Chapter 1
Eilig schlug ich meine Bücher zu und stopfte sie in meine Tasche, ein Blick auf die Uhr ließ mich wissen, dass es mal wieder verdammt knapp werden würde. Zum Glück war heute Freitag, noch ein paar Stunden arbeiten und endlich wäre Wochenende. Mit Schwung warf ich die Tasche über meine Schulter, quetschte mich an meinen Kommilitonen vorbei und ging schnellen Schrittes zum Ausgang des Saales.
„Miss Cameron? Haben Sie einen Moment für mich?“ Rief meine Professorin Miss Bale mir nach. Noch immer hatte ich mich an diesen Nachnamen nicht gewöhnt, obwohl ich ihn jetzt schon seit über einem Jahr trug. Mit einem aufgesetzten Lächeln drehte ich mich um, 'nein, eigentlich nicht', dachte ich, wartete aber geduldig. Konnte sie sich nicht ein bisschen beeilen, wieder ging mein Blick zur Uhr. „Ich wollte Sie für Ihre herausragende Arbeit loben, Sie haben mich sehr beeindruckt.“ Wohlwollend hielt sie mir ihre Hand entgegen. „Vielen Dank.“ Schnell ergriff ich sie, ich war ziemlich kurz angebunden, immerhin wartete mein schlecht bezahlter Job als Kellnerin in einem kleinen Café auf mich. Irgendwie musste das Studium und das Leben in Seattle ja bezahlt werden. „Wenn Sie so weitermachen, werden Ihnen alle Türen offen stehen.“ Strahlte sie. Nickend sah ich sie an. „Dann will ich Sie mal nicht weiter aufhalten, ich wünschen Ihnen ein schönes Wochenende.“ Noch ehe sie sich abwandte, hatte ich ihr den Rücken gekehrt und joggte aus dem Saal. „Ihnen auch.“ Rief ich noch schnell über meine Schulter, um nicht völlig unhöflich zu wirken.
Im Stechschritt lief ich die endlosen Gänge der Uni entlang, endlich sah ich den Ausgang. Jetzt hatte ich noch knapp zwanzig Minuten Zeit, um durch die halbe Stadt zu fahren. Immerhin konnte ich Jared heute das Auto abquatschen, sonst wäre es aussichtslos gewesen, halbwegs pünktlich zu sein. Es war schon praktisch, dass wir beide in Seattle die Möglichkeit hatten zu studieren, obwohl ich immer noch daran zweifelte, dass Jared das richtige Studienfach gewählt hatte. Gegen jede Vernunft wählte er Jura, doch biss er sich jetzt schon seit zwei Jahren tapfer durch und ließ sich nicht entmutigen.
Vor etwa einem Jahr war ich seinem Wunsch nachgekommen, er wollte auf Biegen und Brechen heiraten. Eigentlich hielt ich zu Anfang nicht sehr viel davon, aber da ich ohnehin mein Leben mit ihm verbringen wollte, ließ ich mich darauf ein. Es war eine Hochzeit im kleinen Kreis unserer Liebsten, am Strand von La Push, es war schon sehr romantisch. Seit wir studierten, zog es uns nur noch selten nach Hause, da wir selbst füreinander kaum noch Zeit hatten. Doch hoffte ich, dass es sich in den Semesterferien ändern würde, es war nur noch eine Woche, dann hatten wir es erst mal geschafft.
Von weitem sah ich den alten Volvo und jemanden, der dagegen lehnte und zu warten schien. Als ich näher kam, erkannte ich, dass es Aaron war, genervt verdrehte ich die Augen. Es gab einen Kurs, den wir gemeinsam besuchten und er ließ keine Zweifel offen, dass er Interesse an mir hatte, obwohl er wusste, dass ich verheiratet war. Auch kannte er Jared vom Sehen, doch schien es ihn nicht abzuschrecken. Mein Schritt verlangsamte sich und ich war versucht, auf der Hacke umzudrehen, aber was half es? Er drehte sich um und so wie er mich sah, breitete sich ein fettes Grinsen auf seinem Gesicht aus und seine grünen Katzenaugen strahlten.
„Da bist du ja, dachte schon, du kommst nicht mehr.“ Etwas verwirrt sah ich ihn an. „Waren wir verabredet?“ Knurrte ich. „Leider nicht.“ Bedauernd schüttelte er den Kopf. „Ich wollte dich fragen, ob du mich mitnehmen kannst?“ Selbstsicher wurde sein Grinsen noch breiter. „Ich fahre in die andere Richtung, ich muss arbeiten.“ Inständig hoffte ich, es abwenden zu können, schob ihn an die Seite, um die Autotür zu öffnen. „Ja, perfekt.“ Lachte er und machte sich auf den Weg zur Beifahrertür. Ich hätte auch sagen können, dass ich auf dem Weg zum Nordpol wäre, selbst da wäre er mitgefahren. Schnaufend ließ ich mich auf den Sitz fallen und schloss für einen Moment die Augen, als er schon an das Fenster klopfte, damit ich ihm die Tür öffnete. „Alte Nervensäge.“ Knurrte ich leise vor mich hin und zog den Knopf der Tür hoch. Noch bevor ich den Wagen starten konnte, klingelte mein Handy.
„Jaaa.“ Raunzte ich genervt in den Hörer. „Hey mein Herz, wer hat dich denn geärgert?“ Vernahm ich Jareds geliebte Stimme. „Hey, Schatz.“ Übertrieben verliebt säuselte ich in den Hörer und konnte aus dem Augenwinkel sehen, wie Aaron genervt aus dem Fenster sah. Aber auch das konnte ihn leider nicht vertreiben. „Bin auf dem Weg zur Arbeit.“ Setzte ich nach, wieder sah ich auf die Uhr und jetzt konnte ich mir abschminken, dass ich es noch pünktlich schaffen würde. „Die Jungs und ich wollen heute Abend ins Cooper´s, kommst du nach wenn du Feierabend hast?“ Fragte er etwas kleinlaut. „Ich dachte wir wollten heute mal n´ gemütlichen machen?“ Etwas eingeschnappt zog ich 'ne Schnute. „Ach komm schon, dann machen wir morgen ´n ruhigen.“ Versuchte er mich zu überreden. Hätte Aaron nicht neben mir gesessen, hätte ich meinem Ärger Luft gemacht, aber so wahrte ich den Schein und schluckte es hinunter. „Mal sehen, wie ich dann noch Lust habe.“ Presse ich durch die Zähne. „Okay, bis später, liebe dich.“ An Jareds Stimme konnte ich hören, wie er grinste. „Ja, ja.“ Knurrte ich und legte auf, warf das Handy in meine Tasche, startete den Wagen und fuhr los.
„Ärger im Paradies?“ Grinste Aaron und sah mich mit einer hochgezogenen Augenbraue an. „Wenn du nicht doch lieber laufen möchtest, hältst du die Klappe.“ Zischte ich ihn an und sah stur geradeaus.
Es war ein Ding der Unmöglichkeit, in der Nähe vom 'Heaven', so lautete der Name des Cafés, einen Parkplatz zu finden. Da ich eh' schon spät dran war, nahm ich es in Kauf und parkte im Halteverbot. „Und wie lange musst du heute arbeiten?“ Fragte Aaron, stieg aus dem Auto und wühlte in seinem Rucksack. „Keine Ahnung, bis acht oder neun, je nachdem.“ Schnell schloss ich ab und war schon fast über die Straße. „Danke, dass du mich mitgenommen hast. Vielleicht sehen wir uns heute Abend im Cooper´s.“ Rief er mir noch nach. „Hoffentlich nicht.“ Knurrte ich leise vor mich hin und hob einfach nur eine Hand.
Schnell trat ich in das Café. „Es tut mir leid, dass ich spät dran bin.“ Entschuldigte ich mich bei Mr. Craven, der hinter dem Tresen stand. Ihm gehörte das Heaven, er war schon weit über sechzig, doch mein Glück war, er hatte das Herz am rechten Fleck und sah großzügig darüber hinweg, wenn ich mal wieder zu spät kam. „Nach meiner Uhr bist du pünktlich, Ley.“ Lächelte er. „Vielen Dank.“ Flüsterte ich und ließ meinen Blick über die wenigen Stühle und Bänke schweifen, es war nicht allzu viel los. Dann ging ich ins Hinterzimmer, schmiss meine Jacke und Tasche auf einen Stuhl und band mir die Schürze um. In Nullkommanichts stand ich neben Mr. Craven.
„Wie geht es Ihnen?“ Fragte ich leise, während ich den frischen Kaffee auf das Tablett stellte. „Ach Ley, mal zwickts hier, mal da. Ich bin keine zwanzig mehr.“ Schnaufte er. Bevor ich mir das Tablett schnappte, legte ich meine Hand auf seinen Arm und schenkte ihm ein verständnisvolles Lächeln. Er nickte vor sich hin und machte sich an die nächsten Bestellungen. Es waren hauptsächlich ältere Menschen, die sich hierher verirrten, die das doch typisch englische Ambiente zu schätzen wussten. Deswegen arbeitete ich ganz gerne hier, es ging ruhig und gemäßigt zu, keine jungen Leute, die gerne mal über die Strenge schlugen und das Trinkgeld stimmte auch.
Mit leerem Tablett und vollem Bestellblock kehrte ich zurück. „Und was hast du heute Schönes in der Uni gelernt?“ Murmelte Mr. Craven und versuchte, den doch etwas altersschwachen Kaffeeautomaten am Laufen zu halten. Seine Frage ließ mich lächeln. „Momentan quäle ich mich durch die Persönlichkeitspsychologie.“ Er nickte. „Und es macht dir immer noch Spaß?“ Jetzt hing ich über der Kuchentheke und ließ etwas unsanft ein Stück Apfelkuchen auf einen Teller fallen. „Ja, immer noch.“ Grinste ich. Nachdem ich auch diese Bestellung verteilt hatte, machte ich mich an die Spülmaschine. „Dann lass mal deine Expertenmeinung zu unseren Gästen hören.“ Sagte er. Ich sah ihn an, stellte meine Arbeit ein, stützte mich auf meine Ellenbogen neben ihn auf den Tresen und wir mutmaßten gemeinsam, um was für Schicksale es sich hier handelte. Das ein oder andere Mal mussten wir uns das laute Lachen verkneifen.
Nach gut fünf Stunden verschwand ich mit einem Kaffee ins Hinterzimmer und machte eine kleine Pause. Vom Tisch nahm ich eine der abgegriffenen Zeitungen und blätterte sie zum hundertsten Mal durch. Das leise Klingeln der Ladentür ließ mich wissen, dass neue Gäste da waren, doch das würde Mr. Craven auch für einen Moment allein schaffen, ich war ziemlich erledigt. Leises Gemurmel war zu hören. Doch wie ich so über meiner Zeitung hing, stieg mir der Geruch von Parfum in die Nase. Es war lange her, dass ich es gerochen hatte, ich überlegte, es erinnerte mich an La Push, doch genaueres wollte mir nicht einfallen, aber löste es ein wehmütiges, längst vergangenes Gefühl aus. Wieder hörte ich das Klingeln der Tür. Jetzt ging ich nach vorn. Der Duft hing schwer in der Luft und erfüllte den ganzen Raum. Tief holte ich Luft und versuchte die Erinnerung heraufzubeschwören, aber sie blieb mir verborgen.
„Ist alles in Ordnung?“ Fragte Mr. Craven. Meinen Blick ließ ich schweifen, ob ich einen neuen Gast entdecken konnte, der diesen bekannten Duft mitbrachte, aber es saßen die selben runzliges Gesichter wie vor fünf Minuten an den Tischen. Ich sah Mr. Craven an.
„War gerade jemand hier?“ Etwas irritiert sah ich ihn an. „Ein junger Mann hat nachdem Weg gefragt, mehr nicht.“ Er fuhrwerkte mit einem Schraubenzieher an dem Kaffeeautomaten herum. „Ich glaube, der hat es hinter sich.“ Knurrte er. Ich sah aus der großen Scheibe, doch war es schon dunkel draußen und ich konnte niemanden mehr ausmachen, der hier gewesen war.
„Ley, mach' Feierabend. Mit den paar Leutchen werde ich schon allein fertig. Wir sehen uns nächste Woche.“ Er griff in seine Hemdtasche und gab mir einen Umschlag mit meinem Geld. „Danke Mr. Craven.“ Ich marschierte nach hinten und holte meine Sachen. „Schönen Abend.“ Wünschte ich ihm und trat auf die Straße.
Nochmal ließ ich meinen Blick nach links und rechts schweifen, in weiter Entfernung sah ich jemanden, doch war es so weit weg, dass ich nicht wirklich etwas erkennen konnte. Ich tat es ab und lief schnellen Schrittes zum Wagen und wie hätte es anders sein können. Natürlich blieb mir heute nichts erspart, aber ich hatte es ja auch darauf angelegt. Verärgert rupfte ich das Knöllchen hinter dem Scheibenwischer weg, schloss das Auto auf und stopfte es ins Handschuhfach zu den anderen, da war es nicht so einsam. Wieder musste ich quer durch die Stadt nach Hause, doch hatte ich dieses Mal nicht so eine nervige Begleitung, was es um einiges angenehmer gestaltete.
Die Straßen waren weitestgehend frei und ich stand nach gut einer halben Stunde Fahrt vor dem Haus, in dem sich Jared und mein kleines Apartment befand. Die Gegend, in der wohnten war nicht die sicherste, aber hier waren die Wohnungen bezahlbar, Seattle war ein teures Pflaster. Ich stieg aus und schloss den Wagen ab. Müde schlich ich die Treppen hoch, in der ersten Etage dröhnte mir laute Musik entgegen. ´Willkommen zu Hause´, dachte ich, selbst wenn ich noch zwei Etagen höher musste, wusste ich, dass ich auch dort in den Genuss der Musik kommen würde. Leise schlich ich den Flur entlang, der von unzähligen Türen gesäumt war, als eine von ihnen aufgerissen wurde. „Ley.“ Kreischte eine mir bekannte Stimme los.
Es war Olivia, die von allen nur Livia genannt wurde. Wir waren in derselben Stufe, so nett sie auch war, aber manchmal brauchte man einfach seine Ruhe von ihrer aufgedrehten, hektischen und hibbeligen Art. Ich zuckte zusammen und blieb ertappt stehen, langsam drehte ich mich zu ihr und lachte gequält. „Hab' schon die ganze Zeit auf dich gelauert.“ Plapperte sie munter drauf los. „Ist das wahr.“ Fragte ich etwas ironisch. Sie hakte mich ein und beförderte mich in ihre Wohnung, Widerstand wäre ohnehin zwecklos. „Hast du heute lange gearbeitet! Dachte schon, du würdest gar nicht mehr nach Hause kommen. Hast du heute noch was vor? Mir war ja so was von langweilig heute.“ Ihre Fragen und ihr wildes Gerede rissen nicht ab.
Sie bugsierte mich auf ihre Couch und drückte mir ungefragt ein Glas Sekt in die Hand. „Wochenende!“ Strahlte sie. „Darauf muss angestoßen werden.“ Ohne dass ich ihr mein Glas entgegen halten musste, kam sie mir entgegen und es klirrte bedrohlich, doch das Glas blieb ganz. Von ihrem Gerede rauchte mir die Birne und nur zu gerne hätte ich mich verdrückt, doch dachte ich, ein Gläschen und dann würde ich mich aus dem Staub machen. Munter schnäbbelte sie weiter und erzählte mir, was sie die letzten Tage getrieben hatte. Ich brauchte nur gelegentlich nicken und ´Aha´ sagen, bei ihr kam man selten zu Wort. Verzweifelt sah ich mein Sektglas an und kippte es in einem Rutsch leer, anders war es nicht zu ertragen und ehe ich mich versah, hatte sie es schon wieder aufgefüllt. ´Ach, scheiß drauf´dachte ich und exte das Nächste. „Na, du hast aber Durst.“ Kicherte sie, schenkte mir nach und erzählte mir in allen Einzelheiten von ihrer Errungenschaft der letzten Nacht. Ich erfuhr Dinge, nach denen ich nie gefragt hätte und die ich auch gar nicht wissen wollte.
Nach dem fünften Glas war mir alles egal, ich war schon ordentlich angeschickert, schielte vor mich hin und machte nach wie vor ´aha´und ´hmm´. „Dann geh dich mal umziehen, die Nacht ist noch jung.“ Sie grabschte meine Hand, zog mich von der Couch und schob mich zur Tür hinaus. „Ich bin in zehn Minuten bei dir.“ Trällerte sie und zack war die Tür zu. Ich visierte unsere Wohnungstür an, die wie ich fand, bedrohlich schwankte. Langsam torkelte ich drauf zu, nach fünf Minuten in meiner Tasche wühlen hatte ich endlich den Schlüssel in meiner Hand und die Tür geöffnet. Jetzt blieben mir noch mal ganze fünf Minuten, ehe Livia hier aufschlagen und mich mitschleppen würde. Mit etwas zu viel Schwung knallte die Tür ins Schloss. Im Dunkeln tastete ich nach dem Lichtschalter, ich war mir sicher, jemand hatte ihn schnell verlegt, damit ich ihn nicht fand. Leise vor mich hin fluchend taumelte ich in Richtung Schlafzimmer, da fand ich dann endlich einen Lichtschalter, ich hing mich vor den Schrank und zupfte mir Klamotten heraus. Das Oberteil war schnell angezogen, doch bei der Jeans kam es mir von Anfang an etwas spanisch vor. Doch erst als ich den letzten Knopf geschlossen hatte und sie mir trotzdem vom Hintern rutschte, war mir klar, es war eine von Jared. Wild klopfte es an der Tür.
„Bin gleich da.“ lallte ich vor mich hin und griff eine andere Hose, die dieses Mal sogar passte. „Glückwunsch.“ Gratulierte ich mir selbst, machte mich auf zur Tür und öffnete. Aufgebrezelt wie sonst was strahlte mich Livias mit Make- Up zugekleistertes Gesicht an. „Können wir?“ Ich schlüpfte schnell in meine Chucks, die ich offen ließ, ich war nicht mehr in der Lage, eine Schleife zu machen, dann schnappte ich mir noch schnell meine Tasche und meine Jacke und schon zog sie mich auf den Flur und warf die Tür zu. „Ich hab noch was für den Weg mitgebracht.“ Lachte sie und zog zwei Flachmänner aus ihrer Tasche. Die Frau konnte saufen, da hatte so manch' fester Trinker ein Problem, mitzuhalten.
Vorsorglich schraubt sie meinen schon mal auf, damit ich nicht in Versuchung kam und ihn in meiner Tasche wieder verschwinden ließ. Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, ehe wir die Treppen runter waren, in der ersten Etage legten wir einen kurzen Stopp ein und hotteten zu den Techno- Klängen schon mal ein bisschen ab. Dann zog sie mich weiter, von mir aus hätten wir auch hier bleiben können, wäre der Weg nach Hause nicht so weit.
Auf der Straße hakte sie mich ein und zog mich mit, so voll wie ich war hatte ich echt Probleme, mit ihrem Schritt mitzuhalten und dass, obwohl sie Absätze anhatte, mit denen man meiner Meinung nach noch nicht mal sitzen konnte.
Nach keinen zehn Minuten standen wir vor dem Coopers, es war so brechend voll, dass wir uns erst rein- und dann durchquetschen mussten. Selbst im besoffenem Kopp hasste ich es, wenn mir fremde Menschen auf die Pelle rückten, doch unbeirrt zog Livia mich weiter durch die Massen. Dann sah ich von weitem Ray, der an der Bar Getränke orderte, er spielte im selben Team Football wie Jared und wie sollte es anders sein, trieben sich auch die von Livia und mir gehassten Cheerleader hier herum.
Weiter schoben wir und vorwärts, als mir wieder dieses bekannte Parfum in die Nase stieg. Ich blieb stehen und sah mich um, in diesem Gedrängel verlor ich Livias Hand und nach Sekunden konnte ich sie nicht mal mehr sehen. Ich hielt die Nase in die Luft und sah mich um, ob ich ausmachen konnte, von wem es ausging. Die meisten Gesichter waren mir fremd und die, die ich kannte, wollte ich nicht wirklich damit in Verbindung bringen. Etwas verwirrt stand ich da, als eine Hand nach mir griff.
Jetzt drängelt sich Livia wieder zu mir durch. „Na komm' schon, hab' deinen Liebsten gefunden.“ Schrie sie mir über die laute Musik entgegen.
In der hintersten Ecke hatten sie einen Tisch ergattert. Dann sah ich Jared, er stand mit dem Rücken zu uns und an ihm klebte Jen, eine der Cheerleader, sie ließ keine Möglichkeit aus ihm auf die Pelle zu rücken. Sie sollte nur so weiter machen, irgendwann war auch meine Schmerzgrenze erreicht und dann gnadete ihr Gott. Genervt schnaufte ich. Ihre Hand lag auf seinem Rücken, ich griff sie und beförderte sie ziemlich unsanft an die Seite. Angezickt drehte sie sich um und wollte gerade losschnauzen, ich grinste sie mit einer hochgezogenen Augenbraue an. „Problem?“ Fragte ich. Pikiert sah sie mich an, schüttelte den Kopf und schob ab. „Miststück!“ Hörte ich Livia zischen und musste lachen.
Ich stellte mich neben Jared, der erst nicht bemerkte, dass ich es war. Dann sah er mich an. „Schatz!!“ Strahlte er, riss mich an sich und hob mich hoch. Aus dieser Höhe konnte ich sehr gut das angepisste Gesicht von Jen ausmachen und ich lachte in mich hinein. So wie es schien hatte Jared auch schon ordentlich getankt, sein Blick ging nicht mehr so ganz geradeaus.
„Schön, dass du doch noch gekommen bist.“ Flüsterte er, ich nahm sein Gesicht in meine Hände und er küsste mich leidenschaftlicher als es in der Öffentlichkeit sonst der Fall war. Es dauerte einige Zeit, bis sich seine Lippen von den meinen lösten „Zu Hause gibt’ s 'ne Fortsetzung.“ Grinste er und kniff mir ein Auge zu. „Ich bin gespannt.“ Lachte ich und hätte fast drauf gewettet, dass der Einzigen, der er heute noch seine Zuneigung schenken würde, wahrscheinlich die Kloschüssel wäre.
„Hey Ley.“ Blökte Ray, der mit einem Arm voller Getränke bei uns aufschlug. „Hey!“ Rief ich und boxte ihm auf den Oberarm. „Au, vorsichtig! Hab morgen 'n Spiel, nicht, dass du mich noch außer Gefecht setzt!“ Witzelte er. Entsetzt sah ich Jared an. „Ihr habt morgen ´n Spiel??“ Er zog gerade das nächste Glas Whisky- Cola leer, nickte und versuchte, dabei nichts zu verschütten. „Jammer' mir morgen bloß nicht die Ohren voll, wie schlecht es dir geht!“ Knurrte ich. „Du kennst mich doch.“ Ein selbstgefälliges Lachen breitete sich auf seinem Gesicht aus. „Genau deswegen.“ Ich schnappte ihm das andere Glas vor der Nase weg und zog es mit einem Mal leer, mir war klar, dass ich es morgen schrecklich bereuen würde.
Grinsend stellte ich mir jetzt schon ihre von Kopfschmerz geplagten Gesichter vor, wenn sie von ihren Gegner geteckelt würden, sie würden fallen wie die Fliegen, Strafe musste sein. Wenn sie auch ziemlich weit oben mitspielten und ein vielversprechendes Team waren, würde ihr Coach sie morgen verfluchen.
Jetzt sah ich mich um und mein Blick suchte Livia, die sich schon wieder mit irgendeinem Knaller am Tresen unterhielt. Sie sah mich an und kniff mir ein Auge zu. Ich hielt ihr meinen Daumen entgegen, sie war sich auch für nix zu schade, ich kicherte in mich hinein. Dann verirrten sich Melissa und Jen wieder an unseren Tisch. Melissa war die Freundin von Ray und leider war sie auch ganz dicke mit Jen. Was sie mir von Vorne herein unsympathisch machte, mal ganz abgesehen davon, dass sie auch ein Cheerleader war.
Mit einem etwas unterkühltem Kopfnicken grüßten wir einander. Ihrer Meinung nach wären Jared und Jen das ideale Paar, nur hatte ich als seine Angetraute auch noch ein Wörtchen mitzureden. Es war echt zum Kotzen wie Jen sich anbiederte und über alles, was Jared sagte, übertrieben lachte und zu allem Scheiß ihren Senf dazugeben musste. Obwohl Jareds Arm um mich lag, die Frau würde über Leichen gehen. Genervt verdrehte ich die Augen und lehnte mich noch etwas fester an Jared. Livia konnte sich von ihrem Typen loseisen. „Ich müsste mal, kommste mit?“ Mittlerweile lallte auch sie. Bevor ich mir weiter die dumme Fratze von Jen reinziehen musste, folgte ich ihr nickend. Erneut kämpften wir uns durch die Feiernden. Vor dem Klo blieb ich stehen. „Ich warte hier.“ Schrie ich ihr entgegen und sie verschwand.
Pausenlos schoben sich Leute an meinem Rücken vorbei, als mir jemand ganz sanft über den Rücken fuhr, es fühlte sich atemberaubend bekannt an. Im ersten Moment schloss ich die Augen und es ließ mich nach Luft schnappen, die Berührung verschwand, es hatte etwas Beschützendes. Jetzt drehte ich mich um und rechnete mit Jared, obwohl ich seine Berührungen kannte und sie fühlten sich anders an, hinter mir war niemand. Niemand, den ich kannte oder der mir zugewandt war. Mit suchendem Blick ging ich sämtlich Leute durch, die in meiner Nähe standen, doch fand ich nicht, was dieses Gefühl heraufbeschwor. Eine leichte Gänsehaut jagte mir über den Rücken und es schüttelte mich.
„Suchst du wen?“ Livia stand wieder neben mir. „ Ne ne.“ Tat ich es kurz ab, doch verwirrte mich diese zaghafte Berührung zusehends. Vielleicht hatte ich es mir nur eingebildet oder e es war Zufall. Ich war hundemüde und meine Beine taten weh, jetzt würde ich meinen Mann schnappen und nach Hause gehen, nahm ich mir vor.
Livia ging voran, für einen kurzen Moment sah ich mich noch mal um, doch nach wie vor konnte ich nichts ausmachen. Schnaufend folgte ich ihr. Natürlich stand Jen wieder neben Jared und quakte ihn voll. Ich zupfte an seinem Ärmel, er drehte sich um und beugte seine Gesicht zu mir. „Lass' uns gehen.“ Flüsterte ich dicht an seinem Ohr. „Schon? Ist doch noch gar nicht so spät.“ Versuchte er mich zu überzeugen. „Ohhh, ist das Frauchen müde!“ Zischte Jen gehässig von der anderen Seite. Böse sah ich sie an. „Ich komm' dir gleich da rüber.“ Knurrte ich zurück. „Kann es kaum erwarten.“ Zickte sie. Geräuschvoll atmete ich aus. „Lass uns bitte gehen, sonst mach ich das Blondchen gleich lang.“ Durchdringend sah ich ihn an. „Seit wann lässt du dich von ihr provozieren?“ Fragte er etwas verständnislos. Mit einer hochgezogenen Augenbraue sah ich ihn an, er konnte nicht so voll sein, dass er nicht mitbekam, wie sie sich ihm an den Hals warf. „Okay, okay, ab nach Hause.“ Schnaufte er, schnell verabschiedeten wir uns und natürlich musste Jen ihn übertrieben lang drücken und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Ich war auf hundertachtzig, auf dem Weg nach draußen sammelten wir noch Livia ein, die den Typen von der Bar natürlich mit nach Hause schleppte.
Jareds Arm lag bleischwer auf meinen Schultern und er wankte anständig. „Ich liebe dich, mein Schatz.“ Lallte er vergnügt vor sich hin. Der Rückweg dauerte 'ne gefühlt Stunde, kurz vor der Haustür meinte ich jemanden in einiger Entfernung stehen zu sehen, es zog nur deshalb meine Aufmerksamkeit auf sich, weil dieser jemand da nur zu stehen schien und nicht weiterging. Von der Statur hätte es ein Mann sein können, groß mit breitem Kreuz, doch blieb sein Gesicht im Schatten der Kapuze verborgen. Einen Moment blieb ich stehen, dieser jemand war zu uns gewandt und schien in unsere Richtung zu sehen. Da diese Gegend nicht ganz so sicher war, beschlich mich ein ungutes Gefühl, so dick wie Jared war, wäre er nicht wirklich eine Hilfe. Doch dieser Jemand ging nicht auf uns zu, er stand einfach nur da, doch außer mir schien es weder jemand zu bemerken noch zu verunsichern.
Etwas schneller schob ich Jared die Stufen zur Tür hinauf. „Immer langsam mit den jungen Pferden. Jieehaaw.“ Murmelte er vor sich hin. Erst als wir im Hausflur standen und die Tür geschlossen war, fühlte ich mich etwas wohler. Jetzt galt es, einen fast Hundertkilotypen die Treppen hoch zu wuchten, bis in den dritten Stock. Nach der Hälfte war ich versucht, ihn auf die Stufen zu setzen und morgen früh wieder einzusammeln. „Jared!“ Maulte ich. „Du musst schon ein bisschen mithelfen.“ Sein Gewicht ließ mich keuchen und ich hatte das Gefühl, mein Kreuz würde durchbrechen.
Nach gefühlten zweitausend Stufen standen wir vor unserer Wohnungstür, schnell nickte ich Livia zu, die knutschend in ihrer Wohnung verschwand. Na, immerhin käme heute wenigstens noch eine auf ihre Kosten. Jared schielte mich an. „Na, Schätzchen!“ Grinste er. „Wie wär' s?“ Er versuchte, mir ein Auge zuzukneifen, was weder verführerisch aussah noch Lust auf mehr machte. Etwas mitleidig sah ich ihn an. „Lass' gut sein.“ Lachte ich leise, schloss auf und schob ihn in die Wohnung. Doch so leicht war er nicht von seiner Idee abzubringen. Noch bevor ich die Tür schließen konnte, schnappte er mich und zog mich näher. Wenn er auch rotzevoll war, wusste er doch noch sehr genau, was er tat, seine Lippen erkundeten meine Hals. Aber mir war klar, sobald er das Bett nur sähe, würde er umfallen wie in Bär im Winterschlaf, also erhoffte ich mir nicht zu viel von dieser kleinen Anmache.
Elegant half er mir aus meiner Jacke und wir arbeiteten uns in Richtung Schlafzimmer vor. Er ließ sich aufs Bett fallen, grinsend stand ich vor ihm. In Gedanken zählte ich..., eins, zwei, drei....., er schloss die Augen und sein spitzbübisches Grinsen wandelte sich innerhalb von Sekunden, entspannt schnarchte er vor sich hin. Genauso hatte ich es mir vorgestellt. Ich hatte echt zu kämpfen, ihm Hose und Schuhe auszuziehen. Nachdem er halbwegs gerade im Bett lag, ging ich ins Bad, wusch mich und putze mir die Zähne. Keine fünf Minuten später lag ich neben ihm, völlig erschlagen, sein leises Sägen half mir in den Schlaf.
Chapter 2
„Wie spät ist es?“ Knurrte Jareds heisere Stimme neben mir. „Was weiß ich, guck' auf den Wecker.“ Murmelte ich wenig nett, mit geschlossenen Augen. „Mein Kopf......“ Hörte ich ihn stöhnen. „Ist er noch dran?“ Fragte ich leise und drehte mich auf den Rücken. „Verdammt, ja.“ Fluchte er vor sich hin. „Dann hör' auf zu jaulen.“ Einen Spalt öffnete ich die Augen und drehte mein Gesicht zu ihm. Er hatte selten schlechter ausgesehen. „Boah, siehst du Kacke aus.“ Lachte ich leise und wunderte mich, dass es mir doch ganz gut ging, nachdem was ich mir gestern alles in den Kopf gekippt hatte, grenzte es an ein Wunder. Sein Mund verzog sich zu einem Grinsen. „So fühle ich mich auch.“ Leise kicherte ich und robbte in seinen Arm. Zufrieden seufzte er.
Meine Lippen lagen regungslos an seiner Wange und ich war versucht, wieder wegzunicken. „Kannst du nicht den Coach anrufen und sagen, ich bin krank?“ Langsam schlossen sich seine Arme um mich. „Wer saufen kann, kann auch spielen.“ Hauchte ich und küsste ihn. Meine Worte ließen ihn knurren, doch der Kuss, stimmte ihn sofort milde. Er drehte sein Gesicht zu meinem. „Großer Gott, hast Du noch 'ne Fahne.“ Ich versuchte, mich von ihm wegzudrücken und schnappte nach Luft, er lachte und hielt mich fest. „Du bleibst schön hier.“ Mit einer Hand hielt er meine Hände fest, mit der anderen umschloss er meine Taille und zog mich wieder heran, dann rollte er sich halb auf mich. Jetzt war jede Flucht zwecklos. Mit einer hochgezogenen Augenbraue sah er mich an, sein Blick wanderte meinen Hals entlang und endete in meinem Dekolleté. Breit fing er an zu grinsen und ließ seine Lippen folgen. Ergeben hielt ich die Hände hoch und seufzte. In meinem Dekolleté hängend nuschelte er unverständliches Zeug. „Quatsch nicht, mach.“ Stöhnte ich leise und hörte ihn lachen. Zu meinem Bedauern hob er den Kopf und sah zum Wecker. „Ohh Scheiße!“ Zischte er, ließ von mir ab und sprang aus dem Bett. Noch immer lag ich mit geschlossenen Augen da. „Hey, bring mal zu Ende, was du hier angezettelt hast.“ Säuselte ich vor mich hin. Doch hörte ich nur noch, wie die Badezimmertür ins Schloss fiel. „Na so viel dazu.“ Knurrte ich, holte tief Luft und schnaufte. Langsam drehte ich den Kopf und sah auch zum Wecker, Jared hatte noch genau 'ne halbe Stunde, ehe er auf dem Platz stehen musste. Geräuschvoll reckte ich mich, da ich ihn fahren musste, weil ich danach noch einkaufen durfte, hatte ich auch nicht mehr viel Zeit. Weniger motiviert als Jared quälte ich mich hoch und zog mich an. Schnell machte ich einen Kaffee, dann marschierte ich ins Bad. Jared stand noch unter der Dusche, schnell wusch ich mich und machte mir einen Zopf. „Wo sind die Kopfschmerztabletten?“ Rief er aus der Dusche. Ein Stück zog ich den Vorhang zur Seite und sah ihn grinsend mit einer hochgezogenen Augenbraue an. „In der Küche.“ Er drehte sich zu mir, nahm mein Gesicht in seine nassen Hände und küsste mich leidenschaftlich, wenn wir nicht so wenig Zeit hätten, wären mir meine Klamotten vom Körper gefallen.
Ich warf mir meine Tasche über die Schulter und setzte wie Jared eine Sonnenbrille auf, die war heute so was von nötig. Mit seiner riesigen Sporttasche bepackt folgte er mir auf den Flur. „Was macht der Kopf?“ Fragte ich knapp. „Geht besser.“ Antwortete er, wir schlichen den Flur entlang und die Treppen hinunter zum Auto. Ich war mir fast sicher, dass ich noch nicht wieder hätte fahren dürfen, aber es half ja nix. Jared hätte noch viel weniger fahren dürfen. Schnaufend warf er sich auf den Beifahrersitz und verrenkte sich den Hals, um auf die Tankanzeige zu sehen. „Warst du gestern nicht tanken?“ Fragte er etwas genervt. „Hab' ich nicht mehr geschafft.“ Rechtfertigte ich mich. „Na hoffentlich kommen wir noch an.“ Schnaufte er. Ich verdrehte die Augen, ließ seine Worte unbeantwortet und fuhr los.
Vor der Uni angekommen hielt ich nur kurz. „Bis gleich.“ Murmelte er und drückte mir einen schnellen Kuss auf die Wange. „Bis gleich.“ Wiederholte ich seine Worte, eilig joggte er los. Ich beugte mich zum Handschuhfach, um zwischen sämtlichen unbezahlten Knöllchen eine CD herauszuangeln. Ich brauchte Musik, laute Musik! Das einzige, was ich fand, war ein wilder Mix, der sich durch sämtliche Jahre zog, dann machte ich mich auf den Weg, um einzukaufen. Natürlich hatte ich mir keinen Zettel gemacht und somit konnte man schon mal davon ausgehen, dass ich die Hälfte vergessen würde, doch war es mir heute herzlich egal.
Im Takt trommelte ich auf dem Lenkrad mit, als ich auf den Parkplatz bog. Es war so grauenhaft voll, dass ich am liebsten wieder kehrt gemacht hätte, doch da wir nicht verhungern wollten, musste ich da wohl durch.
Nach zehn Minuten im Kreis fahrend fand ich dann auch endlich einen Parkplatz, schwang mich aus dem Wagen und betrat das Einkaufszentrum. Eilig warf ich in den Wagen, was mir noch einfiel, um schnellen Schrittes zur Kasse zukommen. Vorher machte ich noch einen Schlenker an den Getränken vorbei und packte jede Menge Red Bull ein.
„Hallo Ley.“ Die Stimme ließ mich zusammenzucken. „Was ein Zufall.“ Strahlend kam Aaron auf mich zu. Immer wenn ich es am wenigsten gebrauchen konnte, tauchte er irgendwo auf. Nickend sah ich ihn an. „Na, wie geht’ s dir?“ Grinste er. „Bis gerade ging' s noch.“ Maulte ich leise. „Biste heute gar nicht deinen 'Mann' anfeuern.?“ Er betonte es gezielt ätzend und bezog sich auf das Footballspiel. „Doch natürlich, gleich. Werde keinen Meter von seiner Seite weichen.“ Übertrieben fletschte ich ihn an. „Hau' rein.“ Würgte ich ihn ab und ließ ihn stehen.
Nach gut zwanzig Minuten an der Kasse war ich endlich raus aus dem Laden und auf dem Weg zum Auto. Nachdem ich die Einkäufe auf den Beifahrersitz geworfen hatte, schraubte ich mir eine Flasche von dem Muntermacher auf und zog sie mit einem Mal fast ganz leer, in der Hoffnung, es würde helfen. Tiefer rutschte ich in den Sitz und schloss einen Moment die Augen, ich war sowas von erledigt und wollte lieber ins Bett als Jared anfeuern. Aber was tat man nicht alles als pflichtbewusste Ehefrau. Noch immer war mir dieses Wort nicht geheuer.
Ein anderes Auto hatte es auf meinen Parkplatz abgesehen, wild hupend und gestikulierend saß ein Typ hinter dem Steuer. „Geh' mir nicht auf den Sack.“ Knurrte ich leise und startete den Wagen. Als ich aus der Parklücke kurvte, hielt ich ihm elegant grinsend den Mittelfinger hin, wer hätte es gedacht, aber es trug nicht dazu bei, dass er sich beruhigte. Nicht weiter darauf achtend machte ich mich auf den Weg nach Hause. Das Wetter war heute unerwartet mild, weit kurbelte ich das Fenster runter, atmete tief ein und drehte das Radio noch etwas lauter. Lauthals sang ich mit und nickte im Takt der Musik, man konnte fast behaupten, ich performte.
Vor der Haustür ergatterte ich einen Parkplatz, schnappte die Einkäufe und fragte mich, warum ich den Scheiß immer allein nach oben schleppen musste. Schnaufend schloss ich die Wohnung auf und bugsierte die Taschen in die Küche, räumte alles in die Schränke. Wehmütig schweifte mein Blick ins Schlafzimmer, das Bett war einladender denn je. Doch noch bevor ich einen weiteren Gedanken daran verschwenden konnte, klopfte es an der Tür. Geräuschvoll atmete ich aus und öffnete. Livia stand in den Rahmen gelehnt und schob ihre Sonnenbrille auf die Nasenspitze, jetzt wusste ich, dass sie diese aus denselben Gründen trug wie ich.
„Ich bin sowas von im Arsch.“ Waren ihre begrüßenden Worten. Es ließ mich grinsen, doch bevor ich etwas erwidern konnte, redete sie weiter. „Der Typ war voll die Niete, dass hätte ich mir echt sparen können. Wenn ich auch nicht besonders anspruchsvoll bin, wenn ich blau bin, selbst in dem Zustand war es enttäuschend. Was ein Loser!“ Wieder lachte ich nur. „Bist du fertig, können wir los?“ Gähnte sie. „Auf zum Spiel.“ Wenig motiviert sah ich sie an, machte noch einen Schlenker am Kühlschrank vorbei und versorgte uns mit einigen Flaschen Red Bull. Zwei drückte ich Livia in die Hand, zwei warf ich in meine Tasche. „Ohhh Ley. Du kannst Gedanken lesen.“ Schnaufte sie erleichtert. „Was würdest du nur ohne mich machen.“ Lächelte ich, hakte sie ein und zog sie aus der Wohnung.
Als wir auf die Straße traten, hörte ich ihren Schmerzensschrei. „Großer Gott, ist dass hell!“ Schützend hielt sie eine Hand über ihre Sonnenbrille und warf sich ins Auto. Als ich den Wagen anwarf, dröhnte uns die Musik entgegen. „Standesgemäß.“ Schrie sie, ich nickte nur.
Mittlerweile war es schon ziemlich voll an der Uni, zwar fanden wir einen Parkplatz, aber wir mussten noch ein ganzes Stück laufen. Es war schon lautes Gegröhle zuhören. Wir arbeiteten uns zu den Tribünen vor und suchten uns einen Platz. Konzentriert sah ich aufs Spielfeld, um Jared auszumachen, dann sah ich ihn, wie immer trug er die Nummer fünfzehn und das war kein Zufall. Er hatte darauf bestanden, da der fünfzehnte der Tag war, an dem wir geheiratet hatten. Als Quarterback war er bei den Mädels angesagter als der Sommerschlussverkauf bei Bloomingdales.
An seinen Bewegungen konnte ich ausmachen, dass es ihm richtig Scheiße ging, aber auch das hochrote Gesicht des Coachs ließ auf nichts Gutes schließen. „Beweg' deinen Arsch, Cameron!“ Schrie er Jared an. ´Karamba´, dachte ich und mein Blick ging zur Ergebnisanzeige. Ja, es sah schlecht für unsere Jungs aus. Noch ehe ich das zu Ende gedacht hatte, wurde Jared so fies von der Seite geteckelt, dass er für einen Moment liegen blieb. Entsetzt sprang ich auf. „Steh' auf, steh' auf verdammte Scheiße!“ Fluchte ich leise vor mich hin. Livia hing ziemlich unbeeindruckt in ihrem Sitz und suchte die Gegend nach brauchbaren Typen ab. „Locker Ley, der bekrabbelt sich schon wieder.“ Murmelte sie etwas gelangweilt. Es wäre nicht der erste Tag, den wir in der Notaufnahme verbringen würden, Football sei Dank. Es ging über Gehirnerschütterungen, angeknackste Rippen bis hin zum Milzriss, von den Prellungen und blauen Flecken mal abgesehen, die waren Standard. Langsam rollte er sich auf die Seite und rappelte sich auf, hielt den Daumen hoch, damit der Coach wusste, es könnte weiter gehen.
Erleichtert setzte ich mich wieder hin, immer die gleiche Kacke. Jedes Mal starb ich tausend Tode, wenn Jared um Kopf und Kragen rannte. Lautes Gekreische zog mein Augenmerk auf sich, die Cheerleader gaben alles und Jen feuerte Jared auch gerne nebenbei noch extra an. Ich kramte in meiner Tasche nach einer der Flaschen. „Die ist sowas von über.“ Kam Livia mir zuvor um machte ein würgendes Geräusch. Mit einer hochgezogenen Augenbraue sah ich sie an, dann fiel unser Blick auf den Flaschendeckel, den ich in Händen hielt und dann auf Jen. Hinterlistig grinste ich Livia an und sie erwiderte es. Mit voller Wucht fletschte ich den Deckel in Jen´s Richtung und traf sie mit vollem Karacho am Hinterkopf. „Touchdown!!!“ Schrie Livia, sprang jubelnd auf, drehte sich um ihre eigene Achse, ließ ihre Arme und Hüften kreisen und ich tat es ihr gleich. Sich den Kopf haltend drehte Jen sich um und wusste auf Grund unseres Freudentänzchens, wem sie das zu verdanken hatte. Ihr Blick ließ nichts Gutes hoffen.
Die Leute, die um uns herum saßen, guckten komisch, aber wenn es etwas gab, was uns noch nie interessiert hatte, dann, was die anderen Leute dachten. Wir grinsten in ihre Richtung, beglückwünschten uns, wie grandios wir doch waren und setzten uns wieder. Ray wankte neben Jared her und zeigte in unsere Richtung, Jareds Blick folgte und kurz hob er die Hand. Damit er wusste, dass ich es gesehen hatte, tat ich es ihm gleich und wieder trafen mich die hasserfüllten Blicke von Jen. Doch dieses Mal übersah ich sie geflissentlich und schenkte Jared ein verliebtes Lächeln. Unermüdlich quälten sich die Jungs durch das Spiel, aber auf den Sieg war nicht mehr zu hoffen. Ich fand, dafür, dass sie sicher alle noch ordentlich Promille hatten, spielten sie gar nicht schlecht. Jeder andere hätte wahrscheinlich den Platz vollgekotzt.
Livia und ich standen ein Stück von den Umkleidekabinen entfernt und warteten. Natürlich hatten die Jungs haushoch verloren. Leise unterhielten wir uns und kicherten vergnügt. Als ich ziemlich unsanft von hinten angerempelt wurde und mich fast lang gemacht hätte. Entsetzt drehte ich mich um und Jen marschierte an uns vorbei, verächtlich sah sie uns an. „Die Beulen- Eule! Zum Glück haben wir nicht auf wirklich wichtige Körperteile gezielt.“ Zynisch zickte Livia sie an. „Hörst du dass?“ Fragte ich und tat gespielt, dass ich lauschte. „Bitch, Bitch, Bitch.“ Flüsterte ich leise und Livia setzte mit ein. Jen warf mir einen vernichtenden Blick zu, „Deiner ist bald meiner.“ Mit einem überheblichen Grinsen sah sie uns an. „Nicht, solange er noch alle Sinne beisammen hat!“ Lachte ich laut. „Wenn er sie noch beisammen hätte, wärt ihr bestimmt nicht verheiratet.“ Noch bevor sie ihren Satz beendet hatte, gab sie ihrer ebenso blöden Cheerleader- Freundin ein High- Five. So, das Maß war voll und mir schwoll der Kamm. Ich versuchte mir auszurechnen, wie viele Schritte nötig wären, um ihr was in ihre dumm grinsende Fratze zu hauen. Doch konnte ich nicht mehr klar denken, der Schleier der Wut verzerrte alles und ließ mich wissen, meine Schmerzgrenze war erreicht, im Affenzahn tat ich ein paar Sätze und holte aus. Mit der flachen Hand langte ich zu, es gab ein wunderbar klatschendes Geräusch, als meine Hand ihre Wange mit voller Breitseite traf. Aber ehe ich nachsetzen konnte, schlang jemand seine Arme um meinen Bauch und zog mich zurück. Entsetzt starrte Jen mich an.
„Das wirst du bereuen.“ Zischte sie und ich sah, wie sich in einem atemberaubenden Rot meine Hand ihn ihrem Gesicht abzeichnete. „Dummes Miststück.“ Fauchte ich wie von Sinnen und versuchte, mich frei zu kämpfen. Sie wandten sich ab und gingen. Tief holte ich Luft und versuchte, mich zu beruhigen. Erst jetzt sah ich mich um, um auszumachen, wer mich festhielt. Entsetzt starrte Jared mich an. „Was ist denn mit dir los?“ Mein Blick wanderte zu Livia. „Kleine Meinungsverschiedenheit.“ Murmelte ich und Livia nickte zustimmend. Jetzt ließ er mich los und ich drehte mich zu ihm. „Hast du ihr gerade echt eine gefeuert?“ Verständnislos sah er mich an. „Sie hat quasi darum gebettelt!“ Knurrte ich, es schien, als erwartete er eine reumütige Entschuldigung. „Ich weiß, dass du sie nicht sonderlich magst, aber war das nötig?“ Er verschränkte seine Arme vor der Brust und zog eine Augenbraue hoch. „Nicht sonderlich mögen?“ Wiederholte ich fragend seine Worte und sah ihn fassungslos an. „Ich kann sie leiden wie Scheiße am Bein.“ Seine Reaktion warf mich leicht aus der Bahn. Verständnislos schüttelte er den Kopf und seine Blicke tadelten mich, er schnappte sich seine Tasche und ging in Richtung Parkplatz. Livia sah mich etwas verwirrt über seine Worte an und wir folgten ihm langsam. „Was war das denn?“ Flüsterte sie. Ich zuckte mit den Schultern und konnte es mir nicht erklären.
Er stand an das Auto gelehnt und wartete, mit etwas misstrauischem Blick beäugte ich ihn und schloss auf. Nicht ein Mal sah er auf und ließ sich in den Sitz fallen, Livia machte sich auf der Rückbank breit. ´Na super´, dachte ich und stieg leise schnaufend ein. Ich fand, die alte Zippe war es nicht wert, dass wir uns wegen ihr streiten würden. Noch bevor ich den Wagen anließ, knurrte Jared. „Ich hab Hunger.“ Hatte ich das Brot in der Tasche oder Ähnlichkeit mit einem Kühlschrank? Mit beiden Händen hielt ich mich am Lenkrad fest, sah ihn an und war versucht, ihm einen dummen Spruch zu drücken. ´Ich hab Hunger, muss Pipi, will ´n Eis, wann sind wir endlich da!´, schoss es mir durch den Kopf und ich grinste in mich hinein. Doch hielt ich die Klappe.
Jetzt sah er mich übellaunig an. Ich zog die Augenbrauen hoch und wartete, dass er mich mehr wissen ließ, was genau er wollte, als diese doch etwas schwammige Aussage.
„Pizza.“ Knurrte er etwas einsilbig. „Aye, Aye Chief.“ Presste ich durch die Zähne. „Dein Wunsch ist mir Befehl.“ Leise hörte ich Livia kichert, was Jareds Laune nicht unbedingt hob, genervt sah er aus dem Fenster und ich startete den Wagen.
Allmählich dämmerte es und die Fahrt über verlor niemand ein Wort, Jared drehte an dem Radio herum, um einen Sender einzustellen. Wieder einmal dachte er nicht daran, dass dieses Auto keine Antenne besaß, doch sagte ich nichts und ließ ihn wild an dem Kopf herumorgeln. Leise vor sich hinfluchend stellte er irgendwann seinen sinnlosen Versuch ein.
Nach kurzer Zeit hielt ich vor der Pizzeria. „Will noch jemand was?“ Fragte er, ohne einen von uns anzusehen.“ Livia verneinte. „Vielen Dank, mein Schatz, aber mein Hunger hat sich seltsamer Weise in Luft aufgelöst.“ Lächelte ich zuckersüß. Ohne ein weiteres Wort stieg er aus und verschwand in der Pizzeria. „Was läuft denn bei dem für ´n Film?“ Flüsterte Livia von hinten. „Ich habe keine Ahnung, aber nervt jetzt schon.“ Knurrte ich.
Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bis er wieder zurück war und wir uns auf den Weg nach Hause machen konnten.
Jared lief mit einigem Abstand vor uns die Treppen hoch. „Willst du, oder ihr....“ Sie nickte in seine Richtung. „Morgen zum Frühstück kommen?“ Etwas mitleidig sah sie mich an. Für einen kurzen Moment trafen sich unsere Blicke und ich nickte. Aufmuntern warf sie ihren Arm um meine Schultern. „Der kriegt sich schon wieder ein.“ Wieder nickte ich nur und sah misstrauisch in Jareds Richtung, der vor der Wohnungstür wartete. „Gute Nacht.“ Sagte sie, küsste flüchtig meine Wange und verschwand in ihrer Tür. Langsam ging ich auf ihn zu, dann schloss ich auf und Jared marschierte an mir vorbei, ließ seine Tasche und Jacke fallen, schoss seine Schuhe durch die Gegend, machte den Fernseher an und warf sich samt Pizza aufs Sofa. Ich schloss die Tür, mein Blick ruhte auf ihm, doch er war auf den Fernseher konzentriert, ich ging ins Schlafzimmer, wenn der Red Bull mich auch die meiste Zeit des Tages einigermaßen bei Laune hielt, so war ich jetzt doch ziemlich erledigt. Der Schlafentzug machte sich immer deutlicher bemerkbar. Ich zog meine Schlafklamotten an und gähnte lauthals.
Als ich aus dem Bad kam, warf ich mich mit ein bisschen Abstand neben Jared auf das Sofa. Sein Blick wanderte zum mir, doch schenkte ich dem keine Beachtung. Er reckte seinen Arm und fuhr mit seinen Fingern vorsichtig über meine Hand, die auf meinem Bauch lag. Erst sah ich auf seine Hand, dann ihn an. Sein Blick war entschuldigend. „Tut mir leid, wollte dich nicht so an maulen.“ Flüsterte er, legte seinen Arm um eine Schultern und zog mich zu sich. Sanft küsste er meine Wange. Ich war zu müde um nachtragend zu sein, kuschelte mich an seine Seite und lehnte meinen Kopf an seine Brust. Eine kurze Zeit folgte ich dem Geschehen im Fernsehen, dann schlossen sich meine Augen von ganz allein.
Jareds Handy riss mich aus dem Schlaf, noch immer quakte der Fernseher leise vor sich hin. Sein Kopf lag an die Kissen gelehnt und er schlief, selbst das nervige Klingeln des Handys ließ ihn unbeeindruckt weiterschlafen. Schlapp beugte ich mir vor und nahm es vom Wohnzimmertisch, auf dem Display wurde weder ein Name noch eine Nummer angezeigt.
„Cameron.“ Murmelte ich noch ziemlich verschlafen, doch war nichts zuhören. „Hallo?“ Ruhe, ich vernahm nur ein leisen Knacken, was mich wissen ließ, dass aufgelegt wurde. Fragend sah ich auf das Handy und dachte mir, dass sich wohl jemand verwählt hatte. Mit ein bisschen Schwung warf ich es zurück auf den Tisch. „Schatz.“ Ruckelte ich an Jared herum. „Hmmm.“ Brummte er mit geschlossenen Augen. „Lass' uns ins Bett gehen.“ Langsam erhob ich mich und machte den Fernseher aus, dann griff ich seine Hand.
„Na komm.“ Flüsterte ich und versuchte, ihn etwas hochzuziehen. Er schnaufte, öffnete die Augen und lächelte mich verschlafen an. Jedes Mal, wenn er mich so ansah, ließ es mich leise seufzen, ich lächelte zurück und er raffte sich auf. Im Schlafzimmer ließ ich seine Hand los und warf mich mit Schwung ins Bett. Er zog sich aus und verschwand im Bad. Mein Hirn waberte schon mehr im Land der Träume als in der Realität, aber noch bekam ich mit, dass Jared zurück kam und an mich heranrobbte. „Ich liebe dich.“ Flüsterte er, schob mir seinen Arm unter den Kopf und warf die Decke über uns. Zufrieden seufzte ich und griff seine andere Hand, die über meiner Seite lag, näher zog ich sie zu meinem Herzen, seine breite, warme Brust war an meinen Rücken gekuschelt. Er war mir so nah, so vertraut, es fühlte sich so verdammt gut an.
Chapter 3
Regen peitschte gegen das Fenster und weckte mich. Langsam öffnete ich die Augen, der Helligkeit nach zu urteilen, die durch das Fenster fiel, dürften wir erst frühen Morgen haben, aber der Blick auf den Wecker belehrte mich eines besseren. Doch da heute der langweiligste Tag der Woche war, den ich immer sehr genoss und zu schätzen wusste, drehte ich mich auf den Rücken und döste noch ein bisschen vor mich hin. Leise und gleichmäßig hörte ich Jared atmen und wusste er schlief noch, meinen Kopf drehte ich zu ihm und sah ihn an. Meine Gedanken schweiften ab.
Es war schon Monate her, dass wir in La Push waren und es fehlte mir, meine Familie fehlte mir. Wenn Jared auch hier war, dachte ich wehmütig an zu Hause und beschloss, dass wir die Semesterferien nutzen sollen, um sie zu besuchen, um die Erinnerungen aufzufrischen.
Mir fiel ein, dass Livia uns zum Frühstück eingeladen hatte, ich setzte mich auf und reckte mich, schwang die Beine aus dem Bett und ging ins Bad. Alles möglichst leise, damit ich Jared nicht weckte, so oft konnte er auch nicht ausschlafen. Nachdem ich im Bad fertig war, zog ich mich an, noch immer schlummerte er friedlich und ich beschloss, mich allein auf den Weg zu Livia zu machen. Ich schrieb ihm einen Zettel, leise nahm ich den Schlüssel von der Arbeitsplatte und schloss die Tür hinter mir.
Etwas verhalten klopfte ich an ihre Tür, die prompt geöffnet wurde. „Guten Morgen.“ Trällerte sie. „Du kommst wie gerufen.“ Ich lächelte sie an. „Morgen.“ Murmelte ich, trat ein und schloss die Tür hinter mir. Im Wohnzimmer hatte sie schon alles vorbereitet und es roch köstlich nach frischem Kaffee. „Setzt dich, bin gleich bei dir.“ Strahlte sie. Ich konnte mich nicht erinnern, dass ich sie mal mit schlechter Laune erlebt hatte. Sie war eine echte Frohnatur und hatte ein sonniges Gemüt, ich wusste nicht ob es überhaupt etwas gab, was ihr die Laune verderben konnte. Ziemlich zufrieden mit mir und der Welt sank ich auf ihre Couch und zog die Beine an. Keine Minute später saß sie neben mir und goss mir Kaffee ein.
„Na, wie war euer Abend noch?“ Fragte sie etwas vorsichtig. „Er hat sich entschuldigt.“ Nuschelte ich in meine Tasse. „Also ist alles wieder gut?“ Erkundigte sie sich, es gab ihr wahrscheinlich zu denken, dass ich allein kam. „Hmmm, er schläft noch.“ Beruhigte ich sie. „Dann ist ja gut.“ Sie klang erleichtert. Als ich sie zu Anfang meines Studiums kennenlernte, sagte sie zu mir, dass Jared und ich für sie das perfekte Paar wären, die eine perfekte Beziehung führen würden. Damals ließ es mich lachen, wir waren alles, nur nicht perfekt. Sie war überzeugt, so wie wir miteinander umgingen, das war es, was sie sich in einer Beziehung wünschen würde. Ich fand es nicht besonders, für mich war es normal, alles andere wäre nicht akzeptabel und so etwas wie sich gestern abgespielt hatte, war das erste Mal, dass er nicht hinter dem stand, was ich tat. Sonst war er die Loyalität in Person.
Sie hielt mir die Brötchen hin. „Danke, ich bleib' erst mal bei Kaffee.“ In den seltensten Fällen kam es vor, dass ich morgens etwas aß. Sie zuckte die Schulter und schmierte sich ihr Brötchen. Im Hintergrund säuselte leise das Radio, es brannten ein paar Kerzen, es war total gemütlich und auch Livia war heute morgen ungewohnt entspannt und wir schwiegen uns zeitweise an. Was aber in keinem Moment unangenehm war. Wir hingen beide ein bisschen unseren Gedanken nach, noch immer regnete es draußen in Strömen. Mein Blick blieb an den großen Fenstern hängen, an denen der Regen in Bahnen hinunter lief. Dann brach Livia das Schweigen.
„Habt ihr in den Ferien irgendwas geplant?“ Fragte sie leise und nippte an ihre Tasse. Langsam drehte ich meinen Kopf zu ihr. „Ich würde gerne mal wieder nach Hause.“ Die Wehmut war in meiner Stimmer zu hören. „Ist schon einige Zeit her, dass du da warst.“ Bemerkte sie. Ich senkte den Blick und nickte. Um nicht noch schwermütiger zu werden versuchte ich abzulenken. „Und was machst du?“ Meinen Kopf lehnte ich an das Sofa und sah sie an. Doch sie merkte, wie mich das Heimweh beschlich. „Och Ley, sei nicht traurig. Nur noch eine Woche, dann hast du es geschafft.“ Versuchte sie mich aufzumuntern und tätschelte meine Hand. Gequält lächelte ich und wieder ließ es mich nicken. Ich fühlte, wie sich mir die Kehle zuschnürte und bedurfte es einiger Anstrengung, die Tränen im Zaum zuhalten. Verständnisvoll ruhte ihr Blick auf mir, ich hoffte nur, sie würde sich nicht hinreißen lassen mich zu umarmen, denn dann hätte es kein Halten mehr gegeben.
Ein Klopfen an der Tür brachte Ablenkung, Livia bahnte sich einen Weg, schnell fuhr ich mit meinen Händen über meine Augen, damit keine Träne mich verriet. Etwas beugte ich mich vor, um die Tür im Blick zu haben. Es war Jared, der noch völlig zerknittert aussah. Müde lächelte er und kam mit meinem Handy in der Hand näher. „Morgen.“ Murmelte er, küsste meine Wange und ließ sich neben mich auf das Sofa fallen. „Ausgeschlafen?“ Flüsterte ich und griff seine Hand, ich war froh dass er jetzt da war. „Geht. Du solltest vielleicht dein Handy mitnehmen.“ Gähnte er. „Mr. Craven hat angerufen, du sollst zurückrufen.“ Das verhieß nichts Gutes und genervt verdrehte ich die Augen. Ich nahm ihm das Handy aus der Hand und suchte im Verzeichnis nach der Nummer.
Wie ich es schon vermutet hatte, fragte er ob ich heute arbeiten könnte. Doch da er es mir immer so angenehm wie möglich gestaltete und ich ihn mochte, konnte ich nicht ablehnen. „Ich brauche gleich das Auto.“ Knurrte ich, als ich aufgelegt hatte. „Geht nicht, hab nachher noch 'ne Teambesprechung. Wegen gestern.“ Das schlechte Gewissen auf Grund seiner miesen Leistung war ihm deutlich anzuhören. „Kannst du mich dann fahren......“ Fragend sah ich ihn an. „....... und abholen?“ Er nickte und schnappte sich meinen Kaffee. Meinen Sonntag hatte ich mir anders vorgestellt, aber es war nur noch eine Woche, die ich durchhalten musste und der Gedanke an La Push, an nach Hause kommen, an meine Lieben, machte es erträglich. Ein bisschen Zeit blieb uns noch bevor ich los musste. Also machte sich Jared über alles Essbare her, was auf dem Tisch stand. Er schraubte sich fünf Brötchen rein und guckte komisch, als sie alle waren und Livia nur noch mit schnödem Brot aushelfen konnte, was er aber natürlich nicht ausschlug. Was Jared an einem Tag aß, da kamen andere fast eine Woche mit hin.
Nachdem Jared Livias Kühlschrank und das Brotfach geplündert hatte, verabschiedeten wir uns und marschierten über den Flur nach Hause. Sanft strich ich Jared über den Rücken und sah mir an, wie er mit dem Schlüssel und der Tür kämpfte. „Klemmt.“ Murmelte er und sah mich für eine Sekunde an. „Sesam, öffne dich.“Mit ausgebreiteten Armen stand er da, doch hörte er sich mehr wie Graf Zahl an. Lachend schob ich ihn an die Seite, zog ein bisschen an der Tür und drehte den Schlüssel. Mit einem leisen Quietschen öffnete sie sich. „Du hast es drauf.“ Lachte er, kniff mir in den Hintern und schob mich rein. „Du musst immer davon ausgehen, dass ich es voll drauf habe.“ Lachte ich und kniff ihm ein Auge zu. Er blieb an die geschlossene Tür gelehnt, sein Grinsen wurde breiter, langsam zog er eine Augenbraue hoch und ging auf mich zu. Seine Hand ergriff meine, er legte sie um seinen Hals und senkte den Kopf, seine andere Hand legte er um mich auf meinen Po. Es war, als könnte er durch meine Augen in meine Seele sehen. Meine andere Hand folgte wie von selbst. Er lehnte seine Stirn an meine. Obwohl es ein atemberaubend vertrauter Moment war, beschlich mich ein seltsames Gefühl. An diesem Augenblick wollte ich festhalten, doch war es, als würde mir alles entgleiten. Tief holte ich Luft und schloss die Augen. Ich schob es auf meinen ohnehin etwas melancholischen Zustand. Es half nichts, wenn ich mich jetzt hängen lassen würde, mit ihm an meiner Seite war alles zu schaffen, so war es immer und so würde es bleiben. Fest umschlossen mich seine Arme, es hatte etwas Tröstendes. Warm und weich fanden seine Lippen die meinen. Ich war unsagbar dankbar, dass er eine so treue Seele war, auf ihn war Verlass, immer war er da, wenn ich ihn brauchte, er ließ mir Raum für mich, doch ein Wort genügte und er war an meiner Seite. Nie ließ mich etwas an ihm zweifeln oder an seinen Gefühlen für mich. Er war......... mein Mann. Jetzt da ich Embry nur noch selten sah, nahm er auch ein bisschen die Rolle des bestens Freundes ein, wenn er Embry auch nie ganz ersetzen könnte. Die ersten Monate hier waren nahezu unerträglich, Embry fehlte mir und für Jared war es nicht einfach mich so leiden zusehen, er tat sein Bestes, aber manchmal war es nicht genug.
„Was ist mit dir?“ Flüsterte er, als seine Lippen von mir ließen. „Alles okay.“ Hauchte ich mit erstickter Stimme und sah ihn an. Sein Blick ruhte auf mir und ließ mich wissen, dass ich ihm nichts vormachen könnte. Dann sah ich auf die Uhr. „Es wird Zeit.“ Lenkte ich ab, seine Umarmung lockerte sich, ich zog meine Jacke an und nahm meine Tasche. Seinen Arm legte er um meine Schultern, meinen schlang ich um seine Hüften und wir gingen zum Auto. Während der Fahrt wanderte mein Blick immer wieder zu ihm. Ich dachte, er wäre so auf die Straße konzentriert, dass er es nicht mitbekam, doch als ich ihn wieder ansah, legte er seine Hand auf mein Bein. Den Blick weiter geradeaus gerichtet lächelte er, ohne einen Moment zu zögern legte ich meine Hand auf seine. Meine Sehnsucht nach zu Hause machte mich unglaublich liebebedürftig. Viel lieber hätte ich den heutigen Tag mit Jared auf dem Sofa verbracht, mit einer kuscheligen Decke an ihn gelehnt und kleinen oder großen Liebesbeweisen. Der Gedanke ließ mich seufzen. Von weitem sah ich das Heaven, ich konnte mir nicht vorstellen, dass bei diesem Wetter viel los wäre, aber Mr. Craven faselte irgendwas von einer privaten Angelegenheit, die keinen Aufschub duldete. Es hieß so viel wie, ich musste den Laden heute allein schmeißen, zwar wäre es nicht das erste Mal, aber ich war lieber in Gesellschaft.
Noch ehe der Wagen zum Stehen kam sah Jared mich an. „Rufst du an, wenn ich dich abholen soll?“ Unsere Blicke begegneten sich, ein kleines schiefes Lachen umspielte seinen schönen Mund. Ich nickte, doch bevor ich ausstieg beugte ich mich vor und umarmte ihn, drückte ihn ganz fest an mich. „Ley, was ist mit dir?“ Die Sorge war in seiner Stimme zu hören. Wieder beschlich mich dieses ungute Gefühl, am liebsten hätte ich ihn nicht fahren lassen. „Ich liebe dich.“ Flüsterte ich heiser. „Ich dich auch.“ Antwortete er prompt und legte für einen Moment seine Arme um mich. Sanft küsste ich seine Wange. „Bis später. Pass auf dich auf.“ Der letzte Satz ließ ihn mich wieder ansehen. „Das tust du doch immer.“ Lächelte er. Meine Gefühlsduselei schien ihm zugefallen. Mit der Hand fuhr ich über seine Wange und mein Herz zog sich zusammen. Seit Jahren war ich nicht mehr so beunruhigt, dass selbst mein Herz sich meldete. „Versprich' es.“ Besorgt sah ich an. Er verstellte seine Stimme und sie klang noch tiefer, als sie ohne hin war. „Großes Indianer- Ehrenwort!“ Dazu hielt er die Hand hoch. Gefühlvoll hauchte ich ihm einen letzten Kuss auf die Lippen und stieg aus.
Der Regen prasselte auf mich nieder, schnellen Schrittes lief ich unter das Vordach und sah ihm nach. Nie widerstrebte es mir mehr von ihm getrennt zu sein. Ein Klopfen an der Scheibe, riss mich aus meiner Sehnsucht. Mr. Craven winkte mir fröhlich zu. Kopfnickend nahm ich es zur Kenntnis und betrat das Heaven, dass für mich heute mehr Fluch als Segen war.
„Ich bin so froh, dass du einspringen kannst. Hast was gut bei mir, Ley.“ Strahlte er. „Schon okay.“ Tat ich es ab, ging nach hinten, verstaute meine Sachen und band mir die Schürze um. Als ich neben ihm am Tresen stand, sah ich mich um, es war nicht ein Gast im Laden. Dass würde heute sterbenslangweilig werden. „Bin in drei,vier Stunden wieder da.“ Rief er und zog beim Hinausgehen seine Jacke an. „Yap.“ Antwortete ich, doch war ich sicher, dass er es nicht mehr mitbekommen hatte. Schnaufend stützte ich meine Ellenbogen auf den Tresen, legte den Kopf in meine Hände und sah hinaus in den Regen, es wollte heute überhaupt nicht richtig hell werden. Nach einiger Zeit wurde es mir zu langweilig und ich holte mir eine Zeitschrift von hinten, machte mir einen Kaffee und zog den Hocker unter dem Tresen hervor. Bei dem Wetter würde kein normaler Mensch vor die Tür gehen, da war ich mir ziemlich sicher.
Nach gut zwei Stunden hatte sich schon beachtlicher Stapel Zeitschriften neben mir gebildet, mittlerweile war ich auf Tee umgestiegen, sonst könnte ich die Nacht keine Auge zutun, und noch immer saß ich mutterseelenallein hinter dem Tresen. Da ich sämtliche Zeitungen durch hatte, holte ich Mr. Cravens Laptop von hinten und surfte ein bisschen im Internet. Doch als mir selbst da die Ideen ausgingen, war ich der Meinung, es wäre besser gewesen, er hätte den Laden für heute zu gelassen. Ich tat, was ich mir mit dem Verlassen von La Push fast abgewöhnt hatte, leise sang ich vor mich hin. Mir wurde bewusst, warum ich es früher immer getan hatte. Es beruhigte mich und das ungute Gefühl, welches ich noch immer mit mir herum trug, besserte sich. Wieder sah ich aus der großen Scheibe, vereinzelt liefen ein paar Leute vorbei, doch verirrte sich niemand hierher.
Ein ohrenbetäubender Donner riss mich aus meinen Gedanken. Es ließ mich zusammenzucken und erschrocken ging mein Blick nach draußen. Dass hatte auch noch gefehlt. Ich war froh, dass Jared mich später abholen würde, man konnte es nicht mehr Regen nennen, es war ein Silbervorhang, der die Sicht auf einige Meter begrenzte. Das Telefon ließ mich erneut zusammenschrecken. „Heaven, Cameron.“ Meldete ich mich. Es war Mr.Craven. „Ist viel los?“ Erkundigte er sich. „Es ist nicht ein Mensch hier gewesen.“ Ließ ich ihn wissen. „Dann mach' Feierabend und schließ' ab. Ich schaffe es heute nicht mehr.“ Murmelte er ein bisschen schuldbewusst. Ich verabschiedete mich, als ich aufgelegt hatte, knurrte ich missmutig. Dafür hatte ich meinen Sonntag ruiniert. Langsam dämmerte es draußen, ich hatte fast fünf Stunden hier verbummelt.
In meiner Tasche kramt ich nach meinem Handy und rief Jared an. Es klingelte und klingelte, dann versuchte ich es zu Hause, doch da ging auch niemand dran. Wieder versuchte ich es auf seinem Handy, nachdem fünften Versuch ging er endlich ran. „Hallo Schatz.“ Es klang, als würde er lallen. „Holst du mich?“ Fragte ich mit zweifelnder Stimme. „Huch, hab ich ganz vergessen.“ Ich hörte sein verlegenes Lachen. „Wo bist du?“ Leicht angesäuert nahm meine Stimme einen harten Ton an und im Hintergrund hörte ich Musik und Stimmenwirrwarr. „Im Coopers. Ey, Ray, die nächste Rund geht auf mich.“ Bölkte er mir ins Ohr. „Sag' mal, tickst du? Du hast morgen Uni!“ Langsam aber sicher wurde ich stinksauer. „Schön, dass ich mich auf dich verlassen kann.“ Zischte ich, ehe er etwas erwidern konnte, was es nur noch schlimmer machen würde, legte ich auf. Wütend ließ es mich schnaufen, so etwas hatte er sich noch nie geleistet. Wieder warf ich den Laptop an, um mir eine Verbindung herauszusuchen, damit ich mit Bus und Bahn irgendwie nach Hause kommen könnte, ein Taxi war nicht drin, da ich durch die halbe Stadt musste und so wie es aussah, verjubelte Jared unsere Kohle im Coopers. In diesem Moment verfluchte ich ihn, nie wieder würde ich mir das Auto abquatschen lassen. Ich schrieb mir alles auf einen Zettel, schob ihn in meine Tasche, nahm meine Sachen und schloss den Laden ab.
Unter dem Vordach stehend sah ich verzweifelt hin und her, ich wäre klatschnass, ehe ich zu Hause ankommen würde, doch half alles jammern nichts. Fest umklammerte ich meine Tasche und joggte in die Richtung, in der die U-Bahnhaltestelle sein musste. Zum Glück fand ich sie ohne einen zweiten Anlauf wagen zu müssen, doch war ich jetzt schon so nass, dass kleine Rinnsale von meiner Hose liefen. Ich war sowas von genervt und als mir dann noch ein Penner Geld abschwatzen wollte und mir sogar nachging, war ich mir sicher, dass ich Jared erwürgen wollte, wenn ich ihn in die Finger bekäme. Ich musste drei Mal umsteigen und zum guten Schluss noch eine halbe Stunde im strömenden Regen auf den Bus warten. Ich konnte mich an keine Situation in meinem Leben erinnern, in der ich so eine Stinkwut auf Jared hatte. Als ich in den Bus stieg, bat mich sogar der Busfahrer, dass ich mich bitte nicht setzen sollte, er hatte Angst, seine Sitze würden ertrinken, also stand ich noch mal eine geschlagene halbe Stunde an eine Stange geklammert, da der Busfahrer fuhr wie eine besenkte Sau. Kurz bevor ich aussteigen musste, überfiel eine Horde Halbstarker den Bus, grölten herum und benahmen sich wie die Letzten. Ich konnte es kaum erwarten, dass der Bus seine Türen öffnete und ich aussteigen konnte, doch jetzt musste ich noch gut eine Viertelstunde laufen. Mir war so kalt, dass ich zitterte und meine Zähne klapperten hörbar. Doch hetzte ich jetzt nicht mehr, ich war sowieso klatschnass. Glücklicherweise führte mein Weg nach Hause mich direkt am Coopers vorbei, ohne lang zu überlegen öffnete ich die Tür und trat ein. Es war um einiges leerer, schließlich war es Sonntag und welcher normale Mensch, mein Ehemann ausgenommen, würde sich den Kopp zukippen.
Ich ließ meinen Blick schweifen, die halbe Footballmannschaft saß am Tresen und wen wunderte es, die Cheerleader hüpften auch drumherum. Das machte es nicht besser. Ich musste nur Jen suchen, dann hatte ich auch Jared gefunden. Tief holte ich Luft, damit ich ihn nicht anschreien würde, langsam ging ich näher. Er saß am Ende des Tresens, ich stellte mich mit etwas Abstand neben ihn und sah ihn abgrundtief böse an. Jen bemerkte mich zuerst und rümpfte über mein nicht so It-Girl- mäßiges Aussehen ihre operierte Nase. So wie es schien, war mein Auftreten alles andere als sympathisch, ohne ein Wort zu verlieren verzog sie sich. Jared drehte seinen Kopf in meine Richtung, an seinem Blick konnte ich schon sehen, dass er nicht mehr allein war. Etwas erschrocken zuckte er zurück. „Ohh, Schatz.“ Lallte er. „Du bist....... nass.“ Erkannte er die Situation. „Wie kann dass nur sein?“ Fauchte ich und schob ein paar Haarsträhnen aus meinem Gesicht. „Ich hab' dass voll vergessen.“ Lallte er weiter, wenn ich auch ein Stück entfernt stand, roch ich seine Fahne. „Hauptsache, du vergisst dein Footballteam und das Saufen nicht. Dummes Arschloch.“
Ich wusste, dass ich mir den letzten Satz hätte sparen sollen, aber ich war so unsagbar wütend. Ich musste mich bei strömenden Regen durch die Stadt quälen, mich dumm anmachen lassen und mir wahrscheinlich noch eine Erkältung holen und dass nur, weil der gnädige Herr nicht ´Nein ich kann heute nichts trinken´ sagen kann. Doch anstatt dass er einsah, wie unmöglich sein Benehmen war, setzte er noch einen drauf, er war unsagbar mutig heute.
„Jetzt stell dich mal nicht so an, andere fahren jeden Tag mit......., mit was auch immer du gefahren bist.“ Wankend erhob er sich von seinem Hocker und tat ein paar Schritte auf mich zu. Über seine Worte und genau so über seine jämmerliche Erscheinung schüttelte ich den Kopf und wollte gehen, egal, was ich hier noch versuchen wollte, so war mit ihm kein vernünftiges Gespräch möglich. Er hielt mich am Arm fest und ich funkelte ihn böse an. „Trink einen mit.“ Grinste er. „Dann biste wenigstens nicht mehr so zickig.“ Langsam zog ich eine Augenbraue hoch und das Maß war voll. „Lass' meinen Arm los.“ Knurrte ich, doch es tat sich nichts. „Jared Cameron, lass' sofort meinen Arm los, sonst kannst du dich warm anziehen.“ Ich legte einen Ton an den Tag, der ihn wissen ließ, bis hier hin und nicht ein Stück weiter. Seine Hand lockerte sich und ohne ihn eines weiteren Blickes zu würdigen, verließ ich das Coopers.
Als ich heraus kam, sah ich unser Auto ein Stück entfernt stehen, doch wollte ich nicht noch mal in diesen Pub, um den Schlüssel zu holen und so könnte Jared sich morgen früh schön abhetzen, denn er hatte morgen den Wagen, also war es mir scheißegal. Das letzte Stück könnte ich auch noch laufen.
Zu Hause angekommen, hinterließ ich überall wo ich hintrat, kleine Pfützen. Auf jeder Stufe und auch als ich an Livias Tür vorbei stapfte, die natürlich geöffnet wurde. Überrascht sah sie mich an. „Wie siehst du denn aus?“ Rief sie. Mein Blick war auf sie geheftet, doch ging ich schnellen Schrittes weiter. „Ich bin gleich bei dir.“ Knurrte ich noch immer etwas explosiv. Mit großen Augen nickte sie nur und schloss ihre Tür.
Ziemlich wild wühlte ich meiner Tasche nach dem Schlüssel, mein Fluchen wurde mit jedem Handgriff lauter, da ich ihn nicht fand. „Verdammte Axt.“ Raunte ich und warf sie auf den Boden, komplett kippte ich sie aus. Dann fand ich, was ich suchte und stopfte den Rest wieder hinein. Als ich die Tür hinter mir schloss, feuerte ich meine Tasche mit einem lauten „Ahhhh“ auf das Sofa. Zog mich um und föhnte meine Haare, dann warf ich mich aufs Bett und schloss für einen Moment die Augen, um mich zu beruhigen. Was mir aber nicht gelingen wollte, ich sprang auf und ging zum Kühlschrank, nahm die beiden letzten Flaschen Sekt an mich, schnappte meinen Schlüssel und machte mich auf den Weg zu Livia.
Fest klopfte ich an ihre Tür, die zögerlich geöffnet wurde. Ohne ein Wort ließ sie mich rein und ich ging schnurstracks auf ihre Couch zu und ließ mich fallen. Etwas irritiert sah sie mich an. „Was ist passiert?“ Bei ihr konnte ich mich anständig auskotzen, verständnislos über Jareds Benehmen konnte sie nur den Kopf schütteln und wir schütteten uns ein Glas nach dem anderen hinter die Binde. Je mehr Sekt unseren Kehlen hinunterlief, umso mehr beruhigte ich mich, der Tag würde kommen, an dem er auf mich zählen würde und dann könnte er mal sehen, wie sich so etwas anfühlte.
Nachdem meine beiden Gastgeschenke geleert waren, kramte Livia noch ihre eiserne Reserve raus. Aber das war nur eine Frage der Zeit, auch diese Flasche leerte sich zusehends. „Lass' uns was zu essen holen.“ Sie klang schon ordentlich angeschickert, da ich noch nicht wirklich viel gegessen hatte, fand ich es eine gute Idee. Bei ihr eingehakt orgelten wir die Treppen hinunter. Wild kichernd stolperten wir aus der Haustür, ein Stück die Straße hinunter befand sich ein Chinesischer Imbiss, der sollte unser Ziel sein.
Wir waren schon ein Stück gelaufen, als ich mich noch mal umdrehte. Wieso stand unser Auto auf dem Parkplatz unter den Bäumen? Ich entzog Livia meine Arm und ging langsam zurück. „Ley.“ Rief sie mich und folgte mir schnellen Schrittes. Jetzt lief sie neben mir und sie schien die Situation vor mir erkannt zu haben. „Oh Scheiße.“ Flüsterte sie leise. „Ley, lass uns gehen, tu' dir dass nicht an.“ Sie zog an meinem Arm, doch ohne ihren Worten Beachtung zu schenken, setzte ich meinen Weg fort. Selbst dass die Fenster des Wagen komplett beschlagen waren, ließ mich nicht verstehen, was hier abging. Erst das rhythmische Geschaukel weckte eine Ahnung in mir, die ich aber nicht zulassen wollte. Weit streckte ich meinen Arm aus und öffnete die Fahrertür. Fassungslos sah ich, wie Jen sich auf Jared hin und her schob.
„Alter, was ist hier los!“ Fauchte ich und war mit einem Schlag nüchtern. Erst jetzt hob Jared seinen Kopf, öffnete die Augen und sah mich völlig verwirrt an. „Siehst du doch.“ Antwortete Jen schnippisch. Erst war ich wie erstarrt, doch dann fand ich mich wieder. Mit einem schnellen Griff zog ich meinen Ehering vom Finger und pfefferte ihn Jen mit voller Wucht vor den Schädel, man konnte zusehen wie die getroffene Stelle dick und blau wurde, jaulend hielt sie sich eine Hand an die Stirn. Jetzt fand auch Jared seine Sprache wieder. „Ja, was ist hier eigentlich los?“ Lallte er, sah sich verwirrt um und warf Jen etwas unsanft von seinem Schoß auf die Straße. Livia stand kopfschüttelnd neben mir. „Du blödes Miststück.“ Fauchte sie Jen an und trat nach ihr. Jen rappelte sich hoch und ihren Rock runter. Verabschiedete sich schadenfroh grinsend mit den Worten, „Dann noch einen schönen Abend.“ Sie hatte bekommen, auf dass sie gnadenlos hin gearbeitet hatte, meinen Ehemann.
Mein Atem ging, als wäre ich den Ironman gelaufen, ich drehte mich um und wollte gehen, es musste nichts weiteres gesagt werden, was ich sehen musste,reichte mir. „Ley, warte.“ Stolperte Jared hinter mir her. Kurz drehte ich mich um. „Zieh' erstmal die Hose hoch, du blöder Arsch.“ Keifte ich wie von Sinnen, zum Glück tat er es. Doch war er trotz seines Pegels ziemlich schnell und griff meinen Arm. Ohne nachzudenken, drehte ich mich um und verpasste ihm eine schallende Ohrfeige. Aber ließ er meinen Arm nicht los und funkelte mich an. „Jetzt weißt du, wie sich dass anfühlt!“ Bölkte er und ich erkannte ihn nicht wieder. Entsetzt riss ich die Augen auf, das war das Allerletzte. „Jetzt hältst du es mir vor? Ich dachte, dass hätten wir vor langer Zeit geklärt.“ Fassungslos, dass er mir in diesem Moment Jake vorwarf, grenzte es für mich an eine bodenlose Frechheit. Nur um seine Nummer mit dem Flittchen zu rechtfertigen. Was mich viel härter traf war, dass ich für Jake damals Liebe empfand und nicht wie er, rotzevoll, die Schlampe des Footballteams flachlegte. Livia sah etwas verwirrt zwischen uns hin und her, wahrscheinlich verabschiedete sich gerade auf Grund unserer Aussagen ihr Bild vom perfekten Paar. Die aufsteigende Wut ließ meine Hände zittern. „Dann wären wir jetzt quitt.“ Sagte er mit stoischer Ruhe. Getreu dem Motto wie du mir so ich dir, jetzt ist alles ausgeglichen und wir machen weiter wo wir aufgehört haben.
„Ich hätte nicht gedacht, dass ich dich so wenig kenne.“ Angewidert sah ich ihn an und schüttelte den Kopf. Riss meinen Arm los und lief zur Haustür. Ich versuchte, die Bilder loszuwerden, die durch mein Gedächtnis jagten und die es mir übel werden ließen. „Ley...“ Hörte ich ihn rufen, in seiner Stimme konnte hören, wie leid ihm tat, was er mir vorwarf, doch jetzt konnte er es nicht mehr zurücknehmen. Sofort war Livia neben mir und legte tröstend ihren Arm um meine Schultern, öffnete die Haustür und schnell liefen wir die Treppen hinauf. Ich konnte seinen Anblick nicht einen Moment länger ertragen. Was mir auch zusehends mehr zusetzte, ich hatte Jake erfolgreich verdrängt.
Es war Jahre her, dass ich an ihn gedacht hatte, ich hatte ihn verbannt und Jared beförderte alles in Schallgeschwindigkeit wieder an die Oberfläche. Ich verstand es nicht, dabei war es Jared, für den ich mich damals entschied, er hatte bekommen, was Jake sich einst sehnlichst wünschte. Livia schob mich in ihre Wohnung und beförderte mich auf ihre Couch. „Du bleibst heute erst mal hier.“ Bestimmte sie und ich war erleichtert über ihre Worte, vor mich hin starrend nickte ich. Dann schloss ich die Augen und wie aus dem Nichts tauchte Jakes Gesicht vor meinem inneren Auge auf und brachte Emotionen mit, die ich längst als verschollen glaubte. Tief ließ es mich Luft holen und ich schloss die Augen. Ich merkte, wie Livia sich neben mich setzte. „Kann ich dich was fragen?“ Flüsterte sie vorsichtig. Jetzt sah ich sie wieder an und Tränen glitzerten in meinen Augen. „Was meinte Jared, dass ihr jetzt quitt seid?“ Mein Herz wurde schwer und meine Kehle zog sich zu. „Sein Name war Jake.“ Flüsterte ich mit brüchiger Stimme. Seinen Namen auszusprechen bereitete mir nie dagewesene Schmerzen. Leise ließ es mich schluchzen. Livias Blick ruhte auf mir. „Magst du mir davon erzählen?“ Fragte sie und fuhr mitfühlend über meine Schulter.
Tiefer rutschte ich in die Couch und ließ sie wissen, was sich damals zugetragen hatte. Zeitweise schien sie erschrocken und dann wieder hingerissen, es war eine Reise in die Vergangenheit, die ich nie dachte noch mal antreten zu müssen. Ich sprach von Jake, als wäre er nicht mehr existent, als wäre tot. Doch genau dass war es, was es für mich erträglich machte. Der Gedanke, dass er irgendwo lebte, hätte ihn für mich unvergesslich gemacht. So ließ ich ihn sterben, wie auch meine Gefühle für ihn und die Zeit leistete einen nicht unbeachtlichen Beitrag. Nur jetzt wurde es mir bewusster denn je, er lebte, irgendwo.
„Wow. Du hast ja einiges hinter dir.“ Bemerkte sie anerkennend. „Ich stelle es mir echt hart vor wenn man sich zwischen zweit guten Alternativen entscheiden muss.“ Murmelte sie in Gedanken. Zusammen gesunken starrte ich vor mich hin. Die Bilder von Jared und Jen wechselten im Sekundentakt mit denen von Jake. Musste ich das, was sich vorhin zugetragen hatte, wirklich auf meine Kappe nehmen, war es Jareds späte Rache oder nur eine dumme Rechtfertigung, um nicht allein als der Arsch dazustehen? Als Jared mir damals die Wahl ließ, dachte ich, er könnte mit dem, was passiert war leben und er hätte es mir verziehen. Doch so wie es schien, schwelte es all die Jahre in seinem Inneren und jetzt war der Tag der Abrechnung gekommen. Doch das er wissentlich alles aufs Spiel setzte und alles, was uns verband, so leichtfertig wegwarf, sah ihm überhaupt nicht ähnlich.
Ich versuchte mir vorzustellen, wie Jake heute wohl aussehen würde, in meinem Kopf geisterte noch immer das Bild von dem siebzehnjährigen Engelsgesicht herum, welches unmenschlich schön war, seine tiefe samtene Stimme, die unverwechselbar war, seine wunderschönen dunkelbraunen Augen, die unbändig und leidenschaftlich funkelten, wie hypnotisch sein Lachen auf mich gewirkt hatte, dass es in meinem Leben zeitweise nichts gab, was ich mehr wollte als ihn. So ungewohnt es sich anfühlte an ihn zudenken, so vertraut war es auf der anderen Seite. Das letzte Bild von ihm schob sich an die Oberfläche, wie er am Strand von La Push saß, mit tränennassen Augen, seine Hand die meine hielt und er mich mit Blicken anflehte, nicht zu gehen. Nach all den Jahren war es quälender als je zuvor. Ich fragte mich, was er mit seinem Leben angefangen hatte und es ließ mich schwermütig zurückdenken.
In diesem Moment wusste ich nicht,was mich trauriger machte, dass die geglaubte große Liebe, für die ich mich entschied, mich mit Füßen trat oder die Erinnerungen an die totgeglaubte alte Liebe, die mit der Wucht einer Abrissbirne ihren Weg zurückgefunden hatte. Dann traf es mich wie einen Blitz, das Parfum, was ich im Heaven vernahm, die Erinnerung die sich mir nicht preisgeben wollte. Es erinnerte mich an Jake, so oft hatte ich es früher vernommen, mal war es ein Segen, mal ein Fluch. Doch den Tag im Heaven war es geliebt bekannt.
Livia kam mit einer Decke und einem Kopfkissen bewaffnet, ich war so in Gedanken, dass ich nicht bemerkt hatte, dass sie verschwunden war. „Ich hoffe, du kannst ein bisschen schlafen.“ Sie schenkte mir ein Lächeln, doch selbst wenn ich gewollte hätte, ich konnte nicht mehr lachen. „Gute Nacht.“ Flüsterte ich, sie ging in ihr Schlafzimmer und schloss die Tür. Ich legte mir das Kissen zurecht, bettete mein verwirrtes Haupt darauf und deckte mich zu. Mein Blick ging zu der großen Fensterfront, es hatte aufgehört zu regnen. Doch blieben meine Gedanken nicht hier in Seattle, sie schweiften eine hundert Meilen nach Hause und in der Zeit um Jahre zurück.
Chapter 4
Ich wälzte mich hin und her, für kurze Zeit nickte ich immer mal wieder ein, doch konnte der Schlaf mir den Schmerz nicht nehmen, er betäubte ihn nur und sobald ich zu mir kam, war er, wie ich empfand, schlimmer als zuvor. Noch immer war es für mich unbegreiflich was Jared mir antat, mit jeder anderen wäre es ein Schlag ins Gesicht gewesen, doch das gerade Jen diejenige war...! Er wusste, wie sehr ich sie verabscheute, es war als würde er unsere Liebe wissentlich mit Füßen treten. Langsam rollte ich mich auf die Seite und zog die Beine an. Mein Magen krampfte sich zusammen, abwechselnd mit meinem Herzen. Es wollte nicht in mein Hirn, dass er nach all diesen Jahren sich wegen Jake rächte. Tief holte ich Luft, schloss die Augen und versuchte konzentriert gegen diesen, reißenden Schmerz zu atmen. Ich wusste nicht, ob ich es ihm je verzeihen könnte oder war ich in einer Position, in der ich es ihm schuldig wäre? Zwar konnte ich mehr denn je nachempfinden, wie Jared sich damals gefühlt haben musste, doch wenn er mich immer noch liebte, blieb mir der Sinn verborgen, warum es mir antat. Sollte nicht gerade er es besser wissen? Nach seinen Worten waren wir jetzt quitt. Wie selbstverständlich es über seine Lippen kamen, ohne überlegen zu müssen.
So wie es aussah, hatte er in den letzten Jahren öfters an Jake denken müssen. War Jared doch nicht so großmütig wie ich es einst empfand? Was ein ausschlaggebender Punkt war, warum ich mich damals für ihn entschied, dass sein Verhalten ihn damals für mich zu etwas ganz besonderem machte. Vielleicht können Menschen für eine bestimmte Zeit verzeihen, doch irgendwann holt die Vergangenheit sie ein und hinterlässt ein nie dagewesenes Chaos. Vorsichtig strich ich über das silberne Armband, das seit dem Abend in Seaside mein Gelenk nicht für eine Sekunde verlassen hatte. Mittlerweile hatte der kleine herzförmige Anhänger etwas gelitten und einige Kratzer zierten ihn. Doch so spiegelte das Aussehen des Herzens unser Leben wieder. Wir hatten viel miteinander gemeistert, in guten und in schlechten Zeiten, vieles hatte Spuren hinterlassen, aber war die Botschaft noch immer deutlich lesbar. Sie verlor mit dem gestrigen Abend mehr und mehr an Bedeutung. Die Erkenntnis war quälend.
Die Sonne schien ins Wohnzimmer, kraftlos lag ich noch immer gekrümmt auf dem Sofa und sah zu wie dicke, weiße Wattewolken am Fenster vorbei zogen, der Himmel strahlte in einem atemberaubenden Blau. Wie konnte die Welt so schön aussehen, während ein Hypercane in meinem Inneren alles zunichte machte. Es fühlte sich an, als würde nichts wieder gut werden und meine kleine heile Welt lag in Scherben. Sollte ich sie zusammenkehren und wegwerfen oder versuchen, sie wieder zusammenzusetzen?
Doch waren es so viele kleine, feine Splitter, dass es fast aussichtslos war. Wäre es die Mühe wert oder würde ich mich doch nur an ihnen schneiden und mich weiter verletzten? Leise schluchzend schloss ich die Augen, als sich eine Hand auf meine legte. „Hey.“ Flüsterte Livia, sie hatte sich vor das Sofa auf den Boden gesetzt und sah mich mitfühlend an. „Konntest du ein bisschen schlafen?“ Mein Blick ging durch sie hindurch, alles hatte seinen Sinn verloren und fühlte sich kalt und hoffnungslos an. Ein leises Klopfen an der Tür, unterbrach ihre Versuche mit trösten zu wollen, doch hätte es nichts auf dieser Welt gegeben, was es erträglich gemacht hätte, fast nichts. Auf leisen Sohlen lief sie zur Tür und ich hörte sie flüstern, doch konnte ich keines ihrer Worte verstehen. Dann kam sie zurück, blieb stehen und sah mich ernst an. „Es ist Jared. Er möchte mit dir sprechen.“ Jetzt wusste ich, dass es doch etwas gab, was ihr die Laune verderben konnte, sich-sinnlos-nach-Jahren des Schweigens-rächende-Ehemänner. Ich hatte erwartet, dass sich der Schmerz erneut aufbäumen würde, doch fühlte ich in diesem Moment nichts. Auch wollte ich ihn nicht sehen. Langsam schüttelte ich den Kopf, drehte mich mit dem Gesicht zur Rückenlehne der Couch und starrte vor mich hin.
Ich hörte, wie sie die Tür schloss, doch noch ehe sie wieder im Wohnzimmer war, klopfte es erneut, ich hörte, wie sie genervt schnaufte und jetzt war ihre Stimme so laut und deutlich, dass ich jedes Wort verstand. „Sie will nicht mit dir reden, kapier' es doch.“ Knurrte sie Jared an. „Spinnst du?“ Hörte ich sie keifen. So wie es aussah, hatte Jared sich selbst den Weg geebnet und Livia zur Seite befördert. Seine Schritten kamen näher, es ließ mich die Augen schließen, ich wollte ihn weder sehen noch hören.
„Ley?“ Seine Stimme klang heiser und reumütig. „Bitte komm nach Hause, ich muss mit dir reden.“ Zögerlich berührte seine Hand meine Schulter. Unter seiner Berührung zuckte ich zusammen. „Geh.“ Flüsterte ich kraftlos und ließ die Augen geschlossen. „Da hörst du es und jetzt raus!“ Fuhr Livia in wütend an und beförderte ihn hinaus. Erst als die Tür ins Schloss fiel, machte sich die Verzweiflung bemerkbar. Lautlos liefen die Tränen und das leise Schluchzen schmerzte in meiner Kehle. Livia setzte sich auf die Kante und fuhr mir beruhigend mit der Hand über den Rücken. So sehr ich ihre tröstenden Worte und ihre Aufopferung zu schätzen wusste, so sehr wünschte ich mir allein zu sein. Ich musste mir die Frage stellen wie es weiter gehen sollte und um mir darüber klar zu werden, brauchte ich Ruhe und musste für mich sein.
Schlapp setzte ich mich auf und strich mir die Haare aus dem Gesicht. „Was hast du vor?“ Flüsterte sie, ihr war anzusehen, wie sehr ich ihr leid tat. „Ich brauch' ein bisschen Zeit für mich.“ Meine Stimme klang tonlos, ich zog meine Schuhe an und sie gab mir eine Jacke. „Du kannst jederzeit wieder kommen.“ Erinnerte sie mich und nickte zur Couch. Mit gesenktem Kopf nickte ich und ging zur Tür. Als ich sie hinter mir schloss, fiel mein Blick automatisch auf unsere Wohnungstür, doch war ich froh, dass von ihm nichts zu sehen war. Langsam schlurfte ich die Stufen hinunter, vor der Haustür angekommen entschloss ich mich, in den Park zugehen. An einem Montagmorgen wäre dort wahrscheinlich am wenigsten los. Keinen Gedanken verschwendete ich an die Uni, es gab in diesem Moment nichts, was noch unwichtiger hätte sein können.
Mit schweren Schritten lief ich durch den Park und wie ich es schon vermutet hatte, war kaum eine Menschenseele hier. An dem kleinen See setzte ich mich auf eine Bank. Ich war durcheinander und zutiefst verletzt, mit abwesendem Blick starrte ich auf das Wasser, das Gefühlschaos wechselte mit absoluter Leere, die mich an meiner Existenz zweifeln ließ. Eine weit entfernte kleine Bewegung zog meine Aufmerksamkeit auf sich. Etwas kniff ich die Augen zusammen, dort stand ein Typ, er erinnerte mich an den Abend, als wir aus dem Coopers nach Hause gingen, als auch dort jemand in so weiter Entfernung stand, die Kapuze weit ins Gesicht gezogen, dass man es nicht erkennen konnte. Ich war mir sicher, es war derselbe Typ, wieder stand er nur da und sah in meine Richtung. Jetzt empfand ich es nicht mehr als so angenehm, dass keine anderen Menschen hier waren. Außer mir und diesem Typen, den ich nicht erkennen konnte. Schnell stand ich auf, noch immer war mein Blick auf ihn und sein Blick auf mich gerichtet, ich ging den Weg zurück, den ich gekommen war. Als ich mich nach ein paar Metern noch mal umsah, war er verschwunden. Mir war so unwohl, dass es mich schüttelte. Als im selben Moment mein Handy los legte und ich erschrocken einen Satz zur Seite tat. Mein Herz schlug mir bis zum Hals, ich kramte es aus meiner Hosentasche und war fast sicher, dass es Jared wäre. Als ich Sams Namen las, jagten mir Tränen in die Augen.
Tief holte ich Luft und versuchte, einigermaßen normal zu reden. „Hey Sam. Wie geht’s dir?“ Mit dem Erklingen seiner Stimme liefen die Tränen still. „Ley, mein Lieblingsmädchen.“ Seine Stimme war so vertraut und liebevoll. Ich versuchte, das Zittern meiner Stimme unter Kontrolle zu bringen, er sollte sich nicht unnötig Sorgen machen. Wir plauderten über dieses und jenes, doch was er dann sagte, machte mir klar, wo ich Ruhe finden würde und Menschen um mich hätte, die mich liebten wie ich war. Die mir nicht Vergangenes nachtrugen, was schon Jahre her wäre „Wann kommt ihr mal wieder vorbei? In den Ferien?“ Der Gedanke an zu Hause quälte mich mit schrecklicher Sehnsucht. „Ja, auf jeden Fall.“ Wieder ließ es mich gegen die aufsteigenden Tränen kämpfen. „Ich freu' mich, grüß' Jared. Bis dann.“ Verabschiedete er sich und ich fasste einen Entschluss. Es duldete keinen Aufschub mehr, ich konnte nicht noch länger warten, ich musste nach Hause.
Mein Schritt beschleunigte sich, bis ich joggte. Vor dem Haus angekommen sah ich, dass unser Auto nach wie vor unter den Bäumen stand, mit den Gedanken, was sich darin abgespielt hatte würde die Fahrt nach La Push garantiert kein Spaß werden. Wieder zückte ich das Handy und rief Livia an. „Ist alles okay? Hat er dich gefunden?“ War das erste, was ich von ihr hörte und ich erfuhr, was ich wissen musste, er war nicht zu Hause. Schnell erklärte ich ihr mein Vorhaben und sie konnte es nur zu gut verstehen. Dann lief ich nach oben, sie stand in ihre Tür gelehnt. „Er ist vor 'ner halben Stunde abgehauen.“ Rief sie, als ich an ihr vorbei joggte. „Danke, Livia.“ Flüsterte ich, lief zu unserer Tür und schloss auf. Ich hatte keine Ahnung, wieviel Zeit mir blieb, ehe er zurückkommen würde, doch wollte ich ihm auf keinen Fall begegnen. Schnell holte ich eine Reisetasche vom Schrank und packte Sachen für ein paar Tage ein, nachdem ich auch aus dem Bad eingepackt hatte, was ich brauchte, nahm ich den Autoschlüssel, drehte mich in der Wohnungstür ein letztes Mal um und sah zurück, mein Herz meldete sich mit Schmerz. Wieder war es für mich völlig unverständlich, warum er dass getan hatte, warum er alles auf Spiel gesetzt hatte. Ich war mir nicht sicher, ob ich genügend Großmut besaß, ihm das jemals zu verzeihen. Doch hoffte ich, dass ich in La Push Antworten finden würde.
Schweren Herzens schloss ich die Tür, verabschiedete mich noch schnell von Livia, mit der Auflage, dass sie auch unter schlimmster Folter nicht verraten sollte, wo ich war. Hoch und Heilig schwor sie es mir, nochmal drückten wir einander und ich dankte ihr für alles, was sie für mich tat. Dann eilte ich die Treppen hinunter zum Auto. Ich öffnetet die Fahrertür und Wut kroch in mir hoch, wäre es nicht mein Auto, in dem ich die nächsten Stunden verbringen müsste, hätte ich wahrscheinlich auf den Sitz gekotzt. Etwas angewidert nahm ich Platz, aber durfte ich jetzt was meine Fortbewegungsmöglichkeit anging, nicht wählerisch sein. Gute vier Stunden hätte ich Zeit, mir das Hirn zu zermartern. Ich startete den Wagen und der Gedanke, dass ich am späten Nachmittag zu Hause wäre, löste der Verzweiflung zum Trotz ein Gefühl der Freude aus.
Mit zackigem Tempo fuhr ich die Hauptstraße entlang, als mir einfiel, dass ich Mr. Craven noch beibringen musste, dass ich die nächsten Tage nicht kommen könnte. Ich fuhr rechts ran und zückte mein Handy, nachdem ich ihn wissen ließ, dass ich aus privaten Gründen zurück müsste, war er mehr als verständnisvoll und ich sollte mich melden, wenn ich wieder zurück wäre. Wieder hatte ich eine Sorge weniger, das Handy warf ich auf den Beifahrersitz und wollte gerade wieder auf die Straße biegen, als ich auf der anderen Straßenseite Rays Wagen anrollen sah. Etwas beschlich mich die Panik, als er vorbei fuhr, sah ich, dass Jared neben ihm saß, sie schienen mich nicht bemerkt zu haben und Jared war anzusehen, dass er die letzte Nacht kein Auge zugetan hatte. Sein Anblick ließ mich Mitleid empfinden und ich haderte mit mir. Sollte ich einfach abhauen oder ihm doch die Möglichkeit einzuräumen, sich zu erklären? Aber welchen vernünftigen Grund könnte er mir für seinen Vertrauensbruch auftischen?
Fast war ich so weit, dass ich wieder zurückfahren wollte, doch sollte ich es nicht übers Knie brechen. Vielleicht wären ein paar Tage Abstand ganz heilsam. Ich schloss die Augen und versuchte, seinen bemitleidenswerten Anblick zu verbannen, jetzt beschwor ich die Bilder des gestrigen Abend herauf und was soll ich sagen, mit einem Mal fiel es mir fast leicht, Seattle und Jared hinter mir zulassen.
Der Highway lang endlos lang vor mir, angenehm warm schien die Sonne durch die Scheiben und mit heruntergekurbelten Fenstern riss ich Meile um Meile ab, mal kurz vor dem Zusammenbruch stehend, dann wieder fuchsteufelswild und zwischen durch Leere. Es war ein grauenhaftes Durcheinander in mir, wenn ich mich auch noch so bemühte, eine für mich akzeptable Lösung zu finden, in welche Richtung sie auch gehen würde, war es mir unmöglich. Wenn ich mich zu etwas durchringen konnte und mir sicher war, dass es das Beste wäre, verwarf ich es nach Minuten, da ich eine andere Lösung einleuchtender fand und so zogen die Stunden dahin. Als ich in die Straße bog, die mir das gewohnte und geliebte Bild schenkte, war das Gefühlschaos größer denn je und keine Lösung in Sicht.
Ich parkte den Wagen, nahm meine Tasche vom Beifahrersitz und stieg aus. Tief inhalierte ich den vertrauten salzigen und meeresschweren Geruch meiner geliebten Heimat. Langsam setzte ich mich in Bewegung, von weitem sah ich das Meer, wieder einmal wurde mir bewusst, wie sehr es mir fehlte. Die Sonne neigte sich und das gewohnte Bild der Sonne, die langsam im Meer versank, ließ mich tief Luft holen, es erinnerte mich an unbeschwertere Tage, doch mehr denn je auch an Entscheidungen, die ich an diesem Strand traf. Mehr und mehr zweifelte ich, ob ich damals richtig entscheiden hatte.
In Gedanken versunken stand ich da und sah sehnsüchtig zum Meer, als eine vertraute Stimme fragend meinen Namen rief. Mein Blick fuhr in die Richtung aus der die Stimme kam. Mit überraschtem Blick kam Paul auf mich zu. Tief holte ich Luft und war unsagbar froh über das erste bekannte Gesicht. Ich ließ meine Tasche fallen und lief ihm entgegen, das Lachen auf seinem Gesicht wurde breiter, er schnappte mich und wirbelte mich wild herum. Dann drückte er mich fest an sich. „Schön, dass du wieder hier bist.“ Flüsterte er, lockerte seine Umarmung, nahm meine Gesicht in seine Hände und drückte mir einen dicken Schmatzer auf die Wange. „Ich bin so froh, wieder hier zu sein.“ Hauchte ich und versuchte, der Tränen Herr zu werden. Dann sah er hinter mich, als erwartete er noch jemanden. „Wo hast du Jared gelassen?“ Fragte er und sah mich abwartend an. „Ähhh..... ach ….. ja..... der..... ist noch in Seattle.“ Stammelte ich etwas unbeholfen herum. Ich hatte nicht einen Gedanken daran verschwendet, dass sie sich wundern würden wenn ich hier allein aufschlagen würde. „Ohhh.“ War alles, was Paul dazu einfiel. Er legte seinen Arm um meine Schulter und auf dem Weg zum Haus sammelten wir noch meine Tasche ein.
Paul öffnete die Tür, ein bisschen versteckte ich mich hinter ihm, im Gleichschritt betraten wir das Haus. „Ihr glaubt nicht, was das Meer angespült hat.“ Das Grinsen war in seinen Worten zuhören, dann trat er einen Schritt zur Seite und gab den Blick auf mich frei. Erst starrten mich fassungslose Gesichter an, als sie begriffen, dass ich keine Erscheinung war, brach Freudengeschrei aus. Quil stand am nächsten und ich warf mich in seine Arme, fest drückte er mich und strahlte wie ein Honigkuchenpferd. Sam kam schnellen Schrittes auf uns zu. Tränen der Freude liefen über meine Wange und ich lief ihm das letzte Stück entgegen. Fest umschlossen mich seine Arme und ich schmiegte mich an ihn. „Mir war so, als hätten wir vorhin noch telefoniert.“ Flüsterte er und küsste mein Haar. Ich hob meinen Kopf von seiner Brust und sah ihn an. Mit einer Hand trocknete er meine Tränen, sanft küsste ich seine Wange. „Willkommen zu Hause.“ In seiner Stimme war die Freude zuhören, seine Lippen berührten meine Stirn und für den Moment schloss ich die Augen. Dann hörte ich Schritte auf der Treppe und mein Blick folgte dem Geräusch. Mein Herz tat einen Sprung und es ließ mich schluchzen. Embry kam die Treppe herunter und blieb wie angewurzelt stehen, wenn auch ein gewisser Abstand zwischen uns lag, sah ich das Beben seiner Brust. Aus seiner Starre erwachend beschleunigte sich sein Schritt, auch ließ ich Sam hinter mir und warf mich in seine geliebten Arme und weinte. Doch war es jetzt nicht nur die Freude über dieses Wiedersehen, es lag so viel mehr in diesen Tränen.
„Mein Liebstes.“ Flüsterte er mit zitternder Stimme, fester drückte ich ihn an mich. Wie konnte ich nur so lange ohne ihn sein, wieder wurde mir bewusst, wie unsagbar er mir jeden einzelnen Tag gefehlt hatte. Seine Wärme, sein grenzenloses Vertrauen in mich, dass er einfach nur für mich da war, dass er einfach nur mein Embry war, der mich ohne Worte verstand, den ich bedingungslos liebte und er mich. „Ich liebe dich.“ Hauchte ich unter Tränen und vergrub mein Gesicht an seiner Brust. „Wie mir das gefehlt hat.“ Tief holte er Luft und legte seine Wange auf mein Haar. Sein geliebter Duft stieg mir in die Nase, jetzt war ich da wo ich hingehörte. Langsam beruhigte ich mich, doch ließ er nicht einen Moment von mir. Es verging eine kleine Ewigkeit, in der wir einander nur festhielten, doch hätte es noch eine Ewigkeit länger dauern können, ehe er mich frei gab. Ein leises Räuspern hinter ihm verlangte nach Aufmerksamkeit. Mich noch immer an sich gedrückt drehte er sich um. Ich sah in nette grün-braune Augen, die mich neugierig ansahen.
„Hallo.“ Schniefte ich leise und wartete auf klärende Worte. „Darf ich vorstellen?“ Begann Embry und ich sah ihm an, wie stolz er war. „Das ist Julie.“ Freundlich lächelte sie mich an und hielt mir ihre Hand entgegen. Es widerstrebte mir einen Arm von ihm zu lösen, aber ich wollte nicht unhöflich sein und ergriff ihre Hand. Fest drückte sie die meine. „Ich habe schon viel von dir gehört.“ Grinste sie mich fröhlich an und ihr Blick wechselte von mir zu Embry. Ich hob den Kopf von seiner Brust und jetzt sah auch ich ihn an. Seine verliebten Blicke ließen mich wissen, wie sie zueinander standen. Es war beruhigend zu wissen, dass er jemanden gefunden hatte, die ihn augenscheinlich glücklich machte.
„Ich hoffe, nur Gutes.“ Gespielt strafend sah ich Embry an, der nur Augen für Julie hatte, ich hoffte, sie wusste sein wunderbares Wesen zu schätzen. Als keine Reaktion folgte, kniff ich ihm leicht in die Seite. „Äh.... ja ….natürlich, nur Gutes.“ Er wandte seine Blick von ihr und sah mich wieder an. Grinsend küsste er meine Stirn und unsere Umarmung lockerte sich.
„Wo ist mein kleiner Lieblingsbruder?“ Fragte ich in die Runde, sah mich um, ging zu Sam und lehnte mich an ihn. „Er hat einen Wettkampf und kommt erst morgen zurück.“ Beruhigte er mich. Kurz nachdem Jared und ich La Push verlassen hatte, entdeckte Seth seine Leidenschaft für den Kampfsport, was er da genau favorisierte konnte ich nicht mehr sagen. Doch jedes Mal, wenn er es uns vorführte, flogen Arme und Beine durch die Luft, er war überaus talentiert. Bis morgen würde ich es wohl noch aushalten, schließlich hatte ich es ein gutes halbes Jahr geschafft. „Ein Grund zu feiern.“ Lachte Sam und legte einen Arm um mich. „Grund zum Grillen.“ Wie hatte mir dass gefehlt, lachend klopfte ich vor seinen Bauch. „Da müssen wir noch ein bisschen was organisieren.“ Nuschelte er vor sich hin, doch bevor er in der Küche verschwand, drehte er sich noch mal um.
„Wo ist eigentlich Jared?“ Fragte er und sah mich mit einem Ausdruck an, den ich nicht deuten konnte. Mein Blick jagte etwas nervös hin und her. „Der ist in Seattle.“ Mit einem auf den Lippen gefrierendem Lachen versuchte ich es abzutun. Noch einen Moment sah Sam mich prüfend an. „Also brauchen wir keine Rinderhälfte zu besorgen.“ Dann grinste er. Gequält lächelte ich zurück und schüttelte den Kopf, keiner schien Verdacht zu schöpfen, noch nicht. „Kann ich irgendwas helfen?“ Rief ich ihm nach. „Geh du erst mal auspacken. Weißt ja, wo der Schlüssel hängt.“ Sams Worte jagten mir eine Gänsehaut über den Rücken. Seit dem Tage, als Jake mein Leben verließ, war ich nicht wieder in dem Haus gewesen und es wurde mir zusehends mulmiger. Tief holte ich Luft, schnappte meine Tasche und den Schlüssel. „Bis gleich.“ Schnaufte ich und warf Embry einen liebenden Blick zu, den er erwiderte, dann schloss ich die Tür hinter mir und machte mich auf den Weg.
Mit dem Schlüssel in der Hand stand ich vor meinem alten zu Hause und indem ich aufschloss und es betrat, jagten sämtliche Erinnerung und Emotionen durch mich. Hier lebte er weiter, alles was ich sah, was ich fühlte, was ich mit meinen Sinnen wahrnahm, machte Jake Stück für Stück lebendiger und hauchte meiner fast verblassten Erinnerung neues Leben ein. Die Tasche rutschte von meiner Schulter und bedacht langsam ging ich Schritt für Schritt weiter. Es war fast, als wartete ich darauf, dass er jeden Moment aus seinem Zimmer kommen würde. In meinen Gedanken sah ich jeden einzelnen vergangenen Augenblick, in dem er um den Rahmen der Tür kam. Ich wusste nicht warum, aber lautlos stiegen die Tränen hoch und liefen über, mein Herz wog schwer. Vor seinem Zimmer blieb ich stehen, meine Knie zitterten, zögerlich legte ich eine Hand auf die Klinke und musste mich einen Moment sammeln.
Dann drückte ich sie hinunter und schob langsam die Tür auf. Was hatte ich erwartet, dass Zimmer war leer, aber in meinen Erinnerungen sah ich ihn, wie er friedlich in seinem Bett schlief, wie er hin und her lief, ich hörte sein Lachen, seine unverkennbare Stimme und es war wie ein Schlag ins Gesicht.
An dem Rahmen gelehnt ließ es mich in die Knie gehen und ich vergrub mein Gesicht in den Händen. Als meine Erinnerungen mir dann noch seinen Duft vorgaukelten, war es kaum noch aushalten. War es tatsächlich die Sehnsucht nach meiner Heimat, die mich hierher trieb oder war es die Erinnerung an ihn? Hier sah ich ihn zum letzten Mal, an keinem Ort dieser Welt war er mir näher als hier. Wieder einmal verfluchte ich Jared, doch dieses Mal war es nicht seine Untreue, ich verfluchte ihn, dass er Jake zurück in mein Leben katapultierte. Alles war wieder da, jede noch so kleine Erinnerung, jedes noch so unscheinbare Gefühl brach über mich herein und ließ mich mehr denn je an meiner Entscheidung zweifeln. Aber habe ich mir damals selbst diesen Weg geebnet, jetzt musste ich ihn mit allen Konsequenzen gehen. Es gab kein Zurück, nie würde es ein Zurück geben.
Als wäre es gestern, hallten Jareds Worte in meinen Ohren. `Manchmal triff man die falschen Entscheidungen.´ Noch war ich nicht so weit, dass ich dem blind beipflichten konnte, aber würde ich nie wieder in meinem Leben übereilt entscheiden. Erst recht nicht wenn es um Herzensangelegenheiten ging, dass lehrte mich das Leben. Tiefer rutschte ich und saß an den Rahmen gelehnt in Jakes Zimmertür, wie konnte so viel Zeit vergehen, ohne das sich wirklich etwas verändert hatte? Wenn ich hier Zeit zum Nachdenken hätte, fragte ich mich, über was wollte ich nachdenken? Gäbe es für Jared ein Zurück? Wenn ich mich dazu hinreißen lassen könnte, würde ich darauf bestehen, dass er das Team wechseln würde und das war eine Sache, auf die er sich niemals einlassen würde, da war ich felsenfest von überzeugt. Doch war ich mir ziemlich sicher, dass ich ihm nie wieder uneingeschränktes Vertrauen entgegen könnte, wie auch. Als ich da saß, konnte ich das erste Mal ernsthaft darüber nachdenken, doch merkte ich wie meine Gedanken wieder abschweiften und ich mich verlorener denn je fühlte. Auch hatte ich noch keine Ahnung, wie es den anderen begreiflichen machen sollte, doch darüber würde ich mir den Kopf zerbrechen, wenn eine Entscheidung gefallen wäre. Das Klingeln meines Handys riss mich aus meiner Melancholie. Schnaufend rappelte ich mich hoch und lief zu meiner Tasche. Als ich es in Händen hielt sah ich, es war Jared. Ich ließ es einfach weiter klingeln bis es von selbst verstummte. Um den Erinnerungen fürs erste zu entkommen beschloss ich, meine Tasche später auszupacken.
Als ich aus dem Haus trat, sah ich Sam wild am Grill herum hantieren, wie schnell er dass alles hinbekommen hatte, ließ mich staunen. Auch die anderen hatte sich schon eingefunden. Langsam schlenderte ich in ihre Richtung, mittlerweile hatte die Dunkelheit alles im festen Griff. Als ich näher kam, sah ich, dass Jess, Pauls Freundin, sich auch eingefunden hatte. Sie waren schon seit über einem Jahr zusammen und die beiden waren so niedlich. Paul konnte sich glücklich schätzen, sie war eine so liebenswerte und aufrichtige Person, er hätte es nicht besser treffen können. Grinsend ging ich auf sie zu, als sie mich sah, sprang sie auf und fest drückten wir einander. „Dass wurde aber auch langsam Zeit, dass du dich mal wieder hier blicken lasst.“ Lächelte sie, setzte sich zu Paul, der es kaum erwarten konnte, wieder seinen Arm um sie zulegen und sie sich bereitwillig an seine Seite schmiegte.
„Ja, es war an der Zeit.“ Schnaufte ich leise und setzte mich neben Embry. Der mir mit seiner Hand über den Rücken fuhr und mich selig anlächelte. Sam verteilte sie ersten Steaks und alle langten in gewohnter Manier zu. Ich fand es schade, dass Seth nicht da war, er war immer mein kleines Highlight, wenn wir hierherkamen. Immer war er fröhlich und hatte einen Spruch auf den Lippen, der mich zum Lachen brachte und genau das war es, was ich mehr denn je gebrauchte hätte. Eine kleine fröhlich Seele an meiner Seite, die mich zeitweise aus dem Dunkel meiner Gedanken riss. Wieder klingelte mein Handy, erst ignorierte ich es.
, „Ley, dein Handy.“ Wies Paul mich darauf hin. „Tatsächlich.“ Knurrte ich und griff in meine Hosentasche. Natürlich war es wieder Jared, dieses Mal drückte ich ihn weg. Mit zusammengezogenen Augenbrauen wurde ich angesehen. „Ist nicht so wichtig.“ Tat ich es ab und hoffte es würde keine Fragen gestellt werden. Als im selben Atemzug Sams Handy das Bimmeln anfing und er ging ran. Nach noch nicht mal zwei Sekunden richtete sich sein Blick auf mich. „Ja, sie ist hier.“ Ich hätte mich am liebsten in Luft aufgelöst, die Blicke aller gingen zwischen Sam und mir fragend hin und her. Etwas unwohl stocherte ich in meinem Essen herum. Doch dann hörte ich die Worte, die mich wissen ließen, mir bliebe nichts erspart. „Okay, bis später.“ Murmelte Sam. 'Ach du Scheiße', schoss es mir durch den Kopf und ich fragte mich, wie in Himmelsnamen er hierher kam, schließlich hatte ich das Auto. Warum nahm er mir meine letzte Zufluchtsmöglichkeit, warum gab er mir nicht die Zeit, die ich bräuchte. Es ließ mich laut schnaufen. Sam überging das Telefonat und widmete sich erneut seinem Essen, doch wusste ich, dass er mich zur Rede stellen würde.
Eine Zeit saßen wir noch zusammen, lachten über alte Zeiten, was mir zeitweise eher die Tränen in die Augen trieb. Sie fragten mich über die Uni aus und wie es war, in einer Großstadt zu leben und wenn ihre Fragen bei Jared endeten, mischte Sam sich mit den Worten, „Das kann er uns dann selbst erzählen“ ein. Es war spät und ich fror, wir räumten den Tisch ab und verabschiedeten uns. Embry drückte mich, es war ungewohnt, hier zu sein und doch nicht beim ihm zu übernachten. Das war etwas, an dass ich mich erst noch gewöhnen musste, doch ich gönnte ihm sein Glück von Herzen.
Langsam trottete ich allein zum Haus. Ich hörte Schritte und drehte mich um, langsam ging Sam auf mich zu, kurz vor mir blieb er stehen und sah mich mitleidig an. „Möchtest du es mir erzählen?“ Fragte er. Einen Moment überlegte ich, doch dann entschied mich dagegen. „Es läuft grad' nicht so gut.“ Tat ich es ab und sah auf den Boden. Er merkte dass ich nicht mit der Sprache raus wollte und ließ mich. „Ich wünsch' dir eine gute Nacht.“ Seinen Arm legte er um meinen Hals, zog mich ein bisschen zu sich und küsste meine Stirn. „Nacht.“ Murmelte ich leise, er drehte sich um und verschwand. Bevor ich ins Haus ging, entschloss ich mich noch einen Schlenker am Strand entlang zumachen. Endlich war ich hier und wollte ans Meer, wenn es auch Nacht war, das Meer war, ob Tag oder Nacht, beruhigend und weit. Selbst wenn ich auch vor Kälte mit den Zähnen klapperte, so wollte ich doch nur einen kurzen Moment uneingeschränkte Sicht haben. Schnellen Schrittes ging ich den mir vertrauten Weg, ich hätte ich auch mit verbundenen Augen gehen können, ich kannte jedes Schlagloch und jeden Huckel, der ihn zierte.
Nach kurzer Zeit erstreckte es sich in seiner vollen Schönheit und lag zu meinen Füßen. Im Schein des Mondes glitzerte es anbetungswürdig, diese Nacht war so hell, dass man ohne weiteres alles erkennen konnte. Ein kleines Stück ging ich noch, dann blieb ich stehen und ließ meinen Blick, wie auch meine Gedanken schweifen.
Keine zehn Meter weiter lag ich einst vor Jared auf den Knie und bettelte um Verzeihung, dieser Gedanke ließ mich bitter lachen und es schmerzte in meiner Kehle. Mit dem heutigen Wissen dachte ich voller Verachtung an diesen Augenblick. Nie empfand ich es demütigender als in diesem Moment. Ich wusste nicht, wieviel Zeit mir bleiben würde, ehe er seinen Weg hier her gefunden hätte. Langsam setzte ich mich in den feuchten Sand und stützte die Arme auf meine Knie. Das leise Rauschen der Wellen stimmte mich sanfter, die Bitterkeit wich. Wenn ich nie wieder an mein altes Leben anknüpfen könnte, ohne zu wissen ob ich es wollte, hatten wir doch einige wirklich schöne Jahre. Gefüllt mit Liebe, Zuneigung, Vertrauen und dem Wissen einer verwandten Seele. Wie das alles in nur einem Moment, wissentlich, völlig zerstört werden konnte, trieb mich an den Rand der Verzweiflung. Aber so wie meine Zukunft zerstört wurde, tat ich es einst mit Jakes. Ich warf Jared vor, was ich selbst anderen antat, zwar war die Situation eine andere wie auch die Beweggründe, doch Zerstörung, blieb Zerstörung und hatte selten etwas Schönes. Vor mich hinträumend blieb ich noch eine Zeit sitzen. Dann stand ich auf, klopfte mir den Sand von der Hose und machte mich auf den Weg zurück.
Als ich jetzt das Haus betrat, wich die Verzweiflung, vielleicht sollte ich einfach dankbar für die vergangene Zeit sein und von vorn beginnen, es wäre eine Überlegung wert. Dankbar für die Jahre mit Jared an meiner Seite und dankbar für die wenigen Momente mit Jake. Beides erschien mir unglaublich kostbar und nur die Zeit könnte mir diese Erinnerungen nehmen. Ich nahm meine Tasche und holte die Dinge heraus, die ich brauchte. Nachdem ich frisch geduscht in Schlafklamotten im Wohnzimmer stand, entschied ich mich, diese Nacht in Jakes Zimmer zu verbringen, so wie er es einst tat, um mir nah zu sein. Mit meiner Tasche über der Schulter betrat ich es und horchte in mich. Es fühlte sich nach wie vor komisch an hier zu sein, allein. Die Tasche stellte ich vor den Schrank, schlug die Decke auf und kuschelte mich hinein. Es fühlte sich an, als würde sich mit der Decke sein Arm um mich legen und ich ertappte mich dabei, wie ich es genoss.
***Jareds Sicht***
Ich war so ein Vollidiot, nervös hibbelte ich mit dem Bein auf und ab, am liebsten hätte ich mit Ray die Plätze getauscht. Warum musste er sich gerade heute an das Geschwindigkeitslimit halten? Zwar war ich froh, dass er sich bereit erklärte, mich die weite Strecke nach La Push zu fahren, doch fand ich, wir hätten schneller sein können. Immer wieder schweifte mein Blick zum Fenster hinaus und ich hätte mich ohrfeigen können. Was hatte ich ihr angetan? Ich verstand ihre Flucht, aber wollte ich sie wissen lassen, wie unglaublich leid mir tat, was passiert war und dass sie nach wie vor mein Leben war und ich sie abgöttisch liebte. Die Aktion mit Jen konnte ich gerechtfertigt auf den Alk schieben, den Abend war ich sowas von voll, Jen war 'ne dumme Nuss und ich, wie gesagt ein Vollidiot. Ich tat es nicht mit böser Absicht, oder weil ich ihr etwas heimzahlen wollte, wenn ich mich auch nicht auf die galanteste Art danach geäußert hatte. Dass ich ihr Jake vorwarf kam aus der Situation, ich hatte mir geschworen, dass ich es ihr nie zum Vorwurf machen würde, es war so dumm von mir, dass ich die Erinnerung an ihn wieder herauf beschwor. Doch als sie mir voller Wucht eine verpasste, was ich wohl wissentlich auch verdient hatte, vergaß ich mich für den Moment. Ihr entsetzter Blick brachte mich zu Vernunft und nun wusste ich, dass ich über das Ziel hinaus geschossen war, ich ihr längst Vergangenes an den Kopf warf und ich konnte zusehen, wie meine Worte sie verletzten. Ich hoffte inständig, dass sie mir meinen Ausrutscher verzeihen könnte. Sie wusste am besten, wie sich so etwas anfühlte, doch wollte ich sie weder damit unter Druck setzen, noch ihr ein schlechtes Gewissen machen. Ich wollte sie nur wissen lassen, dass sie alles für mich war und ich mir ein Leben ohne sie nicht vorstellen konnte.
„Du musst hier vorne links und dahinten kannst du halten.“ Navigierte ich Ray. „Und du willst wirklich sofort wieder zurück?“ Erkundigte ich mich, ich hatte ihm die Couch im Wohnzimmer angeboten, aber er musste nächsten Tag pflichtbewusst wieder zur Uni.
„Ich dank' dir, Alter.“ Mit einem Handschlag verabschiedete ich mich, schnell schnappte ich meinen Rucksack und stieg aus. Ich sah ihm nach, wie er seine lange Heimreise antrat. Wenn ich auch zu Hause war, so war dieser Ort mit so vielen schmerzhaften Erinnerungen verbunden, dass es mir nichts ausmachte, nur alle paar Monate hier her zurück zukehren. Meiner Meinung nach hätte uns nichts besseres passierten können, als die Studienplätze in Seattle, es war eine Chance, komplett von vorn anzufangen. Doch besudelte ich diesen Ort, der bis gestern neutral war, mit schlimmsten Erinnerungen. Es ließ mich laut Luftholen, dann machte ich mich auf den Weg, leise öffnete ich die Tür. Es war dunkel im Haus, sie schliefen alle. Ich schlich die Treppe zu meinem alten Zimmer hinauf und hoffte, sie dort zu finden. Aber als ich die Tür öffnete, starrte ich auf ein leeres Bett, ich konnte mir denken, wo sie war.
Schnellen Schrittes eilte ich die Treppe hinunter, schnappte mir einen der Schlüssel und zog leise die Tür hinter mir zu. Auf dem Weg zu ihrem alten Zuhause legte mein Herz einen Schritt zu. Ich wusste nicht, was ich davon halten sollte, dass sie so wie es aussah, vorzog, dort zu übernachten, sie hatte es seit Jahren nicht betreten. Vor der Tür stehend sortierte ich mich, dann öffnete ich sie. Langsam trat ich ein und ging zu ihrem alten Zimmer. Vorsichtig drückte ich Klinke hinunter und schob die Tür auf, doch fand ich nur verwirrende Leere. Wo konnte sie sein? Ich war schon wieder im Begriff zu gehen, als mir ein Gedanke kam, den ich für zu abwegig hielt, doch sollte ich nichts unbedacht lassen. Das Stück zu Jakes Zimmer zu gehen, widerstrebte mir zutiefst. Diese Tür war nur angelehnt, mit einem Finger schubste ich sie auf. Es hätte für mich kein alarmierenderes Bild geben können, sie wirkte fast etwas verloren in Jakes großem Bett.
Leise ging ich näher, das Mondlich fiel auf ihr Gesicht und sie sah so wunderschön aus, friedlich und entspannt, nichts war von ihrem Schmerz und der Enttäuschung zusehen. So sehr ich mich freute, sie gefunden zu haben und ich versucht war, mich zu ihr zu legen, alles in mir sehnte sich nach ihr, ihr nah zu sein, sie zu berühren, ihr in die Augen zusehen, die die Tiefe es Meeres hatten. Aber so ließ es mich wissen, was ich mit meinen Vorwürfen heraufbeschworen hatte. Ein alte, längst vergessene Liebe, von der ich nie wusste, wie stark sie war, die aber wie es schien, all' die Jahre tief in ihrem Innern überlebt hatte. Jetzt war ich derjenige, der Vergangenes ungeschehen machen wollte, doch wusste ich nicht, ob ich dazu noch die Chance bekommen würde, aber kampflos würde ich sie niemals hergeben.
Ich konnte es mir nicht nehmen lassen und fuhr mit der Hand über ihr Haar, dass wie schwarze Seide glänzte. Leise ließ es sie stöhnen. Einige Zeit sah ich ihr zu, wie sie schlief und mit jeder vergangenen Minute hasste ich mich mehr, dass ich mich gedankenlos hatte hinreißen lassen und sie, wie ich befürchtete, in seine Arme trieb. Selbst wenn er nur in ihren Gedanken und Erinnerungen war, so wäre er doch allgegenwärtig und würde sie weiter von mir entfernen. Schweren Herzens riss ich mich von ihr los und verließ das Haus, welches mit Erinnerungen nur so vollgestopft war. Ich war versucht, laut los zu schreien, um meiner Wut auf mich selbst Luft zumachen, aber konnte ich mich gerade noch zusammenreißen.
Ich ging zurück und als ich zur Tür herein traf, erschrak ich. Sam saß auf dem Sofa und schien auf mich zu warten. „Hallo Jared.“ Begrüßte er mich etwas kühl, so wie es schien, wusste er Bescheid und ich könnte mich auf einen ordentlichen Einlauf gefasst machen.
„Hey Sam.“ Murmelte ich etwas kleinlaut. „Setz' dich.“ Bot er mir einen Platz an, prüfend ruhte sein Blick auf mir, dem ich auszuweichen versuchte. Ich ging näher und ließ mich auf das andere Sofa fallen, mit den Händen fuhr ich mir durchs Gesicht und stützte die Unterarme auf meine Knie. Es schien, als würde er auf meine Beichte warten. „Ich weiß, ich hab voll in die Scheiße gehauen, keine Ahnung was mich geritten hat.“ Naja, eigentlich wusste ich schon, dass es Jen war. „Ich war total besoffen und hab nicht nachgedacht und ehe ich mich versah, landeten wir im Auto und ich verlor so ein bisschen die Kontrolle.“ Rechtfertige ich diese völlig hirnrissige Aktion. „Meinst du, sie wird mir verzeihen können?“ Fragend sah ich Sam an und sein Ausdruck wurde mit jedem Wort, welches in von mir gab, entsetzter. Mir schwante Schrecklichstes.
„Sie hat nicht ein Wort darüber verloren.“ Stellte ich mit tonloser Stimme fest und Sam nickte. Na allererste Sahne, wieder mal hatte ich mich selbst in die Scheiße geritten, dass hatte ich voll drauf. „Wenn sie es nicht täte, könnte ich es ihr nicht verdenken.“ Zischte Sam, seine Blicke vernichteten mich, er stand auf, verlor kein weiteres Wort und ging nach oben. Wieder war ich versucht, loszubrüllen, doch atmete ich gegen diesen inneren Drang an. „Verfluchte Scheiße.“ Fauchte ich leise vor mich hin, es hätte kaum noch schlimmer kommen können. Aber was mich viel wütender machte, diese ganze Kacke hatte ich mir selbst eingebrockt!!!
***Jareds Sicht Ende***
Chapter 5
Allmählich wich das umnebelte Gefühl des Schlafes und für diesen Moment, wankend zwischen Traum und Wirklichkeit, hätte ich bei meinem Leben geschworen, er war da. Ich vernahm seinen beruhigenden, gleichmäßigen Atem, seinen Duft, den rhythmischen Schlag seines Herzens, ich fühlte seine Wärme, die sich beschützend um mich legte, wie seine Hand sanft meine Seite entlang glitt. Ich versuchte, weiter diesen schmalen Grad der Zwischenwelt zu gehen, um daran festzuhalten, an ihm festzuhalten. Aber mit jedem Schritt, den ich tat, wurde das Band, welches uns verband dünner, bis es gänzlich verschwand und mich mit einem schmerzhaften Aufprall zurück ins Hier und Jetzt beförderte. Wenn sich auch das vertraute Gefühl in einen Hauch von Nichts auflöste, so ließ ich meine Augen geschlossen, um lebhaft an meiner Erinnerung festzuhalten. In was flüchtete ich mich nur? In Erinnerungen, die mich für den Augenblick aufzufangen schien, wenn sie aber ihren Rückzug antraten, mich verletzter denn je zurück ließen.
Regungslos lag ich da, mit den sich entfernenden Erinnerungen wich jegliches Gefühl, ich fühlte mich leer, unfähig etwas zu empfinden. Keine Verwirrung, keine Verzweiflung, keine Wut, kein Hass, keine Trauer, keine Sehnsucht, aber auch.....keine Liebe. So unglaublich echt wie es sich gerade angefühlt hatte, um so mehr kam mir mein jetziger Zustand vor wie ein Alptraum, aus dem es kein Erwachen gab.
Ich wusste nicht, wie lange ich schon an die Decke starrte, doch kam mir das als einziges sinnvoll vor.
Ich wünschte Embry an meine Seite, ich wünschte mich in seine tröstenden Arme. Worte wären Verschwendung, sie würden keine Linderung bringen, Worte zerstörten mehr als Taten, wie ich jüngst lernen musste. Meine Arme und Beine fühlten sich bleischwer an, sie wollten sich nicht bewegen lassen, nur meinen Kopf konnte ich überreden, sich zum Fenster zudrehen. Die Sonne schien, es war schönstes Wetter, wenn man mal ein Unwetter gebrauchen konnte, war natürlich keins da. Ich schloss meine Augen und konzentrierte mich auf das einzige, was noch zu funktionieren schien, meine Atmung. Gleichmäßig und bewusst atmete ich ein und aus, wenigstens etwas, das ich unter Kontrolle hatte und beeinflussen konnte.
Mit dem Wissen, dass Jared wahrscheinlich schon da wäre, quälte ich mich unter größter Anstrengung aus dem Bett. Schlurfend ging ich aus dem Zimmer und sah mich um, die Tür meines alten Zimmers stand auf. Mit einem Auge spähte ich hinein um sicher zugehen, dass ich allein wäre und das war ich. Doch schien er nach mir gesucht zu haben, es war mir egal, ob er mich in Jakes Bett gefunden hatte oder nicht. Alles war mir egal.
Mit hängendem Kopf ging ich ins Bad, duschte und machte mich fertig, alles Alltägliche fiel mir unglaublich schwer und es fühlte sich an, als wäre ich dem nicht gewachsen. Nachdem ich angezogen war und gerade im Begriff war zu gehen, klopfte es an der Tür. Seelisch bereitete ich mich darauf vor, dass ich Jared gegenüberstehen würde und mein Magen krampfte sich schmerzhaft zusammen. Wenigstens empfand ich wieder etwas, wenn es auch Schmerz war, der mich aber wissen ließ, dass ich noch lebte. Mit gesenktem Blick öffnete ich die Tür, schloss die Augen und wartete auf die Dinge, die über mich herein zu brechen drohten.
„Das hatte ich mir irgendwie euphorischer vorgestellt.“ Erklang die geliebte Stimme. Jetzt hob ich meinen Kopf und öffnete die Augen. Ich sah in das fröhlichste Gesicht, das es für mich auf dieser Welt gab. Doch auch Seths Fröhlichkeit, von der ich mich sonst sofort infizieren ließ, konnte den Wahnsinn, der sich in mir abspielte, nicht vertreiben. Ich fing an zu lachen, doch noch bevor seine Arme sich um mich schlossen, endete es in einem herzzerreißendem Schluchzen. Tröstend lagen seine Arme um mich. Hatte Jared schon mit seiner Errungenschaft geprahlt und die anderen wissen lassen, was für ein Supertyp er war? Zu dem Schmerz gesellte sich Verachtung und die beiden schienen ein 1a- Team zu sein.
„Hey, nicht weinen.“ Flüsterte er und versuchte, mich anzusehen. „Es sei denn, es sind Freudentränen.“ So wie es schien, hatte Jared doch an sich halten können, Seth schien ahnungslos. Ein Funke der Freude keimte in mir auf, jetzt da ich ihn ansah, legte ich meine Hand auf seine Wange und küsste die andere. Dann schlang ich meine Arme um ihn und drückte ihn ganz fest. „Schön, dass du endlich da bist.“ Hauchte ich. „Und ich würde es gerne noch ein bisschen bleiben.“ Presste er leicht gequetscht durch die Zähne. Etwas lockerte ich meinen Würgegriff und wuschelte mit meiner Hand über seinen Kopf. Mit einer hochgezogenen Augenbraue grinste er und sortierte seine Frisur. „Jaaa, wie mir dass gefehlt hat.“ Lachte er. „Es gibt Frühstück, hoffe, du hast Hunger.“ Wenn es etwas gab, von dem ich mir fast sicher war, dass ich es in den nächsten Wochen nicht hätte, dann wäre es Hunger, aber einen Kaffee würde ich nicht ausschlagen. „Hält sich ein bisschen in Grenzen.“ Druckste ich herum. „Egal, Hauptsache du bist dabei.“ Grinsend legte er seinen Arm um meine Schulter und zog mich zur Tür hinaus. Ohne dass ich fragen musste, ließ er mich wissen, dass Jared da war, aber er wäre so ungewohnt ruhig. Ohne es zu kommentieren nahm ich es nickend hin und wappnete mich für den Moment, in dem ich ihm gegenüber treten würde. Seth erzählte mir auf dem Weg von seinem Wettkampf und natürlich war er erfolgreich. „We´ve got a ninja in the house.“ Lachte ich und er setzte mit ein, das Lachen war aufrichtig und schmerzte nicht. Es tat gut, ihn an meiner Seite zu wissen.
Ich ließ ihm den Vortritt und lief etwas verhalten hinter ihm her. Freudig wurde ich begrüßt, alle saßen am Tisch. Fürs erste ignorierte ich Jared, nicht ein Mal sah ich ihn an, doch blieb mir nicht verborgen, dass sein Blick auf mir ruhte. Mit einem gequälten Lachen meinerseits handelte mein liebster Embry sich eine Kuss auf die Wange ein und er strahlte mich an. Sams Blick begegnete mir ungewohnt mitleidig und es ließ mich wissen, er wusste, was Sache war. Als ich an ihm vorbei zu dem letzten freien Platz zwischen Paul und Julie ging, legte ich meine Hand auf seine Schulter, die er sanft tätschelte. Gott, hätte ich meinen Gefühlen, die jetzt wie ein Tsunami über mich hereinbrachen, freien Lauf gelassen, hätte ich lauthals losgeschluchzt, doch so hielt ich mit übermenschlichem Kraftaufwand die Fassade aufrecht und setzte mich.
„Na, wie hast du geschlafen?“ Fragte Paul, biss in sein Brötchen und sah mich an. Mit dem Wissen, dass Jared mich in Jakes Bett gefunden haben musste, konnte ich es mir nicht verkneifen, ihm einen reinzuwürgen. „Unerwartet gut.“ Lächelte ich ihn an. „Nirgendwo schläft man besser als zu Hause.“ Murmelte Paul in seine Kaffeetasse. „Wie recht du hast.“ Doch nahm meine Stimme einen leicht zischenden Unterton an. Ich griff nach dem Kaffee und füllte meine Tasse. Seth begann Jared über die Uni auszuquetschen und was das Football spielen machte. Noch immer hatte ich ihn keines Blickes gewürdigt, was die anderen schon komisch gucken ließ. „Und wie sind die Cheerleader?“ Hörte ich Seth, der Quil kichernd in die Seite stieß. Sie waren ahnungslos und wussten nicht, in was für ein Wespennest sie da stachen.
Ich verschluckte mich an meinem Kaffee und dachte, er würde mir aus der Nase schießen. „Ja, Jared, erzähl doch mal, hier ist deine Expertenmeinung gefragt.“ Kam es mir zynisch über die Lippen und verachtend sah ich ihn jetzt an. Sein Blick war unergründlich, wenn es ihn traf, ließ er sich nichts anmerken, auch beantwortete er diese heikle Frage nicht. Sam schloss die Augen, er hatte wahrscheinlich schon so ein bisschen mit einem Rosenkrieg gerechnet. Die Blicke der anderen gingen überrascht zwischen Jared und mir hin und her, spätestens jetzt würde auch der Begriffsstutzigste von ihnen kapieren, was hier abging. Wieder einmal wurde seine Anwesenheit für mich unerträglich. Ich schnappte meinen Kaffee, stand auf und ging in die Küche. Dort lehnte ich mich mit dem Rücken gegen die Arbeitsplatte und hielt mir eine Hand vors Gesicht, tief atmete ich ein und aus, um nicht völlig die Kontrolle zu verlieren.
Ich hatte Sam nicht kommen hören und erschrak, als er neben mir stand. „Ach, Ley.“ Schnaufte er und unsere Blicken begegneten sich. Er drehte sich zu mir und umarmte mich. „Was soll ich sagen.“ Ich fragte mich, warum er verzweifelter klang als ich. „Nichts.“ Flüsterte ich. „Sag nichts, es wäre die Worte nicht wert.“ Doch geisterte jetzt eine ganz andere Frage in meinem Kopf herum. Unsere Umarmung lockerte sich und er sah mich wieder an. „Es tut mir leid.“ Mitfühlend sah er mich an und ich merkte, wie die Tränen langsam aber sicher hoch stiegen. „Dir braucht es nicht leid zu tun.“ Antwortete ich mit erstickter Stimme und fühlte, wie die Tränen heiße Rinnsale auf meinen Wangen hinterließen. „Es ist okay.“ Versuchte ich es abzutun, um nicht vollends zusammenzubrechen, schnell wischte ich sie weg.
Unsicher, ob es der richtige Moment wäre, doch war ich mir sicher, für meine dringliche Frage würde es nie einen richtigen Moment geben, ich biss auf meiner Unterlippe herum, dann platzte es quasi aus mir heraus. Doch versuchte ich, es möglichst beiläufig klingen zu lassen. „ Hast du mal wieder was von Jake gehört?“ Merklich schnürte sich mir die Kehle zu und ich konnte seine Antwort kaum erwarten. Sam schien die Dringlichkeit meiner Frage nicht zu erahnen und wie es aussah, schenkte er dem Ganzen nicht die Aufmerksamkeit, die wahrscheinlich nötig gewesen wäre, um zwischen den Zeilen zu lesen. „Hin und wieder meldet er sich, aber das letzte Mal ist schon eine ganze Weile her.“ Er starrte geistesabwesend vor sich hin. „Und, wie geht es ihm?“ Verhalten senkte ich meinen Blick und versuchte, nicht nervös von einem Fuß auf den anderen zu treten. „So weit ich weiß, ganz gut.“ Er ließ sich aber auch alles aus der Nase ziehen. Zwar waren die Informationen spärlich, aber es reichte mir zu wissen, dass es ihm gut ginge. Ich nickte vor mich hin und merkte wie, sich mein Herz mit Schmerz meldete. Dann störte Embry meine kleine Frage- und Antwort- Runde. „Wir fahren dann jetzt.“ Seine Stimme klang etwas bedrückt. „Wohin?“ Fragte ich erschrocken, ich wollte nicht, dass er ginge. „Nach Forks einkaufen, würde mich freuen wenn du mitkommst.“ Vorsichtig lächelte er. „Gerne.“ Schnaufte ich, er ahnte, dass ich etwas Ablenkung gebrauchen konnte und Jareds Anwesenheit für mich eine Strafe war.
Ich folgte ihm zurück ins Wohnzimmer. „Muss noch schnell meine Tasche holen.“ Sagte ich leise und ging schnellen Schrittes zur Tür hinaus. Auf halben Weg hörte ich Jared meinen Namen rufen, als ich über meine Schulter sah, kam er auf mich zugejoggt und ich legte einen Gang zu.
„Ich bitte dich inständig, rede mit mir.“ In seinen Worten war die Verzweiflung zuhören. Weiter folgte er mir, eilig versuchte ich, die Tür zu öffnen. Doch zitterten meine Hände dermaßen, dass ich das Schlüsselloch nicht traf. Er stand hinter mir und legte seine Hand auf meine Schulter, es fühlte sich so vertraut an und ich stellte meinen aussichtslosen Versuch ein. Unter seiner Berührung ließ es mich die Augen schließen. „Bitte.“ Flehte er. Langsam drehte ich mich um und sah in sein völlig verzweifeltes Gesicht, so hatte ich ihn noch nie gesehen. Das Chaos in meinem Inneren nahm Gestalt an.
„Ich liebe dich.“ Flüsterte er und war den Tränen nah, mein Fels in der Brandung bröckelte vor sich hin. Sein flehender Anblick ließ mich wanken, doch klangen diese Worte aus seinem Mund für mich wie Hohn, als wollte er mich verspotten und es ließ mich bitter auflachen. Wieder drehte ich ihm den Rücken zu und endlich bekam ich diese verfluchte Tür auf, ich stürzte hinein, doch er folgte mir. Verzweifelt versuchte er, mich dazu zu bringen, ihm Gehör zu schenken. „Ley, hör' mir wenigstens zu.“ Seine Stimme wurde ungehalten, doch streckte er hilfesuchend seine Hand nach mir aus, aber er wagte nicht, mich festzuhalten. Ich hatte ihm nichts zu sagen und noch viel weniger wollte ich seine lahmen Ausflüchte hören, schnaufend griff ich meine Tasche, ohne ihn anzusehen stürmte ich zur Tür hinaus, doch war er nicht abzuwimmeln und fuhr andere Geschütze auf. „Ley Cameron, du bist meine Frau!! Verdammt, rede mit mir!“ Seine Stimme wurde drohend laut. Was nahm er sich heraus, mich so anzufahren, das stand ihm nicht zu, nicht nachdem, was er uns angetan hatte.
Im ersten Moment erstarrte ich, dann fuhr ich wütend herum. „DAS.....fällt dir jetzt ein?“ In diesem Moment wäre ich ihm nur zu gern an die Kehle gesprungen. „Hast du auch an deine Frau gedacht, als die Cheerleader-Schlampe über dich rübergerutscht ist!!?“ Fauchte ich fuchsteufelswild und ging ein paar Schritte auf ihn zu, Tränen der Wut funkelten in meinen Augen. Mein Gefühlsausbruch als auch meine Worte ließen ihn verstummen. Noch einen Moment sah ich ihn verachtend an, er sah den Schmerz und auch, wie schlimm mich seine Worte verletzt hatten. „Dachte ich mir.“ Zischte ich auf meine unbeantwortete Frage, dann wand ich mich zum Gehen und ließ ihn hinter mir. Er wusste, jeder weitere Versuch würde das Gegenteil bezwecken, so ließ er mich gehen.
Embry und Julie standen in einiger Entfernung und hatten unsere kleine Vorführung der Ehe mitbekommen. Embrys sah Jared völlig entsetzt an und schüttelte fassungslos mit dem Kopf, dafür ruhte Julies mitleidiger Blick auf mir. Aber konnte ich keinen von beiden ansehen, ich war so wütend, dass ich jedem, der jetzt versucht hätte mir auch nur einen Schritt zu nah zu kommen, wild schreiend das Gesicht zerkratzt hätte. Schnurstracks ging ich zum Auto. „Ich fahre.“ Knurrte ich und keiner der beiden war versucht, mich davon abzuhalten. Ich warf mich auf den Fahrersitz und umklammerte mit beiden Händen so fest das Lenkrad, dass meine Knöchel sich langsam hell färbten. Für einen Moment schloss ich die Augen, um die Wut und die Hitze unter Kontrolle zubringen. Nachdem mir dass mehr schlecht als recht gelang, startete ich den Wagen. Embry sah mich ein bisschen ängstlich von der Seite an. Wir machten uns auf den Weg nach Forks und mit jedem gefahrenen Meter ebbte die Wut ab. Als wir auf den Parkplatz des Einkaufzentrums bogen, hatte ich mich so weit wieder im Griff, dass Embry mir sanft über den Arm fahren konnte, ohne dass ich ihm die Hand abbeißen wollte. Wortlos stiegen wir aus und Julie organisierte einen Einkaufswagen. Embry und ich schlichen nebeneinander durch die Gänge und schwiegen uns an. Julie war damit beschäftigt, dem Grund unseres Hierseins nachzukommen, sie arbeitete fleißig die Liste ab und ließ uns allein.
„Sie scheint wirklich nett zu sein.“ Flüsterte ich, ohne Embry anzusehen, dafür hakte ich mich bei ihm ein. Sie besaß dasselbe Feingefühl wie er, was ihre Anwesenheit sehr angenehm machte und das auch der Grund war, warum sie uns allein ließ. Nickend lief er neben mir her und tätschelte meine Hand. „Sie erinnert mich oft an dich.“ Lächelnd sah er mich an und auch mir entlockten seine Worte ein kleines Lachen. „Lass' uns raus gehen.“ Schnaufte er, kurz ließ er Julie wissen, wo wir waren. Verständnisvoll nickte sie, Embry hauchte ihr einen Kuss auf die Lippen und es ließ sie lächeln. Ich hoffte sie wusste ihr Glück, ihn an ihrer Seite zu wissen, zu schätzen.
Draußen lehnte ich mich an das Auto, Embry stand mir gegenüber. Er hielt nicht lange hinter dem Berg, mit dem was er wissen wollte. „Erzähl' mir, was passiert ist.“ Bat er mich mit verständnisvollem Blick. Seine Worte ließen mich tief Luft holen. „Eigentlich gibt es da nicht viel zu erzählen.“ Ausdruckslos sah ich ihn an. „Jared hat die Schlampe des Footballteams geknallt.“ Ich hatte gedacht, dass wenn ich dieses Gespräch mit ihm führen würde, es mir wesentlich schlechter dabei ginge. Es ließ ihn abwertend den Kopf schütteln. „War es abzusehen?“ Fragte er vorsichtig. Ich musste über seine Worte nachdenken, doch kam ich zu dem Entschluss, dass es das nicht war. „Weißt du, was mich viel mehr getroffen hat?“ Wieder sah ich ihn an, doch merkte ich jetzt, dass mir jedes Wort schwerer über die Lippen kam. „Mal ganz abgesehen davon, dass ich ihn in flagranti erwischt habe, warf er mir nach all den Jahren Jake vor und dass wir JETZT quitt wären.“ Embry wich die Farbe aus dem Gesicht.
„Das hat er nicht.“ Stammelte er, um Fassung ringend. Ich verschränkte meine Arme vor der Brust und nickte. „Wow, das ist mal 'ne Hausnummer.“ Flüsterte er und schien die Dreistigkeit von Jared entsetzt zu bewundern. Aber verschwieg ich ihm, dass Jared so die Erinnerung an Jake mit der Wucht einer Abrissbirne in mir wieder heraufbeschworen hatte. „Was hast du jetzt vor?“ Sanft nahm er meine Hand, küsste sie und hielt sie fest. Vor mich hinstarrend wusste ich, dass ich darauf noch keine Antwort gefunden hatte. Hilfesuchend sah ich ihn an. „Ich habe keine Ahnung.“ Er schob die Lippen vor und dachte nach. „Stell' dir nur eine Frage.“ Prüfend sah er mich an. „Liebst du ihn?“ Wenn seine Worte mir einleuchtend waren, so stellte ich mir doch eher die Frage, würde ich ihm je wieder vertrauen können und das wagte ich zu bezweifeln. Eifersucht war nie ein Thema zwischen Jared und mir, weil wir einander nie einen Anlass gaben, wir wusste aneinander zu schätzen. Doch wäre Eifersucht dann etwas, was unsere Beziehung dominieren würde und Eifersucht kann genau so zerstörend sein wie Untreue, was aber leider Gottes die logische Schlussfolgerung wäre. Unter diesen Umständen in unsere Zukunft zu sehen, ließ mich schaudern, so konnte und wollte ich nicht leben. Immer mit der Angst im Nacken, dass irgendwann eine neue Jen folgen könnte.
„Ach Embry, ich kenne Jared mein Leben lang, natürlich liebe ich ihn, er war alles für mich.“ Schnaufte ich und fühlte, dass ich es tatsächlich immer noch tat. Doch stellte sich mir die Frage, wie stark war die Liebe zum ihm, was wäre wenn ich eine Alternative hätte, die nicht so schmerzhaft wäre. Würde meine Entscheidung anders ausfallen? Könnte ich ihn aus verletztem Stolz zurück lassen und von neu beginnen? Die Antworten auf all meine Fragen würden unbeantwortet bleiben, ob ich hier, in Seattle oder an jedem anderen Ort dieser Welt wäre. Das einzige, um was ich Jared bitten sollte, wäre Zeit. Das war meine einzige Hoffnung, dass die Zeit mir Erkenntnis bringen würde, was anderes würde mir nicht übrig bleiben, um irgendwann vielleicht mal wieder glücklich zu sein, ob mit ihm, allein oder mit wem auch immer. Nie könnte ich zur Tagesordnung übergehen und so tun, als wäre das alles nicht gewesen, wenn ich Jared auch liebte, so hatte diese Liebe Risse bekommen, von denen ich nicht wusste, wie tief sie waren.
Julie kam mit dem vollgeladenen Einkaufswagen angefahren. Gemeinsam verstauten wir alles in Taschen und dann im Kofferraum, während sie den Wagen wieder weg brachte, nahmen Embry und ich schon mal Platz. „Du wirst richtig entscheiden.“ Flüsterte er voller Zuversicht und lächelte mich aufmunternd an. Was ich auch tun würde, er würde hinter mir stehen, das beruhigte mich.
Der Rückweg war um einiges entspannter als die Hinfahrt, teilweise konnte ich meine Gedanken schweifen lassen und mal an nichts denken, wenn dieser Zustand auch nicht lang anhielt. Ich parkte den Wagen und wir begannen, ihn auszuladen. Die ersten Taschen schleppten wir noch allein, dann spannten wir Seth und Paul mit ein, um Jared machte ich einen Bogen, als hätte er die Pest. Als Julie und ich das letzte Mal zum Wagen gingen, um die Reste zu holen und um abzuschließen, sah sie mich an. „Darf ich dir einen Rat geben?“ Fragte sie leise und es verwirrte mich, sie kannte weder mich, noch die Geschichte die hinter all dem stand. Etwas irritiert sah ich sie an. „Hör' auf dein Herz. Wenn es jetzt vor Schmerz schreit, hör' genau hin, es wird dir den richtigen Weg zeigen.“ Sie wand sich mit den letzten Taschen ab und ging. Unfähig, irgendetwas zu sagen, starrte ich ihr hinterher. Sollte die Lösung, die Antworten auf all meine Fragen so leicht zu finden sein? Ihre Worte ließen mich wieder einmal nachdenklich werden, nachdem ich den Wagen abgeschlossen hatte, rang ich mich dazu durch, zum Strand zu gehen und ein bisschen für mich zu sein. Mein altes Zuhause würde mir wieder nur vor Augen führen, wie schlecht ich darin war, vernünftige Entscheidungen zu treffen und bei den anderen war Jared. So war der Strand, wie ich fand eine gute Lösung, wenn es auch nur für ein paar Stunden war.
Mit um mich geschlungenen Armen schlurfte ich durch den Sand und sah auf das Meer, das leise Rauschen der Wellen war eine wunderschöne beruhigende Melodie. Ein paar Schritte ging ich noch, ehe ich mich hinsetzte. Verträumt starrte ich vor mich hin, zeitweise machten meine Gedanken, was sie wollten und zauberten mir vergangene Momente vor Augen. Als Jared und ich zeitgleich den Brief der Uni öffneten und uns mit Freudentränen in den Armen lagen, als wir das Appartement in Seattle fanden, unsere erste gemeinsame Wohnung, wir waren so stolz. Wie oft er verzweifelt über seinen Bücher gesessen hatte und doch nie einen Augenblick daran dachte, aufzugeben, wenn sein Blick auf mir ruhte und mich wissen ließ, wie sehr er mich liebte. Unsere Hochzeit hier an diesem Strand, an dem wir uns ewige Liebe schworen, in guten wie in schlechten Zeiten. Es waren atemberaubende Momente voller Glück, mir wurde bewusst, wie vergänglich all dass war, wie gnadenlos die Zeit gegen uns arbeitete und am Ende würde uns nichts bleiben. Warum war das Schicksal so gnadenlos, uneinsichtig, warum wollte es mich mit Gewalt in die Knie zwingen? Könnte es nicht mitfühlend, verständnisvoll sein oder einfach jemand anderen in seinen Fokus nehmen und mich nur für eine kleine Ewigkeit verschonen?
Jetzt versank ich in Selbstmitleid. Hatte ich in meinem Leben nicht schon genug durchgemacht, konnte ich nicht mal glücklich sein und es auch bleiben? Mein Gemütszustand schwankte von Dankbarkeit, über Wut und Hass bis hin zur Verzweiflung. Momentan fand ich mein Leben unerträglich, so wie es jetzt war, war es kein Leben, es war eine Strafe. Aber eine Strafe für was? Was hatte ich so schreckliches verbrochen, dass ich so etwas verdient hatte? War es die Strafe für eine falsch getroffenen Entscheidung? Wenn alle Entscheidungen, die man im Leben traf, so weitreichende Auswirkungen hätten, würde ich es in Zukunft tunlichst vermeiden. Mit der Entscheidung drängte sich auch Jake wieder an die Oberfläche, mir fiel auf, dass ich an derselben Stelle saß, an der mir damals bewusst wurde, dass ich in liebte. Obwohl ich es jetzt schon lange wusste, dass es damals so war, fühlte ich doch wieder die Verzweiflung und den dumpfen Schmerz aus längst vergangener Zeit.
Ich horchte in mich, ob nach dieser langen Zeit noch immer der kleine Schmetterling mein Inneres bewohnte. Aber ich konnte ihn nicht fühlen, es war, als hätte er seine Flügel verloren. Ihn nicht finden zu können, machte die letzte Hoffnung zu Nichte. Ich vergrub das Gesicht in meinen Armen, die auf meinen Knien ruhten. Ich fühlte den Verlust, erst jetzt fühlte es sich wirklich nach einem Verlust an, dass ich Jake damals gehen ließ. Ich vermisste ihn, nach Jahren des Vergessens fühlte es sich an, als würde es mich zerreißen. Erst versuchte ich, gegen die aufsteigenden Tränen anzukämpfen, aber warum, es war ohnehin jeder Kampf verloren, warum dafür noch Kraft verschwenden, die ich nicht mehr hatte.
Das Schluchzen schüttelte mich und ließ mich nach Luft schnappen. Wissentlich, dass diese Tränen dem Einen galten. Den ich aus freien Stücken aus meinem Leben verbannte, unter den falschen Überzeugungen, dass es das Beste wäre. Und wählte den, den ich damals als das Beste erachtete, der Zerstörung brachte, mein Herz brach und es mit Füßen trat. Hätte ich die Kraft besessen, hätte ich meine Verzweiflung heraus geschrien, doch so schluchzte ich weiter leise vor mich hin.
Eine Berührung riss mich aus der Tiefe meiner Verzweiflung, jemand strich sanft über mein Haar. Es fühlte sich warm und vertraut an, langsam ließ es mich meinen Kopf heben. Jared kniete vor mir, seine Augen, seine Haltung, alles an ihm flehte mich an und ich war für einen kurzen Augenblick versucht, mich in seinen Armen über Jake hinwegzutrösten. Aber mit welchem Resultat? Eine kurze Zeit sah ich ihn an, dann aber ging mein Blick an ihm vorbei, zur unendlich scheinenden Weite des Meeres. Ich wünschte, es würde mich mitnehmen und an einen anderen Ort spülen, einen Ort, an dem es keine quälende Erinnerung geben würde.
Er setzte sich neben mich und sah mich weiter an. Ich wusste noch nicht mal mehr, ob mir seine Anwesenheit unangenehm war. Es fühlte sich an, als würde es keinen Unterschied machen, ob ich hier allein oder mit ihm sitzen würde. Es war egal. „Wenn ich könnte, würde ich es ungeschehen machen.“ Flüsterte er mit brüchiger Stimme. Versuchte er, mich jetzt mit meinen eigenen Waffen zuschlagen? Die ich einst wählte, um ihn um Verzeihung zu bitten. Im Ansatz war ich zwiegespalten, ich schenkte dem, was er sagte, Glauben. Bestimmt würde er die Zeit zurückdrehen, wenn er könnte, doch war ich mir sicher, seine Beweggründe waren andere als die, die ich mir wünschte. Ich wünschte mir, das mit Jen wäre nie geschehen oder von mir aus wäre es geschehen, aber ich hätte es nie erfahren. Ich war mir sicher, dass er sich sehnlichst wünschte, er hätte Jake mit keinem Wort erwähnt. Wenn er Jake nicht erwähnt hätte, hätte ich ihm wahrscheinlich verzeihen können. Für Jared waren es die Geister, die er rief.
„Ich weiß.“ Antwortete ich tonlos und sah ihn wieder an, ich betrachtete ihn und hatte das Gefühl, er war mir fremd, er war nicht der Jared, ohne den ich nicht hätte leben können. Ich fragte mich, ob ich ohne diesen Jared, der jetzt neben mir saß, leben könnte. Tief ließ es mich Luft holen, erneut vergrub ich mein Gesicht und wippte langsam vor und zurück. Eine Zeit saßen wir da, keiner brach das Schweigen. Dann trafen sich unsere Blicke erneut und er hielt mir tröstend seine Hand entgegen. Es war wie ein Schlag in den Magen, die selbe quälende Situation wie vor ein paar Jahren. Das konnte nicht wahr sein, wenn ich dachte, ich wäre an der Grenze des Schmerzes angekommen, so bot er jetzt noch so viel mehr Spielraum, mich zu foltern. Mein Herz schien zu bersten, ich konnte dem nicht mehr standhalten, sprang auf und rannte, als wäre der Teufel hinter mir her. Jared konnte meine Reaktion nur falsch verstehen, er wusste nicht, was sich damals am Strand zugetragen hatte.
Als ich den Strand hinter mir gelassen hatte, ging ich schnellen Schrittes und wischte schniefend die Tränen weg. Jetzt wieder etwas beherrschter, öffnete ich die Haustür. „Du kommst wie gerufen!“ Trällerte Seth. „Das Essen ist fertig. Er sah mich an, dann verstummte er für einen kurzen Moment. „Ohh, wie ich, sehe du auch.“ Ich wusste, es war nicht boshaft gemeint, er sprach es aus, ohne dass er darüber nachdachte. Doch entlockte mir seine unbekümmerte kindliche Art ein kleines Lachen. Ohne dass ich mich im Spiegel ansehen musste, war mir klar, er hatte wahrscheinlich recht. Embry kam aus der Küche, mein Anblick ließ sein Gesicht vor Schmerz verzerren. Er ging zur Treppe und streckte die Hand nach mir aus. Ich tat ein paar Schritte und ergriff sie, wortlos zog er mich hinter sich her nach oben, den Flur entlang in sein Zimmer. Er legte sich auf sein Bett und klopfte neben sich, darum ließ ich mich nicht zweimal bitten. Ich legte mich zu ihm und robbte ganz dicht an ihn, seine Arme umschlossen mich warm und beschützend, er war der einzige, der in jeder Sekunde wusste, was ich brauchte, es war wie in den guten alten Zeiten, in denen wir jede Minute miteinander teilten. Er war mein Embry, die einzige Liebe, die mich nie enttäuschen könnte, wir liebten einander bedingungslos und wir gaben Acht, den anderen nicht zu verletzen. Seine Wärme machte mir bewusst, wie alles an meinen Kräften zerrte, wie müde und erschlagen ich war. Wenn ich auch diese kostbare Zeit mit ihm genießen wollte, so schlossen sich meine Augen und ich schlief ein.
Sanft strich etwas über meinen Arm, benommen öffnete ich die Augen. Mittlerweile war es dunkel draußen, ich hatte keine Ahnung, wie lange ich geschlafen hatte. Embry lächelte mich liebevoll an, es machte mich unsagbar froh, dass er immer noch an meiner Seite war. Doch wanderte sein Blick von mir und blieb hinter mir auf etwas anderes geheftet. Noch immer nicht alle Sinne beisammen, folgte ich seinem Blick. Jared saß vor das Bett gehockt und versuchte, mir ein Lächeln zu schenken. Ich fragte mich, was das werden sollte, unsicher drückte ich mich näher an Embry. Dann ergriff Jared das Wort. „Ich muss morgen zurück. Möchtest du mit? Oder möchtest du noch bleiben?“ Seine Stimme war tief, angenehm und verständnisvoll. Wenn der Gedanke, hier ein paar Tage in Ruhe zu verbringen, ohne ihn im Nacken, verlockend wäre, so würde doch kein Weg daran vorbei führen, dass ich mit zurück müsste. Wie sollte ich sonst nach Seattle kommen? Einen Moment dachte ich nach.
„Ich komm' mit.“ Flüsterte ich heiser und vergrub mein Gesicht wieder an Embrys Brust. Ich hörte Jared erleichtert ausatmen, doch hoffte ich, er würde keine falschen Schlüsse ziehen. Er verließ das Zimmer. „Wo ist eigentlich Julie?“ Fragend sah ich Embry an. „Sie schläft heute mal zu Hause. Du hast mich ganz für dich allein.“ Grinste er und küsste meine Stirn. Erst hatte ich ein bisschen das Gefühl, ich hätte sie vergrault, was sicher nicht meine Absicht war. Doch sah ich es dann als Geschenk, welches sie mir machte und es was schönste, was ich je bekommen hatte. Zeit mit meinem besten Freund. „Sag' ihr Danke von mir.“ Murmelte ich, kurz vor dem wieder einschlafen. „Das mache ich gerne.“ Lächelte er und zog die Decke ein bisschen höher. Ein kleines „Liebe dich.“, brachte ich noch zustande und verschwand in eine Welt, in der alles gut zu sein schien.
Mein Kopf ruhte auf Embrys Brust, die sich sachte hob und senkte, mein Blick fiel auf den Wecker und ließ mich wissen, dass es mitten in der Nacht war. Vorsichtig rollte ich mich von Embry, leise knurrte er vor sich hin. Mit einer Hand suchte ich vor dem Bett nach einer Wasserflasche, als ich mich dann schlussendlich über die Kante hing, sah ich, dass keine da war und ich hatte ganz schrecklichen Durst. Leise stand ich auf, zuppelte mir aus Embrys Schrank einen Boxershort und ein T-Shirt, damit ich es bequemer hatte und zog mich um. Dann bahnte ich mir meinen Weg durch die Dunkelheit, an der Treppe nach unten nahm ich Geflacker wahr, wie es schien, lief der Fernseher.
Ich schlich die Treppen hinunter, doch seit Jahr und Tag knarrte eine Stufe und verriet jeden, der sie hinunter schlich. Jared verdrehte sich den Hals, wieso war er noch wach? „Hey!“ Flüsterte er. „Hey.“ Wiederholte ich seine Worte und schlurfte in die Küche. Ich machte kein Licht, es würde nur in den Augen wehtun. Im Halbdunkeln öffnete ich den Kühlschrank und nahm mir eine Flasche Wasser, doch musste ich erst einen Schluck trinken, bevor ich mich auf den Weg zurück ins Bett machte. Nachdem ich die Flasche wieder zugedreht hatte, drehte ich mich um und wollte wieder hoch, als ich etwas unsanft vor Jared stieß, der direkt hinter mir stand.
Mein Blick wanderte von seiner breiten Brust höher zu seinem Gesicht. Ohne Vorwarnung, ohne dass ich es hätte ahnen oder mich in irgendeiner Weise darauf vorbereiten können, riss er mich an sich. Fest drückte er mich und ich hörte, wie er tief einatmete, ich wusste, dass ihm das fehlte, er war immer schon eine Schmusebacke gewesen. Er war für ihn unheimlich wichtig, Körperkontakt zuhalten, wenn er auch nur seine Hand auf meine Rücken oder Bauch legte, er musste mich immer irgendwie spüren. Aber ich war nicht anders, ich hätte mich aus seinen Armen winden sollen, aber es fühlte ich sich so vertraut an. Dann schlossen sich auch meine Arme um ihn. Mein Kopf ruhte an seiner Brust, ich wusste wie falsch es war, aber er war doch mein Mann. Wenn er auch zeitweise zum Vollidioten mutierte, so konnte man die Jahre voller Glück nicht gänzlich zur Seite schieben. In guten wie in schlechten Zeiten, jagte es durch meinen Kopf. Aber was war mit den unverzeihlichen Zeiten, darüber ward kein Wort geschrieben.
Langsam strichen seine großen Hände beruhigend über meinen Rücken und noch ein bisschen fester schmiegte ich mich an ihn und sog seine Wärme auf. Nicht wissend, ob es das letzte Mal wäre. Ein letztes Mal? Ein letztes Mal alles geben? Es ließ mich seufzen, er drehte mein Gesicht zu seinem, seine Augen verrieten ihn, verrieten seine Trauer und seine Verzweiflung. Ich ließ mich hinreißen, im Schutz der Dunkelheit begegneten sich unsere Lippen. Verdammt, es war so gut, doch verpasste ich unter seinen leidenschaftlichen Küssen den Moment, an dem ich noch alles hätte abwenden können, jetzt gaben wir Vollgas, wir gaben und nahmen alles. Seine Leidenschaft schien grenzenlos und dieser Moment ließ mich für den Augenblick vergessen. Wenn es auch an ein böses Erwachen gekoppelt wäre, davon wollten wir beide nichts wissen. Jetzt gab es nur uns, keine Vorwürfe, keine Schuldzuweisungen, keine Zweifel, nur uns und wir waren besser denn je. Zeitweise musste ich echt an mich halten, damit ich nicht das ganze Haus zusammen schrie, doch presste ich Jared hier und da meine Hand auf den Mund, damit auch er uns nicht verriet.
Laut keuchend fiel ich nach vorn und war über ihn gebeugt. Meine Hand war auf seine Brust gestützt und ich fühlte, wie sein Herz raste. Sein Blick wanderte über meine Gesicht, als versucht er, darin etwas zu lesen. Ein letztes Mal beugte ich mich näher zu ihm und berührte sanft seine Lippen mit den meinen, genießend schloss er die Augen und stöhnte leise, dann machte ich mich daran meine oder besser gesagt, Embrys Klamotten einzusammeln und anzuziehen. Ohne ein Wort, ohne einen weiteren Blick lief ich die Treppen hoch. Als ich aus dem Bad kam, stand Jared in seine Tür gelehnt, kurz sah ich ihn an, dann senkte ich den Blick, ging stillschweigend in Embrys Zimmer und schloss die Tür. Wahrscheinlich hatte ich damit Hoffnung in ihm geweckt, von der ich nicht wusste, ob sie vielleicht enttäuschender denn je für ihn werden könnte. Es fühlte sich ziemlich schäbig an, jetzt wieder zu Embry in Bett zu schlüpfen. Da ich nicht wirklich eine Wahl hatte, die in Frage käme, tat ich es zum Trotz. Es dauerte eine ganze Zeit, ehe ich das Geschehene zu Seite schieben konnte und endlich wieder in den Schlaf fand.
Chapter 6
´Oh mein Gott´, war der erste Gedanke, der mir durch den Kopf schoss, als ich das Bewusstsein wieder erlangte. Was hatte ich mir nur gedacht, als ich letzte Nacht gnadenlos durchzog. Ich war mir nach kurzer Überlegung ziemlich sicher, dass ich überhaupt nicht nachgedacht hatte. Dass ich Jared wahrscheinlich das Gefühl gab, ich hätte ihm das, was er mit Jen veranstaltet hatte verziehen, schlimmer noch, dass wir uns wahrscheinlich auf einem Weg befanden, der uns einander wieder näher brachte.
Fester drückte ich mein Gesicht in Kissen, ich wollte mich in Luft auflösen, als sich jemand räusperte und mich aufsehen ließ. Embry lag noch immer neben mir, er hatte seinen Kopf auf einen Arm gestützt und lächelte. „Guten Morgen, Sonnenschein.“ Flüsterte er und fuhr sanft über meinen Rücken. Es ließ mich schnaufen. „Morgen.“ Murmelte ich und ließ den Kopf wieder sinken. „Ich find' s echt schade, dass du heute wieder fährst.“ Beschwerte er sich. Mein Gesicht drehte ich zu ihm und sah, dass er 'ne Schnute zog. „Find' ich auch.“ Stöhnte ich leise und dachte an die mir bevorstehende Autofahrt, resigniert schloss ich für einen Moment die Augen. Dann, wie von der Tarantel gestochen, sprang ich auf. „Ähhh.....ich muss duschen.....gaanz dringend.“ Als könnte ich die vergangene Nacht mit Wasser wegspülen. Eilig suchte ich meine Klamotten zusammen, Embry sah mich völlig verwirrt an. „Geht´s dir gut?“ Vernahm ich in der Hetze seine verwunderte Stimme. „Ja, geht.“ Stammelte ich und joggte mit den Klamotten unter dem Arm aus seinem Zimmer, die Treppe hinunter.
Zu allem Übel waren alle anderen schon auf. Unten angekommen, zog mein leicht panischer Aufbruch sämtliche Blicke auf sich. Langsam kam Embry hinter mir die Treppe herunter. „Is' was?“ Fragte Sam und sah mich mit zusammengezogenen Augenbrauen an. Als jetzt Jared aus der Küche kam, wünschte ich mir ein Loch, in dem ich hätte verschwinden können, wie es schien, war auch er gerade erst auf gestanden, er stand in Boxershorts und Shirt im Rahmen der Küchentür und lächelte mich vorsichtig an. Embry unterbrach unseren Blickkontakt. „Wieso hast du meine Boxershorts an?“ Fragte er Jared und wunderte sich. Jared sah an sich herunter und schien selbst ein bisschen sprachlos. So wie es aussah, hatte ich gestern im Eifer des Gefechts die falsche Buxe geschnappt. Das war mein Startschuss, schnell schlüpfte ich meine Schuhe, riss die Tür auf und hinter mir schloss sie sich mit einem Knall. Ich hoffte, Jared würde sich gekonnt aus dieser völlig bescheuerten Situation herauswinden und ließ es nicht auffliegen. Wäre es nicht so verfahren, hatte ich lauthals über Jareds dummes Gesicht lachen können.
Im Laufschritt hatte ich in kürzester Zeit mein Ziel erreicht. Erst als ich hinter mir die Tür schloss, konnte ich durchatmen und verfluchte meine fehlende Disziplin, wie auch meine Selbstachtung. Dann verfolgte ich meine eigentliche Absicht und ging duschen.
Doch als ich fix und fertig mit gepackter Tasche im Wohnzimmer stand und diesem Haus mit all seinen Erinnerungen fürs erste ´Lebe wohl´sagen musste, fiel es mir schwerer denn je. Könnte ich Jake hier lassen? Oder musste ich ihn hier lassen, um irgendwie weiter zu kommen und vielleicht doch einen verstohlenen Blick in meine Zukunft zuwerfen? Jake und mir wurde damals für einen Augenblick die Chance gegeben, füreinander da zu sein, die ich aber ungenutzt verstreichen ließ. Das Resumeé meiner kurzen Heimkehr hatte zum Ergebnis, dass ich nach wie vor keinen Plan hatte, wie es weiter gehen könnte. Bis auf das ich in Jared wahrscheinlich falsche Hoffnung geweckt hätte.
Ein letzter Blick fiel zu Jakes Zimmertür. Dann öffnete ich die Haustür und wollte gehen, als sich die angelehnte Zimmertür leise knarrend öffnete. Mit Augen so groß wie Teller starrte ich sie an. Auf was wartete ich, eine Erscheinung? Doch war es nur der Wind, der mich immer noch an Jake festhalten ließ. ´Gott, wach auf!´, tadelte ich mich selber und machte mich auf zum letzten gemeinsamen Frühstück.
Da Julie noch nicht wieder hier war, war der Platz neben Embry frei, den ich direkt für mich beanspruchte. „Na, wurde die Boxershort- Affäre aufgeklärt?“ Flüsterte ich und konnte mir ein kleines Lachen nicht verkneifen. „Nach wie vor äußerst mysteriös.“ Grinste Embry und zog geheimnisvoll eine Augenbraue hoch. Wie ich ihn so ansah, wusste ich, dass die ersten Tage in Seattle quälender denn je werden würden, am liebsten hätte ich ihn mitgenommen. Ich schnappte mir die Kaffeekanne und ließ meinen Blick durch die Runde wandern. Es lag schon ein bisschen Wehmut in der Luft. Bis auf Jared, der ganz zufrieden schien und mich verstohlen anlächelte, da wären auf der Fahrt nach Hause ein paar klärende Worte nötig. Hurra, ich konnte es kaum erwarten, doch sollte ich es mir aufsparen bis wir fast zu Hause wären, sonst würden das wahrscheinlich die furchtbarsten Stunden meines Lebens werden , obwohl ich sicher war, dass ich die schon hinter mir hatte. Die letzte Stunde genießend lehnte ich mich an Embry und schlürfte meinen Kaffee. Ich überlegte, wenn wir zurück wären, ob ich fürs erste bei Livia unterkäme, zwar hätte ich nicht wirklich Ruhe, aber wäre ich räumlich von Jared getrennt. Wenigstens für eine Zeit und dann müssten wir sehen, wie es weiterginge.
Ich war so in Gedanken, dass mich Jareds Worte zusammenzucken ließen. „Wir müssen los.“ Er wusste, was dieser Abschied mir abverlangte, laut ließ es mich Luft holen und mein Blick wanderte zu Embry, an den ich immer noch gelehnt saß. „Ich liebe dich.“ Flüsterte ich und hauchte ihm einen Kuss auf die Wange. Sein Blick sprach Bände, ihm fiel es genauso schwer mich gehen zulassen. Aber er hatte Julie und sie würde sich gut um ihn kümmern. Alle erhoben sich und gingen mit zum Auto. Erst drückte ich Quil und Paul, ich war mir fast sicher, dass Paul sich ein paar Tränchen verdrücken musste. „Ich bin ja nicht aus der Welt.“ Flüsterte ich und er schniefte. Dann wandte ich mich Seth zu, es ließ mich schnaufen. Dann schloss ich ihn in meine Arme. „Du wirst mir fehlen. Pass' gut auf dich auf.“ Vereinzelt kullerten jetzt die Tränen. Sam hielt mir schon seine ausgestreckten Arme entgegen. Als er mich fest an seine Brust drückte, flüsterte er so leise, dass es sonst niemand mitbekam. „Wenn was ist, ruf an! Ich hol´dich!“
Seine Fürsorge machte den letzten Rest meiner Selbstbeherrschung zunichte. „Danke.“ Schluchzte ich und küsste seine Wange. Doch jetzt stand mir der schwerste Gang bevor. Der Abschied von meiner ewigen Liebe. Embry wischte die Tränen von seinen Wangen. Ich stand vor ihm und wir sahen uns an. Laut schluchzte ich auf und ohne Worte fielen wir uns in die Arme. „Ich liebe dich.“ Weinte er leise. „Ich liebe dich mehr.“ Schluchzte ich laut. So schön es war nach Hause zu kommen, so schlimmer war es, Abschied zunehmen. Er nahm meine Gesicht in seine Hände. „Pass' gut auf dich auf, ich kann es nicht mehr.“ Ich nickte und seine Worte führten mir vor Augen, wie weit wir bald wieder von einander getrennt wären. Ein Stück meiner Selbst blieb bei jedem Abschied zurück und ich fühlte mich unvollständig. Unsere Umarmung löste sich widerstrebend, mit hängenden Schultern ging ich zum Wagen und nahm auf dem Beifahrersitz Platz. Noch bevor Jared losfuhr, hielt er mir ein Taschentuch entgegen. „Danke.“ Schniefte ich mit erstickter Stimme, dann fuhr er los. Die Leere fand ihren Weg zurück, mit dem Kopf an die Scheibe gelehnt, ließ ich meinen Gedanken freien Lauf.
Die Hälfte der Strecke hatten wir geschafft, als Jared ohne ein Wort zu verlieren, seine Hand auf mein Bein legte. Wenn ich auch jeden Trost gerne angenommen hätte, das war mir in diesem Moment zu viel und ein klärendes Gespräch konnte nicht länger aufgeschoben werden.
„Jared.“ Stöhnte ich, doch blieb meinen Blick aus dem Fenster gerichtet. „Ja?“ Seine Stimme klang ein bisschen ängstlich. Ich biss auf meiner Lippe herum und suchte nach den richtigen Worten, ich wollte ihn nicht unnötig verletzen. „Letzte Nacht.....“ Begann ich meinen Satz, doch wusste ich nicht, wie ich ihn zu Ende bringen sollte. So weit es ihm möglich war, sah er mich immer wieder an und wartete geduldig. „.......es war falsch.“ Schnaufte ich, wissentlich wie es ihn treffen würde, aber wie sollte man so ein Gespräch führen ohne den anderen vor den Kopf zustoßen. „Nein.“ Brummte seine samtene Stimme mit voller Überzeugung. Etwas verwirrt über seine Reaktion sah ich in an. „Wie? Nein?“ Fragte ich und wusste nicht, was ich davon halten sollte.
„Es war nicht falsch.“ Er war völlig ruhig und sein Gesicht entspannt. Mit zusammengezogenen Augenbrauen sah ich in an und wusste nicht, was ich darauf kontern sollte. „Du liebst mich.“ Seine eigenen Worte zauberten ihm ein Lächeln ins Gesicht. Es fing an mich zu ärgern, dass er mich nicht ernst zunehmen schien und mir rutschte etwas heraus, dass ich nie hätte sagen dürfen. „Ach so ist das, mit dem man sich durch die Laken wälzt, den liebt man?!“ Wütend sah ich ihn an und ich sah, wie es bei ihm ´Klick´ machte, doch musste ich es aussprechen. „Da kann Jen sich glücklich schätzen! Wir können ja 'ne WG aufmachen.“ Ich war gemein und unfair, ich war ein Biest. Sein Lachen wich und entsetzt sah er mich an. „Was soll ich deiner Meinung mach machen, damit du mir verzeihen kannst?“ Jetzt wurde er laut, er fühlte sich ungerecht behandelt und genauso war es, ich war ungerecht zu ihm. Doch da ich erst mal in Fahrt war, gab es kein Halten.
„Als ich klein war, habe ich gelernt, wenn man einen Fehler gemacht hat, es das mindeste ist, sich dafür zu entschuldigen!!“ Keifte ich. Er fuhr auf den Seitenstreifen, bockend kam der Wagen zum Stehen. „Und das hast du mit keinem Wort getan. Vielleicht, weil es so ist. Vielleicht tut es dir ja gar nicht leid, das ist meine Schlussfolgerung.“ Noch immer fauchte ich wie eine wild gewordene Katze und er sah mich fassungslos an. „Das denkst du von mir?“ Dann wurde sein Blick verletzt und seine Stimme ruhig. „Meinst du wirklich, wenn es mir egal wäre, was aus uns wird, wäre ich nach La Push gekommen?“ Vor Wut schnaufend rutschte ich auf meinem Sitz hin und her. „Es tut mir aufrichtig leid, was ich dir zugemutet habe. Sie hat mir nichts bedeutet.“
Ich wusste, dass es ehrlich war, aber das, was ich meinte, war nicht die Sache mit Jen. Trotz seiner Entschuldigung ebbte die Wut nicht ab. „Das mit Jen ist eine Sache, über die wahrscheinlich noch hätte hinwegsehen können.....“ Dann stockte ich und musste tief Luft holen, dass die Tränen, die langsam hochstiegen, nicht die Oberhand gewannen. Seine Augen weiteten sich, meine Aussage schien ihn zu überraschen.
„Warum hast du ihn mir wieder ins Gedächtnis gerufen?“ Die Tränen liefen über. „Du weißt genau. wie es damals war. Ich hab´ mich für dich entschieden und es scheint dir nicht zu reichen. Nach so langer Zeit ihn wieder in unser Leben zubringen.“ Ich schüttelte verzweifelt den Kopf und sprach aus, wie es war. „Damit hast du soviel, was vergessen schien, wieder in mir wachgerufen, darüber bist du dir gar nicht im Klaren.“ Ich konnte ihn nicht länger ansehen, mein Blick ging zum Fenster hinaus und jetzt da es gesagt war, verschwand die Wut und Traurigkeit nahm ihren Platz ein.
„Was soll das heißen?“ Er kapierte, dass unsere Zukunft drohte den Bach runter zugehen. „Ley, ich liebe dich.“ Verzweifelt griff er meine Hand und ich sah ihn wieder an. „Du liebst mich so sehr....“ Flüsterte ich und tätschelte seine Hand. „ ….so sehr, dass du mich erbarmungslos in den Zwiespalt jagst und mich langsam aber sicher, Stück für Stück verlierst, an jemanden, von dem ich noch nicht mal weiß, in welchem Land auf dieser Welt er lebt. Der nur in meinen Erinnerungen existiert. Es ist soviel mehr, als es zu sein scheint.“ Er rang um Fassung, dass ich es aussprach, führte ihm vor Augen, wie es um uns stand. Jetzt wusste er, gegen wenn er zu kämpfen versuchte „Das kann nicht dein Ernst sein.“ Er war völlig hilflos. „Nein, es war dein Ernst, als du es mir vorgeworfen hast. Lerne, mit deinen Entscheidungen zu leben. Manche sind unwiderruflich.“ Meine Ehrlichkeit, die ihn so sehr verletzte, tat mir leid. So sollte es nie kommen, ich wollte ihm nicht wehtun, aber war nicht ich diejenige, die diesen Stein ins Rollen brachte. „Ich kann nicht ohne dich leben, du bist alles für mich.“ Ich konnte nur zusehen, wie er langsam zu ertrinken drohte.
„Du warst auch alles für mich.“ Ich beugte mich vor, fuhr sanft über seine Wange. Er schloss die Augen und seine Brust bebte. „Die Liebe meines Lebens, meine verwandte Seele.“ Tief holte ich Luft, unaufhaltsam liefen die Tränen. „Die sich von mir abwandte, ohne es zu wissen, ohne zu verstehen. Ja, Jared ich liebe dich und ich werde es bis an Ende meiner Tage tun.“ In dem ich es aussprach, traf es mich selbst mit voller Härte, ich hoffte, ich hätte die Stärke, mein Leben ohne ihn zu meistern, aber sicher war ich mir nicht. Uns verband so unsagbar viel, sollte ich es tatsächlich beenden, aufgrund einer Erinnerung aus längst vergangener Zeit?
„Lass' es mich beweisen, dass wir zusammen gehören, dass wir es zusammen schaffen können, gib mir nur eine letzte Chance und wenn es für dich unerträglich wird, beenden wir es, aber mit dem Wissen, alles versucht zu haben. So kann ich dich nicht gehen lassen.“ Er brachte meinen Versuch, sich jetzt und hier erhobenen Hauptes von einander zu verabschieden, ins Wanken. Er tat mir so unsagbar leid, wie er sich an den Rest zu klammern versuchte, der von der alles überragenden Liebe noch übrig war. War ich so herzlos, dass ich ihn zurücklassen wollte, ohne mich auch nur ein einziges Mal umzudrehen und zu sehen, wie es ihm den Boden unter den Füßen wegriss. Einst hatten wir füreinander bis aufs Blut gekämpft, wir hätten unser Leben für den anderen gegeben. Weil wir alles für den anderen waren. Sollte Jake jetzt schaffen, was vor Jahren undenkbar schien?
„Das ist alles, worum ich Dich bitte, Ley.“ Sein Anblick versetzte mir kleine, feine Stiche.
„Gib mir Zeit.“ Bat ich ihn, wie es schien, war auch ich noch nicht bereit ihn aufzugeben, ein kleiner Teil schien an ihm festzuhalten. Selbst als ich damals entscheiden musste, war ich innerlich nicht so zerrissen wie in diesem Moment.
Den Rest der Fahrt schwiegen wir einander an. Mein Kopf tat weh, wild jagte ein Gedanke den nächsten, dass es mir schwindelig wurde, das Chaos drohte mich zu verschlucken.
Jared hielt vor der Uni, misstrauisch sah ich ihn an. „Ich hab noch was zu erledigen.“ Sagte er sentimental. Vorsichtig fuhr er über meine Hand. „Pass' auf dich auf.“ Es war dass erste Mal, dass er es sagte, sonst war ich diejenige, die es tat. Ich senkte den Blick und nickte, als er ausstieg, nahm ich seinen Platz ein und startet den Wagen, er sah mir noch nach. Es widerstrebte mir nach Hause zufahren, so fuhr ich zu dem Platz, der einst unserer war. Es war das zweitgrößte Hochhaus der Stadt, über den Dächern von Seattle hoffte ich Ruhe zu finden und meine innere Ordnung wieder herstellen zu können. Gefunden hatte ich diesen Ort, als ich in einer Praxis in diesem Haus ein Praktikum absolvierte, das zu Beginn meines Studium war, doch dieser wundervolle Ort blieb uns all die Zeit erhalten. Es war unsere Art, der Welt zu entfliehen, wenn uns alles über den Kopf zu wachsen drohte. Vielleicht würde es mir helfen, dort zu sein.
Ich parkte den Wagen an der Hauptstraße und stieg aus. Als ich das Gebäude betrat, fiel mein Blick direkt auf die beiden Aufzüge, ich drückte den Knopf und wartete. Als sich kurz darauf die Türen öffneten, stieg ich ein, schnell endete die Fahrt im fünfundzwanzigsten Stock und die letzten Stockwerke musste ich laufen. Als ich über die Feuertreppe in die Sonne trat, war ich froh, entschieden zuhaben, hierher zukommen. Mit schwerem Schritt ging ich näher zum Rand des Daches, kurz sah ich hinunter, es war eine schwindelerregende Höhe. Ich setzte mich, schloss die Augen und ließ mich von der Sonne wärmen. So laut sich die Welt unten durch die Häuserschluchten zog, um so leiser war es hier. Nichts von dem eiligen Treiben, dem rastlosen Getümmel kam hier oben an. Eine Welt, die sich so schnell zu drehen schien, dass ich das Gefühl hatte, nicht mehr mithalten zu können. Es war ein Ort der Ruhe, an dem es mir möglich war, zu flüchten und einfach dem Himmel ein Stück näher zu sein.
Langsam sank ich zurück und starrte in den wolkenlosen Himmel von Seattle. Ich nahm mir vor, wenn ich mich hier losreißen könnte, sollte ich nach Hause, es führte kein Weg daran vorbei, doch nur um ein paar Klamotten zu packen, um dann bei Livia Unterschlupf zu suchen. Erbat ich mir von Jared Zeit, um zu lernen, dass ich nicht ohne ihn leben konnte? Oder dass ich ohne ihn leben konnte? Da ich Jareds und meine Zukunft fasst mit erschrockener Klarheit sah, malte ich mir aus, wie mein Leben mit Jake an meiner Seite verlaufen wäre. Ob wir mit denselben Problemen zu kämpfen gehabt hätten? Aber konnte ich das fast ausschlagen, Jake hatte Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt, um mir klar zu machen, was ich erst zu spät erkannte. Mit dem Ende, welches uns ereilte, würde er auf ewig der Märtyrer bleiben. Die Lichtgestalt im nicht endenwollenden Dunkel. Ob er dieser Rolle gerecht geworden wäre, würde ich nie erfahren. So war es an der Zeit, ihn gehen zulassen und mich nicht weiter mit Fragen zu quälen, auf die ich nie eine Antwort finden könnte. Ich würde Jared die Chance einräumen, um die er mich bat, so wie er sie einst mir gab, mit dem Wissen, dass wir alles versuchen würden und vielleicht doch scheiterten, würde es den Abschied erträglich erscheinen lassen. Damit wären wir dann in jeder Hinsicht quitt. Noch eine ganze Weile blieb ich dem Himmel nah, ehe ich mich durchringen konnte, dieses verzauberte Fleckchen Erde zu verlassen.
Die Aufzugtüren öffneten sich, meine innere Stärke war auf dem Weg zurückzukehren, es musste weitergehen, irgendwie, und es würde weiter gehen. Vielleicht war es eine der schwierigsten Prüfungen, die Jared und ich zu bestehen hatten. Ich begann, es als Herausforderung zusehen, an der ich nur wachsen konnte. Mit Schwung warf ich die Tasche über meine Schulter und trat vor die Tür, zurück ins Leben, mit all seinem Lärm, seinem Dreck, seiner Tristheit. Gedankenverloren lief ich den Weg zurück zum Auto, als ich es von weitem sah, stand jemand dagegen gelehnt. Ich sah mich um, ob ich wieder einmal irgendwo ein Halteverbotsschild übersehen hatte, konnte aber nichts dergleichen ausmachen. Langsam, mit misstrauischem Blick ging ich näher, als es nur noch gute fünf Meter waren, drehte dieser jemand sein Gesicht zu mir.
Es war als würde der Himmel über mir zusammenbrechen, dieses Gesicht hätte ich unter Millionen erkannt. Entsetzt blieb ich stehen, mir blieb die Luft weg und ich starrte ihn mit offenem Mund an. Als er mich sah, zog er langsam einen Mundwinkeln nach oben, drehte sich zu mir und ging langsam auf mich zu. Meine Hände begannen zu zittern und nachdem mein Herz sich wieder gefunden hatte, legte es einen Sprint hin. Kurz vor mir blieb er stehen, ich sah in das Engelsgesicht von vor längst vergangener Zeit. Es war erwachsen geworden, doch hatte es nichts von seiner unmenschlichen Schönheit eingebüßt.
***Jared´s Sicht***
Nachdem ich mit dem Coach geklärt hatte, dass ich das Team verlassen würde, hatte dieser mit Engelszungen auf mich eingeredet. Wie talentiert ich wäre und dass ich eine große Zukunft im Football- Geschäft vor mir hätte, mir alle Wege offenstehen würden, wenn wir diese Saison positiv abschließen würden. Wenn ich auch eine erfolgreiche Karriere als Footballprofi ausschlug, aber was würde es mir bringen, erfolgreich zu sein, ohne Ley an meiner Seite zu wissen, das war es nicht wert. Mein Entschluss stand fest, ich wollte wieder gut machen, was ich verbockt hatte und wenn das eine der Konsequenzen wäre, die ich daraus ziehen musste, dann tat ich es, für die Liebe. Ich hätte mir ein Bein abgetrennt, wenn es sie überzeugt hätte, dass wir es packen würden, dass wir zusammen gehörten.
Vor der Uni traf ich Ray und er erklärte sich bereit, mich nach Hause zufahren, da ich Ley, wie sie es sich erbeten hatte, Zeit geben wollte. Sie würde alle Zeit dieser Welt von mir bekommen, wenn sie sich nur dazu durchringen könnte, mir zu verzeihen. Ich warf mich neben Ray auf den Sitz, prüfend sah er mich an. „Bist du dir so sicher, dass es kein Fehler ist?“ Ich sah ihn an, ohne überlegen zu müssen nickte ich. „Sie ist mein Leben, nicht der Football.“ Sagte ich und sah aus dem Fenster, voller Überzeugung, es würde alles gut werden. „Ich hoffe, du behältst Recht.“ Schnaufte er und startete den Wagen.
Ray bog auf die Hauptstraße, gedankenverloren sah ich aus dem Fenster. Als er mich mit verwunderter Stimme aus meinen Gedanken herausriss. „Da ist deine Frau. Wen glotzt die denn so an?“ Mit zusammengezogenen Augenbrauen sah ich Ray an und folgte seinem Blick. Ich konnte nicht glauben, was ich sah. Es schien wie unser Todesurteil. „Brems!!“ Bölkte ich und hatte die Tür schon geöffnet.
***Jared´s Sicht Ende***
„Hey Blauauge.“ Brummte seine unverwechselbare Stimme. Noch immer war ich in meiner Starre gefangen, ich konnte mich nicht bewegen, nicht klar denken, nichts fühlen, außer dass über mir zusammenschlagende Chaos. Von dem ich gerade noch dachte, ich hätte es aus meinem Leben verbannt. Jake hob seinen Blick und sah an mir vorbei. „Da kommt dein Mann.“ Ein kleines Lächeln umspielte seinen perfekten Mund und es war mir unmöglich, meinen Blick von ihm zu wenden. Ohne dass ich nachdachte, platzte es aus mir heraus. „Der steht vor mir.“ Meine unüberlegten Worte ließen sein Lächeln breiter werden. Ziemlich ruppig wurde ich am Arm gepackt und geschüttelt. „Steig' ins Auto, Ley.“ Knurrte Jared neben mir, ich fragte mich, wo er so plötzlich herkam. Dann schüttelte ich seine Hand ab. Ich schien das Denken komplett eingestellt zu haben, anders konnte ich mir meine Worte nicht erklären. „Versau' mir den Moment nicht.“ Flüsterte ich und merkte, wie es Jared zusammenzucken ließ. Doch griff er wieder meinen Arm und versuchte, mich mitzuzerren.
Die ganze Zeit über ruhten Jakes und meine Blicke aufeinander. „Wenn du nicht noch mehr kaputt machen willst, dann lass' mich los.“ Fauchte ich Jared an, der tief Luft holte, um nicht völlig auszurasten. Er versuchte, meine Aufmerksamkeit zu erlangen. „Okay, steig' BITTE in den Wagen.“ Versuchte er es im Guten, aber war die Angst in jedem seiner Worte allgegenwärtig. Ich fragte mich, in welchem der letzten Momente meine innere Stärke sich wieder vom Acker gemacht hatte.
„Ley!“ Jared wurde durch meine mangelnde Reaktion etwas ungehalten und zog wieder an mir. Jake mischte sich mit keinem Wort ein, er sah sich das Schaupiel an, welches einer Tragödie glich. Dann warf ich Jared an den Kopf, worüber ich mir in den vergangen Tag mehr als einmal den Kopf zerbrochen hatte, ohne ihn auch nur anzusehen. „ Jared, ich denke gerade über falsche Entscheidungen nach, geh' besser.“ Aus dem Augenwinkel konnte ich sehen, wie er um Fassung rang und von mir ließ, er begriff die aussichtslose Situation und ohne ein weiteres Wort trat er den Rückzug an.
„Was........ machst du …....hier?“ Stammelte ich und war mich sicher, ich musste völlig bescheuert ausgesehen haben, wie ich ihn mit halb offenem Mund und riesigen Augen angestarrt hatte. Er strahlte Stärke und Selbstvertrauen aus und das lang vermisste Gefühl von Sicherheit kroch in mir hoch. Er legte sein unwiderstehlichstes Lächeln auf.
„Ich dachte, es wäre an der Zeit, mal nach dir zusehen.“
Der Zeitpunkt hätte nicht unpassender sein können, je nachdem von wessen Standpunkt man es betrachtete, vielleicht hätte es auch nicht passender sein können. Ein kleines Stück reckte er mir die Hand entgegen. „Komm mit.“ Noch immer überwältigt von dem, was sich abgespielte, ergriff ich sie etwas zögerlich und wackelte hinter ihm her. Wir besorgten uns einen Kaffee, obwohl ich eher einen Nerventee gebraucht hätte. Dann machten wir uns auf den Weg in den nahegelegenen Park. Das alles verlief mehr oder weniger wortlos. Immer wieder sah ich ihn an und konnte nicht glauben, dass er tatsächlich hier war. Er tauchte auf wie der Phoenix aus der Asche und brachte Verwirrung, Bewunderung und im weitesten auch Zerstörung.
Wir suchten uns ein etwas abgelegenes Plätzchen, nebeneinander sitzend ging mein Blick immer wieder zu ihm. Es fühlte sich so unwirklich an, wie verzweifelt ich in La Push an ihn gedacht hatte, mit der festen Überzeugung, ihn nie wiederzusehen und jetzt, als ich beschlossen hatte, ihn gehen zulassen, saß ich neben ihm.
„Woher wusstest du, wo ich bin?“ Hauchte ich mit dünner Stimme. Er lächelte. „Man sollte nie aus den Augen verlieren, was einem wichtig ist.“ Wow, das saß. Nach dieser langen Zeit fühlte es sich fremd und bekannt zugleich an, es war unbeschreiblich. Wir kamen ins Plaudern, immer wieder merkte ich, wie ich ihn beobachtete. Jede seiner Regungen, wie er den Mund bewegte, wenn er erzählte, wie sich kleine Grübchen bildeten, wenn er lachte, wie er seine Hände benutzte, um mit ihnen zu erzählen, wie seine Augen strahlten und wie er mich ansah. Ich hätte es nicht für möglich gehalten, der kleine Schmetterling hatte seinen Weg zurückgefunden und machte mächtig Rabatz. Er kam auf das Thema Jared und mich. „Er scheint sich nicht verändert zu haben.“ Mutmaßte Jake vorsichtig. „Du würdest nicht glauben, wie sehr er sich verändert hat.“ Schnaufend schüttelte ich den Kopf, ich wollte nicht über ihn sprechen, nicht hier und nicht jetzt. Doch Jake ließ nicht locker. „Erzähl', was ist passiert.“ Prüfend sah ich in an. Liebevoll lächelte er. „Na komm, 'nem alten Freund kannst Du es ruhig erzählen.“ Mit seiner unwiderstehlichen Art konnte ich ihm nichts abschlagen.
Zögerlich begann ich es anzureißen, doch war ich bemüht, nicht ausschweifend zu werden. „Das hätte ich ihm nicht zugetraut.“ Enttäuscht schüttelte er den Kopf und schob die vollen Lippen vor. „Und du wirst jetzt fürs erste bei Livia wohnen?“ Fragte er und nippte unbedacht an seinem Kaffee. Einen Moment überlegte ich, zwar war ich mir fast sicher, dass ich keine weiteren Namen erwähnt hatte, doch war ich mir nicht hundertprozentig sicher und tat es ab. „Darauf wird es wohl hinauslaufen.“ Stöhnte ich leise,doch wovor es mir viel mehr graute, war Jared in unserem Apartment zu begegnen, da ich frische Klamotten brauchte. Noch ehe ich meinen Satz beenden konnte, bot Jake sich an. „Wenn du möchtest, begleite ich dich. Nur für den Fall der Fälle.“ Verständnisvoll sah er mich an und seine Augen boten dieselbe Tiefe, in der ich mich immer verloren hatte. Für einen Moment betrachtete ich es kritisch, aber was, wenn er recht hatte, vielleicht wäre ein bisschen Unterstützung angebracht. „Ist vielleicht nicht verkehrt.“ Murmelte ich und träumte vor mich hin. Wir erhoben uns und machten uns auf den Weg zum Auto.
***Jareds Sicht***
Ich wollte nicht glauben, was sich abspielte, sie war nicht mehr sie, ihr Blick war auf ihn gerichtet und nichts konnte sie dazu bringen ihn abzuwenden, kaum schlug dieser Arsch wie aus dem Nichts hier auf, in dem unglücklichsten Moment, umnebelte ihr Hirn und sie schien mich zu vergessen. Ich fragte mich, wie er es schaffte, einen solchen Augenblick abzupassen, in dem alles in der Schwebe war. Sie mich noch wissen ließ, wie oft sie an ihn gedacht hatte und wie sehr ich sie verletzt hatte, aber hatte sie mich hoffen lassen und keinen Moment hätte ich damit gerechnet, dass ich es erneut mit ihm aufnehmen müsste, jetzt standen meine Chancen schlechter als je zuvor. Es war, als könnte er hellsehen, um ihren Moment der Schwäche auszunutzen, um mich zu vernichten.
Vor Wut schnaufend ließ ich mich auf den Beifahrersitz fallen. „Wer ist das?“ Fragte Ray und sah mich misstrauisch an. „Das ist mein schlimmster Alptraum.“ Stöhnte ich und hielt mir resigniert eine Hand vors Gesicht. „Verdammte Scheiße.“ Zischte ich leise vor mich hin. In diesem Moment schien mir alles ziemlich hoffnungslos, nachdem was geschehen war, wäre es nicht mehr, dass ich gegen Wolken kämpfte, mit dem Hauch einer Chance, jetzt kämpfte ich vergebens gegen eine Sonnenfinsternis, die mein Leben in jeder Sekunde dunkler erscheinen ließ. Nie hätte ich damit gerechnet, dass er sie nach all den Jahren aufsuchte und genau dann, als alles drohte den Bach runterzugehen. Ich wünschte mir, dass ich ihm damals den Hals umgedreht hätte. Er schlug mit der Wucht eines Dampfhammers in unser Leben und machte es zunichte. „Was hast du jetzt vor?“ Fragend sah Ray mich immer noch an. Nicht nur mein Mut verließ mich, sondern auch jede Art von Hoffnung. „Bring' mich ins Coopers.“ Raunte ich und ließ den Kopf verzweifelt gegen den Sitz gleiten.
Es dauerte nicht lange und wir waren da, er parkte den Wagen. Wir stiegen aus. Ich warf Ray meinen Arm um die Schulter. „Ich geb' einen aus.“ Lachte ich gequält, es war die Flucht, die mir blieb, ich wollte mich gnadenlos abschädeln, damit es mich vergessen ließ. Dann nahmen wir am Tresen unsere Plätze ein, noch war es ziemlich leer, doch konnte man zusehen, wie es sich füllte. Als wir die ersten Gläser serviert bekamen, hielt ich es Ray entgegen. „Auf einen unvergesslichen Abend.“ Knurrte ich zynisch und exte das Whisky- Cola Gesöff. So jagte eins das andere. Zeitweise bauten Ray und ich aus den Gläsern kleine Pyramiden, doch mit heranschreitender Stunde und steigendem Pegel war es dann aufgrund von Koordinationsproblemen nicht mehr möglich. Jedesmal, wenn ich zum Klo rannte, merkte ich, wie ich mich immer mehr zusammenreißen musste, damit ich nicht wie doof herumtorkelte.
Als ich meinen sicheren Platz am Tresen wieder erreicht hatte, fuhren Fingernägel über meinen Rücken und verpassten mir 'ne Mörder- Gänsehaut. Es ließ mich schaudern und ich sah über meine Schulter. „Hey, großer starker Mann.“ Säuselte Jen und lächelte ziemlich verführerisch. „Na.“ Lallte ich und bemühte mich, sie nicht doppelt zusehen, eine von der Sorte war echt genug, doch war das gar nicht so einfach.
„Wir wurden letztens ja ziemlich unschön unterbrochen.“ Hauchte sie dicht an meinem Ohr und berührte es mit ihren Zähnen. Wow, die ging vielleicht ran. Dann beugte sie sich leicht vor und schob ihre Möpse zusammen, die es kaum abwarten konnten, aus ihrer Bluse zuspringen. Sie stützte sich auf mein Bein und fuhr langsam in Richtung ´Zentrum´. Wenn ich nicht schon vorher geschielt hätte, dann würde ich es spätestens jetzt tun. Sie grinste mich. „Ich will meinen Job doch gut machen.“ Schwankend sah ich sie an. „Seit wann ist Schlampe ein Beruf?“ Entfiel es mir, meine Aussage schien sie weniger zu treffen als ich dachte. Doch so voll war ich noch nicht, dass ich mich dazu noch mal hinreißen lassen wollte. So bestellte sie fleißig weiter, um ans Ziel zu kommen, doch wäre ich derjenige, der am Ende zahlen müsste, in jeder Hinsicht. Als es wirklich drohte gefährlich zu werden, konnte ich mich dazu durchringen, nach Hause zugehen. Ich verabschiedete mich so gut es ging von Ray, der noch lustig weiter machte, torkelte den Weg nach Hause, aber an der Haustür holte Jen mich ein. „Ich muss mich doch vergewissern, dass du gut ankommst.“ Flüsterte sie und schob mich ins Haus. „Ähh...“, lallte ich, doch zu mehr kam ich nicht.
***Jareds Sicht Ende***
Als Jake neben mir im Wagen saß, war es doch ziemlich ungewohnt, ich wartete nur, dass er sich jeden Moment in Luft auflöste und es doch nur ein Traum war. „Ich kann es gar nicht glauben, dass du hier bist.“ Murmelte ich und senkte meinen Blick. „Für mich fühlt es sich an, als wärst du nie weg gewesen.“ Flüsterte er, ich sah ihn wieder an und er lächelte, dass mir die Knie zittrig wurden. Er hatte es immer noch drauf. Seine verführerische Art, die mich Stück für Stück von Jared entfernte und mich für ihn vereinnahmte. Tief holte ich Luft und startete den Wagen. ´Nichts übers Knie brechen´, sprach ich mir in Gedanken zu. Denn schließlich hatte ich mir noch vor ein paar Stunden eingestanden, Jared die Chance zugeben, die er mir eingeräumt hatte. Ich sollte nicht mit Jakes Erscheinen alles über Bord werfen. Doch was, wenn der Geist stark ist, aber das Fleisch schwach war.
Jake war nicht sonderlich gesprächig, vielleicht reichte die Anwesenheit des jeweils anderen, die Worte überflüssig werden ließ. Mein Redefluss hielt sich Grenzen mit dem Wissen, wo wir hinfuhren und ich ein ziemlich mulmiges Gefühl bei der Sache hatte, Jake mitzuschleppen. Doch wer wusste, wozu es gut war. Als ich den Wagen parkte, hielt ich einen Moment inne und hoffte, Jareds verzweifelter Anblick würde mich nicht völlig aus der Bahn werfen.
„Was soll schon passieren?“ Versuchte Jake mich zu beruhigen. Es könnte passieren, dass Jared versuchen wollte, ihm den Hals umzudrehen, wäre nicht das erste Mal. Gott, mir war hundeelend zumute. „Keine Ahnung.“ Flüsterte ich mit dünner Stimme. Aber es half nichts, Augen zu und durch. Wir stiegen aus und betraten dass Haus. Als ich den Schlüssel in der Tür drehte, erklang Jens Stimme, die lauthals Jareds Namen schrie. Mir wich die Farbe aus dem Gesicht, entsetzt sah ich Jake an. Der sich überrascht zu mir drehte und mit den Schultern zuckte. Wenn ich dachte, Jared hätte mich zutiefst verletzt, so war ich doch mehr als erstaunt, dass er es schaffte, noch einen draufzusetzen. Noch bevor ich die Tür komplett aufstieß, öffnete ich mit zittrigen Fingern den Verschluss des Armbandes, welches bis zu diesem Zeitpunkt noch immer mein Gelenk zierte, ich brachte es nicht übers Herz, es bedeutete so viel. Aber in diesem demütigenden Moment war es nur noch ein Armband, ohne Erinnerungen, ohne Botschaft, nur ein Stück Metall. Über das Entsetzen schob sich die Wut.
Mit voller Wucht stieß ich jetzt die Tür auf und lief im Stechschritt ins Schlafzimmer. Es bot für mich dasselbe, grausame Bild wie in unserem Auto. „Passt auch um dein Handgelenk!“ Fauchte ich Jen an und warf ihr mit voller Wucht das Armband entgegen. Jetzt bemerkte auch Jared, dass ich in der Tür stand. Er schubst Jen mit Schwung von sich, dass sie mit einem dumpfen Knall vor dem Bett landete. Wie konnte er so gewissenlos sein und sie mit hierher nehmen, noch war es unsere Wohnung. Er sah, wie Jen das Armband in Händen hielt und riss es ihr aus der Hand. Kopfschüttelnd stand ich da und sah mir diese völlig groteske Szene an. Um mir das nicht länger anzutun, drehte ich auf der Hacke um, ich sah noch, wie Jared sich die Decke um die Hüften schlang und mir hinterher taumelte.
„Ley, nein, warte!“ Worauf sollte ich warten, er hatte beteuert, sie hätte ihm nichts bedeutet und er war so überzeugend, dass ich ihm seine Worte glaubte. Ich war so dumm. Als er nach mir ins Wohnzimmer wankte, wurde mir erst klar, dass er total besoffen war. Aber so wie mich gerade der Schlag traf, so traf es jetzt ihn.
Abrupt blieb er stehen und funkelte Jake an. „Was macht der Bastard hier!?“ Knurrte er, doch dann setzte er dem ganzen die Krone auf, ich war mir sicher, er hatte nicht darüber nachgedacht. Verachtend wanderte sein Blick von Jake zu mir. „Reicht es dir nicht mehr, eine Hure zweiter Klasse zu sein?“ Er war die Liebe meines Lebens und brachte uns zu Fall. Doch wenn er es auf diesem Niveau haben wollte, sollte er es bekommen. Ich nickte in Richtung Schlafzimmer. „Mit Huren zweiter Klasse kennst du dich ja aus.“ Meine Stimme war beherrschter als ich es für möglich hielt. Indem marschierte Jen aus dem Schlafzimmer, ihr Gesicht triumphierte, dem Himmel sei Dank war sie angezogen. Sie stockte, zog grinsend eine Augenbraue hoch und sah zwischen Jake und Jared hin und her. „Das nenn' ich mal 'ne Alternative.“ Dann kniff sie Jake ein Auge zu. Die Alte war nicht zu fassen. Gerade rutschte sie noch auf meinem Mann herum, um jetzt Jake anzubiedern, sie war so widerlich gewissenlos. Ohne dass ich ihr zeigen musste, wo es lang ging, fand sie die Wohnungstür, als sie sich hinter ihr schloss, holte Jared Luft und wollte etwas sagen, doch zu meiner Verwunderung erhob Jake seine tiefe Stimme.
„Zieh dir erstmal 'ne Hose an.“ Abwertend betrachtet er Jareds jämmerliche Erscheinung, aber war der Spott in jedem seiner Worte zuhören.
Jared schien so perplex, dass er Jake nur ansah und nichts erwiderte. Jetzt, da das Schlafzimmer Jen- frei war, ging ich schnellen Schrittes hinein, öffnete den Schrank und angelte mir Klamotten heraus. Aus dem Augenwinkel bekam ich mit, wie Jared versuchte, sich in seine Hose zu kämpfen. Dann tauchte er neben mir auf. „Ley, bitte bleib.“ Versuchte er mich zu überreden, aber was würde es bringen. Was wollte er mir jetzt wieder vorheucheln, ich könnte seinen Worten keinen Glauben schenken. Wenn ich auch versucht war, ihm die Chance einzuräumen, die er mir vor Jahren gegeben hatte, so hatte er jeden Versuch, diese Liebe in irgendeiner Weise noch zu retten, vollkommen zunichte macht. Er war mir fremd geworden, sein gedankenloses Handeln war so untypisch für ihn, dass ich mich fragte, an welchem Punkt es begonnen hatte und ich es blind übersah. Er versuchte, an dem Letzten, was uns verband festzuhalten, dass ich seine Frau war und in seiner Verzweiflung warf er es mir wieder einmal vor. Verachtend sah ich ihn. Aber ich war ihm nichts mehr schuldig, mit diesem Tag würde für jeden von uns ein anderes Leben beginnen.
Gehetzt stopfte ich die Sachen in eine Tasche, jetzt empfand ich nur Wut, die grenzenlos schien. Ich hatte mich so in ihm getäuscht, selbst sein überzeugender Versuch, dass er mir nach La Push folgte, schien jetzt nur noch jämmerlich. Schnell warf ich sie über meine Schulter, ohne auch nur ein letztes Wort, einen letzten Blick ließ ich ihn stillschweigend hinter mir. Lief durchs Wohnzimmer an Jake vor bei, kurz sah ich ihn an, dann öffnete ich die Tür und wollte schnellsten Schrittes dieses Desaster hinter mir lassen.
***Jareds Sicht***
Sie stand vor dem Schrank und rupfte wahllos irgendwelche Klamotten heraus und stopfte sie in eine Tasche. Ich wusste, was sich hier in unserer Wohnung wiederholte, war unverzeihlich, doch war Jen mir so auf die Pelle gerückt und dann kam noch dazu, dass ich in meinem abgefüllten Zustand nicht mehr so ganz in der Lage war, mich zu wehren. Aber vielleicht war es auch mehr oder weniger egal, da Jake hier aufschlug und sie umgarnte, brachte mir fast Gewissheit, dass unsere Zeit gekommen war. Woher hätte ich wissen sollen, das Ley hier aufschlägt und dann noch diesen verfluchten Bastard im Schlepptau hatte. Er mit eigenen Augen zusehen konnte, wie ich alles zunichte machte und ihm seinen Weg ebnete. Doch versuchte ich, Ley nicht einfach gehen zu lassen. Ich wusste mir nicht anders zu helfen und erinnerte sie überflüssigerweise daran, dass sie immer noch meine Frau wäre, doch hatte ich ihr das aus demselben Grund schon einmal vorgehalten, mit wenig Erfolg. Ihre Blicke waren vernichtend, so wütend hatte ich sie selten erlebt. Hätte sie mich wenigstens angeschrien, aber nichts, wortlos verließ sie das Zimmer, langsam ging ich ihr nach, doch war sie schon zur Wohnungstür hinaus. Nur Jake stand noch immer da und sah mich an. Ein arrogantes Lachen umspielte seine Mundwinkel. Wäre ich nicht so erschlagen und besoffen, hätte ich ihm nur zu gern was auf sein dumm grinsendes Maul gehauen. Doch was er dann sagte, machte mich fassungslos, aber konnte ich ihm mit keinem Wort widersprechen. „Du machst es mir so leicht.“ Leise ließ es ihn lachen, dann wand er sich zum Gehen und schloss die Tür.
***Jareds Sicht Ende***
Ich stolperte die Treppen hinunter und jetzt liefen die Tränen, schnellen Schrittes lief ich zum Auto und schluchzte leise vor mich hin. Ich warf die Tasche auf den Rücksitz und sank hinter dem Steuer zusammen. Das Geräusch der Beifahrertür ließ mich wissen, dass ich nicht mehr allein war. Dann legte sich beruhigend eine Hand auf meine. Mit tränennassen Augen sah ich Jake an und es ließ ihn seufzen. „Selbst nach Jahren, wenn man sicher ist die Menschen, die man liebt, zu kennen....“ Flüsterte Jake, nickend pflichtete ich ihm bei. „Das hast du nicht verdient.“ Sprach er leise weiter und seine Hand fuhr über mein Haar. „Soll ich dich irgendwo hin bringen?“ Schluchzte ich leise und starrte jetzt vor mich hin. Ich wollte allein sein, ich wollte nicht vor Jake den totalen Zusammenbruch hinlegen, so riss ich mich zusammen, bis ich allein wäre. Nickend sah er mich an, ich brauchte ihm nicht erklären, wieso, weshalb, warum. Er verstand mich stumm. „Bring mich dahin, wo ich dich gefunden habe.“ Noch immer gedankenverloren saß ich da. „Wo du mich gefunden hast.“ Wiederholte ich seine Worte, dann sah ich ihn an. Sein Blick ruhte auf mir, sein wunderschönes Gesicht, verständnisvoll schenkte er mir ein kleines Lächeln, dann startete ich den Wagen.
Vor dem Hochhaus hielt ich, doch bevor Jake ausstieg, gab er mir seine Handynummer. „Wenn du nicht weißt wo du hin sollst. Ruf mich an. Jederzeit.“ Wieder merkte ich, wie sich mir die Kehle zuzuschnüren drohte. „Danke.“ Flüsterte ich, mit erstickter Stimme und griff nach dem kleinen Stück Papier, welches er mir entgegen hielt. Ich nahm es an mich, als würde damit mein Leben damit stehen oder fallen. Er fuhr mir über die Schulter und holte tief Luft. Dann stieg er aus, einen Augenblick sah ich ihm nach, ehe er zwischen den anderen Menschen verschwand. Dann wendete ich den Wagen, doch nach ein paar hundert Meter brach es mit unerwarteter Härte über mich herein, dass ich nur noch rechts ran fahren konnte.
Der lang befürchtete Zusammenbruch, es fühlte sich nicht mehr an, als würde mich etwas zerreißen, ich hatte die Gewissheit, mich hatte etwas zerrissen. Der Schmerz, den es mitbrachte, war von biblischem Ausmaß. Noch nie in meinem Leben musste ich so weinen wie es in diesem über mich hereinbrechenden Moment. Ich weinte, ich schrie, ich tobte, dass teilweise die Leute, die an dem Auto vorbei gingen, verwundert durch die Scheibe sahen. Doch bemerkte ich die wenigsten von ihnen. Da ich jedes Zeitgefühl verloren hatte, wusste ich nicht, wie lange ich schon hier war. Erst als meine Kraft schwand, so dass ich nur noch schluchzen konnte, war es mir möglich, den Weg zurück in Angriff zunehmen.
Wieder vor meinem unheilvollem Zuhause angekommen, blieb ich noch lange im Auto sitzen, starrte vor mich hin und war sicher, dass die Leere, die sich in mir breit machte, nie wieder irgend etwas füllen könnte. Erst mit hereinbrechender Dunkelheit nahm ich meine Tasche und schlich hinauf. Vor Livias Tür sammelte ich mich einen Moment, dann klopfte ich verhalten und hoffte, sie wäre zu Hause. Doch ihre Tür blieb verschlossen, da ich sie nicht anrufen wollte, sie sollte ihr Leben nicht nach mir richten. War ich gerade im Begriff wieder gehen zu wollen und es geschah, was ich auf Biegen und Brechen hatte abwenden wollen. Unsere Wohnungstür öffnete sich.
„Ley.“ Hörte ich seine heisere, gebrochene Stimme. Ich schloss die Augen und ließ den Kopf sinken. Seine Schritte ließen mich wissen, dass er näher kam. „Komm' nach Hause.“ Flüsterte er. Ohne ihn anzusehen drehte ich ihm den Rücken zu und ging zurück zur Treppe. „Bitte nicht.“ Ich hörte, wie er seiner Verzweiflung freien Lauf ließ. Kurz blieb ich stehen, den Rücken zu ihm gewandt, holte tief Luft, dann setzt ich meinen Weg fort. Wieder vor der Tür angekommen, setzte ich mich auf die Stufen des Eingangs und vergrub mein Gesicht. Klar hatte ich die Möglichkeit, Jake anzurufen, aber wie würde das aussehen. Auch wollte ich nicht, da wir uns so unerwartet wiedertrafen, er mich nur verheult mit roten Augen und Schniefnase sah. Ich hätte mir glücklichere Umstände für ein Wiedersehen gewünscht. Doch noch lieber wäre es mir gewesen, es hätte kein Wiedersehen gegeben, es hätte keine Jen gegeben. Ich hätte mir gewünscht, mein Leben wäre so weiter verlaufen wie gewohnt, mit Jared an meiner Seite. Doch war es wie es war, keiner von uns konnte die Zeit zurückdrehen oder dem anderen Vergessen schenken, es musste irgendwie weitergehen, doch war genau das die alles entscheidende Frage. Wie? Wie würde es weiter gehen? Eine Grabestiefe tat sich unter meinen Füßen auf und wollte mich verschlucken, das wäre es, was ich mir wünschte. Ich wünschte mir binnen Sekunden abzustumpfen, emotionslos und gefühlskalt zu werden, dass mir alles egal wäre. Eine andere, sehr einladende Erlösung wäre Vergessen, sich an nichts mehr erinnern zu können. Weder an die grauenhaften Ereignisse, noch an die Menschen, die ich damit verband. So unerträglich es jetzt zu sein schien, vielleicht könnte ich mit vergangener Zeit zurückblicken und würde es belächeln. Doch würde es bis dahin ein verdammt harter und steiniger Weg werden.
Einige Zeit wartet ich vor der Haustür, doch tauchte Livia nicht auf. Ich entschied mich, die Nacht im Auto zu verbringen. So stieg ich ein und suchte nach einem geeignetem Platz. Schlussendlich landete ich vor dem Einkaufszentrum, es war nicht zu abgelegen und doch weit genug weg, um nicht gefunden zu werden. Nach Stunden des Überlegens schlief ich irgendwann völlig erschöpft ein.
Chapter 7
Ein lautes Klopfen riss mich aus dem Schwarz meines Traumes. Etwas verwirrt sah ich mich um. Eine ältere Frau sah beunruhigt durch die Scheibe. Kurz sammelte ich mich, dann kurbelte ich sie ein Stück herunter.
„Geht es Ihnen gut?“ Fragte sie mit in Falten gelegter Stirn. Etwas gequält versuchte ich zu lächeln. „Ja, alles bestens.“ Krächzte meine Stimme, wenig überzeugend. Doch nickend wandte sie sich ab. Ich sah mich um, hier war schon einiges los. Dann fiel mein Blick in den Rückspiegel, herrje, wie sah ich denn aus, die verheulte Nacht hatte definitiv Spuren hinterlassen. Die Frau dachte wahrscheinlich, wie ich so schlafend da lag, ich sei tot, und das hatte ich mir letzte Nacht zeitweise ernsthaft gewünscht. Ich reckte mich, ich war wie erschlagen, mir taten alle Gräten weh, ich fror, um mein Hirn waberte dichter Nebel und ich fühlte mich einfach schrecklich. Ich war mir sicher, das Einzige, was helfen könnte, damit ich mich wieder halbwegs menschlich fühlen würde, wäre eine heiße Dusche. Nach Hause wollte ich nicht, auch wusste ich nicht, ob Livia mittlerweile wieder da wäre, doch wenn Jared mitbekäme, dass ich wieder aufgeschlagen war und dafür hatte er definitiv eine Antenne, war auch 'ne Scheißidee. Ich empfand es nicht so schlimm, wenn ich Jake um diesen kleinen Freundschaftsdienst bitten würde.
Mit steifen Fingern kramte ich mein Handy aus der Tasche und schrieb ihm eine Sms. Es dauerte keine Minute, bis mein Handy klingelte. „Wo bist du?“ Seine Stimme klang erlösend und ließ mich tief Luft holen. „Ganz in deiner Nähe.“ Flüsterte ich, als wir im Park saßen, hatte er mich wissen lassen, wo er zur Zeit wohnte und es war von hier aus tatsächlich nur einen Katzensprung entfernt. „Aber noch nicht nah genug.“ Ich konnte hören, wie er lächelte, als es aussprach. Wir verabschiedeten uns, doch bevor ich losfuhr, besorgte ich noch Brötchen, so könnten wir wenigstens noch frühstücken.
Nach nicht mal zehn Minuten fuhr ich auf den Parkplatz des Motels, das einen ziemlich schicken Eindruck machte. Mit der Tasche über der Schulter, den Brötchen in der Hand stieg ich aus und staunte nicht schlecht. Auch als ich Treppe langsam hinauf ging und den Gang entlang, kam ich aus dem Staunen nicht heraus, er hatte Geschmack, dass würde ich mir auch gefallen lassen so zu wohnen. Nach kurzer Suche stand ich vor seiner Zimmertür. Ein letztes Mal sortierte ich meine Haare, aber es würde wenig bringen, das gesamte Erscheinungsbild hatte die letzten Stunden ordentlich gelitten. Ich hob die Hand und wollte gerade klopfen, als sich die Tür wie von selbst öffnete. „Ich merke es, wenn du nah bist.“ Grinsend stand er in der Tür und sein Auftreten war wie eh und je atemberaubend.
Etwas verschämt hielt ich die Brötchen hoch. „Frühstück.“ Sein Grinsen wurde breiter. „Wenn ich dich nicht hätte, würde ich glatt verhungern.“ Verhalten erwiderte ich sein Lächeln und trat ein. Es fühlte sich gut an hier zu sein, er gab mir das Gefühl, er sorgte sich um mich, aber was in diesem Moment wichtiger war, er war für mich da, er kümmerte sich um mich, ich fühlte mich beschützt, er fing mich auf. Er nahm mir die Brötchen ab und ließ mich wissen, wo das Bad war. Ihm schien aufgefallen zu sein, dass ich ziemlich ramponiert aussah. Wenn es etwas gegeben hatte, was keinen Moment zwischen uns aufkam, dann das Gefühl, dem anderen fremd zu sein oder gar Berührungsängste zu haben. Es war alles so vertraut, als wäre er nie fort gewesen, als wäre er all die Zeit in meiner Nähe gewesen.
Ich schloss die Badezimmertür hinter mir, zog mich aus und ging duschen. Die Dusche hatte Ausmaße, dass ich noch locker zehn andere hätte einladen können, ich kam mir ein bisschen verloren vor, doch als das Wasser warm über meine Haut lief und ich mich in diesem Moment fast wohlfühlte, schweiften meine Gedanken zu Jared. Obwohl es unverzeihlich schien, was er mir angetan hatte, hatte ich Mitleid mit ihm. Aber konnte ich nicht sagen, ob es die Gewohnheit war, die mich an ihn denken ließ, er war mein Leben lang ein Teil von mir und immer wenn es mir schlecht ging, war er an meiner Seite oder war es die Zukunft die mich ihn bemitleiden ließ, wissend, wie er leiden würde.
Mir fiel der meistgehasste Satz aller sich trennenden Paare ein. ´Wir können ja Freunde bleiben.´ Wäre so etwas möglich? Nicht in meinen wildesten Phantasien. Es würde mir, genauso wie ihm, das Herz brechen, den jeweils anderen mit neuem Partner zu sehen. Da würden die Familientreffen in La Push zum Desaster werden. Ich könnte Jared nicht vergessen und verbannen wie ich es mit Jake versucht hatte, davon war ich überzeugt. Nach wie vor liebte ich ihn, dass konnte ich nicht abstreiten. Aber war es an der Zeit mich selbst zu schützen, so würde ich vor die Hunde gehen, wenn ich es nicht schon tat.
Als ich frisch geduscht und angezogen aus dem Bad kam, hatte Jake schon das Frühstück in Angriff genommen, saß am Tisch und schien auf mich zuwarten. Ich stellte meine Tasche zur Seite und setzte mich neben ihn. „Geht´s dir besser?“ Liebevoll ruhte sein Blick auf mir. Ich begegnete seinem Blick und nickte, ich war ihm wirklich dankbar, dass er in dieser echt miesen Zeit für mich da war. Als hätte er wirklich ein Gespür dafür, dass es mir nicht gut ging und ich jemanden brauchte. Warm legte er seine Hand auf meine. „Danke.“ Flüsterte ich und mir wurde bewusst, dass ich mein gewohntes Leben vermissen würde. Ein Stück lehnte er sich zu mir und umarmte mich und wie sich seine Arme warm und stark um mich legten, kämpfte ich erneut mit den Tränen. Meine Arme ruhten auf seinem Rücken, ich schloss die Augen, legte meine Wange an seine und versuchte, nicht laut loszuschluchzen.
Nie war er weg, ich trug ihn all die Jahre in meinem Herzen, jetzt als ich still weinend in seinen Armen lag, wurde es mir bewusst. Er war so unglaublich warm und gab mir das Gefühl, er wachte über mich. Zögerlich lockerte sich unsere Umarmung, doch blieb er zu mir gebeugt und sah mich an. Er nahm mein Gesicht in seine großen Hände und näherte sich mir, ganz sanft küsste er die Tränen von meinen Wangen, es ließ mich erneut die Augen schließen.
Das Klingeln meines Handys beendete diesen vertrauten Moment. Jakes Hände glitten langsam von meinem Gesicht, einen Augenblick sah ich ihn noch an, dann kramte ich das störende Ding aus meiner Hosentasche. Da es weder einen Namen noch eine Nummer anzeigte, ging ich ohne weiter zu überlegen dran. Ich meldete mich, eine kurze Zeit blieb es still.
„Wo bist du?“ Flüsterte Jareds heisere Stimme, er klang so schrecklich verzweifelt, dass sich mein Herz zusammenzog. Tief Luft holend verbarg ich das Gesicht hinter meiner Hand. Doch bevor ich etwas sagen konnte, räusperte sich Jake. Totenstille im Hörer, nachdem noch ein bisschen Zeit verstrich, hörte ich Jareds erstickte Stimme. „Bist du bei ihm?“ Bevor ich antworten konnte, kam er mir zuvor. „Tu uns dass nicht an.“ Wenn er es auch nicht sehen konnte, schüttelte ich verständnislos den Kopf, ehe ich etwas erwiderte. „Das hast du uns angetan.“ Erschrocken, wie emotionslos meine Stimme klang, legte ich einfach auf und warf das Handy auf den Tisch. Kurz überlegte ich, langsam hob ich meinen Blick. „Ich muss noch mal nach Hause.“ Mitleidig ruhte Jakes Blick auf mir, aber er versuchte mich nicht mit einem Wort davon abzuhalten. So wie es schien, verstand er meine Beweggründe. Keinen Augenblick hätte ich erwartet, dass er dafür so viel Verständnis aufgebracht hätte. Ich stand auf, nahm meine Tasche, als ich an Jake vorbei zur Tür ging, legte ich ihm meine Hand auf die Schulter, langsam fand seine Hand die meine, sanft drückte er sie und sah mich über seine Schulter an. „Danke, bis später.“ Sagte ich leise und ließ ihn für den Moment hinter mir.
Als ich zum Auto lief, wurde mir bewusst, dass ich mir nie Gedanken darüber gemacht hatte, was passieren würde, wenn Jake tatsächlich zurückkehren würde, weil es einfach zu abwegig war. So lange Zeit hatte ich nichts von ihm gehört, kein Lebenszeiten, kein Anruf, kein Brief. Er schlug wie aus dem Nichts hier auf. Jetzt, da ich auf dem Weg zu Jared war, sollte ich versuchen mit ihm zu reden, wie es weiter gehen sollte. Nicht was unsere Beziehung anging, es ging um Lappalien, die Wohnung, das Auto und was vielleicht doch nicht ganz so unwichtig war, unsere Ehe. Schließlich waren wir verheiratet. Stand mir bevor, was ich mir immer geschworen hatte, dass es so nie enden sollte. In jedem Formular, was ich ausfüllen würde, würde stehen, geschieden. Allein der Gedanke ließ mir einen Schauer über den Rücken jagen. Könnte ich weiterhin seinen Namen tragen oder würde es jedes Mal, wenn ich damit angesprochen würde, die Wunde erneut aufreißen lassen?
Ich startete den Wagen und fuhr los, das behagliche Gefühl, dass ich grade noch in Jakes Nähe empfand, trat Schritt für Schritt seinen Rückzug an. Da mein Weg mich jetzt dahin führte, meine Vergangenheit aufzuteilen, war das ein Gefühl, das ich nicht beschreiben konnte.
Ich parkte den Wagen, als ich ausstieg, kam Livia aus der Haustür. „Och Ley.“ Schnaufte sie und kam mit ausgestreckten Armen auf mich zu. „Wie geht’s dir? Fragte sie überflüssigerweise, als sie mich an sich drückte. Ich schüttelte nur den Kopf, den gestrigen Tag verschwieg ich ihr fürs Erste, es würde mich wieder nur in den Wahnsinn treiben und da ich dem gegenübertreten wollte, der es mir angetan hatte, würde ich meine restliche Kraft noch brauchen.
Sie sah auf die Tasche, die über meiner Schulter hin. „Wo hast du eigentlich die letzte Nacht verbracht?“ Mit zusammengezogenen Augenbrauen sah sie mich an. „Im Auto.“ Schnaufte ich und dann konnte ich mir erst mal was anhören. Wie gefährlich das gewesen wäre und natürlich tadelte sie mich, warum ich sie nicht angerufen hatte. Aber hatte ich jetzt nicht die Nerven, mich damit zu beschäftigen. „Ist er da?“ Unterbrach ich ihr Gezeter. Leicht verwirrt, dass ich ihren Worten so wenig Beachtung schenkte sah sie mich an. „So weit ich weiß ja.“ Sie machte mit mir kehrt und ging ins Haus. Vor ihrer Tür blieb sie stehen. „Wenn was ist, ich bin hier.“ Eindringlich sah sie mich an. Gequält lächelte ich und nickte, dann tat ich die letzten Schritte und stand vor meinem Zuhause.
Ich merkte wie mein Herz einen Schlag zulegte, kurz schloss ich die Augen und holte tief Luft, dann öffnete ich zögerlich die Tür. Es war ein Bild des Jammers. Zusammengesunken saß Jared auf dem Sofa und hatte das Gesicht in den Händen vergraben. Als er mich hörte, sah er mit tränennassen Augen auf, sein Blick schien gebrochen, dieses kleine Lächeln, was immer seine Augen umspielte war verschwunden und wurde durch herzzerreißende Traurigkeit ersetzt. Die Wunde in meinem Herzen, die noch nicht verheilen konnte wurde weiter und weiter aufgerissen. Langsam ging ich näher und mit ein bisschen Abstand setzte ich mich neben ihn aufs Sofa. Schweigend saßen wir eine Weile nebeneinander und starrten vor uns hin. Nur zu gerne hätte ich ihn tröstend in den Arm genommen und gesagt, dass alles gut werden würde. Doch wem wollte ich etwas vormachen, nichts würde wieder gut werden, nichts würde wie früher werden. Unsere Zeit war abgelaufen, doch um sich das einzugestehen, hatte weder er noch ich die Kraft. Dann brach ich das Schweigen, um ihm die schreckliche Vorstellung zu nehmen.
„Ich habe im Auto geschlafen.“ Sein Kopf fuhr herum, ich konnte sehen, dass ihn meine Aussage fürs Erste erleichterte. Da ich es bis zum jetzigen Zeitpunkt noch immer nicht begreifen konnte, sprach ich es aus. „Warum hast du uns das angetan?“ Ihm blieb nicht verborgen, dass meine Stimme zitterte und es mir unsagbar schwer fiel, hier neben ihm zu sitzen. Ich warf es ihm nicht vor, ich wollte ihn nur verstehen. Weiter sah ich ihn an. „Ich habe unsere Zukunft sehen können, wie wir alt und runzlig auf einer Veranda saßen und unsere Enkelkinder um uns herum tobten. Warum hast du uns dass genommen? Ich hätte es mir so sehr gewünscht, ein langes glückliches Leben mit dir an meiner Seite.“ Schnell wischte ich die Tränen weg, die dieser Gedanke unweigerlich mit sich brachte. Auch konnte ich sehen wie dieser Gedanke, der mehr und mehr zu verschwimmen schien und verblasste, ihn quälte und nicht nur meine Zukunftspläne waren. Es war eine quälende Gewissheit, die wir nicht mehr abwenden konnten.
Er hielt mir seine Hand entgegen, in der etwas Verborgenes ruhte. Während weiter Tränen still ihren Weg fanden, kaute ich auf meiner Unterlippe herum, zögerlich hielt ich ihm meine geöffnete Hand entgegen, die schrecklich zitterte. Vorsichtig legte er das Armband in meine Hand. „Es war für dich gemacht. In keinem Leben könnte es um ein anderes Gelenk passen. Diesen Platz kann niemand einnehmen.“ Seine Stimme war ruhig, doch seine Tränen machten Worte überflüssig. Langsam zog ich die Hand zurück und betrachtete es, als würde ich es zum ersten Mal sehen.
„Wenn du mir auch nicht mehr glauben kannst. Ley, ich liebe dich und ich werde es immer tun.“ Er sprach aus, was ich empfand, auch ich würde ihn immer lieben. Das Armband betrachtend nickte ich, dann trafen sich unsere Blicke erneut. Sollte dies der befürchtete Abschied sein, der uns so widerstrebte und doch unausweichlich schien. Eine letzte Umarmung waren wir uns schuldig, ein Stück rutschte ich an ihn heran und fuhr ihm mit der Hand über seinen Rücken, der unter der Last gebeugt war, unter Tränen versuchte ich zu lächeln, doch ließ mich der Schmerz die Augen schießen, ich fühlte seine näher kommende Wärme und wie seine Arme sich um mich schlossen. Ich würde ihn so furchtbar vermissen, meine Sonne. Ohne die mein Leben um einiges dunkler und kälter werden würde.
Ich fühlte, wie er versuchte zu kämpfen, damit er sich nicht völlig verlor und es tat so weh. Wissend, dass es das letzte Mal wäre, dass er mich in seinen Armen hielt, die einst meine Welt waren, widerstrebte es mir zutiefst ihn los zulassen. Für einen Moment wünschte ich mir, die Welt würde aufhören sich zu drehen, nein, ich wünschte mir die Welt würde aufhören zu sein. Für diese Umarmung vergaß ich, was uns ereilte, was wir uns antaten und ich ließ ihn den Jared sein, den ich über alles liebte. Der verantwortungsvoll, fürsorglich, verlässlich, aufopfernd, verzeihend war und aufrichtig liebte. Zögerlich lockerte ich meine Arme, doch wollte er nicht, dass es endete, verzweifelt klammerte er sich an mich, mir fehlte schlichtweg die Kraft, um ihn von mir zuschieben, so gab ich ihm die Zeit, die er brauchte, wenn man es überhaupt in irdischer Zeit ausdrücken könnte, es wären wohl eher Lichtjahre.
Langsam strich ich ihm über die Schulter und versuchte in anzusehen, er hatte die Augen geschlossen, sein schönes Gesicht so verzweifelt zu sehen, war schlichtweg unerträglich. Seine Umarmung lockerte sich nach einer kleinen Ewigkeit. Jetzt sah er auch mich an. „Ich wünsche mir nur, dass du glücklich wirst.“ Sanft strich ich über seine Wange. „Wie könnte ich?“ Dann senkte ich den Blick und stand auf. „Ich möchte nicht, dass du noch eine Nacht im Auto verbringst.“ Er sprach leise, doch die ganze Zeit über ruhte sein Blick auf mir. „Bleib hier, ich werde schon irgendwo unterkommen.“ Damit hatte ich nicht gerechnet, er wollte mich in Sicherheit wissen. Ich nickte, er stand auf, ging ins Schlafzimmer und kam nach kurzer Zeit mit einer großen Reisetasche zurück. Ich wusste nicht, ob ich es hier lange aushalten würde, alles erinnerte an uns. Doch war es fürs erste nicht die schlechteste Lösung. Er stand schon an der Haustür, als er sich nochmal umdrehte und auf mich zu ging. Dann griff er in seine Hosentasche und betrachtete, was er in Händen hielt, die er dann ausstreckte und mir entgegen hielt. Es war mein Ehering, der schönste Ring, den es in ganz Seattle gab und den auch die zwei sagenumwobenen Worte zierten. Sie waren in wunderschöner geschwungener Schrift neben dem Datum und den Anfangsbuchstaben graviert. „Es ist deiner.“
Er versuchte zu lächeln, zögernd nahm ich ihn an mich, doch in dem er sich umdrehte sah ich den Schmerz, der über sein Gesicht zuckte. Er trug seinen Ring nach wie vor. In der geöffneten Tür warf er einen letzten Blick zurück. Wortlos schloss sie sich hinter ihm. Jetzt nahm ich den Platz ein, an dem ich Jared angetroffen hatte und vergrub mein Gesicht in den Händen.
***Jareds Sicht***
Es war amtlich, es gab keinen Weg zurück und ich hatte keine Ahnung, wie ich mein Leben ohne sie an meiner Seite weiterführen könnte. Es riss mir den Boden unter den Füßen weg. Noch nie in meinem Lebe hatte ich so empfunden. Immer wenn ich dachte, meine Schmerzgrenze wäre erreicht, wurde ich eines besseren belehrt. Natürlich konnte ich sie verstehen, aber sie gehenzulassen, das stand nirgends geschrieben. Nie hätte ich gedacht, dass uns so etwas hätte passieren können, dass aus so einem Grund, der mir immer noch völlig grotesk erschien, da ich sie über alles liebte, unsere Ehe, unsere Freundschaft zerstört würde und wir uns voneinander abwenden mussten. In der Haustür stehend holte ich mein Handy aus der Tasche und wollte Ray anrufen. Kurz sah ich die Straße rauf und runter, als ich in einiger Entfernung Jen auf der gegenüberliegenden Seite näherkommen sah. Bei ihrem Anblick schüttelte es mich, ich tat einen Schritt zurück, dass sie mich nicht sofort entdecken würde.
Doch noch ehe sie an mir vorüberwackelte, stoppte sie an einem granatenmäßigen Sportwagen, der sicherlich einige Jahresgehälter gekostet haben musste. Dann stieg sie ohne zu zögern ein. Ich fragte mich, ob sie ihr Hobby jetzt zum Beruf gemacht hatte, wundern würde es mich nicht. Die war so eiskalt und abgebrüht und gab erst Ruhe, wenn sie bekam, was sie sich in Kopf gesetzt hatte. Rückblickend fiel mir auf, klar schwänzelte sie schon immer um mich herum, aber ab einem bestimmten Zeitpunkt war es, als verfolge sie ein Ziel, von dem ich mir fast sicher war, dass es im Grunde nicht mehr ich war. Ich kniff ein bisschen die Augen zusammen um zu erkennen, wer da neben ihr saß. Erst als sich der Kopf ein Stück in meine Richtung drehte, erkannte ich Jake.
Für einen Moment erstarrte ich. Dann begann sich das Puzzle für mich zusammenzufügen. Entsetzt, wie man so skrupellos sein konnte, trat ich einige Schritte die Treppe herunter, doch jetzt als mir bewusst wurde, dass er meine Ehe und mein Leben ruiniert hatte, nur um an seinem kranken Plan festzuhalten, den er bravourös in die Tat umgesetzt hatte, ohne dass auch nur irgendwer es hätte ahnen oder durchschauen können. „Du verdammter Bastard!“ Brüllte ich über die Straße und legte einen Sprint hin. Als ich wutschnaubend seine Tür aufriss, tat Jen das einzig Richtige, sie macht sich im Laufschritt vom Acker, sonst wäre sie die Nächste gewesen. Dämonisch grinsend sah er mich an. „Steig' aus, damit ich Dich töten kann.“ Zischte ich wie von Sinnen.“ Damit waren meine Absichten klar. Alles war ein abgekartetes Spiel, in dem ich nur verlieren konnte. Langsam stieg Jake aus und ich schubste ihn mit voller Wucht gegen die Seite des Wagens. „Dein Plan ist ja aufgegangen, du Freak.“ Presste ich durch die Zähne und versuchte, nicht völlig die Kontrolle verlieren, ich wollte ihm bei vollem Bewusstsein den Garaus machen.
„Und sie wird keiner deiner Erklärungen Glauben schenken.“ Belächelte er mich arrogant. Das laute Zuschlagen der Haustür lenkte für einen Moment meine Aufmerksamkeit auf sich. Ley stand auf der obersten Stufe, sah mich entsetzt an und kreischte meinen Namen. Ich merkte, wie Jake sich ein Stück zu mir beugte und spöttisch flüsterte. „Game over.“
***Jareds Sicht Ende***
Noch immer saß ich kraftlos auf dem Sofa und hing in Gedanken noch an der vergangenen Umarmung. Als es wild an der Tür klopfte, erschrocken sah ich auf und fragte mich, ob Jared es sich noch mal anders überlegt hatte. Ich raffte mich auf und öffnete die Tür. Ziemlich irritiert sah ich in Livias panisches Gesicht. „Was ist passiert?“ Fragte ich, auch mich beschlich ein ungutes Gefühl, noch nie hatte ich Livia so gesehen. „Dein Mann brüllt auf der Straße irgend so einen Typen an.“ Panisch riss ich die Augen auf, schnappte mir den Schlüssel und warf mit einem Knall die Tür hinter mir zu. Wir hetzten durch das Treppenhaus. „Den Typen hab ich schon mal gesehen.“ Keuchte sie zwischen dem zweiten und ersten Stock. „Neulich, als wir im Coopers waren.“ Völlig verstört sah ich sie an und kam gefährlich ins Straucheln. Wen schrie Jared da an? Erst befürchtete ich, dass es Jake sein, doch auf Grund von Livias Information konnte das nicht sein. Immerhin wusste ich erst seit gestern, dass er in der Stadt war.
Noch vor Livia erreichte ich die Haustür, riss sie auf und mit einem ohrenbetäubenden Knall schloss sie sich hinter mir, auf der ersten Stufe stehend bot sich mir ein Bild des Schreckens. Jareds Hand hatte sich um Jakes Hals gelegt. Mit dem Knall der Haustür drehte er sich zu mir und ich schrie wie von Sinnen seinen Namen. Ich sah wie Jake sich ein Stück zu ihm beugte und irgend etwas flüsterte. Schnell lief ich die Treppen herunter und war gerade im Begriff die Straße zu überqueren, als Jared sich unerwartet von Jake abwandte und auf mich zulief, sein Blick war starr auf mich gerichtet. In seinem Gesicht konnte ich lesen, dass irgend etwas passiert war, das er mich unbedingt wissen lassen musste. Doch sollte es dazu nicht mehr kommen.
Der heranrasende Pick- up versuchte noch zu bremsen, doch selbst das konnte Jareds Schicksal nicht mehr abwenden. Das schrille Quietschen der Reifen endete in einem dumpfen, alles vernichtenden Aufprall. Vor Entsetzen hielt ich mir die Hände vors Gesicht, als könnte ich es damit ungeschehen machen, aber Livias markerschütternder Schrei gab mir Gewissheit. Die Stille nach dem Aufprall war gespenstisch und ließ mich erstarren. Zögerlich ließ ich die Hände sinken und hörte Livia entsetzt vor sich hinstammeln. Erst das panische, „Oh mein Gott“ des Fahrers, der aus seinem Pick- up sprang, holte mich zurück.
Jared lag ein Stück von dem Wagen entfernt auf dem Asphalt. Ich konnte nicht mehr denken, ich rannte. In Bruchteilen einer Sekunde hatte ich ihn erreicht und fiel neben ihm auf die Knie. Atemlos flüsterte ich seinen Namen, doch sein schönes Gesicht blieb unbewegt und ausdruckslos. Ich beugte mich über ihn, mit zitternden Händen fuhr ich über seine Wangen und schluchzte leise. Ein letztes Mal öffnete er seine wunderschönen Augen, die meine Welt waren. „Beautiful.“ Hauchte er mit samtener Stimme. „Mein Herz.“ Flüsterte ich liebevoll. Blut lief an seiner Schläfe hinunter. Weder nahm ich die Sirenen des Notarztes noch die Stimmen der Schaulustigen wahr. Ich merkte, wie ihm jeder Atemzug schwerer fiel. „Que Quowle.“ Flüsterte er und erinnerte an das Versprechen, das wir uns einst gaben. Mit meiner Hand suchte ich die seine, sanft umschlossen sie sich. „Sieh' mich an, Jared, bleib bei mir.“ Wisperte ich und Tränen fielen auf seine Brust, wieder fuhr ich sanft über seine Wange und küsste sie. Ein letzter tiefer Atemzug. „Ich liebe dich.“ Hauchte er, noch ehe ich es erwidern konnte, schlossen sich seine Augen und seine Hand glitt kraftlos aus meiner. Das war der Moment, in dem die Welt stillstand und alles seinen Sinn verlor.
Kurz bevor mich die Ohnmacht einholte sah ich voller Entsetzen in Jakes teilnahmsloses Gesicht. Das erste Mal zeigte sich das Schicksal gnädig, um mich wurde es schwarz.
Es war wie ein leises Summen, das durch das Schwarz zu dringen schien, welches mich umgab. Erst nach einiger Zeit wandelte es sich allmählich in Stimmengewirr, durcheinander und unverständlich. Doch je mehr Zeit verging, um so deutlicher wurde es, jemand schien mit mir zu sprechen. Doch diese Dunkelheit, die mich umgab, wollte ich nicht verlassen, es war wie ein leerer Raum, keine Gefühle, keine Erinnerungen, nichts. Es war eine Abwechslung zu dem Gefühlschaos der letzten Tage, hier könnte ich zur Ruhe kommen und mich erholen, hier wollte ich bleiben, nur für eine kleine Ewigkeit. Indem ich deutlich meinen Namen verstand, wurde das gefühllose Schwarz dünner.
„Mrs. Cameron, können Sie mich hören?“ Es war eine fremde Stimme, die nett und ruhig auf mich einzureden schien. Schwer ließen sich meine Lider öffnen, verschwommen nahm ich das Gesicht zur Stimme wahr, welches mir auch fremd erschien. Das grelle Licht tat mir in den Augen weh und ließ mich blinzeln, doch somit wurde das Bild immer klarer. Noch bevor das fremde Gesicht weiter auf mich einsprach, vernahm ich leise Livias Weinen. Ich versuchte mich aufzusetzen, um zusehen wo sie war, doch mein Arme gaben nach und ich sank zurück. Ich wurde immer klarer. Ich sah mich um, beruhigend versuchte das fremde Gesicht, das ich jetzt als Sanitäter ausmachen konnte, mich unter sanften Druck zurück auf die Liege zu befördern, da ich wieder versuchte, mich aufzusetzen.
„Wo ist er?“ Meine Stimme hörte sich heiser und weit weg an, mein Blick suchte ihn. „Geben Sie ihm bitte keine Spritze, er hat schreckliche Angst vor Nadeln.“ Murmelte ich vor mich hin und schob die Sauerstoffmaske von meiner Nase. Mitleidig sah er mich an und griff tröstend meine Hand. „Es tut mir leid, Mrs. Cameron......“ Er macht eine kurze Pause, die kein Ende zunehmen schien. „......wir konnten nichts mehr für Ihren Mann tun.“ Mit offenem Mund sah ich ihn an, zwar hörte ich seine Worte, doch waren sie für mich unbegreiflich, dann damit grub sich das Geschehene an die Oberfläche, aber ich wollte nicht verstehen, dass er nicht mehr da war und es nie wieder wäre.
Weiter redete der Sanitäter auf mich ein, sie wollten mich mit ins Krankenhaus nehmen. Meine Augen weiten sich und es fühlte sich an, als würde meine Lunge kurz vor dem Kollaps stehen. Hatte er gerade gesagt, dass sie nichts mehr für ihn tun konnten? Ich verstand nur langsam, aber dann traf es mich mit an Gewalt grenzender Härte. Hysterisch trat und schlug ich wütend um mich, sie logen mich an, er...., er..... konnte nicht tot sein, er war mein Leben, wie sollte ich ohne mein Leben leben können? Das widersprach sich schon an und für sich. Er würde mich nie allein lassen, er war immer da und das sollte er gefälligst auch bleiben. Wie sollte ich ohne Sonne leben können? Mit der aufsteigenden Wut fand ich die Kontrolle über meinen Körper wieder, ich kämpfte mich von den Armen frei, die versuchten, mich festzuhalten und war mit einem Satz aus dem Krankenwagen. Das einzige Sinnvolle, was ich in diesem Moment tun konnte, war rennen, erst taumelnd, doch mit jedem Meter wurde ich schneller. Schemenhaft nahm ich Jake war, als ich an ihm vorbeischoss, aber war das kein Grund, um nicht um mein Leben zu laufen, wie ich es schon so oft getan hatte. Mein Herz dröhnte alles übertönend in meinen Ohren, dass ich Jake erst bemerkte, als er seine Arme um meine Hüften schlang und wir langsam zum Stehen kamen. Ohne zu überlegen klammerte ich mich laut schluchzend an ihm und ließ meinem Entsetzen und meiner Trauer freien Lauf. Beruhigend strich er mir übers Haar und hielt mich fest, er war der Freund, den ich mir immer wünschte. Er hob mich hoch und trug mich zu seinem Auto, die ganze Zeit sah ich ihn an, für kurze Zeit versiegten die Tränen, wartete ich darauf, dass auch er einfach verschwinden würde und ich völlig allein übrig bleiben würde. War er jetzt der Einzige, der mir Trost schenken konnte.
An die Fahrt konnte ich mich nicht mehr erinnern, ich war wie betäubt, ich existierte nur noch, wie eine leere Hülle. Erst als Jake die Beifahrertür öffnete, war es wie Erwachen, doch würde es aus diesem Albtraum keine Flucht geben. Er half mir aus dem Wagen, aber nur um mich in seinen starken Armen die Treppen hinauf zu seinem Zimmer zu tragen. Wieder war mein Blick auf sein Engelsgesicht geheftet, sanft fuhr ich mit den Fingern darüber um sicher zu gehen, dass ich ihn mir nicht einbildete, ich wollte mich vergewissern, aber er war echt, er war hier. Ich hatte keine Ahnung, wie er mit mir in den Armen die Tür auf bekommen hatte, doch standen wir kurz darauf vor seinem riesigen Bett und er legte mich vorsichtig hinein. Ich blieb liegen wie ich lag und starrte an die Decke. Es verging keine Minute, glaubte ich zumindest, ich hatte jedes Zeitgefühl verloren, es hätten auch Tage vergehen können, ich hätte es nicht bemerkt.
Als ich zur Seite sah, bemerkte ich, dass Jake neben mir lag und meinen Blick erwiderte. Es war ihm anzusehen, wie ihn mein bemitleidenswerter Anblick mitnahm. Langsam hob ich eine Hand, mein Gesicht war emotionslos, ich sah ihn einfach nur an und fuhr mit der Hand über seine Wange. Mein Blick wandte ich von ihm und starrte ins Leere. Er nahm meine Hand und hielt sie fest, ich wünschte mich in seine tröstenden Arme, aber konnte ich mich weder bewegen noch meinen Wunsch anders äußern. Die Uhr an der Wand ließ mich wissen, wie die Stunden dahin zogen, in denen ich regungslos und betäubt da lag.
Doch dann wandte sich das Blatt und ich wünschte mir, wieder regungslos und betäubt zu sein. Jetzt jagte ein hysterischer Heulanfall den nächsten. Zusammengerollt schüttelte mich das Schluchzen und ich wollte nicht begreifen, was geschehen war. Dann gab es wieder kurze Momente, die mich mit erschreckender Klarheit wissen ließen, was sich zugetragen hatte und zeitweise verstand ich es. Meinem Verstand war klar, was mein Herz nicht an sich heranlassen wollte. In meinem Innern tobte ein angsteinflößender Kampf, der mich an die Grenzen des Erträglichen brachte und wurden diese Grenzen überschritten, folgte die Gefühlsleere, die mich betäubte, die nicht nur die Gefühle mitnahm, sondern auch jede Träne.
Wenn Jake auch an meiner Seite war, die er für keine Sekunde verließ und er sein möglichstes tat, so war das die Nacht, in der ich mich nach dem Tod sehnte, mit Kusshand hätte ich ihn begrüßt oder ich wäre ihm freudestrahlend in die Arme gelaufen, doch so war es Jake, der mich schlussendlich hier hielt. Gelegentlich konnte ich in seinen Armen Schlaf finden, wenn die Erschöpfung zu groß wurde, doch war es nie für lange. Wieder musste ich lernen, wenn ich geschworen hätte, dass es nicht schlimmer hätte kommen könnte, wurde ich wieder eines besseren belehrt.
In den frühen Morgenstunden als es schon dämmerte und ich wieder einmal an die Decke starrend, jetzt in Jakes Armen lag und auf den nächsten Zusammenbruch wartete, fielen ihm die Augen zu. Langsam drehte ich mich auf die Seite und sah ihn an. Wie oft ich Jared beim Schlafen zugehen hatte, es waren so friedliche und wunderschöne Momente, jetzt stiegen die Tränen hoch und liefen still, kein Schluchzen, kein Aufbäumen, keine Verzweiflung, kein Schmerz. Nur Dankbarkeit für solch kleine unvergessliche Augenblicke wie diesen, an die Jake mich erst erinnern musste. Doch gab es so viele Dinge in meinem Leben, für die ich dankbar war und so viele Kleinigkeiten, die mein Leben lebenswert machten.
Als ich jetzt die Augen schloss, konnte ich es in lebendigen Bildern sehen. Wie schön mein Leben an Jareds Seite war, ich konnte sein Lachen hören, wenn er morgens nach dem Aufwachen meinen Namen geflüstert hatte, wenn er gedankenverloren über seinen Bücher gesessen hatte und stumm lesend die Lippen bewegte, wie wir uns gegenüberlagen, uns nur ansahen und Worte völlig überflüssig waren, wenn er fröhlich pfeifend aus der Dusche kam, wie ich ihn beim Autofahren beobachtete und er irgendein Schlagzeugsolo auf dem Lenkrad mittrommelte, wenn er mich mit Frühstück am Bett überraschte, wenn er einfach nur bei mir war und ich mich an ihn kuscheln konnte, seine warmen Hände die mich mit jeder Berührung wissen ließen, dass er mich liebte, so wie ich war. Immer wusste ich ihn zu schätzen und auf das Geschehene zurückblickend, war das, von dem ich dachte, dass es mir das Herz in Stücke reißen würde, doch nicht mehr als eine Lappalie. Wie in kürzester Zeit wichtiges unwichtig wurde und unwiederbringliche Kleinigkeiten das Leben ausmachten.
Doch begreifen, dass er nicht mehr da war, konnte ich nicht, es war, als wollte man jemanden erklären, dass die Sonne nie wieder aufgehen würde. Man konnte nicht in völliger Dunkelheit leben, auf jeden Fall nicht lange. Ich stand auf und sah aus dem Fenster, wie langsam der Tag die Nacht einholte und die Welt, ungeachtet dem was passiert war, sich einfach weiter drehte. Gedankenverloren ließ ich in meine Hände in die Hosentasche gleiten. Ich hielt meinen Ehering und das Armband in Händen, ohne dass ich drüber nachdenken musste, fand beides seinen Platz, den sie nur kurz verlassen hatten. Langsam fuhr ich mit den Finger über das Armbad. „Bleib für immer bei mir.“ Flüsterte ich mit erstickter Stimme und holte tief Luft. Wissend, er konnte an seinem Versprechen nicht länger festhalten. Aber in gewisser Weise wäre er jede Minute, jede Stunde, jeden verdammten Tag, den ich hinter mich bringen würde, bei mir. In meinem Herzen, wie auch in meinen Erinnerungen. Etwas zuckte ich zusammen, ich war so in Gedanken, dass ich nicht merkte, dass Jake plötzlich hinter mir stand.
Langsam drehte ich mich zu ihm. Die aufkommende Trauer ließ mich fast in die Knie gehen. „Ich möchte sterben.“ Weinte ich leise und sah ihn mit großen Augen an. „Ley, sag' sowas nicht.“ Flüsterte er, aber war ihm anzusehen, wie er einen kleinen Moment zusammenzuckte. „Das würdest du mir nicht antun.“ Versuchte er sich zu vergewissern. „Wahrscheinlich nicht.“ Antwortete ich jetzt tonlos und sah an ihm vorbei. „Zu lange musste ich auf dich warten, dass ich dich jetzt einfach gehen lassen könnte.“ Er beugte sich zu mir, ich sah in an, sah in seine Augen, die die Wahrheit zu sagen schien. Unter seinem Kuss, der auf meiner Stirn verharrte, schloss ich die Augen. Vorsichtig nahm er meine Hand und ging zurück zum Bett, als wir beide da lagen und uns ansahen, wurde mich klar, wie wichtig er jetzt für mich würde. Auch wusste ich, dass er versuchen würde, mir mein Leben erträglicher zumachen. Ich könnte mich auf ihn verlassen, ich musste mich einfach auf ihn verlassen.
Ganz nah robbte ich an ihn heran, dass meine Nase seine Brust berührte, ich schloss die Augen, wenn es jetzt noch Jared war, der seine Arme um mich legte, so würde vielleicht Jake seinen Weg zu mir finden. Den Moment versuchte ich an nichts weiter zu denken und bleierner Schlaf erlöste mich.
Chapter 8
Sanft streichelte etwas meine Wange. Tief holte ich Luft und es ließ mich leise stöhnen, so vertraut, so warm fühlte es sich an. Doch wollte ich die Augen nicht öffnen. Ich wollte mir weiter einbilden, dass es jemand anderes war. Wenn es Jake gegenüber nicht fair war, so konnte ich jetzt keine Rücksicht darauf nehmen. „Ley.“ Flüsterte seine Stimme, es klang fast als würde er meinen Namen singen und ich war erschrocken, dass es sich so verdammt echt an hörte. „Beautiful, sieh mich an, ich weiß dass du wach bist.“ Flüsterte seine Stimme weiter, es ließ mich lächeln, doch nannte mich nur Jared so. Langsam öffnete ich die Augen. Sein geliebter und vertrauter Anblick, er lächelte sein schönstes Jared- Lachen und es ließ mich dahin schmelzen. „Mein Herz.“ Hauchte ich zurück und berührte vorsichtig seine Brust, sie war warm und mir ganz nah. Wie glücklich es mich machte, sein Blick ruhte auf mir. „Ich liebe dich.“ Flüsterte ich kaum hörbar und war überwältigt von diesem Moment. Sein Lächeln wurde breiter. „Ich liebe dich mehr.“ Grinste er und ich konnte seine Lippen auf den meinen fühlen. Atemberaubend wie beim ersten Mal. Jetzt da ich mich um sah, wurde mir bewusst das wir zu Hause waren, warm fiel das Licht der aufgehende Sonne durch das Fenster und verbreitete das schönste Orange. Schnell sah ich ihn wieder an. Sein Blick wurde ein bisschen wehmütig, als wollte oder müsste er sich verabschieden. Ich legte die Stirn in Falten. „Was ist mit dir?“ Und meine Hand glitt über seine Wange. „Versprichst du mir was?“ Mit den Fingern fuhr er über meine Seite, leise ließ es mich kichern, dann sah er mich wieder an. „Allesl“ Versprach ich. „Kümmere dich gut um das, was bleibt, es ist, was uns verbindet, für immer.“ Das Lächeln, welches gerade noch sein Gesicht dominierte wich und sein Ausdruck wurde unsagbar traurig. Ich griff nach ihm, doch bekam ich ihn nicht mehr zufassen, wie eine Wolke löste sich alles um mich auf.
Keuchend schreckte ich auf, verwirrt sah ich mich um, dann vergrub ich mein Gesicht in den Händen und fing beruhigend an zu wippen. Tief atmete ich ein und aus und versuchte, das Gefühl der einen Liebe erneut herauf zu beschwören, lebensecht und alles verzeihend, langsam sah ich auf, tatsächlich war dieses Zimmer in das Orange der aufgehenden Sonne getaucht, aber war es nicht zu vergleichen mit diesem, sich so echt anfühlenden Traum. ´Kümmere dich gut um das, was bleibt, es ist, was uns verbindet, für immer´, waberte dieser Satz durch meine Gedanken. Ich fragte mich, was würde bleiben, außer Schmerz.
Jake lag schlafend neben mir, ich betrachtete ihn und fuhr sanft über seine Hand. Es war ein tröstlicher Gedanke, nicht allein zu sein und dass es dann noch er war, den ich mir so an meine Seite gewünscht hatte. Da war er, keine Armlänge von mir entfernt.
Doch was mir mit erschreckender Klarheit wieder in mein Gedächtnis gerufen wurde, Jake betrat mein Leben und meine Welt brach zusammen. Es war, als würde ein Fluch es nicht zulassen wollen, dass wir den Hauch einer Chance hatten.
„Guten Morgen mein Schatz.“ Brummte seine tiefe Stimme. Gequält lächelte ich. „Hey.“ Langsam ließ ich mich zurück in die Kissen sinken und sah ihn an. Ein bisschen richtete er sich auf, schob sich näher an mich und legte seine Hand auf meinen Bauch. „Konntest du ein bisschen schlafen?“ Einen Moment hielt ich inne. „Ja, ein bisschen.“ Murmelte ich und sah ihn an, dann starrte ich wieder vor mich hin. „Na komm her.“ Er breitete seine Arme aus und ich schmiegte mich an ihn. Mit geschlossenen Augen sog ich seinen bekannten und lang vermissten Duft ein. Es war so vertraut, ihn in meiner Nähe zu wissen. „Weißt du noch, unsere letzten Stunden in La Push?“ Flüsterte ich an seine Brust gekuschelt, ich wusste nicht, warum ich gerade jetzt damit anfing oder warum es mir einfiel.
„Es war der schönste Moment in meinem bisherigen Leben.“ Zu Anfang verwirrten mich seine Worte. „Ich war so glücklich, dass du dir eingestehen konntest, dass ich dir etwas bedeute.“ Noch immer konnte ich die Erleichterung von einst in seiner Stimme hören. Ein Stück schob ich mich von ihm, damit ich ihn ansehen konnte. „Kannst du Gedanken lesen?“ Mit in Falten gelegter Stirn lächelte er mich an. „Nein. Wie kommst du darauf?“ Mit meiner Hand fuhr ich über seine Seite zu seinem Rücken, sanft strich ich darüber und beobachtete sein Gesicht.
„Vor ein paar Tagen....“ Begann ich und wandte nicht einen Moment meinen Blick von ihm. „...... habe ich mir so sehr gewünscht, dass ich dich wiedersehen würde.“ Meine Worte zauberten ihm ein Lächeln ins Gesicht. „Das hat nichts mit Gedanken lesen zu tun, das ist Fügung. Wir gehören einfach zusammen.“ Seine Hand ruhte auf meiner Wange, das vertraute Gefühl ließ mich unter seiner sanften Berührung die Augen schließen. Vielleicht war es tatsächlich Schicksal, dass er jetzt hier an meiner Seite war und versuchte, alles für mich zu sein. „In einem anderen Leben........ Erinnerst du dich.“ Fragte er leise. Mein Kopf ruhte auf seinem Arm und er war leicht über mich gebeugt, langsam nickte ich und merkte, wie ich mich in seinen Augen verlor. „Du gehörst an meine Seite.“ Flüsterte er und neigte weiter sein Gesicht zu mir. Dieser Augenblick ließ zu, dass ich an nichts dachte, es war, als könnte er mir Vergessen schenken, jetzt und hier, nur für diesen magischen Moment. „Jake.“ Hauchte ich. „Ich habe nicht nur irgendwas für dich empfunden......“ Er hielt inne und sah mich an, fast hätte ich mich in der Tiefe seiner Augen verloren. „....ich habe dich geliebt.“ Beendete ich mit dünner Stimme mein Geständnis. Tat ich es aus Angst er könnte sich abwenden und erneut aus meinem Leben verschwinden? Wollte ich alles Unausgesprochene darlegen und ihn so an mich binden? Es fühlte sich an, als wäre er meine Rettungsleine, die mich an das sichere Ufer bringen würde.
Weiter ruhte sein Blick auf mir, doch indem ich das letzte Wort aussprach, schloss er die Augen und sein Gesicht verzog sich vor Schmerz. Als hätte ich ihm nicht gerade meine damalige Liebe gestanden, sondern hätte ihm das Herz aus seiner starken Brust gerissen und darauf Tango getanzt. Etwas irritiert sah ich ihn an und berührte sanft seine Wange, seine Hand legte er auf meine und schmiegte seine Wange fester in meine Hand. Es war, als wenn er derjenige wäre, der Trost brauchte. „Es tut mir leid.“ Flüsterte er mit zittriger Stimme und immer noch geschlossenen Augen. Warum entschuldigte er sich? Er war so wichtig für mich wie noch nie zuvor in meinem Leben.
„Es braucht dir nicht leid zu tun, es ist alles so lang her.“ Hauchte ich und versuchte, ihm den Schmerz zunehmen, der sein Engelsgesicht, gequält aussehen ließ. Langsam öffnete er die Augen und sah mich an. Er war so wunderschön, dass es mir fast den Atem raubte und ich mich erinnern musste, damit ich nicht vergaß, Luft zu holen. Es wäre an der Zeit, Vergangenes zu vergessen und bei der Zeitrechnung Null zu beginnen. „Alles was ich dir angetan habe, ich wünschte, ich könnte es ungeschehen machen. Damals wie heute.“ Zwar klang seine Stimme fester, doch war mit jedem seiner Worte die Unsicherheit zuhören. „Heute?“ Flüsterte ich und ich hatte keine Ahnung, was er meinte. Ich hoffte, er würde sich nicht dafür entschuldigen, wieder in mein Leben zurückgekehrt zu sein. Denn das würde nichts Gutes verheißen, vielleicht war er nicht gekommen um zu bleiben und er entschuldigte sich vielleicht jetzt schon dafür, dass er mich wieder verlassen würde. Ihm war anzusehen, dass er etwas auf der Seele hatte und das erste Mal sah ich Reue in seinem Blick und kaum erklärbare Schuldigkeit.
„Was meinst du?“ Fragte ich und meine Stimme klang sanft und verzeihend. Er holte tief Luft und dachte nach. Dann sah er mich erneut an. „Ley.“ Begann er etwas zögerlich. „Ich liebe dich. Ich liebe dich wie am ersten Tag, als ich dich in La Push wieder sah.“ Hätte in seiner Stimme nicht so ein unverheissungsvoller Unterton mit geschwungen, der mir Angst machte, Angst vor dem, was er mich noch wissen lassen würde, hätte ich ihm ein Lächeln geschenkt, auf jeden Fall hätte ich es versucht. Doch so sah ich ihn weiter stumm an und wartete auf die Dinge, die noch kommen sollten. Ich sah, wie er mit sich haderte, er schien sich nicht sicher zu sein wie es weitergehen sollte. Dann aber heftete er seinen Blick fest auf mich, die Reue und die Schuld, die ich nicht verstand, wich aus seinem Blick.
„Du musst Sam anrufen.“ Erinnerte er mich. Als wäre Jareds Unfall nicht schon das Schlimmste, was mir passieren konnte, stand mir jetzt das schwerste Telefonat meines Lebens bevor. Ich hatte keine Ahnung, wie ich es in Worte fassen sollte. Es war selbst für mich noch immer unbegreiflich, ich konnte nicht realisieren, dass er nicht mehr hier war, hier bei mir und es auch nie wieder wäre, dieser Gedanke machte Jakes kurzweiliges Geschenk des Vergessens zu Nichte.
„Ich weiß.“ Flüsterte ich und drehte mein Gesicht von ihm weg, damit er die aufsteigenden Tränen nicht sofort sah. Aber war ich mir fast sicher, dass es nicht das war, was ihm eigentlich auf der Seele brannte, doch verjagte er mit seinen Worten jede andere Art von Ablenkung und führte mir vor Augen, was der nächste Schritt wäre. Mein Magen zog sich zusammen, ich rollte mich auf die Seite und drehte ihm den Rücken zu. Tief atmete ich ein und aus, ich versuchte, mich auf den nächsten Zusammenbruch meiner Welt vorzubereiten, wenn man das überhaupt konnte. Was ich aber noch unerträglicher fand, dass ich mit diesem Anruf auch andere Welten ins Wanken oder zum völligen Zusammensturz brachte und über Menschen, die ich über alles liebte, Trauer und Verderben brachte. Ich wollte mir nicht vorstellen, wie es Embry beim Erfahren der Nachricht ginge, mein verwandtes und über alles geliebtes Herz, er würde so schrecklich leiden, dass der Gedanke daran reichte, um dem Wahnsinn wieder einmal nahe zu sein. Ich wünschte mich an seine Seite, in seine Arme, die die Einzigen waren, die mir noch mehr Trost hätten schenken können, als Jake es tat.
Doch versuchte Jake mir dann tatsächlich diesen schwersten Schritt abzunehmen. „Soll ich ihn anrufen?“ Erschrocken, diese Worte aus seinem Mund zu hören, fuhr mein Kopf zu ihm herum und ich starrte ihn an. In seinen Augen lag ein Ausdruck, den ich in diesem Ausmaße noch nie bei ihm gesehen hatte. Er war nicht nur über die Maßen besorgt, ob ich es packen würde, es sah aus als würde er sich einen Teil der Schuld auflasten. Dass er das tat, quälte mich fast noch mehr als der Gedanke an den Anruf. Warum quälte er sich nur selbst, für Dinge, auf die er nie einen Einfluss hatte? Es kam mir vor, als wollte er mit dem Anruf etwas wieder gut machen. Aber hatte er doch gar nichts falsch gemacht. Im Gegenteil, er war hier an meiner Seite und das machte vieles erträglicher.
Ich griff nach seiner Hand und drückte sie leicht. „Diesen Weg muss ich allein gehen, es ist das Mindeste, was ich noch tun kann.“ Schniefte ich leise. Langsam zog er mich wieder näher zu sich, jedes Stück, das ich ihm näher kam, bestätigte meinen Verdacht, dass ich mir seine Tränen nicht einbildete und es traf mich hart. Hätte ich jetzt mehr denn je eine starke Schulter gebraucht, doch kam es mir vor, als wären wir Gleichgesinnte, doch bezweifelte ich, dass seine Tränen demselben galten, dem meine sicher waren. Ich schlang meine Arme um seinen Hals und schluchzte laut, mit mir in seinen Armen setzte er sich auf und drückte mich an sich, als wären wir Ertrinkende, denen nicht mehr viel Zeit bliebe.
„Ich liebe dich.“ Immer und immer wieder flüsterte er diesen Satz, aber es klang wie eine Rechtfertigung oder eine Entschuldigung, aber nicht wie ein Liebesschwur. Auch konnte ich ihm darauf nicht antworten, ich versuchte, ihn anzusehen. Meine Beine lagen um seine Hüften, sein Kopf ruhte auf meiner Schulter, mit geschlossenen Augen presste er mich an sich und murmelte leise vor sich hin. Wie er sich jetzt verhielt, machte es mir Angst. In einem Moment stark, dann schwankend und zuletzt totale Verzweiflung. Doch war das nicht mein Part? War nicht ich diejenige, die den grausamsten Verlust ihres Lebens zu beklagen hatte? Ich verstand ihn und seine Verzweiflung nicht. Nichts desto Trotz fuhr ich mit meinen Händen beruhigend über seinen breiten Rücken und versuchte ihm das zu geben, wonach ich mich sehnte. Trost. Die Atmosphäre in diesem Zimmer war so wehmütig und schwer wie der Duft des wilden Jasmins an einem heißen Spätsommerabend.
Vorsichtig versuchte ich mich aus seinen Armen zu befreien, was ein aussichtsloses Unterfangen war. Seine Umarmung war fest und trotzdem sanft. Ich fragte mich, was ihn so unsagbar quälte und verzweifeln ließ, doch wollte ich ihn nicht drängen. Er würde es mir schon erzählen, wenn die Zeit dafür gekommen wäre. Mein Blick fiel auf die Uhr an der Wand, es war früher Vormittag, wenn ich jetzt in La Push anrufen würde, würde ich niemanden wecken. Oh Gott, allein der Gedanke ließ es mir übel werden, ich konnte und wollte das nicht, aber was hatte ich für eine Wahl? Ich hatte eine Wahl, die aber nie für mich in Frage käme. Diese Wahl würde nur noch mehr unangenehme Fragen aufwerfen und mich in eine unerträgliche Situation bringen, das war eine Sache, aus der ich Jake komplett heraushalten sollte. Dann kam mir der Gedanke, dass es vielleicht einfacher wäre wenn......., ´einfacher wäre´, als würde es irgendwas geben dass es einfacher machen würde. Egal wann, wo und wie. Das Ende vom Lied blieb das Selbe, wie man es drehen und wenden würde, es war nicht zu ändern, es war eine grausame Tatsache, die ich mir nicht eingestehen konnte. Er war nicht tot. Das konnte nicht sein. Nein, er war nicht tot. Es war alles nur ein schlechter Scherz und die Sanitäter haben ihre Arbeit einfach nur schlecht gemacht, im Krankenhaus wird ihnen aufgefallen sein, dass er lebte. Er würde mich nicht einfach allein lassen, dafür liebte er mich viel zu sehr. So etwas könnte er mir gar nicht antun.
„Ich muss telefonieren.“ Flüsterte ich und zögerlich lockerte sich Jakes Umarmung. Mit zittrigen Händen kramte ich mein Handy aus der Hosentasche und wählte die Nummer der Auskunft. Jake legte den Kopf schrägt und sah mich fragend an. Ich ließ mir die Nummer von dem Krankenhaus geben, in das ich gestern gebracht werden sollte. „Was machst du Ley?“ Fragte Jake misstrauisch. Ich schüttelte den Kopf und gab ihm so zu verstehen, dass er sich einen Moment gedulden müsste, dann wählte ich die Nummer. Doch noch bevor sich jemand meldete beugte Jake sich vor, nahm mir das Handy aus der Hand und legte auf. Entsetzt starrte ich ihn an. „Tu das nicht.“ Flüsterte er und sah von dem Handy auf. „Was bezweckst du damit?“ Seine Worte verwirrten mich. „Er......er......“ Stammelte ich vor mich hin. „Jake, er ist nicht.......tot. Er kann nicht tot sein. Er würde mich niemals allein zurücklassen.“ Im inbrünstigen Ton der Überzeugung versuchte ich es ihm klar zu machen, dass ich es nicht akzeptieren konnte. Ich konnte es nicht begreifen und wurde erst etwas zur Realität wenn man es verstand, doch war ich davon Lichtjahre entfernt.
„Jake! Gib mir mein Handy!“ Meine Stimme wurde laut und ich immer ungehaltener. Doch machte er keine Anstalten es mir zurück zugeben, mitleidig sah er mich an. „GIB MIR MEIN HANDY!“ Brüllt ich jetzt. Er versuchte, sich zwischen meinen Mann und mich zustellen und das ging gar nicht. Niemand könnte sich zwischen uns stellen, niemals. Indem ich erneut Luft holte, um ihn irrsinnigerweise wieder anzubrüllen, klingelte mein Handy. Jake ließ den Kopf hängen und hielt es mir resigniert hin.
„Geht doch.“ Zischte ich, ein Blick auf das Display ließ mich wissen, wer es war und ich ging ran. „Livia? Ist er zu Hause?“ Fragte ich eilig. Ruhe in der Leitung. „Ley? Ist alles klar bei dir? Wo bist du? Hier sind Leute vom Bestattungsinstitut, sie haben ein paar Fragen, du solltest nach Hause kommen.“ Ihre Stimme wurde immer leiser und mitfühlender, ich hörte, wie sie die Tränen unterdrückte, sie wusste, dass ich dem Wahnsinn näher als dem Leben war. Als ich ihre Worte hörte fing ich an zu lachen, irritiert sah Jake mich an. Immer lauter wurde mein Lachen bis ich das Telefon fallen ließ und mir schluchzend die Hände vors Gesicht hielt.
Zwischen den Schluchzern hörte ich Jake leise sprechen, er musste sich das Handy geschnappt haben.
Was machte ich hier eigentlich? ´Reiß dich zusammen´, tadelte ich mich selber. Langsam ließ ich die Hände sinken und atmete geräuschvoll aus. Dann stand ich auf und zog meine Schuhe an. „Was hast du vor? Wo willst du hin?“ Fragte Jake wieder einmal irritiert. „Ich muss nach Hause.“ Murmelte ich, richtete mich auf und sah ihn an. Ein paar Schritte tat ich auf ihn zu und reckte ihm ein Stück meine Hand entgegen. „Kommst du mit mir? Bleibst du bei mir?“ Etwas ängstlich sah ich ihn an, es wäre kein Wunder, wenn er wieder in der Versenkung verschwinden würde, aus der er aufgetaucht war. Wer verschwendete schon gerne seine knappe Lebenszeit mit einer Psycho- Witwe? Gequält lächelte er. „Auf diese Worte musste ich Jahre warten. Wo du hingehst, da gehe auch ich hin.“ Sein gequälter Ausdruck wich Erleichterung. Fest umschloss seine große Hand die meine, die so in seiner Hand liegend aussah wie die Hand eines Kindes.
Auf dem Weg zum Auto, wie auch die Fahrt nach Hause starrte ich die meiste Zeit teilnahmslos vor mich hin und war einfach nur da, das meiste nahm ich nur wie durch einen dicken Vorhang wahr.
Jake parkte direkt vor dem Haus. Mühsam quälte ich mich aus dem Auto und warf kraftlos die Tür zu. Mein Blick fiel auf den Teil der Straße, der gestern mein Schicksal besiegelte. Mit zitternden Händen wischte ich Tränen weg, dann schloss ich für einen kurzen Moment die Augen und alles spielte sich erneut in meinem Kopf ab. Ich wünschte, ich wäre diejenige gewesen, die losgelaufen wäre. Wenn ich die Zeit doch nur hätte zurück drehen können, mein Leben würde ich für ihn geben ohne nachdenken zu müssen. Es war weitaus schwieriger mit dem Tod fertig zu werden als zu sterben. Sterben musste einfacher sein, übrig zu bleiben war die real gewordene Hölle.
Ich sah Jake an, er kam näher, legte seinen Arm um meine Schultern und navigierte mich langsam und vorsichtig zur Haustür. Er nahm mir den Schlüssel ab und wir machten uns auf den Weg zur Wohnung. Eigentlich wartete ich nur darauf, dass Livia ihre Tür aufriss, als wir vorbei gingen. Doch nichts war wie sonst, ihre Tür blieb geschlossen. Meine Brust bebte immer wieder, als wir den Flur entlang liefen. Vor der Wohnungstür stand eine große Tasche und kurz bevor wir sie erreicht hatten, erkannte ich dass es die Tasche war, die Jared gestern gepackt hatte. Gestern............., es war erst gestern und doch war die Sehnsucht nicht auszuhalten. Warum hatte ich ihn nicht davon abgehalten, sich eine andere Bleibe zu suchen? Er tat es für mich, weil er mich liebte. Nie wieder würde ich die Chance bekommen ihn wissen zu lassen, was er mir bedeutete. Langsam ging ich in die Knie und hockte mich vor die Tasche. Sanft fuhr ich mit den Fingern über die Tragegurte, mit dem Wissen, dass er der Letzte war, der sie berührt hatte. Mein Herz zog sich zusammen, das ließ mich wissen, dass ich noch lebte, obwohl ich mir wünschte es, wäre anders. Jakes Hand lang beruhigend auf meinem Rücken, mit hängendem Kopf raffte ich mich wieder auf und öffnete die Wohnungstür.
Der gewohnte Geruch von Jareds und meinem Parfum lag in der Luft und ließ mich hoffen. Hoffen, auf was? Einen Moment brauchte ich ehe ich den ersten Schritt tun konnte. Mit seiner Tasche im Arm ging ich langsam durchs Wohnzimmer ins Schlafzimmer. Vor seiner Bettseite blieb ich stehen, dann setzte ich mich, noch immer hatte ich die Tasche im Arm und klammerte mich an ihr fest. Auf seinem Nachttisch stand unser Hochzeitsfoto. Wie wir uns verliebt in die Augen schauten am Strand von La Push und die untergehende Sonne verbreitete eine verzauberte Stimmung. Ich war so unglaublich verzweifelt, ich wusste nicht wie ich ohne ihn leben sollte. Ich war Jake dankbar, dass er mich für diesen Moment allein ließ und mir nicht nachkam. Jareds Tasche stellte ich vor das Bett und legte mich hin, meine tränennassen Augen vergrub ich in seinem Kissen. Ich war so schrecklich müde, müde von dem was passiert war, müde von den Überlegungen wie es weiter gehen würde, müde vom Leben. Wenn ich es gekonnt hätte, hätte ich mein Herz angehalten, doch schlug es kräftig weiter und schmerzte mich mit Erinnerungen. Meine Gedanken schweiften zu meinen Liebsten nach La Push und ich fasste einen Entschluss. Ich musste nach Hause, ich könnte es Sam nicht am Telefon sagen und ich brauchte meinen Embry. Mit schweren Schritten schleppte ich mich ins Wohnzimmer, Jake stand da und beobachtete mich. Ich griff meine Tasche, die noch immer vor dem Sofa stand, nahm sie mit zurück ins Schlafzimmer, packte sie aus und die letzten noch sauberen Klamotten packte ich ein, wie auch Jareds Kopfkissen und sein Schlafshirt, was noch unter seiner Decke lag. Dann ging ich zurück zu Jake.
„Ich werde nach Hause fahren.“ Sagte ich tonlos und sah ihn an. „Du kannst doch jetzt nicht so eine weite Strecke fahren.“ Empörte er sich über mein Vorhaben. „Ich kann es Sam nicht am Telefon sagen.“ Mein Blick sank und ich versuchte mir auszumalen, wie dieses Telefonat ablaufen würde, doch war der Gedanke zu grausam, um ihn bis zum Ende zu denken. „So kann ich dich nicht fahren lassen.“ Entschlossen sah er mich an. „Ich habe dich nicht um Erlaubnis gebeten.“ Mein Blick wurde kalt. „Sei vernünftig Ley. Du kommst niemals heil an.“ Er sorgte sich, wahrscheinlich zurecht, doch wäre jedes Wort der Vernunft vergeudet. „Lass' gut sein Jake.“ Versuchte ich ihm den Wind aus den Segeln zunehmen. „Ich werde dich nicht nochmal verlieren!“ Knurrte er fest entschlossen und baute sich vor mir auf. Ich schob die Tasche auf meine Schulter und ging langsam zur Tür.
„Das lasse ich nicht zu.“ Knurrte er wieder und stellte sich mir in den Weg. Kurz schloss ich die Augen und versuchte, meine letzten Kräfte zu mobilisieren. Dann sah ich ihn an, schlang meine Arme um seine Hüften und legte meinen Kopf an seine Brust. „Ich weiß.“ Flüsterte ich und hörte, wie er geräuschvoll ausatmete. Mit geschlossenen Augen lauschte ich dem rhythmischem Schlag seines Herzens. Seine Arme umschlossen mich und drückten mich fest an ihn. „Ich muss, ob ich will oder nicht.“ Hauchte ich und fühlte, wie seine Hände zitterten. Seine Umarmung lockerte sich, jetzt griffen seine großen Hände um meine Oberarme und er schob mich ein Stück zurück, dass er mich ansehen konnte. Resigniert erwiderte ich seinen Blick. „Du kannst mich nicht umstimmen.“ Er biss die Zähne aufeinander, ihm war klar, dass es genau so war, er würde auch nicht versuchen mich gewaltsam hier zu halten, das konnte ich in seinem Gesicht lesen. „Dann bringe ich dich nach La Push.“ Seine Stimme klang wieder sanft, fast verführerisch. Es war das erste Mal, dass ich den Wunsch verspürte, ihn küssen zu wollen. Liebevoll fuhren seine Hände über meine Arme. Der Klang seiner Stimme war unwiderstehlich, dass ich der Bedeutung seiner Worten keine Aufmerksamkeit schenkte. Es war wie eine Beschwörungsformel und ich hing wie gebannt an seinen formvollendeten Lippen, sah wie sie sich bewegten und zu mir sprachen, doch kam keines seiner Worte bei mir an. Mühsam konnte ich meinen Blick von seinem Mund lösen, doch nur um an seinen Augen erneut hängen zu bleiben. Sein Gesicht vereinte alle Eigenschaften des Schönseins.
„Du bist wunderschön.“ Sein Lächeln ließ mich wissen, dass ich diese Worte tatsächlich ausgesprochen hatte. Seine Hand fuhr warm über meine Wange und ich fühlte mich geliebt und beschützt. Er würde nicht zulassen, dass mir etwas zustoßen würde, auch würde er mich nicht schutzlos zurück lassen. Wenn ich ihn früher für einen dunklen Engel hielt, der bedrohlich und geheimnisvoll war, so war er heute der Engel, der mich auffing und nicht von meiner Seite weichen würde. Ich schloss die Augen und ertappte mich, wie ich seine kleinen Aufmerksamkeiten und seine Zuwendung genoss, so weit ich es konnte. Kurz bevor ich die Augen wieder öffnete, fühlte ich weich seine Lippen auf meinen. Es ließ mich für den Bruchteil einer Sekunde zusammenzucken, es war ein Kribbeln, als würde Strom durch seine Lippen fließen.
Es ließ mich leise seufzen, doch war ich auch erschrocken darüber, dass es sich keinen Augenblick falsch anfühlte. Seine andere Hand fuhr langsam um meine Seite und er zog mich Stück für Stück näher. Zu meinem Entsetzen ließ ich ihn und verschwendete nicht einen Gedanken daran, ihn zurück zustoßen oder abzuwehren. Im Gegenteil, ein nicht ganz so geringer Teil in mir bäumte sich auf, verlangte nach mehr und flehte ihn an, nicht aufzuhören. War es die Verzweiflung geliebt zu werden? Egal von wem, Hauptsache, jemand liebte mich und betäubte den Schmerz mit Leidenschaft. Doch legte Jake mehr Anstand an den Tag, als ich ihm jemals zugetraut hätte und ich verfluchte ihn für seine neugewonnene Tugend. Meine dunkle Seite kämpfte sich wild um sich schlagend an die Oberfläche.
Als er diesen Wahnsinnskuss enden lassen wollte, fuhr ich mit den Händen in seine Haare, zog ihn fester zu mir und forderte mehr. Kurz ließ er sich hinreißen, doch nur für den Moment. Dann lockerte er meine Hände und entzog mir seine Lippen. Doch anstatt dass er belehrend auf mich ein redete, sah er mich erst nur an. „Das möchtest du nicht.“ Flüsterte er, sein Gesicht noch immer dicht an meinem, dass ich die Wärme seines Atem spürte. Wie ich ihm in die Augen sah, hätte ich ihn nur zu gern vom Gegenteil überzeugt, aber er hatte Recht. Ich wollte ihn nicht um seiner selbst Willen, in diesem Moment wäre mir jeder andere auch Recht gewesen, ich erkannte mich selbst nicht. Dass er diese Situation nicht für sich ausnutzte, machte ihn besonders.
„Ich werde dich jetzt nach Hause bringen.“ Flüsterte er und küsste meine Wange. Ohne über die Folgen nach,zudenken nickte ich, er nahm meine Hand und führte mich hinaus. Als sich die Tür hinter uns schloss öffnete sich Livias. Mit gesenktem Blick ging sie auf mich zu, Jake ließ meine Hand los und es verunsicherte mich. Ich wollte ihn nicht loslassen, noch nicht mal für einen kurzen Moment. Livia umarmte mich. „Es tut mir so schrecklich leid.“ Schluchzte sie und drückte mich fester. Zögerlich erwiderte ich ihre Umarmung.
„Das haben die Männer vom Bestattungsinstitut hier gelassen.“ Sie ließ von mir und hielt mir eine kleine Papiertüte und eine Visitenkarte entgegen. Beides nahm ich wortlos an mich. „Du sollst dich dort melden.“ Ihre Stimme wurde fester und ihr Blick blieb an meiner Tasche und dann an Jake hängen. „Was hast du vor?“ Fragte sie und musterte ihn weiterhin misstrauisch. Ihr Blick ließ mich wissen, dass sie Jake nicht über den Weg traute. „Ich fahr' nach Hause.“ Murmelte ich. Nickend senkte sie ihren Blick, doch nur um mich prüfend wieder anzusehen. „Fährst du allein?“ Fragte sie etwas herausfordernd. Ich schüttelte den Kopf und blieb ihr die Erklärung schuldig. „Meld' dich und pass' auf dich auf.“ Flüsterte sie, als sie mich erneut umarmte. „Das werde ich. Danke.“ Verabschiedete ich mich von ihr. Mit hängendem Kopf schlich ich den Flur entlang, Jake folgte mir, an der Treppe angekommen legte er seinen Arm um meine Schultern und nahm mir die Tasche ab, in der ich vorher die von Livia übergebenen Sachen verstaut hatte. Wortlos verließen wir das Haus.
Wie selbstverständlich steuerte ich auf den alten Volvo zu. „Wir wollen doch heute noch ankommen.“ Lächelte Jake und zog mich in die andere Richtung zu seinen schnittigen Wagen. Leise schnaufte ich, doch war es mir egal, wie wir nach La Push kommen würden, von mir aus hätten wir auf Eseln reitend oder mit dem Lear- Jet den Weg nach Hause antreten können. Er warf meine Tasche in den Kofferraum, während ich mich auf den Beifahrersitz warf und die Tür schloss. Er setzte sich neben mich startete den Wagen, der brüllend ansprang, ich fragte mich, wie viele Ps dieses Monster hatte. Vorschriftsmäßig kurvte Jake durch die Stadt, erst als wir auf dem Highway waren, wo es keine Geschwindigkeitsbegrenzung gab, trat er ordentlich aufs Gas.
Gedankenverloren sah ich aus dem Fenster und die Welt raste an uns vorbei. Als ich das letzte Mal auf den Tacho sah, hatten wir gute zweihundert Sachen drauf, doch gab er mir die Sicherheit, die ich so sehr brauchte. Wenn meine Gedanken die meiste Zeit in der Vergangenheit gefangen waren, so gab es immer wieder kurze Momente, in denen ich mich befreien konnte. Dann wanderte mein Blick zu Jake, der lässig in seinen Sitz saß und konzentriert auf die Straße sah. Er bemerkte, dass ich ihn ansah und lächelte, den Blick weiter geradeaus gerichtet und hielt mir seine Hand entgegen. Ich sah sie an, sie war groß und für eine Männerhand ungewöhnlich schön, wie alles an ihm. Zwar war ich ziemlich verwöhnt, was das Erscheinungsbild eines Mannes anging, Jared war bei Gott nicht durchschnittlich, im Gegenteil, doch brachte Jake mich immer wieder zum Staunen. Zögerlich legte ich meine Hand in seine, fest umschloss er sie und legte sie auf meinem Bein ab. „Ist alles okay?“ Fragte er und sah mich kurz an. „Jake......“ Begann ich und zog die Stirn in Falten. „....... sag mal, hast du im Lotto gewonnen?“ Wieder sah er mich kurz an und grinste. „Nein, wie kommst du darauf?“ Lachte er und er schien froh zu sein, dass ich mir über ihn Gedanken zu machen begann. „Das Luxus- Motel und dieses Auto. Das lässt Platz für Spekulationen.“ Meine Stimme war nicht mehr dünn, kurz fand ich mein Selbstvertrauen zurück. Meine Vermutung belustigte ihn. „Mein Dad hat gut für mich gesorgt.“ War alles,, was er über seinen Lebensstil preisgab. Mein Blick blieb auf ihn geheftet und ich wartete auf eine Erklärung die Aufschluss geben würde. Doch hüllte er sich grinsend in Schweigen. „Okay.“ Murmelte ich misstrauisch, dann sah ich wieder aus dem Fenster. „Vermisst du ihn?“ Fragte ich. ohne ihn anzusehen. Er räusperte sich und veränderte seine Position, doch hielt er meine Hand weiter fest. „Jeden einzelnen Tag.“ Seine Stimme verriet seine Trauer und es war vernichtend. Würde ich auch nach so vielen Jahren noch immer erfüllt von Trauer sein wenn ich an Jared denken würde? Es waren quälende Gedanken, die jede Hoffnung nahmen. Dann wurde es wieder still, nur das Radio trällerte leise vor sich hin und ich machte mich erneut auf den Weg in die Vergangenheit.
Kurz nickte ich ein, doch schreckte ich immer wieder auf. Es war dieses bekannte Zucken, wenn man kurz davor war, einzuschlafen. Ich war todmüde und fror, mein Magen machte Randale, obwohl ich nicht das kleinste Gefühl von Hunger verspürte. Nach wie vor hielt Jake meine Hand, seine Wärme jagte mir eine Gänsehaut über den Rücken. Ich umfasste sie mit beiden Händen und versuchte mich an ihr zu wärmen. „Du bist eiskalt Ley.“ Kurz lies er meine Hand los und griff hinter meinen Sitz, er holte einen grauen Hoody hervor und gab ihn mir. Ich schnallte mich ab und zog ich schnell über, er war so riesig das Platz für noch eine Person gewesen wäre, doch nachdem Jake die Sitzheizung anwarf, wurden meine Hände bald warm. „Danke.“ Flüsterte ich, griff erneut nach seiner Hand und umklammerte sie. Je wärmer es wurde, um so schwerer wurden meine Lider, das letzte Schild, das ich wahrnahm, ließ mich wissen, dass wir mehr als die Hälfte der Strecke geschafft hatten, dann schlief ich ein.
Das Klingeln meines Handy ließ mich aufschrecken, noch völlig vom Schlaf benommen sah ich mich um. Mein Herz raste, mit zittrigen Fingern griff ich in meine Hosentasche und holte es heraus. Ich sah aufs Display, es war Sam. Den Tränen nah hielt ich mir eine Hand vor den Mund, ich schaffte es nicht, ranzugehen. Jake nahm es mir aus der Hand und meldete sich. Leise hörte ich Sams Stimme und die Tränen liefen. „Ich bins, Jake.“ Ich hörte wie Sam verstummte, zwar verstand ich nicht was er sagte, doch konnte ich es mir zusammen reimen. „Wir sind auf dem Weg, 'ne gute halbe Stunde, dann sind wir da.“ Jake holte tief Luft. „Das wird sie selbst sagen. Sie schläft.“ Log er um mir Zeit einzuräumen, Zeit die es aufschob, doch die es nicht abwenden konnte. „Okay, bis gleich.“ Verabschiedete er sich, immerhin war Sam schon mal vorgewarnt, dass Jake mitaufschlagen würde. Doch würde ich es früher oder später erklären müssen, wie Jake seinen Weg zurück in mein Leben fand. Doch vorher gab es Wichtigeres oder Schlimmeres, was ich ihm beibringen musste.
Es waren noch gute zehn Minuten bis wir da wären. Mir wurde übel, kotzübel. Als wir Forks hinter uns ließen, war es soweit. „Halt sofort an.“ Stieß ich hervor, Jake tat, was ich ihm entgegen bölkte. Er ging in die Eisen, ich riss die Tür auf, sprang aus dem Wagen und kotzte, was das Zeug hielt und das, obwohl ich nichts im Magen hatte, das war kein Spaß. Nachdem ich den Würgereflex im Griff hatte, hockte ich mich hin und drückte die Hände auf meinen Magen, der brannte, als hätte ich Säure getrunken. Kontrolliert atmete ich ein und aus, gegen Schmerz an. Was für eine Abwechslung, schön, wenn der eine Schmerz den anderen ablöste, so wurde es nicht eintönig. Der Wagen verstummte und ich hörte Jakes Schritte.
„Geht´s wieder?“ Fragte er, seine Stimme ließ mich wissen, dass er neben mir stand, na super, wer wünschte sich nicht Zuschauer, wenn man sich die Seele aus dem Leib kotzte. Kurz hielt ich die Hand hoch, als es wieder los ging. Zu allem Elend hielt er noch meine Haare zurück, damit sie nicht auch noch etwas abbekamen. Es war sicherlich nur gut gemeint, aber es war mir so unangenehm. Am liebsten hätte ich ihn angeschrien und weggejagt, doch war ich im nächsten Moment froh. dass er da war. Meine Gefühlsschwankungen waren nicht zu erklären. Doch auf einen Mann, der dir beim Kotzen die Haare zurück hielt, freiwillig, auf den war Verlass. Ich war nur froh dass ich seinen schicken Sportwagen nicht ruiniert hatte. Langsam richtete ich mich wieder auf, Jake ließ meine Haare los und ging zurück zum Auto, kurz drauf stand er wieder neben mir und hielt mir eine Flasche Wasser hin. Ich konnte ihn gar nicht ansehen, es war mir so peinlich. Ich spülte meinen Mund aus, dann trank ich ein paar kleine Schlücke und wartete, so wie es aussah, hatte mein Magen sich wieder beruhigt, doch allein der Gedanke, dass wir gleich da wären, ließ ihn erneut grummeln. Trotz allem bestand Jake darauf, dass ich wieder einstieg, er sorgte sich weniger um sein Auto. Vielleicht hätte es danach die Geruchsmarke ´frisch gekotzt´, ja wäre super. Wir stiegen ein und die Fahrt ging weiter.
Als wir von weitem das Haus sahen, schnürte sich mir die Kehle zu und ich schnappte nach Luft. Ich legte jede Symptomatik von Panik an den Tag, die es gab. Kotzen, Herzrasen, zittrige Hände, Luftnot, Schweißausbrüche, die ganze Palette. Jake parkte und der Wagen verstummte. Er biss auf seiner Unterlippe herum und sah mich nachdenklich an. „Ich pack' das nicht.“ Keuchte ich und stand kurz vor einer Ohnmacht. Er nahm meine Hände und sprach ganz ruhig auf mich ein. „Schließ' die Augen.“ Ich tat, was er sagte, dann konzentrierte ich mich auf seinen Atem, der langsam und ruhig ging. Ich passte mich ihm an und es dauerte nur Minuten, bis es mir besser ging. Zwar fühlte ich mich dem noch immer nicht gewachsen, doch konnte ich es nicht mehr aufschieben. Wir stiegen aus und schlichen langsam zur Tür. Ich wünschte, dass mich ein Meteorit erledigen würde, oder sich eine Erdspalte auftäte und mich verschluckte. Aber nichts dergleichen, wie gewohnt war das Schicksal ungnädig und quälte mich bis aufs Blut. Vor der Tür stehend drehte ich mich noch mal um und sah zum Meer. Jake merkte, dass ich Zeit schindete und klopfte, dabei hätte ich noch gut einen Moment gebrauchen können. Doch konnte ich ihm noch nicht mal böse sein. Ich senkte den Blick, indem wurde sie geöffnet. Ohne zu wissen, wem ich gegenüber stand, stiegen die Tränen lautlos hoch und liefen über.
„Mein Lieblingsmädchen.“ Vernahm ich Sams Stimme, sie klang misstrauisch und doch verwundert. Jetzt hob ich den Kopf und sah ihn an. Sein Ausdruck wurde entsetzt. „Was ist passiert?“ Ich konnte nicht reden, ich konnte nur weinen. Schluchzend hielt ich mir eine Hand vors Gesicht. Es verging keine Sekunde, Sams Arme legten sich um mich und er beförderte mich ins Haus. „Hallo Jake.“ Begrüßte er ihn kurz und widmete sich wieder mir. Sam verfrachtete mich auf die Couch und setzte sich neben mich, fassungslos betrachtete er mich.
„Was ist mit dir passiert?“ Fragte er und versuchte, das Entsetzen über meine klägliche Erscheinung nicht durchklingen zulassen. „Ich..........Jared.......“ Stammelte ich vor mich hin und bekam keine zusammenhängenden Sätze hin. „Er hat 'ne andere.“ Versuchte Sam mir zu helfen und seine Stimme klang abfällig. Doch wäre das etwas, womit ich hätte leben können. Verzweifelt schüttelte ich den Kopf. Ich vernahm das Quietschen der Treppe. Mit verschwommenen Blick nahm ich Paul wahr, der mich und vor allem Jake sprachlos ansah. Langsam kam er näher. „Was ist hier los?“ Knurrte er misstrauisch und setzte sich neben Jake auf das andere Sofa. Ich schlang meine Arme um Sam und hielt mich an ihm fest. „Was ist mit ihr?“ Fragte Paul erneut, jetzt weniger misstrauisch, dafür besorgt. Als ich die Augen öffnete und in seine Richtung blickte, sah ich wie er Jake musterte. Der seinen Kopf in den Händen liegen hatte und selbigen schüttelte. „Noch weiß ich es nicht.“ Murmelte Sam und strich mir beruhigend übers Haar. „Ich kann nicht........mehr.“ Schluchzte ich und es schüttelte mich. „Und was willst du hier?“ Knurrte Paul Jake an. „Ich hab sie gefahren.“ Antwortete er knapp. „Dass hätte Jared genau so gut machen können. Wo ist er überhaupt?“ Paul wurde immer ungehaltener. Er sprach von ihm, als würde er leben, doch für sie lebte er noch, es war unerträglich. Ich wurde hysterisch. „Ja Paul genau, er hätte mich hier herbringen müssen. Es wäre seine verdammt Pflicht gewesen.“ Fauchte ich ihn an. Verwundert sahen Sam und Paul mich an. Jakes Blick wurde immer mitleidiger, er vergrub das Gesicht in seinen Händen, er konnte es nicht länger mit ansehen. „Er hätte es getan...............“ Meine Stimme wurde wieder ruhiger. Ich sah Paul an. „Aber er ist...........tot.“ Es hörte sich nicht nach meiner Stimme an, als ich es aussprach. Jetzt als es raus war, lehnte ich meinen Kopf wieder gegen Sams Brust und wollte sterben. In seinen Armen sollte meine Herz seinen Dienst einstellen und mich erlösen. Sams Umarmung lockerte sich und er stand auf, lief im Wohnzimmer auf und ab.
Allein saß ich auf diesem riesigen Sofa , ich zog die Beine an, umschlang sie, legte meinen Kopf auf die Knie, begann zu wippen und vor mich hin zu summen. Doch selbst das brachte nicht den gewünschten Effekt. Es ließ mich verstummen und die Stille war gespenstisch, in diesem Moment war es nicht nur Jared, der für sie starb, es war so viel mehr. Ich hörte Sams Atem, der mit jedem Schritt lauter und schnaufender wurde. Dann drehte er auf der Hacke um und verließ das Haus. Paul starrte vor sich hin und war zu keiner Regung in der Lage. Ich sprang auf und verließ auch das Haus, ich sah, wie er in Richtung des Strandes ging, langsam ging ich ihm nach. Ich suchte seine Nähe, ich wollte bei ihm sein. Ich wollte, dass er mich rettete. Immer wenn es ein Problem gab, war Sam zur Stelle, um es zu lösen. Nur hatten wir es nicht mit einem Problem zu tun, sondern mit einer grausamen Gewissheit.
„Sam.“ Rief ich ihm nach und meine Stimme war rau und heiser. Er schüttelte den Kopf, hielt seine Hand in meine Richtung um mich auf Abstand zuhalten. Nicht einmal sah er mich an und es verletzte mich zutiefst. „Sam, bitte!“ Schrie ich ihn an und flehte um seine Gnade, als könnte er alles von mir nehmen und mich befreien. Doch ging er Schritt für Schritt weiter und entfernte sich von mir. „Tu das nicht.....“ Kreischte ich hinter ihm her, nur wagte ich es nicht, einen weiteren Schritt zu tun. Es waren Welten, die zusammenbrachen und es war nicht nur zu hören, viel schlimmer war es, es zu fühlen. Schluchzend sah ich ihm nach und sah, wie es ihn wanken ließ, es war nicht zu ertragen, ihn so zusehen. Sam war die Zuflucht, dessen Arme mich immer auffingen, auf die jeder Zeit Verlass war, doch in diesem Moment verlor ich jeden Halt und ich fiel ins Bodenlose. Ein Abgrund, so schwarz und tief, dass keine Ende abzusehen war. Wankend drehte ich mich um und taumelte zurück in Richtung des Hauses, als sich die Tür öffnete und mich ein Augenpaar ungläubig und fassungslos ansah. Ich lief so gut mich meine Beine noch trugen, Embry breitete seine Arme aus und schnappte mich in dem Moment, als meine Beine versagten. „Sag mir, dass Paul gelogen hat.“ Flüsterte er und hielt mich fest. „Ich wünschte, ich könnte es.“ Schluchzte ich. „Oh mein Gott.“ Hauchte er und drückte mich so fest an sich, dass ich das Beben seiner Brust nicht nur fühlte, es schüttelte mich regelrecht. Zitternd stand er mit mir in den Armen da und hielt mich fest, als wäre ich sein Leben. „Wann.“ Flüsterte er mit zitternder Stimme. „Gestern.“ Weinte ich und es ließ ihn in die Knie gehen. Ich habe Embry nicht oft weinen sehen, doch das hier war einfach etwas, was mich dermaßen an meine Grenzen brachte. Sein Schmerz war meiner und wir zerbrachen dran. Zeit verlor ihre Bedeutung, einmal mehr hörte die Welt auf sich zudrehen und quälende Stille, die nur von herzzerreißenden Schluchzen zerschnitten wurde, umgab uns und nahm alles Gute mit sich fort. Ließ Wut, Verzweiflung und abgrundtiefe Trauer zurück. Mein verwandtes Herz war alles, was mir noch bleiben würde. Wenn das Schicksal noch einen Supergau für mich bereit halten würde, schwor ich mir in diesem Moment, dass ich ihm ein Schnippchen schlagen würde und es sich ein anderes Opfer suchen müsste, mit mir nicht mehr, ich schwor allem ab. Nur solange Embry noch an meiner Seite wäre, würde ich durchhalten. Doch sollte ihm was auch immer widerfahren, würde ich vor Ablauf meiner regulären Zeit den Qualen ein Ende setzen. Wenn ich Jake damit auch schlimmstes antäte, doch Embry war durch nichts und niemanden zu ersetzen.
Keine Ahnung, wie lange wir kniend auf dem Boden verharrten. „Ley? Embry? Was macht ihr da?“ Ich sah auf und in Seth' verstörtes Gesicht. Meine Tränen waren versiegt und ich sah ihn müde an. Dann hörte ich wie Paul ihn rief und er ging zu ihm, doch drehte er sich immer wieder zu uns um. Paul legte ihm einen Arm um die Schultern und nahm ihn mit rein. Wenigstens einer, der nicht dem Wahnsinn verfiel.
Embrys Arme glitten von meinem Rücken und ich sah ihn an. Meine Hand fuhr über seine Wange. „Ich liebe dich.“ Flüsterte ich und küsste ihn. Es ließ ihn die Augen schließen. „Du darfst nicht wieder gehen.“ Murmelte er mit geschlossenen Augen. „Du musst bei mir bleiben. Versprich es, bleib hier.“ Nie hatte er mich um etwas der Gleichen gebeten, wenn wir auch oft und lange von einander getrennt waren, so trug er es immer mit Fassung, doch wie es schien, hatte er nicht mehr die Kraft von mir getrennt zu sein und jetzt als ich wieder hier war, konnte ich es mir nicht erklären, wie es ohne ihn aushalten konnte. Wahrscheinlich hatte Jared immer alles aufgefangen, doch würde sich vieles ändern, ob wir wollten oder nicht. Unsere Welt war im Wandel, entweder passten wir uns an oder wir gingen mit wehenden Fahnen unter. Doch konnte ich noch nicht sagen, in welche Richtung es uns führen würde. Gedeih oder Verderb?
Erst als der Regen einsetzte, konnten wir uns aufraffen und gingen zurück. Als Embry die Tür öffnete, fiel mein Blick sofort auf Jake, der einen Arm um Seth gelegt hatte, der abwesend vor sich hinstarrte und die oder andere Träne über seine Wangen kullerte. Meinen kleinen immer fröhlichen Seth so zusehen war nicht in Worte zufassen. Dass er in seinem jungen Leben schon so einen Verlust ertragen musste, erinnerte mich an die Zeit, als meine Familie mich zurück ließ. Es lehrte mich, dass man mit dem Schmerz leben konnte, doch hinterließ es Wunden, die nie heilten und nun gesellte sich eine neue riesige, klaffende Wunde dazu. Es blieb immer die Frage, war ich bereit mit diesem Schmerz zu leben oder würde es irgendwann unerträglich werden.
Paul schien der Einzige zu sein, der die Fassung wahren konnte und einen halbwegs klaren Kopf behielt. Ich schloss die Tür hinter mir, er kam auf mich zu und umarmte mich. „Es tut mir so unsagbar leid.“ Flüsterte er und drückte mich ein bisschen fester. „Danke.“ Flüsterte ich und war nicht mehr in der Lage zu weinen. Als er von mir ließ, fiel mein Blick wieder auf Jake, der mich schuldbewusst ansah. Kraftlos schleppte ich mir zum Sofa und ließ mich fallen. Leere erfüllte mich, aber dieses Spielchen kannte ich ja bereits. Doch hoffte ich, dass die Zusammenbrüche nicht mehr die selben Ausmaße annahmen wie in der vergangenen Nacht, jetzt da ich den letzten schweren Gang hinter mich gebracht hatte. Embry setzte sich neben mich und tastete nach meiner Hand, so wie Jake die letzte Nacht meine Rettungsleine war, so war ich es jetzt für Embry. Ich kuschelte mich an seine Seite, schloss die Augen und lauschte seinem Atem, der langsam und regelmäßig war.
Kurz nickte ich ein, doch das leise Gemurmel der anderen ließ es nicht zu, dass ich tiefer in den Schlaf fand. Eine meiner Hände lag auf Embrys Bauch, der sich hob und senkte, ich sah ihn an, er starrte ins Leere und war er nur körperlich anwesend. Ich wusste zu gut, wie es ihm ging und was in ihm vor ging. Eine Zeit blieb ich bei ihm sitzen, dann stand ich auf und ging in die Küche, kurz war ich allein und kochte Kaffee. Als ich auf Zehenspitzen stand und Tassen aus dem Schrank angelte, fühlte ich, dass jemand hinter mir war. Ich sah über meine Schulter und Jake war mir ganz nah. Er legte seinen Kopf auf meine Schulter und schmiegte seine Wange an meine. Mit einer Hand griff ich nach hinten, streichelte seine Wange und er seufzte. „Mein Blauauge.“ Hauchte er liebevoll und wie er seine Hände auf meinen Bauch legte und sanft auf und abfuhr, schloss ich die Augen. Erneut machte sich der Wunsch in mir breit, ihn zu küssen. Als wären meine Gedanken seine, küsste er meine Wange wieder und wieder. Mit jedem Mal wurde es sanfter und liebevoller. Wie von selbst drehte sich mein Kopf und ich sah ihn an, noch immer fuhr meine Hand über seine Wange, hinunter zu seinem Hals. Erst jetzt fiel mir auf, wie gut er roch. Seine Hände umfassten meine Seiten und langsam drehte er mich zu sich. Wie weit ich den Kopf in den Nacken legen musste um ihn anzusehen, wenn er so nah vor mir stand. Wieder küsste er meine Wange und ich schloss die Augen, hoffend er würde meine Gedanken weiter lesen. Doch war es verwirrend, in einem Moment trauerte ich unter Tränen um meinen Mann und im nächsten konnte ich mir nichts anderes vorstellen, als mich Jake hinzugeben. Ich fand mich schon ziemlich gestört, dafür gab es keine logische Erklärung. War es Dankbarkeit, dass er bei mir war oder flammte die alte Liebe erneut auf und drückt sich darin aus. All dass geschah, ohne dass mein Gewissen mich quälte. Wie ich jüngst wieder einmal lernen musste konnte das Leben viel zu schnell vorbei sein, so rang ich mich dazu durch, es so zunehmen wie es kam und als er meinen Gedanken weiter zu folgen schien, fanden meine Hände seinen Nacken und ich nahm ihm ein Stück der Überlegung ab. Seine Küsse waren mit denen von früher nicht zu vergleichen. Noch immer bereiteten sie mir eine Gänsehaut, ich konnte nicht in Worte fassen, was anders war, auch ließen sie mich mehr wollen und beschleunigten nach wie vor meinen Atem, aber es war fast wie eine Art Unterwürfigkeit, Reue oder Schuld, als würde ich bestimmen, wie es laufen würde. Das war etwas, was ich von Jake überhaupt nicht kannte, er wusste immer was er wollte und er hatte es sich immer genommen, das machte ihn so anziehend und unwiderstehlich. Sollte ich einen anderen, einen neuen Jake kennenlernen?
Die Gedanken zerplatzen wie eine Seifenblase, als er meine fordernden Küsse erwiderte und seine Hand in mein Haar fuhr, er sanft zugriff und wieder ein bisschen mehr das Steuer übernahm. Doch war es wieder Jake, der dem vorzeitig ein Ende setzte. Ich nahm sein Gesicht in meine Hände und hauchte ihm einen letzten, fast unschuldigen Kuss auf die Lippen. Länger als der Kuss dauerte, blieben seine Augen geschlossen, als wollte er das Gefühl noch ein bisschen festhalten. Über seine fast befremdliche, normale Art musste ich etwas grinsen. Dann wandte ich mich ab, goss mir Kaffee ein und ließ ihn in der Küche zurück. So wie es aussah, brauchte er noch einen Moment, damit nicht gleich jedem ins Auge stach, was er nicht ausgeschlagen hätte, wenn wir etwas ungestörter gewesen wären.
Wieder fand ich meinen Platz neben Embry, doch jetzt war es er, der sich an mich kuschelte. Einen Arm legte ich um ihn und streichelte seine Schulter, er schloss die Augen und ließ mich für ihn da sein. Es fühlte sich so gut an, ihn bei mir zu wissen. Es war, als hätte ich eine neue Aufgabe, die mir Kraft gab, jetzt nicht selbst völlig zu verzweifeln, sondern für die anderen da zu sein. Etwas beugte ich mich über ihn und küsste sein Haar, es ließ ihn seufzen. Gedankenverloren begann ich seine Haare zu zwirbeln, bis vereinzelte Strähnen wild vom Kopf abstanden. Nach kurzer Zeit war seine Atmung so tief, dass ich wusste, er schlief. Seth und Paul saßen mir gegenüber und verfolgten mit ausdruckslosen Gesichtern, wie ich Embry weiter verunstaltete. Jake hatte am Tisch Platz genommen und schien seinen Gedanken nachzuhängen. Sam war noch immer nicht zurück und ich sorgte mich. Dass es ihn treffen würde stand außer Frage, doch seine Reaktion überstieg alles, was ich vermochte mir vorzustellen. Ich hoffte inständig, dass er es überwinden könnte und zu seiner gewohnten Stärke zurück fand. So war es doch immer er, der uns und alles, was uns umgab, zusammenhielt, der uns stärkte. Würde diese tragende Säule wegbrechen, wäre alles dem Untergang geweiht. Keiner von uns wäre in der Lage, das aufzufangen.
Mein Blick wanderte wieder und wieder zu den Fenstern, mittlerweile hatte sich erdrückende Dunkelheit auf alles gelegt. Still saßen wir im Wohnzimmer und niemand verlor ein Wort. Kein weiteres Wort des Trostes, kein Vorwurf, keine Fragen, nur verzweifelte, trauernde Stille. Embrys Kopf ruhte noch immer in meinem Schoss, unermüdlich streichelte ich ihn. Diese Monotonie beruhigte mich, sie war beständig und gleichbleibend. Zeitweise war ich versucht, nach Sam zu suchen, doch wissentlich, es wäre ihm nicht Recht, verwarf ich mein Vorhaben immer wieder auf ein neues, bis es mich wieder dermaßen beunruhigte und mein Magen sich zusammenzog. Doch mir blieb nichts anderes übrig außer zu warten und zu hoffen, dass er wieder kommen würde.
Mein Blick wechselte von einem zum anderen, wenn ihre Gesichter ohne emotionale Regung blieb so erzählten ihre Augen die schreckliche Geschichte, wie es in ihnen aussah, das war, was mich jetzt viel mehr leiden ließ. Vor allem Seths Gesicht, welches immer noch so viel kindliches besaß, schien mit einem Mal erwachsen und um Jahre gealtert. Jetzt blieb noch Quil übrig, Paul ließ mich vorhin wissen, dass er mit Freunden unterwegs war und erst spät nach Hause kommen würde. Noch einmal es durchleben müssen und dann wäre dem ausreichend Tribut gezollt. Dann war es an der Zeit, damit irgendwie zurecht zu kommen und ihn gehen zu lassen. Doch war das ein Gedanke, der mich wieder mit den Tränen kämpfen ließ. Ihn gehen lassen, es kam mir so absurd vor. Meine Unterlippe bebte verräterisch, als ich das Armband betrachtete. Nein, ich könnte ihn nicht gehen lassen, er würde mich jeden Tag begleiten und bei mir sein. Das war der Schmerz mit dem ich lernen musste zu leben, wenn ich ihn zeitweise in den Hintergrund schieben könnte, so wäre er doch allgegenwärtig. Es war trügerisch zu glauben, die Liebe wäre ein zartes und zerbrechliches Pflänzchen. Sie nahm rücksichtslos, was sie verlangte, gaukelte uns die Ewigkeit vor, Glück und Seelenheil, doch nur um uns in einem schwachen Moment das Herz aus der Brust zu reißen und uns blutend zurück zulassen. Es wäre das einzig Richtige es so zu tun, wie es die Liebe uns lehrte. Nimm dir ,was du willst, mache anderen etwas vor und dann verschwindest du und hinterlässt Trauer und Verzweiflung. Vielleicht war es wirklich besser, andere ins Unglück zu stürzen, als selbst zu fallen. Es fühlte sich an, als würde sich meine Sicht auf das Leben erneut ändern. Doch nicht wie damals in Seaside, als ich mich für die Liebe entschied und alles was sie beinhaltete. Inständig hoffte ich, dass ich mich nicht schon zu sehr an Jake gehängt hatte. Es würde mir leid tun, ihn zu verletzten, nur würde ich irgendwann mein Herz an ihn hängen und er würde mich verlassen, ob freiwillig oder nicht, würde sich die Tragödie der Liebe nur ein weiteres Mal wiederholen. Das wollte ich nicht wieder erfahren müssen. Die negativen Seiten der Liebe überwogen die Positiven. Auch wurde mir klar, dass je mehr Zeit ich mit Jake verbringen würde, um so schwieriger es wäre, ihn fortzuschicken oder selber den Rückzug anzutreten. Ich sah auf, noch immer saß Jake am Esstisch, seinen Kopf auf einen Arm gestützt, er bemerkte, dass ich ihn ansah. Ihn mit meinem jetzigen Wissen zu betrachten, führte nur dazu, dass ich mich noch schlechter fühlte. Vorsichtig lächelte er und ich sah in seinen Augen dasselbe wie in Jareds. Es war zu spät um die Reißleine zu ziehen. Ich war seine Liebe. Selbst wenn ich gemein zu ihm wäre und ihn fortjagen würde, so würde er doch nicht von meiner Seite weichen. War ich undankbar? Andere Menschen wüssten vielleicht ihr Glück zu schätzen. Oder wären sie einfach nur naiv und dumm? Meine Naivität ging mit Jared, jetzt wäre ich wahrscheinlich mehr als nur misstrauisch oder würde es gar nicht mehr in Betracht ziehen für etwas zu kämpfen, da es doch nur vergebene Liebesmüh' wäre, die die Kraft nicht wert wäre, die man dafür aufbrächte. Mein Herz legte bei seinem Versuch, mir ein Lächeln zu schenken einen Schlag zu, aber konnte ich es nicht erwidern und wandte meine Blick von ihm. Tiefer rutschte ich in die Kissen, leise stöhnte Embry und seine Hand fuhr tastend über mein Bein, erst als sie meine fand, kam sie wieder zur Ruh. So wäre er der Einzige dem meine Liebe gewiss was. Auch würde er sie sich nie verdienen müssen, er war es wert, bedingungslos geliebt zu werden, er war meine verwandte Seele. Er fühlte und dachte wie ich. Würde ich aufhören ihn zu lieben, würde ich aufhören mich zu lieben und damit dem Leben abschwören. Es war alles für 'n Arsch, ich war müde und wünschte mir Vergessen, nur um endlich schlafen zu können. Es gab zwei Wege, die mich für den Moment vergessen ließen. Entweder eine schöne große Flasche Hochprozentiger oder Jake. Er besaß diese seltene Gabe, noch haderte ich mit mir welcher heute der bessere Weg für mich wäre.
Vorsichtig versuchte ich aufzustehen, langsam glitt Embrys Kopf von meinem Schoss, im selben Moment schob ich ihm ein Kissen hin und es funktionierte. Ich schlurfte in die Küche und machte die kleine Lampe in der Fensterbank an. Dann begann ich die Schränke zu durchsuchen, nach kurzer Zeit wurde ich fündig. Es war noch eine fast halbvolle Flasche Rum, von mir aus hätte es auch Terpentin oder Waschbenzin sein können. Ich setzte mich auf die Arbeitsplatte vor dem Fenster und löschte das Licht, dann schraubte ich meinen Vergessens- Spender auf.
Erst roch ich an der Flasche und es verschlug mir fast den Atem. ´Ach was soll's, runter damit´, dachte ich und setzte sie an. Es lief brennend meine Kehle hinunter und brodelte in meinem Magen. Ich schloss die Augen und summte leise. Immer wieder setzte ich die Flasche an, es war widerlich und es ließ nicht lange auf sich warten, mir wurde angenehm schwindelig. Auf leeren Magen hatte es durchschlagenden Erfolg und es war nicht allzu viel von dem Teufelszeug nötig. Meine Lider waren schwer, doch reichte es noch nicht, um schlafen zu können. Vielleicht würde ich nie wieder schlafen können, so kam es mir fast vor. Schluck für Schluck versuchte ich mich weiter zu betäuben, langsam trat der Schmerz in den Hintergrund und ich wünschte mir den anderen Weg noch zusätzlich zu diesem. Wildes hemmungsloses in den Laken wälzen, wäre jetzt ´ne feine Sache, scheißegal mit wem. Mit geschlossenen Augen saß ich da und fand einmal mehr, dass Kopfkino eine super Alternative bot. Es ließ mich seufzen und das Gefühl des freien Fall ergriff Besitz von mir. Wenn ich auch fiel, der Aufprall konnte nicht schmerzhafter werden als dass was ich bis jetzt kennenlernte. Es war mir völlig egal, es gab kein Morgen, nur Hier und Jetzt. Das war der Zustand, den ich als überaus erstrebenswert erachtete.
Mittlerweile hatte ich die Hälfte des Inhalts in mich hinein geschüttet und rutschte von der Arbeitsplatte. Mit einem dumpfen Knall landete ich auf den Knien, meine Beine wollten nicht mehr so ganz wie sie sollten. Es ließ mich kichern und ich rappelte mich hoch. Wow, ordentlicher Seegang heute. Ich torkelte zurück ins Wohnzimmer, zwar versuchte ich mich zusammenzureißen, doch wer mir nicht ansah, dass ich voll war, würde es spätestens beim Näherkommen riechen. Ich visierte Jake an und ging langsam auf ihn zu. „Schlüssel.“ Beschränkte ich mich auf das Nötigste und versuchte, möglichst nicht zu lallen. Mit zusammengezogenen Augenbrauen sah er mich an.
„Ist das ein Spiel?“ Flüsterte er. Ich stützte meine Hände vor ihm auf dem Tisch, beugte mich etwas zu ihm und fand, dass ich ziemlich verführerisch grinste und eine Augenbraue hochzog. „Du möchtest spielen? Grrrr, lass uns spielen!“ Hauchte ich. Etwas erschrocken wich er ein Stück zurück. Es war nicht die Reaktion, die ich von ihm erwartet hätte, früher wäre er voll drauf eingestiegen und dementsprechend abgegangen. Da könnte ich heute wohl nichts mehr reißen und mein Blick wurde verständnislos. „Autoschlüssel.“ Versuchte ich es erneut. Seinen misstrauischen Blick auf mich gerichtet wollte er in seine Hosentaschen greifen. „Lass mich dir helfen.“ Grinste ich wieder und meine Hand fand mehr als nur den Schlüssel. Er schnappte nach Luft und schob sich samt Stuhl ein Stück zurück. Gott, er benahm sich wie eine Pastorentochter. Doch den Schlüssel hielt ich jetzt in Händen. „Vielen Dank.“ Hauchte ich und fuhr über seine Wange. Es war, als hätten wir die Rollen getauscht, ich fand's ziemlich lustig und es hatte seinen Reiz. Leise lachte ich und ging zur Haustür. „Ist alles okay mit dir?“ Rief Paul mir nach. Grinsend drehte ich mich um und hielt ihm den ausgestreckten Daumen hoch. „War selten besser.“ Ich öffnete die Tür und ging raus. So gut wie es mir jetzt ging, ging es mir seit Tagen nicht mehr.
Es war so dunkel, dass ich fast die Hand vor Augen nicht sehen konnte mit kleinen Schritten tippelte ich zu Jakes Wagen, mit der Absicht, meine Tasche zu holen. Es grenzte schon an einer Herausforderung den Kofferraum zu öffnen, zwar dauerte es aber dann hatte ich meine Tasche und wollte zurück. Ich lief los ohne zu gucken wohin und rannte gegen etwas, dass mich ein Stück zurückwarf und mich fast aus meine ohnehin fraglichen Gleichgewicht brachte. Es war Jake, er grinste. Seine strahlend weißen Zähne leuchteten fast im Dunkeln und waren am ehesten zuerkennen. Hatte er es sich doch nochmal anders überlegt und würde meine Einladung zu einer kleinen Liason doch nicht ausschlagen? Meine Tasche ließ ich zu Boden fallen und ging Schritt für Schritt auf ihn zu. Als ich vor ihm stand, fuhr ich mit meinen Händen über seine breite Brust, hinunter zu seinem Bauch, um seine Hüften und am Rücken wieder hinauf. Ich stellte mich auf die Zehenspitzen, jetzt da ich ihm so nah war konnte ich jede noch so kleine Gefühlsregung in seinem Gesicht erkennen.
„Doch Lust zu spielen?“ Flüsterte ich und sein Blick war unergründlich für mich. „Du bringst mich echt in Versuchung.“ Knurrte er und endlich kamen seine Hände zum Einsatz. Schon die erste Berührung ließ mich den Kopf in den Nacken werfen und leise stöhnen. „Seit wann so gewissenhaft, Mr. Black?“ Hauchte ich und begann seinen Hals zu küssen. Es ließ ihn geräuschvoll Luft holen. „Seit ich dich an meiner Seite weiß.“ Stieß er genießend hervor. Warum musste er diesen Moment, in dem es nur um Körperlichkeiten gehen sollte, mit Gefühlsduselei ruinieren. Aber wollte ich ans Ziel und versuchte, es doch noch herumzureißen. „Sei nur jetzt so wie ich dich kannte. Mach mich willenlos und nimm dir, was du immer schon wolltest.“ Fauchte ich leise und krallte meine Finger in seinen Rücken. Ich fühlte, wie er eine Gänsehaut bekam und es ihn leicht schüttelte. Seine unbändige Wildheit war es, die ich mir mehr denn je wünschte. Doch blieben seine Berührungen liebevoll und sanft. Ich hätte aus der Haut fahren können, es machte mich unsagbar wütend. Doch noch versuchte ich es im netten Ton. Ich erinnerte ich an das passende Sprichwort, ´Wer ficken will, muss freundlich sein.´
„Bitte, Jake.“ Hauchte ich, griff in seinen Nacken und zog ihn wenig zimperlich zu mir. Fordernd fanden meine Lippe seine, doch befreite er sich kurz drauf aus meinem Griff. „Wieviel hast du getrunken?“ Fragte er verständnislos. Ich ließ meine Arme sinken und ging einen Schritt zurück. „Willst du mir Vorhaltungen machen?“ Zischte ich und fand die Entwicklung eher suboptimal. „Nein, aber morgen wird es dir leid tun.“ Was war er für ein ätzender Klugscheißer? „Und? Dann würde es mir morgen eben leid tun, doch solltest du dass immer noch mich entscheiden lassen.“ Knurrte ich leise.“Ich möchte nicht, dass du es bereust. Nicht morgen und auch an keinem anderen Tag.“ Er tat einen Schritt auf mich zu und streckte seine Hand nach mir aus. Die ich zischend wegschlug. „Was willst du von mir, Jake?“ Meine Stimme wurde ziemlich laut. „Dich.“ Flüsterte er. „Doch nicht nur heute, jeden einzelnen Tag, den ich noch vor mir habe. Möchte ich mit dir verbringen.“ Ich hielt mir eine Hand an die Stirn und schüttelte den Kopf. Da wollte ich nur etwas Ablenkung und er kam mir mit ´bis zum Ende unserer Tage´, super Stimmungsmacher. Da hätten wir genau so gut über Quantenphysik diskutieren können. „Dann eben nicht.“ Fauchte ich, ohne auf seine doch sehr bedeutsamen und ehrlichen Worte einzugehen, schnappte mir meine Tasche und torkelte los. „Ist es das, was ich für dich bin? Ein guter Fick, der dich von dem ablenkt, was ich fix und fertig macht.“ Knurrte er. Das saß, obwohl er Recht hatte, doch hätte ich nicht gedacht, dass er mich so leicht durchschauen würde und dass es ihm so viel ausmachte.
Wie angewurzelt blieb ich stehen und seine Worte trafen schmerzhaft ins Schwarze. Ich drehte mich zu ihm. „So wie es scheint, reicht es noch nicht mal dazu.“ Meine Worte waren so verletzend, tonlos und gleichgültig, ich sah, wie ihm die Gesichtszüge entglitten. Ich war so unfair, das hatte er nicht verdient. Er offenbarte mir alles, sprach aus wie er empfand und ich trat es mit Füßen. Obwohl ich wusste, wie es sich anfühlte so verletzt zu werden, doch tat oder sagte ich nichts, was es besser gemacht hätte. Dss war eine Sache die mir morgen garantiert Leid täte.
Ich setzte meinen Weg fort, doch nach ein paar Schritten hielt er meinen Arm fest und zog mich herum. Noch dominierte die Wut. „Das ist nicht dein Ernst.“ Das Licht einer weit entfernten Laterne ließ seine Augen funkeln. „Es war bei weitem nicht so böse gesagt wie es gemeint war.“ Zischte ich. „Ich weiß, wie sehr du mich vermisst und dich nach mir gesehnt hast.“ Seine Augen wurden schmal. Wie ….hä? Wieso wusste er davon? Entsetzt, dass er mir meine eigenen Gedanken vorhielt,m starrte ich ihn an. Seine Hände umfassten meine Oberarme. „Du liebst mich.“ Seine Worte ließen mich bitter auflachen. „Und du liebst mich, oder wie?“ Lachte ich noch immer abwertend. Er nickte und ihm war anzusehen, wie bedauerlich er es fand, dass ich es so abschätzig aussprach. „Und sie lebten glücklich bis ans Ende ihrer Tag.“ Fauchte ich erneut. „Warum, Ley?“ Fragte er ziemlich verzweifelt. „Zieh es nicht in den Dreck.“ Unbeholfen befreite ich mich von seinen Händen und ich war verdammt wütend. „Weil es so nicht ist, Jake.“ Schrie ich ihn an. „ So ist es in den Märchen, aber nicht im wahren Leben. Nein, im wahren Leben wir man geqält und es wird auf dir herum getrampelt und wenn du schon am Boden liegst, wird dir der Todesstoß versetzt, der dich aber nicht komplett umbringt, der nur dein Leiden verschlimmert und dich an deine Grenzen bring und du dir den Tod herbeisehnst. So ist das Leben!“ Ich schrie ihm entgegen, wie unfair ich mein Schicksal empfand. „Lass' uns ein anderes Leben beginnen.....“ Erinnerte er mich an mein Versprechen, dass ich ihm vor Jahren gab, doch von dem ich nicht dachte, dass ich es eines Tages tatsächlich einlösen würde. Meine Wut ebbte gänzlich ab und er sah mich mit demselben verzweifelten Blick an, wie vor vielen Jahren, als ich ihn am Strand zurück ließ. „Es ist nicht fair.“ Murmelte ich. „Jake, wenn ich dir hier und jetzt schwöre, mein Versprechen einzulösen.........“ Einen Moment hielt ich inne und überlegte, ob ich es überhaupt noch wollte, worum ich ihn bitten würde, ich verkaufte ihm meine Seele für ´ne Nummer. Wow, wie tief war ich gesunken. Ich sah ihn an. „......... hilf mir zu Vergessen. Du bist der Einzige, der das kann.“ Flehte ich. Nie hätte ich gedacht, dass ich ihn darum hätte anflehen müssen, es war schon echt jämmerlich. Doch alles was es erträglich machte, würde ich versuchen. „Wenn es das ist, was du willst?“ Flüsterte er und kam näher. „Eins noch.“ Tief holte ich Luft. „Berühre mich nicht, als würdest du mich lieben.“
Mein Kopf war ein bisschen gesenkt, doch sah ich ihn an. Er schnaufte, dann nickte er. Es würde schräg werden, davon war ich überzeugt. Wenn man solche Absprachen treffen musste, konnte es nur schräg werden. Ich wünschte den Rest des Rums zur Stelle, er könnte das Seinige dazu beitragen. Ich war schon wieder viel zu klar und das war nicht gut. Jake stand noch einen guten Schritt von mir entfernt und sein Blick ruhte auf mir. Ich hingegen wich ihm aus und sah zu Boden. Dann tat ich den letzten Schritt und legte meine Hände auf seine Hüften, noch immer war mein Blick gesenkt. Er nahm meine Hände und legte sie um seinen Hals, dann hob er mein Gesicht damit ich ihn ansah. Es geschah das Beste, was passieren konnte, ich verlor mich in seinen Augen, auch wenn in ihnen all die Liebe lag, die ich nicht spüren wollte. Jeder Kuss, jede Berührung führte mir vor Augen, was ich mit ihm machte, was ich von ihm verlangte und ihm antat. Nach ein paar Minuten, nahm ich sein Gesicht in meine Hände. Ich wollte ihn nicht zu einer Hure machen, die anstatt mit Geld, mit Versprechen bezahlt wurde. Tief sah ich ihm in die Augen, dann drehte ich mich wortlos um, nahm meine Tasche und ging zurück zum Haus. Selbst wenn ich kaltschnäuzig sein wollte, ich konnte es nicht.
Als ich die Tür hinter mir schloss, waren Paul und Seth verschwunden. Nur Embry lag noch immer auf der Couch und schlief. Ich nahm die Decke von der Lehne und breitete sie über ihm aus. Doch schien weder Sam noch Quil hier zu sein. Ich ging die Treppe hinauf, oben angekommen hörte ich die Haustür. Kurz hielt ich die Luft an und sah die Treppe hinunter, an der Jake erschien. Entschlossen ging er die Treppe hinauf, ich setzte meinen Weg fort und ging ins Jareds altes Zimmer, als ich diese Tür schließen wollte, warf Jake sie auf, um sie dann hinter sich zu schließen. Grob riss er mir die Tasche aus der Hand, ich sah ihn etwas verwirrt an, er kam schnell näher und drückte mich gegen den Schrank. Seine Hände fuhren fest meine Seiten entlang und sein Atem ging schnell. Als ich ihm jetzt in die Augen sah, erkannte ich den alten Jake. Der sich nahm, was er wollte und wann er es wollte. Seine Hand griff in meine Haare und hielt meinen Kopf fest, wo er war. Langsam näherte sich sein Gesicht dem meinem. Was soll ich sagen, er war der rücksichtslose Verführer, unwiderstehlich und fordernd. Nach und nach büßte ich meine Klamotten ein, ich war dann doch froh, dass Jake in diesem Moment noch soviel Anstand besaß und mich nicht in dieses Bett verfrachtete. So fanden sich viele andere Möglichkeiten, die es wert waren, getestet zu werden. ´Oh Gott´, entfuhr es mir keuchend in einer Lautstärke, die um einiges zu laut war. Doch so kurz vor dem Ziel gab es nichts, was nicht völlig egal war, so lange er mit dem, was er tat, nicht aufhörte. Er wusste so genau, was er da tat und so ließ ich mich gerne um den Verstand bringen. Mehr als einmal verschloss ich seinen Mund mit meinem, damit wir morgen nicht schräg angeguckt würden.
Als sich sein verschwitzter Körper an meinen drückte und wir um die Wette keuchten, um wieder einigermaßen unsere Atmung unter Kontrolle zu bekommen, wurde mir bewusst, dass er seinen Teil der Abmachung eingehalten und erfüllt hatte und wie er das hatte. Ich war drauf und dran mich für seinen Dienst zu bedanken, doch dann hätte nur noch gefehlt, das ich Hundert Dollar auf den Nachtisch gelegt hätte, bevor ich ginge. Also hielt ich die Klappe und ihn noch ein bisschen fest.
Er sah mich an und lächelte selig. „Du bist wunderschön.“ Flüsterte er und küsste mein Dekollete. Noch immer lag er auf mir und machte es mir unmöglich, mich vom Acker zumachen, was wohl wissend Absicht war. Er wollte mich nicht gehen lassen. Sanft fuhr er mit der Hand über meine Wange und küsste mich unzählige Male. Selbst meine vorgetäuschte schwere Atmung konnte ihn nicht überreden, sich zu erheben. Sein Gesicht war meinem so nah und ich betrachtete es, ich konnte nichts daran ausmachen, was nicht perfekt war. Seine makellose Schönheit zog mich in ihren Bann, jetzt wollte ich nicht mehr fluchtartig dieses Zimmer verlassen. Leidenschaftlich küsste ich ihn und es hatte direkt eine spürbare Reaktion zufolge, die mich erneut nach Luft schnappen ließ. So ging es in die zweite Runde, Karamba, hoch lebe die Standfestigkeit. In dieser Nacht schenkte Jake mir nicht nur Vergessen sondern auch die Gewissheit, wie liebenswert und einfühlsam er war und warum ich ihn damals liebte.
Chapter 9
Ich brachte es nicht übers Herz, in Jareds altem Bett zu übernachten, so hatte ich mich auf die andere Couch im Wohnzimmer gekuschelt und beobachtete Embry wie er völlig entspannt dalag und schlief. Jake war etwas schmerzfreier, ihm war es egal, wessen Bett oder Zimmer es war, auf jeden Fall kam es mir so vor, er beanspruchte dieses Zimmer für sich, natürlich hätte er es begrüßt, wenn ich geblieben wäre, was für mich dann aber doch nicht in Frage kam. Wenn ich es früher als Fluch empfand, dass Jake mich Jared vergessen ließ, so war es jetzt zeitweise mehr denn je ein Segen. Das leise Knarren der Haustür ließ mich aufsehen und Sam trat ins Wohnzimmer. Er sah völlig mitgenommen und abgekämpft aus, ich setzte mich auf und sah ihn mit großen Augen an. Mit immer noch hängendem Kopf trat er näher und setzte sich neben mich. Eine kurze Zeit erfüllte Schweigen den Raum und Embrys gleichmäßiger Atem war zu hören, dann sah er mich an. Er tat mir so unbeschreiblich leid.
„Wir schaffen dass.“ Flüsterte er und war von seinen Worten überzeugt. Er war stark, er würde es schaffen, da war ich mir jetzt sicher. Die Gewissheit, dass er wieder für uns das war, nahm ein Stück der tonnenschweren Last von meinen Schultern. Ich presste die Lippen aufeinander, nickte und erleichtert lehnte ich mich an seine Seite. Als Sam seinen Arm um mich legte, zog er die Stirn in Falten. „Du hast 'ne Fahne.“ Stellte er mit misstrauischem Blick fest. Doch bevor ich mich mit einer fadenscheinigen Erklärung herausreden musste, öffnete sich die Haustür erneut. Quil war zu Hause.
„Ley! Was machst du denn hier!“ Strahlte er, doch als er näher kam, sah er unsere von Trauer gezeichneten Gesichter. Verunsichert sah er zwischen uns hin und her. „War was?“ Fragte er und holte tief Luft. Sam schnaufte und erhob sich. „Komm mal mit.“ Sagte er leise, legte Quil einen Arm um die Schultern und ging mit ihm die Treppen hinauf. Ich war ihm dankbar, dass er es mir abnahm. Erst saß ich noch ein bisschen da und starrte vor mich hin. Dann kuschelte ich mich erneut in die Kissen und mein Blick blieb auf Embry geheftet, der von alledem nichts mitbekam, ich beneidete ihn.
Laute Stimmen drangen von oben und erlangten meine Aufmerksamkeit. Erst hörte ich nur Sam, der ruhig auf Quil einzusprechen schien, doch wollte er von Sams Worten nichts hören. Dann schien sich Paul einzumischen, es wurde mit jedem gesprochenem Wort lauter. „Nein, du wirst sie jetzt in Ruhe lassen, sie hat genug mitgemacht.“ Raunzte Paul. „Was ist da los?“ Flüsterte Embrys verschlafene Stimme vom anderen Sofa. Ich sah ihn an und zuckte mit den Schultern. „Und warum liegst du da und nicht hier?“ Fragte er leise, klopfte vor sich auf das Sofa und legte den Dackelblick auf. Gequält lächelte ich. „Ich wollte dich nicht wecken!“ Flüsterte ich, doch konnte ich seine Frage gar nicht wirklich beantworten. „Alles Ausreden.“ Er schlug die Decke auf. Ich ließ mich nicht lang bitten, stand auf und setzte mich auf die Kante. Das Wortgefecht aus der ersten Etage verstummte, dann knallten Türen. Mit in Falten gelegter Stirn sah er mich an. „Bist du nicht müde?“ Langsam fuhr er mit seiner Hand über meinen Rücken, es war so schön, dass ich die Augen schloss. „Ich bin unglaublich müde. Aber ich kann einfach nicht schlafen.“ Gähnte ich, stützte den Kopf auf meine Hände und schloss die Augen. „Versuch' es mal mit hinlegen.“ Ich konnte das Grinsen in seiner Stimme höre. „Wie kommt es eigentlich, dass du so schlau bist?“ Murmelte ich mit immer noch geschlossenen Augen. „Ist angeboren.“ Kicherte er leise. Dann ließ ich mich zur Seite fallen und drehte mich zu ihm. Er warf die Decke über mich, sobald ich lag, war an Schlaf nicht mehr zu denken. Ich sah Embry zu, wie er mich ansah. Vorsichtig strich er mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht.
„Was macht eigentlich der Freak hier?“ Fragte er brummig. Mein Ausdruck wurde verständnislos. „ Ohne den ´Freak´wäre ich nicht hier. Und nenn' ihn nicht so.“ Meine Worte ließ ihn mich verwundert ansehen. „Geht da was zwischen euch?“ Knurrte er misstrauisch. Ich konnte machen was ich wollte, doch könnte ich Embry nichts vormachen. Etwas kniff ich die Augen zusammen. „Außer wildem und hemmungslosem Sex, eigentlich nichts.“ Ich sah ihn weiter an und er schien für nur einen Moment sprachlos. „Ne, Ley, im Ernst.“ Er versuchte ein vernünftiges Gespräch mit mir zu führen. Wenn er wüsste, dass jedes meiner Worte wahr wäre, würde er ausrasten. Aber so wie es schien, traute er es mir nicht zu und dachte, ich hätte es an den Haaren herbei gezogen.
„Er hat mich hierher gefahren.“ Versuchte ich es erneut. „Seit wann hast du mit ihm wieder zu tun?“ Seine Fragen glichen einem Verhör. „Seit ein paar Tagen.“ Flüsterte ich und strich über seine Wange. „Und wie fand Jared das?“ Seine Stimme wurde mit jedem Wort leiser. „Nicht, bitte.“ Es ließ mich den Kopf schütteln, ich schloss die Augen und doch fanden vereinzelte Tränen ihren Weg. Es ging nicht, dass ich an ihn dachte ohne dass die Tränen hochstiegen, für vieles war es einfach noch zu früh und dafür war es für anderes schon lange zu spät.
„Tut mir leid.“ Flüsterte er und robbte näher zu mir. „Liebe dich.“ Nuschelte er an meiner Wange, die er küsste. Meinen Arm legte ich über seine Seite und rutschte ganz nah an ihn. „Ich dich mehr.“ Flüsterte ich mit erstickter Stimme und versuchte die Sehnsucht zu verdrängen. Vielleicht könnte ich in seinen Armen den dringend benötigten Schlaf finden, doch wenn es auch nur aufrichtiger Trost wäre, so würde es vielleicht ein bisschen erträglicher. Unsere Unterhaltung verstummte und eine lange Zeit lag ich dicht bei ihm.
Als er schon Stunden schlief, drehte ich mich noch immer ruhelos hin und her. Dann stand ich auf und begann, im Wohnzimmer auf und ab zulaufen. Erst war ich überzeugt, dass meine Gedanken mich nicht zur Ruhe kommen ließen, vielleicht musste ich körperlich so an meine Grenzen gebracht werden, dass ich meine Gedanken in den Hintergrund schieben könnte. Weiter lief ich lautlos hin und her, wie in Tiger im Käfig. Dann weitete ich meine Runden auf die Küche aus. Im Haus war es so still, dass ich selbst hier unten Pauls Schnarchen hören konnte. Ich blieb vor dem Küchenfenster stehen und sah hinaus, langsam wurde es hell. Meine Ellenbogen stützte ich auf die Arbeitsplatte, legte den Kopf in meine Hände und schloss die Augen. Ich merkte, dass sich alles entfernte, als ich im Begriff war, zur Seite zu fallen, sprach jemand meinen Namen aus. Es ließ mich hochschrecken und ich konnte mich grade noch mit den Händen abstützen, dass ich nicht mit dem Kopf auf den Boden schlug.
Benebelt von dem Schlafentzug sah ich in die Richtung, aus der mein Name gerufen wurde. Doch brauchte ich meinen Blick nicht weit schweifen zulassen, Jake kniete neben mir und sah mich etwas entsetzt an. Alles um ihn schien zu wabern, so versuchte mein strapaziertes Hirn es mir vorzumachen. „Was versuchst du hier?“ Flüsterte er. „Wie lange man ohne Schlaf auskommt?“ Schielend sah ich ihn an und versuchte unter menschenunmöglicher Anstrengung meine Augen zu sortieren. „Ich kann einfach nicht schlafen.“ Sagte ich leise, als ich mich mit seiner Hilfe wieder hochrappelte und wankend vor ihm stand. „Das habe ich gerade gesehen. Du hättest dir was brechen können.“ Er war besorgter als es mir lieb war. So müde ich jetzt war, wusste ich, sobald ich mich hinlegen würde wäre es wieder vorbei. Wieder fing ich an zu laufen, hin und her. Jake sah sich das ganze Spiel an. „Du musst schlafen, sonst wirst du durchdrehen.“ Bemerkte er und lehnte sich an die Arbeitsplatte. Ich war so wirsch, dass ich erst jetzt mitbekam, dass er dort nur in Boxershorts stand. War nett anzusehen, doch konnte ich selbst das nicht genießen. Immer öfters stolperte ich.
„Ley.“ Sagte Jake. Ich lief weiter und ließ mich nicht beirren. „Ley!“ Er wurde lauter. „Was macht sie da?“ Es gesellte sich eine weitere Stimme dazu, die ich Embry zuordnen konnte. „Ich bin noch nicht dahinter gestiegen.“ Knurrte Jake und verschränkte die Arme vor der breiten Brust. Wieder stolperte ich und brauchte mehr als ein paar Schritte bis ich meine wackeligen Gräten wieder unter Kontrolle hatte. „Ich glaub'.............. sie versucht, sich den Hals zu brechen.“ Stieß Jake sarkastisch hervor. „Sie ist auf 'nem guten Weg.“ Mittlerweile hatte ich es in Kreisen ausgedehnt und kam mir vor wie ein Zirkuspony. Dann blieb ich neben Embry stehen und lehnte mich an den Türrahmen. Vielleicht würden es ein paar gemütliche Klamotten besser machen. Ich eierte, los vorbei an Embry, ins Wohnzimmer zu meiner Tasche, dort angelte ich mir Couchklamotten aus der Tasche und begann mich umzuziehen ohne mich zu vergewissern, dass ich ungestört wäre. Die Hose und die dicken Socken hatte ich schon an mit dem Oberteil in der Hand drehte ich mich um. Jake und Embry standen in der Küchentür. Jake hatte beeindruckt eine Augenbraue hochgezogen und grinste. „Kannst du das mal lassen?“ Knurrte Embry ihn an. Es ließ Jake lachen, kein Wunder, so war es für ihn ein nicht mehr ganz so unbekannter Anblick. Doch das wusste Embry nicht. Schnell machte ich mir einen unordentlichen Zopf und ließ mich aufs Sofa fallen und wie ich da lag, war es vorbei mit dem bleiernen Gefühl des Schlafes.
Laut knurrte ich und stand wieder auf. „Versuchs mal mit 'nem Bett, vielleicht hilft das.“ Überlegte Embry und sah mich mit vorgeschobenen Lippen an. „Gute Idee.“ Flüsterte ich, mir war dermaßen schwindelig, dass ich mich an allen möglichen Dingen festhalten musste. Nachdem ich mich am Geländer hochgezogen hatte, eierte ich weiter zu Embrys Zimmer, doch wie ich die Tür öffnete, sah ich, dass Quil dieses Zimmer in Beschlag genommen hatte. Leise tat ich die paar Schritte wieder zurück und schloss die Tür. Mit meinen ziemlich strapazierten Nerven am Ende, lehnte ich mich gegen die Wand und versuchte einen klaren Gedanken zu fassen. Jetzt da Jake wach war, fand ich, dass ich mein Glück in Jareds Bett versuchen sollte, ich konnte mir nicht mehr leisten wählerisch zu sein. Ich redete mir ein. es wäre nur ein Bett.
Ich betrat das Zimmer, schloss leise die Tür und ließ das Rollo hinunter. Es war angenehm dunkel und eine Wohltat für meine Augen. Ich krabbelte ins Bett und warf die kuschelige dicke Bettdecke über mich. Das Kopfkissen roch angenehm nach Jake und es ließ mich seufzen. Mein Körper fühlte sich so schwer an, als würde ich in der Matratze versinken. Doch kreisten meine Gedanken und machten mich rastlos. Ich wälzte mich herum, um dann schlussendlich doch wieder auf dem Rücken liegend an die Decke zu starren. Wenn ich erst verzweifelt versuchte, Schlaf zu finden, umso mehr grub sich jetzt die Wut an die Oberfläche. Mit Schwung wurde die Tür geöffnet und ohne hinzusehen fauchte ich sofort los. „Hat man hier nirgends seine Ruhe?!“ Jetzt da ich hin sah, erkannte ich Jake, der näher kam. „Wollte nur meine Klamotten holen.“ Rechtfertigte er sich. „Fahre nach Port Angeles, um mich neu auszustatten. Nur dass du weißt, wo ich bin.“ Flüsterte er und stieg in seine Sachen. „Hmmm.“ Knurrte ich und drehte ihm den Rücken zu. „Kann ich dir irgendwas mitbringen?“ Fragte er und strich mir über den Kopf. Ich schnaufte und fand einen Gummihammer als letzten Ausweg ziemlich reizvoll. Dann schüttelte ich den Kopf, er beugte sich über mich und küsste meine Wange. Er verließ auf leisen Sohlen das Zimmer, doch bevor die Tür sich schloss, wandte er sich noch mal an mich. „Ich hab' mein Handy mit, wenn irgendwas ist.“ Einen kurzen Moment wartete er, doch da keine Reaktion von mir kam, schloss er die Tür. Dieses ganze Theater bereitete mir grauenhafte Kopfschmerzen.
Es fühlte sich an, als wäre ich für einen Moment weggedämmert, als ich merkte, dass mir das Wasser im Mund zusammen lief. Ich setzte mich auf und horchte in mich, dann stürmte ich aus dem Zimmer und schaffte es noch im letzten Augenblick ins Bad, als die Kotzerei wieder los ging. Ich fragte mich, ob das noch die Nachwehen von dem Rum waren oder mir alles dermaßen auf den Magen schlug. Nachdem ich mich geschlagene drei Mal über die Schüssel hing, saß ich jetzt an die Wanne gelehnt und betete inständig, dass es vorbei wäre.
Seth lief an der geöffneten Tür vorbei, blieb stehen und sah mich überrascht an. „Geht´s dir nicht gut?“ Fragte er vorsichtig, kam näher und hockte sich vor mich. „Ich hab keine Ahnung.“ Flüsterte ich, legte meinen Kopf gegen den Wannenrand und holte tief Luft. Ich hatte einen Geschmack im Mund, der jenseits von Gut und Böse war. „Soll ich dir ´n Tee machen?“ Fragte er und sah mich besorgt an. Kurz nickte ich und er verschwand. Eine Weile blieb ich noch sitzen, dann ging ich zurück ins Zimmer um meine Zahnbürste zu holen, ich musste diesen furchtbaren Geschmack los werden. Genervt kramte ich in meiner Tasche, als mir die kleine Papiertüte wieder in die Hände fiel, die Livia mir im Auftrag des Bestattungsinstitutes übergeben hatte. Ich drehte sie in den Händen und betrachtete sie von allen Seiten ehe ich mich überwinden konnte, sie zu öffnen. Bedächtig kippte ich den Inhalt aufs Bett. Bei dem Anblick, der sich mir bot, hielt ich mir eine Hand vor den Mund und unterdrückte die Tränen.
Vor mir lagen Jareds Ehering, die Uhr, die ich ihm zu unserem ersten Hochzeitstag schenkte, die dünne silberne Kette, die er nie ablegte und das breite Lederarmband. Seine Sachen hier vor mir liegen zu sehen, ließen mich die gestrige Nacht bereuen, so wie Jake es prophezeit hatte. Ich ließ mich zur Seite fallen und starrte weiter auf diese Erinnerungsstücke, regungslos und innerlich vor Sehnsucht zerrissen.
Es klopfte an der Tür und sie wurde geöffnet. „Ich hab deinen Tee.“ Seth sah um die Tür, dann trat er ein und schloss sie hinter sich. Kurz vor dem Bett blieb er stehen und sah mich mitleidig an. Sein Blick wechselte von Jareds Sachen zu mir, dann stellte er die Tasse auf den Nachttisch und setzte sich neben mich. Er legte mir eine Hand auf die Seite, doch verlor er kein Wort. Manchmal war eine ehrliche Berührung mehr wert als tausend halbherzige Worte. Schwer atmend legte ich meine Hand auf seine, sie war ganz warm und ich merkte wie ich fror. Mühsam setzte ich mich auf, nahm die Uhr und legte sie um mein Handgelenk, eben so wie das Armband, welches seinen Platz am selben Gelenk fand wie das was Jared mir einst schenkte. Den Ring fädelte ich durch die Kette, mit zittrigen Händen versuchte ich, sie im Nacken zu schließen, erfolglos. „Lass' mich dir helfen.“ Flüsterte Seth und drehte sich in meine Richtung. Er legte meine Haare nach vorn, die so schon fast bis zu meinem Bauchnabel reichten, vorsichtig ergriff er die beiden Enden und schloss sie. Meine Hand legte ich auf den Ring, der knapp unter meinem Schlüsselbein seinen Platz fand. Noch immer saß er hinter mir und legte seine Arme um mich. Ich lehnte mich gegen ihn und schloss die Augen. „Es tut mir so leid.“ Flüsterte er ganz dicht an meinem Ohr. Ich drehte mich in seinen Armen und lehnte mich an seine Seite. „Ich weiß.“ Hauchte ich und war kraftloser denn je. „Willst du drüber reden?“ Fragte er sanft und hob mein Gesicht. Eine Weile sah ich ihn an, doch dann schüttelte ich den Kopf. Nickend ruhte sein Blick auf mir und seine Hand fuhr über meine Wange. „Kann ich verstehen.“ Er akzeptierte es. Sam rief von unten seinen Namen, es ließ ihn schnaufen, widerwillig erhob er sich und bevor er die Tür hinter sich schloss, sah er mich niedergeschlagen an, ließ den Kopf hängen und verschwand. Wie lange würde es dauern ehe wieder Normalität einkehren würde? Würden sie je wieder ihren Weg zurück finden?
Es war quälend, tatenlos herum zu sitzen und die Gedanken kreisten doch immer nur um ein und dasselbe, also beschloss ich, mich abzulenken. Ich schnappte mir meinen Kulturbeutel und verschwand ins Bad. Als ich aus der Dusche stieg, trocknete ich mich ab und zog mich an. Ich schminkte mich, was ich sonst nur selten tat, dann föhnte ich meine Haare, was immer ziemlich viel Zeit in Anspruch nahm. Nachdem ich meine Sachen zurück ins Zimmer gebracht hatte, zog ich meine Chucks an und schnappte mir eine Jacke. Als ich die Treppe hinunter ging, stopfte ich noch mein Portmonee, meinen Ipod und mein Handy in die Hosentaschen. Niemand war im Wohnzimmer, etwas skeptisch sah ich mich um, dann hörte ich Gemurmel aus der Küche. Ich sah um den Rahmen und dort standen sie alle versammelt. Als sie mich sahen, verstummten sie. „Guten Morgen.“ Lächelte Sam, er sah nicht mehr so mitgenommen aus wie gestern Abend. Embry betrachtete mich und sah beunruhigt aus. „Wo willst du hin?“ Etwas verunsichert trat ich von einem Fuß auf den anderen, da ich mir sicher war, er wäre mit meinem Vorhaben nicht einverstanden, so druckste ich ein bisschen herum. „Ich brauch' frische Luft. Bis später.“ Sagte ich leise, senkte den Kopf und drehte auf der Hacke um.
Schnurstracks ging ich auf den Schlüsselkasten zu und suchte den Schlüssel von Jareds Maschine. Als ich ihn endlich in Händen hielt, hörte ich Embry vorwurfsvolle Stimme. „Das hast du nicht wirklich vor!?“ Tadelte er mich. Genervt drehte ich mich um, denn genau damit hatte ich gerechnet. „Du hast so gut wie gar nicht geschlafen und jetzt willst du dich auf den Bock setzen? Willst du dich umbringen?“ Seine Worte ließen mich seufzen. „Embry. Lass gut sein. Ich werd' mich schon nicht umbringen.“ Knurrte ich, so gnädig wäre das Schicksal nicht, wen sollte es dann quälen? Ich ließ ihn einfach stehen, öffnete die Tür und warf sie hinter mir zu, schnellen Schrittes lief ich zur Garage. Damit Embry es nicht schaffte, mir ein schlechtes Gewissen zu machen. Nachdem ich die Maschine rausgeschoben hatte, schnappte ich mir noch meinen Helm, der in einem der Regale neben den anderen lag. Die Maschine wurde länger nicht gefahren und ich befürchtete, sie würde vielleicht nicht anspringen. Aber zu meiner Überraschung brüllte sie beim ersten Versuch sofort los. Ich stopfte einen der Stöpsel in mein Ohr und meine Haare unter den Helm . Als ich Platz nahm und das Vibrieren spürte, wusste ich wieder wie sich frei sein anfühlte. Den Ipod stellte ich noch ordentlich laut, langsam rollte ich los und hielt mich fürs Erste an das Tempolimit. Ich hatte mir den richtigen Tag ausgesucht, die Sonne schien warm und der blaue Himmel weckte den unbändigen Willen zu fühlen, dass ich lebte.
Endlich auf der Landstraße angekommen, erstreckte sie sich endlos vor mir. Es war kein Auto weit und breit, genauso musste es sein. Indem ich den Griff anständig drehte, schoss sie los, innerhalb von Sekunden hatte ich gute hundertachtzig Sachen drauf und legte mich in die Kurven, während Linkin Park mich anschrien. Atemberaubend schoss das Adrenalin durch meine Adern und ich fühlte mich gut, als könnte nichts und niemand mir etwas anhaben. Das hier war fast besser als die letzte Nacht mit Jake. Ich hatte Macht und Kontrolle, meine Entscheidungen hatten direkte Auswirkungen, ohne Verzögerung. Alles lag ich meiner Hand und mein Selbstvertrauen fand für diese Wahnsinnsfahrt seinen Weg zurück. Als ich um die nächste Kurve raste, mit mittlerweile fast zweihundert, kam mir ein Auto entgegen. Schon von weitem sah ich, dass es Jake war und langsam war er auch nicht, da mich der Übermut gepackt hatte oder vielleicht wollte ich auch einfach nur das Schicksal herausfordern, zog ich rüber auf Jakes Seite und schoss auf ihn zu. Es ließ schon die Vermutung zu, dass ich völlig durchgeknallt war, doch wen würde es wundern? Erst kurz bevor es haarig wurde, zog ich wieder rüber. Wenn ich auch einen Affenzahn drauf hatte, so konnte ich doch sein überraschtes Gesicht erkennen, als ich an ihm vorbei schoss. Ein kurzer Blick in den Seitenspiel ließ mich wissen, dass er in die Eisen ging und so wie es aussah, wendete er. Doch darauf hatte ich jetzt überhaupt keinen Bock. Ich wollte einfach nur fahren, den Wind fühlen und mich frei. Mir war klar, dass wenn ich wieder nach Hause kommen würde und Sam mitbekommen hätte, dass ich das Motorrad genommen hatte, eine Standpauke mir gewiss war. Aber darüber würde ich mir Gedanken machen, wenn es soweit wäre, jetzt war alles so weit weg.
Die Straße schlängelte sich durch Wälder, vorbei an riesigen Grünflächen. Wieder sah ich in den Rückspiegel, doch von Jake war nichts zusehen. Erst als sich mir zu meiner linken der uneingeschränkte Blick auf das Meer bot, verringerte ich meine Geschwindigkeit, damit ich dieses Panorama genießen konnte. Ich richtete mich auf, stützte eine Hand auf mein Bein und ließ den Blick schweifen. Mittlerweile hatten Linkin Park zu Ende geschrien und Sia hatte ihren Platz eingenommen. Wenn sie auch 'My Love' schmachtete, konnte es mich nicht wieder in denn dunklen Abgrund meiner Gedanken reißen, noch war ich zu beflügelt, als das ich mich der Schwermütigkeit hätte hingeben können. Wenn die Maschine auch ohrenbetäubend dröhnte, so konnte ich jetzt noch andere Motorengeräusche vernehmen. Da ich noch aufgerichtet saß, sah ich über meine Schulter und Jake näherte sich, schnell. Es ließ mich laut stöhnen.
Mit der freien Hand umfasste ich jetzt wieder den Griff und gab so viel Gas, dass sie ein ordentliches Stück vorne hochging. Finster ließ es mich grinsen und ich wusste, Jared wäre verdammt stolz auf mich gewesen. Als das Vorderrad wieder aufsetzte, gab ich Gas, aber jetzt etwas weniger. Es wäre nicht leicht, ihn abzuhängen. Keine Ahnung, wieviele PS sein Monster hatte, das Einzige, was für mich sprach, ich war wendiger. Also musste ich grade Strecken meiden und es eher kurvig halten. Es war ein ziemlich reizvolles Katz- und Mausspiel. Was waghalsig, total leichtsinnig, völlig rücksichtslos und gegen jeden gesunden Menschenverstand war, genau das Richtige für mich. Da Jake niemand war, der eine Niederlage hinnehmen würde, ohne dass er nicht alles gegeben hätte, würde es überaus interessant werden.
Natürlich sparte ich mir das Blinken, ich wollte es ihm ja nicht zu leicht machen, auch das Halten an Stopstraßen war heute außer Kraft gesetzt. Teilweise sah ich weder links noch rechts, wenn wir auf eine Kreuzung zudonnerten, auch bremste ich nicht, ich hoffte einfach nur. Wenn ich meinen Schutzengel auf Übelste strapazierte und es das ein oder andere Mal verdammt knapp war, war ich doch so euphorisch und verbissen, dieses Spielchen zugewinnen. Es war nicht der Todeswunsch, der mich zu solchen Aktionen trieb, sondern eher, dass ich keine Angst mehr vor dem Tod hatte, wenn es mich erwischen würde, dann war es eben so, ich hatte nicht mehr viel zu verlieren.
Wenn Jake sich auch nicht abhängen lassen wollte, wir waren beide unerträglich ehrgeizig. Erst als ein paar Autos vor mir auftauchten war ich im Vorteil, sie zu überholen war für mich einfacher, zwei Räder brauchten einfach weniger Platz als vier und wenn uns dann noch welche entgegen kamen, blieb mir noch der Seitenstreifen, auf den ich mehr als einmal auswich. Doch schaffte Jake es immer wieder irgendwie aufzuholen. Wir suchten die Gefahr und so wie es schien, teilten wir diese Leidenschaft. Doch war das, was zwischen uns abging, uns verband und uns doch im selben Moment auseinanderriss, Gefahr auf hohem Niveau, nur eine andere Art. Nervenkitzel, Adrenalin, Rücksichtslosigkeit, waren Dinge, mit denen ich mich jetzt anfreundete. Nur konnte ich in Momenten wie diesen mir selbst nicht über den Weg trauen, ich war bereit, alles zu riskieren und bis zum äußersten zu gehen, egal wie hoch der Preis war, den ich zahlen müsste. Würde ich dieses Verhalten bei anderen Menschen beobachten, würde ich sie als lebensmüde Egoisten beschreiben. Ja, vielleicht war ich auf einem guten Weg, genau das zu werden und ich fand, es gab Schlimmeres im Leben.
Keine Ahnung, wie lange wir schon wie die Irren durch die Gegend jagten, nur ein Blick auf meine Tankanzeige ließ mich wissen, dass ich die nächste Tankstelle aufsuchen musste, sonst wäre damit bald Schluss und ich hätte verloren. Niemals! Also musste ich ihn auf dem Weg dorthin endlich loswerden. Als sich die Straße wieder einmal durch ein Waldstück schlängelte, erinnerte ich mich an einen Waldweg, der auf der anderen Seite wieder hinaus führte, aber für ein Auto zu schmal wäre. Da hatte ich meine Alternative, unfair, aber gab es in unserem kleinen Spielchen keine Regeln. Genau wie zwischen uns, wir setzten alle üblichen Verhaltensmuster außer Kraft, was uns zu einer unberechenbaren Gefahr werden ließ und ich fand Gefallen daran. Ich ging in die Eisen und rutschte seitlich ein ganzes Stück, auch Jake musste anständig bremsen, dass er mich nicht umnietete und ich hatte, was das anging, uneingeschränktes Vertrauen zu ihm. Da die Maschine so schon in der richtigen Richtung stand, gab ich wieder Gas. Auf der anderen Seite des Weges angekommen hielt ich kurz und sah mich um. Jake war rechts ran gefahren und ausgestiegen. Er rief meinen Namen, ich ließ den Motor anständig aufheulen. Selbst aus der Entfernung konnte ich sehen, wie er grinste und den Kopf schüttelte. Als er langsam näher kam, gab ich Gas und machte mich vom Acker. `Loser`, lachte ich vor mich hin und hoffte, dass ich es noch zur nächsten Tanke schaffen würde. Auf dem Weg dorthin triumphierte und beglückwünschte ich mich, die Krönung der Schöpfung zu sein, Gott war ich gut.
Mit den letzten Tropfen Sprit rollte ich vor die Zapfsäule und nahm den Helm ab. Nachdem ich abgestiegen war, legte ich ihn auf den Sitz, noch immer grinste ich siegreich vor mich hin, schnappte mir den Zapfhahn und tankte voll. Auf der anderen Seite hielt ebenfalls ein Motorrad, doch schenkte ich dem erst Beachtung, als der Fahrer seinen Helm abnahm. Groß, blond und bei genauerem Hinsehen stellte ich fest, dass er braune Augen hatte, eine Mischung, die nicht so oft vertreten war, auch war seine Haut eben so dunkel wie meine. Er bemerkte wie ich ihn musterte und er grinste. ´Nett nett´, dachte ich, erwiderte sein Grinsen und hängte den Zapfhahn zurück. Nachdem ich bezahlt hatte, verstaute ich die noch schnell erworbene Flasche hochprozentigen Hörnerwhisky im Helmfach, als ich wieder auf der Maschine saß, war ich im Begriff den Helm aufzusetzen. Als jemand neben mir stand.
„Nette Maschine.“ Lächelte der Unbekannte und schlich grazil drum herum. Mit einer hochgezogenen Augenbraue grinste ich und sah mir an, wie er die Maschine begutachtete. „Find' ich auch.“ Sagte ich überzeugt. „Selbstbewusst. Das gefällt mir.“ Grinste er und blieb wieder neben mir stehen. „Sonst noch was?“ Fragte ich, legte den Kopf schräg und wollte wieder los. „Ich bin Jacy.“ Stellte er sich vor und hielt mir die Hand hin. „Interessanter Name.“ War alles was mir dazu einfiel und kurz schüttelte ich sie. Abwartend sah er mich an, was ich verwundert erwiderte. „Und du bist.....?“ Lachte er über mein doch etwas dummes Gesicht. Erst wollte ich sagen `nicht interessiert´, doch da er mir weder etwas getan hatte noch unhöflich war, verkniff ich mir meinen zynischen Kommentar. „Ley.“ Antwortete ich knapp, presste die Lippen aufeinander und sie verzogen sich zu einem kleinen Lächeln. „Haste ´n Moment, muss mal eben bezahlen.“ Fragte er und sein Blick wurde etwas bittend. „Wenn es nicht zu lange dauert.“ Murmelte ich, es nervte mich irgendwie, ich war nicht in der Stimmung für Smalltalk. Er verschwand, doch war er ruckzuck wieder da. „Falls du mal nicht alleine fahren willst.“ Grinste er und hielt mir einen Zettel hin, den ich verwundert an mich nahm. Er hatte schon wieder seinen Helm auf, schwang sich auf seine Maschine und startete sie. „Ruf mich an.“ Bölkte er über den Krach und zu allem Überfluss kniff er mir ein Auge zu. Etwas misstrauisch begegnete ich seinem Blick, dann fuhr er los. Einen Moment sah ich ihm noch nach, dass war mir schon ewig nicht mehr passiert, musste an der Schminke liegen, redete ich mir ein, verstaute den Zettel in meiner Hosentasche, setzte den Helm auf und machte mich auf den Weg nach Hause.
Ein ganzes Stück vor zu Hause stieg ich ab und schob sie den Rest, ich wollte keine schlafenden Hunde wecken, vielleicht würde ich so um einen Einlauf drum herum kommen. Ich schob sie in die Garage, verstaute meinen Helm, schloss das Tor und ging zur Haustür. Gerade angelte ich den Schlüssel aus der Innentasche meiner Jacke, als sie geöffnet wurde. Überrascht sah ich auf und Jake grinste mich breit an. „Na, Kamikaze.“ Flüsterte er. Jake hatte definitiv eine Antenne dafür, wenn ich in der Nähe war, ich fand es echt abgefahren, biss auf meine Unterlippe und musste auch grinsen. „Eher ein Kamikätzchen.“ Hauchte ich und schob mich absichtlich dicht an ihm vorbei, dabei legte ich kurz meine Hand auf seine Hüfte. „Miau.“ Fauchte er leise und neigte seinen Kopf, dass er mir ziemlich nah war. Für den Bruchteil einer Sekunde sahen wir uns tief in die Augen. Als ich mich langsam weiter an ihm vorbei schob, strich meine Hand von seiner Hüfte unter seinem Bauchnabel entlang. Mit einer hochgezogenen Augenbraue legte er einen vielsagenden Blick auf. Kurz lachte ich auf und fuhr mir mit der Zunge über die Lippen. Laut seufzte er. Ich fand Gefallen daran, mit ihm Spielchen zuspielen, im Gegensatz zu früher und wäre das erst der Auftakt einer Reihe von Siegen, die ich auf meinem Konto verbuchen könnte.
Ein paar Schritte tat ich, als Sam aus der Küche etwas ungehalten meinen Namen rief. Es ließ mich zusammenzucken, mit hochgezogenen Schultern und ahnendem Blick drehte ich mich kurz zu Jake. Dessen Ausdruck etwas schadenfroh wirkte. „Danke für die Warnung.“ Zischte ich leise und fletschte ihn an. „Sorry, aber ich war gerade total abgelenkt.“ Flüsterte er mit Unschuldsmiene. „Nächstes Mal werde ich nicht so zimperlich mit dir sein.“ Drohte ich ihm, er schob die Lippen vor und lächelte. Ich griff in meine Hosentasche, um meinen noch immer quäkenden Ipod zum Verstummen zubringen, widerstrebend sah ich um den Rahmen der Küchentür. Sam stand mit verschränkten Armen an die Arbeitsplatte gelehnt und sah stocksauer aus.
„Bist du eigentlich von allen guten Geistern verlassen?!“ Bölkte er mich ohne weitere Vorwarnung an. Sam erhob nie seine Stimme, erschrocken starrte ich ihn an. So wie es schien, ließ Jareds Tod ihn übervorsichtig werden, verständlich. Doch sollte ich jetzt noch erfahren, warum er so ausflippte. „Kannst du mir mal verraten, warum du wie ´ne Wahnsinnige über die Landstraße bretterst?!“ Feuerte er weiter. Verdammte Scheiße, wieso wusste er davon? `Jake´, schoss es mir durch den Kopf, ´die alte Petzte´, meine Rache würde fürchterlich sein. „Sam....“ Versuchte ich beschwichtigend auf ihn einzureden, um zu retten was noch zu retten war, doch zu mehr kam ich nicht. „Versuch nicht, dich herauszureden.“ Keifte er weiter. Ich hatte das Gefühl, meine Gesichtshaut würde flattern, so brüllte er mich an und das Knarren der Stufe ließ mich wissen, dass Verstärkung kam, doch noch wusste ich nicht, ob für ihn oder mich.
„Du bist an mir vorbei geschossen und wenn ich mal schätzen sollte, hattest du mindestens zweihundert Sachen drauf.“ Okay bei dem Argument wäre jede noch so gut durchdachte Ausrede für ´n Arsch. Jake hatte doch nicht gepetzt, jetzt war es an der Zeit einfach durchzuhalten, bis er fertig wäre. Aber hatte ich gelernt, dass man nichts bereuen durfte, wenn man in dem Moment glücklich war und das war ich, so glücklich wie schon lange nicht mehr. Auch würde sein Aufstand mich nicht davon abhalten, es zu wiederholen.
„Was ist denn bei euch los?“ Fragte Paul, der neben mir in der Tür auftauchte und misstrauisch zwischen Sam und mir hin und her sah. „Lass uns bitte allein.“ Sagte Sam jetzt wieder ganz ruhig. Eigentlich wäre es Quatsch, Paul weg zuschicken, wenn er gleich wieder zu brüllen anfangen würde, wüssten auch die Nachbarn, was für ein verantwortungsloser Mensch ich wäre. Nickend verließ Paul die Küche und ich schnaufte ein bisschen zu laut. Dann ging es weiter im Text, auch in der selben Lautstärke. Noch nie hatte ich Sam so außer sich erlebt. Nachdem er mir genug Vorhaltungen gemacht hatte, hielt er einen Moment inne, dann sah er mich an. „Du hast Hausarrest.“ Mit in Falten gelegter Stirn sah ich ihn an und begann zu lachen. Was ihn nicht milde stimmte. „Sam, ich bin kein Kind mehr.“ Wenn ich auch lachte, beunruhigte mich sein Blick, es sah aus, als würde er kurz vor dem Explodieren stehen. „Dann benimm' dich gefälligst nicht wie eins. Ich hoffe, wir haben uns verstanden!!“ Seine Blicke waren dermaßen vernichtend, dass ich es nicht wagte, Wiederworte zu geben. „Sonst noch was?“ Knurrte ich und funkelte ihn böse an. „Nein. Das war´s.“ Im gewohnt ruhigem Ton sprach er jetzt wieder mit mir. Zischend drehte ich mich um und stapfte wutentbrannt ins Wohnzimmer, dann die Treppe nach oben, in Jareds Zimmer und mit einem ohrenbetäubenden Knall schloss sich die Tür.
Gott, war ich wütend. Noch nie in meinem Leben hatte ich Hausarrest und er brauchte damit jetzt nicht mehr anfangen. Ich zweifelte an seinem Geisteszustand, in diesem Moment war ich drauf und dran meine Tasche zu schnappen, mich wieder auf die Maschine zu schwingen und zurück nach Seattle zufahren. Wieder fing ich an hin und her zulaufen, er würde sich noch wundern, ich ließe mich nicht einsperren. Nie waren Sam und ich aneinander geraten, es war das allererste Mal, dass so etwas passierte. Wenn ich die Rebellenphase in meiner Jugend komplett ausließ, so war ich jetzt drauf und dran, sie doppelt und dreifach nachzuholen. Mein Blick fiel auf meine Tasche und blieb an dem weißen Kärtchen von dem Bestattungsinstitut hängen. Ich schnappte es mir, riss die Tür auf und flitzte die Treppe hinunter. Sam saß mit Jake und Paul im Wohnzimmer. Mit großen Augen wurde mein Auftritt verfolgt. „Da du ja so gerne für andere entscheidest. Viel Spaß damit.“ Fauchte ich und warf Sam die Karte vor die Füße. Er beugte sich vor, hob sie auf und als er die Worte las, wurde sein Blick entsetzt, entsetzt über meine Worte und mein Benehmen. Er sah auf und mich fassungslos an. „Versuch' nicht, mich einzusperren. Du wirst derjenige sein, der sonst noch ein Verlust zu beklagen hat.“ Knurrte ich, jetzt zwar leiser, aber entschlossener denn je. Er war sprachlos, eben so wie Paul, nur Jake wunderte mein Verhalten nicht, er hatte heute schon erfahren dürfen, dass ich nicht mehr die von vor vergangener Zeit war.
Energisch drehte ich mich um, lief die Treppe rauf und wieder knallte ich die Tür. Normalerweise hätte ich mein Verhalten spätestens jetzt bereut, doch nichts dergleichen. Ich war alt genu,g um für mich zu entscheiden, niemand sollte versuchen mich zu bevormunden. falls es doch jemand wagte, konnte man mich mal richtig erleben. Ich hatte mich im Ansatz noch nicht beruhigt, als die Zimmertür ohne anzuklopfen geöffnet wurde. Fuchsteufelswild sah ich zu Tür und Jake zuckte etwas unter meinen bitterbösen Blicken. Aber hielt es ihn nicht ab, herein zu kommen und die Tür hinter sich zu schließen. „Was willst du Jake?“ Fauchte ich.
„Was ist mit dir los?“ Grinste er kam ganz langsam näher. Ich war so auf hundertachtzig, dass mein Herz wie verrückt schlug und Jakes Gegenwart beunruhigte mich noch zusätzlich. „Alter, du hättest mich warnen müssen!“ Fuhr ich ihn an und rempelte ihn absichtlich an, als ich wieder einmal hin und her lief. Er setzte sich mit stoischer Ruhe aufs Bett und sah zu, wie ich wutentbrannt hin und her rannte. „Versuchste, 'ne Furche in den Boden zu laufen?!“ Lachte er finster, hielt aber in dem Moment, als ich zu ihm herumfuhr, schützend die Hände hoch. Seine doch etwas fiese Art war mich jetzt lieber, als wenn er versuchen wollte mich zu trösten. Ich zischte in seine Richtung und setzte mein monotones Gelaufe fort. „Wer ist Jacy?“ Grinste er. Wie angewurzelt blieb ich stehen, sah ihn entgeistert an und fragte mich ernsthaft, warum es nicht möglich war, dass ich ein kleines Geheimnis haben konnte, ohne dass es irgendwer irgendwie heraus bekam. Alles was ich tat, kam mit Schallgeschwindigkeit ans Licht und es nervte mich.
Schneller als gedacht erlangte ich meine Fassung zurück. „Wüsste nicht, was dich das angeht.“ Knurrte ich und bevor ich mir den Kopf darüber zerbrechen konnte wie er davon erfahren hatten, hielt der den Zettel hoch, den Jacy mir als Einladung zu einer gemeinsamen Tour übergeben hatte. Er musste mir vorhin, als ich den Ipod aus meiner Hosentasche holte, herausgefallen sein, es ließ mich schnaufen. „Da lässt man dich nur kurz allein und schon fallen sie über dich her wie die Wölfe.“ Zwar grinste er immer noch, aber schien es ihn mehr zu beunruhigen als er es sich eingestehen und mir zeigen wollte. „Ich hab's halt drauf.“ Murmelte ich ziemlich selbstbewusst und überlegte, ob ich Jacy nicht tatsächlich mal anrufen sollte.
Sein Grinsen wich und sein Blick wurde finster, ich wartete darauf, dass er seine Besitzansprüche geltend machen wollte und mich an seinen erfüllten Gefallen von letzter Nacht erinnerte und somit auch, dass ich ihm was schuldig war. Aber war ich jetzt gar nicht in der Stimmung, um ihm Honig ums Maul zuschmieren und ihn in irgendeiner Weise zu beschwichtigen, dafür war ich zu Krawall gebürstet. Seine vorwurfsvollen Blicke machten seine Anwesenheit unerträglich, er war drauf und dran, mir ein schlechtes Gewissen zu machen und das, obwohl nichts geschehen war. Ich hatte es so satt, dass sie versuchten, mich so zu verbiegen wie es ihnen gefiel, damit ich ihnen gefiel, damit ich wieder die alte Ley werden würde, aber damit musste Schluss sein. Ich wollte leben wie es mir gefiel, damit ich nicht nach Jahren zurück sehen würde und dachte ´Verdammte Scheiße, warum?´.
Missmutig setzte ich mich neben ihn und ertrug seine Blicke, als er mich in einer Wahnsinnsgeschwindigkeit umwarf und auf mir saß. „Was soll das!?“ Bölkte ich und versuchte, ihn wegzuschieben. Ich hatte das Gefühl, meine Hüftknochen würden unter seinem Gewicht den Geist aufgeben. „Geh runter, du bist schwer!“ Stammelte ich mit schmerzverzerrtem Gesicht und schnappte nach Luft. Aber nichts dergleichen, er beugte sich vor, zu allem Elend umgriff er meine Handgelenke und drückte sie neben meinem Kopf sanft aufs Bett, auch verlagerte er sein Gewicht, so das es aufhörte zu schmerzen. „Hör' auf, so zerstörerisch zu sein. Das bist nicht du.“ Sprach er beschwörend auf mich ein und wieder wollte man mir erzählen ,wie ich zu sein hatte. „Doch vielleicht bin ich genauso!“ Zischte ich und stellte die aussichtslosen Versuche mich zu wehren ein. Weiter neigte er sein Gesicht und strich mit seiner Wange über meine, ich hörte seinen Atem und fühlte wie warm er war. Ich schloss die Augen, meine abwehrende Fassade, die mich schützte bekam Risse und begann zu bröckeln. Die Trauer schien auf ihrem glorreichen Durchmarsch zurück und es war, als würde sie mich überrollen, aber das wollte ich nicht zulassen. Ich verdrängte und bekämpfte alles, was mir das Leben zur Hölle machte.
Als ich ihn jetzt anraunte meine Hände loszulassen, so wollte ich ihn mit meiner wiedererlangten Selbstbestimmung nicht mehr von mir schieben, ich wollte ihn an mich drücken, als hoffte ich meine Trauer auf ihn übertragen zu können und mich zu befreien. Doch erst konnte er sich dazu nicht durchringen. „Jake, bitte.“ Säuselte ich mit flehendem Blick und ich konnte sehen, wie er mit sich haderte. Kurz schloss er die Augen und schnaufte leise, dann lockerte er seinen Griff und sah mich resigniert an. Zu seiner Verwunderung nahm ich sein Gesicht in meine Hände und zog ihn wieder zu mir. Ein Stück hob ich den Kopf und lockte ihn mit kleinen vielversprechenden Küssen näher. Meine Hände glitten langsam seinen Hals entlang zu seiner Brust, weiter zu seinen Seiten und ich zog ihn soweit zu mir, dass sein Bauch meinen berührte und da mein Oberteil ein Stück hoch gerutscht war, fühlte ich die unwiderstehliche Hitze seiner Haut. Ich wollte das Denken einstellen und ihn ein weiteres Mal um seine ´Dienste´bitten, natürlich unverbindlich, eher eine Art Freundschaftsbeweis. Nicht noch mal wollte ich so einen Knebelvertrag eingehen wie beim letzten Mal, auch gab es nichts, was ich ihm hätte anbieten können, er besaß schon alles. Seine kleinen verführerischen Berührungen ließen meinen Atem mit jedem Mal schneller werden. Stück für Stück schob ich sein Shirt hoch und fuhr mit den Nägel sanft über seinen Rücken. Es schüttelte ihn, er drückte sich fester an mich und sein Atem wurde hörbar, er war überall, alles was ich wahrnahm, war er. Erfolgreich jagte er die Trauer in die hinterste Ecke meines Seins und betäubte sie mit den Gefühlen die er jetzt in mir hoch beschwor. Dafür war ich ihm so dankbar. Doch bevor ich schlussendlich bekam, wonach ich lechzte klopfte es an der Tür.
Nein, nein, nein, das durfte nicht wahr sein. Jake stellte seine Verführung ein. „Hör' nicht auf.“ Hauchte ich verlangend. Es rang ihm ein kleines Lächeln ab. Wieder klopfte es, ich war drauf und dran, loszubrüllen, dass man noch nicht mal für 'ne nette kleine Nummer seine Ruhe hatte. Mit einem letzten leidenschaftlichen Kuss setzte er sich neben mich. Ich betete, dass die Unterbrechung nicht zu lange dauern würde und es gleich da weiter ginge, wo wir unterbrochen wurden. Jake schien es etwas bedenklich zu finden, dass ich immer noch auf dem Rücken lag, so nahm er meine Hand und zog mich mit Schwung hoch, meine Haare fielen mir ins Gesicht und ich schnaufte verächtlich. „Ja.“ Grinste Jake und versuchte sich nicht ansehen zu lassen, was wir im Begriff waren, abzustarten.
Sam betrat das Zimmer, er schien so mit seinem Anliegen beschäftigt, dass es ihm nicht komisch vorkam, dass Jake und ich so neben einander auf dem mittlerweile ziemlich unordentlichen Bett saßen. „Kann ich mit dir reden?“ Fragte er und seine Stimme klang ziemlich kühl. „Nein.“ Knurrte ich. Überrascht sah Jake mich mit großen Augen an, nie hatte ich es gewagt, Sam zu widersprechen. Mit zusammengekniffenen Augen ruhte Sams Blick auf mir. „Es ist wichtig.“ Knurrte er. „Ist mir scheißegal!“ Erwiderte ich im eben so bösem Ton. Sein Blick ging von mir zu Jake. „Lässt du uns bitte allein.“ Jake stand auf und war im Begriff zu gehen. „Das ist überhaupt nicht nötig.“ Jetzt erhob auch ich mich und baute mich vor Sam auf, zwar in sicherer Entfernung, aber ich war verdammt mutig oder eher leichtsinnig und respektlos. Trotz meiner Worte verließ Jake das Zimmer. „Jake.“ Rief ich ihm nach. „Jake!“
Sam schloss langsam die Tür, doch wollte ich mich keinem Gespräch mit ihm stellen und wollte an ihm vorbei und Jake hinterher, um dem zu entgehen. Er umfasste meine Mitte und hielt mich fest. „Bleib hier.“ Bestimmte er mit sanfterer Stimme. Ich legte den Rückwärtsgang ein und befreite mich von seinem Arm. Meine anfänglich Wut wandelte sich nach und nach in Panik.
„Es gibt da einiges, worüber wir sprechen müssen.“ Begann er und schlenderte zum Bett, um Platz zunehmen. Noch immer stand ich auf wackeligen Beinen und wartete nur, dass er sich hinsetzte, indem er das tat sprintete ich zur Tür, riss sie auf und wollte nur noch weg. „Ley!“ Rief Sam mir nach. „Verdammt, es geht um Jared!!“ An der Treppe angekommen blieb ich stehen wie festgenagelt und atmete gegen den reißenden Schmerz, den sein Name mir bereitete, unerträgliche Bilder jagten durch mein Gedächtnis. Jake stand unten an der Treppe, weiter war er noch nicht gekommen, er sah wie es mir zusetzte und sein Blick wurde mitleidig, dafür hätte ich Jake ohrfeigen können. Wenn er mich so ansah, wurde mir meine Situation wieder bewusst und das, obwohl ich alles schön versucht hatte zu verdrängen. Ich fühlte mich nicht im Stande, dieses Gespräch mit Sam zuführen, aus meiner Starre erwachend lief ich die Treppen hinunter an Jake vorbei, der mir seine Hand entgegen streckte, die ich aber unberührt hinter mir ließ, zur Haustür und nichts wie raus. Als die Tür ins Schloss fiel, drohte alles über mich herein zu brechen, was ich tunlichst vermeiden wollte.
Wieder fast panisch nach Luft schnappend taumelte ich zur Garage. Die mittlerweile schon weit fortgeschrittene Dämmerung bot mir ein bisschen Schutz, nicht sofort entdeckt zu werden. Mit zittrigen Händen öffnete ich das Garagentor und ich ging schnurstracks zum Motorrad, öffnete das Helmfach und angelte den in weiser Voraussicht gekauften Hörnerwhisky heraus. Ich schraubte ihn auf und trank gierig. ´Vergessen, vergessen, vergessen´, mit diesen Gedanken versuchte ich die anderen zu übertönen, die auf mich einstachen wie ein wild gewordener Schwarm Hornissen.
Ich saß auf dem Boden, an eines der Regale gelehnt und starrte, mittlerweile schielend, aus dem kleinen Ausschnitt den das Tor mir bot. Natürlich war draußen vor Dunkelheit nichts mehr zu erkennen. Der Wind hatte zugelegt und rauschte laut durch den nahen Wald. Wieder griff ich die schon halb leere Flasche und trank einen kleinen Schluck, ich hatte erreicht, worauf ich hingearbeitet hatte, ich musste nicht mehr nachdenken. Der Scheißegal- Zustand hatte vor einer guten halben Stunde eingesetzt und kam einer Erlösung gleich. Ich murmelte vor mich hin, sinnierte darüber in was für einer verdammten Welt ich lebte, ´Das Leben war beschissen und dann starb man, ja, schön wärs´. Ich stellte die Flasche neben mich und sah zum Tor hinaus. Als mir der Schreck in die mit Alk durchtränkten Glieder fuhr. Trotz der Dunkelheit erkannte ich einen noch dunkleren Schatten, der in der Mitte des Torausschnitts stand.
„Ley?“ Fragte eine Stimme, die ich sofort erkannte. „Neeeeiiinnn!“ Lallte ich. „Der dicke Bär mit dem Schießgewehr!“ Ich fing über meinen eigenen Schwachsinn an zu lachen. Das Licht wurde angemacht und es war so grell, dass ich schützend meine Hand vor die Augen hielt. „Mach das aus.“ Beschwerte ich mich. „Oh Gott.“ War alles, was ich von Paul hörte. „Auf was für 'nem Tripp bist du?“ Fuhr er mich an und kam näher. „Geht dich ´n Scheißdreck an.“ Murmelte ich und hätte es prima gefunden, wenn er einfach wieder gegangen wäre, aber jetzt ging es erst richtig los. „Es ist für uns alle schlimm was passiert ist, doch weder willst du mit der Sprache raus, wie es passiert ist, noch unterstützt du Sam was die Beerdigung angeht. Und warum in Himmels Namen hast du Jake mitgeschleppt?“ Faltete er mich zusammen. Torkelnd rappelte ich mich hoch und stand wankend vor ihm. Ich holte Luft und wollte zurück schlagen, aber hatte er mit jedem seiner Worte Recht. So blieb mir nicht viel Spielraum und ich wurde beleidigend, um mich irgendwie zu wehren. „Du bis ´n Arschloch!“ Fauchte ich und visierte ihn an, nahm einen Schraubenschlüssel aus dem Regal und warf nach ihm, natürlich verfehlte ich ihn um ein paar Meter. „Komm' mal wieder klar!“ Knurrte er, hob ihn auf und legte ihn in ein anderes Regal. „Paul, verpiss' dich einfach und lass' mich in Ruhe.“ Ein paar Schritte kam er näher. „Meinst du, Jared hätte gewollt, dass du dich so hängen lässt?“ Ich kniff meine Augen zusammen und war kurz davor, mir einen gepflegten Anfall zu gönnen. „Was weißt du schon, was er gewollt hätte. Ich kann dir sagen, was ich will.“ Wankend ging ich auf ihn zu. „.....DASS DU VERSCHWINDEST!“ Schrie ich und schubste ihn, ich fand es so unfair, dass er Jared ins Spiel brachte. Keiner von den anderen zwang mich über Jared zureden oder über ihn nachzudenken, selbst bei Sam hatte ich zum Schluss die Möglichkeit der Flucht, die ich nutzte und er mich nicht zurückzitierte. Aber Paul war aus anderem Holz geschnitzt. Wenn es ihm zu viel wurde, kamen die Dinge auf den Tisch, egal wie hässlich es werden würde.
Unsere Schreierei zog die Aufmerksamkeit eines Dritten auf uns. Embry erschien im kalten Licht der Garagenbeleuchtung. Misstrauisch sah er uns an. „Was ist hier los, Paul?“ Wandte er sich an ihn. „Einer muss ihr doch mal klar machen, dass es so nicht weiter geht.“ Knurrte Paul und zu meinem Entsetzen legte Embry kein Veto ein, etwas betroffen, dass so wie es schien, er Paul beipflichtete, sah er zu Boden. Mit offenem Mund sah ich ihn an und schüttelte den Kopf. „Du Heuchler.“ Flüsterte ich und wollte mir das nicht länger antun, stolperte an den beiden vorbei in die Dunkelheit der Nacht. „Ihr seid alle so verdammte Heuchler! Ich habt überhaupt keine Ahnung und urteilt über mich!! Verflucht seid ihr.“ Schrie ich und lief weiter. „Bleib hier, Ley.“ Brüllte Paul und rannte mir nach. Er griff meinen Arm und hielt mich fest. Langsam aber mit schauriger Gewissheit wurde ich hysterisch und schlug nach ihm. „Lass' mich los.“ Schrie ich wieder und versuchte mich frei zu kämpfen.
Vor dem Haus ging das Licht an. Hurra, noch mehr Schaulustige. „Beruhig dich.“ Raunzte Paul und hielt beide meiner Hände fest, damit ich aufhörte, nach ihm zu schlagen. Schreiend wand ich mich wie ein Aal. Die Haustür öffnete sich und der Rest des Packs trat heraus. Mein Schreien wandelte sich in ein ohrenbetäubendes Kreischen, aber Paul war unerbittlich, er ließ nicht zu, dass ich allem wieder davon lief. Sam und Jake kamen schnellen Schrittes näher, bis ich das Entsetzen ihre Gesichter sehen konnte. Ein letztes Mal bäumte ich mich mit aller Kraft gegen Paul auf, als mir komisch wurde. Ich verstummte und sah Paul mit aufgerissenen Augen an. Der Boden unter meinen Füßen schien aus Gummi, er gab nach wohin ich auch trat und ließ nicht zu, dass ich Halt fand. Es war, als würde mich etwas nach unten ziehen, mit einer Kraft gegen die ich nicht ankam. Pauls Gesicht wechselte mit Sams. „Ley? Was ist mit dir?“ Fragte er besorgt, aber seine Stimme war weit weg und die Dunkelheit kroch in mir hoch, es fühlte sich an, als würde ich ertrinken, laut ließ es mich nach Luft schnappen und ich krallte mich an Sams Armen fest. „Antworte mir.“ Knurrte er und schüttelte mich etwas, aber aus meiner Kehle kam nur ein schmerzendes Krächzen. Meine Arme und Beine wurden bleiern, ich merkte, wie ich immer tiefer sackte, ich konnte mich aus eigener Kraft nicht mehr auf den Beinen halten und kippte zur Seite. Jake war schnell und schnappte mich, bevor ich auf den Boden schlug. Sein Engelsgesicht war das Letzte was ich sah, bevor die Dunkelheit mich gänzlich einholte.
Chapter 10
Piep....... piep........ piep. Es war weit weg, aber es nervte. Mit jedem Gedanken wurde es lauter und kam näher. Es ließ mich leise knurren, dann vernahm ich Geflüster, verstand aber nichts von dem was gesprochen wurde. Ich war unglaublich müde und meine Lider waren so schwer, dass ich sie nicht öffnen konnte. Nach und nach fanden die Erinnerungen ihren Weg in mein umnebeltes Hirn. Ich hatte mich übelst mit Paul bekriegt, auch konnte ich mich an Embry, Sam und Jake erinnern und an die halbe Flasche Hörnerwhisky. War das wohl der Grund, warum mein Schädel dröhnte.
Jemand hielt meine Hand, sie war warm und so wie es sich anfühlte, schien sie meine ganz zu umschließen. Es bedeutete, dass ich nicht allein war, es fühlte sich gut an und es schob das Hämmern meines Kopfes ein bisschen in den Hintergrund. Das Geflüster verstummte, nur das Piepsen war noch deutlich zuhören. „Mrs. Cameron. Können Sie mich hören?“ Die Stimme, die zu mir sprach, war angenehm sanft und leise, ich verstand sie deutlich, doch wie sie mich ansprach, ließ es mich innerlich zucken. Eine andere Hand fuhr etwas fester über meinen Oberarm, meine Schulter, sie wollte, dass ich wieder zu mir fand. Für einen Moment kehrte Ruhe ein, bis auf dieses Gepiepe, das unermüdlich an meinen Nerven zerrte.
„Ley? Mach die Augen auf.“ Flüsterte Jake dicht neben mir. Doch meine Lider gehorchten mir nicht und ich konnte seinem Wunsch nicht nachkommen. So versuchte ich die Hand, die meine hielt, sanft zu drücken, es schien zu funktionieren, da es erwidert wurde. „Sie hat meine Hand gedrückt.“ Flüsterte Jake, er war mir nicht mehr so nah, also schienen die Worte nicht an mich gerichtet. „Das ist gut, sie kann uns hören.“ Erwiderte die fremde Stimme auf Jakes Aussage. „Mrs. Cameron, Sie sind im Krankenhaus. Es ist alles in Ordnung.“ Es beruhigte mich, was die Stimme mich wissen ließ und auch, dass Jake da war. „Geben wir ihr noch die Zeit, die sie braucht. Lassen Sie mich wissen, wenn sie so weit ist.“ Dann vernahm ich Schritte, die sich langsam entfernten und eine Tür, die sich schloss. Mit dem Wissen, dass alles gut war, tauchte ich erneut in das erlösende Schwarz.
Als ich wieder zu mir kam, hörte ich nichts, weder das nervige Piepsen, noch sonst etwas. Mein Kopf hatte das Schmerzen eingestellt und ich fühlte mich nicht mehr ganz so erschlagen. Zögerlich öffnete ich die Augen und zu meiner Überraschung ging es jetzt fast leicht. Etwas verschwommen sah ich auf ein Fenster, durch das die Sonne den Raum erhellte und alles schien friedlich. Ein, zwei Mal öffnete und schloss ich die Augen und das Bild wurde klarer. Mein Blick fiel auf meine Hand, die nach wie vor gehalten wurde. Jake saß vor dem Bett, sein Kopf lag neben meiner Hand, sein Gesicht zu mir gewandt und seine Augen geschlossen. Es sah schrecklich unbequem aus wie dalag, ihm würde sicherlich alles weh tun, wenn er wach werden würde. Vorsichtig drehte ich mich auf die Seite und strich mit meiner anderen Hand über seinen Kopf. Das er hier an meinem Bett ausgeharrt hatte, bewies mir einmal mehr, dass er nie von meiner Seite weichen würde.
Eine unglaubliche Wärme durchflutete mich und in diesem Moment lernte ich ihn zu schätzen. Ich würde mein Versprechen einlösen, ohne dass es einem Opfer gleich käme. Eine ganze Weile sah ich ihm zu, wie er schlief und es war, als würde zwischen uns ein Band geschlossen, das an Stärke und Intensität gewann. Sein Gesicht war völlig entspannt und das Zucken seiner Augen unter den Lider ließ mich wissen, dass er träumte. Er würde seinen Platz an meiner Seite einnehmen, aber nicht als Ersatz für Jared, sondern als etwas neues, noch nie dagewesenes. Das andere Leben, welches uns bestimmt war, begann in dieser Sekunde und ich hoffte, alles was es beinhaltete, würde für die Ewigkeit reichen.
Mein gestriges Benehmen beschämte mich, sie wollten alle nur mein Bestes und ich stieß sie vor den Kopf. Dahinfließend vor Selbstmitleid und nur an mich denkend, übersah ich, dass es für alle ein herber Schicksalsschlag war und ich mich völlig egoistisch verhalten hatte. Natürlich hatte ich meine große Liebe unwiederbringlich verloren, doch hatten auch die anderen einen besten Freund, einen Bruder oder im weitesten Sinne ein Kind verloren. Ich würde mich dem stellen, es würde schwierig, aber ich würde es hinbekommen. Wenn ich wieder zu Hause wäre, wären ein paar entschuldigende Worte fällig, die ernst gemeint und von Herzen kämen. Meinen Gedanken nachhängend sah ich zum Fenster hinaus, leise hörte ich Jake stöhnen, als er den Kopf in die andere Richtung drehte. Wieder fuhr ich mit der Hand über sein Haar, das etwas wild vom Kopf ab stand. Er schien unter meiner Berührung zu erstarren, dann schreckte er hoch und sah mich mit großen Augen an. „Du bist wach!“ Flüsterte er, ihm war die Erleichterung anzusehen. Ich schenkte ihm ein ehrliches Lächeln und nickte. Er rutschte näher, als er meine Hand küsste schloss er für einen Moment die Augen, als wären seine Gebete erhört worden.
„Wie geht es dir?“ Flüsterte er, als er jetzt stehend über mich gebeugt war und meine Wange küsste. „Gut.“ Krächzte meine noch etwas in Mitleidenschaft gezogene Stimme. Mit einer Hand griff er nach der Klingel und drückte sie, dann setzte er sich auf die Bettkante, ich rutschte ein Stück zurück, um ihm Platz zu machen. Erleichtert lächelte er und schien unsagbar froh, dass ich wieder unter den Lebenden weilte. Dann klopfte ich neben mich, langsam sank er zurück auf das Kissen. Ich kuschelte mich an ihn und sein Arm lag um mich. Mit einem Arm umschlang ich seinen Bauch, drückte ihn an mich und als ich ihn jetzt wieder ansah, war der Wunsch ihn küssen zu wollen, größer denn je. Ich reckte ihm mein Gesicht entgegen und er ließ sich nicht lang bitten. In dem sich unsere Lippen berührten, öffnete sich die Tür.
„Guten Morgen, Mrs. Cameron.“ Lächelte der Doc und trat näher. „Wie fühlen sie sich?“ Fragte er und griff mein Handgelenk, zählte meine Herzschläge und sah auf seine Uhr. „Ganz gut.“ Murmelte ich und wieder fiel mein Blick auf Jake, der glückselig war, auch ihm blieb nicht verborgen, dass sich etwas zwischen uns verändert hatte. Dann musste ich noch ein paar neurologische Untersuchung über mich ergehen lassen, die alle zufriedenstellend ausfielen. „Das ist sehr gut, dass ich sie beide jetzt hier habe.“ Begann der Doc. Seine Worte verwunderten mich, ich fragte mich, was es gab, das Jake betraf.
„Mrs. Cameron, Sie sollten Ihre Alkohol- Eskapaden fürs Erste einstellen.“ Eindringlich sah er mich an und es war mir so was von peinlich. „Letzte Nacht haben wir Ihnen wie es der normale Lauf hier ist, Blut abgenommen und um Schlimmeres auszuschließen, haben wir noch einen Ultraschall gemacht.“ Erzählte der Doc weiter und blätterte durch meine Akte. „Sie hatten eins Komma acht Promille. Ich hoffe, dass es keine schlimmeren Auswirkung haben wird, aber das werden wir dann sehen.“ Murmelte er weiter und ich sah ihn irritiert an. Etwas fester umschlossen sich Jakes und meine Hand. Auch er sah den Doc erwartungsvoll an. ´Wow, eins Komma acht´, dachte ich und fand es ganz ordentlich. „Da wir das geklärt haben, wem darf ich zuerst gratulieren?“ Jetzt strahlte er uns an, verwirrt fiel mein Blick auf Jake, der ihn eben so erwiderte.
´Gratulieren?´, hatte irgendwer Geburtstag? Ich raffte genauso wenig wie Jake. Da wir die Worte des Docs unbeantwortet ließen, veranlasste es ihn, uns aufzuklären.
„Sie sind schwanger, Mrs. Cameron.“ Fröhlich schnappte er meine Hand und schüttelte sie. „Und auch dem werdenden Vater alles Gute.“ Jetzt hielt er Jake die Hand hin, der ihn mit offenem Mund anstarrte und sie dann zögerlich ergriff. „So weit so gut, ich werde veranlassen dass Sie ihre Papiere bekommen und dann steht Ihrer Heimreise nichts mehr im Weg.“ Mit einem fröhlichen Lachen drehte er uns den Rücken zu und verschwand. Wie erstarrt saßen wir nebeneinander und keiner verlor ein Wort. Er musste sich mit der Akte vertan haben. Ich und schw....., nein, das konnte nicht sein.
Indem ich dieses Wort nur dachte, merkte ich, dass mir wie schon die vergangenen Tagen, das Wasser im Mund zusammen lief. „Eimer.“ Stieß ich zwischen den Zähnen hervor und hielt mir eine Hand vor den Mund. Wie in Trance griff Jake den Mülleimer und hielt ihn mir hin, gerade noch rechtzeitig. Und somit erklärte sich die Kotzerei, wie auch meine Stimmungsschwankungen. Himmelhoch jauchzend und zu Tode betrübt, wechselten in der letzten Zeit fast im Sekundentakt. Meine neugewonnene Zuversicht zerschellte auf dem Boden der Tatschen. Ich hing meine Beine über das Bett und stand langsam auf, stellte den Eimer zur Seite und lief hin und her. Jake saß noch immer da, erstarrt zur Salzsäule und glotzte vor sich hin. „Das kann nicht sein.“ Murmelte ich und versuchte auszumachen, wann es passiert war. Nach dem zehnten Mal Hin- und Herlaufen merkte ich, dass es am Hintern ziemlich kalt wurde, erst da fiel mir auf, dass ich ein Engelshemdchen trug, erschrocken griff ich nach hinten und hielt es zusammen. Ich ging zu einem der Stühle auf dem meine Klamotten lagen, schnappte sie mir und verschwand im Bad. Vielleicht war es ganz gut, dass jeder von uns ein paar Minuten für sich hatte. Nachdem ich Unterwäsche und die Hose anhatte, fuhr ich über meinen Bauch, mit meinem neugewonnen Wissen sah ich die kleine Wölbung. Erst jetzt verstand ich, in den vergangen Wochen hatte ich verdammt wenig gegessen, doch blieb meine Figur mehr oder weniger unverändert. Wenn ich es schon sichtbar fand, fragte ich mich, `Wie weit war ich schon?´. Auch meine Menstruation blieb nicht ganz aus, es war zwar um einiges weniger, doch so schob ich es auf den Stress der Uni und meines Jobs.
Erschrocken sah ich mich im Spiegel an und erinnerte mich an den lebensechten Traum und an Jareds Worte, die er mir liebevoll zuflüsterte. ´Kümmere dich gut um das, was bleibt, es ist, was uns verbindet, für immer.´ Wie konnte das sein, ich konnte es mir nicht erklären. Es war ziemlich grausam, ein Kind, das seinen Dad niemals kennenlernen würde. Es ließ keine Zweifel zu, dass es Jareds Kind war, das ich unter meinem Herzen trug. Jetzt wurden ganz andere Fragen aufgeworfen, als die, die mich vor zehn Minuten noch beschäftigen. Mein Leben wandelte sich wieder mal mit Schallgeschwindigkeit und ließ alles in einem anderen Licht erscheinen. Meine Gedanken drehten sich um Jared, mich und das, was von ihm blieb. Aber was war mit Jake. Ich hatte entschieden und wie so oft, war die Situation binnen Sekunden eine andere und ich befürchtete, dass ich jetzt nicht mehr diejenige war, die entschied, ob wir eine gemeinsame Zukunft hätten. Oh mein Gott, alleinerziehend, verwitwet und mein Studium noch nicht beendet. Ja, es konnte wieder einmal schlimmer kommen, als ich es für möglich gehalten hatte.
Gewaschen und angezogen stand ich in der geöffneten Badezimmertür und sah Jake an. Der meinen Blick ziemlich geknickt erwiderte. Ich warf das Engelshemdchen aufs Bett und setzte mich daneben, Jake den Rücken zugewandt. „Komme ich in Frage?“ Flüsterte er mit erstickter Stimme, in seine Worten klang Hoffnung. Es war als wünschte er sich dass es so wäre, doch ich war mir sicher, dass es nicht so war. Aber bevor ich es nicht hundertprozentig wusste, wollte ich seine Hoffnung nicht zu Grunde richten. „Ich weiß es nicht.“ Erwiderte ich und es fühlte sich grauenhaft an, in ihm falsche Hoffnung zu wecken. Nachdem ich die Vaterschaftsfrage für mich geklärt hatte, fragte ich mich, ob es gesund wäre. Nach den letzten Tagen würde es mich nicht wundern, wenn es ordentlich einen mitbekommen hätte. Super, ich war schon eine schlechte Mutter ehe das Kind auf der Welt war. Mutter. Mum. Mama. Da ich meine Mum selbst früh verloren hatte und Sam diese Aufgabe übernahm, wusste ich nicht, ob ich in der Lage wäre eine ´Mum´zu sein oder wurde man es mit der Zeit?
Sam, wie sollte ich ihm diese Hiobsbotschaft überbringen? Als hätte er nicht schon genug Sorgen und ich setzte dem ganzen noch die Krone auf. Embry würde ausflippen, er wäre völlig aus dem Häuschen, er liebte Kinder. ´Onkel Embry´, es ließ mich kurz grinsen, seine Unterstützung war mir sicher. Auch war ich mir fast sicher, dass es Seth und Quil ebenso freute. Wie Paul reagieren würde, wollte ich mir gar nicht vorstellen, er war kein Pessimist, eher ein Realist. Kurz schloss ich die Augen und sah in lebhaften Bildern, wie Jared dieses kleine Bündel in den Armen hielt, mit strahlendem Gesicht und überglücklich. Es war ein Bild, was mich auf der einen Seite sehr berührte und mir auf der anderen Seite vor Augen führte, dass ich das alles allein schultern müsste.
Ich wurde aus meinen Gedanken gerissen als die Tür sich öffnete, eine Schwester kam hereingewackelt, sie ließ mich etwas unterschreiben, gab mir einen Umschlag mit dem Bericht, sie wünschte mir alles Gute und verließ das Zimmer. Langsam stand ich auf, nahm meine Jacke vom Stuhl und sah Jake an. Es sah aus, als würde diese Nachricht ihn mehr treffen als mich. Er war völlig abwesend, nicht wissend wie er reagieren würde hielt ich ihm die Hand hin und mir ging ordentlich der Stift. Ohne mich anzusehen, ergriff er sie kraftlos und stand auf. Wir verließen das Zimmer, die ewig langen Flure gaben mir das Gefühl, wir würden auf der Stelle treten, ohne das wir voran kämen.
Erst als wir das Krankenhaus verließen, fand Jake sich wieder, er holte tief Luft und sah mich an. „Wie ist die Adresse von deinem Gynäkologen?“ Seine Worte ließen mich verwundert aufsehen. „Hääää?“ Fragte ich. „Da sollten wir jetzt hin.“ Murmelte er und suchte seine Taschen nach dem Autoschlüssel ab. Als wir im Auto saßen und er die Adresse hatte, machten wir uns auf den Weg dorthin und verloren unterwegs nicht ein Wort.
Auf den Treppen zur Praxis fühlte ich mich wie auf dem Weg zur Schlachtbank, allen Anzeichen zum Trotz hoffte ich, dass es ein Irrtum war. Dass der Doc das Blut oder sogar meine Akte vertauscht hatte. Obwohl ich ohne Termin aufschlug, war ich ratzfatz dran und nach der ein oder anderen nicht so angenehmen Untersuchung lag es in Schrift und Bild vor mir. Der Ärztin blieb nicht verborgen, dass diese Nachricht wenig Freude mit sich brachte. „Falls Sie den Gedanken der Abtreibung hegen, so muss ich Ihnen sagen, dass die Frist für Sie abgelaufen ist.“ Belehrte sie mich. Laut Ultraschall war ich schon um einiges über den dritten Monat und damit hatte ich die Bestätigung, dass es Jareds Kind war. Wenn ich an eine Abtreibung bis jetzt noch keinen Gedanken verschwendet hatte, so wäre es doch nicht in Frage gekommen. Im Grunde trug ich das Schönste in mir, was Jared mir hinterlassen konnte. Ein bisschen er und ein bisschen ich, vereint in einem kleinen Körper. Der größte Liebesbeweis, den es unter diesem Himmel gab.
Wir besprachen den nächsten Termin, dann verabschiedete ich mich und befreite Jake aus dem mit dicken Bäuchen vollgestopften Wartezimmer. Als wir die Treppen wieder runter zum Auto liefen, grinste Jake. Es verwunderte mich, so war er vorhin noch ziemlich unfähig irgendeine emotionale Regung an den Tag zu legen. „Ich habe vorhin gesehen, wie viel Kraft so ein Baby hat.“ Lächelte er. Auch mich ließ es lächeln, ich hatte zwar keine Ahnung worauf er hinaus wollte, aber wie es schien, fand er die Warterei beim Arzt gar nicht so schlimm, obwohl er das einzig männliche Wesen in dem Wartezimmer war.
„Bei der einen Frau konnte man sehen, wie es Beulen in den Bauch getreten hat, sah ein bisschen nach einem Alien aus.“ Er kicherte und schien bester Laune. Klasse, gut zu wissen, wenn ihn mal die schlechte Laune überkommen würde, setzte man ihn einfach für ein paar Stunden in das Wartezimmer eines Gynäkologen und alles wäre wieder gut.
Als wir im Auto saßen, startete er nicht sofort den Wagen. „Hast du so ´n schwarz- weiß Bild bekommen?“ Fragte er etwas zurückhaltend. Ich sah ihn an und nickte. „Darf ich das mal sehen?“ Es war schon niedlich, wie er so herumdruckste und fast ein bisschen schüchtern wirkte. Ich holte meinen Mütterpass aus der Innentasche meiner Jacke, öffnete ihn und hielt Jake das Ultraschallbild hin. Vorsichtig nahm er es an sich und betrachtete es, dann begann er es hin und her zudrehen und ratlos sah er es an. Sein Gesicht ließ mich kichern. „Wo ist denn hier oben und unten?“ Überlegte er und drehte es wieder. „Da ist der Kopf.“ Erklärte ich ihm und zeigte mit dem Finger auf einen etwas eirigen Kreis. „ Und das ist eine Hand.“ Mit einem Finger fuhr er über diese winzige Hand und lächelte. „Schein auch ein Alien zu sein.“ Er sah mich an und grinste. Er wirkte tatsächlich fast glücklich. „Und wie weit bist du jetzt?“ Seine Frage ließ mich die Augen schließen und tief Luft holen, es war an der Zeit, Hoffnung zu zerstören.
„Fast am Ende des dritten Monats.“ Doch konnte meine Antwort seine Laune nicht trüben. „Dann dauert es ja nicht mehr lange, da müssen wir noch einiges besorgen. Wir sollten ´ne Liste machen, damit wir nichts vergessen.“ Er war völlig euphorisch, nie hätte ich gedacht, dass so eine Nachricht ihn dermaßen aus dem Häuschen bringen würde und das er im Plural sprach, erstaunte mich fast noch mehr. Er schien zu akzeptieren, dass es Jareds Kind war und wenn ich schlussfolgerte würde ich sagen, es machte ihm nichts aus. Doch das würde die Zeit zeigen. Einen Moment hielt er inne und sah mich an, seine Augen leuchteten regelrecht. „Darf ich mal?“ Fragte er und sah auf meinen Bauch. Ich schob meine Jacke zur Seite und ein Stück mein Oberteil nach oben. Warm legte sich seine große Hand auf meinen noch ziemlich kleinen Bauch. Ich beobachtete sein Gesicht, seine Reaktion. Er schien völlig konzentriert, ob er irgend etwas fühlen konnte, es war zu niedlich. „Ich glaube, es hat mich angestubst.“ Mutmaßte er. Mit in Falten gelegter Stirn grinste ich ungläubig. „Ja, ganz bestimmt.“ Veralberte ich ihn ein bisschen. Grinsend startete er den Wagen und es ging nach Hause.
Jake parke und ich war gerade im Begriff auszusteigen, doch blieb er noch sitzen. „Sag mal.....“ Begann er zögerlich. Ich war mit einem Bein schon draußen und drehte mich nochmal zu ihm. „.......hast du irgendwelche......Gelüste?“ Irritiert sah ich ihn an und hatte keine Ahnung was er damit wohl meinte. „Hääää?“ Entfiel es mir wenig ladylike, ´Gelüste, Lust, Bock?´, sprach er von Wildem- in- den- Laken- wälzen? „Jaaaa....auf ein Marmeladenbrot mit Hering oder Pudding mit Gurken oder so was?!“ Es ließ mich auflachen. „Ne, da mach dir mal keine Sorgen, soweit ist es noch nicht.“ Über was er sich Gedanken machte!
Auf dem kurzen Weg zum Haus versuchte ich zu überlegen; wie es gleich am dümmsten anstellen sollte. Wenn Jake sich so schnell damit anfreunden konnte, so war ich mir nicht so sicher, abgesehen von Embry, wie die anderen es finden würden, noch konnte ich nur mutmaßen, aber gleich würde ich es wissen. Vor der Tür blieb ich stehen, holte tief Luft und sammelte mich einen Moment. Jake strich mir mit der Hand über den Rücken. „Das wird schon.“ Versuchte er mich zu bestärken. Zweifelnd sah ich ihn an und nickte. Dann schloss ich auf und wir gingen rein. Im Wohnzimmer war niemand zu sehen, doch hörte ich Gepolter aus der Küche. Schleichend machte ich mich auf den Weg, Jake setzte sich schon mal auf die Couch. Ich sah um den Rahmen, es waren Paul und Sam die irgendwas zu Essen zauberten und es roch verdammt lecker. „Hey.“ Flüsterte ich und lächelte etwas verlegen. „Ley, du bist schon wieder da? Warum hast du nicht angerufen?“ Fragte Sam etwas vorwurfsvoll und ging mir mit ausgestreckten Armen entgegen. Fest drückten wir einander, zu meinem Glück ist er noch nie nachtragend gewesen. „Wärt ihr so lieb und kommt kurz ins Wohnzimmer ich muss mit euch reden. Sind Embry, Seth und Quil da?“ Fragte ich, noch immer in Sams Armen hängend. Entsetzt wurde ich angesehen, da ich sie alle zusammentrommeln ließ. „Ich hol sie.“ Sagte Sam und seine Umarmung lockerte sich, doch bevor er mich ganz los ließ, sah er mich etwas ängstlich an. Gequält lächelte ich, was ihn aber nicht zu beruhigen schien. Er verschwand aus der Küche und ich hörte wie er eilig die Treppe hoch stolperte. „Paul?“ Fragte ich kleinlaut. Er sah auf, sein Blick war für mich unergründlich. Paul war jemand mit dem Gedächtnis eines Elefanten, er vergaß nichts so schnell. Ein paar Schritte tat ich auf ihn zu, dann sah ich zu Boden.
„Ich......ähhh......wollte mich bei dir entschuldigen. Es tut mir leid, wie ich mich benommen hab. Ich wollte dich nicht anschreien und schon gar nicht hauen.“ Sein Blick wurde weich. „Ist schon vergessen.“ Lächelte er. „Du hast ´n ordentlichen Schwinger drauf.“ Etwas verschämt sah ich wieder zu Boden und musste doch lachen. „Komm schnell her.“ Grinste er und breitete seine Arme aus. Als sie mich um schlossen, ließ es mich schnaufen. „Du weißt, dass du mir wichtig bist.“ Flüsterte ich und drückte ihn noch ein bisschen fester. „Ich wäre auch beleidigt, wenn es anders wäre.“ Scherzte er. „Kommst du mit?“ Bittend sah ich ihn an, als unsere Umarmung endete hielt ich ihm eine Hand hin, die er ohne zu zögern ergriff. Mit ihm im Schlepptau waren wir die Letzten, die das Wohnzimmer betraten, alle anderen saßen schon und ich wurde erwartungsvoll angesehen. Paul setzte sich zu Sam und Seth. Jake, Embry und Quil saßen hübsch aufgereiht auf dem anderen Sofa. So jetzt hatte ich meine Männer beisammen und es konnte losgehen. Ich kam mir vor wie ein großer Redner, so wie sie mich alle ansahen, als wollte ich das Rezept für den Weltfrieden preisgeben oder ich hatte den Sinn des Lebens entdeckt, na ja, im entferntesten hatte ich das auch. `Gebt mir einen großen Balkon ich muss zum Volk sprechen`, ich grinste in mich. Dann überlegte ich und fand, ich sollte mit einer Entschuldigung starten. „Wollte mich bei euch für mein unmögliches Benehmen entschuldigen!“ Schuldbewusst sank mein Blick. Leises Gemurmel machte die Runde. „Ist schon okay“, „verstehen wir ja“, „brauchst dich doch nicht dafür entschuldigen“. Ihren Gesichtern war die Erleichterung anzusehen. „Wie geht’s dir denn?“ Fragte Seth. Ich holte gerade Luft um ihm zu antworten, da warf Paul die entscheidende Frage ein. „Haben sie im Krankenhaus was feststellen können?“ Fragte Paul neugierig. „Das kann man wohl sagen.“ Schnaufte ich, ließ mich aufs Sofa neben Embry fallen und wurde mit schreckgeweiteten Augen angesehen. „Was Ernstes?“ Flüsterte Embry und sein Ausdruck wurde immer ängstlicher. „Es wird noch ein paar Monate dauern, ehe es vorbei ist und dann geht es erst richtig zur Sache.“ Sagte ich und atmete geräuschvoll aus. Ich sah zu Jake, der sich die Hände vors Gesicht hielt, für die anderen musste es schrecklich dramatisch ausgesehen haben, doch ich wusste, dass er es tat um sein Grinsen zu verbergen. Seth wich die Farbe aus dem Gesicht. „Du wirst aber nicht sterben?“ Fragte er mit zittriger Stimme. Oh Mann, das tat mir total leid, wie er mich ansah. „Bis dahin bleiben mir hoffentlich noch gute sechzig Jahre.“ Lächelte ich, um ihm die Angst zunehmen. Keiner von ihnen konnte aus Seth Frage und meiner Antwort einen logischen Schluss folgern, bis auf Jake. Dann kramte in meiner Jackentasche und warf den Mütterpass auf den Wohnzimmertisch.
Sprachlose Gesichter sahen auf dieses kleine vielsagende Heft, dann sahen sie mich wieder an. „Jap...... ich bin schwanger.“ Verkündete ich wenig ruhmreich. Ausnahmslos alle Köpfe drehten sich von mir zu Jake. Der ergeben die Hände hoch hielt. Pauls Blick wurde bitterböse, man konnte das Zucken seiner Arme und Beine sehen, am liebsten wäre er aufgesprungen und hätte sich Jake vorgeknöpft. Die anderen waren eher etwas fassungslos. „Nein, nein.“ Warf ich ein, bevor sie auf die Idee kamen, Jake zu lynchen. „Es ist von Jared.“ Es fiel mir schwer auszusprechen, doch wollte ich mich damit auseinander setzten und das wäre ein erster Schritt. Sämtliche Münder, die offenstanden, schlossen sich nach und nach wieder. Ich erwartete einen Hagelsturm an Vorhaltungen, aber genau das Gegenteil war der Fall. Embry fiel mir ohne Vorwarnung um den Hals, er freute sich wie Bolle, das war für mich nicht so verwunderlich, doch selbst Paul strahlte, von dem ich es am wenigsten erwartet hätte. Nachdem mich alle gedrückt und beglückwünscht hatten, ging das wilde Gerede los, ohne Punkt und Komma. Ob es ein Junge oder ein Mädchen wäre. Wann der Termin wäre und wo ich den Bauch gelassen hatte. Sie benahmen sich wie ein kopfloser Hühnerhaufen, alle schnäbelten wild durcheinander. Embry und Quil diskutierten schon mal sämtliche Namen, die in Frage kämen, für ein Mädchen wie auch für einen Jungen. Mit so einer Euphorie hatte ich nicht gerechnet, es kam kein Wort des Zweifels. Sam schmiedete mit Paul schon Pläne, welche Wand eventuell versetzt werden müsste und was alles von Nöten wäre, was so ein kleiner Wurm brauchte. So wie es sich anhörte, hatte Sam in Gedanken schon ein Sparbuch angelegt.
Ich saß grinsend da und hörte mir ihre Diskussionen an. Jake lehnte sich ein Stück vor, sah mich an und lächelte, seine Zuversicht war beinahe erschreckend. Erst als ein etwas verbrannter Geruch in Wohnzimmer waberte, sprang Paul leicht panisch auf. „Ahhhhh, das Essen.“ Bölkte er und sprintete in die Küche, doch seine Flüche ließen darauf schließen dass er zu spät kam. Schnaufend kam er zurück ins Wohnzimmer. „Wenn einer Hunger auf Kohle hat, in der Küche ist genug.“ Seine Worte und das Gesicht, welches er zog, ließen nicht nur mich laut lachen. „Da wir ohne hin etwas zu feiern haben, würde ich sagen, wir gehen heute essen.“ Lächelte Sam und stand auf. Dass ließen die anderen sich nicht zweimal sagen.
Innerhalb von Minuten standen sie geschniegelt und gebügelt im Wohnzimmer und es ging los. Auf dem Weg zum Auto hakte Embry mich ein, sein Grinsen schien eingemeißelt. „Und?“ Fragte er. „Wer wird der Patenonkel?“ Seine Worte ließen auch mich grinsen. „Hmmm, keine Ahnung.“ Erwiderte ich gespielt überlegend und tippte mit einem Finger gegen meine Lippen. Entsetzt sah er mich an, leicht boxte ich ihm in die Seite. „Was für eine Frage!“ Lachte ich. „Du wirst Patenonkel und Sam...... Patentante.“ Das Lachen schüttelte uns. Das ich mir immer alles bildlich vorstellte, Sam im Sonntagskleidchen mit Absatzschuhen, trug nicht dazu bei, dass ich mich schnell wieder beruhigte. Die anderen, die vor uns herliefen drehten sich um und sahen uns an, sie grinsten, ohne zu wissen was uns dermaßen belustige. Wir stiegen ein, Paul saß vorne neben Sam, Quil und Seth hinten, Embry, Jake und ich in der Mitte. Es ging nach Forks zum Italiener, das war nicht so weit wie Port Angeles. Die Stimmung war ziemlich ausgelassen, es war als würde diese Nachricht den Verlust aufwiegen, als wäre Jared jetzt bei uns und das war er. Etwas gedankenverloren legte ich eine Hand auf meinen Bauch, leicht drückte ich ihn und mit dem Wissen, dass etwas da war, konnte ich es fühlen, wie eine kleine Blase oder Kugel, es fühlte sich merkwürdig, ein bisschen befremdlich an. Ich fragte mich, wann man sehen könnte, was es werden würde. Es waren einige Fragen, die mich beschäftigten, doch kreisten meine Gedanken nicht mehr so unermüdlich, ich konnte sie zur Seite schieben, es war als hätte ich mit dem Erfahren der Schwangerschaft eine Art Schutzmechanismus dazu bekommen. Der es mir ermöglichte abzuschalten und es gut sein zu lassen, nicht auf jede quälende Frage eine Antwort finden zu müssen, sondern Dinge einfach hinzunehmen wie sie waren, ohne sie auf Biegen und Brechen ändern zu wollen. Jake sah, wie meine Hand über meinen Bauch tastete, als ich ihn ansah, lächelte er.
Die Hand an Jakes Seite ließ ich neben meinem Bein nieder, dass er sie berühren konnte, ohne dass die anderen es sahen. Als ich ihn jetzt wieder ansah und seine Hand auf meiner lag, sah er zufrieden aus dem Fenster. Es war, als hätte auch er jetzt ein bisschen Frieden gefunden und es fühlte sich einfacher an. Alles hatte sich verändert, doch zu meiner Überraschung endlich mal in eine positive Richtung, wenn ich mit Erhalten dieser Nachricht es auch nicht hätte ahnen können. Es schien nicht mehr alles schwarz und hoffnungslos. Meine Sonne, die ich unwiederbringlich als verloren glaubte, kämpfte sich durch das undurchdringlich scheinende Schwarz und ließ es Stück für Stück heller werden. Wenn dieses arme kleine Mäuschen seinen Vater auch nie kennenlernen würde, so hätte es doch die beste Familie, die ihm von seinem Dad erzählen würde.
Mit dem Wissen, dass alle sich darüber freuten, ließ es die Last leichter werden, ich müsste nicht alles allein schultern, ich hatte die beste und tatkräftigste Unterstützung, die ich mir wünschen konnte.
Leicht drückte Jake meine Hand und es ließ mich aufsehen. „Geht´s dir gut?“ Flüsterte er und neigte sein Gesicht zu mir. Nickend sah ich ihn an und es war tatsächlich so, es ging mir gut. Sanft küsste er meine Wange und schloss genießerisch die Augen. Seth und Quil kicherten von der Rückbank. So wie es aussah, wollte Jake nicht mehr damit hinter dem Berg halten, was sein Grund war hier zu sein. Auch mich ließ seine Zuneigung vorsichtig lächeln. Bis auf die beiden Quarktaschen von der Rückbank hatte es keiner mitbekommen.
Als wir das Restaurant überfielen, wurden eilig ein paar Tische zusammengestellt, damit alle Platz fanden. Ich saß zwischen Sam und Embry, Jake saß mir gegenüber und grinste etwas verstohlen, dass es Embry schon schräg gucken ließ. Es war schön mit ihnen hier zu sein, alles was geschehen war, schweißte uns wieder ein bisschen mehr zusammen und es war offensichtlich, wie sehr wir einander brauchten. Ich fiel und konnte mich darauf verlassen, dass ich aufgefangen wurde und genauso würde ich einen von ihnen auffangen, wenn er im Begriff war zu fallen. Es gab nichts wichtigeres, als das Wissen, geliebt zu werden.
Natürlich ließen sie es sich nicht nehmen, mit Hochprozentigem und natürlich Bier auf den Familienzuwachs anzustoßen, nur Seth und ich sahen in die Röhre. Ich würde zurückfahren und Seth war noch keine einundzwanzig und zählte somit zu den Schwachsinnigen, Kindern und Schwangeren, die auch keinen Alk bekamen. Etwas angesäuert hielt er sich an seiner Cola fest und wir prosteten einander zu. Doch immerhin besaß Seth das Privileg, Cola trinken zu dürfen, als ich es in Erwägung zog, sah Paul mich strafend an. „Und was ist mit dem Koffein?“ Ich schnaufte und bestellte Wasser, dabei wollte ich was trinken und mich nicht waschen. Jakes Handy klingelte, er zog es aus seiner Jackentasche und indem er drauf sah, wurde sein Blick kalt und fast ein bisschen ungehalten. Wer auch immer anrief, er drückte ihn weg. Wenn er es danach auch auf lautlos stellte, so vernahm ich öfters das Vibrieren, er schenkte dem keine weitere Beachtung. Doch ich fragte mich, wer das wohl war.
Alle Teller waren leer gefegt und mit heranschreitender Stunde wurde es immer ausgelassener. Embry wurde mit jedem Bier ruhiger und saß nur noch vor sich hin grinsend da. Ich fand ihn einfach zu niedlich und musste meinen Arm um ihn legen, ein bisschen befürchtete ich auch, dass er vom Stuhl fiel. Sam und Paul hauten eine Anekdote nach der anderen raus und kringelten sich vor Lachen. Seth begann, aus den Bierdeckeln ein Häuschen zu bauen und Quil machte sich einen Spaß daraus, jedes Mal, wenn Seth die erste Etage drauf setzte, feste auf den Tisch zu kloppen und alles fiel zusammen. Er schnaufte und warf Quil vernichtende Blicke zu, doch begann er immer wieder von vorn. Ich gähnte und war todmüde, Embry neben mir fielen auch schon die Augen zu, so war es an der Zeit, Sam und Paul zu überzeugen, nach Hause zufahren. Doch bevor ich etwas sagen konnte, vernahm ich wieder einmal das Vibrieren von Jakes Handy, wieder schenkte er dem keine Beachtung. Er war auch nicht mehr so ganz allein. Sie waren so unglaublich niedlich, wenn sie voll waren, friedlich vor sich hin grinsend weckten sie den mütterlichen Instinkt in mir. Huch, das ging aber schnell. Mit ein bisschen weiblicher Überredungskunst und Hundeblick waren wir in kürzester Zeit auf dem Weg zum Auto. Ich ließ mich auf dem Fahrersitz nieder, Jake wartete erst einmal ab, ob jemand sich nach vorn setzte, doch als sich alle hinten rein gequetscht hatten, setzte er sich zu mir. Ich startete den Wagen und von hinten war nur noch leises Gemurmel zuhören. „Wunderschön...“ Lallte Jake neben mir. „Was?“ Erkundigte ich mich und sah ihn an, wie die Straße es zuließ. „Du........bist wunderschön.“ Versuchte er es erneut und lächelte. Jetzt sah ich wieder auf die Straße und musste auch grinsen. Innerhalb von Minuten drang ein zweistimmiges Schnarchkonzert nach vorn, das selbst das Radio übertönte. Zum Glück fand unsere Fahrt schon nach kurzer Zeit ein Ende. Ich fuhr bis vor die Haustür, damit die Herren nur dreimal lang hinfallen mussten und drinnen waren. Seth quälte sich einen ab, Sam und Paul wach zu bekommen, was fast ein einem Wunder grenzen würde, wenn er es schaffen sollte.
„Ja, Seth dann müssen du und Quil wohl auch im Auto schlafen.“ Ärgerte sie und entsetzte Blicken trafen mich von der letzten Bank im Auto. Ich stieg aus und warf die Tür mit so einem Knall zu, dass die beiden Schnarchnasen erschrocken hoch fuhren und ins Haus torkelten. Paul schaffte es nur bis auf das erste Sofa, der Rest, der dann doch bis in ihre Zimmer. Das einzig Gute war, dass ich heute ohne Bedenken bei Jake bleiben konnte, es würde keinen stutzig machen, so hatten die Ausschlaggebenden genug mit sich selbst zu tun.
Jake lag quer über das Bett, aber er schlief nicht. Als ich aus dem Bad wieder zurück war, zog ich mich um, vor dem Bett stehend wusste ich nicht, wo ich mich hinkrümmeln sollte, wenn Jake so ausgestreckt dalag, brauchte er verdammt viel Platz. Zu meiner Überraschung hob er den Kopf, dann setzte er sich auf, umfasste meine Hüfte und zog mich näher. So war er fast mit meinem Bauch auf Augenhöhe. Er sah ihn an, dann sah er auf. „Weiß du eigentlich, wie sexy Schwangere sind?“ Grinste er. „Noch.“ Lachte ich leise. Ein Stück schob er mein Shirt hoch, küsste meinen Bauch und schmiegte seine Wange daran. „Ley?“ Murmelte er wieder. „Hmmm.“ Machte ich und fuhr ihm übers Haar. „Ich liebe euch.“ Wow, damit hatte ich nicht gerechnet und ich musste schwer schlucken. Doch noch konnte ich es nicht erwidern.
Chapter 11
Ich sah aus dem Fenster und fragte mich, ob es so eine gute Idee wäre, nach Port Angeles zu fahren, es hatte die ganze Nacht geschneit und mittlerweile hatte der Schnee eine beachtliche Höhe erreicht. Doch wollten wir den verkaufsoffenen Sonntag nutzen, um alle zusammen noch ein paar Dinge fürs Baby zu besorgen und ich wäre ganz froh, mal wieder raus zukommen.
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Die letzten Monate waren zeitweise sterbenslangweilig, jedes Buch, dass unser zu Hause beherbergte, hatte ich gelesen, sogar Embrys alte Schulbücher über Physiotherapie, theoretisch konnte ich jeden Wirbel einrenken und jede Blockade lockern. Wenn es auch immer wieder Zeiten gab, die mich ziemlich fertig machten.
Nach Jareds Beerdigung, hier in La Push, verzog ich mich für Tage in Jareds altes Zimmer, welches jetzt meines war und ich wollte von der Welt nichts mehr wissen. Das war nur einer von unzähligen Rückschlägen, die ich immer wieder ertragen musste, wie auch das Leerräumen der Wohnung in Seattle, die Jungs wollten mich auf Biegen und Brechen davon abhalten, mitzufahren, doch das konnte ich mir nicht nehmen lassen. Auch wenn es danach wieder unerträglich war und Jared mir so sehr fehlte, dass es körperlich weh tat, doch mit jedem Mal, wenn mich die Traurigkeit einmal mehr einholte wusste ich, dass der Tag käme, an dem es wieder besser würde. So war es auch ein kleiner Schritt in der Trauerbewältigung und wollte ich mich auch von Livia verabschieden, die beim Erfahren meiner neuen Umstände vor Freude völlig ausflippte und mir direkt androhte, mich in La Push zu besuchen. Doch ich war mir sicher, dass sie nicht nur meinetwegen käme. Ihre Worte, ´Sehen alle Jungs in La Push so unverschämt gut aus?´, ließen mich meine Schlüsse ziehen.
Nachdem ich geklärt hatte, dass ich mein Studium als Fernstudium beenden würde, hatte ich ein bisschen Ablenkung. Das mit Mr.Craven klärte ich telefonisch, da ich mich zu dem Zeitpunkt nicht in bester Verfassung befand. Embry meinte einmal, als ich mich wieder mal beschwerte wie öde es war, dass es meine Aufgabe wäre, über den kleinen Schatz in mir zu wachen, dass er wuchs und gedieh. Doch tat er es von allein, ohne dass ich mich groß anstrengen musste. Die Jungs kümmerten sich aufopfernd. Zeitweise gingen sie mit mir um, als sei ich ein rohes Ei, Paul allen voran. Ich wartete nur auf den Tag, dass er mich sogar zum Klo tragen würde. Auch hatte ich an einem ruhigen Abend mit Sam die Frage ´Jake´geklärt und es wurde von allen akzeptiert, wenn auch von einigen nur zähnefletschend.
Er hatte sein altes Zimmer wieder, aber es diente nur als Ausweichmöglichkeit, wenn ich wieder einmal in Jared- bedingte- Trauer verfiel und allein sein wollte. Jake war kaum wiederzuerkennen, er versuchte, mir jeden Wunsch von den Augen abzulesen und zerriss sich förmlich, damit es uns an nichts fehlte. Er ertrug meine sekündlich wechselnden Launen mit einer Ruhe und Geduld, dass es beneidenswert war. Sie reichten von unglaublich liebebedürftig, über kurz vor dem ausrasten stehen, bis hin zu ich-will-dich-jetzt-und-hier, egal wo wir gerade waren und das innerhalb von Minuten. Jeden anderen hätte ich damit in die Flucht geschlagen, aber nicht Jake. Was mich bis zum heutigen Tage immer noch einholte, wenn Jake mir nah war, mich küsste und berührte, ich mich ihm hingab und die Augen schloss, waren es oft noch Jareds sanfte Berührungen, sein Gesicht dem meinem so nah, dass ich seinen Duft wahrnahm und ich ihm in diesen Momenten so nah sein konnte wie in keinem anderen.
Eines Abends saßen Jake und ich auf der Couch und sahen fern, mein Bauch war schon beachtlich gewachsen, als ich den ersten Tritt verspürte. Schnell schnappte ich seine Hand und legte sie auf die Stelle, an der ich es zuletzt fühlte. Als es wieder zutrat, weiteten sich seine Augen. „Das ist total abgefahren.“ Stammelte er und legte zu allem Überfluss sein Ohr auf meinen Bauch. „Es kann noch nicht reden.“ Verarschte ihn ein bisschen und es ließ mich kichern. Von dem Augenblick an wanderte seine Hand, sobald er in der Nähe war, ob ich saß, stand oder lag, zu meinem Bauch. Es verzauberte ihn völlig, wenn mein Bauch sich wie von allein zu bewegen schien.
Beim letzten Arztbesuch erfuhren wir endlich, was es werden würde. Jedes Mal, wenn wir beim Arzt waren, lag es so, dass es nicht auszumachen war, was uns ein bisschen verzweifeln ließ, somit wurden die Babysachen ziemlich geschlechtsneutral gekauft, was die Farben anging. Doch jetzt wussten wir, dass es ein Junge war. Was Jake wieder fast veranlasste in Jubel auszubrechen, zu Hause angekommen ging die Diskussion erst richtig los. Es war an der Zeit, einen Namen zu finden und das, wenn so viele mit entscheiden wollten, schien ein aussichtsloses Unterfangen. So machten wir eine Liste mit den Namen, die allen von uns einfielen. Einen gepflegten Lachanfall leisteten wir uns, als Paul etwas kleinlaut ´Paul junior´ vorschlug, ich glaube, als wir uns wieder einigermaßen beruhigt hatten, war er ein bisschen beleidigt, aber das war nicht von Dauer.
So wurde auch Embry etwas abgelenkt, er und Julie mussten sich ´Lebwohl´ sagen, da sie nach Californien ging, um zu studieren. So gab es Zeiten, in denen wir gemeinsam litten und uns gegenseitig über den Verlust hinweg zu trösten versuchten. Als er mir von ihrer Trennung erzählte, war ich wieder einmal so hormongebeutelt, dass ich sofort wie ein Wolf losheulte und so musste er erst einmal mich trösten, ehe ich ihn trösten konnte. Oft lagen Embry und ich im Bett, sahen fern und stopften Unmengen an Süßkram in uns hinein, wir bewunderten nicht nur das Heranwachsen meines Bauches sondern auch das Anschwellen meiner Füße, das teilweise so übel war, dass ich in keine Schuhe mehr passte und mir wieder einmal genug Grund zum Heulen gab. Ich sag's ja, Scheißhormone, die brachten alles durcheinander. Doch auch wenn Julie ging, blieb mir immer noch ein bisschen weibliche Unterstützung. Jess harrte weiterhin an Pauls Seite aus, der so wie sie mich wissen ließ, es ganz super fand, so ein Baby, und er auch nichts dagegen hätte, wenn bei ihnen der Storch zuschlagen würde. Aber einen von Liebeskummer gebeutelten Embry und zwei Schwangere, die ihre Emotionen so unter Kontrolle hätten, wie ein Fähnchen im Winde flatterte, würde kein Haushalt aushalten.
Manchen Abend vor dem Fernseher, wenn Paul schnell genug war, lag halt mal seine Hand auf meinem Bauch, eigentlich kam jeder von ihnen mal in den Genuss, nutzte sich ja nicht ab. Auch der Verzicht auf meinen heißgeliebten Kaffee war Tag für Tag eine Zerreißprobe, es war wie bei jemandem, der das Rauchen aufgab. Es stand die Todesstrafe darauf, in meiner Nähe Kaffee zutrinken.
Es hatte sich so viel verändert und doch blieb vieles, wie es war.
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„Quil fährt nicht mit, er hat Fieber.“ Flüsterte Jake, der neben mir am Fenster auftauchte. Er quälte sich schon seit ein paar Tagen mit einer fiesen Erkältung. Ich befürchtete, sie würden ihn in das andere Haus verfrachten, nur damit ich mich nicht ansteckte. So waren alle darauf bedacht mich, von ihm fernzuhalten, ich sag' nur ´rohes Ei´.
„Oh, der Arme. Wir sollten ihm was Schönes mitbringen.“ Murmelte ich in Gedanken und sah weiter hinaus, wie die Schneeflocken am Fenster vorüber tanzten. Gewohnheitsbedingt lagen meine Hände auf meinem schon ziemlich großen Bauch. Es waren nicht mehr ganz fünf Wochen und langsam aber sicher liefen wir in die Zielgerade ein. Jake verschwand, doch nur um mit meiner Jacke wieder zukommen. „Dann wollen wir mal. Du bist sicher, dass es nicht zu anstrengend für dich ist?“ Sorgte er sich. Ich sah auf und ihn an. Wenn ich ihn auch tagtäglich um mich hatte, so zog mich seine Schönheit immer wieder in ihren Bann und ich betrachtete ihn, ohne Antwort zu geben.
„Ley?“ Fragte er und zog die Stirn in Falten. „Hmmm.“ Machte ich. „Geht´s dir gut?“ Dann war es ein bisschen wie Erwachen. „Ähh, klar.“ Versicherte ich ihm, doch schien er wenig überzeugt. Er half mir in die Jacke, dann wickelte ich noch den dicken Schal um meinen Hals, in dem mein Kopf fast versank, noch schnell die Handschuhe angezogen und es konnte losgehen.
Auch die anderen hatten sich versammelt und waren startklar. Wir waren anzogen, als wollten wir zu einer Nordpol- Expedition aufbrechen, nicht zu einem gemütlichen Einkaufsbummel. Als ich den ersten Schritt vor die Tür trat, hatte ich sofort links und rechts Jake und Paul am Arm, die mich einhakten, damit ich nicht noch auf dem Schnee ausrutschte. Sie benahmen sich wie richtige Glucken. Ich sah über meine Schulter. Jess zockelte hinter uns her und grinste, ich verdrehte die Augen. „Und was ist mit mir?“ Beschwerte sie sich gespielt und zack hatte sie Embry zu ihrer rechten und Seth zu ihrer linken. „Geht doch!“ Lachte sie und ich stimmte mit ein. Sam war schon vorgegangen, um das Auto von den Schneemassen zu befreien. Schnatternd stand er da und hatte es schon halb geschafft, Seth besann sich und half ihm bei der anderen Hälfte. Als wir im Auto saßen, wollte ich mich anschnallen, als Jake Paul den Gurt rüber reichte und er mich anschnallte. Irritiert sah ich zwischen ihnen hin und hier. „Ich bin schwanger und nicht behindert.“ Beschwerte ich mich, was von den beiden nur müde belächelt wurde und Jake beruhigend mein Bein tätschelte. Sie nahmen mich nicht wirklich ernst. Auch das Auto wollte bei der Kälte nicht anspringen, Sam brauchte ein paar Versuche und zur Erleichterung der Jungs sprang er schlussendlich an, ich sah vor mir, wie sie keuchend versuchten ihn an zuschieben, bedacht darauf, nicht auf die Mappe zufallen. Schnell wurde es warm im Auto, aber selbst wenn es nicht so wäre, zwischen Jake und Paul eingepfercht, brauchte ich keine Sorge zu haben, dass ich fror. Sam schlich über die Straßen, es wäre wahrscheinlich schneller gegangen, wenn wir gelaufen wären. Jess und Embry war so langweilig, dass sie Ich-sehe-was-was-du-nicht-siehst spielten. Als Jess an der Reihe war, hatte sie einen super Einfall. „Ich sehe was, was du nicht siehst und das ist weiß!“ Sie fing an zu kichern und Embry zog 'ne dumme Fratze. „Haha, sehr lustig.“ Mokierte er sich.
Kurz vor Port Angeles waren wir schon fast zwei Stunden unterwegs, mittlerweile war ich schon wieder müde und legte meine Kopf an Jakes Schulter. Einmal mehr zerbrach ich mir den Kopf über einen passenden Namen, da wir noch keinen von unserer Liste ernsthaft in Betracht gezogen hatten.
„Kenai Taj.“ Kam es mir über die Lippen. Ich wurde angesehen. „Gesundheit.“ Grinste Paul, der sich von hinten einen Klaps gegen den Hinterkopf einhandelte. Jake sah mich an und schien zu überlegen. „Oder Liam.“ Schoss es mir durch den Kopf. Jetzt brachte auch Seth seine Ideen ein. „Nuno.“ Jess schnurrte. „Wie wäre Somak?“ Paul sah sie entgeistert an. „Für unser erstes Kind suche ich den Namen aus.“ Lachte er und zog schon mal vorsichtshalber den Kopf ein. So strafte Jess ihn diesmal nur mit Blicken. „Ich bin immer noch für Nookie.“ Murmelte Embry, doch das hatten wir schon bei der letzten Diskussion kritisch beäugt. „Nathan ist immer noch mein Favorit.“ Mischte Sam jetzt mit. „Jaaaa, Sam.“ Antworteten wir im Chor und verdrehten die Augen, er hatten ihn mindestens fünfhundert Mal vor geschlagen und eisern verteidigt. Es folgten noch Sihlah, Yuma, Caleb und Levi. Es ließ mich schnaufen, Jake hatte sich alles angehört, aber nichts dazu beigetragen. Von der Seite sah ich ihn an. Was wohl in seinem hübschen Köpfchen vorging? Er bemerkte, dass ich ihn fragend ansah, kurz lächelte er, um dann wieder gedankenverloren aus dem Fenster zusehen. In letzter Zeit häufte sich seine gedankliche Abwesenheit und ich hatte keine Ahnung, über was er sich zeitweise den Kopf zerbrach. Auch diese seltsamen Anrufe, die erst abrissen, als er sich eine neue Nummer zugelegt hatte. Und wenn ich ihn drauf ansprach, tat er es ab oder redete sich heraus. Doch oft war er unruhig und angespannt, er versuchte es sich nicht anmerken zulassen, doch war es zu offensichtlich. Ein bisschen war es, als wollte er etwas von mir fernhalten, auch wenn wir in Forks waren oder einfach nur ein bisschen am First Beach spazieren gingen, sah er sich ungewöhnlich oft um, es machte schon den Eindruck, er hätte Verfolgungsängste. Was machte ihn so unruhig, was war auf dem Weg in unser Leben, was er mit Bärenkräften versuchte außen vor zuhalten? So, dass es nicht seinen Weg zu uns fand.
„Kommst du?“ Sagte Jake leise und sah sich wieder einmal prüfend um. Er hielt mir seine Hand entgegen und half mir aus dem Auto. Beißend pfiff uns der Wind um die Ohren, es ließ mich die Augen zusammenkneifen, damit ich überhaupt etwas sehen konnte, ohne dass es mir sofort Tränen in die Augen trieb. Ich klammerte mich an Jakes Arm, doch nicht weil ich Angst hatte, auszurutschen, sondern dass es mich irgendwie wärmte. Er setzte die Kapuze seines Hoodies auf und senkte den Kopf, um dem Wind möglichst wenig Angriffsfläche zu bieten. In diesem Moment bereute ich es ein bisschen, unser schönes warmes zu Hause gegen das hier eingetauscht zu haben. Langsam eierte ich neben Jake her, er hatte die Hände in den Taschen und klapperte leise mit den Zähnen. Kurz sah er mich an und versuchte, dem Wind zum Trotz, mir ein Lächeln zu schenken, wenn es auch ziemlich gequält aussah. Ich hörte Jess und Paul, die hinter uns gingen und wild diskutieren. Ich hatte keine Ahnung worüber. Von weitem sah ich die Mall und legte einen Schritt zu, ich konnte es kaum erwarten, endlich ins Warme zukommen. Als mich ein reißender Schmerz durchzuckte, wie angewurzelt blieb ich stehen, meine Hand glitt von Jakes Arm, gekrümmt hielt ich mir den Bauch und atmete geräuschvoll ein und aus.
Fast im selben Atemzug war Paul an meiner Seite. „Was ist mit dir?“ Fragte er und sein Gesicht war genau besorgt wie seine Stimme. „Geht gleich wieder.“ Presste ich durch die Zähne. Ein paar Mal atmete ich noch mal ein und aus, langsam ebbte der Schmerz ab. Wenn das ein Vorgeschmack war von dem, was mich erwarten würde, na dann Prost Mahlzeit. Langsam richtete ich mich auf und genau so schnell wie der Schmerz kam, ging er auch wieder. „Vielleicht ist es besser, wir fahren wieder nach Hause.“ Murmelte Embry und strich mir beruhigend über den Rücken. „Wir fahren doch nicht zwei Stunden um dann sofort wieder kehrt zu machen.“ Beschwerte ich mich. „Es ist schon wieder besser.“ Langsam richtete ich mich auf und setzte einen Fuß vor den anderen. Skeptisch wurde ich beobachtet. „Na kommt, oder wollt ihr festfrieren?“ Versuchte ich abzulenken. Zögerlich folgten sie mir. „Bist du dir wirklich sicher?“ Brummte Jakes tiefe Stimme, als er mir seinen Arm anbot. Ich hakte mich wieder ein, presste die Lippen aufeinander und nickte. Die anderen schien es mehr zu beunruhigen als mich.
Endlich im Warmen angekommen folgten ordentliche Tritte auf den Schmerz. Als hätte auch er den Schmerz gefühlt und trat jetzt vor Entsetzen Beulen in meinen Bauch. Als ich wieder stehen blieb, bog ich mich nach hinten, um meinen Rücken ein bisschen zu entlasten. „Geht schon mal, komme gleich nach.“ Lächelte ich und versuchte nicht durchklingen zu lassen, dass es vielleicht doch ein bisschen viel war. „Ich lass´ dich jetzt bestimmt nicht alleine.“ Knurrte Jake und sah mich besorgt an. „Wir müssen doch noch einiges kaufen.“ Versuchte ich ihn zu überzeugen. „Ich werde mich jetzt da vorne in das Café setzen und auf euch warten. Und du kaufst schön die restlichen Dinge, die wir brauchen.“ Erst versuchte ich entschlossen zu wirken, was an Jake unbeeindruckt abprallte. „Ich bleib bei ihr.“ Stieß Paul hervor. „Ich muss nicht durch fünfzig Schuhgeschäfte und mir die Beine in den Bauch stehen.“ Jakes Blick ging zwischen ihm und mir hin und her. „Ist okay.“ Flüsterte ich, es ließ Jake knurren, ich wusste wie es ihm widerstrebte, mich jetzt hier allein zulassen. Doch da ich den weltbesten Bodyguard dabei hatte, konnte er sich schlussendlich doch dazu durchringen, unsere Liste abzuarbeiten. „Ich beeil' mich.“ Flüsterte er und küsste meine Wange. Noch kurz tauschten er und Paul Blicke aus. Es war, als würden sie sich stumm unterhalten, dann nickte Paul, Jake und die anderen marschierten los.
„Ma´am.“ Breit grinsend bot er mir gentlemanlike seinen Arm an. „Wie aufmerksam.“ Säuselte ich völlig übertrieben, hakte mich ein und wir stolzierten die letzten Meter zum besagten Café. Zielstrebig navigierte Paul mich zu einem der Tische und verfrachtete mich auf die Bank. Nachdem er uns etwas Warmes zu Trinken besorgt hatte, ging es mir schon wieder ganz gut. „Nicht mehr ganz fünf Wochen.“ Er sah mich an und lächelte. Es war beängstigend, dass Paul alles akribisch genau verfolgte. Ich war fast sicher, er freute sich mehr als die anderen, nie hätte ich gedacht, dass er so verrückt nach Kindern wäre. Nickend sah ich ihn an. „Und? Schon so ein bisschen Bammel vor der Geburt?“ Konnte er Gedanken lesen? Denn genau darum kreisten meine gerade. „Und wie.“ Schnaufte ich und ließ den Teebeutel im Glas auf und ab tanzen. „Du schaffst das schon, bist doch ein starkes Mädchen.“ Aufmunternd sah er mich an. Bevor er sich hinreißen ließ zu fragen, ob er nicht dabei sein könnte, was mich nicht wundert hätte, ging die wilde Treterei wieder los und es ließ mich geräuschvoll ausatmen. Er hatte aber auch Kraft, es war beachtlich.
Pauls Blicke wanderten zu meinem Bauch und er bewunderte es. Dann begann er nervös auf seinem Stuhl hin und her zu rutschen, ich wusste, dass er nur schwer an sich halten konnte. „Na komm' schon her.“ Lachte ich und klopfte neben mir auf die Bank. Sein Grinsen wurde immer breiter, dann ließ er sich neben mir nieder. Verstohlen sah er mich an. Ich fing an zu lachen, nahm seine Hand und legte sie auf meinen wild rumorenden Bauch. Selig atmete er aus und strahlte. Noch immer lag meine Hand auf seiner, als ein Pärchen, etwa in unserem Alter an uns vorbei gingen, die auch ein Baby auf dem Arm hielten. Die Frau wandte sich zu uns. „Genießen Sie die Zeit miteinander, wenn sie erst mal auf der Welt sind, ist für Zweisamkeit kein Platz mehr.“ Sie kniff uns ein Auge zu und folgte ihrem Mann. Ich fing an zu kichern. „Ja Paul, dann lass uns mal unsere Zweisamkeit genießen.“ Auch ihn ließ es kichern. „Wann ist es denn bei euch so weit?“ Fragte ich ihn und trank einen Schluck. Sein Blick wurde geheimnisvoll. „Den Ring hab ich schon.“ Überrascht sah ich ihn an. „Du machst ihr einen Antrag?“ Breit grinsend nickte er. Wieder kamen meine Hormone ins Spiel. Schluchzend hielt ich mir eine Hand vor den Mund und dicke Tränen kullerten über meine Wangen. Entgeistert sah er mich an, noch immer hatte er sich an meine Gefühlsausbrüche nicht gewöhnt. „Warum weinst du?“ Er war von meiner Reaktion völlig entsetzt, fast ein bisschen hilflos und wollte sich rechtfertigen, warum, wieso, weshalb. Doch unterbrach ich ihn. „Ich freu' mich so für euch.“ Erleichtert atmete er aus. „Du machst mich echt fertig.“
Nachdem ich zu Ende geheult hatte und die Tränen getrocknet waren, drückte ich ihn. Sie machten es richtig. Heiraten, Kinder bekommen und miteinander glücklich werden. So in etwa hatte ich mir mein Leben auch vorstellt. Ich wünschte ihnen von Herzen, dass es für sie so werden würde, wie sie es sich vorstellten und jederzeit füreinander da wären. Wenn ich Jake zu schätzen gelernt hatte und ich unglaublich froh war, dass er an unserer Seite war. So fühlte es sich immer noch an, als würde uns ein Abgrund trennen. Wenn er mir unter menschenunmöglicher Anstrengung seine Hand entgegen reckte, bedacht nicht zu fallen, so war ich oft nicht in der Lage, sie zu ergreifen, obwohl ich mich so weit über den Abgrund lehnte, dass ich im Begriff war zu fallen.
Jake hetzte in das Café, als er uns sah, entspannte sich sein Gesicht. Er kam zu uns, beugte sich über den Tisch, küsste mich und setzte sich, er stellte unzählige Taschen neben den Tisch. „Wie geht’s dir?“ Flüsterte er und sah mich immer noch etwas beunruhigt an. Ich lächelte um ihm die Sorge zunehmen. „Gut.“ Er erwiderte das Lächeln. „Was hab ihr Schönes gemacht?“ Etwas eifersüchtig sah er auf Pauls Hand, die immer noch auf meinem Bauch lag. „Wir haben unsere Zweisamkeit genossen.“ Prustete ich los, Paul setzte mit ein. Verwirrt sah Jake uns an. „Hab ich was nicht mitbekommen?“ Wir klärten ihn auf, damit er keine falschen Schlüsse zog, dann konnte auch er darüber schmunzeln.
„Du warst erfolgreich?“ Lächelte ich und sah auf den Wust an Taschen. Jedes Mal, wenn er auch nur kurz nicht in meiner Nähe war, vermisste ich ihn, so beugte ich mich vor und nahm seine Hand, die meine fest umschloss. „Yap.“ Er folgte meinem Blick. „Hab alles bekommen, was wir brauchten und......noch ein bisschen mehr.“ Verstohlen sah er auf und grinste. „Und zwar?“ Lächelte ich und bewunderte wieder einmal die Bewegungen seines Mundes. Hypnotisierend öffnete, schloss und verzog er sich. Ich hörte nicht das, was er sagte, es reichte zu sehen, wie er es tat.
Bekanntes Gelächter ließ mich aufsehen. Jess und Embry waren im Anmarsch. Schnaufend ließ Jess sich auf neben Paul auf die Bank fallen und Embry setzte sich neben Jake. „Scheint sich gelohnt zu haben.“ Paul bestaunte die Taschen, die Jess abstellte. „Das hat es und das nächste Mal gehe ich wieder mit Embry shoppen. Der nörgelt wenigstens nicht, wenn ich nicht sofort im ersten Geschäft etwas finde.“ Lobte sie ihn und Embry erwiderte ihr Grinsen. „Und du frönst auch wieder deiner Lieblingsbeschäftigung.“ Stellte sie lachend fest und sah auf seine Hand, die Jake schon argwöhnisch beäugt hatte. „Das ist nicht so anstrengend wie mit dir Schuhe kaufen.“ Verteidigte er sich. Sie verdrehte die Augen. „Ich brauch' was zu trinken.“ Sie marschierte zum Tresen und war keine zwei Minuten später wieder da. Jetzt fehlten nur noch Seth und Sam, dann wären wir wieder komplett. Komplett? Nein, das wären wir nie wieder. Ich starrte vor mich hin und folgte meinen Erinnerungen.
Es war ein Tag, in einem längst vergangenem Sommer. Die Sonne schien warm und ich fühlte mich gut, unbekümmert, nichts wusste ich vom Leben. Ein ganz normaler Teenager mit Wünschen und Träumen. Ich rannte durch den schattigen Wald, nichts desto trotz hörte man die schallende Brandung des Meeres, mein Lachen dröhnte in meinen Ohren. Einen schnellen Blick warf ich über meine Schulter und sah Embry und Jared, die eben so laut lachten wie ich. Sie rannten mir nach und kamen schnell näher. Schon immer konnte Jared schneller laufen als Embry, so war er nur noch wenige Meter von mir entfernt und ich gab alles, spornte meine Beine an. Sein Lachen kam näher, es ließ meinen Bauch kribbeln. ´Wenn er doch nur wüsste, wie ich für ihn empfand´, schoss es mir durch denn Kopf. Es war ein aufgeregtes, freudiges Kribbeln. Er tat einen letzten Satz und endlich umschlangen seine Arme mich, stolpernd kamen wir zum Stehen. Immer noch lachend wand ich mich in seinen Armen, legte den Kopf in den Nacken und sah ihn an. Wie wunderschön sein Gesicht war und mir so nah, dass mein Herz einen Sprung tat. Sein ausgelassenes Lachen wandelte sich zu einem Grinsen wir sahen uns in die Augen. Ich war mir sicher, er konnte durch meine Augen in meine Seele sehen, auf der geschrieben stand wie ich empfand. Warm lagen seine Hände auf meinem Rücken. Stück für Stück neigte er seinen Kopf, mit großen erwartungsvollen Augen sah ich ihn an und wartete voller freudiger Erwartung, worauf es hinaus laufen sollte. Als Embry gegen uns stolperte und uns ertappt aufsehen ließ. Ich fühlte so viel Glück wie nie wieder in meinem Leben!
„Ley?“ Drang Pauls Geflüster durch diesen dichten Schleier der Erinnerung. „Was ist mit dir?“ Erwacht aus meinen Erinnerungen, die alles waren was mir blieb, sah ich seine Hand, die noch immer auf meinem Bauch lag. Kleine Tropfen zierten sie, dann sah ich ihn an und fühlte wie Tränen über meine Wangen liefen. Es ließ mich für nur einen Moment die Augen schießen und lebensecht sah ich Jareds Gesicht. Es tat immer noch unbeschreiblich weh. Langsam wischte ich mit zittrigen Fingern die Resultate dieser Erinnerung von meinen Wangen und lächelte gequält. Paul sah mich mitleidig an. Einmal mehr riss der Verlust an mir und machte alles, was Jake mühsam versuchte aufzubauen, fast gänzlich zu Nichte. Unermüdlich versuchte er zu ersetzen, was nicht zu ersetzen war. Aber er gab nicht auf, mit allem was er war, versuchte er sich seinen Platz in meinem Leben zu erkämpfen, doch schien er fast auf verlorenem Posten, sein Gegner war übermächtig. Ich war froh, dass Paul nur flüsterte und so nicht die Aufmerksamkeit der anderen auf mir lag. Nur Jake bekam es mit, was ihm mal wieder klar machte, er war nur die zweite Wahl und würde es auf ewig bleiben. Er wusste, wenn ich in aller Stille Tränen vergoss, wem sie galten. Sie hatten die Rollen getauscht, es war nicht länger Jake die Lichtgestalt meiner Erinnerung, diesen Platz hatte Jared unanfechtbar eingenommen. Oft tat es mir schrecklich leid, dass Jake nicht der für mich sein konnte, der er sich wünschte zu sein, zu sehr litt mein Herz und schien nie wieder so zu funktionieren, dass es Platz für jemand anderen zuließ. Ich wollte ihn lieben, ich versuchte es, so wie er es verdiente.......aber ich konnte nicht. Geschunden von der Erinnerung, dem Erlebten, lechzte mein Herz nach dem einen, der mein Leben war. Unwiederbringlich verloren, klammerte sich mein Herz an das, was blieb, Erinnerungen. Es waren nur Erinnerungen, keine Berührungen, keine lieben Worte, keine Blicke, nur Erinnerungen. Die erfüllend waren, solange ich mich ihnen hingab und mich zu zerreißen schienen, wenn ich zurückkehrte, zurück ins Leben und mir so mit grauenhafter Gewissheit vor Augen führten, dass sie nur Erinnerungen waren.
„Na endlich.“ Schnaufte Embry, als Seth und Sam im Eingang des Cafés erschienen. Sam strahlte und schien fast ein bisschen aufgeregt. Unsere fragenden Blicke waren ihm sicher. Auch sie setzten sich. „Was grinste so?“ Stellte Paul die Frage, die uns alles beschäftigte. „Er hat 'n Date.“ Platze es aus Seth und ließ ihn kichern. Sam gab ihm einen in die Seite und geräuschvoll entwich Seth die Luft „Wir gehen nur einen Film anschauen.“ Rechtfertigte sich Sam, doch sein Lächeln war verräterisch. Froh über diese Ablenkung folgte ich ihrer Unterhaltung. Unter den unaufhörlichen Fragen und Gestichel ließ Sam sich beknien und kam mit der Sprache raus. Sie arbeitete hier bei einem Juwelier, er hatte sie durchs Schaufenster gesehen und konnte sich die Chance nicht nehmen lassen, es zu versuchen. Zwar war er jetzt im Besitzt einer viel zu teuren Kette, aber seine Bemühungen wurden belohnt und sie würden nächstes Wochenende ins Kino gehen. Es freute mich, so hätte auch Sam endlich mal Glück im Leben und käme auf andere Gedanken. „Und wie heißte sie?“ Grinste Embry und wackelte mit den Augenbrauen, was uns wieder los prusten ließ. „Emily.“ Sagte Sam und ihm war anzusehen, dass er gedanklich noch immer beim Juwelier war. Etwas unterhielten wir uns noch, ehe wir die Heimreise antraten.
In der einen Hand hatte Jake die Taschen, seinen anderen Arm hatte er um meine Schultern gelegt und mein Arm war um seine Taille geschlungen. Es hatte wieder fest angefangen zuschneien und ich würde drei Kreuze machen, wenn wir wieder zu Hause wären. Sam war das Grinsen ins Gesicht gemeißelt, er strahlte und war bester Laune, ich meinte ihn leise vor sich hin pfeifen zu hören. Es ließ mich grinsen, dann fiel mein Blick auf Embry, der von Sam zu mir sah und die Augen verdrehte. Das Letzte, was er jetzt gebrauchen konnte, wäre das nächste verliebte Pärchen, noch immer trauerte er Julie hinterher, verständlicherweise. Er verschenkte sein Herz nicht leichtfertig, das hat er noch nie getan. Aber ich war mir sicher, er würde die Liebe seines Lebens noch finden. Einen wie ihn konnte sich jede Frau nur wünschen.
Die anderen luden die Taschen ins Auto und ich bugsierte mich schon mal auf die Rückbank. Nachdem die anderen auch endlich saßen, startete Sam den Wagen. Er versuchte es zumindest, doch außer einem röchelnden Geräusch gab er nicht mehr viel von sich. Ein Raunen ging durch den Wagen und sie kamen nicht drum herum, jetzt mussten sie ihn anschieben. Schnaufend erhoben sich Paul, Jake und Embry, mehr Platz bot der Kofferraum nicht. Seth grinste verstohlen, weil dieser Kelch an ihm vorüber gegangen war. Langsam setzte sich der Wagen in Bewegung, als Jess das Fenster herunterließ. „Schneller, schneller!“ Feuerte sie unsere Jungs an. Auch ich hielt mir vor Lachen den Bauch, als ich über meine Schulter die angestrengten Gesichter sah. Doch den absoluten Lach-Koller leisteten wir uns, als Embry auf einmal weg war. Selbst Jake stellte seine Versuche ein und lachte sich kaputt. Etwas richtete ich mich auf und sah, wie Embry im Schnee lag, als er sich wieder aufrappelte, fluchte er wie ein Rohrspatz. Was uns nur noch mehr veranlasste zu Lachen. Dann starteten sie einen neuen Versuch, doch jedes Mal, wenn Jake oder Paul zu Embry sahen, prusteten sie wieder los und hatten kaum Kraft zum Schieben, selbst Embry musste über seine Tollpatschigkeit grinsen. Nach dem gefühlten hundertsten Mal lief die Kiste endlich und es ging ab nach Hause.
Ich sah an Jake vorbei aus dem Fenster und konnte mich nicht erinnern, dass wir schon mal so viel Schnee hatten. Kurz sah er mich an. „Soll ich dir mal was erzählen?“ Flüsterte ich in sein Ohr und grinste geheimnisvoll. Es ließ auch ihn grinsen. „Ja, mach ma´.“ Etwas mehr neigte er sein Gesicht zu mir. „Paul hat vor, Jess einen Antrag zumachen.“ Ungläubig sah er mich an. „Echt?“ Fragte er verwundert. „Hat er mir vorhin erzählt.“ Kicherte ich weiter. „Warum nicht, sie sind ja auch lang zusammen.“ Er drehte seinen Kopf und sah nachdenklich aus dem Fenster. Ich kuschelte mich an seine Seite und fand den Gedanken total schön. Paul war nie der romantische Typ und dass er diesen Schritt wagte, zeigte deutlich wie sehr er Jess liebte. Ich sah ihn schon vor mir, geschniegelt und gebügelt, im schwarzen Smoking, mit stolzem Blick seiner wunderschönen Braut entgegensehend. Schon allein der Gedanke ließ wieder einmal schniefen.
Sam kämpfte sich vorsichtig durch den um uns tosenden Schneesturm, zeitweise konnte man keine fünf Meter weit mehr gucken und es strengte die Augen dermaßen an, dass er schon nach kurzer Zeit mit Paul tauschte. Er brachte uns sicher nach Hause.
Immer noch komplett angezogen stand ich neben Jess vor der Heizung im Wohnzimmer und wir wärmten unsere tiefgefrorenen Hände. Verstohlen sah ich sie an. „Ist irgendwas?“ Fragte sie mit in Falten gelegter Stirn. Mein Wissen ließ mich grinsen. „Ne, ne alles Ordnung.“ Dann sah ich über meine Schulter zu Küchentür, in der Jake und Paul standen und sich so leise unterhielten, dass ich es nicht verstand. Kurz hielt ich die Luft an um irgendetwas von dem aufzuschnappen, aber vergebens. Nur Pauls Blicke beunruhigten mich ein bisschen. Erst leuchteten seine Augen und strahlten vor Glück, doch dann schien er unentschlossen, hin und her gerissen, als wüsste er nicht, was er von Jakes Worte halten sollte. Jakes Blick hingegen schien entschlossen, wie er es meistens war, doch dann auch wieder sehr ernst. Ich fragte mich, über was sie sich unterhielten, von Neugier getrieben ließ ich von der wunderbar warmen Heizung ab und ging zu ihnen. Doch mit meinem Näherkommen verstummte ihre Unterhaltung. Paul lächelte, strich mir über den Oberarm und ging zu Jess. Erst sah Jake mich genau so ernst an, wie zuvor Paul, doch dann wandelte sich sein Blick und wurde liebevoll. Schnaufend schlossen sich seine Arme um mich. „Ich bin so froh, dass ich dich habe. Mit dir werde ich alt.“ Er klang etwas melancholisch. Zögerlich legte ich meine kalten Hände auf seinen Rücken und fühlte, wie es ihn schüttelte. In Jakes Armen liegend sah ich zu Jess und Paul, verliebt sahen sie sich an und Paul hauchte ihr einen Kuss auf die Wange. Ihre Liebe war anders als meine zu Jake, ihre Liebe erinnerte mich an Jared und mich. Embrys Worte ließen mich und Jake herumfahren. „Der Glühwein ist fertig.“ Bölkte er aus der Küche.
„Ich gehe mich eben umziehen.“ Flüsterte ich und sah auf zu ihm. Er nickte, doch bleiben seine Arme, wo sie waren. Er schien auf etwas zu warten. Ich hatte keine Ahnung worauf und zog fragend die Augenbrauen hoch. Liebevoll ruhte sein Blick auf mir und sanft strichen seine Hände über meinen Rücken, mein Bauch war gegen seinen gelehnt. Dann kam er endlich mit der Sprache raus. „Was hältst du davon? Alt werden, mit mir!?“ Er lächelte unwiderstehlich, aber ich wurde etwas nervös. „Aber erst geh' ich mich umziehen.“ Versuchte ich es ein bisschen ins Lächerliche zu ziehen, um einer ehrlichen Antwort aus dem Weg zugehen. Zwar lächelte er, doch schien ihn die Antwort nicht zufrieden zustellen, kein Wunder. Hingebungsvoll küsste er meine Stirn und eine seiner Hände fand meinen Bauch, beschützend fand auch die Zweite ihr Ziel. „Ich liebe dich.“ Flüsterten seine Lippen an meiner Stirn und es ließ mich kaum merklich zucken. Er tat es nicht oft, er sagte es nicht oft, doch wenn er es tat, fühlte ich mich im Zugzwang, als müsste ich es erwidern, doch bis zum heutigen Tage schaffte ich es nicht. Ich liebte ihn, natürlich, aber konnte ich die Liebe zu ihm nicht beschreiben. Die beinhaltete sehr viel Dankbarkeit und Zuneigung, ich war froh, dass er für uns da war, dass er alles für uns tat und dass er mich mit all meinen momentanen Launen und Macken, ohne ein Wort der Beschwerde aushielt und ehrlich zu lieben schien. Wenn ich zu Anfang dachte, dass es mir leichter fallen würde, je mehr Zeit verstrich, so ging dieser Versucht ordentlich nach hinten los. Was mir in all der vergangenen Zeit immer klarer wurde, dass ich nie wieder jemanden so lieben könnte wie den Vater meines Kindes. Es war eine quälende Gewissheit, wenn ich all die Liebe um mich herum sah und wusste, dass ich nie wieder in der Lage wäre diese zu geben oder zu empfinden. Jared ging und nahm einen riesigen Teil von mir unwiederbringlich mit sich. Diese bedingungslose Liebe, die alles erfüllte und alles verzeihen konnte, die einen wissen ließ man war angekommen. Wenn man dieses seltene Glück besaß und in ihren Genuss kam, dann war es eine einmalige Sache. Ich war ein Schwan, der sein Herz einmal verschenken konnte und selbst wenn ich es mir noch so sehr wünschte, so konnte ich es doch nicht gänzlich ein zweites Mal tun. Doch war nicht nur ich diejenige, die darunter litt, ebenso traf es Jake. Es musste schrecklich quälend sein, mit jemanden sein Leben verbringen zu wollen, der mit seinem Herzen immer noch an jemand anderen hing und diesem hinterhertrauerte. Ich wusste nicht, ob er sich klar darüber war, was er sich mit mir aufbürdete. Auch war es ein Gedanke, dass es ihm vielleicht in ein paar Jahren klar werden würde, er mir den Rücken kehrte und ich es ihm nicht verübeln könnte. Es war ein andauerndes Abwägen des für und wider, ohne jegliches Ergebnis. Ein stetes Umherirren, ohne zu wissen, wohin.
Sanft befreite ich mich von seinen Armen und ging gesenkten Hauptes die Treppe hinauf. In meinem Zimmer angekommen zog ich mir bequeme Klamotten an und setzte mich aufs Bett. Wie so oft schweifte mein Blick zu dem Bild, welches auf dem Nachttisch stand. Leise machte ich das Radio des Weckers an und sah nachdenklich auf das Bild. Es war unser Hochzeitsfoto. Ein Foto aus glücklichen Tagen, immer wenn ich es ansah, fühlte ich seine Berührungen, wie sein Arm um meine Taille lag und seine Hand die meine hielt.
Leise säuselte Katy Perry The one that got away. Sie sang was ich fühlte und es ließ mich einmal mehr verzweifeln.
´In another Life, i would make you stay.
So I don't have to say you were the one that got away´.
Ich ließ die Tränen zu, es wäre zwecklos sie wegzuwischen, zu schnell folgten neue. Meine Hand fuhr über sein Gesicht, dass vor Glück und Zufriedenheit nur so strahlte.
´Never planned that one day i'd be losing you.
In another life, I would be your girl.
I should told you what you meant to me.
Cause now I pay the price.
In another life I would be your girl.
We keep all our promises be us against the world.
In another life I would make you stay
So gut wie jeder gesungene Satz, sprach mir aus der Seele, die Gefühle, die in ihrer Aussichtslosigkeit, einmal mehr über mir zusammen schlugen. Heute war einer dieser Tage, die es körperlich wehtaten ließen, an mir rissen und der Verlust spürbar wie am ersten Tag war. Ihren wahren Worten lauschend, flüchtete ich erneut in meine Erinnerungen, die erst tröstend waren, bevor mich die Rückkehr in den Abgrund stieß. Noch bevor ich aus freien Stücken den Schmerz in Kauf nahm und zurück kehrte, klopfte es an der Tür. Immer noch hielt ich das Bild in Händen und sah mit tränennassen Augen auf. Ohne Abwarten einer Antwort öffnete sie sich.
Noch bevor Embry mich an sah, redete er drauf los. „Wo bleibst du? Wir warten auf dich.“ Mein Anblick ließ ihn verstummen, mitleidig verzog er das Gesicht und atmete geräuschvoll aus. Dann trat er ein und schloss leise die Tür hinter sich. Langsam kam er näher und setzte sich neben mich. „Ley.“ Flüsterte er. „Fang endlich wieder an zu leben. Er hätte nicht gewollt, dass du so an ihm festhälst, wie du es tust. Er hätte gewollt, dass du glücklich wirst und nicht vor dich hinvegetierst.“
Emotionslos sah ich ihn an und hörte ihm zu, ich wusste, wie Recht er hatte. Aber was sollte ich tun, ich konnte nicht aus meiner Haut. Ich wünschte, ich könnte die vergangene Zeit mit Dankbarkeit sehen und ihn gehen lassen, doch hielt mein Herz an ihm fest, unwissend was passieren würde, wenn es das nicht mehr täte. Vielleicht war es die Angst, wenn ich ihn gehen ließe, ihn langsam und Stück für Stück zu vergessen. Vorsichtig nahm Embry mir das Bild aus den Händen, schob die Schublade des Nachttisches auf, legte es hinein und schloss sie wieder. „Er wird immer bei dir sein, auch wenn du ihn nicht sehen kannst.“ Seine Worte ließen mich leise schluchzen. „Warum tut es immer noch so weh?!“ Verzweifelt sah ich ihn an, es klang wie ein Vorwurf. Als könnte er mir mit seinen Worten Linderung verschaffen und mir den Weg ebnen, der es besser werden ließe. „Weil du an ihm festhältst und jeden verdammten Tag in der Vergangenheit lebst und dir damit das Leben zur Hölle machst.“ Er sprach es so liebevoll aus, wie diese Worte es zuließen. „Du leidest, das sehen wir alle, aber siehst du wie es Jake leiden lässt? Mach' die Augen auf und sieh' hin!“ Es verwunderte mich, dass er so über Jake sprach, war doch er einer von denen, die ihn nur knurrend hier duldeten. „In ein paar Wochen wirst du Mama. Du wirst hier so sehr gebraucht. Sei dankbar für die schönen Jahre, die ihr hattet, aber komm endlich zurück zu uns.“
Verzweifelt führte er mir die Dinge aus seiner Sicht vor Augen. Ich wünschte nur ein einziges Mal herzzerreißend um Jared zu weinen und dann könnte ich es gut sein lassen, aber so einfach war es nicht. Schuldbewusst senkte ich den Blick und nickte. Zwar wusste ich es nicht, aber ich hoffte, dass seine ehrlichen Worte die Wende brachten. Tröstend drückte er mich an sich. „Du musst es wollen. Wir können dir nur die Hand reichen, aber ergreifen musste du sie.“ Fester umschlossen ihn meine Arme, doch war ich nicht in der Lage, etwas zu erwidern. Eine Zeit saßen wir noch da und hielten einander fest. Wäre Embry nicht mein bester Freund, würde ich ihn vom Fleck weg heiraten. Er war so perfekt unperfekt und verstand mich ohne Worte, er war definitive jemand mit dem man problemlos alt werden konnte.
Wir rafften uns auf, kurz sahen wir uns an, dann gingen wir schweigend nach unten. Alle saßen im Wohnzimmer, Jakes Blicke waren wie so oft besorgt. Er rutschte ein Stück zu Seite und machte mir Platz. Ohne einen weiten Blick oder ein Wort setzte ich mich neben ihn. Einen Arm legte er um meine Schultern, die andere Hand lag auf seinem Bein. Zögerlich ergriff und betrachtete ich sie. Wie groß und stark sie war und doch so sanft zugleich. Er sah zu, wie ich seine Hand langsam in meinen drehte und von allen Seite ansah, vorsichtig drüber strich um sie schlussendlich zu meinen Lippen zu führen und zu küssen. Mit geschlossenen Augen verharrten meine Lippen, dann sah ich auf und ihn an. Er tat mir schrecklich leid, wie er versuchte, mich anzulächeln, als wäre alles gut. Eilig schlang ich meine Arme um seine Brust und drückte mich an ihn, es war meine Art mich bei ihm zu entschuldigen, für das, was ich ihm und uns antat, ich wollte ihn wissen lassen, wie unglaublich leid es mir tat. Er fühlte sich so gut an, groß, warm, stark und er roch so verführerisch.
Meine Wange ruhte an seiner und ich hörte seinen gleichmäßigen Atem, der vereinzelt mit tiefen Seufzern wechselte. Etwas drehte ich den Kopf, dass meine Lippen ihn berührten, ich konnte sehen wie er die Augen schloss und die selten von mir ausgehenden kleinen Aufmerksamkeiten sichtlich genoss. Wieder seufzte er hörbar, seine starken Arme umschlossen mich und hielten einmal mehr die böse Welt von mir fern. Es waren diese Momente, in denen ich mir sicher war, wir würden es irgendwie schaffen, ich würde ihn lieben können, wie er es sich wünschte und verdiente. Langsam wanderten meine Hände zu seinen Wange, ein Stück lehnte ich mich zurück, um ihn ansehen zu können. Er war wunderschön, langsam näherte ich mich ihm wieder, seine dunkelbraunen Augen ruhten auf mir, erzählten mir, wie sehr er mich liebte. Erst als sich unsere Lippen berührten, schloss ich die Augen, weich und warm, waren sie alles, was ich fühlte. Ich wünschte, die Zuversicht, die er ausstrahlte, von seinen Lippen küssen zu können und mich zu infizieren.
Pauls lautes Räuspern ließ diesen vertrauten und intimen Moment vorzeitig enden. Widerwillig ließ ich von Jake ab, was ihm ein Lächeln entlockte. An seine Seite gelehnt blieben seine Arme wo wie waren und hielten mich fest. Erwartungsvoll sahen wir alle Paul an, der breit grinste und Jess etwas komisch gucken ließ. Ich ahnte, was er im Begriff war zu tun und schniefte schon mal vorsorglich. Sein Grinsen wandelte sich und verliebt sah er Jess an, die seinen Blick erwiderte. Ihm war anzusehen, dass er sie wie am ersten Tag liebte.
„Jessi- Lee, ich weiß du hast es nicht immer leicht mit mir, nichts desto trotz hast du dich von meiner ruppigen Art nie entmutigen lassen. Du weißt, dass ich dich liebe und ich weiß, dass du mich liebst.“ Er machte eine kleine Pause und sah sie an, als wartete er auf ihre Zustimmung. Lächeln nickte sie und schien zu ahnen, worauf es hinaus laufen würde, da ihre Augen verräterisch glänzten. Tief holte er Luft, nahm ihre Hand, sie stand auf und gentlemanlike kniete er sich vor sie, öffnete das samtene Kästchen und hielt es ihr entgegen. „Jess Mackenzie, möchtest du meine Frau werden?“ Ich war mir fast sicher, dass durch den Schleier von Tränen auch Pauls Augen etwas feucht aussahen. Jess hielt sich eine Hand vor den Mund und auch bei ihr kullerten vereinzelte Tränen.
„Ja.“ Hauchte sie, Paul nahm den Ring und steckte ihn ihr an, er passte wie für sie gemacht und war wunderschön, der kleine Diamant funkelte wie verrückt. Sie fielen sich in die Arme und küssten sich hingebungsvoll, es gab niemanden auf Erden, der in diesem Moment glücklicher war als sie. Wir fingen laut an zu johlen, klatschten und die, die es konnten, pfiffen auf den Fingern. Sie ließen sich von uns drücken und beglückwünschen, beide strahlten fast noch mehr als der Ring an Jess Hand. Sogar Jake drückte Paul, sie verstanden sich so gut wie noch nie zuvor und ich war sicher, dass sie aufrichtig zu einander waren. Kurz unterhielten sie sich noch, dann sahen beide zu mir, ich wischte gerade die letzten Tränen von den Wangen und trötete ordentlich ins Taschentuch.
Lange saßen wir noch zusammen und hier und da bekam ich mit, wie Jess und Paul sich ihre Hochzeit vorstellten und planten, sie hatten ziemlich dieselben Ansichten und Vorstellungen, es war schön zu wissen, dass ihre Herzen im selben Takt schlugen. Als ich das erste Mal einnickte, fuhr Jake mir übers Bein und ließ mich mit müden Augen aufsehen. „Sollen wir ins Bett?“ Gähnend nickte ich, dann warfen wir ein schnelles ´Gute Nacht´ in die Runde und ich wackelte hinter Jake die Treppe hinauf.
In Schlafklamotten stand ich im Bad und putzte meine Zähne, unter dem engen Oberteil kam mein Bauch richtig zur Geltung. Ich stellte mich seitlich vor den Spiel und bewunderte seine Größe, langsam glitt meine Hand darüber, in Gedanken erzählte ich ihm, wie sehr ich ihn liebte und es wurde mit sanften Tritten beantwortet. Dann machte ich mir noch schnell einen lockeren Zopf, löschte das Licht und tapste durch den dunklen Flur zum Zimmer. Die Tür war einen Spalt geöffnet und bevor ich sie ganz öffnete, sah ich hindurch.
Jake saß in Boxershorts auf der Bettkante, die Schublade des Nachttisches stand auf und zu meiner Verwunderung hielt er das Hochzeitsfoto in Händen. Ich hörte, wie er tief Luft holte und sich mit der Hand durchs Gesicht fuhr. Ich hatte keinen blassen Schimmer, was er empfand, weder konnte ich Zweifel, Angst oder gar Hass in seinem Gesicht lesen. Es wirkte ein bisschen entschuldigend oder um Verzeihung bittend, was mich ihn noch viel weniger verstehen ließ. Eine ganze Weile sah er es an, ehe er es zurück legte und die Schublade schloss. Dann legte er den Kopf in seine Hände und stützte die Ellenbogen auf seine Beine. Ich verpasste der Tür einen kleinen Schubs, leise quietschend öffnete sie sich, es ließ ihn aufsehen. Wir sahen uns einfach nur an, ohne den Hauch einer Emotion. Es war, als versuchten wir dem anderen irgendwas zu entlocken, dann ging ich Schritt für Schritt näher und setzte mich zu ihm gewandt, auf seinen Schoss. Meine Augen suchten sein Gesicht ab, irgend etwas brannte ihm auf der Seele, was er aber tunlichst für sich behalten wollte.
„Was ist es?“ Flüsterte ich und er sah mich misstrauisch. „Ich weiß nicht, was du meinst.“ Mit meinen Händen fuhr ich über sein Gesicht und mein Blick folgte meine Händen. „Was macht dich so unruhig?“ Hauchte ich und berührte mit meinen Lippen seinen Hals, ganz sachte. Es ließ ihn Luft holen und etwas reckte er ihn mir entgegen. „Da ist ….....nichts.“ Seine Stimme glich nur noch einem Stöhnen. „Jake.“ Säuselte ich hingebungsvoll seinen Namen und meine Lippen tasteten seinen Hals entlang. Langsam zog er das Band aus meinen Haaren, die in großen Wellen über meine Schultern fielen. Er seufzte und genoss meine zaghaften Berührungen. Seine Hände langen auf meine Hüften und er zog mich näher zu sich, diese Bewegung ließ ihn den Kopf in den Nacken legen und die Augen schließen. „Lüg´ mich nicht an.“ Leicht berührte ich mit den Zähnen sein Ohr, was ihn nach Luft schnappen ließ und gleichzeitig seinen Atem beschleunigte. Meine Hände glitten seinen Nacken entlang über seine Brust, die sich schnell auf und ab bewegte. „Jake.“ Hauchte ich erneut und kam mir vor wie eine Sirene, die ihn lockte, damit sie bekam was sie wollte. Wenn ich ihn auch um den Verstand bringen würden, so war ich mir nicht sicher, ob ich dieses kleine Geheimnis aus ihm heraus bekäme. Einladend strich meine Zunge über seine Lippen, die leicht geöffnet waren und ich seinen süßen Atem fühlte. Seine Hände fuhren meine Seiten entlang, über meine mittlerweile mehr als beachtliche Oberweite, bis zu meinem Nacken und hielten mich wo ich war. Mit dem nötigen Abstand sah er mich an, noch immer hob und senkte sich schnell seine Brust, auch war sein Atem hörbar. Etwas sah ich auf ihn herab, ebenso misstrauisch ruhten seine funkelnden Augen auf mir. Die Luft zwischen uns schien wie elektrisiert, sie kribbelte auf der Haut, die Stimmung war explosiv und wir arbeiten auf den ohrenbetäubenden Knall hin.
„Du bist der Wahnsinn.“ Flüsterte er voller Begierde. Es ließ mich ein bisschen überlegen lächeln. „Du wirst es mir erzählen.“ Hauchte ich und schloss kurz die Augen. Es war wieder einmal das Spiel mit dem Feuer und es hatte nicht von seinem Reiz verloren, so wie er auch immer wieder meine verruchte Seite heraufbeschwor und total drauf abfuhr. Seine Hände lockerten den Griff, fuhren hinunter und lagen auf meinem Po, fester drückte er mich an sich.
Wie ich ihn betrachtete, besann ich mich auf Embrys Worte, ´Sieh hin, sieh wie er leidet´. Tief holte ich Luft, brachte allen Mut auf, den ich zusammenkratzen konnte und lehnte mich vor, nahm sein Gesicht in meine Hände. Ich fühlte, wie sich alles vom wilden, sich verzehrendem in aufrichtige liebevolle Zuneigung wandelte, in kürzester Zeit.
„Ich....“ Noch einmal holte ich tief Luft. „.....liebe dich.“ Seine Augen wurden groß und er sah mich völlig überwältigt an. Um meinen Worten Nachdruck zu verleihen, ließ ich Taten sprechen und küsste ihn so, wie er es verdient hatte. Mit aufrichtiger Liebe.
Chapter 12
The Butterfly Effect vs. All- forgiving love
Mein Arm hing über die Bettkante und kribbelte, ich ließ die Augen geschlossen, oh man, war ich müde. Die Zimmertür wurde leise quietschend geöffnet. Er war aus dem Bad zurück, ich roch sein Parfum, gemischt mit Dusch- und Haargel. „Steh auf, Ley. Sonst kommen wir zu spät.“ Ermahnte mich Jake mit leiser Stimme und wühlte im Schrank nach Klamotten. Es ließ mich knurren, ich drehte mich auf die andere Seite und nahm meinen etwas schmerzenden Arm mit, der Rest meines Körpers war bleischwer und hinderte mich, seiner Aufforderung nachzukommen. Das Geschaukel ließ mich wissen, dass er auf der Kante saß.
„Na komm schon.“ Flüsterte er und fuhr mir über den Rücken. Doch das bezweckte nur, dass ich noch viel weniger aufstehen wollte, es war schön warm und gemütlich. „Hast du Hunger?“ Wieder knurrte ich nur als Antwort. „Du solltest was essen.“ Belehrte er mich und schien wieder aufzustehen. Warum hatte ich zu so einer unmenschlichen Uhrzeit einen Termin beim Arzt gemacht, das würde mir nie wieder passieren. Ich überlegte ob ich Hunger hatte, aber es war einfach noch zu früh, sich darüber den Kopf zu zerbrechen. Seine Worte hallten noch in meinen Ohren, ihnen lauschend, fand schleichend der Schlaf seinen Weg zurück.
Etwas strich über meine Wange, meine Stirn, meine Nase und es ließ mich lächeln. Es war ein angenehmes Kitzeln, dann wurden mir die Haare aus dem Gesicht gestrichen, so zaghaft und vorsichtig, dass es wieder kitzelte und mein Lächeln breiter wurde. Ich blinzelte, um zusehen, wer so liebevoll mein Gesicht mit Zuneigung bedachte. Jake saß neben mir und sah auf mich herab. „Hey.“ Flüsterte ich und tastete nach seiner Hand. „Hey.“ Flüsterte auch er und fuhr erneut über meine Wange, bevor er sie küsste. „Ich hab verschlafen, richtig?“ Murrte ich. „Was heißt verschlafen? Du hast dich glorreich gegen das Aufstehen gewehrt.“ Lachte er leise und seine Worte entlockten auch mir ein Lachen. „Und jetzt kommen wir zu spät und ich muss mich schrecklich beeilen!“ Stellte ich mit heiserer Stimme fest. Etwas presste er die Lippen aufeinander und schüttelte den Kopf. „Hab' gerade angerufen und dir ein bisschen Zeit verschafft.“ Erleichtert schnaufte ich. „Du bist der Beste, was würde ich ohne dich nur machen.“ Er lachte. „Mitten in der Nacht um Arzt rennen.“ Etwas robbte ich an ihn und legte meinen Kopf auf seinen Oberschenkel, so berührte meine Stirn seinen Bauch. „Wie viel Zeit?“ Murmelte ich und war schon wieder im Begriff mich der Verführung des Schlafes hin zugeben. „Genug.“ Er begann meinen Kopf zu streicheln und machte es mir damit so leicht.
Selten brauchte ich so viele Anläufe um aufzustehen, doch das verschneite Wetter draußen und Jakes Wärme neben mir waren wie schwere Ketten, die mich ans Bett fesselten. Das Einzige, was jetzt anders war, ich wurde von allein wach. Noch immer lag mein Kopf auf Jakes Bein. Er hatte sich zurück aufs Bett gelegt und hatte die Augen geschlossen. Ich reckte und streckte mich, das wohlige Gefühl der Entspannung danach ließ mich leise seufzen. Vorsichtig stand ich auf, legte die Decke über ihn, brummend drehte er sich auf die Seite und atmete geräuschvoll aus. Einen Moment blieb ich noch stehen und sah ihn an, sein völlig entspanntes Gesicht, unnatürlich schön. Schweren Herzens wandte ich mich ab, holte mir Klamotten aus dem Schrank und verschwand ins Bad.
Das Wasser der Dusche verjagte noch die letzte Müdigkeit. In das Handtuch gewickelt stand ich vor dem Spiegel und eine unerklärliche Leichtigkeit beflügelte mich. Ich fühlte mich gut und heute war der erste Tag, seit Monaten, an dem ich behaupten konnte, dass mein Leben schön war. Die erdrückenden Gedanken waren wie weggewischt und ich war fast ein bisschen euphorisch und liebte die Menschen, die mich umgaben, noch ein bisschen mehr und war dankbar, dass ich sie hatte. Nachdem ich abgetrocknet und angezogen war, stand ich haareföhnend vor dem Spiegel und sang, lauthals. Leichte Tritte ließen mich befürchten, dass meine gesangliche Begabung doch eher unterirdisch war. Ich legte den Fön zur Seite und umschloss meinen Bauch. „Guten Morgen, mein kleiner Schatz. Bald lernen wir uns endlich kennen.“ Trällerte ich leise zu meinem Bauch geneigt. Ein Lachen ließ mich etwas ertappt aufsehen.
Jake stand in den Rahmen gelehnt. Keine Ahnung, wie lange er schon da stand und was er von meiner kleinen Performance mitbekommen hatte. Ich musste lachen und der sonst bittere Beigeschmack des Fröhlichseins blieb aus. Ich konnte lachen, ohne dass mich das schlechte Gewissen plagte. „Es geht dir gut!“ Stellte Jake überrascht fest, lange war es her, dass er mich so unbekümmert erlebt hatte. Strahlend sah ich ihn an und nickte. „Ja. Es geht mir gut.“ Die letzten Schritte tat ich, legte meine Arme um seine Mitte und den Kopf in den Nacken. „Wem ich das nur zu verdanken habe.“ Flüsterte ich, stellte mich auf die Zehenspitzen und reckte ihm meine Lippen entgegen, deren Ruf er zu gern folgte. Dann ließ ich von ihm ab, schnappte meine Schlafklamotten und brachte sie ins Zimmer. Nachdem ich Schuhe anhatte, war ich im Begriff nach unten zu gehen, im Vorbeilaufen schnappte ich seine Hand und zog ihn breit grinsend hinter mir her.
In der Küche lief das Radio, was mich wieder einmal veranlasste, laut mit zu singen. „I'm bulletproof, nothing to lose, fire away, fire away. Ricochet, you take your aim, fire away, fire away. You shoot me down, but I won't fall. I am Titanium.“ Heute fühlte ich wirklich bulletproof. Jake schüttelte lachend den Kopf. Die knarrende Treppe verriet, dass jemand im Anmarsch war. „Irgendwer quält hier 'ne Katze.“ Stellte Embry grinsend fest, als er in der Küchentür auftauchte und auf meinen lieblichen Gesang anspielte. Mit einer hochgezogenen Augenbraue tänzelte ich auf ihn zu. „Guten Morgen, mein liebster Embry!“ Säuselte ich, schnappte sein Gesicht und verpasste ihm einen ordentlichen Schmatzer. Während ich meine Lippen auf seine presste, schielte er mich leicht irritiert an. Dann ließ ich von ihm ab, holte mir eine Schüssel aus dem Schrank und kippte Müsli hinein. „Hab' ich nicht gesagt, du sollst ihr keine Drogen geben, solange sie schwanger ist.“ Grinste er Jake an, der es erwiderte. Mit Schwung kippte ich noch Milch drüber und begann, es in mich hinein zu schaufeln. Die Blicke der beiden ruhten grinsend auf mir. „Was?!“ Nuschelte ich mit vollem Mund. „Nix, Nix, alles gut.“ Strahlte Embry, meine gute Laune schien ihn zu überraschen und dann doch anzustecken. Jakes Blick ging zur Uhr, die über dem Türrahmen hing. „So langsam sollten wir mal in die Puschen kommen.“ Noch schnell stopfte ich ein, zwei Löffel hinterher, im Vorbeigehen ließ ich meine Hand über Embrys Wange gleiten. Schnappte meine Tasche vom Sofa und zog meine Jacke an. „Fertig.“ Sagte ich noch immer kauend. Embry stand im Türrahmen und sah etwas verwundert hinter mir her. Jake kam die Treppe hinunter gejoggt und war dabei seine Jacke anzuziehen. „ Bis später.“ Lächelte ich und warf Embry eine Kusshand zu. Arm in Arm marschierten wir zu Jakes PS-Schleuder.
„Sag ma'. Wie laut geht eigentlich dein Radio!“ Es war weniger eine Frage, sondern viel mehr eine Vorwarnung. Jake sah mich mit großen Augen an. „Ich befürchte, das werden wir gleich wissen.“ Geagt, getan, die Bässe dröhnten, getreu dem Motto, `Der Bass setzt ein und das Herz setzt aus´. Mit dem Kopf nickte ich im Takt der Musik und grinste Jake an, der mit seiner Sonnenbrille unverschämt gut aussah. Es war einer der Tage, an denen es beißend kalt war, aber der Schneesturm von gestern heute einem strahlend blauen Himmel wich. Vielleicht trug die Sonne einen nicht so geringen Teil zu meinem euphorischen Zustand bei. Wieder einmal, wie so oft in den letzten Monaten, waren wir auf dem Weg zum Gynäkologen, zum Glück hätte diese Ärzterennerei bald ein Ende. Mit den Händen trommelte ich auf meinen Knien, ich hätte die Welt umarmen können, so zufrieden war ich. Vielleicht, weil ich es tatsächlich schaffte, Jared ein Stück weit gehen zulassen und nicht mehr trauernd zurück sah, sondern zuversichtlich in die Zukunft blickte. Meine Zukunft, die keine Armlänge von mir entfernt saß und die, die ich in mir trug.
„Da.“ Rief ich. „Wo?“ Fragte Jake. „“Na daaaa!“ Etwas rutschte ich auf dem Sitz hin und her. „Woooo?“ Fragte er wieder, etwas verzweifelnd. Ich fing an zu lachen. „Boah, guck wo ich hinzeig'!“ Jetzt fing auch er an zu lachen. „Ach da!“ Er bog in die Parklücke, die sich uns glücklicherweise aufgetan hatte und das noch genau vor der Praxis, so brauchten wir nur dreimal lang hinfallen und wären da. Ich öffnete die Wagentür und stieg aus, kalt schlug mir der Wind ins Gesicht und ich inhalierte die klare Luft. Es fühlte sich alles irgendwie neu und viel intensiver an. Der Himmel erschien mir so blau wie noch nie und auch die Sonne so hell, dass ich mich sicher war, nie schien sie heller. Jake rückte seine Sonnenbrille zurecht, nachdem er sich einmal mehr umgesehen hatte. Mit schräg gelegtem Kopf sah ich ihn an. „Ich kann es mir vorstellen.“ Platzte es aus mir heraus. Er kaute auf seiner Unterlippe herum und sah mich fragend an. „Okay. Und das da wäre?“ Langsam ging er ums Auto, als er vor mir stand, nahm er die Brille ab. „Alt werden. Mit Dir.“ Meine Stimme wurde mit jedem Wort leiser und dünner. Sein Blick sank, doch nur um erneut aufzusehen. Sein Anblick ließ mein Herz schmelzen, er griff meine Hand und tat noch einen letzten Schritt, dass ich den Kopf in den Nacken legen musste, um ihn anzusehen. „Meine kleine Familie.“ Flüsterte er mit erstickter Stimme und den Händen auf meinen Wangen. Ich konnte nicht glauben, was meine Worte angerichtet hatten. „Jake.“ Hauchte ich und strich die vereinzelten Tränen von seinen Wangen, es ließ ihn die Augen schließen. Ich ahnte, was ich ihm bedeutete, aber dass meine Worte so eine Reaktion herauf beschworen, damit hatte ich nicht gerechnet. Er wirkte so verletzlich, fast ein bisschen verloren. Dann sah er mich wieder an.
„Wie sehr ich mir diese Worte gewünscht habe.“ Es machte den Eindruck, eine riesige Last sei von seinen breiten und starken Schultern gefallen. Es war die Erleichterung, die ihn dazu brachte, die Fassade des immer starken Jacob Black fallen zu lassen. Um in diesem Moment schwach sein zu dürfen und Trost anzunehmen, es verlangte so viel mehr Stärke und Größe, als jedes Aufrechterhalten der Fassade. „Du bist für mich so viel mehr....“ Seine Stimme zitterte und ich konnte es fast nicht mit ansehen, wie es über ihn herein zu brechen schien. „Es wird alles gut.“ Flüsterte ich, um ihm die Zuversicht zurück zu geben, die ich gestern von seinen Lippen geküsst hatte. Er sah mich an, beruhigend strich ich über seine Brust. Geräuschvoll atmete er aus und drückte mich an sich, als hätte er die Befürchtung, es wäre nur ein Traum und er wollte sich meiner vergewissern. „Ich kann nicht in Worte fassen, wie sehr ich euch liebe.“ Ich lehnte mich zurück um ihn wieder anzusehen. „Mit jedem Blick lässt du mich wissen, wie du empfindest.“ Sagte ich leise, gerührt von seinen Worten, seinem Anblick seufzte ich. Noch ein letztes Mal drückten wir einander. Der Geruch seiner Lederjacke, gemischt mit seinem Parfum war so typisch und unverkennbar. Ich mochte es, es beschwor jedes Mal die bekannte Vertrautheit herauf. Es war wie damals das Gefühl, wenn ich nach langer Zeit in Seattle wieder nach Hause kehrte, geliebt und bekannt, einfach ein gutes Gefühl, zu wissen man war angekommen. Mein Bekenntnis erleichterte nicht nur ihn, die Fesseln der Vergangenheit fielen von mir und ich lächelte vorsichtig. Als er es erwiderte, fühlte es sich besser denn je an. Genau an diesem Punkt begann für mich ´das andere Leben´ und ich konnte guten Gewissens mein Versprechen einlösen.
Auf den Stufen zur Praxis hatte Jake sich soweit gefasst, dass er wieder lachen konnte und ausgelassen war. Zwar dachte ich, meine Euphorie könnte nicht überboten werden, doch übertraf Jake mich noch um Längen. Nachdem ich angemeldet war, saßen wir im Wartezimmer, es schien ihn wie einen Schlag zutreffen. Erst entgeistert, dann grinsend sah er mich an. „Ich bin gleich wieder da.“ Flüsterte er, küsste mich und verschwand schnellen Schrittes. Irritiert sah ihm nach und fragte mich, was ihn gebissen hatte. Aber noch ehe ich diesen Gedanken vertiefen konnte, wurde ich aufgerufen.
Wie jedes mal schüttelte mich eine Gänsehaut, als mir das kalte Gel auf den Bauch gekleistert wurde. Mit leichten Druck fuhr die Ärztin mit dem Schallkopf darüber. Sie schien zufrieden mit dem was sie sah, speicherte hier und da ein Bild. „So Mrs. Cameron, ab nächster Woche sehen wir uns dann wöchentlich. Das Rezept für die Eisentabletten bekommen sie an der Anmeldung.“ Sagte sie und gab mir die ausgedruckten Bilder. Innerlich ließ es mich stöhnen, aber sichtlich nickte ich nur. Nachdem sie meinen Bauch von dem Gel befreit hatte, zuppelte ich meine Klamotten zurecht, machte den nächsten unausweichlichen Termin und bekam mein Rezept.
Vor der Praxistür stand ich im Treppenhaus und bewunderte die Bilder. Eines war besonders schön. Es zeigte das Profil und eine Hand mit ausgestreckten Fingerchen. Dieses würde einen besonderen Platz in dem Album bekommen, dass Embry mit Hingabe angelegte hatte. Er war der festen Überzeugung, dass ein Patenonkel so was auf jeden Fall tun müsste. Wieder einmal mehr dankte ich Gott, dass ich ihn hatte. Bis auf dieses wunderschöne Bild packte ich die weiteren Sachen in meine Tasche und machte mich auf den Weg. Vor der Tür stehend sah ich mich um, ob Jake irgendwo auftauchte. Vom weiten sah ich ihn und wedelte mit dem Bild. Als er mich erblickte, joggte er los, sein Gesicht strahlte überglücklich. Langsam ging ich ihm entgegen.
„Hab ein neues für dich.“ Rief ich entzückt und hielt es ihm hin. Vorsichtig nahm er es, stellte sich neben mich und legte seinen Arm um meine Taille. Fasziniert sah er es an. „Ich kann mir richtig vorstellen, wie er aussieht.“ Hingerissen ruhte mein Blick auf ihm, wie er völlig verzaubert diesen Beweis bestaunte. Er gab es mir zurück, ich packte es zu den anderen. Jake druckste etwas herum und schien zu überlegen, doch konnte er nicht aufhören zu lächeln. Erst hin und her gerissen und mit sich hadernd schien er dann doch einen Entschluss gefasst zu haben. „Ich habe auch etwas für dich.....“ Überrascht sah ich an. „Aber ist es lange nicht so schön, wie das, was du für mich hattest.“ Fragend lächelte ich. Er griff in seine Jackentasche und hielt ein kleines, edles schwarzsamtenes Kästchen in Händen. Ich erstarrte ich und mein innerer Alarm schrillte los. Er ging auf die Knie und mit jedem Stück, das er sich dem Boden näherte, wurde es mir schlechter. Er sah mit bittendem Blick auf. „Laley. Ich bitte dich, werde meine Frau.“ Indem er es aussprach, öffnete er die Schachtel. So, zu der Übelkeit setzte jeder noch Schwindel ein und ich wankte. Erschrocken starrte ich ihn an. Er konnte sehen, wie mich die Panik beschlich. „Nicht in nächster Zeit. Irgendwann.“ Erklangen seine beschwichtigenden und doch hoffnungsvollen Worte, die meinen Wunsch in Ohnmacht zu fallen, abebben ließen. Am Rande nahm ich Leute wahr, die stehen blieben und sich ansahen, wie er vor mir kniend den Ring in die Höhe hielt. Nachdem der erste Schock wich, wägte in Sekunden ab, wie mein Leben verlaufen sollte, wie es mir vorstellte und was ich mir wünschte. Jetzt hatte ich mich und meine Gesichtszüge wieder einigermaßen in der Gewalt. Natürlich hatte ich ihm mit den Worten, dass ich mit ihm alt werden wollte, den Weg geebnet, aber konnte ich ahnen, dass er mich darauf fest nagelte. Sollte ich es wagen mich ewig an ihn zubinden? Mit dem ausdrucksstärksten Versprechen, welches zwei Menschen sich geben konnten? Schoss er übers Ziel hinaus oder war ich zu übervorsichtig? Ley Black, dass hatte was und ´irgendwann´, war ein sehr dehnbarer Begriff. ´Überwind´dich, Überwind´dich´, versuchte ich mich selbst zu überreden, um ihn nicht noch länger vor mir knien zulassen und mit flehendem Blick aufzusehen.
„Irgendwann.“ Kam es mir zögerlich über die Lippen. Als er mir den Ring ansteckte, lächelte er etwas scheu und die Leute, die es ansahen, begannen zu applaudieren. Es war ein verstörend schräges Bild, noch immer zierte der alte Ehering meine Hand, während an der anderen schon ein neues Versprechen prangte. Erst jetzt betrachtete ich die Fessel, die Jake mir angelegt hatte, vielleicht musste ich mich erst an diesen Gedanken gewöhnen und es würde seinen Schrecken gänzlich verlieren. Er war in seiner Schönheit einzigartig, eben so wie sein Überbringer. Ich begann Jake mit anderen Augen zusehen und versuchte mir vorstellen, er wäre ….., es fiel mir schwer diesen Gedanken zu Ende zu bringen. Denn brachte ich damit unausweichlich jemand anderen in Verbindung. …...mein Mann. Jetzt da er wieder stand, sah er mich mit festem Blick an. „Irgendwann. Das reicht mir.“ Sagte er und war selbstsicherer denn je. Obwohl ich mir einst schwor, Herzensangelegenheiten nie wieder übereilt zu treffen, war es doch genau dass, was ich in diesem Moment tat. Ich lernte nicht aus meinen Fehlern, schlimmer, ich tat sie wieder und wieder. Aber wenn ich es, wohl wissentlich, schaffte ihn zu lieben und mir eingestand, dass ich mit ihm alt werden wollte, so wäre seine Bitte nur eine logische Konsequenz des Ganzen.
Von Jake sah ich wieder auf den Ring. „Er ist unbeschreiblich.“ Stammelte ich und umarmte ihn. „Wie du, Mrs. Black.“ Lacht er leise und ich ließ seine Worte reaktionslos verhallen. Ich bestärkte mich selbst in meiner getroffenen Entscheidung, es wäre okay, nein, es wäre das Richtige. Ich sah zu ihm auf, Nach und nach, ganz langsam, fast schleichend fand die Euphorie, die diesen Tag zu etwas besonderem machte, ihren Weg zurück. Eine unbeschreibliche Wärme durchströmte mich, ich war in der Lage, ein zweites Mal bedingungslos zu lieben. Vielleicht brauchte ich einfach diese Zeit, es zu verstehen und zuzulassen. Wäre ich nicht nicht schwanger, könnte ich jetzt gut 'n Schnaps gebrauchen oder wenigstens einen Kaffee.
„Ich muss noch in den Drugstore.“ Flüsterte ich an seiner Brust, es war völlig aus dem Zusammenhang gerissen. Es ließ ihn lachen. „Okay, ich schmeiß' noch mal schnell Geld in die Parkuhr und danach.......“ Seine Pause ließ mich aufsehen. „..............würde ich meine Verlobte gerne zum Essen ausführen.“ Sein Grinsen war unwiderstehlich und ich nickte. Wir gingen die Straße entlang zum Auto. „Bis gleich.“ Grinsend kniff er mir eine Auge zu, ich erwiderte es und ging über die Straße und noch ein Stück die Straße rauf.
Ich öffnete die Tür des Geschäftes und holte schon mal das Rezept heraus, es waren noch ein paar Leute vor mir. Den letzten Momenten hinterher hängend sah ich aus dem Schaufenster, etwas bog ich mich zur Seite, ob ich Jake von hier aus sehen konnte. Er stand mit dem Rücken in meine Richtung, mit irgendwem sprach er, doch konnte ich diesen Jemanden nicht sehen, Jake verdeckte ihn völlig, kein Wunder, er war 'n Kerl wie 'n Baum. Er beugte sich vor, von der anderen Seite musste es etwas bedrohlich wirken. Ich wurde neugierig, seine Körpersprache schien auch alles andere als freundlich, er sah sich um und sein Gesicht ließ nichts Gutes hoffen. Was war da los? Schnellen Schrittes verließ ich den Drugstore und ging auf der gegenüberliegenden Seite ein paar Meter. Bis ich ihnen fast gegenüber stand und mich der Schlag traf.
Die Person, die er völlig verdeckte kam jetzt, zu meinem Entsetzen, zum Vorschein. Es war Jen! Die ihn ebenso böse ansah wie er sie. Er fuchtelte wild mit den Armen und fauchte sie an, während sie ihre Arm vor der Brust verschränkt hielt und mit einer hochgezogenen Augenbraue arrogant die Augen verdrehte. Wieso war sie hier und woher kannte sie Jake? Er zückte sein Portmonee und holte einen ordentlichen Geldstapel heraus, den er ihr etwas widerwillig ins die Hand drückte. Sie grinste und ich zählte eins und eins zusammen. Meine Gesichtszüge entglitten mir einmal mehr. Das konnte nicht sein, ein schlechter, morbider Witz auf meine Kosten. Das würde er mir niemals antun, das könnte er mir niemals antun. Jens Blicke fielen auf mich, grinsend nickte sie mir zu und stopfte das Geld in ihre Hosentasche. Ihr Blick blieb an meinem Bauch hängen, jetzt schüttelte sie mitleidig den Kopf und sagte irgendwas zu Jake. Er folgte ihrem Blick und sah mich an. Ich war wie erstarrt und wollte meinen Augen nicht glauben, was sie mir vorzumachen schien. Es war so ein absurdes Bild, wie die beiden sich gegenüberstanden. Völliges Entsetzen sprach aus seinem Blick, gemischt mit alles eingestehender Schuld. Ich schnappte nach Luft und hatte das Gefühl, ich würde bei vollem Bewusstsein ertrinken. Doch dann wie betäubt, wand ich mich von ihnen und setzte langsam einen Fuß vor den anderen, es fühlte sich an, als würde ich das Laufen neu lernen.
„Ley!“ Hörte ich ihn meinen Namen rufen. Reaktionslos ging ich weiter, mein Kopf war leer und ich fühlte nichts. Er musste mir nach gelaufen sein, denn er hielt vorsichtig meinen Arm fest. Ich blieb stehen und sah langsam auf. „Lass' es mich erklären...........“ Seine Stimme klang genau so hilflos, wie sein Gesicht aussah. „Jake.“ Sagte ich tonlos. „Warum hasst du mich so?“ Ich sah, wie seine Lippen zu zittern begannen, aber es ließ mich völlig kalt. Er brachte keinen Ton heraus. Vorsichtig schob ich seine Hand von meinem Arm und ging einfach weiter.
Ich ging und ging, es war gut, einfach nur zu gehen. Das sollte ich den Rest meines Lebens machen, einfach nur gehen, nicht stehen bleiben und schon gar nicht zurück sehen. Wenn ich gekonnt hätte, wäre ich gerannt, aber gehen war eine gute Alternative. Mir wurde schwindlig, doch das wollte ich nicht, ich wollte gehen. Die Sonne schien beeindruckend warm für diese Jahreszeit, der beißende Wind hatte nachgelassen., aber es war okay, es war perfekt zum Gehen. In meinen Chucks konnte ich Meilen abreißen, so bequem waren sie, sie waren zum Gehen gemacht. Solange ich gehen würde, müsste ich nicht denken, einfaches stumpfsinniges geradeaus Gehen, das war gut. Mein Magen krampfte sich zusammen und brannte wie Feuer, alles vernichtendes Feuer. Ich wollte es abstellen, es würde mich nicht hindern, weiterzugehen. Es gab so viele Ort auf der Welt, zu denen man gehen konnte. Die Straße von Forks nach La Push war zum Gehen prädestiniert. Es gäbe keine bessere Strecke und noch nie war ich sie gegangen, doch jetzt tat ich es. Beständig war mein Schritt und mein Tempo, nicht zu schnell, nicht zu langsam. Mein Blick war geradeaus gerichtet, ich sah hin, wo ich hin ging. Es war wichtig, dort hinzusehen wo man hinging. So konnte man sich den Weg gut merken. Es war gut zu gehen. Wo ich noch hingehen könnte? Auf jeden Fall sollte ich den Strand entlang gehen den First, Second und Third Beach, bis zum Strawberry Bay, vielleicht auch bis zur Jefferson Cove und ein Stück durch den Wald, wenn er mir auch manchmal Angst machte, aber jetzt würde er mir keine Angst machen, ich würde einfach ein kleines bisschen schneller gehen, wenn ich dort wäre. Ich sollte nach Seaside gehen. Die Umgebung war traumhaft und dieser Berg, ich sollte zu diesem Berg gehen. Es würde anstrengend werden, aber ich kannte ihn und wusste, wenn es auch ein langer Weg wäre, den ich gehen würde, so würde es sich auf alle Fälle lohnen, irgendwann wäre ich dort und auf dem Weg dorthin würde ich mir überlegen, wo ich dann hingehen würde. Sollte ich noch einmal Sam vorbei gehen? `Sam. Sam, Embry. Embry, Paul. Sam, Embry, Paul, Seth. Quil. Sam, Embry, Paul, Seth, Quil.........Jared.´ Jetzt hatte ich schon bestimmte eine Meile geschafft. ´Jared´. Mein Atem wurde schneller, ohne dass ich schneller ging, erst schnaufte ich, doch war es kurz drauf nur noch ein Keuchen und mir wurde unglaublich warm, nein, heiß. Ich fühlte mich, als würde ich platzen oder kotzen oder beides. Etwas schien in mir hoch zu kochen, dabei wollte ich doch nur gehen. Ich konnte nicht richtig sehen, irgendetwas nahm mir die Sicht, alles war verschwommen, wenn es für kurze Momente besser wurde, so nahm es mir doch wieder und immer wieder die Sicht. Es veranlasste mich, stehen zu bleiben, ich bedauerte es. Mit der Hand fuhr ich über meine Wange. Sie war nass, warum war sie nass? Verwundert sah ich sie an und konnte es mir nicht erklären. Kurz fuhr mit der Zunge über meine Hand, es schmeckte salzig. Ich weinte, warum weinte ich? Ich wollte gehen, nicht weinen. Verständnis los ließ es mich den Kopf schütteln. ´Jared´. Wo war er eigentlich? Ich überlegte, wann ich ihn das letzte Mal gesehen hatte. Langsam ging ich wieder los. Es musste schon Monate her sein, dass ich ihn gesehen hatte. Wo trieb er sich nur wieder um? Er könnte was erleben, sich so lange nicht zu melden!
Warum ging hier lang? Etwas irritiert blieb ich stehen und sah mich um und noch irritierter war ich, als ich Jake hinter mir stehen sah. „Was machst du denn hier? Seit wann bist du wieder in La Push?“ Verfolgte er mich? Er war schon immer so ein bisschen Stalker- mässig veranlagt. Ich stand mitten auf einer Landstraße mit Jake. WARUM? Was war hier los? „Kannst du mir das mal bitte erklären!“ Knurrte ich und wurde ziemlich wütend, sein mitleidiger Blick blieb mir nicht verborgen. „Was glotzt du so? Hast du die Sprache verloren?“ Verdammt, wo war Jared, wenn man ihn brauchte. Schritt für Schritt kam Jake näher und ich beäugte es misstrauisch, auch antwortete er nicht auf meine Fragen. Er griff nach meiner Hand. „Fass mich nicht an!!“ Fauchte ich angriffslustig. Doch er hielt sie einfach fest. „Was fällt dir ein!“ Schrie ich und holte mit der anderen aus. Doch bevor ich ihm anständig eine gönnen konnte, schnell wie er war, schnappte er sie.
„Ley, du musst zum Arzt!!“ Jetzt war ich nicht mehr stinkwütend, jetzt wurde ich fuchsteufelswild. „Was willst du mir denn erzählen?!“ Sein Blick ging an mir herunter und seine Augen waren schreckgeweitet. Ich folgte seinem Blick. ´Verdammte Scheiße, was war dass für ein riesiger Bauch?´ Entsetzt sah ich Jake wieder an. „Wo kommt der her?“ Doch sein Blick ging weiter nach unten, noch einmal folgte ich ihm. Die kompletten Innenseiten meiner Jeans trieften nur so vor Blut. Jetzt erwiderte ich seinen Blick, mir wurde schwindelig, alles drehte sich. Ich griff nach ihm und suchte Halt, ich hatte grauenhafte Angst. „Jake....“ Meine Stimme war nur noch ein Gurgeln, unverständlich und leise. Ich fühlte noch, wie seine Hände unter meine Arme griffen und mich festhielten. Dann wurde es friedlich.
Alles wackelte und schaukelte, lautes Stimmengewirr. Mir war so unglaublich schlecht. „Mrs. Cameron, können Sie mich hören?“ Die Stimme bölkte mich förmlich an. ´Ahhhh, nerv nicht, ich überlege grade ob ich kotzen muss oder nicht.´ Dachte ich genervt und öffnete die Augen. „Sie sind im Krankenhaus.“ Keuchte die Stimme. Ich fragte mich, warum er so außer Atem war. Bis ich merkte, er rannte neben mir her. Eine hässliche Neonröhre nach der anderen zog über mich hinweg. Ich sah an der Trage entlang, auf der ich lag, ich ging die Gesichter systematisch ab. Stopp. ´Das da´, das kannte ich. Jake. Es war Jake, er war hier. Ich fühlte, wie er meine Hand berührte, die vergangenen Stunden liefen in einem rasend schnellem Tempo vor meinen Augen ab, als ich dann wie ein Furie hochschoss und ihm schreiend an die Gurgel wollte.
„Beruhigen Sie sich!!“ Raunzte die Stimme neben mir und drückte mich sanft zurück. Entsetzt über meine Reaktion blieb Jake stehen und starrte hinter mir her. Ich hatte so ein unfassbare Wut in mir. „Ich werde dich umbringen, Jacob Black.“ Schrie ich wie von Sinnen, um sicher zugehen, dass er es ja gehört hatte. „Sie sind definitiv seine Verlobte.“ Stellte eines der anderen fremden Gesichter fest. „Immer hin kann sie sich an seinen Namen erinnern, ist doch was.“ Rissen sie gerade Witze über mich? Ein grauenhafter Schmerz durchzuckte mich und ich begann tief ein und aus zu atmen. Endlich ließen sie mich wissen, was überhaupt los war. Die Plazenta hatte sich abgelöst und ich hatte gute Chancen zu verbluten, ebenso war die Versorgung meines Sohnes nicht mehr gewährleistet. In einem Notkaiserschnitt würde er gleich das Licht der Welt erblicken. „Er ist noch viel zu klein, er packt dass nicht.“ Ich hatte so eine Angst, er würde es nicht schaffen. „Oh mein Gott, oh mein Gott.“ Wimmerte ich leise vor mich hin. Wieder nahmen Tränen mir die Sicht. Dann ging alles so unfassbar schnell. „Es wird alles gut, Mrs. Cameron.“ Versuchte das Gesicht hinter dem Atemschutz mich zu beruhigen, als er mir die Sauerstoffmaske auf das Gesicht legte. Der Zugang lag und es dauerte nicht lange, mir wurde schwummerig, ein letztes Mal sah ich in diese unfassbar blauen Augen, die hinter der Maske zu lächeln schienen und dann nur noch schwarz.
´Aua`, dachte ich und fühlte mich wie durch den Wolf gedreht. Noch ein bisschen ließ ich die Augen geschlossen und fand diese fast schon schreiende Stille mehr als angenehm. Ich lauschte ins Nichts. Ich fühlte Schmerz. Ich empfand Angst.
Die Tür wurde geöffnet, doch veranlasste es mich nicht, die Augen zu öffnen. Ich hörte, wie ein Stuhl näher gerückt wurde und wie jemand ausatmete. Vielleicht war es Sam oder Paul, vielleicht auch mein allerliebster Embry. Ich wollte mich drehen, doch wurde es direkt mit Schmerz bestraft, was mich stöhnen ließ. Meine Hand wurde zaghaft berührt und dann beruhigend gestreichelt. Es war schön, dass jemand da war. Nach weiteren Minuten der Stille und der stummen Zuneigung öffnete ich meine Augen. Ausdruckslos sah ich zu der Seite, an der meine Hand gestreichelt wurde. Mit meinen Blicken unterband ich es sofort.
„Wie geht es dir?“ Flüsterte Jake und sah nicht nur besorgt sondern auch schuldbewusst aus. „Ich werde es tun.“ Flüsterte ich. „Wenn ich aus diesem Bett aufstehen kann. Jake. Dann lauf. Lauf verdammt schnell!“ Selbst das Reden strengte mich an. „Ich hab es verdient.“ Erwiderte er. „Nein.“ Langsam schüttelte ich den Kopf. „Du hast weitaus Schlimmeres verdient. Die Gnade des Todes bist du nicht wert! Aber dann wäre ein für alle Mal Ruhe.“ Den letzten Satz sagte ich mehr für mich als für ihn. Ich wurde immer klarer, auch meine Stimme gewann jetzt mehr und mehr an Kraft. „Du erträgst es nicht, wenn ich glücklich bin.“ Er schüttelte den Kopf. „Nur miteinander können wir glücklich werden.“ Tief holte ich Luft, dann hielt ich sie an, das Ganze setze sich für mich zusammen. Das war es, was Jared mich wissen lassen wollte, bevor er sein Ende fand. Jen, eine von Jake bezahlte Hure, die in seinem Auftrag alles daran setzte, meinen Mann zu verführen.
„Wie lange warst du in Seattle, bevor du mich aufgesucht hast?“ Hauchte ich mit zitternder Stimme. Er senkte den Blick. „Du warst nie weg! Hab ich Recht. Du warst all' die Jahre in meiner Nähe.“ Seine Worte, `Man sollte nie aus den Augen verlieren, was einem wichtig ist`, bekamen eine neue, grauenhafte Bedeutung. „Irgendwer musste doch auf dich aufpassen.“ Rechtfertigte er sich. Zornig sah ich ihn an und war im Begriff mit Worten auf ihn einzuprügeln, als es klopfte.
Die Tür wurde geöffnet und eine Schwester kam herein, sie lächelte und hatte ein kleines Bündel in den Armen. „Schön, dass Sie schon wach sind. Wie geht es Ihnen?“ Ich beachtete keine ihrer Frage, ich versuchte mich ein bisschen zu recken, damit ich sah, was sie Wundervolles im Arm trug. „So mein kleiner Schatz, darf ich dir vorstellen, deine Mama.“ Sie legte ihn in meine Arme und bei dem Wort ´Mama´, liefen die Tränen. Ich war eine Mama. Er war so klein und leicht und er duftete. Pechschwarze Haare zierten das kleine Köpfchen. Er sah auch nicht so zerknittert aus wie andere Babys, er schlief, ganz selig. Er war unbeschreiblich schön.
Die Schwester erzählte noch irgendwelche Dinge, doch weder verstand ich sie, noch hörte ich zu. Ich wollte sie alle rausjagen und mit ihm allein sein. War er doch alles an leiblicher Familie, was ich hatte. Er reckte die kleinen Finger und als ich meinen in seine winzig kleine Hand legte, umschlossen sie ihn. Ich konnte überhaupt nicht aufhören zu weinen. „Haben Sie schon einen Namen für ihn?“ Ohne meinen Blick von ihm zunehmen, „ Liam Jared“. Flüsterte ich und küsste seine kleine Stirn. „Hat das der Vater ausgesucht?“ Lächelte sie und sah Jake an. Ich sah sie an, mit eiskaltem Blick. „Sein Dad ist tot.“ Das Lachen schien auf ihrem Gesicht zu gefrieren. „Das tut mir leid.“ Jetzt senkte sie den Blick und schien sichtlich betroffen. „Eine halbe Stunde haben Sie, dann muss ich Liam wieder mitnehmen. Er braucht noch die Wärme des Brutkasten und ab und zu ein bisschen Sauerstoff.“ Mit diesen Worten verschwand sie und ließ uns allein. Ich bewunderte dieses kleine, anbetungswürdige wunderschöne Gesicht. „Liam Jared.“ Flüsterte ich leise vor mich hin und fand, der Name passte ganz wunderbar.
Jake stand auf, kam näher und setzte sich auf die Bettkante. Ich ließ ihn, auf keinen Fall wollte ich diese kostbare Zeit damit verschwenden, ihn mit bösen Blicken zu strafen oder anzuschreien, dazu hätte ich später noch genug Zeit. Zögerlich streckte er die Hand aus und fuhr über Liams Hand. Es war ein Unterschied wie Tag und Nacht. Wahrscheinlich hätte Liam im Ganzen in Jakes Hand gepasst. Es blieb mir nicht verborgen, wie er mich immer wieder ansah, ob ich damit einverstanden war. Doch ignorierte ich ihn weitesgehend. Heute morgen stand ich verliebt bis über beide Ohren und fröhlich singend im Bad und jetzt, ein paar Stunden später, war ich Mama und mein Gefühlsleben wie so oft ein Scherbenhaufen, langsam gewöhnte ich mich an dieses Hin und Her. Das Einzige, was im Leben sicher war, nie würde etwas bleiben wie es war. Man sollte sich nie zu sehr an etwas gewöhnen, es wäre doch nicht von Dauer, nichts war für die Länge eines Lebens gemacht. Je eher man sich damit abfand, um so weniger würde es einen überraschen oder Schmerzen hinterlassen, die keine Medizin der Welt lindern könnte.
„Hast du Sam Bescheid gesagt?“ Hauchte ich liebevoll, aber galt die Liebe in den Worten nicht Jake. „Bevor ich gekommen bin.“ Flüsterte er. Ich nickte und lächelte hingebungsvoll. „Jake!“ Flüsterte ich erneut. „Hmmm.“ Machte er und sein Blick, der ganz weich war und er, der fast dahin schmolz. „Du bist ´n blöder Arsch.“ Nie hatte ich diese Worte liebevoller ausgesprochen. „Ich weiß.“ Seine Hand strich von Liams Händchen zu meiner und sanft drückte er sie. Er war für mich ein Buch mit sieben Siegeln, ich wurde aus ihm nicht schlau.
Zaghaft klopfte es erneut und die Tür wurde langsam geöffnet. Ich sah Embrys geliebtes Gesicht und schniefte. Nach und nach kam einer nachdem anderen herein, alle waren sie da, sogar Jess hatten sie von der Arbeit weggeholt. „Ohhh, ist der klein.“ Flüsterte Paul, der sich über mich beugte und meine Stirn küsste. „Wie geht es euch?“ Er war den Tränen so nah. Ich nickte nur, ich konnte nicht reden. Vorsichtig strich Paul über seine Wange. „Wie heißt er denn jetzt?“ Ich sah in ihre lieben Gesichter und musste wieder weinen. „Liam Jared.“ Jetzt brachen auch bei Paul alle Dämme. Embry konnte es noch nie haben, wenn ich weinte, das hatte ich in der letzten Zeit einfach zu oft gemusst, aber dieses Mal weinte er mit mir. Jake macht ihm Platz, ganz nah rutschte Embry an mich. „Ich bin eine Mama.“ Lächelte ich unter Tränen und sah ihn an. „Die Schönste, die kenne.“ Weinte er und küsste meine Wange. Alle standen ums Bett, bewunderten und bestaunten das neue Familienmitglied. Seth knotete die hellblauen Ballons ans Bett und konnte es sich nicht nehmen lassen, ihn anzufassen. Paul sah Jess an. „Können wir nicht auch ….....“ Sie lächelte und ließ Blicke sprechen. „Sam und ich haben vorhin das Bettchen aufgebaut.“ Erzähle Paul ganz stolz. „Konnte ja keiner ahnen, dass er es so eilig hat.“ Ein Klopfen an der Tür ließ alle aufsehen, es war die Schwester. „Leider muss ich ihn wieder mitnehmen.“ Bedauerte sie. Ein leises Raunen ging durchs Zimmer. Es widerstrebte mir zu tiefst, ihn herzugeben. Aber es führte kein Weg dran vorbei. Sie nahm ihn und verschwand. „Wie ist das passiert, dass er jetzt schon auf Welt wollte?“ Fragte Paul, diese Frage schien allen auf der Seele zu brennen. „Die Plazenta hat sich abgelöst.“ Sagte ich leise. „Wie kann denn so was passieren?“ Fragte Seth völlig entsetzt und streichelte mitfühlend meine Hand. Mein Blick ging zu Jake und blieb auf ihn geheftet. „Das kann halt passieren, einfach so.“ Jake sah mich entschuldigend an und schien darauf zu warten, dass ich ihnen den wahren Grund nannte. Seth schüttelte den Kopf. „Was es alles gibt.“ Murmelte er vor sich ihn. „Aber dir geht so weit gut?“ Fragte jetzt Sam und sah mich ziemlich besorgt an. Ich nickte und versuchte zu lächeln. Sie bliebe noch eine Weile, die ganze Zeit über saß Embry bei mir und hatte seinen Arm um mich gelegt. „Ach Jake, da vorne steht deine Tasche. Die Rechte ist deine, die Linke ist Leys.“ Erinnerte Sam ihn. „Ja, Danke.“
Etwas entsetzt sah ich Jake an. „Cool, dass so was geht.“ Stellte Quil fest, ich wäre überaus dankbar gewesen wenn mich mal jemand aufgeklärt hätte, doch so sah ich etwas irritiert zwischen ihnen hin und her. „Wir kommen morgen wieder, du musst dich ausruhen.“ Bestimmte Sam, ich wollte nicht, dass sie gingen, es war wie zu Hause wenn sie da waren, aber er hatte Recht. Ich verabschiedete mich von jedem mit einer festen Umarmung, nur Jake blieb. Als sie weg, waren setzte er sich wieder auf die Kante und sah mich prüfend an.
„Warum hast mich gerade nicht in die Pfanne gehauen?“ Müde erwiderte ich seinen Blick. „Weil ich das noch nie getan habe.“ Wieder wurde mir vor Augen geführt, dass er bei mir Welpenschutz hatte, weiß der Henker warum. Ich schloss die Augen, noch strengte mich alles sehr an und ich hoffte, dass es morgen schon ein bisschen besser gehen würde. Jake nahm meine Hand, die ich ihm ohne Worte wieder entzog und mein Gesicht in die andere Richtung drehte. Ich wünschte ihn zum Teufel, denn der war der Rest seiner leiblichen Familie!
Durch ein leises Summen wurde ich sanft wieder in die Gegenwart geholt. Es klang beruhigend und melodisch. Aber da war noch mehr, ein leises Schmatzen, Murmeln und Quäken, diese Geräusche waren mir noch völlig fremd. Noch immer war mein Kopf zu Seite geneigt, ich öffnete die Augen einen kleinen Spalt und was ich jetzt sah, beschwor das Gefühl von Familie herauf. Ein weiteres Bett stand neben meinem, soweit heran geschoben, dass es aussah wie ein Ehebett. Jake lag auf der Seite, zu mir gewandt und in seinen starken Armen lag Liam, der so neben ihm noch viel kleiner und zerbrechlicher aussah. Er summte ihm etwas vor und streichelte ganz vorsichtig sein kleines Gesicht und seine Händchen. Warum tat er das? Ich wollte ihn hassen und nicht als fürsorglichen Ersatz- Dad sehen, der so viel Liebe geben konnte, wie er sie auch wieder nahm. Ließe ich die Emotionen, die wieder einmal mit voller Wucht einschlugen, außen vor, hatte Jake sich mit Erfahren meiner Schwangerschaft so darüber gefreut, als wäre es von ihm. Dabei hatte ich eher mit der Reaktion eines Löwen gerechnet, der die Jungen eines Nebenbuhlers in der Luft zerriss. Doch das Bild, welches sich mir bot, zeigte das ganze Gegenteil. Hingerissen, nahezu verliebt ruhte sein Blick auf Liam.
„Du bist wunderschön.“ Flüsterte er und strich über seine Stirn. „Genau wie deine Mum.“ Zaghaft küsste er ihn, dann legte er den Kopf wieder hin und sah mich an. „Du bist wach!“ Erst schien er unsicher, zögerlich lächelte er. „Möchtest du ihn haben?“ Tief und samten klang seine Stimme, wenn er auch flüsterte, erfüllte sie den ganzen Raum. Schweigend sah ich ihn eine Zeit an und er mich. Jake war der Butterfly Effect meines Lebens. Alles begann mit nur einem Flügelschlag des Schmetterling und endete nach Jahren, in einem alles zerstörenden Hypercaine. Das alles hatte Kreise gezogen, die niemand hätte voraussehen können. „Ich sehe euch noch ein bisschen zu.“ Hauchte ich hin und hergerissen von dem, was ich sah und fühlte. Mein Blick ging an ihm vorbei zum Fenster, schwarze Nacht hatte Einzug gehalten. Kein Stern war am Himmel zu sehen, eine rabenschwarze Nacht. Undurchdringlich, erdrückend.
Sollte ich aus meinen vergangenen Fehlern endlich gelernt haben? Hatte ich kapiert, dass es zwecklos wäre, sich gegen Jake aufzulehnen. War es das, was mich die Vergangenheit gelehrt hatte? Sich seinem Schicksal endlich zu ergeben? Oft genug hatte ich versucht dagegen anzukämpfen, vergebens. Oder war es genau das? Dieser ewige Kampf, den ich müde geworden war zu kämpfen. Ich wollte nicht mehr kämpfen, zu schwach, zu ausgelaugt, um mich ein weiteres Mal zu wappnen, um in den Angriff überzugehen. Alle Kraft aufzuwenden, die ich einfach nicht mehr besaß. Ich sehnte mich nach Harmonie, Beständigkeit, Ruhe und Zufriedenheit. Einfache Dinge, die sich jeder Mensch wünschte. Jake rückte näher, dass Liam zwischen uns lag und so den Abgrund, der zwischen Jake und mir immer noch klaffte, füllte. Müde lächelte ich und streichelte ihn, meinen Sohn, mein Herz, mein Leben. Noch immer sah Jake mich an. Dann steckte er mir seine Hand entgegen. Nein, es war nicht, dass ich des Kampfes müde war, es war etwas ganz anderes, vom ich dachte, es wäre unwiederbringlich von mir gegangen. Es war die eine, alles verzeihende Liebe. Warum sonst ergriff ich seine Hand und hielt sie ganz fest.
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Tag der Veröffentlichung: 29.12.2011
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