie irritiert an. „Rey?“ Rief Jared und klopfte neben sich aufs Handtuch. Mit zusammengezogenen Augenbrauen sah ich ihn an. „Wir müssen hier weg, die wissen doch jetzt, wo wir sind!“ Bölkte ich und fasste mir leicht panisch an den Kopf. Ich verstand nicht, warum sie die ganze Show so kalt ließ. „Die kommen nicht wieder.“ Murmlte Jake und fuhr sich durch die Haare. „Die alten Kackfressen.“ Das war mal ein Statement. „Na komm schon.“ Jared streckte seine Hand nach mir aus und lächelte beruhigend. Zwar kam ich seiner Aufforderung nach, aber war ich aufs Schärfste angespannt und konnte die Stunden am First Beach kaum genießen.
Kurz schloss ich die Augen, als ich in einiger Entfernung ein Räuspern hörte, schoss ich wie eine Rakete hoch, dabei war es nur Embry, der strahlte wie der junge Morgen. Schnaufend ließ ich mich wieder zurück fallen. „Entspann dich, es ist alles gut.“ Murmelte Jared mit geschlossenen Augen, rollte sich auf die Seite und legte seine Hand auf meinen Bauch. Kurz winkte ich Embry, der sein Handtuch neben Leah ausbreitete, er kniff mir ein Auge zu und warf sich neben sie. Es blieb ruhig und nach und nach fiel die Anspannung von mir ab. Meine Hand lag auf Jareds und jetzt fand ich es wieder paradiesisch, das sanfte Rauschen der Wellen, der milde Wind und mein scharfer Feger neben mir.
In einiger Entfernung hörte ich verschiedene Motorengeräusche, dann das Zuschlagen von Autotüren, was mich aber nicht veranlasste, die Augen zu öffnen, bis ich Embrys Worte hörte. „Was wollen die denn hier?“ Knurrte er leise. „Und warum haben die abgesägte Baseballschläger dabei?“ Als hätte jemand einen empfindlichen Knopf gedrückt, schnellten wir alle in die Höhe. Ohne lang zu zögern schmiss ich mich, sowie auch alle anderen, in die Klamotten. „Wie viele sind es?“ Bölkte Jared, der sich gerade in seine Hose kämpfte. „Sieben oder acht.“ Rief Paul zurück und zog sein Shirt über den Kopf. „Das sind zu viele.“ Knurrte er und ich sah ihn entsetzt an. „Rey, guck nicht, gib Kitt!“ Sein Ton war ziemlich barsch.
Schnell schnappte ich meine Tasche, als Jake schon an uns vorbei schoss wie von der Tarantel gestochen. „Frauen und Kinder zuerst!!“ Schrie er, lachte total durchgeknallt und rannte weiter, es machte den Eindruck, es hatte für ihn einen völlig kranken Reiz. Jared grapschte meine Hand und zog mich mit soviel Schwung hinter sich her, dass ich mich fast gemault hätte. Es war gar nicht so einfach im Sand zu rennen. Kurz sah ich über meine Schulter. Sam und Leah rannten hinter uns, dahinter Embry und Paul neben Jared. Ich fragte mich echt, ob das wahr sein konnte. Hinter Sam, in einiger Entfernung, sah ich sie. Die würden uns platt machen, acht Typen breit wie Panzerschränke und geschätzte drei Meter groß, die auch alle Kniegas gaben. So wie die aussahen, wohnten sie in der Nähe eines Atomkraftwerks.
Jake flitzte links in den Wald und wir hinter her, der konnte genau so schnell rennen wie saufen. Das Blut rauschte in meinen Ohren, mein Herz raste und ich hatte eine Scheißangst. Jareds keuchender Atem neben mir und Sams hinter mir trugen zur Panik bei. Meine Lungen brannten und taten fies weh. Jake war verschwunden, keine Ahnung wo er abgebogen war, sein durchgeknalltes Lachen war alles, was wir von ihm noch hörten, ich war mir sicher, er imitierte Leonardo Di Caprio in The Beach, total durch. Fest klammerte ich mich an Jareds Hand und versuchte, mit ihm mitzuhalten.
„Wir teilen uns auf.“ Rief Jared den anderen zu, so schnell konnte ich gar nicht gucken, wie sie sich in sämtliche Himmelsrichtungen verteilten. Jared zerrte weiter an meinem Arm und ich merkte wie ich immer langsamer wurde. „Komm schon, die machen Hackfleisch aus uns.“ Bölkte er und sah mich gehetzt an, seine ruppige Art motivierte mich auf seltsame Weise und ich versucht erneut, meine Beine anzuspornen. Jared sprang über einen umgefallenen Baumstamm, den ich erst zu spät erkannte und ganz fürchterlich auf die Fresse fiel. Leise jammerte ich vor mich hin, während er mich schon wieder hochrupfte und weiterlief. Aber ich konnte nicht mehr, ich war echt am Ende. Keuchend ließ ich seine Hand los und blieb stehen, Jared fuhr herum. Doch sagte er kein Wort, er lauschte. In einigem Abstand hörten wir sie schnell näher kommen und hockten uns hinter einen der Bäume. Er sah mich an und legte einen Finger auf seine Lippen. Kurz nickte ich und gab ich zu verstehen, dass ich es kapiert hatte. Ich schloss die Augen und versuchte möglichst lautlos zu atmen, was sich als überaus schwierig erwies, wenn man gerade einen Sprint hingelegt hatte. Mit dem Rücken an den Baum gelehnt saß ich in der Hocke, Jared saß vor mir und sah mich eindringlich an, aber ich war mir fast sicher, dass er mich nicht wahrnahm sondern konzentriert lauschte. Die Geräusche entfernten sich schnell, dann war nur noch das Gezwitscher der Vögel zuhören.
„Hast du dir weh getan?“ Flüsterte er besorgt und strich über meinen Arm. Meine Angst wich und Wut machte sich breit. Zischend haute ich seine Hand weg und stand auf. „Du bist so ein verdammter Idiot.“ Fauchte ich, beugte mich etwas bedrohlich über ihn und um meiner Wut etwas Luft zu machen, schubste ich ihn. Unsanft fiel er nach hinten. „Es tut mir leid.“ Maulte er schuldbewusst und stand auf. „Wo lang?“ Grollte ich, da ich völlig die Orientierung verloren hatte. Langsam ging er mit hängendem Kopf vor, doch schlug er nicht den Weg ein, den wir kamen, zu groß war die Gefahr, dass unsere Widersacher die selbe Idee hatten. Ich ärgerte mich über mich selber, da ich meinem Gefühl misstraut hatte und das hier war das Resultat. Jetzt waren wir zum Abschuss frei gegeben, das Ziel von Kenai und Konsorten wäre, uns irgendwo zu erwischen und uns anständig was auf die Nuss zuhauen, wenn es dabei bliebe. Wenn er es nicht in den Ferien schaffen würde, hatte ich noch das Glück, mit ihm auf die selbe Schule zugehen, wie es dann weiter gehen sollte wusste ich nicht. Vielleicht sollte ich mit Jared zusammen nach New York gehen, dieser Gedanke war so reizvoll, dass er mich nicht wieder loslassen wollte.
Mit verschränkten Armen und Schmollmund lief ich hinter ihm her. Immer wieder drehte er sich um, ob ich auch nachkäme. Ich hatte schön den Hals auf ihn. Er ging langsamer und dann neben mir. Immer wieder sah er mich an und sein Blick bat um Entschuldigung. Etwas verhalten hielt er mir seine Hand hin, er war sich nicht sicher, ob ich sein schüchternes Angebot annahm, aber ausschlagen konnte ich es auch nicht, also griff ich zu und schnaufte. In einiger Entfernung hörten wir wieder Jakes hysterisches Lachen, das immer lauter wurde und keine zwei Sekunden später schoss er an uns vorbei.
„Is' der auf Speed? Oder Koks?“ Fragte ich Jared, runzelte die Stirn und irritiert sahen wir ihm nah. „Rennt!“ Schrie er über seine Schulter. Hinter uns knackten laut einige Äste, die unter Füßen zu bersten schienen. Toll, er hatte die ganze Bande im Schlepptau. Jared sah mich mit großen Augen an und wieder einmal durften wir um unsere Gesundheit rennen. Wenn ich Jake in die Finger kriegen würde, wäre er froh gewesen, die acht Typen hätten ihn erwischt. „Ich bring dich um, Black!“ Bölkte ich hinter ihm her. „Ich auch.“ Schallmeite es hinter uns. Jake stieß wieder dieses Lachen aus und es gab mir die Gewissheit, dass er seine letzten grauen Zellen im Alk ertränkt hatte, der hatte nur noch Matsche im Kopp.
Scheiße, der Feind hatte ziemlich weit aufgeholt. Eigentlich wollten sie Jared und ich war ihm in dieser Situation nur ein Klotz am Bein. „Ich kann nicht mehr.“ Keuchte ich völlig außer Atem und versuchte seine Hand los zulassen. Aber seine Finger waren so fest um meine geschlossen, dass es nahezu unmöglich war. „Lass mich los, sonst haben sie dich gleich.“ Bat ich ihn nach Luft ringend. „Bevor ich deine Hand loslasse, lasse ich mir lieber was auf die Mappe hauen.“ Knurrte er und riss mich weiter mit sich. Wie die Wahnsinnigen schossen wir aus dem Wald auf die Landstraße, in einiger Entfernung sahen wir Jake, der rannte wie der Teufel. Wir schlugen seine Richtung ein und ich motivierte mich mit dem Gedanken, wenn ich aufgeben würde, wäre es meine Schuld, das Jareds hübsches Gesicht zu Brei gehauen würde und das konnte ich nicht verantworten. Dieser Gedanke versetzte mich so in Angst, dass ich mühelos neben ihm her trabte und er mich nicht mehr mitschleifen musste. Überrascht sah er rüber, aber ich konzentrierte mich auf das Laufen und blendete den brennenden Schmerz meiner Beine aus. Ich war überrascht, wie weit wir durch den Wald gelaufen waren, die Strecke über die Landstraße war noch ziemlich weit bis wir wieder in La Push wären. Aber es half nix, Augen zu und durch.
Als wir kurz vor zu Hause waren, war bei mir definitiv Feierabend. Wir hatten sie abgehangen, aber für wie lange. Ich beugte mich vor und stützte mich auf meine Knie, es fühlte sich an als würde ich jeden Moment umfallen. Jared nahm meinen Arm und zog mich das letzte Stück nach Hause. Vor der Haustür sah er sich noch einmal prüfend um, dann schloss er auf. Ich taumelte ins Wohnzimmer, warf mich auf die Couch und blieb liegen. Jared ging ins Schlafzimmer, kurz drauf hörte ich ihn leise reden. Er schien zu telefonieren und sich bei irgendwem zu entschuldigen, aber wurde sein Ton schärfer. Dann kam er zurück ins Wohnzimmer, schob mich ein Stück zur Seite und legte sich neben mich. „Mit wem hat du telefoniert?“ Murmelte ich leise, mit immer noch geschlossenen Augen. „Tima.“ Antwortete er knapp. „Als würde das jetzt noch Sinn machen.“ Etwas zog ich den Mund breit und eine Augenbraue hoch, um meinen Unmut auszudrücken. „Es war einen Versuch wert.“ Rechtfertigte er sich und rutschte näher. Ein Klopfen an der Tür unterbrach unseren Versuch, etwas runter zukommen. Sofort hatte ich wieder einen Puls von hundertachtzig.
Jared sprang auf und schlich zur Tür. „Ja?“ Fragte er durch die geschlossene Tür. „Mach auf, ich bin' s.“ Er erkannte Embrys Stimme und kam seiner Aufforderung nach. Embry kam rein und sah genau so abgekämpft aus wie wir. „Ich bin echt froh, dass ihr noch lebt. Das sind Killermaschinen.“ Schnaufte er, rieb sich durchs Gesicht und setzte sich in einen der Sessel. Mit einem Auge blinzelte ich ihn an. „Ich muss sterben.“ Jaulte ich über meine schmerzenden Beine. „Keine Sorge, darum wird sich jetzt Kenai gekümmern.“ Murmelte Embry, zog ´n Flunsch und erwiderte meinen Blick. „Hast du Sam und Leah gesehen?“ Besorgt sah Jared Embry an. „Nein.“ Embry lehnte sich vor und er wurde unruhig. „Ich sollte sie suchen.“ Murmelte er gedankenverloren. „Denen wird schon nichts passiert sein.“ Versuchte Jared ihn zu beruhigen und wollte ihn nicht gehen lassen, zu groß war die Gefahr, wenn sie Embry erwischten, würden sie ihn in der Luft zerreißen. Wenig überzeugt sah er Jared an, schnaufte und lehnte sich resigniert zurück. „Was ist mit Jake?“ Laut zischte ich und fand es als Antwort ausreichend. „Hmm.“ Brummte Jared und sah zum Fenster hinaus. „Wenn man vom Teufel spricht.“ Er öffnete die Tür und Jake kam grinsend rein. „Das war total abgefahren.“ Lachte er. Meinen schmerzenden Beinen zum Trotz sprang ich auf, entschlossen und stinkwütend ging ich auf ihn zu. Ohne Vorwarnung holte ich aus und er kassierte eine schallende Ohrfeige.
„Wow.“ Entfiel es Embry bewundernd. „Jetzt wären wir wohl quitt.“ Böse funkelte ich ihn an. Mit einer Hand fuhr er sich über die Wange. „Du bist fast unwiderstehlich, wenn du wütend bist. Kann ich sie mir nicht mal ausleihen?“ Grinste er Jared an, doch erntete er nur abwertende Blicke. „Du bist nicht normal.“ Keifte ich und schlug mir leicht mit der flachen Hand vor die Stirn. Doch prallte es an ihm ab wie ein Spatz an Sicherheitsglas. Er zuckte nur mit den Schultern und setzte sich in den letzten freien Sessel. Im Wohnzimmer tigerte ich im Wechsel mit Jared auf und ab, die Sorge um Leah und Sam wuchs. Was wenn ihnen was passiert wäre? Klar, Sam war auch ein ordentlicher Kanten, aber gegen den muskelbepackten Strickverein kam auch er nicht an und Leah wäre ihm da keine große Hilfe. Immer wieder sah ich aus dem Fenster und hoffte, endlich durch ihren Anblick erlöst zu werden, vergebens. Angst hin oder her, wenn ihnen etwas zugestoßen wäre, während wir hier rum saßen, hätte ich es mir nie verzeihen können. Ich nahm mir Leahs Mut als Beispiel, vorsichtig öffnete ich die Tür und spähte hinaus. „Nein Rey, nicht!“ Versuchte Jared mich aufzuhalten und zog an meinem Arm. Energisch fuhr ich herum. „Was, wenn wirklich etwas schief gegangen ist?“
Unruhig sah er mich an, biss auf seiner Unterlippe herum und schien zu überlegen. „Jake, Embry? Kommt ihr mit?“ Langsam drehte er sich zu ihnen. Jake hätte man auch gut allein los schicken können, der war so durch, dass er ohne weiteres dem Tod lachend in die Arme gerannt wäre. Er konnte sich so einen Leichtsinn leisten, er konnte verdammt schnell laufen. Sie schnauften und erhoben sich, ich hatte einen Fuß in der Tür, als Jared mich zurück riss. „Du bleibst schön hier.“ Bestimmte er und sah mich durchdringend an. „Klar.“ Bitter lachte ich auf und versuchte seine Hand abzustreifen. „Das ist mein Ernst!“ Knurrte er und sah auch genau so aus. „Jemand muss hier bleiben, falls sie auftauchen. Dann rufst du mich an und wir kommen zurück.“ Er meinte es tatsächlich ernst. „Kann Embry nicht hier bleiben oder der Spinner?“ Jake schielte hingebungsvoll bei meinen liebevoll gewählten Worten. „Ich will dich in Sicherheit wissen, Rey.“ Jareds Blick wurde weich und sanft fuhr er mit der Hand über meine Wange.
Laut seufzte ich, trat einen Schritt zurück ins Wohnzimmer und machte den Weg frei. „Bis später, Frauchen.“ Flüsterte Jake, als er an mir vorbei ging. Mit dem linken Bein holte ich aus, trat ihm mit voller Wucht vor den Oberschenkel. „Die is´aber auch ein Biest.“ Beschwerte sich Jake, während Jared die Tür zuwarf. ´Blödes Arschloch´, murmelte ich vor mich hin und verfiel in den selben Trott wie gerade, auf und ab im Wohnzimmer.
Sie waren schon über eine Stunde weg, ohne dass ich etwas von ihnen gehört hatte. Wenn Jared mich auch eindringlich bat, hier zu bleiben, war das Maß voll. Ich konnte nicht länger hier herum sitzen und hoffte, wenn Sam und Leah hier tatsächlich aufschlugen, sie selber auf die Idee kämen und anriefen. Mit Schwung öffnete ich die Tür und trat heraus, angespannt sah ich mich um. Niemand war zusehen, weder die Guten noch die Bösen. Mein Magen rumorte und ließ mich wissen, was für eine Scheißidee ich verfolgte, aber das tat nichts mehr zur Sache. Langsam ging ich wieder in Richtung des Strandes, noch immer standen in einiger Entfernung die Autos des Kampfgeschwaders, also waren sie noch hier, irgendwo.
Misstrauisch beäugte ich es, ich ließ meinen Blick schweifen, dann hörte ich, wie hinter mir eine Autotür zugeschlagen wurde. Erschrocken wirbelte ich herum und sah Kenai, der mit bösem Blick langsam näher kam. So und jetzt war guter Rat teuer. Er war auch ´ne Granate, ließ seine Lakaien die Drecksarbeit machen, während der gnädige Herr im Auto wartete. Es bestätigte mal wieder das Bild, dass ich von ihm hatte. Schnell ging ich weiter. „Hey!“ Rief er mir nach und seine Stimme klang drohend. „Bleib stehen.“ ´Ja, genau´, dachte ich sarkastisch und verfiel in einen leichten Laufschritt in die Richtung, aus der ich kam. Doch wollte er sich die Chance, die sich ihm hier bot, die fast einladend einfach erschien, nicht durch die Lappen gehen lassen und er wetzte los. Ich bereute, dass ich nicht auf Jared gehört hatte, der Typ konnte Jake Konkurrenz machen. Wenn ich auch alles daran setzte ihm zu entkommen, so war es nicht von Erfolg gekrönt. Sondern nur ein äußerst bemitleidenswerter Versuch, Jared nicht noch tiefer in die Scheiße zu
reiten.
Grob packte er meinen Arm und riss mich herum, ich hatte Schwierigkeiten mich auf den Beinen zuhalten. „Wo willst du denn hin?“ Schnaufte er und begann, mich hinter sich her zu schlörren. Fest schlug ich auf seine Hand und versuchte mich zu befreien, was er noch nicht mal zur Kenntnis nahm. „Lass mich los.“ Keifte ich zig Mal, müde belächelte er mich. In einiger Entfernung sah ich Jake aus dem Wald schießen, in fast schon gewohnter Manier gepardenartig. Laut brüllte ich seinen Namen und tatsächlich rannte er in unsere Richtung. Kenai blieb stehen und sah verwundert zu, wie Jake immer näher kam. Jetzt schossen Embry, Jared, Leah und Sam aus dem Wald, mir fiel ein Stein vom Herzen, dass sie augenscheinlich noch alle lebten.
Weiter versuchte ich meinen Arm zu befreien, um den Kenais Hand sich wie eine Schraubzwinge geschlossen hatte. Noch nie war ich so froh, Jake zu sehen, sein Ausdruck war konzentriert und angsteinflößend. Würde ich ihn nicht kennen, wüsste ich nicht vor wem ich in diesem Moment mehr Angst hätte. Schnell kam er näher, ich wusste nicht ob es Intuition oder eine göttliche Eingebung war, aber ich versuchte den Abstand zu Kenai so groß wie möglich zu halten. Ich sah zu Jared, er konnte nicht glauben, dass ich Kenai ins Netz gegangen war, verständnislos schüttelte er den Kopf. Erst dachte ich Jake würde vorbei laufen, was ich ihm ohne weiteres zugetraut hätte, dann aber ballte er die Faust. Ich drehte den Kopf weg und hörte nur ein befriedigendes Knacken. Kenai ließ meinen Arm los und fiel rückwärts in den Dreck. Entsetzt starrte ich ihn an, das Blut schoss aus seiner Nase wie aus einem Hochdruckreiniger und hatte in Sekunden den weißen Kragen seines Shirts dunkelrot gefärbt. Wie erstarrt stand ich vor ihm und konnte mich nicht bewegen. „Komm Schönheit, gib Gas.“ Knurrte Jake und zog mich hinter sich her. Hinter mir brach Geschrei aus, Kenais Lakain hingen immer noch an den Hacken der anderen.
„Wohin?“ Keuchte ich und mit Jake mitzuhalten war ein Ding der Unmöglichkeit. Aber seine Hand hielt meine ganz fest, auch antwortete er mir nicht. Sein Einsatz hatte mich doch ziemlich beeindruckt, so viel Schneid hätte ich ihm niemals zugetraut. Jetzt liefen wir in die andere Richtung den Strand entlang, ich wusste nicht, wo er hin wollte. Zu unserer rechten türmten sich die Felsen in schwindelerregende Höhe, dort kämen wir nicht hoch, somit blieb uns nur, weiter geradeaus zu laufen oder das Meer. Doch da ich weder ein Fisch noch Arielle war, fiel das flach. Nachdem wir einiges an Entfernung hinter uns gebracht hatten, stoppte Jake abrupt. „Los, rein da.“ Er nickte zu den Felsen, es war eine ziemlich schmale Spalte. „Da pass ich nicht rein.“ Protestierte ich, doch mit Jake konnte man nicht reden. Er schob mich näher ran. „Wenn ich da rein passe, dann du erst recht.“ Flüsterte er, sein Ton wurde verständnisvoller, aber seine Hände schoben mich gnadenlos weiter. Wie es aussah, hatte er sich hier schon öfters versteckt, vielleicht vor wütenden Ex- Geliebten oder Alice Schwarzer. Ich orgelte mich durch den Spalt, er folgte mir. Doch bot es kaum Platz, er quetschte sich rein, so dass meine Nase fast auf seiner Brust hin. Noch immer hob und senkte sich sein Brustkorb schnell, mit jedem Atemzug drückte er mich gegen den kalten Felsen. Angespannt lauschten wir, doch war nur das sanfte Rauschen der Wellen zuhören. Gut, dass ich nicht unter Platzangst litt und wenig Probleme damit hatte, anderen so nah zu kommen. Hörbar atmete ich aus und sah zu ihm auf.
Erst ging sein Blick nach draußen, dann sah er mich an und grinste. „Kuschelig hier.“ Eine Augenbraue zog ich hoch. „Hätt' nicht gedacht, dass wir uns mal so nah kommen.“ Flüsterte ich, aber eigentlich war es mir scheißegal, mit wem ich hier eingepfercht war, Hauptsache wir kamen irgendwie davon. Angespannt sah ich wieder aus dem schmalen Schlitz. „Jake, nimm die Finger weg.“ Knurrte ich leise, als seine Hände langsam meine Hüften auf und ab wanderten. Während ich ihn warnend ansah, überlegte ich, wo die anderen abgeblieben waren. Stimmen rissen mich aus meinen Gedanken, fremde Stimmen. Vor Angst hielt ich den Atem an und sah wieder hinaus, Jake hatte nichts besseres zu tun, fuhr mit seiner Hand über meine Wange und betrachtete mich. Vereinzelt sah ich einige von Kenais Lakaien vorbei gehen. Jake drehte mein Gesicht mit der anderen Hand zu sich, sein Blick war nicht zu deuten. Langsam neigte er sein Gesicht zu mir. „Ich warne dich.“ Hauchte ich, um möglichst wenig Krach zu veranstalten. „Was willst du machen? Schreien?“ Er grinste fett. Aber im selben Moment wich sein Grinsen, sein Blick wurde sanft, fast liebevoll. Ich beäugte wie er seinen Kopf ein bisschen schräg legte und dann seine Lippen auf meine. Romantisch, wie ich in dieser Situation war, glotzte ich ihn angesäuert an und machte keine Anstalten seinen Kuss zu erwidern. In dem Moment kam auch nur Jake auf so eine Idee. Wenn seine Lippen warm, weich und einladend meine bearbeiteten, so hätte ich ihm am liebsten den Kopf abgerissen, da er die Situation so schäbig ausnutzte.
Er merkte, dass ich nicht vorhatte, drauf einzusteigen, darum setzte er dem Ganzen die Krone auf. „Ich hab dir grade das Leben gerettet.“ Flüsterte er, öffnete die Augen und sah mich mit seinem 1-A Schlafzimmerblick an. Er versuchte mich tatsächlich gerade zu erpressen. „Du bist so ein verdammtes Arschloch.“ Fauchte ich und hätte ihm am liebsten das Gesicht zerkratzt, wenn mein Knie ein bisschen mehr Spielraum gehabt hätte, wäre seine Familienplanung genau in diesem Moment abgeschlossen. „Na komm schon, es wird keiner erfahren.“ Versuchte er mich rumzukriegen. Tief holte ich Luft und schüttelte etwas den Kopf. „Du hast mich schon mal geküsst.“ Wie nett von ihm, dass er mich daran erinnerte. „Und?“ Böse sah ich ihn an. Seine Händen hielten mein Gesicht nach wie vor. „Sag mir nicht, es hat dir nicht gefallen.“ Würde ich nein sagen, würde ich lügen, so sah ich einfach nur an ihm vorbei. „Dachte ich mir.“ Grinsend nickte er. Wenn ich ihn jetzt wieder ansah, betrachtete ich sein Gesicht genau. Es war kein Wunder, dass er die Mädels reihenweise abschleppte. Er hatte ein wirklich schönes Gesicht, ebenmäßig und makellos. Schöne braune Augen, die etwas Geheimnisvolles bargen und sein Mund war wohl geformt.
„Warum hast du eigentlich kein Problem damit, die Freundin deines Freundes anzugraben?“ Ich versuchte tatsächlich, an seine Vernunft zu appellieren, da ich merkte, dass mein Widerstand schwand. „Man lebt nur einmal.“ Hauchte er und näherte sich mir erneut. Ich schloss die , um die Abwehr aufrecht zuhalten, dass er mich nicht weiter so ansehen konnte und meine Entschlossenheit weiter ins Wanken geriet. „Und wenn ich dich bitte, es nicht zu tun?“ Flüsterte ich, bevor er mich erneut küsste. Ich konnte fühlen wie er stockte, mit einem Auge sah ihn wieder an. Er hatte die Stirn gerunzelt. Wäre es tatsächlich so einfach, ihn von seinem Plan abzubringen, indem man ihn einfach nur darum bat?
Er wandte sein Gesicht ab und sah hinaus, ich war völlig überrascht, dass er es nicht ein weiteres Mal versuchte. „Danke.“ Flüsterte ich. „Man nennt mich auch Mutter Theresa.“ Knurrte er, es widerstrebte ihm merklich, dass er nicht ans Ziel kam, aber er schien es wirklich zu akzeptieren, dass ich es nicht wollte und das hatte wieder eine Anziehung auf mich. Kurz küsste ich seine Wange, er schloss die Augen und genoss diese kleine Zuwendung. Sein Ausdruck sah etwas gequält aus, als sehnte er sich nach genau dieser Zuneigung, die auf Gegenseitigkeit beruhte. Er tat mir tatsächlich leid. Laut seufzte er und ließ die Hände sinken. Es war das erste Mal, dass er Schwäche zeigte, aber fragte ich mich im selben Moment ob es nur Show war und er so an mein Helfersyndrom appellierte oder er endlich mal er war. Ich fragte mich, was ihm widerfahren war, dass er so ein Ekel geworden war, denn so wurde niemand geboren und so konnte kein Charakter von Natur aus sein. Jetzt lauschten wir beide wieder angestrengt, in der Ferne hörten wir immer noch ihre Stimmen und konnten uns noch nicht wieder aus unserem Versteck wagen. Aber dass sie hier herum liefen machte uns klar, dass sie keinen von uns erwischt hatten, diese Schlussfolgerung erleichterte mich. Jake und ich schnauften fast im selben Moment. Er sah sich um. „Ich sehe was, was du nicht siehst und das ist grau.“ Kicherte er leise. Ich zog ein dummes Gesicht, ließ mich aber nicht auf sein Spielchen ein. „Na komm schon du alte Spielverderberin.“ Maulte er. „Aber sonst hast du keine Sorgen.“ Wieder verfiel ich in meine gewohnte Unfreundlichkeit ihm gegenüber. Der Felsen, an den ich gepresst war, war so kalt, dass es mich schaudern ließ. Jake grinste verstohlen und sah nach oben.
„Ich hoffe du hast ´ne Rolle Kleingeld in der Hosentasche, sonst schreie ich gleich lauthals.“ Fauchte ich und er prustete los. „Die hab ich immer mit, wenn ich auf der Flucht bin.“ Angewidert verzog ich das Gesicht und er wackelte, so gut es ging mit dem Hintern. „Ich kotz´ gleich, wenn du nicht auf der Stelle damit aufhörst.“ Er seufzte, schloss die Augen und konnte es einfach nicht lassen. Ich hatte die Schnauze voll und zwängte mich an ihm vorbei zurück in die Freiheit. „Bleib hier, bist du wahnsinnig?“ Flüsterte er und begann, das in seiner Hose zu ordnen. „Lieber lasse ich mir was von denen auf die Fresse hauen, bevor du es dir hier an mir besorgst.“ Er grapschte nach meinem Arm und hielt mich fest. „Wow, du bist echt spießiger als ich gedacht hätte.“ Das musste ich mir von ihm nicht sagen lassen, wenn es eines gab was ich garantiert nicht war, dann spießig.
Mit dem Kopf und dem Arm, den Jake festhielt, steckte ich noch immer in dem Versteck, als mir jemand mit Schwung auf den Hintern haute. „Ahhh.“ Krähte ich und es hallte in der kleinen Höhle und Jake sah mich irritiert an. „Jetzt lass mich los.“ Knurrte ich ihn an, dann gab er endlich meinen Arm frei. Wild entschlossen wirbelte ich herum und hielt schützend meine Fäuste vors Gesicht. Jared sah mich verständnislos an und hatte seine Arme vor der Brust verschränkt. „Kannst du mir mal sagen, warum du nicht im Haus geblieben bist?“ Raunzte er ziemlich sauer. „Freiheitsdrang?“ Murmelte ich etwas kleinlaut. Schnaufend marschierte er los und ich hinter ihm her. „Ich war mit Jake in einer Felsspalte eingesperrt. Kannst dir wohl denken, das dass kein Spaß war.“ Schnaufte ich. „Wer nicht hören kann.....“ Er ließ den Satz unbeendet stehen. Na super, mit ein bisschen mehr Mitleid hatte ich schon gerechnet. Jake hatte nur auch das Versteck verlassen und joggte zu Jared. „Verluste oder Tote?“ Fragte er und sah sich kurz um. Jared schüttelte den Kopf. „Die sind weg.“ Schaufte er.
Tatsache, die Autos waren verschwunden und für den Moment schien alles wieder sicher zu sein. Leah, Sam und Embry saßen auf den Verandastufen vor Jareds Haustür und sie schienen unverletzt. Jake setzte sich auf die oberste Stufe, ich blieb neben Jared stehen und ich sah ihn reumütig an. Vorsichtig griff ich nach seine Hand, verzeihend schloss sie sich um meine. Froh, dass er nicht nachtragend zu sein schien, schnaufte ich hörbar. „Was machen wir jetzt?“ Fragte Embry und ließ seinen Blick in die Runde schweifen. Alle schienen ratlos über die Situation. Dann hatte ich eine völlig hirnverbrannte Idee und sprach es aus, bevor ich überlegt hatte. „Sie wissen, wo ihr wohnt.“ Stellte ich fest, einheitliches Nicken war die Antwort. „Aber sie wissen nicht, wo ich wohne.“ Gesichter, die nicht verstanden, sahen mich an. „Los, zack. Taschen packen und ab gehts.“ Jared sah mich verwundert an und der Rest auch. „Habt ihr ´ne bessere Idee?“ Überlegend sahen die Anwesenden sich an. „Ich geh packen.“ Trällerte Leah und sprang auf. Nach und nach konnten sich auch die anderen dazu durchringen, wenn sie nicht gerade zu Klump gehauen werden wollten, hatten sie keine Wahl.
Nachdem sich alle aufgemacht hatten, gingen auch Jared und ich rein. Er lief direkt ins Schlafzimmer und stopfte ein paar Klamotten in einen Rucksack. Ich stand dicht hinter ihm und fuhr mit den Händen über seinen Rücken. „Es tut mir leid.“ Flüsterte ich und drückte ihn an mich. Ich hörte ihn schnaufen, dann drehte er sich zu mir. „Weißt du, was ich für eine Scheißangst hatte?“ Anklagend sahen seine wunderschönen Augen mich an. Betroffen senkte ich den Kopf, mit seiner Hand hob er mein Gesicht ein Stück an. „Bist du dir sicher, dass du die ganzen Chaoten bei dir zu Hause haben willst?“ Eindringlich wurde sein Blick. „Sowas tut man doch für seine Freunde.“ Rechtfertigte ich mich leise. „Aber wo sollen du ich dann.....“ Er beendete seinen Satz nicht, was auch nicht nötig war, ich wusste was er meinte. „Dann sollten wir den Whirlpool einweihen.“ Hauchte ich grinsend, stellte mich auf die Zehenspitzen, küsste ihn und fuhr mit den Händen unter sein Shirt, als kleinen Vorgeschmack. „Unbedingt.“ Nuschelte er meinen Hals entlang.
Mit dem Rucksack in der Hand schloss er die Haustür ab und wir gingen schon mal zu Wagen. Immer wieder vergewisserten wir uns, dass nicht irgendwo der schwarze Schatten des Bösen auftauchte. Als Leah die Haustür zuwarf, wirbelten wir beide herum, man konnte schon sagen, dass wir etwas schreckhaft waren. In einiger Entfernung sahen wir Jake und Embry. „Is´Jake überhaupt nüchtern? Kann der fahren?“ Flüsterte ich zu Jared. „Der fährt besoffen besser als nüchtern.“ Murmelte er leise. Da ich schon einmal in den Genuss seiner fast nüchternen Fahrkünste kam, konnte es besoffen nur besser sein. Jetzt fehlte nur noch Sam.
Chapter 11
„Wo bleibt Sam.“ Nervös sah ich auf die Uhr und trat von einem Fuß auf den anderen. Je länger wir hier blieben um so größer wurde die Wahrscheinlichkeit, dass wir ihnen wieder über den Weg liefen. Vielleicht holten sie auch nur noch mehr Verstärkung, wer wusste schon was in diesen kranken Köpfen vor sich ging. „Da kommt er.“ Erleichtert atmete Jared aus, ihm war anzusehen, dass er es kaum erwarten konnte, hier weg zukommen. „Schwing dich rein, Digga.“ Bölkte Jake und winkte Sam zu sich. Großzügig nickt Sam. „Wenn die beiden schon so 'ne dicke Schleuder fahren, dann wollen wir doch auch standesgemäß cruisen.“ Er kniff uns ein Auge zu und ging zu den Garagen. Etwas neugierig verbog ich mir den Hals und versuchte, etwas zu sehen. „Jetzt pass ma´ auf.“ Grinste Jared, der mittlerweile neben mir im Auto saß, sein Blick in Sams Richtung gewandt. Die anderen stiegen aus Jakes Golf. Ein ohrenbetäubendes Röhren dröhnte aus der Garage und dann bekam ich Sam Schätzchen zu Gesicht.
Anmutig rollte ein Dodge Charger aus der Garage und ich glaube, mir klappte der Mund auf. „Wow.“ Kam es mir bewundernd über die Lippen. Ohne hinzusehen klappte Jared meinen Mund wieder zu. „Ich sitz´ vorne.“ Bölkte Jake und handelte sich von Leah einen Klaps gegen Hinterkopf ein. „Noch nicht mal in deinen wildesten Träumen.“ Lachte sie, öffnete die Beifahrertür und klappte den Sitz nach vorn, damit die restlichen Herren einsteigen konnten. Knurrend verzog Jake sich nach hinten. Sam grinste uns breit an und über mein dummes Gesicht musste er noch mehr lachen. Ich hielt ihm den ausgestreckten Daumen entgegen, er nickte und war stolz wie Bolle. „Wir sollten noch was einkaufen, ich habe nichts zu Hause, um alle satt zu bekommen.“ Murmelte ich leise und bewunderte noch immer diese Granate von Auto. Jared ließ das Fenster runter und rief es Sam zu, langsam setzten wir uns in Bewegung. „Der hat doch mindestens tausend PS.“ Sagte ich leise. „Tausendzweihundert.“ Verbesserte Jared mich beiläufig. Der würde mich stehen lassen ohne in den zweiten Gang schalten zu müssen.
Wir fuhren sehr gesittet die Straße nach Forks, wenn man bedachte, was für PS- Schleudern wir unter unseren Ärschen hatten. Sams Karre dröhnte so laut, dass ich tatsächlich das Radio lauter stellen musste, um noch etwas zu verstehen. Er bog geschmeidig auf den Parkplatz, wir hielten neben ihnen. „Die Kiste würde ich auch gerne mal fahren.“ Verliebt sah ich rüber. Jared lachte lauthals. „Vergiss es, der lässt keinen damit fahren.“ Mit einer hochgezogenen Augenbraue sah ich ihn an. „Lass uns wetten.“ Grinste ich. Siegessicher nickte Jared. „Darauf verwette ich meinen Arsch.“ Kurz überlegte ich. „Okay. Wetten wir um unsere Ärsche.“ Er schlug ein und wir besiegelten die Wette mit einem Kuss. Dann stiegen wir aus und folgten den anderen in den Laden. Jared griff mir an den Hintern. „Meiner.“ Grinste er überlegen. „Warts ab.“ Säuselte ich und wackelte vor ihm her.
Jake hatte schon mal einen Einkaufswagen besorgt, mit einem Fuß stand er auf der Querstange und mit dem anderen gab er Gas, wie bei einem Skateboard. Er schoss wild lachend an uns vorbei, durch bis zum Schnapsregal. „Na super.“ Flüsterte ich und sah vor meinem inneren Auge, wie Jake den Garten voll kotzte, obwohl, wenn es etwas gab was er nur widerwillig her gab, dann seinen heißgeliebten Alk. Wir packten etwas nicht alkoholisches ein, ein paar Tiefkühlpizzen und einige Tüten Chips, Jake sorgte für den Rest. Wir hielten unseren Einkauf so kurz wie möglich, um endlich aus der Gefahrenzone zu kommen. Mittlerweile hatten wir uns bis zu Kasse durchgekämpft. Natürlich war wieder mehr im Wagen gelandet als geplant. Sam und ich schaufelten alles fleißig auf das Kassenband. Kurz sah ich mich nach den anderen um, Jared stand gelangweilt hinter mir und guckte Löcher in die Luft, Jake hing mit dem Kopf in der kleinen Auswahl an Flachmännern, die neben den Zigaretten standen und Embry und Leah knutschten ziemlich ungeniert.
„Scheiße.“ Knurrte Sam leise und es ließ mich aufsehen, erst dachte ich, er meine Leah und Embry, aber dann sah ich aus der Scheibe hinaus auf die Straße. Kenais Konvoi fuhr vorbei und es war noch zwei Autos mehr als zuvor, so wie es schien waren sie in Richtung La Push unterwegs. Er und ich beeilten und noch ein bisschen mehr, damit wir endlich aus ihrer Reichweite kamen. Die Kassiererin war so lahm, der hätte man bei ihrer Arbeit eine Hose stricken können. Wir warfen unsere Kohle zusammen und bezahlten. Sam und ich verstauten alles in Tüten. „Saaaam.“ Säuselte ich zuckersüß und klimperte mit den Wimpern. Überrascht sah er mich an. „Ja?“ Etwas rutschte ich näher an ihn und legte meinen Arm um seine Hüften. Sein Blick war völlig irritiert. „Ich würde soooo gerne mal dein Auto fahren.“ Indem ich es aussprach, schmiegte ich mich an seine Seite und fuhr sanft über seinen Bauch. Mit meinen Avancen entwaffnete ich ihn quasi. „Ähhh....hmmm.....klar.“ Murmelt er und sah mich etwas hingerissen an. „Du bist der Beste.“ Flüsterte ich und küsste seine Wange. Die anderen hatten es nicht mitbekommen, sie waren schon raus gegangen. Die Taschen luden wir in meinen Kofferraum. Sam ging zu meiner Fahrertür und ich zu seiner, werfend tauschten wir die Schlüssel aus. Ich nahm neben Leah Platz. „So gehört sich das.“ Grinste sie und setzte ihre Sonnenbrille auf. Breitgrinsend ließ ich das Fenster hinunter. „Dein Arsch gehört mir, Cameron.“ Rief ich Jared zu, der mit offenem Mund rüber starrte. „Ey Sam, das kann doch nicht dein Ernst sein.“ Beschwerte sich Jake lautstark hinter mir. „Willst du laufen, Black?“ Fragte ich gewohnt unfreundlich. Er zischte und dann warf ich das Baby an. Das Gaspedal vibrierte und es war einfach der pure Wahnsinn. Wir fuhren vom Parkplatz, Sam fuhr vor. Es war komisch, wenn man sein Auto vor sich her fahren sah. Wenn meine Schleuder schon ordentlich PS hatte, war es doch eher ein Bobbycar im Vergleich hierzu. Nur kurz das Gas angetippt und es schoss nach vorne, als würde es kein Morgen geben.
Im gemütlichen Tempo schnurrten wir die Straße entlang, Sam wurde langsamer, als wir an der Abbiegung vorbei fuhren, die nach La Push führte. So wie es aussah, wollte er sich vergewissern, ob er den Feind sah und genau so war es und er fuhr in unsere Richtung. Sam trat etwas aufs Gas und ich hoffte, sie hatten uns nicht gesehen. Gesehen vielleicht nicht, aber garantiert gehört. Das Schätzchen, in dem wir saßen, brüllte wie verrückt, wenn man das Gaspedal nur ansah. Wir holten wieder auf, doch ließ ich soviel Abstand, dass Sam nicht ins Schwitzen geriet. Von mir aus hätte er ruhig etwas schneller fahren können, zu gern hätte ich mal getestet wie dieses Baby abging. Leah schob eine CD in die Anlage und drehte anständig auf, völlig cool nickten wir zum Takt von Wild Ones, sehr passend, wie ich fand. „Überhol´ ihn doch ma´, dann kriegt der ´n Herzinfarkt.“ Geierte Jake von der Rückbank. Konzentriert sah ich geradeaus und schüttelte den Kopf, ich wollte Sams Großzügigkeit nicht überstrapazieren, wenn es mir auch in den Fingern juckte. Da ich mir den Rück- und die Seitenspiegel nicht eingestellt hatte, konnte ich nicht sehen was Jake auf der Rückbank veranstaltete, ich hörte ihn und Embry nur leise kichern.
„Ihr alten Saufnasen.“ Beschwerte sich Leah und Jake reichte ihr von hinten einen Flachmann, auch mir hielt er einen über die Schulter. „Später.“ Vertröstete ich ihn und war froh, dass er nicht hinter dem Steuer saß. Falls ich noch mal in den Genuss käme mit Jake fahren zu müssen, sollte ich darauf achten, ober er seinen Dosenhalten nur für Bier missbrauchte. Auch war ich mir ziemlich sicher, dass Sam den Wagen selber zu Schrott fahren würde, bevor er ihn Jake überließ. Aus einem mir nicht erkennbaren Grund schoss Sam auf einmal los wie ein Verrückter. „Hat er endlich das Gaspedal gefunden.“ Lachte Jake und beugte sich soweit vor, dass ich seine Fahne roch. Ich sah noch wie Jared wild mit den Armen herum fuchtelte, auch Leah sah es, dachte sich nichts weiter dabei und winkte ihm. „Houston, wir haben ein Problem.“ Flüsterte Jake über meine Schulter. „Oh Scheiße.“ Stieß Leah hervor. Verwirrt sah ich sie an, doch sie sah an mir vorbei zur Seitenscheibe hinaus. Langsam folgte ich ihrem Blick und sah in Kenais Gesicht, deren Wagen neben unserem fuhr. Aber die Knarre, die er mir wedelnd vor die Nase hielt, raubte mir fast den Atem. Da ich das Fenster immer noch unten hatte und er sein auch, konnte ich leider jedes Wort verstehen. „Jetzt hat unser letztes Stündchen geschlagen.“ Murmelte Embry, ergriff die Chance und gestand Leah seine Liebe. „Alter, tickst du?“ Fuhr sie ihn an. Wieder sah ich rüber zu Kenai und hätte nichts dagegen gehabt, wenn uns ein Auto entgegen gekommen wäre. Sam hatte schon einen ordentlichen Vorsprung. „Fahr rechts ran.“ Grollte Kenai. Einen Moment zog ich es echt in Betracht, sein Revolver war ein schlagendes Argument. Aber was dann, wollte er einen nachdem anderen abmurksen? Ich war mir sicher, es ging weniger darum, dass Jared seiner Cousine das Herz brach, sondern viel mehr, dass Jake ihm die Nase zermatscht hatte. „Lass das.“ Knurrte Leah Jake an. Schnell stellte ich mir den Rückspiegel ein und sah, dass Jake den Insassen den Stinkefinger hinhielt. Ich hörte, wie Kenai den Kolben zurück zog.
Okay, ich hatte über tausend PS unter dem Hintern und rechts ran fahren wäre das Letzte, was ich in Betracht ziehen würde. Kurz sah ich noch mal rüber, ich tat es Jake gleich und hielt Kenai todesmutig den Stinkefinger hin, dann schaltete ich einen Gang runter und trat das Pedal durch. Ich erschrak, als die Kiste los schoss und vorne hochging. „Wuuhuu.“ Gröhlte Jake von hinten und Leah klammerte sich an ihrem Sitz fest, von Embry sah und hörte ich nix mehr, wahrscheinlich war er zwischen die Polster der Rückbank gekrochen. Mit beiden Händen umfasste ich das Lenkrad, kurz ging ich wieder vom Gas, damit wir wieder auf vier Rädern waren, dann trat ich erneut drauf, aber nicht wieder voll durch. Der Druck presste uns in die Sitze und es fühlte sich wie ein kostenloses Lifting an. „Noch ma´!“ Bölkte Jake von hinten und es überraschte mich nicht, dass er der Einzige zu sein schien, der es spitzenmäßig fand. Zwar gaben unsere Widersacher auch Gas, aber wie sollten sie da mithalten. In kürzester Zeit hatten wir Sam wieder eingeholt und der Rest des Weges wurde Formel Eins- mässig zurückgelegt, ich tat was Jake vorhin als keinen Spaß äußerte, ich überholte Sam und wir schossen dröhnen an ihnen vorbei. „Du bis' voll durch.“ Grölte Jake erneut von hinten. Vielleicht war ich jemand, der ihm Konkurrenz machen konnte, zwar nicht in allen Lebenslagen, aber in dieser. Sam blieb uns dicht auf den Fersen, bei dieser Geschwindigkeit konnte ich fast zusehen, wie die Tanknadel sank. Wie die Irren schossen wir dir restliche Strecke nach Beaver.
Bevor ich in die Straße bog, die uns nach Hause brachte, sah ich noch mal prüfend in den Rückspiegel und sah zum Glück nur meinen schwarzen R8. Ich parkte vor der Garage, Sam stellte sich dahinter. Leah stieg aus, Jake und Embry folgten ihr, einen Moment blieb ich noch sitzen und war fassungslos, zu welchen Mitteln Kenai griff. Mussten wir alle um unser Leben fürchten? „Gehts dir gut?“ Sam sah durch die Seitenscheibe. Mit großen Augen sah ich ihn an. „Die hatten ´ne Knarre.“ Murmelte ich und war völlig entsetzt. „WAS?“ Seine Augenbrauen zogen sich zusammen, ich starrte ihn immer noch an und nickte langsam. Er öffnete die Tür, reichte mir seine Hand und half mir aus dem Wagen. „Die sind total irre.“ Flüstere ich, wenn ich die Fahrt über die Ruhe selbst war und die Nerven behielt, holte es mich jetzt ein und meine Hände begannen zu zittern. „Hier das hilft.“ Jake war um den Wagen gegangen und stand neben Sam, er sah auch, dass es mich völlig schockierte. Er hielt mir einen Flachmann hin, den er schon aufgedreht hatte. Wie in Trance nahm ich ihm die kleine Flasche aus der Hand und zog ihn in einem leer. Angewidert verzog ich das Gesicht und schüttelte mich. „Die hatten ´ne Waffe?“ Fragte Sam und sah Jake an. „Yap, war ein ganz schön großes Kaliber. Magnum, ne 41ger oder 44ger.“ Jakes Waffenkenntnis überraschte mich einmal mehr, er sah wieder zur mir. „Wenn dir das schon Angst macht, ist ja gut, dass du die abgesägte Schrotflinte auf der Rückbank nicht gesehen hast.“ Murmelte er und wollte den nächsten Flachmann ansetzen.
„Schrotflinte?“ Entfiel es mir entgeistert und ich dachte, es wäre der passende Moment, umzufallen. Doch stattdessen nahm ich ihm den Flachmann aus der Hand und zog auch den leer, ich brauchte es in dem Moment nötiger als er. „Dann haben wir jetzt ein richtiges Problem.“ Sagte Sam leise, drehte mir den Rücken zu und ging zu Jared und Paul. Ich hatte keine Ahnung was sie beratschlagten. „Haste noch einen?“ Fragte ich Jake und fand, dass es tatsächlich half. Er kramt in seinem Rucksack und holte eine Handvoll heraus. „Bedien dich.“ Ich nahm zwei an mich, setzte mich auf den Boden und lehnte mich ans Auto, Jake setzte sich neben mich und sah mich an. Noch immer fühlte ich mich etwas benommen, drehte die nächste Flasche auf und merkte, wie es mit jedem Schluck besser wurde. „Allheilmittel.“ Grinste er. Ich lehnte jetzt auch den Kopf ans Auto, nickte und erwiderte seinen Blick. „Erledigen die uns?“ Fragte ich leise und hielt seinem Blick stand. Wenn ich vor ein paar Tagen noch den Freitod wählte, so machte es mir jetzt mehr Angst denn je, dass ich mein Leben lassen könnte. Er holte tief Luft und schnaufte. „Keine Ahnung, aber es könnte sein. Wir sollten heute Nacht ´ne heiße Nummer schieben, sonst werden wir es bereuen, wenn es am Ende genauso kommt.“ Er wackelte mit den Augenbrauen. „Okay.“ Hauchte ich, und hielt seinen Blick fest, ich konnte zusehen, wie er über meine Worte stutzte. „In echt?“ Vergewisserte er sich. Ich fing an zu lachen. „Niemals.“ Missmutig zog er den Mund breit und sah mich angepisst an. „Du Biest.“ Knurrte er und ich nickte nur. Der Alk vertrieb die Gedanken, die ich nicht zu Ende denken wollte und es ging mir besser.
Ich rappelte mich hoch und machte einen großen Schritt über Jake, er hielt mein Bein fest. „Ich mag dich, Reyna Linn.“ Säuselte er leise und sah mit seinen schokobraunen Augen zu mir auf. „Klar Black, du magst alles, was nach Weibchen aussieht.“ Lachte ich, langsam zog ich mein Bein aus seiner Hand und ging zu den anderen. „Keine Ahnung, was ihr jetzt vorhabt, aber wir gehen erst mal rein.“ Ich hakte Leah unter, zustimmend nickte sie. Doch bevor wir unser Vorhaben weiter verfolgten, holten wir noch die Taschen und Rucksäcke aus den Autos.
Leah und ich waren beladen wie die Packesel und die Jungs trabten hinter uns her. Irgendwas lief hier falsch. Jared nahm mir gnädigerweise die Taschen ab, damit ich aufschließen konnte. „Nicht schlecht.“ Staunte Leah, es war das erste Mal, dass sie hierher kam, eben so wie Jake und Embry. Paul und Sam kannten es, aus nicht so erfreulichen Zeiten. Jared marschierte zu der kleinen Kochnische und stellte die Tüten ab. Leah stellte ihre daneben und ging sich umsehen. „Na komm, ich helf dir.“ Sagte Sam und hievte die erste Tasche auf die Arbeitsplatte, ich hockte mich vor den Kühlschrank und er gab mir die Sachen an. Jake hatte beim Alk ordentlich zugelangt. Die Taschen leerten sich zusehends und der Kühlschrank platzte aus allen Nähten. Sam schien ziemlich bedrückt und irgendwie unglücklich. Mit den letzten Flaschen in der Hand hockte er sich neben mich und gab sie mir. „Hey, was ist mit dir?“ Flüsterte ich und mein Blick ruhte auf ihm. Er sah zu Boden und seufzte leise, meine Hand legte ich mitfühlend auf seinen Arm, dann sah er mich an und machte eine Kopfbewegung, dass ich hinter ihn sehen sollte.
Embry klebte förmlich an Leah, wie es schien, fiel es Sam von Tag zu Tag schwerer, es zu dulden. Aber so krass hatten die beiden sich in seiner Anwesenheit noch nie aufgeführt. Entweder schien Leah nicht zu bemerken, wie übel es für Sam war oder es war ihr einfach egal. Kurz sah ich mir ihr Geturtel an, dann zurück zu Sam und mein Blick wurde noch mitleidiger. „Soll ich mal mit ihr reden?“ Er tat mir so schrecklich leid, seine Augen hatten ihren Glanz verloren und sahen mich abgrundtief traurig an. „Ich wusste, worauf ich mich einließ.“ Entgegnete er mit brüchiger Stimme. „Aber wenn es dich so quält...“ Mein Hand fuhr über seine Wange. „Mit guten Worten kommt man da nicht weit, aber.....“ Er stockte und überlegte einen Moment. „Ich hab ´ne Idee. Doch dafür brauche ich dich.“ Etwas Hoffnungsvolles blitzte in seinen Augen. „Wenn ich dir helfen kann, klar.“ Ohne überlegen zu müssen stimmte ich zu, schließlich war auch er mein Lebensretter. „Hör es dir erstmal an, es ist nicht ganz ohne.“ Okay, bei seinen Worte wurde ich etwas hellhörig, aber was konnte es schon sein, ich stand in seiner Schuld, ohne zu wissen ob ich es ihm irgendwann zurückgeben konnte.
„Vielleicht wäre Eifersucht eine Möglichkeit.“ Eindringlich sah er mich an. „Sie musste mich noch nie teilen und sie hat keine Ahnung, wie es sich anfühlt.“ Ich zog die Stirn in Falten. „Aber wie stellst du dir das vor? Und Jared?“ Etwas zweifelte ich an der Genialität und der Umsetzung seines Plans. „Jared wird natürlich eingeweiht.....“ Murmelte er und schien in Gedanken. Fast hätte ich darauf gewettet, dass es für ihn undenkbar wäre. „Sollen wir Händchen halten?“ Unterbrach ich flüsternd seine Gedankengänge. „Das wäre kaum ein Anlass für sie, viel zu harmlos.“ Er flüsterte eben so leise wie ich. „Was dann? Jetzt quatsch nicht drum rum, komm zum Punkt.“ Knötterte ich los. „Es müsste schon ein bisschen mehr sein.“ Sein Blick war bittend. Erst befürchtete ich, dass Leah mich lynchen würde, doch hatte sie mir in Port Angeles versichert, dass Sam das Selbe zustünde wie ihr. Leise seufzte ich und schloss kurz die Augen.
„Du wirst es Jared beibringen.“ Als ich ihn wieder ansah, kehrte das Lächeln zurück. „Du bist dir wirklich sicher?“ Hakte er grinsend nach. „Nein, deswegen solltest du jetzt schnell gehen und Jared das begreiflich machen.“ Mich mussten alle guten Geister verlassen haben, dass ich mitmachte. Aber ich schuldete ihm etwas, was ich damit einlösen würde und wir wären quitt. Noch immer hockte ich auf dem Boden und sah zu wie Sam auf Jared einredete, dessen Blick entsetzt an Sam vorbei ging und er mich ansah. Hilflos zuckte ich die Schultern. Als er Sam wieder ansah, waren seine Augen groß wie Teller. Kein Wort von dem, was sie sagten, verstand ich. Dann hielt ich Ausschau nach Leah, sie und Embry waren draußen, ich sah sie durch das schmale Fenster. Sie verschwendeten keinen Gedanken an Sam, so wie es aussah. Ich mochte Leah, das stand außer Frage und eigentlich ging mich ihr Liebesleben nichts an. Doch Sam so sehen zu müssen, war auch nicht zu ertragen, er hatte es einfach nicht verdient.
„Ey Schönheit, wo is´ das Gesöff?“ Jake hockte sich vor mich und nahm mir die Sicht auf Sam und Jared. „Kühlschrank.“ Hielt ich mich kurz und versuchte, an ihm vorbei zusehen. Er schob sein Gesicht vor meines und fing meinen Blick ein. „Was ist?“ Fragte ich und sah ihn abwartend an. „Warum bist du eigentlich nicht meine Freundin?“ Fragte er bedauernd. „Hää?“ Mit einer hochgezogenen Augenbraue sah ich ihn an. Wenn der wüsste, dass er anfänglich meine Absicht war. Doch würde ich den Teufel tun und es ihn wissen lassen. Den würde ich sonst nie wieder los werden und Jared würde er auch alle naselang damit aufziehen. „Du bist immer besoffen und denkst nur ans Ficken. Da gehen unsere Interessen etwas auseinander.“ Besserwisserisch grinste ich. „So ist das gar nicht.“ Rechtfertigte er sich. „Sondern?“ Hakte ich nach, wenn es mich auch nicht sonderlich interessierte. Er überlegte, öffnete den Mund zum reden, doch es kam kein Ton raus, dann schnaufte er. „Mädchen sind echt doof.“ Etwas unsanft schob er mich vom Kühlschrank weg, angelte sich eine Flasche Hochprozentigen heraus, ging zurück zum Sofa und ließ sich neben Paul nieder, der mittlerweile den Flatscreen zum Laufen gebracht hatte. Angesäuert sah er mich von dort an, es ließ mich grinsen. Er war nicht mehr, als ein kleines Kind, gefangen in einem granatenmäßigen Körper und einem wirklich hübschen Gesicht. Augenscheinlich Mann, geistig Kind, unberechenbare Mischung.
Sam kam zurück, ich stand auf und sah ihn mit gemischten Gefühlen an. „Es ist okay.“ Versuchte er mich leise zu beruhigen, doch wäre es das erst, wenn es Wirkung zeigte oder dieser Abend vorbei wäre und ich hoffte, somit von meinem Wort entbunden zu sein. Ihm mit diesem Wissen gegenüberzustehen, bescherte mir ein ungutes Gefühl und ich war mir nicht sicher, ob es wirklich okay war, es schien wie ein kleiner Freundschaftsdienst. Selbst als ich versuchte mir das einzureden, konnte ich mich nicht so recht überzeugen.
„Wann geht’s los?“ Ich versuchte meine Unsicherheit nicht durchklingen zulassen. „Lass dich überraschen, umso echter kommt´s rüber.“ Ich sah um ihn herum zu Jared, der neben Jake auf dem Sofa saß, er wirkte wesentlich entspannter und nickte mir verständnisvoll zu. „Ich hab Hunger.“ Plärrte Paul und sah mich an, als wäre ich der Kühlschrank. „Pizza?“ Fragte ich und versuchte zulächeln. Er erwiderte es und nickte wild. „Noch irgend jemand?“ Jake schmollte nach wie vor, aber auch er nickte. „LEAH, EMBRY, HUNGER?“ Bölkte ich in die Richtung der Haustür. Sie trabten herein. „Immer.“ Grinste Embry, aber konnte er nicht einen Moment seine Augen von Leah lassen. „Ja, ich auch.“ Säuselte sie und fuhr ihm über die Brust. Ich fand ihr Benehmen ziemlich gewissenlos. Sam biss die Zähne zusammen, schlenderte zum Sofa und setzte sich neben sie, ich bewunderte seine Ruhe und dass er nicht ausflippte. Aber wie er schon sagte, es würde ihm nichts bringen, er wusste was Sache war, als er sich auf sie eingelassen hatte. Das Leben konnte so gnadenlos Scheiße sein.
Ich drehte ihnen den Rücken zu, holte die Bleche aus dem Backofen und stellte ihn an. Dann kramte ich die Pizzen zwischen sämtlichen Flaschen hervor und begann sie auszupacken. Leise summend orgelte ich vor mich hin und war völlig in Gedanken, ich versuchte, so viele Pizzen wie es ging, auf dem Blech zu positionieren, schnappte mir dann das Zweite und begann auch das zu bestücken. Als sich unerwarteterweise warme Hände auf meine Hüften legten, zufrieden grinste ich vor mich hin und lehnte mich ein Stück zurück, da ich an Jared dachte. Doch war es Sam, unmerklich zuckte ich zusammen, er fuhr mit seinen Händen über meine Hüften und legte seine Wange auf meine Kopf. Für einen Moment war ich versucht Jared anzusehen, aber wie unprofessionell wäre das, wir mussten eine glaubwürdige Show abliefern. Ich konnte hören, wie Leah kicherte, sie war voll und ganz mit Embry beschäftigt und bekam hier von nix mit. Damit unsere kleine Vorführung nichts von ihrer Überzeugung einbüßte, legte ich meine Hände auf seine. Sie waren riesengroß und unglaublich warm. Was mich ein bisschen erschrak, dass es sich nicht fremd anfühlte. Aber eins war sicher, wenn es noch weiter gehen würde, musste ich mir noch ein bisschen Mut antrinken.
Langsam drehte ich mich zu ihm. „Auch ´n Kurzen?“ Fragte ich leise und sah zu ihm auf. Oh mein Gott, sein Gesicht sah völlig gequält aus. Wenn ich mir auch wünschte er wäre Jared, so war es doch eine neue unschöne Erkenntnis, das mich jemand so ansah, während er mich berührte. Es wäre für uns beide eine quälende Erfahrung, doch wenn sie das gewünschte Ergebnis mit sich brachte, war es das wert. Er schloss die Augen und nickte. Schnell schob ich die Bleche in den Ofen und stellte die Eieruhr, nahm zwei Gläser aus dem Schrank und eine Flasche Grünen. „Lass uns raus gehen.“ Die Flasche klemmte ich zwischen meinen Bauch und einen Arm, griff seine Hand und versuchte aufmunternd zu lächeln. Kurz sah ich Jared an, er schien es als Einziger locker wegzustecken.
Wir warfen uns auf die Liegen, die dicht nebeneinander auf der kleinen gepflasterten Terrasse standen. Ich füllte die Gläser und eines gab ich ihm. Er starrte in den Himmel und schien seinen Gedanken nachzuhängen, etwas drehte ich mich zu ihm und legte meine Hand auf seinen Arm. „Das wird wieder.“ Versuchte ich ihn aufzubauen. Kurz sah er mich an, er schien davon nicht überzeugt. Dann zog ich das Glas leer und folgte seinem Blick. Der Himmel war in dämmerndes Orange getaucht und hier und da sah man schon vereinzelt den ein oder anderen Stern. „Wo wärst du jetzt gerne?“ Fragte ich, ohne ihn anzusehen. Er musste nicht lang überlegen. „Taholah.“ Seufzte er. Jetzt sah ich ihn an und hoffte auf eine Erklärung. „Da waren Leah und ich das erste Mal zusammen im Urlaub. Zwei Wochen, nur sie und ich.“ Ein kleines Lächeln umspielte seinen Mund. „Es war traumhaft.“ Kurz schien ihn die Vergangenheit mitzunehmen, doch wich sein Lächeln und sein Ausdruck wurde emotionslos, er tätschelte meine Hand. „Und du? Wo wärst du gerne?“ Etwas bitter lachte ich auf und erwiderte seinen Blick, als würde er es nicht wissen. „Zu Hause.“ Er nickte. „Das dachte ich mir.“ Drinnen piepte die Uhr, die Pizzen waren fertig, doch hatte ich überhaupt keine Lust aufzustehen. Es war schön hier draußen und Sam war, wie ich schon wusste, ein überaus angenehmer Gesprächspartner.
„Rey.“ Rief Leah nach mir, aber ich antwortete nicht. „Rey!“ Ihre Stimme kam näher. „Das könnte unsere Chance sein.“ Flüsterte ich, robbte näher und lag mit meinen Armen auf seiner Brust. Sein Ausdruck war für mich nicht zu deuten, zwar war dieser gequälte Anblick verschwunden, aber es spiegelte sich keine Regung auf seinem Gesicht. Ich hörte ihre Schritte langsam näher kommen. Seine Hände fuhren über meine Arme, hinauf zu meinen Schultern, sanft und warm. Vorsichtig fuhr er durch mein Haar und nahm mein Gesicht ein seine großen Hände. An nichts dachte ich, weder an das, was Leah gleich zu Gesicht bekäme, noch wie es uns oder ihr danach ginge. Stück für Stück zog er mich behutsam näher. Diese Abwehr, die ich vorhin noch empfand wich, es fühlte sich anders an und ich konnte nicht sagen, dass ich mich in diesem Moment schlecht fühlte, einfach nur anders. Als unsere Lippen sich berührten, schloss ich die Augen, warm fühlte ich sie auf meinen. Ein bisschen stieg das nervöse Gefühl im Bauch, ein angenehmes Kribbeln.
Von Jared war ich überaus verwöhnt, was das perfektionierte Küssen betraf, doch brauchte Sam sich in keinster Weise verstecken. „Re.....“ Leah verstummte, als sie um die Tür bog. Im Gegensatz zu Sams liebevollen Küssen, fühlte sich das verdammt mies an. Das Wissen, es war pure Absicht, machte uns zu elendigen Heuchlern. Aber meine Gedanken schienen dahin zu flattern, nur kurz einen Gedanken verschwendet, flatterte er auf Nimmerwiedersehen davon und drehte keine Endlosschleifen. Ich konnte hören, wie sie trocken schluckte, doch veranlasste es weder Sam noch mich, diesen Kuss zu beenden. Im Gegenteil, seine Hände ließen von meinem Gesicht und legten sich auf meine Hüften. Er fasste zu und beförderte mich aus eigener Kraft auf seinen Schoss. Ich hatte keine Ahnung, ob Leah immer noch in der Tür stand, ich genoss, Tatsche ich genoss es. Sam strich vorsichtig mit seiner Zunge über meine Lippen und leise seufzte ich, ohne es zu wollen.
Eine kleine Ewigkeit bearbeiteten wir des anderen Lippen, es fühlte sich kein Stück gespielt an. Ein letzter Kuss und ich ließ von ihm. Kurz sah ich zur Tür, Leah musste den Rückzug angetreten haben. Als ich in sein Gesicht sah, stellte ich mit einem Schaudern fest, es war nicht gespielt. Gott, wie er mich ansah und diese Vertrautheit zwischen uns war fast beängstigend. Ich konnte Leah verstehen, die Abwechslung zwischen einem verspielten Jungen und der Zuneigung eines erwachsenen Mannes. Auf wessen Seite stand ich eigentlich? Ich wollte auf keiner Seite stehen, waren es doch beide Freunde. Es war jetzt nicht, dass ich scharf auf Sam war, so einfach und oberflächlich war es nicht. Es ging tiefer, viel tiefer. Ich wollte in seinen Armen liegen, mich geborgen und beschützt fühlen. Wenn es auch keinen weiteren Anlass gab, das hier fortzusetzen, da diejenige, für die wir es veranstalteten, nicht anwesend war, fuhren seine Hände von meinen Hüften, herum zum Rücken. Langsam drückte er mich runter, doch nicht um mich erneut zu küssen.
Er drehte den Kopf zur Seite und ich legte meinen Kopf zwischen seine Halsbeuge und seine Brust. Sein Wärme, das sanfte Auf- und Abfahren seiner Hände an meinem Rücken, ließ mich die Augen schließen, etwas fester kuschelte ich mich an ihn, mit einer Hand nahm ich seine und wir verschränkten die Finger ineinander. Ich hörte, wie er leise seufzte und war mir sicher, es war ein Fehler, hoffte nur, dass er nicht zu folgenschwer wäre. Wo bitte war mein Gewissen ab geblieben? Warum quälte es mich nicht, warum fühlte sich das Hier und Jetzt so einfach, fast richtig an. Doch hielten meine Gedanken es schon wie vor ein paar Minuten. Ich dachte sie und sie verschwanden einfach, es war fast zu leicht. Aus dem Hause hörte man nur das Gequake des Fernsehers, sonst verfressenes Schweigen. Etwas hob ich den Kopf und sah ihn erneut an.
„Hast du Hunger?“ Was für eine bescheuerte Frage, in dieser Situation. Unsere Blicke trafen sich, sein Gesicht war von meinem nur eine Hand breit entfernt. Eine Zeit sah er mich an, doch sah er mir nicht nur in die Augen, er betrachtete mein ganzes Gesicht, dann schüttelte er den Kopf und lächelte leicht. Ich sah an ihm vorbei und überlegte, ob es besser wäre, wenn ich einfach aufstehen würde. Ob ich es wollte? Nur der Vernunft zu Liebe. Doch warf es die Frage auf, seit wann tat ich etwas, nur weil es vernünftig war. Es war nicht die Vernunft, die mich dazu veranlassen wollte, es war der Gedanke an Jared. So tat ich es Jared zu Liebe. Langsam stand ich auf, Sam Blicke fanden es bedauerlich, da es wirklich einfach ein schöner Moment war. Doch hielt er meine Hand noch immer fest. „Danke.“ Flüsterte er. Lächelnd nickte ich und seine Hand glitt langsam aus meiner, nur zu gern hätte ich erneut nach ihr gegriffen, sie zu meiner Wange geführt und mich an sie geschmiegt. Seine Zuneigung war, als würde ich in eine große, warme, duftende Decke gewickelt, die mich an nichts weiter denken ließ, es war unglaublich beruhigend. Tief holte ich Luft und ging wieder hinein.
Ich befürchtete, böse Blicke von Leah zu kassieren, aber nichts. Sie saß neben Embry, der seinen Arm um sie gelegt hatte, fast dankbar lächelte sie, unsicher erwiderte ich es. „Du hast super gekocht.“ Schmatzte Jake und schob sich das nächste Stück Pizza in den Mund. Jared rutschte etwas zur Seite und machte mir Platz. „Alles klar?“ Nickend setzte ich mich neben ihn und sah ihn an.
Die Pizzen waren vernichtet, selbst Sam hatte sich wieder zu uns gesellt, auch hatte er noch ein paar Stücke abgekommen. „Lasset die Spiele beginnen!“ Ertönte Jakes Stimme unerwartet episch, er reckte eine Faust in die Höhe und wackelte schäbig grinsend mit den Augenbrauen. Ein Raunen ging durch unsere kleine Runde. „Wir brauchen einen Becher und fünf Würfel.“ Sagte er und sah mich auffordernd an. Ich fragte mich, ob es Absicht war, dass seine Augen in verschiedene Richtungen sahen, voll schräg. Mein Blick ging zu Jared und ich verdrehte die Augen, stand aber wie es verlangt wurde auf und beschaffte die Dinge. Jake begann es zu erklären, die anderen nickten wissend, ich verstand nur Bahnhof. Doch wäre es sinnfrei, nachzufragen, Jake war kein guter Erklärbär, vielleicht ein Aufklärbär oder Liebhabär, aber da war ich mir auch nicht so sicher. Paul begann zu würfeln, das Einzige, was sich nach einiger Zeit heraus kristallisierte war, dass man eine bestimmte Kombination würfeln musste, wenn man das nicht tat, gabs ´n Kurzen. Es wurde gesoffen, was das Zeug hielt. Embry hatte die Fernbedienung ergattert und es lief irgendein Musiksender.
Es standen mehr leere Flaschen auf dem Tisch als noch im Kühlschrank lagen. Zeitweise imitierte ich Jakes Hausfrauenblick, ein Auge zum Herd, das andere zur Waschmaschine. Der Fernseher lief so laut, dass wir uns schon ein bisschen anschreien mussten. Die Blase drückte und ich wankte in Richtung Toilette. Verrichteter Dinge stand ich vor dem Waschbecken und versuchte, der Flüssigseife etwas abzuringen, was sich als schwieriges Unterfangen herausstellte, mit gut zwei Promille. Dann griff ich verzweifelterweise zum Duschgel, diese Apparatur beherrschte ich noch. Als ich endlich wieder im Begriff war zu gehen, kam mir die Tür entgegen. Ja, abschließen wäre auch eine Variante gewesen, doch war es nur Leah. Sie konnte mir nichts weggucken was sie nicht selber hatte. „Hey Rey.“ Giggelte sie und fiel mir um den Hals „Yieha Leah.“ Pruste ich los. Wir war schon ziemlich bescheuert und voll. Sie ließ mich los und ich wollte gehen. „Ich danke dir.“ Lallte sie, zog die Hose runter und setzte sich auf Klo. Mit gerunzelter Stirn sah ich sie leicht schwankend an. Sie schien nicht sehr viel Wert auf Privatsphäre zu legen. Ich blendete einfach mal aus, dass sie auf dem Thron saß. „Wofür?“ Sie angelte nachdem Klopapier. So viel Anstand besaß ich noch, dass ich mich jetzt umdrehte. „Na wegen Sam.“ Es irritierte mich, dass sie sich bedankte, eher sollte sie mir eine runter hauen wollen, da ich hoffte, sie wäre grauenhaft eifersüchtig.
Die Spülung rauschte und sie lief an mir vorbei zum Waschbecken. „So kommt er mal auf andere Gedanken.“ Sie war völlig unbedarft und anstatt dass es sie störte, schien sie froh. Na ganz toll, der Versuch ging ja mal richtig nach hinten los. „Ich werd´ Jared nichts verraten.“ Grinste sie, ging an mir vorbei, kniff mir ein Auge zu und verließ das Bad. Sam kannte seine Freundin anscheinend nicht halb so gut, wie er dachte. Noch immer etwas zerknirscht stand ich im Bad wie angenagelt, als ich Leah, Jared und Paul losgrölen hörte. Ich sah um den Rahmen der Tür und dachte, mich traf der Schlag, als Jake so wie Gott ihn schuf durch die Haustür nach draußen jagte. „Alter, was is´mit dem?“ Fragte ich entsetzt und hoffte, mein Dad würde nicht aus den Fenstern sehen. Aber dann kannte er wenigstens nicht nur Jared nackt. Mein Dad würde denken, wir feierten hier Orgien. Na ja, lassen wir Paul und Embry mal außen vor, mit der Hälfte von denen hatte ich immer hin schon mal herum geknutscht. Super Leistung.
Chapter 12
„Jake!“ Bölkte ich und schoss hinter ihm her. Ja, was hieß schießen, bei meinem Promillepegel versuchte ich beim Laufen einfach nicht auf die Fresse zufallen, leichter gesagt als getan. Ich sah ihn noch um die Ecke meines Häuschens jagen. Der Garten dahinter erstreckte sich noch gute dreihundert Meter und war stockdunkel, nur das weniges Licht aus der Fensterfront ließ mich wissen, wo es wieder zurück ginge. Als ich um die Ecke bog, konnte ich ihn schon nicht mehr sehen. Etwas langsamer joggte ich weiter, da ich nicht sah, wo ich hintrat und es bergab ging.
„Jake.“ Flüsterte ich nun seinen Namen, ich wollte mit meinem Geschrei nicht die Aufmerksamkeit Unbeteiligter auf uns ziehen. Da ich keinen Plan hatte, wie ich es erklären sollte. Kurz blieb ich stehen und lauschte, ob ich ihn irgendwo hören konnte. Nichts, mit den Füßen tastete ich mich vor. Der Typ hatte vielleicht bekloppte Ideen und schwer was an der Klatsche, es war zum Haare raufen. Das letzte Viertel des Gartens war einem kleinen Wald nachempfunden. Der nur durch einen großen Rosenbogen betreten werden konnte, da links und rechts davon eine hohe Hecke den Eintritt verwehrte. Es war ein friedlicher Ort, fast etwas verwunschen. Des öfteren hatte ich mich gefragt, wer ihn angelegt hatte und ob er einem Zweck diente. Vielleicht war es ein Kindheitstraum, der so Gestalt annahm. Auch hatte ich ihn bis zum heutigen Tage noch nie betreten, wenn, hatte ich ihn aus der Ferne bewundert. Jetzt warf es das Problem auf, dass ich mich dort überhaupt nicht auskannte. Wenn es bei Tageslicht etwas märchenhaftes an sich hatte, so war es bei Nacht weitaus weniger märchenhaft und erinnerte mehr an den Weg, in den Märchen, den man nicht wählen würde, wenn man denn eine Wahl hätte. Wieder zischte ich leise seinen Namen, es war absolut nichts zu hören, noch nicht mal das Knacken der Äste, wenn man darauf trat. Der weiße Rosenbogen reflektierte schwach das sanfte Licht des Hauses, ich blieb davor stehen. Noch einen Schritt weiter und ich wusste nicht, was mich erwartete. Doch was half es, ich konnte ihn ja nicht splitterfasernackt durch den Garten meiner Eltern laufen lassen.
Leise seufzte ich und wagte mich vor, auf unbekanntes Terrain. Schritt für Schritt ging ich weiter und versuchte etwas zu erkennen, nur schemenhaft nahm ich meine Umgebung war. Doch auch nur, weil die einzelnen Wolken die den Mond verdeckten, weiter zogen. Wenn ich schätzen sollte, hatte ich fast die Hälfte der Strecke des kleinen Waldes zurückgelegt. Mit zusammengekniffenen Augen suchte ich die Umgebung ab. Würde er gleich hinter irgendeinem Baum hervor springen und mich erschrecken, müsste ich ihm leider den Kopf abreißen oder ihn gepflegt anschreien.
Ich war ziemlich angespannt, die Dunkelheit, die fehlende Orientierung, das Unbekannte, der Gedanke, dass Jake hier irgendwo sein musste, trugen nicht dazu bei, dass es mir besser ging. Kurz sah ich zu den Baumkronen auf, die sanft im Wind wogen, fast als würden sie sich im Takt einer Melodie bewegen, die ich nicht hören konnte. Langsam ging ich weiter, zu meiner rechten konnte ich die Umrisse einer Schaukel erkennen, die an den starken Ästen eines riesigen Baumes befestigt war. Der Rasen gab unter meinen Füßen nach und fühlte sich an wie ein dicker, flauschiger Teppich. Wenn ich diesen Weg einschlug um Jake zu finden, so trieb mich jetzt ein Gefühl weiter. Das Schaudern wich und es fühlte sich an, als wäre ich schon mal hier gewesen. Ein Ort aus vergangener Zeit, Gefühle aus vergangener Zeit, die sich breit machten. Dann trat ich auf eine kleine Lichtung, die großen Bäume rahmten sie ein, durch die fehlenden Baumkronen konnte ich jetzt viel mehr erkennen.
In der Mitte dieser freien Fläche hob sich eine Trauerweide empor, sie war nicht so groß wie die anderen Bäume und stand dort wie ein gerahmtes Bild. Der Wind wurde etwas stärker, mir kam es so so vor, dass ich mit auffrischen des Windes die Melodie hörte, zu der sie hin und her wogen. Auch das war mir nicht fremd. Ich schloss die Augen um meine anderen Sinne besser nutzen zu können. Zaghaft nickte ich mit den Kopf in Takt und leise sang ich die Zeilen, die ich hundertfach gehört hatte.
´In the light of the sun, is there anyone? Oh it has begun...
Oh dear you look so lost, eyes are red and tears are shed,
This world you must've crossed... she said.. ´
Boston, es war Devi und mein Lied, wie auch der Wunsch, es eines Tages in die Tat umzusetzen. Doch ließ das Leben uns scheitern. Es mischte sich ein anderes Geräusch unter die Melodie, stetig wurde es lauter, doch war es wie das Rauschen der Bäume, es kam von überall. Auch wenn ich mich noch so anstrengte, ich konnte nicht sagen, aus welcher Richtung dieses Geräusch, das einem Herzschlag gleichkam, zu mir durchdrang, wohl bekannt. Wie von einer unsichtbaren Hand geführt ging ich weiter, die Augen immer noch geschlossen. Doch war es nicht, dass ich nicht sehen konnte, ich sah alles und dann ich sah ihn. Mit geschmeidigen Bewegungen trat er hinter dem Stamm der Trauerweide hervor. Vereinzelt verdeckten die bodenlangen Äste sein Gesicht, doch war es er. Ich konnte es fühlen, dieses einmalige Gefühl, es erfüllte mich und ich wusste, ich war zu Hause.
„Devi?“ Hauchte ich seinen Namen. Er lächelte beruhigend, schob mit den Händen die Äste auseinander und trat hindurch. Ich stand wie erstarrt und mein Herz meldete sich mit Traurigkeit. „Precious.“ Erwiderte er. Es war sein Spitzname für mich, nur er nannte mich so. „Ich bin tot und im Himmel.“ Flüsterte ich und setzt behutsam wieder einen Fuß vor den anderen. Lächelnd schüttelte er den Kopf. „Weißt du, wie schrecklich es ohne dich ist? Was ist mit unseren Plänen? Du gingst, du ließest mich allein zurück! Ich kann nicht ohne eine verwandte Seele sein und das weißt du.“ Meine Worte klangen verzweifelt und anklagend. Sein Lächeln wich, zuversichtlich wurde der Ausdruck seines immer noch kindlich wirkenden Gesichtes. „Niemals würde ich dich zurücklassen, ohne jemanden, der dein Schicksal teil. Jemand der dich versteht, der es nachvollziehen kann. Der genau so fühlt, wie du.“ Seine Stimme brummte melodisch. Aber ich verstand nicht, von wem er sprach. „Wer?“ Flüsterte ich und mein Schritt beschleunigte sich. „Wer teilt mein Schicksal und wo finde ich ihn?“ Er streckte seine Hand nach mir aus. „Du hast ihn schon gefunden, sieh' nur genau hin.“ Ich konnte es nicht erwarten, seine Hand zu berühren, seine Wärme zu fühlen. Doch wollte ich alles und das viel zu eilig. Ich übersah die freiliegende Wurzel eines Baumes, geriet ins straucheln und fiel.
„Rey!“ Besorgt wurde mein Name gerufen. Ich riss die Augen auf und sprang auf die Beine. Wieder hörte ich meinen Namen. Mit suchendem Blick blieb ich erneut an der Trauerweide hängen, dieses Mal nicht ganz so eilig, aber trotzdem mit entschlossenem Schritt ging ich näher. „Devi?“ Meine Verzweiflung wuchs und macht mich wirr im Kopf. Meine Hand streckte ich aus und wollte die langen Äste zur Seite schieben, als ich zusammen fuhr, da mein Name dicht hinter mir in einer Lautstärke gebrüllt wurde, dass jedem anderen die Haare ausgefallen wären. Ich fuhr herum. „Was machst du hier?!“ Raunzte Jared mich an. Mit offenem Mund starrte ich ihn an. „Jake......“ Stotterte ich. „......ich hab ihn gesucht.“ Jareds Ton wurde zischender. „Der ist im Haus.“ Okay, meine Verwirrung war kaum noch zu toppen. „Aber...... er ist doch raus gerannt.“ Rechtfertigte ich mein kurzzeitiges Verschwinden. „Ja, er is' 'ne Runde ums Haus gerannt, dann war er wieder da! Was aber noch lange nicht erklärt, wo du die letzten zwei Stunden warst!“
Erschrocken sog ich die Luft ein. „Zwei Stunden?“ Wiederholte ich fragend seine Worte. Er hatte die Hände in die Hüften gestemmt und knurrte missmutig. „Aber..... ich....er.....“ Stammelte ich leise und senkte den Kopf, es war mir unbegreiflich, dass ich so lange weg gewesen sein sollte, es fühlte sich vielleicht nach einer halben Stunde an. Mit großen Augen sah ich auf und ihn an. „Devi....“ Stotterte ich los. „Er war hier, ich habe mit ihm gesprochen.“ Überwältigt und fest überzeugt, dass es so war, ging ich näher. Jared schnaufte laut und ließ die Schultern hängen. „Rey........, er kann nicht hier gewesen sein.“ Seine Stimme wurde sanfter, mitleidig sah er mich an. Einen Arm legte er tröstend um meine Schultern. „Du hast einiges an Alk in dich gekippt.....“ Versuchte er zu rechtfertigten, was er gerade erfuhr. „Vielleicht war es Wunschdenken oder Halluzinationen.“ Er suchte eine logische Erklärung für meine Worte. „Nein...nein.“ Schüttelte ich den Kopf. „Ich bin doch nicht bescheuert.“ Es machte mich wütend, dass er mir nicht glauben wollte. „Sieh mich an. Lalle oder wanke ich? Mache ich für dich den Eindruck das ich voll wie ´n Eimer bin?“
Einen Moment sagte er nichts und sah mich nur an. „Komm.“ Er beantwortete meine Fragen nicht, auch ging er nicht weiter auf meine Worte ein, sondern griff nach meiner Hand und zog mich hinter sich her, wortlos folgte ich ihm. Je weiter wir uns von diesem Ort entfernten, umso mehr verließ mich auch das Gefühl, das mit Devis Erscheinen in mir geweckt wurde. Ich war durcheinander, fast verstört. Im Gegensatz zu Jared konnte ich es nicht abtun und es auf den Alk schieben, dafür war ich einfach zu klar im Kopf.
Kurz bevor wir wieder das Haus betraten, blieb ich stehen und sah Jared an. „Ich bin nicht allein.“ Murmelte ich, ohne dass es für ihn einen Sinn ergab. „Nein, ich bin bei dir.“ Stellte er fest und sah mich prüfend an. Langsam schüttelte ich den Kopf und legte eine Hand auf mein Herz. Sanft klopfte ich auf meine Brust. „Da, bin ich nicht mehr allein.“ Jareds Ausdruck wurde verstörter als ich es gerade noch war. „Du musst ins Bett, war heute vielleicht alles ein bisschen viel für dich.“ Etwas misstrauisch wurde sein Blick und erneut griff er nach meiner Hand. Im Haus war es totenstill, niemand war mehr da. „Wo sind die anderen?“ Mit fragendem Blick sah ich mich um. „Was glaubst du wohl? Sie suchen dich.“ Knurrte er über meine Worte, ging zu seiner Jacke und holte sein Handy heraus, einen nach dem anderen rief er an und gab Entwarnung.
Ich saß neben Jared auf dem Sofa und hing den vergangenen Momenten nach. Wenn ich es mir eingebildet hätte, wäre es dann nicht, wie wenn man morgens erwachte und sich an einen Traum erinnerte. Mit voran schreitender Zeit verblasste er mehr und mehr, bis man ihn vergaß. Aber so war es nicht, ich erinnerte mich zu genau an alles. Seine Stimme, seine Worte, sein geliebter Anblick und das Gefühl, das mich wissen ließ, ich hatte es mir nicht eingebildet.
„Gott sei Dank.“ Riss mich Leahs Stimme aus meinen Gedanken und sie fiel mir um den Hals. „Mach' das nie wieder.“ Knurrte Paul, der nach ihr durch die Tür kam. Kurz drauf folgten Sam, Embry und Jake. Sam sagte nichts, er setzte sich neben Jared und sprach leise mit ihm. Embry schnaufte nur, ließ sich aufs Sofa fallen „Du lebst.“ Murmelte Jake erleichtert und blieb vor dem Sofa stehen. „Ich hab dich gesucht.“ Meine Stimme klang brüchig, als würde ich kurz davor stehen loszuheulen. „Wir sollten schlafen gehen.“ Unterbrach Jared mich, stand auf, zog mich einmal mehr mit sich in Bad und schloss die Tür. Ich setzte mich auf den Rand des Whirlpool und starrte vor mich hin, in Gedanken ging ich es wieder und wieder durch. Er hielt mir meine Zahnbürste hin. „Vergiss' was passiert ist.“ Murmelte er und schrubbte seine Zähne. Ich nahm ihm die Zahnbürste aus der Hand und begann auch meine Zähne zu putzen. Als er fertig war verschwand er kurz, um mit meinen Schlafklamotten wieder aufzutauchen.
Es dauerte einige Zeit, bis alle im Bad waren und dann verteilten wir uns. Vier ins Bett und zwei auf die Couch. Jared, Leah, Embry und ich teilten uns das Bett, Jake und Sam die Couch. Paul hatte sich eine Liege von draußen rein gerollt und es sich darauf bequem gemacht. Leise säuselte der Radiowecker, Leah und Embry flüsterten noch einige Zeit miteinander. Jared hatte sich an mich gekuschelt und seinen Arm unter meinen Kopf geschoben, dass ich einigermaßen bequem lag. An seiner Atmung konnte ich hören, wie er tiefer in den Schlaf sank. Die ganze Situation, hatte schon ein bisschen was von ´nem Jugendcamp und zu allem Übel fing Paul an zu schnarchen. Ich versuchte es auszublenden, aber es war nahezu unmöglich. Die anderen schien es überhaupt nicht zu stören, entweder war deren Schlaf fester oder sie kannten es und hatten sich daran gewöhnt. Nach einiger Zeit zog Jared seinen Arm unter meinem Kopf weg und drehte mir den Rücken zu.
Ich lag da und starrte in die Dunkelheit, ich war müde, aber konnte nicht in den Schlaf finden. Immer wieder drehte ich mich von einer Seite zur anderen. Dann gab ich es auf und setzte mich auf die Kante. Bevor ich noch irgendwen wecken würde, beschloss ich mich nach draußen, auf die letzte Liege zu verziehen. Langsam zog ich Jared die Decke weg, hob die von Leah und Embry an und zog sie ein Stück über ihn. Mit den Armen voll Decke schlich ich zur Haustür und lehnte sie hinter mir nur an. Das Kopfteil der Liege stellte ich ziemlich flach ein, dann wickelte ich mich die Decke und legte mich auf die dicke Unterlage. Fast hätte ich vergessen, wie unbeschreiblich es war, unter dem Sternenzelt zu schlafen. Ich lag auf dem Rücken und sah hinauf zum Himmel, der nicht in dieses üblich nächtliche Schwarz getaucht war. Er war von einem ganz dunklen Blau, fast hatte er die Farbe des Meeres, das an einigen Stellen so tief war und endlos schien. Wieder überdachte ich Devis Worte. Es gab jemanden, den ich kannte, der mein Schicksal teilte, der mich verstand und fühlte wie ich, doch rätselte ich über wen er sprach. Wer musste noch mit so einem unglaublichen Verlust fertig werden?
Das Zuschnappen des Türschloss ließ mich aufsehen. „Na, Sternenkind.“ Flüsterte Jake ungewohnt sanft und lächelte. „Was machst du hier?“ Langsam kam er näher und setzte sich neben die Liege auf den Boden. „Nach den Sternen greifen.“ Flüsterte ich, sah ihn an und drehte mich auf die Seite. Er nickte und sah auch hinauf. Nach ein paar Minuten sah er wieder zurück zu mir. „Die Nacht ist die schönste Zeit.“ Bemerkte er. „Bei Nacht sieht der Himmel aus, wie die tiefsten Abgründe des Meeres.“ Überrascht, dass er aussprach, wie ich dachte, ruhte mein Blick weiter auf ihm und ich nickte. „Wo warst du vorhin solange?“ Seine Worte ließen mich leise seufzen. „In der Vergangenheit.“ Sein Ausdruck blieb unverändert, er nickte, als würde er wissen, wovon ich sprach. „Da bin ich auch gern, ist schön da. Heile Welt.“ Mit dem letzten Satz wand er sein Gesicht ab und sah wieder hinauf, mein Blick folgte seinem. „Ja, heile Welt.“ Wiederholte ich etwas bitter seine Worte.
Eine ganze Zeit saßen wir schweigend nebeneinander. Ich sah wie er schauderte, dann legte er einen Arm auf die Liege und darauf seinen Kopf. „Wie fühlt es sich an, wenn man fest entschlossen ist, sein Leben zu beenden?“ Seine Worte ließen mich hellhörig werden, ich schob seine Haare zu Seite um ihn anzusehen. Er machte es mir einfacher und hob den Kopf. Wenn es mich besorgte, wie er mich ansah, beantwortete ich seine Frage wahrheitsgemäß. „Frei, man ist frei von allem.“ Flüsterte ich und sah ihn prüfend an. „Warum fragst du?“ Kurz senkte er den Blick, doch nur um erneut aufzusehen. „Ich habe es mich nie getraut.“ Einen Moment stutzte ich. Wieder sah ich, dass er schauderte. „Ist dir kalt?“ Langsam nickte er. Ein Stück rückte ich zur Seite und machte ihm Platz. Ich begann mich so aus der Decke zu wickeln, dass es für uns beide reichte. Dann kam ich auf unser Gespräch zurück.
„Warum würdest du es tun wollen?“ Wir lagen mit den Gesichter zu einander und ich konnte jede Regung darauf beobachten. Meine Frage ließ ihn seufzen. „Meinste, du bist die Einzige, die ein Scheißschicksal hat?“ Ich schüttelte den Kopf, er machte mich neugierig. Er benahm sich so normal, fast verzweifelt, eine Gefühlsregung, die mir an Jake nicht ganz unbekannt war, schon als wir in der Felsspalte steckten, ließ er etwas von seinem Gefühlsleben durchscheinen. Jetzt ergab sein Benehmen nach und nach einen Sinn.
„Falls du es nochmal in Betracht ziehen solltest, sag mir Bescheid. Dann bin ich dabei.“ Er klang so verbittert und enttäuscht vom Leben. „Und was ist der Grund?“ Fragte ich leise, ohne auf seine Bitte einzugehen. „Was war dein Grund?“ Konterte er mit einer Gegenfrage. Einen Moment überlegte ich. „Eine verlorene Liebe.“ Murmelte ich leise und hätte ihm am liebsten den Rücken zugedreht. „Schwester im Geiste.“ Schnaufte Jake und tat, was ich dachte, er drehte mir den Rücken zu. Mit meinen Fingern fuhr ich durch sein dichtes langes Haar. Er war eben so ein Rebell wie ich, wenn es bei ihm auch um einiges extremer war. Jake und eine verlorene Liebe? So wie ich ihn kennenlernte, wäre es ein Widerspruch in sich, so respektlos wie er mit seinen Mädels umging und er sie austauschte wie Spielzeuge. Doch konnte man vielleicht anhand dessen erkennen, wie tief er verletzt wurde. Ohne erkennbaren Grund drehte er sich wieder zurück.
„Ficken?“ Knurrte er. Leise lachte ich auf. „Oh man, Jake.“ Mit einer Hand fuhr ich mir durchs Gesicht, mit meinem jetzigen Wissen verfolgte ich einen Gedankengang, der es wert wäre, dass ich ihn ausprobierte. Sein Benehmen erinnerte doch sehr an mich. Das Was war nicht wichtig, das Wie war ausschlaggebend. Extrem eben, um so keine Schwäche zeigen zu müssen, oder bekannte Gefühle aufloderten. Denn wenn das der Fall war, bröckelte die Fassade und die lang einstudierte Maske bekam Risse.
Unsere Leben konnte man mit zwei Straßen vergleichen, jede hatte ihren eigenen Weg, sie führten über Berge, durch Täler, die immer dunkler wurden, bis sie sich kreuzten und ein Stück weit, als Eine weiter führten. Gezeichnet von Schmerz, Verzweiflung, Zerstörung und Selbsthass. Diese Erkenntnis ließ mich ihn verstehen, seine Angst, gut versteckt hinter dieser Arschloch- Macho- Fassade, doch das war nicht er. „Was is´jetzt.“ Forderte er nach meiner Aufmerksamkeit. Behutsam rutschte ich näher und behielt seine Augen im Blick, sie würden ihn verraten. Mit meiner Hand fuhr ich über seine Wange und näherte mich unaufhaltsam seinem Gesicht. Mit jedem Stück, das ich ihm näher kam, ohne dass ich ihn ablehnte, wurde er unsicherer. Etwas fester drückte ich mich an ihn und schmiegte meine Wange an seine, leise ließ es mich seufzen. Aber nicht, als wollte ich ihn mit Haut und Haaren fressen. Denn so würde es nach hinten losgehen. Wir hatten alle Zeit der Welt und so ging ich es an. Beruhigend, sanft und liebevoll.
Seine Hand, die langsam und warm meinen Rücken entlang tastete, zitterte. Immer wieder stockte sein Atem und wechselte mit dem Beben seiner Brust. Ein Bein schlang ich um seine Hüfte, mit dem Arm fuhr ich unter seinem Arm hindurch und legte meine Hand zwischen seine Schulterblätter. Mit dem Gesicht nahm ich etwas Abstand um ihn anzusehen, seine Augen waren geschlossen, sein Gesicht erzählte von dem Leid, dem Schmerz, den er die ganze Zeit versteckte. „Jake.“ Hauchte ich tröstend seinen Namen und er sah mich an. Es traf mich wie ein Faustschlag, ich fragte mich, wer ihm das angetan hatte. Er beugte sich zu mir, fest umarmte er mich und vergrub sein Gesicht an meinem Hals. Sein Atem ging unregelmäßig, als würde er ein Schluchzen unterdrücken. Langsam fuhr ich mit der anderen Hand über seinen Kopf und drückte ihn tröstend an mich. Zu gut konnte ich ihn verstehen, seine Abwehr, seine Angst, um dann doch von irgendwem gerettet zu werden. Ich fühlte wie er.
Wenn in mir die Neugier brannte, wer es ihm angetan hatte und vor allem, was ihm angetan wurde, so behielt ich meine bohrenden Fragen für mich und hoffte, er würde es mir erzählen, irgendwann, wenn er soweit wäre. Die Zeit, in der er mich an sich drückte, verstrich und nach und nach fiel die Anspannung von ihm ab. Er legte seinen Kopf so, dass er genau auf Höhe meines Herzens lag. Seine Atmung wurde regelmäßiger, sein Rücken, an dem ich jeden verspannten Muskel fühlen konnte, wurde weicher. Eine seiner Hände suchte meine, langsam kam ich ihm entgegen und er verschränkte seine Finger mit meinen. Mit der anderen Hand zog ich die Decke höher und strich ihm vorsichtig die einzelnen Strähnen aus dem Gesicht. Ich hörte, wie er leise seufzte und sein Daumen fuhr dankend über meine Hand. Sanft begann ich seinen Kopf zu streicheln und zu krabbeln, bei mir war das immer ein sicheres Schlafmittel. Aber auch mich ließ die monotone Bewegung gähnen, nach ein paar Minuten schloss ich die Augen und glitt Stück für Stück tiefer in den Schlaf.
Das leise Zwitschern der Vögel weckte mich. Langsam fand ich wieder zu mir und öffnete blinzelnd die Augen. Die Sonne trat ihren Siegeszug an, wenn sie auch noch mit der weichenden Dunkelheit der Nacht haderte. Tief holte ich Luft, der Druck auf meiner Brust wurde zusehends unangenehmer. So wie Jake eingeschlafen war, lag er immer noch da und seine Hand hielt noch immer die meine. Ich hatte vielleicht zwei oder drei Stunden geschlafen, der wenige Schlaf würde sich später sicher rächen. Wie es schien, sclhiefen die anderen noch, vielleicht sollte ich ihnen eine Freude machen und Brötchen besorgen. Es war beeindruckend, wie viele Fressalien man im Haus haben musste, gerade wenn man die Jungs satt bekommen wollte. Jetzt beschäftigte ich mich damit, wie ich Jake von mir runter bekäme, ohne dass ich ihn weckte. Vorsichtig drehte ich mich auf sie Seite und er rutschte langsam von meinem Brustkorb. Es tat gut, tief durchzuatmen. Leise knurrte er und sortierte sich neu, kurz sah er mich mit müden Augen an. Behutsam fuhr ich mit den Fingern über sein Gesicht, seine Augen, damit er sie wieder schloss. So brachte man auch Babys und Welpen dazu, die Augen wieder zu schließen, die Müdigkeit erledigte dann den Rest. Einen Moment blieb ich noch bei ihm liegen, erst als ich wusste, er schlief wieder, stand ich auf, zog ihm die Decke bis an die Ohren und wollte ins Haus. Doch hatte Jake die Tür letzte Nacht zugezogen und jetzt stand ich da. So leicht ließ ich mich natürlich nicht entmutigen.
Auf meinen dicken Kuschelsocken lief ich den Weg zum Haus meiner Eltern. Die Terrassentür verriegelten sie nie, falls etwas wäre, dass ich mir selbst Einlass gewähren konnte. Ich schob die Tür auf und horchte, auch hier war noch alles still. Aus dem Schlüsselkasten im Flur nahm ich den Ersatzschlüssel meines Wagen und ein paar Dollar aus dem Portmonee meines Dads. Bestimmt würde ich mir gleich ein paar dumme Blicke einhandeln, da sicherlich nicht viele Menschen in Schlafklamotten Brötchen holten, aber drauf geschissen. Aus dem Schuhschrank, der unter dem Schlüsselkasten stand, angelte ich mir ein Paar Sneakers von meiner Mum. Dann zog ich möglichst leise die Haustür hinter mir zu und trabte die Treppe herunter zum Auto.
Kurz sah ich nach rechts und zu meiner Verwunderung stand einer unserer Nachbarn in seinem Vorgarten, ich hatte keine Ahnung, was er um diese Uhrzeit dort trieb. Kurz nickte ich und kassierte den ersten dummen Blick. Wenig beeindruckt von seinem blöden Gesicht schloss ich den Wagen auf, nahm Platz und startete ihn. Gemütlich kurvte ich los. Die Sonne gewann an Höhe und blendete mich, aus der Seitenverkleidung der Tür nahm ich meine Sonnenbrille, die mir einmal mehr gute Dienste leistete. Ich war auf dem Weg nach Forks, es würde mir auch nicht öfters passieren, dass ich in alles Herrgottsfrühe losgurkte. Morgen wäre ein anderer dran. Wieder beeindruckte es mich auf ein Neues, wie wenig diese Straßen befahren wurden. Man konnte es rot im Kalender ankreuzen, wenn einem ein anderes Auto entgegen kam.
Fast vor der Tür der kleinen Bäckerei bekam ich einen Parkplatz. Hier waren zu meinem Elend schon mehr Menschen auf den Beinen, die dieselbe Absicht verfolgten. Bevor ich ausstieg, fiel mein Blick auf den Beifahrersitz, auf dem Jareds Hoddie lag. Ich zog ihn über, jetzt erinnerte mein Auftreten nicht mehr so ganz an gerade aufgestanden, sondern nur noch an schlechtes oder gar kein Modebewusstsein. Na was solls, ich würde schnell reinspringen, kaufen was ich brauchte und dann würde es bleifußmäßig zurückgehen. Die Sonnenbrille ließ ich auf, in der Hoffnung, halbwegs unerkannt zu bleiben, aber dafür fehlte die Plastiknase und der Schnäuzer. Einen Moment überlegte ich, die Kapuze über den Kopf zu ziehen, aber würde ich so gangstermäßig unter Garantie mehr Blicke auf mich ziehen, als gewollt.
Ich stieg aus, prüfend sah ich mich kurz um, schließlich befand ich mich auf gefährlichem Terrain. Leichtfüßig sprang ich die Stufen hinauf und zog an der Tür, auf der dick und fett „Drücken“ stand. Ja, Willkommen in meiner Welt, ich hatte es voll drauf. Durch das Rumpsen an der Tür sahen sich alle, die im Laden standen, zu mir um. Jetzt versuchte ich es mit drücken und reihte mich brav hinter dem Letzten ein. Ein Mann, mittleren Alters. „Na, noch nicht ausgeschlafen, wie!“ Grinste er. Zynisch erwiderte ich dieses Grinsen und war froh, als er sich wieder umdrehte und mich in Ruh ließ. Eine Oma stand am Anfang der Schlange und legte Centweise die kleinen Geldstücke auf den Verkaufstresen. „Boah.“ Maulte ich vor mich hin, es dauerte einfach alles zulange. Böse Gesichter drehten sich zu mir um. „Was?“ Raunzte ich und zuckte mit den Schultern, ich machte mir direkt Freunde.
Zwei Frauen drehten sich immer wieder um und musterten mich misstrauisch. „Ja, das muss sie sein.“ Hörte ich die eine murmeln. Mit gerunzelter Stirn strengte ich mein Gehör an. „Wer?“ Fragte die andere. „Die, die Polizei aufgegabelt hat, die hat mit dem Sohn von den Camerons, mitten auf der Straße.... Na du weißt schon.“ Zischte sie abwertend. Na super, bekannt wie ein bunter Hund, vielleicht sollte ich fragen ob Autogramme erwünscht wären oder ob sie ein Foto mit mir machen wollten, in eindeutiger Pose. Genervt schob ich die Sonnenbrille auf meine Nasenspitze, verschränkte die Arme vor der Brust und sah sie mit einer hochgezogenen Augenbraue an. „Ja ich bins, schön euch kennenzulernen.“ Knurrte ich. Etwas peinlich berührt drehten die beiden sich um und stellten ihre Unterhaltung ein. Dafür hasste ich das Leben auf dem Land, jeder sprach über jeden und andere kannten das Leben ihrer mit Mitmenschen besser als diese selber. Einfach zum Kotzen.
Nach einer gefühlten Stunde war ich endlich an der Reihe. Schnell gab ich meine Bestellung auf, zahlte und sah zu, dass ich hier raus und möglichst schnell weg kam. Mit den Tüten im Arm angelte ich nach dem Autoschlüssel, als sich eine Hand auf meine Schulter legte und ich zusammenzuckte. Erschrocken fuhr ich herum. „Was bist du denn so schreckhaft?“ Strahlte mich Seths gut erholtes Gesicht an . Erleichtert atmete ich aus. „Hey Kleiner, seid ihr schon wieder da?“ Er nahm mir ein Paar Tüten ab, ich holte den Schlüssel heraus und öffnete den Wagen. Mit einer schnellen Handbewegung warf ich die Tüten auf den Beifahrersitz. „Ja, sind vorhin wieder gekommen.“ Erzählte er fröhlich grinsend. „Falls du deine Schwester vermisst, sie ist bei mir.“ Ließ ich ihn wissen, damit Sue sich nicht unnötig Sorgen machte. „Willst du mitkommen?“ Auf einen mehr oder weniger kam es jetzt auch nicht an. „Mum wartet aufs Frühstück, vielleicht später.“ Ich nickte. „Ruf an, irgendeiner wird dich abholen.“ Winkend verschwand er in der Bäckerei des Tratsches.
Die beiden Lästerziegen standen ein Stück die Straße hinauf und wie es schien, frönten sie ihrer Lieblingsbeschäftigung. Ich warf die Tür zu und startete den Wagen. Als ich an ihnen vorbei fuhr, drückte ich kräftig auf die Hupe und winkte. Etwas pikiert sahen sie mir nach. Auf der Landstraße angekommen stellte ich das Radio lauter. Es lief ´ne alte Schnulze, die früher öfters bei uns zu Hause gehört wurde. I don't wanna fight von Tina Turner, aus erinnerungstechnischen Gründen ließ ich es laufen. Doch erinnerte es mich nicht nur an unbeschwerte Kindheitstage, sondern mit dem Streifzug in meine Vergangenheit, unweigerlich auch an Devi und somit an letzte Nacht.
Ich überlegte hin und her, sah das Geschehene kritisch, um mir hundertprozentig sicher zu sein, dass es kein Hirngespinnst war. Seine Worte zogen ihre Bahnen, aber mit einem Unterschied, ich wusste wer mein Schicksal teilte, es war nicht länger ein Rätsel, das gelöst werden wollte. Klar lag es vor mir und es beruhigte mich auf seltsame Art und Weise. Wenn die anderen auch ihr möglichstes taten und guten Willen zeigten, war Jake doch der Einzige, der es tatsächlich nachvollziehen konnte.
Sein gequältes Gesicht drang durch die Massen an Erinnerungen, schmerzverzerrt und verzweifelt. Ich hatte keine Ahnung, wie lange ihn seine Erinnerungen schon quälten, doch fand er nie den Mut, sein Leben zu beenden. Für die Menschen um ihn, die mit dem Verlust klar kommen müssten, ein Segen. Für ihn, der den Schmerz aushalten musste, ein grausamer Fluch. Auch wusste ich nicht, ob es ihm helfen würde wenn er aussprach, was geschehen war. Mir half es soweit, das dass Leben weiter gehen konnte, doch trugen Jared und Sam einen großen Teil dazu bei. Aber wen hatte Jake? Wer würde ihm seine Hand reichen, wen hatte er an seiner Seite, wer würde ihn auffangen, an wem konnte er sich festhalten, wenn der Himmel über ihm einstürzte? Aufgrund seiner schützenden Fassade war er nicht gerade ein Ausbund an Liebenswürdigkeit. So hielt er sich die anderen vom Hals und brauchte sich auf niemanden ernsthaft einlassen. Keine wahren Gefühle, keine Aufrichtigkeit, keine ehrliche Zuneigung. Nur gespielte Abneigung allem gegenüber. Sein Leben musste die Hölle sein, das er im Alk ertränkte. Auch verstand ich, warum Kenai und seine Leute ihm so wenig Angst machten, warum er lachend in die Kreissäge rannte. Er hatte keine Angst vor dem Tod. War tatsächlich ich die Einzige, die wusste, wie es um ihn stand? Waren die anderen so blind, dass sie es nicht sahen? War er ihnen egal? Oder hatten sie ihr möglichstes getan, nur Undank geerntet und es auf Grund dessen aufgegeben? Vielleicht wollte er sich nicht retten lassen, vielleicht waren all diese dunklen, zerstörenden Gefühle alles, was ihm blieb und er hielt an ihnen fest. Bei dem Gedanken an Jake zog sich schmerzhaft mein Herz zusammen. Was wenn der Tag käme, an dem die Verzweiflung den fehlenden Mut ersetzte? So wie es bei mir war. Bei dem Gedanken wurde mir übel und ich wollte nicht weiter an ihn denken. So nahm ich mir vor, mein möglichstes für ihn zu tun, so wie es andere für mich taten. Den Glauben an ihn nicht verlieren, zuversichtlich in die Zukunft sehen und darauf vertrauen, dass er es schaffen würde. Vielleicht war es weniger, dass ich mich besser fühlen sollte mit dem Wissen was Jake und mich verband, vielleicht war es viel mehr der Wink mit dem Zaunpfahl, wie dringend er Hilfe nötig hatte.
Noch immer in Gedanken parkte ich den Wagen, belud mich mit den Tüten und ging durch das Gartentor. Jake lag immer noch auf der Liege, aber mittlerweile war die Haustür offen. Die zweite Liege stand auch wieder draußen, Sam lag darauf und sonnte sich. „Frühstück.“ Flüsterte ich, als ich auf sie zu ging. Sam blinzelte mich an. „Guten Morgen.“ Murmelte er zurück. Auf dem Rand der Liege nahm ich Platz. „Haste gut geschlafen?“ Mit einer Hand fuhr ich über seinen Arm und schenkte ihm ein Lächeln. „Das Sofa ist echt bequem.“ Lächelte er, es ließ mich nicken. „Hunger?“ Demonstrativ hielt ich die Brötchentüten hoch. „Ein bisschen.“ Gab Sam zurück, ich merkte ihm an, dass er emotional noch nicht wieder in seiner alten Verfassung war. „Jared hat schon wieder Land und Leute verrückt gemacht, weil du nicht aufzufinden warst.“ Schnaufte er und zog 'ne Fratze, ich setzte in sein Schnaufen ein. „Dann werd ich mal in die Höhle des Löwen.“ Kurz tätschelte ich seine Hand und stand auf. Vorsichtig sah ich um den Rahmen der Haustür. „Guten Morgen.“ Zwitscherte ich und marschierte rein. Leah und Embry lagen noch im Bett, Paul saß auf dem Sofa und Jared stand vor der Fensterfront und sah hinaus. Die Tüten legte ich auf die Arbeitsplatte, ging die paar Schritte und stellte mich neben ihn. „Na Großer.“ Sagte ich leise und folgte seinem Blick. Jared holte tief Luft. „Du kannst nicht immer einfach verschwinden. Irgendwann bekomme ich noch mal einen Herzinfarkt.“ Es sollte einer Standpauke gleich kommen, aber schien er einfach nur froh zu sein, dass ich wieder da war. „Ich wollte euch mit Brötchen überraschen.“ Rechtfertigte ich mich kleinlaut und sah ihn an. Mit einer schnellen Bewegung legte er mir seinen Arm um die Schultern und drückte mich an seine Seite. Ohne mich anzusehen, küsste er meine Stirn. Die Arme schlang ich um seine Mitte und kuschelte mich an ihn. Dann ging mein Blick wieder hinaus und blieb an dem kleinen Wäldchen hängen, leise seufzte ich. Ich nahm mir vor, später noch mal dieses kleine, verwunschene und prophezeihende Fleckchen Erde aufzusuchen.
„Ich hab Hunger.“ Knötterte Paul mal wieder und Embry setzte mit ein. In Jareds Arm drehte ich mich zu ihnen. „Seh ich aus wie ´n Kellner?“ Polterte ich los. Überraschte Gesichter sahen mich an. „Jaaaaa, gibt gleich was.“ Kurz strich ich Jared über den Bauch. „Hast du auch Hunger?“ Fragte ich ihn, im weitaus netteren Ton. Endlich sah er mich an und nickte leicht. „Räum' mal den Tisch ab, Paul.“ Knurrte ich, ohne den Blick von Jared zu wenden. Maulend raffte er sich auf und kam meiner etwas unsanften Aufforderung nach. „Du hast Brötchen geholt, wir machen den Rest.“ Flüsterte Jared und küsste mich hingebungsvoll. So ließ ich mir das gefallen. Er ließ von mir ab und begann, die Kaffeemaschine zu bearbeiten. Bevor sie es sich noch mal anders überlegten, schlich ich mir nach draußen mit der Absicht, eine Liege für mich zugewinnen, doch waren beide nach wie vor belegt. Da Jake noch schlief, wollte ich ihn nicht wecken, so musste Sam dran glauben. Ich tauchte neben seiner Liege auf.
„Ähh, du sollst ma´ zu Jared kommen.“ Grinste ich. Sam zog die Brauen zusammen. „Was will er?“ Ich zuckte die Schulter und er stand tatsächlich auf. Ich konnte schon ein Miststück sein, wenn ich etwas unbedingt wollte. Er verschwand im Haus, leise kichernd legte ich mich auf die Liege, schloss die Augen und genoss die wärmenden Strahlen der Sonne. „Man konnte an deiner Stimme schon hören, dass du lügst.“ Erklang Jakes kratzige Stimme. Langsam drehte ich den Kopf zu ihm, er grinste und sah mich aus verschlafenen Augen an. „Dafür bist du umso besser im Vortäuschen falscher Tatsachen.“ Kicherte ich. „Ich dachte, du schläfst noch.“ Er kniff die Augen wieder zu. „Tu ich ja auch.“ Flüsterte er und blinzelte. Lachend drehte ich das Gesicht wieder zur Sonne und schloss die Augen.
„Das ist so schön.“ Hauchte ich und war versucht, mich der aufkommenden Müdigkeit zu ergeben. „Das war die letzte Nacht auch.“ Sagte Jake leise. Seine Worte veranlassten mich, erneut zu ihm zu sehen. Doch da ich nicht wusste, was ich sagen sollte, nickte ich nur. Langsam streckte er seine Hand unter der Decke hervor und mir entgegen. Mein Blick ging von seinem Gesicht zu seiner Hand, die mich bat, sie zu berühren. Etwas zögerlich kam ich seine Bitte nach, aber bevor sich unsere Hände berühren konnten, kam Sam durch die Tür. Erschrocken zuckte ich zurück und sah mit ertappten Blick zu ihm auf. Einen Moment stutzte er und zog die Brauen zusammen. „Vom Chefkoch persönlich.“ Knurrte Sam leicht, da er mit dem, was er leider mitbekam, nicht einverstanden schien. Er hielt mir eine Tasse Kaffee hin, doch sein Blick blieb auf Jake geheftet. Dankend nahm ich sie an mich, setzte mich auf und Sam verschwand so schnell, wie er aufgetaucht war. „Als Perle vom Chefkoch bekommst du sogar Kaffee gebracht.“ Beschwerte sich Jake. „Auch ´n Schluck?“ Fragte ich beschwichtigend und hielt ihm die Tasse hin. „ Na sicher.“ Giggelte er und nahm sie mir aus der Hand. „Glaub ma´nicht, das du die wieder kriegst. Kannst ja nach Johann klingeln, der bringt dir bestimmt noch einen.“ Stichelte er und trank einen Schluck. „Wenn man dir den kleinen Finger reicht.......“ Mokierte ich mich. „Ja, ja dann reiß ich gleich den ganzen Arm ab. Gewöhn´ dich dran,“ vervollständigte Jake meine Worte. Wenn ich letzte Nacht auch einen Einblick in das Gefühlsleben des Jacob Black bekam, so war er heute morgen doch wieder das alte Ekel. `Gewöhn dich dran?´, päh, warum sollte ich?
Weder war ich gezwungen es mir anzutun, noch war ich davon überzeugt, dass ich so ein Verhalten freiwillig ertragen würde. Würde er mich zu sehr nerven, hielt ich es wie sonst auch und ich ginge ihm einfach aus dem Weg. Zwar würde es sich hier auf engstem Raum eher schwierig gestalten, doch hatte sich mir letzte Nacht eine gute Alternative aufgetan. „Frühstück!“ Schallmeite Sams bassige Stimme zu uns. „Erste.“ Bölkte ich und sprang auf. Jake versuchte noch, meine Hand zu grapschen, doch war ich schneller und schoss durch die Haustür, mit Schwung sprang ich mit beiden Beinen aufs Sofa und krachte etwas unsanft gegen Sams breite Schulter. „Hoppla.“ Kicherte ich und setzte mich gesittet neben ihn. Mit ihm schien heute nicht gut Kirschen essen, er sah mich gar nicht an, dafür strafte er Jake, der durch die Tür schoss, mit bösen Blicken. Ich fletschte Jake grinsend an, da ich schneller war. „Nächstes Mal.“ Drohte er. Dann ging das große Fressen los. Sie stürzten sich auf die Brötchen und ließen es sich schmecken.
Kampfeslustig zankte ich mit Jake ums letzte Brötchen, doch war er dieses Mal schneller und arbeitete mit fiesen Tricks. Resigniert ließ ich mich nach hinten in die Kissen sinken. Alle anderen sahen sich unser Gezanke amüsiert an und der ein oder andere ergriff Partei. Siegesgewiss nahm er ein Messer und schnitt es auf. Dann tat er, was alle überraschte, er teilte, auch ein ganz neuer Zug an ihm. „Willst du auf deine alten Tage noch nett werden?“ Lachte Leah und gab die Hälfte an mich weiter. „Danke.“ Sagte ich überrascht, er lächelte nur. „Bist du krank?“ Knurrte Sam eher unfreundlich, aber Jake überhörte seinen nicht so nett gemeinten Kommentar. Auch das wunderte mich, normalerweise ging er keinem Streit aus dem Weg, egal mit wem er sich anlegen würde.
Nachdem alle satt waren, begann ich den Tisch abzuräumen, Paul half ohne Aufforderung mit, er lernte ziemlich schnell. So nahm ich mir die Spülmaschine vor, er brachte mir das Geschirr, in kürzester Zeit waren wir fertig. Dann angelte ich mir Klamotten aus dem Schrank und wollte duschen gehen, beschwingt riss ich die Tür vom Bad auf, als Embry vom Bett bölkte. „Da is´ besetzt!“ Das sah ich jetzt auch, Sam stieg gerade aus der Dusche. Beeindruckt sah ich an ihm herunter und legte den Kopf schräg. Er sah mich mit einer hochgezogenen Augenbraue an und griff nachdem Handtuch. „Komm rein.“ Säuselte er verführerischer als Venus selbst. „Ähhh.... wow..... ich.... muss weg.“ Stammelte ich und schloss die Tür. Okay, es sollten definitiv ein paar Regeln aufgestellt werden, so lang wir hier alle zusammen hausten. Eine davon wäre, die Badezimmertür abzuschließen. Sam hatte mich größenmäßig einmal mehr schwer beeindruckt. Wie konnte Leah Embry nur vorziehen? Embry konnte kaum besser ausgestattet sein, oder? Oh mein Gott, das würde dann an Quälerei grenzen. Ich schüttelte den Kopf und versuchte die Gedanken zu verscheuchen, obwohl... .
Keine zehn Minuten später kam Sam aus dem Bad, grinsend ging er an mir vorbei und zog eine Duftwolke hinter sich her. Kurz seufzte ich und hielt meine Nase in die Luft, dann machte ich mich auf, als Jared an mir vorbei schoss. „Ich bin jetzt dran.“ Keifte ich hinter ihm her. Abrupt stoppte er. „Kommt mit.“ Grinsend hielt mir eine Hand entgegen. „Ne, ich hätte gerne mal mein Ruhe.“ Das Aufeinandergehocke nervte mich schon nach so kurzer Zeit, ich war eben ein Einzelkind und es nicht gewohnt, mit so vielen auf engstem Raum klar zu kommen.
„Dann nicht.“ Trällerte er und schloss die Tür hinter sich. Ich hätte losschreien können, so setzte ich mich neben die Tür, um meinen Anspruch anzumelden. Sollte es noch einer wagen, mich von meiner dringend benötigten Dusche abzuhalten, würde dieser jemand ausnahmslos schlimmste Qualen erleiden. Es machte den Anschein, Jared wollte dort gar nicht mehr raus kommen, war das Bad der einzige Raum, in dem man mal ein bisschen seine Ruhe hatte. „Machste den Türsteher?“ Lachte Jake, als er wieder nach draußen ging. „Hahhaa, lustig.“ Bölkte ich ihm nach, hätte ich etwas geeignetes zum werfen gehabt, es wäre im hohen Bogen hinter ihm her geflogen. Langsam, aber sicher verließ mich die Geduld und ich polterte gegen die Tür.
„Boah, was machst du da drin, ritzte Muster in die Fliesen?“ Leises Gekicher drang durch die Tür. Mittlerweile war es mir egal, ob allein oder mit Jared im Nacken, ich wollte da rein. „Mach' auf!“ Knurrte ich und meine Laune war an ihrem neuen Tiefpunkt angekommen. Kurz drauf hörte ich, wie der Schlüssel in Schloss gedreht wurde. Wild schnaufend riss ich die Tür auf und was ich sah, hätte mich einmal mehr los schreien lassen. Jared saß mit Schaumkrönchen auf dem Deetz im Whirlpool, der ebenfalls vor Schaum fast überlief. „Das is´nicht dein Ernst.“ Fassungslos schüttelte ich den Kopf und sah ihn an. „Ich hab' doch gesagt, du sollst mitkommen.“ Rechtfertigte er sich und pustete den Schaum von seiner Hand in die Luft. Die Tür schloss ich ab und begann knurrend, mich auszuziehen. Jared pfiff begeistert aus seinem Prinzessinnen- Schaumbad. Mit bösem Blick strafte ich ihn, doch versteckte er sein grinsendes Gesicht hinter einer fluffigen Schaummauer. Leise vor mich hin fluchend stieg ich in die Dusche, noch bevor ich das Wasser angedreht hatte, klopfte es Sturm. So, ich hatte die Schnauze gestrichen voll. Wutschnaubend griff ich mir ein Handtuch und wickelte es im Laufen um mich.
„Verdammte Scheiße....“ Keifte ich, als ich die Tür aufriss und in das entsetzte Gesicht meines Dads sah. „Reyna Ellen Linn, was in Himmels Namen ist hier los?“ Fuhr er mich an. „Guten Morgen, Mr. Linn.“ Sang Jared versunken im Schaum. Ungläubig sah mein Dad um die Ecke. „Du kommst sofort mit, mein liebes Fräulein.“ Raunzte er, nahm meine Hand und zog mich hinter sich her. „Rey, is´noch Alk im Kühlschrank?“ Rief Jake mir zwinkernd nach, als mein Dad mich draußen an den Liegen vorbeischlörrte. Hasserfüllt sah ich Jake an und fuhr mit einem Finger an meiner Kehle entlang. Mein Aufzug ließ ihn mir zu allem Überfluss nachpfeifen.
Mein Dad bugsierte mich in die Küche und schloss die Terrassentür. Fassungslos sah er mich an und zeigte in Richtung des Ferienlagers. „Was ist da los und wer sind die?“ Piepste er entsetzt. Was sollte ich ihm jetzt bitte erzählen? Es wäre vielleicht nicht förderlich, wenn ich erwähnen würde, das Jared die Cousine ihres Erzfeindes angegraben hat, wir darauf fast was auf die Nuss bekommen hätten, Jake mit einem beherzten Schwinger auf Kenais Nase mein Leben gerettet hatte, wir dann mit ´ner Waffe und ´ner abgesägten Schrotflinte bedroht wurden uns nur retten konnten, da das Auto, dass ich fuhr, über tausend PS hatte. Ich war mir sicher, das zu erwähnen, wäre eher kontraproduktiv.
„Einweihungsfete.“ Schoss es aus mir heraus und ich fand, es war ein grandioser Einfall. Mit gerunzelter Stirn sah er mich wenig überzeugt an. „Ihr wolltet doch, dass ich neue Freunde finde. Et voilá.“ Ich versuchte, sie mit ihren Waffen zuschlagen und so wie es aussah, schien es von Erfolg gekrönt. „Aber..... .“ Begann er vorsichtig Einwände zu erheben. „Was aber? Ich kann sie auch alle zum Teufel jagen und anfangen, mich zu ritzen. Wenn euch das lieber ist.“ Klar erpresste ich ihn, aber drauf geschissen. Abrupt verstummte er und sah mich entsetzt an. „Schatz, so war das nicht nicht gemeint.....“ Schritt für Schritt näherte ich mich wieder dem sicheren Ausgang. „Okay, kann ich gehen?“ Drängte ich und hatte die große Glastür schon aufgeschoben. Resigniert nickte er und entließ mich.
Stinksauer und wutschnaubend rannte ich den Weg zurück. „Wo ist Jake!“ Knurrte ich Sam an. Überrascht über meine aufgebrachte, in ein etwas kurzes Handtuch gewickelte Erscheinung, zog er eine Augenbraue hoch. „Ich glaube, im Bad.“ Murmelte er respektvoll, Jared, der mittlerweile auf der anderen Liege lag, kicherte in sich hinein. Schnaufend stapfte ich weiter und trommelte vor die Badtür. „Was?“ Maulte Jake genervt. „Komm raus, ich will dich töten und dann endlich duschen!“ Keifte ich aufgebracht, laut hörte ich ihn lachen, was meine Wut nur schürte. Weiter schlug ich vor die Tür und wurde von den anderen schon blöd angesehen, so kannten sie mich nicht. „MACH' DIE VERDAMMTE TÜR AUF!“ Die anderen verzogen sich langsam, wahrscheinlich befürchteten sie, in mein Fadenkreuz zu geraten.
„Man, bleib locker, die is´auf.“ Argh, Privatsphäre! Ich riss die Tür auf und warf sie mit einem Knall hinter mir wieder zu. Es bot sich mir dasselbe Bild wie gerade bei Jared. Ein Berg von Schaum und Jake völlig relaxt mitten drin. „Sag ma', tickst du noch ganz richtig?“ Scheiß Frage, konnte ich mir selbst beantworten, natürlich nicht. „Reg dich ab, alte Zicke.“ Maulte er, verschränkte die Arme hinter dem Kopf und versank tiefer im Schaum. Wildentschlossen, ihm eine zu gönnen, ging ich die letzten Schritte und holte aus. Als hätte er damit gerechnet, schnellte seine Hand vor und hielt meinen Arm fest. „Temperamentvoll, das hab ich gerne.“ Grinste er und bevor ich sein Vorhaben durchschauen konnte, flog ich kopfüber in den Whirlpool. Er griff nach meinen Armen und zog mich hoch. Japsend schnappte ich nach Luft und versuchte, mir den Schaum aus dem Gesicht zu streichen, was nicht ganz so einfach war, da Jake meine Arme nicht frei gab. Am anderen Ende dümpelte mein Handtuch herum.
„Soll ich dich einseifen?“ Flüsterte er, zu dicht an meinem Ohr und es ließ mich schaudern. Jaaaa, ich war auch nur ein Mensch und sein Anblick ließ mich nicht kalt. Erneut wendete ich die Taktik ´nicht hinsehen´an. Dieses Mal mit weitaus weniger Erfolg. Näher zog er mich an sich, sanft glitt ich über seinen Körper und es ließ mich hörbar schlucken. Meine Arme legte er auf seiner breiten Brust ab, seine Hände umfassten mich erneut und schoben mich weiter nach oben. Leise lachte er. „Wirst du grade rot?“ Ich sah ihn mit großen Augen an. „Bestimmt nicht.“ Aber klang ich wenig überzeugend. „Und wenn ich das tue?“ Hauchte er, legte seine Hände auf meinen Hintern und drückte mich gegen sich. Etwas musste ich nach Luft schnappen und zog eine Braue hoch. „Lass' das.“ Aber klang auch das nur halbherzig, natürlich ließ er es nicht, im Gegenteil, er presste mich fester an sich und spürbar tat sich was. „Du bist so gestört.“ Flüsterte ich und sein Tun ließ mich ungewollt seufzen. Meine Hände ballte ich zu Fäusten, um noch irgendwie Abwehr zu demonstrieren. Langsam strichen seine Hände weiter hinunter, meine Oberschenkel entlang, die er vorsichtig hochzog und dann links und rechts neben seinen Hüften positionierte. Er fuhr meinen Rücken entlang hoch zu meinem Nacken. Mir war nicht nur heiß, ich war mir sicher, innerhalb kürzester Zeit würde ich das Wasser zum Kochen bringen.
´Hundewelpen, Hundewelpen, Hundewelpen´, redete ich mir die ganze Zeit ein, da ich nur einen Hauch davon entfernt war, mit Jake einen abzustarten. Wenn ich ehrlich zu mir war, stand auch mir der Sinn danach. Aber was wäre mit.... wie hieß er noch gleich.....ah ja, James, John, Jengis, ach was weiß ich. Indem ich es dachte, legte Jake ungefragt seine Lippen auf meine. Was sollte er auch fragen? ´Darf ich dich küssen`, pah, wie schäbig und gar nicht seine Art, die Frage ´Darf ich dich ficken`, wäre genau so schäbig, aber das klang schon eher nach ihm. Weiter bearbeitete er meine Lippen und dieses Mal stieg ich drauf ein und schlang meine Arme um seinen Hals, er war einfach unwiderstehlich in diesem Moment. Da ich mich nicht gegen seine Avancen sträubte und anstandslos seine fordernden Küsse erwiderte, tasteten seine Hände meine Seite entlang, geradewegs zu meinen Hüften. Sein Atem beschleunigte sich hörbar, sein Griff wurde fester. `Yiehaw Brauner, lass knacken!´
Nur weil man mit jemanden in die Kiste oder wahlweise in den Whirlpool stieg oder geschmissen wurde, hieß es ja noch lange nicht, dass es die große Liebe war. Gelegenheit macht Liebe? Na ja, wohl eher scharf oder spitz.
Langsam drückte er mich weiter nach unten, stockend zog ich die Luft ein und krallte meine Finger in seine Haare. Ich dachte, ich müsste explodieren, dann aber bekamen wir beide, wonach wir lechzten. Mit seinen Händen an meine Hüften bestimmte er das Tempo und wurde zusehends lauter. „Halt die Fresse, Jake.“ Keuchte ich leise. Man konnte sagen, er war stets bemüht, aber wenig erfolgreich. In immer kürzer werdenden Abständen schlug die Hitze über mir zusammen. Mit einer schnellen Bewegung drehte Jake uns, mit den Händen hielt ich mich am Rand fest, damit ich nicht absoff, keine Ahnung, ob er es überhaupt gemerkt hätte, aber drauf geschissen. Hauptsache, er hörte nicht auf. Es würde nicht mehr lange dauern und dann folgte Entspannung pur. Seine Lippen konnten nicht nur überragend küssen, die bearbeiteten auch auf sensationelle Weise meine Oberweite. Kurz bevor es sich dem erstrebten Ende neigte, klopfte es an der Tür und zu meinem Bedauern musste ich daran denken, dass ich meinen eigenen Regeln nicht folgte, die Tür war nicht verriegelt. Warum auch, wer hätte das ahnen können.
Auch ließ Jake sich davon nicht aus dem Konzept, geschweige denn aus dem Takt bringen. Er merkte, wie es mich unruhig machte. „Nein, bleib' locker.“ Seufzte er und es ließ mich dem Kopf zurücklegen. Ich wollte noch viel weniger, dass er aufhörte, aber als es wieder klopfte, wurde ich elektrisch und versuchte, ihn etwas wegzuschieben, um ihn anzusehen. „Das bringen wir jetzt zu Ende.“ Knurrte er zielstrebig. „Lass' gut sein.“ Flüsterte ich. „Dich krieg' ich doch nie wieder.“ Da lag seine Motivation, er ging davon aus, dass ich mich nie wieder dazu hinreißen lassen würde, so wollte er alles mitnehmen und das so lange wie möglich. Ich hatte keine Ahnung, wie er mich in dieser Situation dazu brachte, aber ich dachte, ich müsste das ganze Hause zusammenbrüllen, verdammt, er hatte es voll drauf, selbst in dieser etwas pikanten Lage. Schnell verschloss er meine Lippen mit seinen und drückte uns beide unter Wasser, sonst wäre es böse geendet. Dumpf hörte ich eine Stimme, die ich nicht erkannte, aber hoffte ich, dass durch den Schaum alles im Verborgenen blieb. Ich war jetzt nicht der weltbeste Apnoetaucher, weshalb die Luft nach kürzester Zeit knapp wurde. Jake hatte von mir abgelassen und war aufgetaucht, seine Hand lag zwischen meinen Brüsten und drückte mich stetig nach unten. Ein paar Sekunden würde ich noch schaffen, aber dann wäre es egal, wer im Bad stünde. Ich brauchte Luft. Erst mit einer Hand versuchte ich Jakes von mir zu schieben, erfolglos. Leicht panisch nahm ich die zweite zur Hilfe, was hatte er vor, wollte er mich ertränken? Dann war er auf einem guten Weg. Kurz bevor ich Sternchen sah, verschwand der Druck auf meinen Brustkorb und ich schoss aus dem Wasser. Entsetzt sah ich Jake an.
„Wer war das?!“ Keuchte ich noch immer. „Sam.“ Knurrte er und schien etwas angepisst. „Was wollte der?“ Es ging mir auf den Keks, dass er sich alles aus der Nase ziehen ließ. „Nerven!“ Näää, da wäre ich jetzt so schnell gar nicht drauf gekommen, seine Auffassungsgabe war bewundernswert. Etwas angesäuert stieg ich aus der Wanne und wickelte mich zum gefühlten hundertsten Mal ins Handtuch, Jake sah mir mit offenem Mund und ausgebreiteten Armen hinterher. Nach kurzer Zeit fand er sich wieder. „Und was ist mit mir?“ Leise zischte ich vor mich hin. „Machs dir selber, bevor ich noch drauf gehe.“ Immer noch hatte ich den Geschmack des Schaumbades im Mund. Die kleine Ablagebank schob ich mir vor das, zum Glück, ziemlich tiefe Fenster.
„Rey komm schon, der wird sich hier nicht mehr blicken lassen.“ Redete Jake mit Engelszungen auf mich ein. „Der vielleicht nicht, aber stehen noch vier andere zur Auswahl. Wir hatten grade ein Scheißglück, dass es nicht aufflog....“ Nörgelte ich und kletterte aus dem Fenster. „Glück....“ Zischte er abwertend. „Das haben wir meiner Wortgewandtheit zu verdanken.“ Er lobhudelte sich gerade selber. „Ja, ja du bist der Knaller vorm Herrn, bla, bla ,bla!“ Brabbelte ich mir in den nicht vorhandenen Bart. Mit einer Hand zog ich das Fenster zu, ging ein Stück und setzte mich vor das kleine Stückchen Wand, bevor die große Fensterfront begann. Das Häuschen lag auf einem kleinen Hügel, so ließ ich meine Beine hinunter baumeln, mein Blick blieb auf das kleine Wäldchen geheftet.
Ich saß noch keine zwei Minuten als Sam um die Ecke tigerte. „Hier bist du!“ Atmete er erleichtert aus. Oh toll, ich wollte doch einfach nur ein paar Minuten allein sein. „Dachte schon, du wärst noch bei Jake im Bad.“ Wie er es aussprach, schien er an der Glaubwürdigkeit der Situation zu zweifeln. „Wieso sind seine Haare nass?“ Fragte er misstrauisch. Schnaufend sah ich zu ihm auf. „Hab' geschwitzt.“ Knurrte ich, es war wahrscheinlich wenig überzeugend und total dämlich, da meine Haare aalartig an meinen Schädel gekleistert waren. Es sah aus, als würde er die aufkommende Schlussfolgerung abschütteln. „Kann ich kurz mit dir reden?“ Seine Stimme klang sanft und nicht mehr so zweifelhaft. „Is' schlecht.“ Versuchte ich abzuwenden, was gerade im Begriff war sich zuzutragen und mein Leben noch ein bisschen komplizierter werden lassen sollte. „Es dauert nicht lange.“ Sprach er beschwichtigend auf mich ein, setzte sich ungefragt an meine Seite, fuhr mir über den Kopf und sah mit einer hochgezogenen Augenbraue auf die kleine Schaumwolke. Resigniert ließ ich Kopf und Schultern hängen. „Hau' rein.“ Versuchte ich es zu beschleunigen und hoffte, so weiteren unangenehmen Fragen aus dem Weg zu gehen.
Einen Moment schien er seinen Mut zusammen zu kratzen und pustete den Schaum von seiner Hand. „Der Kuss.....“ Er machte eine dramatische Pause, dann sah er mich an. „.....geht mir nicht mehr aus dem Kopf.“ Laut seufzte ich. „Sam.....ich brauche dich als Freund.“ Ich sah zu ihm auf, sein Blick schien verletzt. Hätte Jake mich nicht grade um den Verstand geknattert und halb ertränkt, hätte es wahrscheinlich ganz anders ausgesehen, aber noch einen würde ich wohl kaum packen. Dann könnte ich mir eine Familienpackung Wundschutzcreme zulegen. Aber damit gab er sich nicht zufrieden. „Denk' einfach mal drüber nach, Jared muss nichts davon erfahren.“ Wortlos tätschelte ich seine Hand, stand auf und lief schnellen Schrittes um das Haus zur Tür. Jared lag noch immer auf der Liege und bekam von alledem nichts mit, besser war das. Als ich durch die Haustür trabte, kam Jake aus dem Bad. Ich schnappte meine Klamotten, die noch immer auf dem Boden lagen. „Du schuldest mir ´n Orgasmus.“ Flüsterte er und grinste. „Ahh, geh mir aus dem Weg.“ Grob schob ich ihn an die Seite, verschwand im Bad und schloss die Tür hinter mir ab. Nachdem ich endlich angezogen war, eine Haare geföhnt und ich zurecht gemacht war, verriegelte ich noch das Fenster, bevor Sam weiteres Futter für seine Befürchtungen bekam.
Als ich endlich fertig wieder heraustrat, lauerte Paul schon vor der Tür, schob sich an mir vor und schloss sie. „Schließ ab!“ Raunzte ich und hörte, wie der Schlüssel gedreht wurde. Na geht doch, der war echt lernfähig. Sam saß mit Jake auf dem Sofa und warf ihm böse Blicke zu. Da hatte ich überhaupt keinen Bock drauf und trabte nach draußen. Jared schob seine Sonnenbrille auf die Nasenspitze und lächelte. „Ich hab dich heute kaum gesehen.“ Und das bei einem Haus, dass die Größe eines Schuhkartons hatte. Er rutschte ein Stück, ich legte mich neben ihn und kuschelte mich an seine Seite. Das fühlte sich gut an, kein Versteckspiel, keine Angst im Nacken, dass man erwischt wurde, mein Ruhepol. Dem Schlafmangel sei Dank ratzte ich innerhalb von Minuten weg.
Gemurmel holte mich langsam und sanft zurück in die Gegenwart. Doch bevor ich die Augen öffnete, kreisten meine Gedanken um den vergangenen Traum. Wieder war ich in dem kleinen Wald, ich fühlte mich unglaublich, es war kaum in Worte zu fassen. Ich fühlte mich wie früher, als die Welt die alte war. Nur ein bisschen wollte ich es noch festhalten, ehe ich ganz ankam. Nur leider ging das schneller, als es mir lieb war. „Und was machen wir jetzt wegen Kenai und Konsorten?“ Ich erkannte Pauls Stimme. Indem traf es mich wie einen Donnerschlag und ich fuhr hoch. Überrascht sahen die anderen, die auf der anderen Liege verteilt saßen, mich an. „Du bist wach.“ Stellte Jared fest und lächelte. „Scheiße, Scheiße, Scheiße.“ Fluchte ich leise vor mich hin. „Was los, schlecht geträumt?“ Murmelte Jake.
„Seth!“ Mein Blick blieb auf Leah geheftet, überrascht zog sie die Brauen hoch. „Ruf' deinen Bruder an!“ Raunzte ich aufgebracht und sprang auf die Beine, die meinen plötzlichen Bewegungsdrang nicht so recht mitmachen wollten. Kurz taumelte ich und hielt mich an Sams Schulter fest, die am nächsten war. Er riss die Arme hoch, um mich zu schnappen, falls es nötig wäre. „Der ist doch noch gar nicht wieder da.“ Versuchte sie mich zu beruhigen und winkte ab. „Doch ist er!“ Bestand ich auf meine etwas unsanft formulierte Bitte. „Hatteste ´ne Eingebung in deinen Träumen?“ Begann Jake mich zu verarschen. Böse funkelte ich ihn an.
„Nein ich habe ihn heute morgen beim Bäcker getroffen, ich wollte ihn mitnehmen aber er wollte sich melden, damit ihn später jemand abholt.“ Leahs Augen weiteten sich. „Wie spät ist es?“ Leicht panisch sah ich in die Gesichter der Anwesenden. „Nachmittag.“ Kam es tonlos von Embry. „Und er hat noch immer nicht angerufen!“ Meine Stimme wurde hysterisch bedingt immer höher und quiekender. Leah sprang auf, lief unter der Begleitung aller in Haus und suchte ihr Handy. Mit zitternden Finger drückte sie die Kurzwahl, nervös trat sie von einem Fuß auf den anderen. „Warum hast du ihn nicht einfach eingepackt!“ Fuhr Embry mich an. Mit großen Augen sah ich ihn an. „Ich hab nicht nachgedacht...“ Stammelte ich vor mich hin.
Keinen Gedanken hatte ich verschwendet, dass Seth ebenso einer Gefahr ausgesetzt war wie wir. Er gehörte dazu, er war Leahs kleiner Bruder und das wusste Kenai nur zu gut. Panisch fasste ich mir an den Kopf und lief auf und ab. Wenn ihm irgendwas zugestoßen wäre, ginge das ganz allein auf meine Kappe. Nach ein paar Minuten ließ Leah den Hörer sinken. „Die Mailbox.....“ Verängstigt sah sie mich an. Gut, ich hatte es verbockt, ich musste es wieder gerade biegen. Schnellen Schrittes schnappte ich mir den Autoschlüssel und war schon fast aus der Tür, als ihr Handy klingelte. Schnell hob sie es und sah auf das Display. „Ich kenn' die Nummer nicht.“ Sprach sie in Gedanken, ging aber im selben Atemzug dran. „Ohhh Seth, Gott sei Dank. Geht es dir gut?“ Ihr Gesicht entspannte sich, wenn es auch nur für einen kurzen Augenblick war. „Seth? Hey? Wo bist du? Seth?“ Ohne Pause wiederholte sie seinen Namen, dann sah sie mit schreckgeweiteten Augen auf. „DU VERDAMMTES ARSCHLOCH!! Krümm' ihm nur ein Haar und ich werde dich eigenhändig dem Tod übergeben!“ Schrie sie völlig aufgebracht ins Handy. Nicht nur mir entglitten die Gesichtszüge, mit offenem Mund starrte ich sie an und wollte nicht glauben, was ich hörte.
Chapter 13
„Bastard.“ Knurrte Leah abgrundtief böse in den Hörer. Jetzt war die Scheiße ordentlich am dampfen. Vor Entsetzen hielt ich mir eine Hand vor den Mund und wankte einen Schritt zurück. Für einen Moment herrschte Totenstille. „Er hat einfach aufgelegt.“ Entgeistert machte ihr Blick die Runde. Das Handy glitt aus ihrer Hand und schepperte auf den Boden. ´Was hat er gesagt? Ist Seth wirklich da? Und wo ist er überhaupt? Was machen wir jetzt? Boah, ruf die Cops.´, all diese Fragen prasselten auf Leah ein, aber sie war nicht in der Lage zu antworten. So sah man also aus, wenn man unter Schock stand. Wenn sie sonst so schnell nichts aus der Ruhe brachte, so war das eine Situation, die abrupte Ruhe brachte, gespenstische Ruhe. Die Ruhe vor dem Sturm.
Für einen kurzen Moment, der nicht nur mir vor Angst die Kehle zuschnürte, dachte ich, Leah würde sich bewusstseinsmäßig verabschieden. Sie taumelte und es machte den Anschein, als würde sie durch uns hindurchsehen. Wie gebannt starrten wir sie an, dann war es, als würde sie erwachen und wieder zu sich finden. Wie auf ein unsichtbares Zeichen sprintete sie los, doch noch bevor sie die Haustür erreichte, hatte Sam sie mit ein paar langen Schritten eingeholt. Vorsichtig hatte er seine Arme um ihren Bauch geschlungen, sie wehrte sich wie von Sinnen.
„Beruhig´ dich.“ Sprach er sanft auf sie ein, doch seine Worte prallten an ihr ab. Ich verstand sie nur zu gut, wenn jemand Geliebtes sich in solch einer Gefahr befand, schaltete der Verstand aus. Sie schrie ihn an, doch blieb er unerbittlich. Blindes, kopfloses Handeln würde uns in dieser Situation nicht weiter bringen. Sam war das klar, Leah nicht. Jared tastete nach meiner Hand, als wollte er sich vergewissern, dass ich da wäre. Als wäre er froh, dass nicht ich diejenige war, die Kenai ins Netz gegangen war. Egoistisch, aber nachvollziehbar. Noch immer bölkte sie Sam an, der sie zum Sofa schlörrte. „Leah!“ Maßregelte er sie mit zischender Stimme, in der Hoffnung, sie würde wieder Herr ihrer Sinne. „Aus dem mach ich Fischfutter.“ Grollte sie, noch nie hatte ich ihre Augen so funkeln sehen. Voller Sorge, Angst, aber noch viel mehr Hass und Rache sprachen aus ihrem Blick.
„Was genau hat Kenai gesagt?“ Mischte Jake mit und ging einen Schritt auf sie zu. Er war völlig ernst und es machte den abgedrehten Eindruck, als würde ihm etwas an Seth liegen, er war tatsächlich besorgt. Er war immer für eine Überraschung gut. Langsam aber sicher wurde Leah ruhiger, sie schüttelte den Kopf. „Es war nicht Kenai, es war Caleb.“ Wenn es auch Caleb war, der anrief, machte es dass nicht besser, erledigte er für Kenai doch nur die Drecksarbeit. Sie ließ sich aufs Sofa fallen, kurz schien sie zu überlegen, als müsste sie ihre Gedanken erst sortieren, dann endlich, kam sie mit der Sprach raus. Er hat sie wissen lassen, dass sie Seth den Schädel einschlagen würden, wenn wir ihre Forderungen nicht erfüllen würden. Tränen glitzerten in ihren Augen, als sie erzählte, es tat mir unsagbar leid. Ich hätte alles abwenden können, wenn ich heute morgen einfach mal ein Hirn eingeschaltet hätte.
„Leah, es tut mir so leid.“ Flüsterte ich und senkte schuldbewusst den Blick. „Ich weiß.“ Murmelte sie, aber würdigte mich keines Blickes. „Und was für Forderungen sollen das sein?“ Knurrte Jared, ließ meine Hand los, setzte sich neben sie, prüfend lag sein Blick auf ihr. „Keine Ahnung. Sie würden sich wieder melden.“ Resigniert vergrub sie ihr Gesicht in den Händen und schluchzte leise. Sam fuhr ihr tröstend über den Rücken und sprach beruhigend leise auf sie ein. „Die wollen dich und mich.“ Zischte Jake mit totaler Überzeugung und sah Jared an, der langsam seinen Kopf hob und zu ihm aufsah. „Dich, wegen Tima und mich, weil ich Kenais krummen Zinken zurechtgebogen habe.“ Klar, es machte Sinn. Aber waren dass nicht etwas zu drastische Mittel, um so an die beiden ran zu kommen? Was würde mit Jake und Jared geschehen, wenn sie sich gegen Seth eintauschten? Nach der Knarren- Aktion, war ich mir sicher, mit einem oder zwei blauen Augen würden sie garantiert nicht davon kommen. Wollten sie die beiden abmurksen? Oh meine Gott, ich sah es vor meinem inneren Auge. Wie Jake und Jared vor ihnen knieten und Kenai einem nach dem anderen lachend eine Kugel in den Schädel jagte. Ich sah wie sie vielen und schreckte hoch. „Was is' 'n mit dir?“ Knurrte Embry und zog die Brauen zusammen. „Es muss eine andere Möglichkeit geben.“ Platzte es aus mir heraus. Irritiert wurde ich angesehen. „Wir haben doch noch über keine Möglichkeit geredet.“ Mit gerunzelter Stirn sah Sam mich an. Doch wurde sein Blick sofort weicher, als er die Angst in meinen Augen sah. In Jake kam das CSI- Gen durch.
„Hast du im Hintergrund irgendwas gehört, was ein Hinweis sein könnte, wo sie sind?“ Verzweifelt schüttelte Leah den Kopf. „Nur Seths Wimmern.“ Bei ihren Worten drehte sich mir der Magen um, im Affenzahn schoss ich ins Bad und schaffte es grade noch so.
Ich hing über dem Waschbecken und spülte mir den Mund aus. So etwas kannte ich, wenn überhaupt, nur aus dem Fernsehen. Wie konnte man so auf Rache sinnen, das man in der Lage war Menschen zu entführen, um andere zu erpressen. Situationsbedingt knickten meine Beine ein. Am Waschbeckenrand hielt ich mich fest, damit ich nicht mit voller Wucht auf die Fliesen klatschte. Auf den Knien liegend kauerte ich auf dem kalten Boden, das Gesicht schützend hinter meinen Händen verborgen. Was waren das für Unmenschen, die sich an den Schwachen vergriffen. Kein normal denkender Mensch könnte Seth etwas antun, sein ansteckendes Lachen, sein sonniges Gemüt, man konnte ihm nichts abschlagen, wenn er seinen Dackelblick aufsetzte, er war doch fast noch ein Kind. Aber nicht nur der Gedanke, dass Seth ausbaden sollte, was wir angezettelt hatten, sondern dieser fast greifbare Verlust, dass Jared einer war, den sie wahrscheinlich wollten. Würde es soweit kommen und sie würden ihm das Licht aushauchen, schießen oder prügeln, wäre das mein gefühltes ´Game over´.
Eine warme Hand auf meinem Rücken ließ mich langsam aufsehen. Jared hockte sich neben mich, sein Blick war für einen kurzen Moment so hoffnungslos wie ich mich fühlte. „Ich.....hab Angst.“ Schluchzte ich leise und sah mit großen Augen zu ihm auf. Er setzte sich neben mich. „Angst veranlasst uns nur, falsche Entscheidungen zutreffen. Wir finden eine Lösung.“ Seine Hoffnungslosigkeit, die in Zuversicht umschwenkte, war für mich unbegreiflich. Er wusste auch nichts von meinem vorherigen Gedankengang, wie er mit einer blutenden Wunde am Kopf neben Jake zu Boden sank. Wieder wurde mir übel, aber dieses Mal ging es nicht bis zum äußersten. Kurz schüttelte ich den Kopf, um die Gedanken loszuwerden.
„Was machen wir jetzt?“ Wandte ich mich erneut an ihn, als könnte er eine Möglichkeit aus dem Ärmel zaubern, die für alle tragbar wäre. „Wir wissen nicht wo sie sind. So können wir nur abwarten, bis sie sich wieder melden.“ Er behielt die Ruhe und war nicht so kopflos wie Leah oder ich. Er klang überzeugend, doch war ich mir sicher, dass in ihm das selbe grauenhafte Chaos herrschte, aber war er in der Lage, es für sich zu behalten.
Das erneute Klingeln von Leah Handy veranlasste uns aufzuspringen und ins Wohnzimmer zu jagen. Ich hatte so einen Schwung drauf, dass ich ziemlich unsanft gegen Jared rempelte, der abrupt stehen blieb. Mit großen Augen sahen wir sie an. Erst hielt sie sich stumm nickend das Handy an Ohr. „Wann und wo?“ Ihrer Stimme war nicht mehr die Schwäche anzuhören, die wir gerade zu Gesicht bekamen. Ohne ein weiteres Wort legte sie auf. Kurz blieb ihr Blick gesenkt, dann sah sie auf und mich an. „Du und ich.“ Sagte sie emotionslos. Wenn es mich im ersten Moment beruhigte, dass Jared und Jake unversehrt blieben, fühlte es sich an, als würde eine kalte Hand um mein Herz greifen. Waren wir ihre Versicherungen, damit die Jungs ihre Füße still hielten? Aber was wollten sie mit uns? Bei genauerem Überlegen ließ es mich schaudern. Ich schob meine Hirngespinste zur Seite, ich wollte nicht den Teufel an die Wand malen. Obwohl, so wie es aussah, würden wir ihm bald persönlich gegenüberstehen. Das Handy glitt in ihre Hosentasche, dann nahm sie ihre Jacke von der Garderobe und zog sie an. Wenn ich auch eine Scheißangst hatte, kam mir nicht einen Moment der Gedanke, da nicht mitzuspielen. Wäre Seth erst mal aus der Gefahrenzone, würden Leah und ich da schon irgendwie wieder raus kommen. Taktisch war es ein verdammt kluger Zug von Kenai.
„Auf keinen Fall!“ Protestierten Sam und Jared fast zeitgleich. „Weiß der Henker, was die mit euch machen.“ Energisch schüttelte Sam den Kopf, aber erntete er von Leah nur böse Blicke. „Wir haben keine Wahl.“ Knurrte sie und sah zu Sam auf, so dass man das Weisse unter ihrer dunkelbraunen Iris hervor blitzen sah. Sam rollte mit den Augen. „Sei vernünftig, Leah.“ Versuchte er an ihren Verstand zu appellieren. Bei seinen Worten sprang sie auf ihn zu, sie war außer sich. „ES IST.... das einzig Vernünftige, was ich als große Schwester tun kann!“ Sie hatte Sam tatsächlich am Kragen, um ihrer Aussage Nachdruck zu verleihen. Sie hing an ihm wie ein Fähnchen, unsere Nerven lagen blank, aber es würde wenig bringen, wenn wir uns gegenseitig an die Kehle gingen. Mit offenem Mund starrte ich sie an, ich war mir sicher, für ihren Bruder würde sie gerechtfertigterweise über Leichen gehen. Sam rang erst nach Luft dann um Worte. So sehr es mir widerstrebte, Leah hatte Recht und wir keine Alternative.
Embry lief zur Küchenzeile und zog die oberste Schublade auf. „Nehmt so was mit.“ Er hielt ein Brotmesser in der Hand. „ Warum? Falls sie frühstücken wollen?“ Polterte ich fassungslos und schüttelte den Kopf. „Nein nein, er hat Recht.“ Pflichtete Jared ihm bei eindringlich bei. Jake schnaufte und verdrehte bei so viel Unprofessionalität kopfschüttelnd die Augen. Er drehte uns den Rücken zu, ging zu seinem Rucksack und wühlte kurz darin herum. Dann drehte er sich wieder zu uns zurück. „Gehört in jede Handtasche.“ Grinste er und ließ das Magazin aus der Taurus gleiten, um sich zu vergewissern, dass es voll war. Hörbar schluckte ich und würde einen Teufel tun und das Dingen mitnehmen.
„Schön, dass du mitdenkst.“ Murmelte Leah und nahm sie ihm aus der Hand. „Dir is´schon klar, dass das anständig nach hinten losgehen kann?“ Stellte Sam knurrend fest und sah sie misstrauisch an. „Ob mit oder ohne, nach hinten losgehen kann es so oder so.“ Womit sie wahrlich Recht hatte. Prüfend glitt ihr Blick über die Waffe und sie strich über den chromglänzenden Lauf, sie nahm Jake das Magazin aus der Hand und ließ es wieder im Griff einrasten. Nachdem sie sie verriegelt hatte, glitt sie an ihren Rücken in den Hosenbund. Bei ihr sah es ziemlich geübt aus, als wäre es nicht das erst Mal, dass sie etwas dergleichen in Händen hielt. Sie schien mit einem Mal knallhart und ich hatte keine Zweifel, dass sie die Waffe gebrauchen würde. „Vielleicht ist es echt 'ne Nummer zu krass.“ Nuschelte ich leise und pflichtete Sam bei. Verständnislos sah sie mich an. „Weißt du, was krass ist?“ Fragte sie herausfordernd, ich wurde unter ihren Blicken immer kleiner. „Sie entführen Kinder! Das ist krass.“ Sie hatte Recht, unsere Situation war vertrackt und ließ wenig Spielraum für andere, humanere Möglichkeiten. „Vielleicht sollten wir uns Hilfe von außen holen?“ Warf ich verzweifelt ein, damit wir alles in Betracht zogen, bevor wir uns auf die Mission ´Seth- retten´ machten und vielleicht nicht wieder kommen würden. „Was meinst du was passiert, wenn wir die Cops einschalten?“ Wie sie mich ansah, wurde mir die Überflüssigkeit meiner Frage bewusst. „Wenn Seth viel Glück hat, kann er seinen nächsten Geburtstag dann im Wachkoma feiern.“ Sie hatte so verdammt Recht, was stellte ich mich so an, mehr als unser Leben konnten wir nicht lassen, so würden wir es noch nicht einmal sinnlos verlieren, sondern im Auftrag der Liebe. Gott, wie poetisch. Leah und ich als gesandte Racheengel, die für die eintraten, die hilflos waren. Wow, super Stoff für ´ne Telenovela, sollte ich ihm Hinterkopf behalten, wenn der nicht in ein paar Stunden von Löchern durchsiebt wäre. Meiner Natur entsprechend, waren wir eigentlich schon tot, nur noch nicht umgefallen. Aber mit Leah an meiner Seite wäre ich in jeden Krieg gezogen. Sie war so abgeklärt und zögerte keinen Moment, um für das zu sterben was sie liebte. Auch galt für sie das Motto: `Lieber stehend sterben als kniend leben´. Sie war nicht nur jemand von dem lernen konnte, die war ein Vorbild.
„So, Abflug.“ Schnell küsste die Sam und danach Embry auf die Wange. Wie es schien stand es für sie außer Frage, dass wir nicht zurück kehrten. Ich im Gegenteil hing an Jared und flüsterte ihm kleine Liebesbekundungen ins Ohr. Fest drückte er mich. „Hör auf, dich so endgültig zu verabschieden. Ihr kommt wieder.“ Flüsterte er und versuchte mir und sich Mut zu machen. Ich wünschte, ich könnte seinen Worten beipflichten, aber pessimistisch wie ich nun mal war, sah ich alles rabenschwarz. „Nehmt meinen Wagen.“ Sam hielt mir den Schlüssel entgegen, aber Leah winkte ab. „Der ist zu laut. Das können wir nicht gebrauchen.“ Ohne ein weiteres Wort trabte sie im Stechschritt aus der Tür. Es machte den Eindruck, als hätte sie einen Plan oder immerhin eine Ahnung, wie es von statten gehen sollte. Ich hingegen schlich hinter ihr her, als wären wir auf dem Weg zur Schlachtbank. Kurz vor dem Gartentor wurde mein Name gerufen und ich wirbelte herum, in der Hoffnung, einer von ihnen hatte einen Geistesblitz, der uns vor dem bewahrte, was uns bevorstand. Jake joggte mit ernstem Gesicht auf mich zu, kurz vor mir blieb er stehen und sah zu Boden. „Du kommst wieder.“ Murmelte er leise. Ich konnte nicht unterscheiden ob es eine Feststellung oder eine Frage war. Auf Grund meiner mangelnden Reaktion sah er mich an.
„Du stirbst nicht ohne mich!“ Sein Blick war durchdringend und er merklich beunruhigt. Einmal mehr zog sich der Strick der Angst um meiner Kehle zu. „Vielleicht solltest du dann besser mitkommen.“ Meine Stimme war kaum lauter als ein Flüstern. Er fasste mich bei den Oberarmen. „NEIN, du kommst wieder und wenn es dann nötig ist, suchen wir uns die schönste und höchste Klippe in La Push.“ Wenn auch ein zynisches Grinsen seine Worte untermalte, seine Augen sprachen eine andere Sprache. So blieb ihm auch nicht verborgen, wie sehr mir das alles zusetzte. Wieder wurde sein Gesicht ernst, schnaufend zog er mich an sich heran und umarmte mich. Das fühlte sich für mich schon ziemlich nach Abschied an. Wäre er überzeugt, dass wir wiederkämen, hätte er mir auf die Schulter gehauen oder mich daran erinnert, dass ich ihm immer noch einen Orgasmus schuldete. „Rey!“ Erklang Leahs Stimme, ungewohnt streng. Seine Umarmung lockerte sich, kurz hob ich die Hand und wollte gehen, doch zog er mich ein letztes Mal zurück, um mich zu küssen. Herzlichen Dank, Jake. Jetzt war ich sicher ich würde in einer Holzkiste wieder zurückkommen.
„Mach ma´ Dampf, wir haben nicht mehr viel Zeit.“ Drängte Leah, als wir auf die endlos lange Landstraße bogen, der wir für einige Zeit folgten. Die Umgebung, links wie auch rechts, verschwamm zu meinem jadegrünen Meer. Leah wusste, wo wir hin mussten und navigierte mich. „Hast du Angst?“ Fragte ich und blieb auf die Straße konzentriert. „ Angst veranlasst uns nur, falsche Entscheidungen zutreffen.“ Bekam man diesen Satz hier schon im Kindergarten eingetrichtert? Oder hatten sie schon mal etwas Vergleichbares gemeistert, da sie nicht mehr so neben sich stand wie ich. Vielleicht war es bei ihr auch, je größer der Druck, um so ruhiger und konzentrierte wurde sie. Ich hatte keine Ahnung, aber ich beneidete sie einmal mehr.
Wir bogen gefühlte hundertmal ab, würde ich hier ausgesetzt werden, hätte ich keine Ahnung, wie ich wieder zurückkäme, da hier alles ziemlich gleich aussah. Diese Straße führte und in ein Waldstück, von dem rechts, hinter hohen Büschen versteckt, ein Parkplatz abging. „Bieg da ab.“ Sagte Leah leise und konzentriert. „Egal was ich dir sagen werde. Du wirst es tun, ohne zu fragen.“ Sie klang so eindringlich, fast als würde sie mir drohen. Gut fünfzig Meter von uns entfernt parkte ein Auto. „Stell dich daneben.“ Flüsterte sie und ich gehorchte. Langsam fuhr ich näher, in dem Auto saßen Caleb und Tano, die uns mit Pokergesichtern ansahen. Tano stieg aus, er war einer dessen, die uns kilometerweit durch den Wald von La Push gejagt hatten. Ich fand es äußerst unangenehm, so dicht in ihrer Nähe zu sein. Erst lief Tano eine Runde ums Auto und sah hinein, wahrscheinlich wollte er sich vergewissern, dass wir niemanden hinter unseren Sitzen versteckt hatten oder im Kofferraum oder im Kühler oder weiß der Henker wo. Nachdem er seine kleine Erkundungsrunde beendet hatte, kam er zu meinem Fenster und beugte sich zu uns. Charakterbedingt rückte ich ein Stück vom geöffneten Fenster weg, bei mir waren erstmal alle Menschen, die ich nicht kannte, böse und schlecht, was hier tatsächlich zutraf. „Eure Handys!“ Knurrte er und hielt seine Hand in das Wageninnere. Leah kramte ihres aus der Hosentasche und legte es in seine Hand, die die Größe einer Bratpfanne hatte. „Deins auch.“ Knurrte er erneut und sah mich grimmig an. „Ich hab keins mit.“ Flüsterte ich und sah ihn eingeschüchtert an. „Aussteigen.“ Befahl er grob und riss die Tür auf. Leah war startklar und hatte ihre Tür schon geöffnet. „Du bleibst sitzen. Is'das klar?“ Mit einen Zischenden Geräusch schloss sie die Tür. Hilfesuchend sah ich sie an und da ich seiner unsanften Aufforderung nicht postwendend nachkam, sah er sich veranlasst, mir hinaus zu helfen. Wenig zimperlich packte er meinen Arm, beförderte mich aus dem Wagen und schubste mich dagegen.
„Umdrehen.“ Wie befohlen drehte ich ihm den Rücken zu. Mein Puls pendelte sich bei gut zweihundert ein. Er begann meine Beine von unten nach oben abzutasten. „Nettes Fahrgestell.“ Grinste er finster und machte nicht Halt, als er am oberen Ende meiner Beine angekommen war. Kontrolliert atmete ich aus und versuchte dem Wunsch, ihm den Kopf abzureißen, zu widerstehen. Die Wut dominierte die Angst und ergriff die Oberhand, ohne dass ich nachdachte, trat ich wie ein Pferd nach hinten. Gut konnte ich hören, wie ihm die Luft entwich, die Stelle, die ich traf, schien empfindlich.
Nach nicht mal zwei Sekunden hatte er sich aber wieder erholt, riss mich herum, packte mich an der Kehle und drückte mich aufs Autodach. „Das wird dir noch leid tun.“ Funkelte er böse. „Das wirst du nicht erleben.“ Zischte ich zurück und war von mir und meinen Worten selbst überrascht. „Caleb! Es reicht!“ Mischte Leah mit. „Wann es reicht, entscheiden immer noch wir.“ Desinteressiert sah er wieder zur Frontscheibe hinaus. Kurz lachte Tano über Calebs erpresste Überlegenheit und er machte weiter mit seiner zu intensiven Körpervisite. Mit seinen Füßen schob er meine Beine auseinander und fuhr langsam mit seiner Hand von meinem Schritt über meinen Bauch über meine Brust bis hinauf in meinen Nacken. „Versteh' schon, warum Jared Tima für dich abgesägt hat.“ Flüsterte er und beugte sich dicht über mich. Ich drehte den Kopf weg, damit mich seine hässliche Visage nicht in meinen Träumen verfolgen konnte. „Sie is´ sauber.“ Bölkte er zu Caleb, der gelangweilt im Auto saß und schmatzend Kaugummi kaute. Noch immer lag seine Hand um meinen Hals. „Wir sollten uns näher kennenlernen.“ Flüsterte er und leckte wie ein Hund über meine Wange. Es schüttelte mich dermaßen, dass ich dachte, der Rest meines Mageninhalts wollte auch an die frische Luft. „Bist du endlich fertig?“ Maulte Caleb und sah über den Rand seiner Sonnenbrille. „Fahrt uns nach.“ Knurrte Tano und ließ endlich meinen Hals los. Ich war versucht nach ihm zu treten, so ein widerlicher Arsch. Jetzt wünschte ich mir, Jake hätte zwei von den Meinungsverstärkern gehabt. Sie schreckten wirklich vor nichts zurück. Es war nicht nachvollziehbar, dass Leah bei denen mal mitgemischt hatte. Na ja, aber so wusste sie, was uns erwartete. Kein Wunder, dass sie Kenai für Sam abgesägt hatte. War er im Gegensatz zu denen ein Gentleman der alten Schule, mit Manieren und Benehmen und zu allem Überfluss auch noch verdammt liebenswert.
Wortlos ließ ich mich wieder auf den Sitz gleiten, scheppernd warf ich die Tür zu und wischte mit dem Ärmel über meine Wange. Ich war so auf hundertachtzig, dass ich die Knarre ohne weiteres einsetzt hätte. „Dafür wird er bezahlen.“ Fauchte ich und sah hasserfüllt in das Auto neben uns. „Und wie er das wird.“ Lachte Leah leise, in ihrer Stimme schwang der Wahnsinn mit. Es widerstrebte mir ihnen zu folgen und aus freien Stücken die Hölle auf Erden aufzusuchen, aber da ich am eigenen Leibe erfuhr, was es für eiskalte Typen waren, mussten wir schnellstens zusehen, dass wir Seth daraus bekamen. Mit quietschenden Reifen fuhr der Wagen neben uns an und wir folgen im gemäßigtem Tempo.
Es vergingen weitere Minuten, die uns tiefer in den Wald führten, dann fuhren sie rechts ran und parkten den Wagen. Kurz sah ich mich um, doch konnte ich nicht ausmachen, was der Grund unseres Halts war. Mit etwas Abstand parkte ich hinter ihnen. Als sie ausstiegen signalisierte Caleb, dass wir ihnen folgen sollten. „Auf geht’s und denk an das, was ich dir gesagt habe. Nicht fragen, machen!“ Knurrte Leah, fast zeitgleich warfen wir die Türen zu, über den Wagen hinweg nickte ich ihr zu und wir folgten Caleb und Tano. Immer wieder ging mein Blick zu ihr, auf ihrem Gesicht war keine Regung zu erkennen, aufmerksam und fast unmerklich behielt sie alles im Auge. Es war, als würde sie sich mit ihrer eiskalten Engel- Imitation unseren Widersachern anpassen, um nicht im falschen Moment vom Mitleid gebeutelt zu werden und auf Grund dessen versagte.
Tano blieb stehen und ließ uns vorgehen, damit er uns im Auge hatte. Angespannt aufs Schärfste sah ich nicht nur Leah immer wieder an, sondern sah ich mir auch die Gegend an und prägte mir den Weg ein, den wir gingen. Caleb führte uns querfeldein, der Wald wurde dichter und immer weniger Sonnenlicht drang durch die vollen Baumkronen. Eine Gänsehaut nach der nächsten jagte mir über den Rücken, allein der Gedanke, dass dieser widerliche Kerl hinter uns her schlich und uns wahrscheinlich mehr auf die Ärsche glotzte als auf den Weg. In einiger Entfernung tauchte ein Abklatsch einer Jagdhütte auf. Es sah ziemlich herunter gekommen aus, das Holz war mit Moos überwuchert und einige Holzbretter der Veranda waren gebrochen, sie hatte bestimmt schon bessere Tage erlebt. Vor der Tür blieb Caleb stehen und trat einen Schritt zur Seite. „Nach euch.“ Säuselte er und grinste. Misstrauisch knurrte Leah ihn im Vorbeigehen an, langsam schlich ich hinter ihr her, den Blick vor Angst starr geradeaus gerichtet, wusste der Henker was uns jetzt erwarten würde. Tano und Caleb nahmen hinter uns ihre Plätze ein. Fest entschlossen griff Leah den Türknopf und öffnete sie knarrend. Im ersten Moment war es so dunkel, dass ich nur schemenhaft etwas erkennen konnte. Links von uns stand ein altes vergammeltes Sofa, schräg gegenüber ein Tisch mit drei Stühlen, bunt zusammen gewürfelt. Na ja, wir waren auch nicht bei ´schöner wohnen´. Da es den Herren hinter uns zu lang dauerte, wurden wir ziemlich unsanft hineingeschubst. Caleb ging nach uns durch die Tür an uns vorbei, durch eine weitere in ein anderes Zimmer. Tano stand wie ein Wachhund vor der geschlossenen Tür, an dem würden wir so leicht nicht vorbei kommen.
„Wo ist er.“ Knurrte Leah in das Dunkel des Raumes. „Das kling wie Musik in meinen Ohren.“ Tönte die brummend tiefe Stimme von Kenai aus dem anderen Zimmer zu uns, dann erschien er im Rahmen der Tür. Ich erkannte nur seine Umrisse, die mein Herz beschleunigen, es schlug mir bis zum Hals, dass ich dachte, es wollte aus meiner Brust springen. Er schob mit einem Arm etwas grob vor sich her und brachte sich in der Mitte des muffigriechenden Zimmer in Postion. „Seth?“ Leahs Stimme begann ungewollt zu zittern. Caleb stieß die Klappläden des Fensters auf, so wurde der Raum etwas erhellt. Seth stand mit gesenkten Kopf, gefesselten Händen, wie ein Häufchen Elend, neben Kenai. Aber immerhin stand er. „Es ist so selbstlos, dass ihr euch gegen ihn eintauscht.“ Flüsterte Kenai mit gespielter Hochachtung. „Wenn ich immer noch nicht weiß, was wir mit dir sollen.“ Knurrte er jetzt und sah mich finster an. Tano räusperte sich hinter uns. „Ich kümmer' mich um sie.“ Grunzte er und lachte schäbig. Kurz schloss ich die Augen und schüttelte mich ganz offensichtlich. „Nimm ihm die Fesseln ab.“ Leah klang wieder genauso so ruhig und abgeklärt wie vor Seths Erscheinen. „Das ist nicht nötig. Hat er sich doch so schön dran gewöhnt.“ Grob schlug er ihm den Kopf zur Seite. Es war nicht nur zu sehen, ich konnte fühlen, wie Leah sich beherrschen musste. Aber als ich dann wieder zu Seth sah, hielt ich mir vor Entsetzen eine Hand vor den Mund und tat erschrocken einen Schritt zurück. Das sie ihm den Schädel einschlagen würden, war keine leere Drohung. Er sah auf und sein rechtes Auge war so weit zugeschwollen, dass sein Gesicht völlig entstellt wirkte. Seine Unterlippe war aufgeplatzt und trockenes Blut klebte überall an seinem Gesicht und seinen Klamotten. „Ist alles okay?“ Fragte sie ruhig und ließ sich nichts weiter anmerken, Seth nickte langsam, es sah aus, als hätte er schlimmste Schmerzen. Als sie wieder das Wort ergriff, klang es als würde sie singen. Es war eine mir fremde Sprache, doch schienen die anderen sie auch nicht zu verstehen, was Kenai ziemlich sauer werden ließ.
„Lass' es oder ich brech' ihm gleich hier das Genick.“ Drohte er und packe Seth erneut im Nacken, der unter dem Griff das Gesicht noch mehr verzerrte und aufstöhnte. Wenn es auch gegen meine Natur war, tat ich einen Schritt vor, ohne zu wissen was ich gegen sein Tun unternehmen sollte. Doch hielt Leah meinen Arm fest und zog mich zurück. Wieder sprach sie kurze unverständliche Worte, die wie ein Countdown klangen. Das Letzte stieß sie zischend hervor. Indem ließ Seth sich auf die Knie fallen und zog den Kopf ein. In Bruchteilen einer Sekunde, griff sie hinter sich und zog die Waffe aus ihrem Hosenbund, die sie im selben Moment entriegelte und den Kolben nach hinten zog. Mit offenem Mund starrte ich sie an und ehe irgendeiner von ihnen reagieren konnte, richtete sie die Waffe auf Kenai und drückte ohne zu überlegen den Abzug. Bis auf diesen schallenden Knall herrschte Totenstille. Sogar das zwitschernde Konzert der Vögel im Wald verhallte. Kenai taumelte und fiel zu Boden. „Halt drauf!“ Zerrissen ihre fauchenden Worte die schreiende Stille und sie warf mir die Waffe zu. Mit zitternden Händen fing ich sie. Leah stürzte zu Seth, der sich mühsam wieder aufrappelte. Sie fasste ihn bei den Armen und zog ihn mit. „Geh' von der Tür weg.“ Zischte ich Tano an. Dessen Augen mich schreckgeweitet ansahen und er mit sich haderte , da er nicht sofort meiner Aufforderung nachkam und ich es nicht wieder vermasseln wollte, tat ich was Leah mir zu schrie. Ich hielt drauf. Wieder war es ohrenbetäubend, als sich der nächste Schuss aus dem Magazin löste. Tano wankte ein Stück zur Seite ehe es ihn niederstreckte. Ich hatte keine Ahnung, wo ich ihn getroffen hatte, ohne zudenken, versuchte ich die Tür zu öffnen. Doch da er noch halb davor lag, brach ich mir anständig einen ab.
„Mach' sie kalt!“ Presste Kenai durch die Zähne und drückte die Hand auf seinen Oberschenkel, aus dem das Blut nur so heraussprudelte. Caleb gab Gas und rannte ins Nebenzimmer. Jetzt mussten wir echt zusehen, sonst würden unsere Ärsche gleich abgeballert auf der Veranda oder irgendwo im Wald liegen. Mit aller Kraft drückte ich mich gegen die halb offene Tür, Leah schoss mit Seth im Schlepptau an mir vorbei. Im Augenwinkel sah ich, dass Caleb aus dem Nebenzimmer jagte. Ich hatte nicht viel Ahnung von Waffen, aber was er in Händen hielt, hatte fast Ähnlichkeit mit einer Bazuka, es war ein Riesenteil. Ich sprintete hinter Leah und Seth her. Die Tür fiel zu, da Tanos Gewicht immer noch dagegen drückte. „Ich hab ihn umgebracht, ich hab ihn umgebracht.“ Flüsterte ich atemlos vor mich hin, während ich Seth und Leah einholte. Zischend flog uns die Munition um die Ohren. Ich grapschte Seths anderen Arm, mit geduckten Köpfen zogen wir ihn so schnell es ging mit uns. „Gib mir die Knarre!“ Fauchte Leah, sie war nicht auf hundertachzig, sie war auf fünftausend. Als sie die Waffe in Händen hielt blieb sie abrupt stehen, wirbelte herum und visierte Caleb an. Erneut zuckte ich zusammen, an diesen ohrenbetäubenden Lärm würde ich mich nie gewöhnen. Als ich jetzt wieder über meine Schulter sah, war das Einzige, was ich mit bekam, wie Caleb kopfüber von der Veranda kippte. Seth Keuchen wechselte sich mit schmerzhaftem Stöhnen ab. Leah hatte uns schon fast wieder eingeholt, als wir auf die Straße jagten. Es erleichterte mich etwas, als ich das Auto sah. Mit zitternden Händen fummelte ich, während des Laufens, hektisch den Schlüssel aus meiner Hosentasche und ehe wir da waren, hatte ich das Auto geöffnet, riss die Tür auf, warf mich auf den Sitz und startete den Wagen. Leah quetschte sich hinter die Sitze und Seth ließ sich mit gequälten Lauten neben mich fallen. Mit quietschenden Reifen wendete ich den Wagen und trat das Pedal durch.
Es war totenstill, nur das Jaulen des Motors beschallte uns und übertönte mein rasendes Herz und das Rauschen des Blutes in meinen Ohren. Seths schwerer Atem war das Einzige, das die Monotonie zeitweise durchbrach.
Ich bog in die Straße, von weitem sahen wir, wie die anderen vor dem Haus herum lungerten und auf uns zu lauern schienen. Mit gut hundert Sachen legte ich vor unserer Garage eine Vollbremsung hin, der Motor erstarb. Meine Hände waren ums Lenkrad geklammert und starr sah ich geradeaus. Noch immer hämmerte mein Herz. Sam sprintete ums Auto, riss die Beifahrertür auf und half Seth wortlos aus dem Wagen. Im selben Moment wurde meine Tür aufgerissen. „Oh mein Gott.“ Hörte ich Jareds geliebte und doch gleichzeitig entsetzte Stimme, die sich unglaublich weit weg anhörte, wie auch das restliche Stimmengewirr. Vorsichtig fuhr er über meine Hand. Von der anderen Seite hörte ich Jake. „Scheiße, bring ma einer ´n Handtuch!“ Langsam drehte ich meinen Kopf zu ihm. Sein Blick war auf meinen Oberarm geheftet, wie in Trance folgte ich seinem Blick und sah auf einen kleinen Riss in meinem Shirt, der ringsherum rot gefärbt war und mein Blut langsam vom Ellenbogen in die Mittelkonsole tropfte. Es war als wäre es nicht mein Arm, ich fühlte keinen Schmerz, nur grauenhaftes Entsetzen, das mich fast lähmte. Embry schoss ums Auto und warf Jake, wie gefordert, ein Handtuch zu, das er mit schnellen und gekonnten Bewegungen um meinen Arm wickelte. Kurz berührte er meine Schulter, als wollte er mich trösten, erschrocken zuckte ich zurück. „Was haben die mit euch gemacht?“ Flüsterte Jared, doch klang es, als würde er mit sich selbst sprechen. Er hockte sich in die geöffnete Autotür und sah mich an. Langsam drehte ich mein Gesicht zu ihm. „Ich hab ihn umgebracht... .“ Hauchte ich und fixierte seinen Blick mit aufgerissenen Augen, doch trotz meiner Information blieb sein Ausdruck unverändert. „Du hattest keine Wahl.“ Versuchte er mich zu beruhigen, ohne dass er wusste, was sich zugetragen hatte. „Ich habe ohne mit der Wimper zu zucken auf einen Menschen geschossen.“ Meine Worte klangen nicht mehr so entsetzt, sie mischten sich mit Wut und Unverständnis. Niemals hätte ich gedacht, dass ich zu so etwas in der Lage wäre. „Was genau ist passiert?“ Bölkte Jake vom Beifahrersitz und sah Leah an, aber sie winkte ab. „Bring sie rein!“ Murmelte Sam, nickte in meine Richtung und sah sich kurz um, als erwartete er ungeliebten Besuch. „Rey, sag schon was war los!“ Drängelte Jake, doch als ich ihn ansah, nahm ich ihn nicht richtig war, ich sah durch ihn hin durch, ich war nicht in der Lage, zusammenhängend zu denken. „Boah Jake, lass' gut sein.“ Knurrte Jared und warf ihm vernichtende Blicke zu.
Das Nächste woran ich mich erinnerte war, dass ich zusammengesunken neben Seth auf der Couch saß. Jemand hatte mir eine Decke um die Schulter gelegt, da ich zitterte wie ein Junkie auf kaltem Entzug. Jared saß auf der anderen Seite neben mir und war dicht zu mir gebeugt, seine Hände hielten meine. Wie betäubt sah ich zu, wie er sie wärmte und unaufhörlich streichelte. Ich konnte Leahs Stimme herausfiltern, sie erzählte unter Tränen, was sich zugetragen hatte, die Maske der kalten Amazone war gefallen. Seth saß an ihre Seite gelehnt und sie hielt ihn wie ein kleines Kind in ihren Armen. Ich konnte spüren, wie sie ihn sanft hin und her wog. Kurz sah ich auf, in entsetzte Gesichter, die uns fassungslos anstarrten. Seth hatte die Augen geschlossen und sich schutzsuchend an seine Schwester gekuschelt. Jared sah mich so schrecklich mitleidig an und vergrub sein Gesicht an meiner Halsbeuge, immer wieder flüsterte er, wie leid es ihm tat. Jakes Blick hingegen war nicht nur eiskalt, in ihm war das Selbe, auf Rache sinnende Funkeln zu sehen, wie vorhin bei Leah. Mir hätte klar sein müssen, dass es in einem Desaster enden würde. Aber konnte ich mir in diesem Moment keine Gedanken darüber machen, was Jake sich in seinem wirren Schädel zusammenschusterte. Mein Schädel war selber wirr.
Sam hatte den Erste Hilfe- Kasten aus seinem Wagen mitgenommen. Er begann, Seths Wunden zu säubern und verpflasterte ihn. Immer wieder hörte ich, wie er von Schmerz gequält, die Luft einsog und stöhnte. Dann war ich an der Reihe. „Zum Glück ist es nur ein Streifschuss.“ Murmelte Sam leise, nachdem er die Wunde begutachtet hatte. Aus dem Augenwinkel bekam ich mit, wie er mich immer wieder ansah. Das Zeug, was er auf die Wunde tupfte,brannte wie Salzsäure, aber ich ließ es kommentarlos über mich ergehen. Ich hatte auf einen Menschen geschossen und damit kam ich überhaupt nicht klar, noch viel quälender war der Gedanke, hatte ich ihn getötet? Ganz gleich, ob ich ihn für sein rüpelhaftes Benehmen büßen lassen wollte, aber das war ganz bestimmt nicht meine Absicht. Sam wickelte reichlich Verbandszeugs um meinen Oberarm. Als er damit fertig war, sah er mich an. „Ist alles okay?“ Es schien ihn zu beunruhigen, dass ich, seit wir im Haus waren, nicht ein Wort gesprochen hatte. Kurz erwiderte ich seinen Blick, doch blieb ich still und wandte den Kopf ab. „Sprich mit mir.“ Bat er mich sanft. Ich schloss die Augen, schüttelte kurz den Kopf, abwehrend hob ich meine Hand. Die Anwesenheit der anderen war erdrückend, fast unerträglich, so stand ich auf und schlich nach draußen.
Mit langsamen Schritt und immer noch zitternden Beinen ging ich ums Haus, den kleinen Hügel hinunter, zu meinem privaten Zauberwald. Dort hatte ich mich unsagbar gut gefühlt und hoffte mit Durchschreiten des Rosenbogen, dass dieses Gefühl zurückkehrte. Kurz davor blieb ich stehen und sah zum Bogen hinauf, Das wundschön geschwungene Metall, überwuchert und durchwachsen von wilden Rosen, deren Dornen scharfen Messern glichen. Unglaublich schön zu betrachten, aber schmerzhaft, es zu berühren. Erst jetzt erinnerte es mich an das Tor des Friedhofes der Trinithy Church. Die Ähnlichkeit war nicht von der Hand zuweisen.
Mein Kopf war voller wildkreisenden Gedanken. Fetzen von Devis Beerdigung, sein Grab, mein Zimmer zu Hause in New York, dass an die Wand gemalte Portrait, der ätzende Flug von New York nach Takoma, das erste Aufeinandertreffen der Jungs und mir, Jakes Füße, wie sie über das Treibholz auf mich zu sprangen. Weiter erinnerte ich mich an den Duft von Jareds Haaren, als ich auf seinem Rücken klemmte und er mich zum Auto schleppte, Leahs lächelndes Gesichts, das Frühlingsfest in Forks, das E3, Embry, wie er eine Fratze zog und loslachte, die aufgehende Sonne am First Beach, Jared und meine Hand ineinander verschränkt, Jakes Schlafzimmerblick, Sams rettendes Gesicht auf den Klippen von La Push, seine warme und beschützende Umarmung, der Ausblick, das Gefühl von Freiheit gefolgt von dem Wunsch zu sterben. Auch fühlte ich erneut den Verlust von Devi, den Beinahverlust von Jared und immer wieder tauchte Jareds Gesicht auf. Traurig, verstört, misstrauisch, verwirrt, ängstlich, stolz, friedlich schlafend, lachend, glücklich, sinnlich, einfach wunderschön in seiner Einmaligkeit.
Es war so ein Wust an Erinnerungen, dass es mich die Augen schließen ließ. Dann gesellte sich das Wissen von heute dazu. Angst, Entsetzen, Seths geschundenes Gesicht, Kenai vor Wut schreiend, Tano am Boden liegend, Caleb, wie er auf uns schoss. Ich war versucht, meinen Kopf irgendwo gegen zu schlagen, damit es aufhörte, aufhörte mich zu quälen und wahnsinnig zu machen. Tief sog ich die sommerwarme Luft ein, mit hängenden Schultern ging ich durch den Bogen und verschwand zwischen den dicht stehenden Bäumen. Nach einigen Metern, tauchte zu meiner Rechten die Schaukel auf. ´Warum nicht´, dachte ich schulterzuckend, nahm vorsichtig Platz und stieß mich behutsam vom Boden ab.
Gedankenverloren saß ich einige Zeit da, sanft wog ich im Wind hin und her, am liebsten hätte ich mich in Luft aufgelöst. Als Jake wie ein Irrer, aus dem Nichts, an mir vorbei schoss. Verwirrt sah ich ihm hinterher und fragte mich, was der schon wieder verbrochen hatte, dass er so rennen musste. Doch sah es fast so aus, als würde er leicht humpeln. Im letzten Moment, bevor er hinter anderen Bäumen verschwand, bemerkte er mich und kam im selben Affenzahn zurück. Er riss mich wortlos von der Schaukel und hinter sich her. „Du tust mir weh.“ Beschwerte ich mich und befreite meinen Arm. „Wir müssen hier weg.“ Keuchte er atemlos. „Warum?“ Stieß ich verwirrt hervor und fuhr über mein, Dank Jake, schmerzendes Handgelenk. „Sie sind hier!“ Raunte er und griff wieder nach meinem Arm, den ich ihm vor der Nase weg zog. Jake trat von einem aufs andere Bein, doch nicht vor Nervosität. Die Jeans seines linken Beines war auf Höhe des Unterschenkels blutrot gefärbt. Mit großen Augen starrte ich darauf. „Was ist passiert?“ Stotterte ich und ging automatisch einen Schritt zurück. „Wer ist hier?!“ Wieder sah ihn an und Panik kroch Stück für Stück in mir hoch. „Kenais Selbstmordkommando. Hast du die Schüsse nicht gehört?“ Gehetzt schweifte sein Blick immer wieder in Richtung des Hauses, wenn man es von hier auch gar nicht sehen konnte. Abwesend schüttelte ich den Kopf und strengte mich an, ob ich mich an etwas dergleichen erinnern konnte. Ich zuckte zusammen, als hätte man mir ohne Betäubung einen Zahnnerv gezogen. „Wo sind die anderen?“ Flüsterte ich und fühlte, wie das Zittern erneut hochstieg, begleitet von der Angst. Jake sah mich nur an, seine Augen glitzerten verräterisch, er antwortete nicht. Warum nicht? Warum gab er mir, verdammt noch mal keine Antwort!
Eine grausame Ahnung keimte in mir auf. Nach Luft schnappend riss ich die Augen weit auf. „Nein.......nein.“ Ich torkelte zurück, doch nur um dann nach vorn zu schießen, in die Richtung aus der Jake kam. „Rey nicht!“ Er hatte Mühe mich einzuholen, doch erwischte er kurz vor dem Ausgang meinen Arm und hielt ihn fest. „Du kannst ihnen nicht mehr helfen.“ Rief er verzweifelt und schlang seinen anderen Arm um meine Taille. „WAS!?“ Schrie ich entsetzt unter Tränen. Mit einer schnellen Bewegung drehte er mich zu sich und fasste mich bei den Oberarmen. Kurz zuckte ich, als seine Hand sich auf die frische Wunde legte. Weit beugte er sich zu mir und sah mir tief in die Augen. „Bitte, glaub mir. Du kannst ihnen nicht mehr helfen. Niemand könnte das.“ Eindringlich und doch bittend sah er mich an. Einmal mehr schienen meine vorausgegangen Überlegungen brutale Realität geworden zu sein, aber wollte und konnte ich seinen Worten keinen Glauben schenken.
„Nein, verdammt! Das ist an den Haaren herbei gezogen!“ Ich war außer mir, da ich weder Schüsse, noch sonst etwas dergleichen gehört hatte, dass Jake Aussage glaubhaft untermauerte. Mit aller Kraft wehrte ich mich gegen seinen Versuch, mich nicht selbst zu überzeugen, dass er mich angelogen hatte. Sein Griff war eisern und ich hatte keine Wahl, so trat ich mit reichlich Schwung vor sein blutendes Bein. Seine Hände ließen ruckartig von mir ab, zischend stieß er die Luft aus und krümmte sich. Ein paar Schritte tat ich zurück. „Es tut mir leid.“ Entschuldigte ich mich mit dünner Stimme, dass ich ihm mehr Schmerzen bereitete, als er ohnehin schon ertragen musste. Mit verzerrtem Gesicht sah er auf. „Nein, mir tut es leid.“ Für die Dauer eines Wimpernschlages sah ihn an, drehte mich um und rannte.
An der Seite des Hauses angekommen, wurde ich langsamer und schlich, dann blieb ich stehen und horchte. Es war absolut nichts zuhören, Totenstille. Ich tastete mich zu dem kleinen Fenster vor und spähte ins Innere.
Chapter 14
Die Lampe auf der Fensterbank ließ nicht zu, dass ich viel sah. Aufs Schärfste angespannt, schlich ich die letzten Schritte zur Tür, die einen Spalt offen stand. Ich war mir sicher, niemand wäre hier, es war absolut nichts zuhören. Doch genau diese absolute Stille machte mir verdammt Angst. Mit einem Finger schob ich die Tür langsam auf, ich hielt den Atem an und sah um sie herum.
Das Bild, welches sich mir bot, brannte sich in mein Gedächtnis, wie Salzsäure, schmerzend und unaufhörlich fraß es sich tiefer. Auf zittrigen Beinen trat ich ein, es war nicht länger mein zu Hause, es glich einem Schlachtplatz. Entsetzt hielt ich mir eine Hand vor den Mund, Tränen stiegen hoch und nahmen mir für nur einen Moment die Sicht.
Leah war auf dem Sofa nach hinten gesackt, noch immer lag Seth in ihren Armen. Die Augen geschlossen, ganz friedlich, als schliefen sie. Doch die dunkelroten Einschusslöcher auf Brusthöhe ließen mich wissen, egal was ich versuchen würde, ich könnte sie nicht mehr aufwecken, so wie Jake es sagte, ´Niemand könnte es´. Sie hatte schützend ihre Arme um Seth gelegt. So schmerzverzerrt sein Gesicht vorhin noch war, hatte es jetzt Ruhe gefunden, in Leahs Armen liegend, wirkte er noch viel kindlicher und schutzbedürftiger.
Paul lag zur anderen Seite gelehnt, auch seine Augen waren geschlossen, sein Arm hing leblos vom Sofa, rot rann das Blut herunter. Vor seinen Füßen lag Embry, sein Kopf war Leah zugewandt, als sollte sie das Letzte sein, was er sah. Seine Liebe.
Verzweifelt hoffte ich, dass sich nur eine Brust hob und senkte, aber sie standen still, keine Bewegung, kein Leben.
Schritt für Schritt ging ich näher, ich konnte nicht glauben, was sich hier zugetragen hatte. Sie wurden schutzlos abgeschlachtet, sie konnten nicht auf Gnade hoffen. Verzweifelt suchte ich Jared und auch Sam sah ich nirgendwo. Wenn dieser Anblick das Grausamste war, was ich in meinem kurzen Leben sah, so keimte ein Funken der Hoffnung in mir auf. Vielleicht hatten die beiden es geschafft und waren dem Tod entkommen. Ich kniete mich neben Embry und versuchte an seinem Handgelenk einen Puls zu fühlen, vergebens.
Verzweifelt sah ich zur Fensterfront, ins atemberaubende Blau des Himmels. Als mein Blick sank, sah ich eine Hand, die auf dem Boden lag. Auf allen Vieren kroch ich ihr entgegen, als ich um die Ecke sah, hatte ich Sam gefunden. Es war so unmenschlich. Sam, mein riesiger Teddybär, dem ich soviel schuldig blieb. Er lag auf der Seite, das Gesicht zu mir gewandt, in einer riesigen Blutlache, leblos. Sein liebes Gesicht, seine Augen, die mich an dessen erinnerten, weshalb mich mein Weg hier her führte.
„Bitte nicht.“ Weinte ich leise und kauert mich auf dem Boden vor ihm zusammen, immer wieder strich ich über seine Hand, die keine dieser kleinen, lieben Aufmerksamkeiten erwiderte. Es war ein Albtraum, ich musste nur aufwachen und alles wäre gut. Ich würde ihnen davon erzählen und wir würden gemeinsam drüber lachen. Es war so ungerecht, war doch ich diejenige, der sie es zu verdanken hatten, dass es überhaupt soweit kam. Hätte ich von Anfang an fair gespielt und nicht nur an mich gedacht, hätte Jared niemals etwas mit Tima angefangen, sie hätten uns nicht auf dem Kieker gehabt und Jake hätte Kenai nicht auf seinen hässlichen Zinken hauen müssen, nur um mich zu retten. Es hätte alles nicht soweit gehen brauchen, doch verpassten wir oder ich den Moment, an dem man alles noch hätte herumreißen können. Ihr Blut klebte an meinen Händen. Deren Blut, die wie eine Familie für mich waren. Dass ich noch lebte, fühlte sich an, als sollte es mich strafen, ´Sieh es dir an, was hast du getan´ und bis zu meinem Ende verfolgen, immer wieder vor Augen geführt.
Noch hielt mich der Gedanke an Jared aufrecht. Wenn ich kurz vor dem Zusammenbruch stand, dem Wahnsinn so nah war wie noch nie, musste ich erst wissen, wo er war, ob es ihm gut ginge. Er würde mich in seine geliebten Arme nehmen und ich könnte um meine Lieben weinen, die soviel mehr für mich waren als nur Freunde. Auf dem Wohnzimmertisch lag ein Handy. Ich glaube, es war Sams. Mit zitternden Finger griff ich danach, suchte Jareds Nummer und wählte sie an. Mit dem ersten erklingenden Tuten vernahm ich seinen Klingelton aus dem Bad. Es traf ein, was ich um alles in der Welt nicht hoffte, er war hier. Ich sprang auf die Beine und jagte dem Geräusch entgegen.
Die Tür war angelehnt, mit Schwung stieß ich sie auf, das Handy fiel schallend zu Boden, das Klingeln erstarb. Er lag auf dem Rücken, sein Gesicht zu mir gewandt, er sah mich an. Ich stürzte zu ihm, warf mich auf die Knie und griff mit beiden Händen sein Gesicht. Doch seine wunderschönen dunkelbraunen, liebevollen Augen waren leblos und sahen durch mich hindurch. Mit sanften Worten sprach ich auf ihn ein und fuhr durch sein Haar, über seine Wange. Er war so warm, er fühlte sich so lebendig an. Ich legte meinen Kopf auf seine Brust, um sein starkes Herz zu hören. Aber da war nichts mehr. Diese geliebte Melodie war verhallt und Stille war eingezogen. Stille, die zum Himmel schrie.
„Du hast mir versprochen, mich niemals allein zulassen!“ Warf ich ihm wispernd vor, als hoffte ich, dass das Versprechen, das ihn an mich band, ihn zurück ins Leben holen würde, um es zu erfüllen. Ich nahm seine Hand und zog sie nah zu meinem Herzen, dass vor Leid fast zersprang, fest drückte ich sie an mich und küsste seine Wange. „.....ich liebe dich doch.“ Weinte ich leise, schmiegte meine Wange an seine und sog seinen warmen Duft ein. „Du wolltest für mich da sein......immer.“ Wieso war ich immer nur zu falschen Zeit, am falschen Ort.
Ich hätte hier sein sollen, hier bei ihm, meinem Herz, um sein Schicksal zu teilen. Warum, war verdammt noch mal immer ich diejenige, die zurück blieb. Wieder stellte sich die quälende Frage. Warum?
Leise Schritte, dann tauchte ein Schatten in der Tür auf, die Bewegung ließ mich aufsehen. Ich kannte ihn nicht, er war groß und sah mich aus fast schwarzen Augen entsetzt an. Wie ich neben Jared auf dem kalten Boden kauerte. Schnell wischte ich die Tränen weg, dass ich klar sah. „Hilf mir.“ Flüsterte ich verzweifelt und sah zu ihm auf. Er stand da und sah mich an, als wüsste er nicht, was er tun sollte. Langsam streckte ich meine Hand nach ihm aus, ohne zu wissen ob er einer derer war, die hier gewütet hatten. Aber noch bevor ich auf den Knien war, richtete er etwas Silberglänzendes auf mich. Mit schreckgeweiteten Augen starrte ich darauf. Ein wohlbekannter Knall, dann riss mich es mich nach hinten und ich fiel. Mein Bauch brannte so sehr, dass ich an fast nichts anderes denken konnte. Mein Kopf lag auf Jareds Bauch, langsam sah ich zur Tür.
„Danke.“ Hauchte ich und versuchte, dem Schmerz stand zu halten. Das war die Gnade, nach der ich mich so lang gesehnt hatte, endlich wurde sie mir zuteil. Bewusst fühlte ich mein Herz schlagen, es schlug schnell und hämmerte gegen meine Rippen. Der Schatten in der Tür war genauso schnell verschwunden, wie er aufgetaucht war, lautlos und Tod bringend. Jetzt wusste ich, dass Sterben weh tat. Noch immer hielt ich Jareds Hand fest in meiner. In einiger Entfernung durchbrachen Geräusche die Stille, die ich nicht deuten konnte. Es glich einem Kampf, aber ich wusste es nicht und würde es nicht erfahren.
„Rey!“ Kurz drauf hallte laut mein Name durchs Zimmer. Ich wollte antworten, doch entwich meiner Kehle nur ein lautes Stöhnen. Schnelle Schritte, lauter Atem, dann schoss Jake um die Ecke ins Bad. Mit aufgerissenen Augen sah er mich an und fiel neben mir auf die Knie. „Warum hast du nicht auf mich gehört?“ Flüsterte er, gequält sah er auf mich hinunter, wie ich mit verzerrtem Gesicht meine Hände auf die Wunde presste und das Blut zwischen meinen Fingern hervorquoll. Er zog sein Handy aus der Tasche. Ich schüttelte den Kopf, legte meine andere Hand darauf und drückte es runter. „Nein.“ Hauchte ich. So oft wollte ich sterben, nun war es soweit und so sollte es sein, es gab keinen Grund mehr, der dagegen sprach, einmal mehr hatte ich verloren was ich liebte, nicht noch einmal wollte ich diesen reißenden Schmerz aushalten müssen, der nicht verging. Dieser Schmerz hatte ein absehbares Ende.
Mein Hand tastete nach seiner und fand sie, fest umschloss sie meine, tief seufzte ich. „Bleib so lange bei mir....“ Bat ich ihn, um nicht allein sein zu müssen, das Reden fiel mir schwerer. Mit müden Augen konnte ich sehen, wie Jakes Blick fast panisch wurde. „Du stirbst nicht! Nicht ohne mich!“ Knurrte er und sah mich entschlossen an, ließ meine Hand los und ging schnellen Schrittes aus dem Bad. Langsam schlossen sich meine Lider, sie waren bleiern und schwer. Der Schmerz trat langsam in den Hintergrund, dafür fror ich, mir war unglaublich kalt. Ich wünschte mir Jakes warme Hand zurück, die so unsagbar tröstend meine gehalten hatte.
Die Wärme kam zurück und leicht ließ es mich lächeln. Mühsam öffnete ich die Augen erneut, doch was ich sah brachte Kälte zurück. „Tu das nicht.“ Flüsterte ich kaum hörbar. Jake lag neben mir und sah mich an, die Taurus war gegen seine starke Brust gerichtet. Wie heiße Rinnsale liefen Tränen über meine Wangen. Sein Atem war laut, aber sein Blick beruhigend weich. „Wir gehen zusammen.“ Er klang so zuversichtlich und liebevoll, als handelte es sich um einen Sparziergang, etwas Alltägliches. „Jake.....“, keuchte ich leise. Er lächelte, es war das schönste Lächeln, dass er mir je geschenkt hatte. „Für wen?“ Ich hatte nicht mehr die Zeit, diese Frage auf einen anderen Zeitpunkt zu vertagen. „Wer hat dein Herz gebrochen?“ Seine Augen füllten sich nach und nach mit Tränen, es war so herzzerreißend, zu sehen, wie allein der Gedanke daran ihn so unbeschreiblich leiden ließ. Mein letzte Kraft brachte ich auf und drehte mich unter Stöhnen zu ihm. Sein Gesicht lag dicht bei meinem. Er seufzte. „Der Tod meiner Mum.“, dann senkte er seinen Blick. „Sieh mich an.“ Bat ich ihn, nach einem kurzen Moment kam er meiner Bitte nach. „Sie würde nicht wollen, dass ihr Kind ihretwegen dem Leben abschwört.“ Ich wollte ihn davon abhalten, so eine Dummheit zu begehen, wenn ich seinen Schmerz auch zu gut nach empfinden konnte, wie auch seinen Wunsch, alldem zu entkommen und nicht als einziger mit diesem Wissen, den Erinnerungen leben zu müssen. Ungerührt von meinen Worten sah er mich weiter an. „Ich kann dich nicht abhalten, stimmt' s?“ Kurz schüttelte er den Kopf. „Wenn die Verzweiflung zu groß wird.......“ Hauchte ich und schloss erneut die Augen. „....braucht es keinen Mut.“ Vervollständigte er mit samtener Stimme meinen Satz.
Fest umschloss er meine Hand, ich wollte nicht hinsehen, nicht sehen, wie er...... seinem Leben ein Ende setzte. Eine eben so gequälte Seele, wie meine es war, die auf Frieden hoffte und den ewigen Qualen ein Ende setzte. Als würde er dem Schicksal ein Schnippchen schlagen, so war es vielleicht ein Moment der Überlegenheit, es selbst zu entscheiden und enden zulassen, um endlich wieder frei zu sein. Mit dem Wissen, alles versucht zu haben und doch gescheitert zu sein, gescheitert am Leben.
Vorsichtig schob er seinen Arm unter meinen Kopf und legte sich ganz dicht an mich. Mit dem Fühlen seiner Wärme flammte der Wunsch nach Leben in mir auf. Vielleicht wollte ich doch nicht sterben, vielleicht sollte ich mit Jake zusammen nach New York gehen oder nach Boston und mit ihm Devis und meinen Traum leben. Einfach zusammen sein und hoffen, einander genügend Trost schenken zu können, damit es weiter gehen konnte.
Ein kreischender Knall zerriss auf ein Neues die Stille, ich riss die Augen auf. Er kniff sie zusammen. „Scheiße, tut dass weh.“ Presste er keuchend durch die Zähne. „Es wird besser.“ Versuchte ihn zu beruhigen.
Adé New York, Adé Boston, Adé Welt. Klirrend fiel die Taurus auf den steinernen Boden. Sein Atem ging stoßweise, ich konnte hören, dass er grauenhafte Schmerzen hatte. „Weißt du....... ich würde mir niemand anderen an meine Seite wünschen.“ Flüsterte er, gequält versuchte er zu lächeln. Auch ich schenkte ihm ein letztes Lächeln und gab einmal mehr meinen schweren Lidern nach. Seine Hand lag warm auf meiner Seite, ich fühlte, wie sie schwerer und schwerer wurde.
„Niemand anderen....“ Ich blinzelte, da er nicht antwortete. Jake war nicht länger hier, bei mir. „Oh man, Jake....“
Sternenkinder, die Hand in Hand und Seite an Seite, endlich auf dem lang ersehnten Weg nach Hause waren.
Tag der Veröffentlichung: 25.02.2012
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Dearest Jess!
Thank you sacrifice all your time, to beta all that stuff. Stay as you are, cause you're the air that i´m breathing. What would I do without you.
In love your sister.