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Prolog

Plötzlich hörte sie es. Sie sind da. "Schneller Kanja", keuchte sie. Das donnernde Geräusch vieler Hufe hallte durch den Wald und kam unabwendbar näher. Nahla kletterte so schnell sie konnte in die Höhle hinab zu Kanja. Unten angekommen saßen sie zusammen und hörten das Aufschlagen der Hufe, das Klirren der Waffen und die Kriegsschreie derer, die gleich ihr ganzes bisheriges Leben zerstören würden.

Kanja hatte Angst und saß leise weinend neben ihr, Nahla nahm sie in die Arme und flüsterte ihr zu:" Kanja, drück deine Hände auf deine Ohren!" Als Kanja es nicht tat nahm sie Kanjas Hände und drückte sie, mit ihren zusammen, so stark es ging auf Kanjas Ohren.

 

 

Es begann.

Schreie.

Entsetztes Aufkreischen.

Schmerzensschreie.

Kinder die nach ihren Müttern riefen.

Die verängstigten Laute der Tiere.

 

 

Nahla wusste was geschah, ihr Traum hatte es ihr gezeigt, unbarmherzig und erschreckend. Die Schreie wurden lauter und sie zog Kanja zu sich und drückte ihre Hände noch fester auf ihre Ohren.

 

Stumm weinend saß sie in der Höhle und lauschte den wohl schlimmsten Geräuschen die man hören kann, dem Sterben ihrer Familie und Freunde. Der Gestank von Qualm fand den Weg in ihre Nase, doch Nahla nahm es nicht wahr, sie nahm nichts mehr wahr.

Die Legende

 

 

....

Wenn erneut der Blutmond am Himmel steht

Und der Wind von Süden weht

Ein Kind geboren in dieser Nacht

Wird haben die magische Macht

Uns alle von diesem Schrecken zu befreien

Und das Böse zu bannen aus unseren Reihen

Wenn der goldene Leib den Himmel streift

Dann ist die Zeit heran gereift

Die Auserwählte wird das Land befreien

Und uns allen ihr Leben leihen

Ist der Sieg sicher und der Kampf geschehen

Wird man sie nie wieder sehen

Sie wird an unsrer Statt den Tod empfangen

Nie wieder muss eine Seele bangen

Und all der Hass und all das Leid

Nimmt sie mit in die Ewigkeit

....

Der Traum

Heiß und unbarmherzig brannte die Sonne Rinwards auf die Felder und die Arbeiter, welche sich dort Tag für Tag ihr Brot verdienten. Sonnengegerbte Haut, schmutzige und zerschlissene Kleider, daran erkannte man schon von weitem die Feldarbeiter, welche trotz der harten Arbeit welche sie Tag für Tag auf den Feldern leisteten als die Geringsten der Bewohner Rinwards gesehen wurden. Sie ernteten das Korn und machten das Mehl und hatten doch von all dem am Wenigsten. Die fetten Reichen fraßen sich jeden Morgen den Bauch voll, lebten im Überfluss und genossen ihr Leben, während die Arbeiter jeden Tag um den nächsten Morgen bangen mussten. Die hohen Steuern, das wenige Essen und der Wassermangel sorgten im Volk für Hass und Unzufriedenheit der sich bald entladen und Tote und Verletzte fordern würde.

 

Nahla saß im Schatten einer alten Eiche und wischte sich den Schweiß aus dem Gesicht. Sie war gerade erst achtzehn Sommer alt und arbeitete doch schon ihr halbes Leben auf den Feldern. Früh, schon bevor die Sonne ihr Antlitz am Horizont zeigte brachen sie mit ihren Wägen zu den Feldern auf, schufteten den ganzen Tag in der brütenden Hitze um das Korn zu ernten bevor es verdorren würde. Abends schafften die Leute all das zu den Mühlen und verkauften es - für viel weniger als es wert war. Doch sie waren Bauern, arm, naiv und froh über jede Krone die sie in die Finger bekamen.

 

Nahla war eine von vier Töchtern des Bauern Rahven, eigentlich einem der wohlhabenderen Bauern -  für ihre Verhältnisse -  in einem kleinen Dorf in der Umgebung von, Reykwin. Sie war die Zweitälteste, doch ohne Zweifel die Schönste seiner vier Töchter. Blondes, leicht gewelltes, langes Haar, eine ebenmäßige braune und seidige Haut, Augen so blau wie das Meer und einen Körper zum niederknien. Viele der Burschen warben um sie, erhofften sich Chancen oder zumindest einen Blick von ihr, doch nichts dergleichen.

 

Nahla lebte in ihrer eigenen kleinen Welt in die sie sich flüchtete um dem harten Leben auf dem Hof zu entfliehen. Sie träumte von Abenteuern, von Reisen, davon die Welt zu sehen, doch sie wusste dies würde wohl nie geschehen. Ihre Träume hielten sie davon ab zu verzweifeln und gaben ihr in dieser Zeit das Gefühl frei zu sein. "Nahla!" Ein Ruf ließ sie auffahren.  "Warum sitzt du hier schon wieder rum, scher dich zu den Anderen! Sie schuften und du machst es dir hier im Schatten bequem!", schrie sie ihr Onkel Marun an, er arbeitet ebenfalls hier und auf ihn passte zweifellos die Bezeichnung Tyrann. "Ich habe es mir nicht bequem gemacht, ich habe nur einen Moment ausgeruht. Mein Rücken schmerzt und....", verteidigte sich Nahla vorsichtig. "Dein Rücken schmerzt! Das ich nicht lache! Ein faules Stück bist du, du denkst nur weil du die Schönheit deiner Mutter erbtest kannst du dir alles rausnehmen!", brüllte er, sein fettes Gesicht, nun schon leuchtend rot vor Wut, wabberte bei jedem Wort hin und her. "Aber..." "Widersprich mir nicht!", schrie er und holte aus um sie mit der Gerte, welche er immer bei sich trug, zu schlagen. Nahla duckte sich, hob abwehrend die Arme und kniff die Augen zusammen in Erwartung des gleich eintreffenden Schmerzes. Doch er blieb aus. Nahla öffnete vorsichtig die Augen und blinzelte hinauf zu ihrem Onkel. Er stand bewegungslos da, die Augen an den Himmel geheftet, die Gerte noch immer zum Schlag erhoben. Nahla folgte seinem Blick und erstarrte. Das strahlende Blau des Himmels ging in ein dunkles Grau über, Schwarze dunkle Wolken zogen von Osten so schnell heran, so dass sie binnen kürzester Zeit den Himmel erobert und das Blau und die Strahlen der Sonne gänzlich verdrängt hatten.

 

Vorsichtig stand Nahla auf und starrte in den Himmel. Sie hatte so etwas schon einmal geträumt, in dem Traum war sie in den Wald gerannt und hatte sich dort in einer Höhle versteckt. Endlich aus ihrer Starre erwacht, fuhr sie herum und wollte bereits losrennen, doch die junge Frau stockte. Sie drehte sich um und rannte auf das Feld zu ihrer Freundin. "Kanja! Kaja!", schreiend rief sie über das Feld um ihre Freundin zu suchen. "Kanja!" Endlich erblickte sie Kanjas Gesicht, die Augen angstgeweitet starrte ihre beste Freundin zu Nahla die auf sie zu gerannt kam. "Kanja los komm, schnell du musst mitkommen!", schrie sie Kanja an und packte ihren Arm um sie mit sich zu ziehen. "Wo willst du hin? Sollten wir nicht zum Hof laufen? Sieh doch alle anderen laufen zum Hof!", stotterte Kanja und blickte den anderen nach die ihre Sachen griffen und hinunter zum Hof rannten. "Nein! Nein Kanja bitte glaub mir, wir sind nur dort oben sicher! Los komm! Bitte Kanja nun lauf schon! ich habe es geträumt, ich weiß was passiert!", flehte Nahla, nun der Verzweiflung nahe. Ihre Familie, allesamt bösartig und verbittert, waren ihr nicht so wichtig wie ihre beste Freundin.

 

Die beiden Mädchen rannten zum Wald hinauf und in ihn hinein. Rannten an Büschen und Bäumen vorbei, zerkratzten sich die Arme und zerrissen sich die Kleider und doch rannten sie weiter. Nahla zerrte Kanja immer weiter in das Dickicht, sie sah sich um, alles war genauso wie in ihrem Traum. Das heißt sie kommen gleich. Wir müssen uns beeilen! schoss es ihr in den Kopf. Nahla rannte so schnell wie es nur ein Mensch in größter Angst kann und zerrte die keuchende Kanja hinter sich her. Immer wieder stolperten sie und waren dem Fallen nah, doch die beiden durften keine Zeit verlieren. Sie hatten keine Zeit. Plötzlich blieb Nahla stehen und Kanja stieß unsanft gegen sie, doch das zählte nicht. "Kanja dort vorne ist gleich eine Höhle, sie ist dunkel und eng aber du musst mir vertrauen!", keuchte die junge Frau und sah ihre Freundin flehend an. Kanja nickte. Sie liefen weiter und nach einigen Augenblicken erreichten sie tatsächlich eine Art Bau. Kanja zögerte, sie hatte panische Angst vor der Dunkelheit, doch sie vertraute ihrer Freundin. Das verunsicherte Mädchen  kletterte hinein und  Nahla wartete  unruhig und trat von einem Bein auf das andere. Plötzlich hörte sie es. Sie sind da. "Schneller Kanja", keuchte sie. Das donnernde Geräusch vieler Hufe hallte durch den Wald und kam unabwendbar näher. Nahla kletterte so schnell sie konnte in die Höhle hinab zu Kanja. Unten angekommen saßen sie zusammen und hörten das Aufschlagen der Hufe, das Klirren der Waffen und die Kriegsschreie derer, die gleich ihr ganzes bisheriges Leben zerstören würden. Kanja hatte Angst und saß leise weinend neben ihr, Nahla nahm sie in die Arme und flüsterte ihr zu:" Kanja, drück deine Hände auf deine Ohren!" Als Kanja es nicht tat nahm sie Kanjas Hände und drückte sie, mit ihren zusammen, so stark es ging auf Kanjas Ohren. Es begann. Schreie. Entsetztes Aufkreischen. Schmerzensschreie. Kinder die nach ihren Müttern riefen. Die verängstigten Laute der Tiere. Nahla wusste was geschah, ihr Traum hatte es ihr gezeigt, unbarmherzig und erschreckend. Die Schreie wurden lauter und sie zog Kanja zu sich und drückte ihre Hände noch fester auf ihre Ohren. Stumm weinend saß sie in der Höhle und lauschte den wohl schlimmsten Geräuschen die man hören kann, dem Sterben ihrer Familie und Freunde. Der Gestank von Qualm fand den Weg in ihre Nase, doch Nahla nahm es nicht wahr, sie nahm nichts mehr wahr.

 

Nach kurzer Zeit verstummten die Schreie und übrig blieben nur noch die gequälten Laute der Tiere. Die junge Frau zögerte, gleich würde das Donnern zurückkehren und dann bald verstummen und so wartete sie. Nahla nahm vorsichtig die Hände von Kanjas Ohren. "Nahla was....", begann Kanja, doch sie presste ihr schnell die Hand auf den Mund. Das Donnern und Klirren kam und ging nach kurzem wieder. Die beiden blieben mit pochenden Herzen noch einige Momente sitzen bis sie sicher waren das die Reiter fort waren. Nahla nahm Kanjas Hand und zog sie hinter sich aus dem Bau, draußen fasste sie sie an den Schultern. "Kanja sieh mich an", begann Nahla und ihre Stimme war schwer von Trauer, " du wartest hier! Bitte glaub mir, dort unten hält dich nichts mehr!" "Ich muss nach meiner Familie sehen! Freig!", rief sie und rannte los. "Kanja! Nein!", rief sie ihr noch nach, doch ihre Freundin rannte bereits in Richtung des Hofes und Nahla lief ihr nach. Sie kamen an den Waldrand und blieben stehen. Den beiden jungen Frauen bot sich ein Bild des Grauens. Der Hof stand in Flammen und auch die Ställe brannten. Schon von weitem waren die Körper derer zu sehen, welche einst mit ihnen arbeiteten, aßen und tranken. Langsam liefen sie hinab, schweigend und fassungslos. Nahla sah all diese grausamen Bilder nun schon das zweite Mal und sie hatten keineswegs an Schrecken verloren. Das panische Krachen und Poltern aus den Ställen riss Nahla aus ihrer  Starre und sie rannte hinab. Die junge Frau lief zu den Ställen um zumindest die Tiere vor dem Flammentod zu retten. Das Mädchen stieß die Tore auf und musste husten, als ihr der Qualm und die Hitze entgegen schlugen, abwehrend die Arme gehoben rannte sie hinein und öffnete die Boxen der Tiere, welche ihre Retterin in blinder Panik beinahe zu Tode trampelten.  Sie lief von Box zu Box und öffnete die Türen und schließlich kam sie zu Anurs Box, ihr wunderschöner Hengst stieg in seiner Box wieherte grell vor Angst. Als er seine Herrin sah beruhigte sich das Tier merklich und tänzelte nur noch nervös hin und her. Sie wollte den Riegel aufschieben und ein Schrei entfuhr ihrer Kehle, als sich das glühende Metall in das Fleisch ihrer Hände brannte und dennoch, sie musste Anur hier raus holen! Wieder griff sie zu und Tränen stiegen ihr in die Augen und ihr Kiefer verkrampfte sich als sie an dem Riegel riss, ein zischendes Geräusch und schier endloser Schmerz war der Preis den sie für die Rettung ihres Tieres zahlen musste. Endlich ging er auf und sie zog an der Tür wo Anur bereits tippelnd die Freiheit erwartete. Nahla stieß die Tür auf und entließ nun auch ihren geliebten Hengst in die Freiheit. Doch er lief nicht hinaus, er wartete auf seine Herrin. Erst als die erschöpfte junge Frau zum großen Tor eilte lief er neben ihr her, stupste sie an, drängte sie sich zu sputen. Endlich waren sie frei, raus aus der Rauch- und Flammenhölle, doch diese Befreiungsaktion hatte ihre Konsequenzen. Die Lungen vom Qualm geschändet, die Hände voll von Brandblasen sank Nahla einer Ohnmacht entgegen und endlich wurde alles ruhig und dunkel.

 

Als Nahla die Augen öffnete sah sie noch immer den schwarzen Rauch über dem Hof aufsteigen. Kanja! schoss es ihr in den Kopf. Mühsam zog sie sich an Anur, welcher noch immer neben ihr stand und über sie gewacht hatte, hoch. Sie griff sich einen Strick und befestigte ihn an Anurs Halfter und schwang sich, mit vor Schmerz verzerrtem Gesicht, hinauf. Der Hengst, nun gewiss das seiner Herrin nichts fehlte, strebte der Freiheit entgegen, dem Wald, weg von dem Feuer, den gefährlichen Flammen. Doch Nahla zwang ihn zwischen den Häusern und Ställen hindurch auf der Suche nach ihrer Freundin. Vorbei an den geschändeten Leichen, entstellt und teils zerstückelt. Vorbei an den Flammen die aus den Häusern züngelten. Vorbei an ihrem zerstörten zu Hause. Endlich sah sie Kanja. Sie kniete auf dem Boden, vor einem Männerkörper. Nahla erkannte ihn. Es war Freig, Kanjas Verlobter. Als sie näher kam stockte ihr der Atem, Freigs Körper war von Flammen entstellt, sein Schädel von einer Axt gespalten. Kanja hielt den toten, blutenden Körper im Arm und weinte still. Sie wiegte ihren toten Verlobten in den Armen und murmelte vor sich hin. Nahla stieg ab und ging zu ihrer Freundin. "Kanja. Kanja wir müssen gehen", flüsterte die junge Frau von tiefer Trauer erfüllt, doch sie reagierte nicht. Nahla drehte ihre Freundin zu sich und erstarrte, Kanjas Blick war vollkommen leer, die Augen schwarz wie die Nacht. Als sie sich vom ersten Schreck erholt hatte löste Nahla die Arme der Freundin vom toten Freig und zog sie langsam hoch. Die beiden stiegen auf und ritten davon. Hier hielt sie nichts mehr.

Ankunft in Reykwin

Das Getümmel war groß, es war Marktzeit und alle versuchten die besten Waren zu erlangen und die Verkäufer priesen diese lautstark an. Fische, Fleisch, Brot, Gemüse und Obst, Schmuck und Kleider, es gab einfach alles. Von günstig bis atemberaubend teuer. Von hässlich und faul bis reif und wunderschön, es gab wirklich alles. Reik lief langsam über den Markt, er genoss die Sonnenstrahlen und besah sich die Sachen die hier zu sehen waren. Das Leder seiner Rüstung knarrte leise bei jedem Schritt, hoch am Himmel kreiste Ondor, Reiks Falke, das helle Klirren des Schwertes, wenn es gegen die Stände stieß ließ die Menschen selbst im größten Getümmel auseinander weichen. Für den jungen Krieger war es einfach über den Markt zu gehen, während alle anderen sich anstießen und sich drängten, machten ihm sein Auftreten, sein blutroter Umhang und die Rüstung den Weg frei.  Er hatte den Morgen auf dem Übungsplatz verbracht, hatte den sprunghaften Jünglingen den Umgang mit dem Schwert gelehrt und dem ein oder anderen auch eine schmerzhafte Lektion erteilt. Ondor hatte den ganzen Morgen über das Training gewacht und den Menschen, welche sich da auf dem Platz bekämpften, mit Langeweile zugesehen. Der einzige Mensch der ihn interessierte war Reik.

 

Zum Training der jungen Krieger gehörte auch der Umgang mit den Tieren. Sie wurden im Reiten ausgebildet, im berittenen Kampf und die, die sich als würdig erwiesen, was zu meist nicht viele waren, durften mit in die Falkenhorste. Ihnen wurde ein frisch geschlüpfter Falke zugewiesen, welchen sie aufziehen und trainieren sollten, alles jedoch unter dem strengen Blick des Obermeisters Kemga welcher Fehler streng bestrafte.

 

Reik war einer der Krieger von Reykwin. Im Alter von fünf Sommern waren die Krieger durch sein Dorf geritten, stolz, groß und hoch zu Ross. Mit den blitzenden Schwertern und den beeindruckenden Rüstungen. An diesem Tag hatte er beschlossen dass  er Krieger werden wollte. Er übte im Geheimen mit Stöcken das Kämpfen, bastelte sich eine Rüstung und ritt seinen kleinen Isur, sein nicht sehr prachtvolles sondern eher breites als hohes Pony, stolz durch das Dorf. In dieser Zeit hatten seine Eltern eingesehen dass sie ihn nicht von seinem Willen abbringen können würden und so brachten sie ihn mit sechs Sommern nach Reykwin wo er endlich all das erlernen konnte was er sich wünschte. Mit der Zeit lernte Reik aber auch die schlechten Seiten der Ausbildungen kennen,  auch als einer der besten Schüler überschüttete ihn sein Ausbilder oft mit Schlägen und Beschimpfungen. Doch dadurch strengte der Jüngling sich noch mehr an und wurde noch besser, so dass niemand mehr einen Fehler fand und dennoch stellte er sich nie, wie die meisten seines Ranges, über die anderen. Reik hatte seine Herkunft und die Erziehung seiner Eltern nicht vergessen und stand ihnen noch immer sehr nah. Der junge Soldat bekam ein wahrhaft fürstliches Gehalt und brachte seiner Familie jeden Mond die Hälfte davon. Reik hatte das Glück und durfte wie die anderen Elite-Krieger in der Festung leben, er bekam Speis und Trank umsonst und benötigte so nur wenige Kronen, welche er hauptsächlich für Rüstungsdinge, Waffen, seinen Falken und seine prachtvolle weiße Stute Asla ausgab. Die beiden Tiere waren ihm das Liebste, in ihnen sah Reik seine engsten Vertrauten und Freunde.  Seine größte Freude war es mit Asla auszureiten und mit Ondor auf einer Wiese zu üben. Oft verbrachte die kleine Gruppe ganze Tage und Nächte außerhalb der Festung und zogen so weit fort wie Asla lief. Blieb sie stehen so verharrten sie dort, Ondor flog und jagte frei, die Stute graste abgezäumt auf den frischen Wiesen oder ärgerte ihren Herrn indem sie ihn, wenn er schlief, anstupste und weckte. Nachts bettete er seinen Kopf auf dem Sattel und schützte seinen Körper mit einer Decke vor der nächtlichen Kälte, ruhigen Gewissens von seinen beiden Gefährten bewacht und geschützt zu werden. Viele der Krieger in der Festung munkelten und nannten ihn seltsam, sein Verhalten war ihnen suspekt. Er nahm nicht an den Saufgelagen teil, welche beinahe jede Nacht gefeiert wurden, vergnügte sich nicht mit den Dirnen und lebte nicht in Überdruss, wie alle anderen es taten.

 

Als Reik vom Markt zurück war kam ihm bereits Senal, ein sehr lernfreudiger Jüngling aus Reiks Gruppe entgegen gelaufen. "Reik", rief er freudestrahlend und schaute in den Himmel um Ondor zu winken. "Reik ich habe ein Geschenk für dich! Komm! Ich zeige es dir!" rief er und tänzelte um ihn herum. Senal war erst sechs Sommer alt und noch nicht lange hier, er hatte noch seine jugendliche Freude und Verrücktheit, von der Reik ihm wünschte das sie nie verloren gehen würde.  Der Junge nahm seine Hand und zog ihn in Richtung der Stallungen. Reik sah fragend zu Ondor, welcher sich eben auf seiner Schulter niederließ. Als er im Stall eintraf dauerte es erst einige Momente bis seine Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten, Senal zog ihn in Richtung Asla. Als die Stute Reik sah wieherte sie und kam zu ihm um ihn sanft mit ihrer seidigen Schnauze anzustupsen. "Asla dreh dich mal, sonst sieht er doch nichts", murmelte Senal und versuchte Asla dazu zu bringen sich zu drehen, doch diese hielt nicht viel von seiner Idee. Reik trat zu ihr und ging um sie herum, auf Aslas schimmerndem Fell lag eine wunderschöne rote Decke. Der Krieger sah Senal fragend an. "Die hat meine Mutter für dich gemacht, ich habe dir doch erzählt das sie Schneiderin ist und ich habe ihr von dir erzählt und....", begann Senal mit hoch rotem Kopf seinen Redeschwall während Reik sich die Decke genau ansah und den Stoff befühlte. “Asla scheint sie zu mögen, sonst würde sie sie nicht aufbehalten", bemerkte Reik konzentriert. Er besah sich die kleinen Stickereien welche darauf zu sehen waren, in wunderschöner, verschnörkelten Schrift Stand an der einen Ecke Asla und auf der anderen Reik. "Siehst du jetzt sieht jeder sofort wie dein Pferd heißt und das es dir gehört...", murmelte Senal hoffnungsvoll. Reik drehte sich zu dem Jungen um und legte ihm die Hand auf die Schulter, nur um ihn dann in den Arm zunehmen. "Ich danke dir, sie ist wirklich schön", sagte Reik sanft. Er kannte Senal und er wusste wie schwer er es damals hatte und wie sehr ihm die Geborgenheit und die Vertrautheit gefehlt hatten. Er wollte das Senal es besser hatte, außerdem mochten Asla und Ondor ihn auch, sonst hätte der Junge das zu spüren bekommen. Er drehte sich erneut zu Asla um. "Na meine Schöne, was hältst du davon? Jetzt passt du zu meinem Mantel...", murmelte er und auf seinen Zügen erschien ein breites Grinsen. "Richte deiner Mutter meinen Dank aus, die Decke ist wirklich sehr schön. Sei mir nicht böse aber es wird Zeit für Aslas Ausritt." "Reik ich wollte dich schon lange einmal fragen... dürfte ich... ich meine wäre es dir Recht wenn ich vielleicht einmal mit reiten würde? Nur wenn es dich nicht stört versteht sich, wenn du nicht willst, natürlich nicht aber....", stotterte Senal, im Bestreben seinem Wunsch Ausdruck zu verleihen. Reik lächelte und sah ihn an. "Hast du denn überhaupt schon ein Pferd?" "Ja! Oh das habe ich dir ja noch gar nicht gezeigt. Willst du es dir vielleicht mal ansehen? Wir haben sie heute zugeteilt bekommen. Er heißt Banko!" "Na dann gehen wir mal Banko besuchen", sagte Reik lächelnd und strich sanft über Aslas Nüstern, " ich komme gleich zurück meine Kleine". Sie gingen über den Hof zu den Stallungen der Schulpferde. Reik kannte sie alle, bis auf zwei oder drei hatte er alle trainiert und zugeritten, doch das wollte er Senal jetzt lieber nicht sagen. Die beiden gingen hinein und im Kopf nannte er all die Pferde beim Namen und betrachtete ihre Verfassung um zu sehen ob sie auch gut behandelt wurden. Plötzlich stockte er. Vaskor, ein einst schöner Wallach, welcher von ihm vor nicht all zu langer Zeit zu den Schulpferden gebracht worden war, sah erbärmlich aus, er war dürr und auf seiner Flanke zeigte sich frische Striemen. "Wer reitet Vaskor?", fragte Reik, sein Blick verdüsterte sich immer mehr als sehr sah in welch einem Zustand das Tier war. " "Ich glaube Norn", antwortete Senal schüchtern. “Bring mich zu ihm!" Sie liefen zu den Schlaf- und Aufenthaltsstätten und Senal hatte Mühe mit Reik Schritt zu halten.  Die Jungen zuckten zusammen als Reik die Tür aufstieß und diese hart gegen die Wand krachte. "Wer von euch ist Norn?", fragte er mit leiser, bedrohlicher Stimme. Ein Junge im hinteren Teil des Raumes hob die Hand und stand auf. "Reitest du Vaskor?" Der Junge nickte ängstlich. Mit einer Kopfbewegung machte er ihm klar dass er ihm zu folgen hatte. Senal hielt sich im Hintergrund und versuchte nicht entdeckt zu werden. Reik lief von den beiden Jungen gefolgt zurück zum Stall wo er Vaskor an einem Strick hinaus in die Sonne führte. Im Schein der Sonne wurde das volle Ausmaß der Qual des armen Tieres sichtbar und Reik war er der Raserei nah. "Was ist das?", fragte er und zeigte auf die Striemen, das verfilzte Fell und die hervortretenden Knochen des Tieres. "Was ist das?", schrie er nun, als der Junge nichts antwortete. Er band das Pferd an und kam auf den Jungen zu und sah auf ihn herab. "Dein Reittraining und die Ausbildung zum Berittenen Kampf sind gestrichen! Zudem wirst du jeden Mittag statt mit den anderen zu essen die Ställe misten und die Tiere füttern und zwar alle Schulpferde und du wirst sie putzen. Danach darfst du essen gehen. Und glaube mir ich sehe nach den Tieren und wenn nur eins davon nicht geputzt, gefüttert oder sauber untergestellt ist wirst du gehen", flüsterte er und sah dem Jungen tief in die Augen. "Fang an!"

Als Reik und Senal fort ritten, hatte Reik noch einen Freund beauftragt Norn im Auge zu behalten und die Vorgesetzten benachrichtigt, der Junge hatte eine der wichtigsten Regeln gebrochen und den Tieren Schaden zugefügt, somit schied er im Alter von sieben Sommern schon aus und seine Chance jemals einen Falken zu bekommen war verraucht. Sie ritten aus Reykwin und über die Wiesen und Felder, hinein in den Wald. Nach einer Weile erreichten sie eine Lichtung in deren Mitte sich ein kleiner See zeigte. Nach dem Absatteln ließen die Pferde grasen, Ondor hatte sich auf Aslas Rücken niedergelassen und sonnte sich genüsslich während die beiden Reiter sich am See erfrischten. Senal war überwältigt, er hatte nicht gewusst dass es diesen Ort hier gab, so ruhig, so idyllisch und unglaublich schön. Später zeigte Reik ihm einige Tricks zu Pferd und ließ ihn ein wenig mit Ondor spielen. Sie jagten einen Hasen, brieten ihn und aßen das zarte Fleisch.  Als sich die Sonne langsam wieder den Bergen zuneigte sattelten Reik auf und Senal rannte Banko nach, welcher den Gedanken des Aufbruchs nicht sonderlich gut fand und sich einen Spaß daraus machte den Jungen über die ganze Lichtung zu jagen bis dieser sich erschöpft ins Gras fallen lies, wo er prustend und keuchend liegen blieb. Reik stand lachend neben Asla und sah sich das Schauspiel an das sich ihm bot.  Ein plötzliches Geräusch am nahen Waldrand ließ ihn aufhorchen und Asla begann nervös zu tänzeln und flehmte immer wieder in diese Richtung. Ein Hengst. fuhr es Reik in den Kopf. Aber wer ist der Reiter? Schnell fing er Banko ein, bedeutete Senal ihm leise zu folgen und ging mit ihnen in Deckung. Asla, sonst zu zuverlässig, machte ihm jedoch Sorgen. Sie tänzelte hin und her und verhielt sich alles andere als ruhig, so dass er sie schließlich sogar anbinden musste. Er ließ Senal und die Pferde zurück und schlich so leise wie es möglich war mit Ondor auf dem Arm in die Richtung aus der das Geräusch gekommen war. Kurz vor dem Waldrand lies er Ondor aufsteigen. Er ging hinter einem Busch in Deckung und wartete.

 

Seit drei Sonnen ritten Nahla und Kanja nun schon ununterbrochen. Sie hatten kein Essen und tranken aus Bächen wenn sie einen fanden. Nahlas Hände waren entzündet und verkrustet und schmerzten höllisch. Anurs schwarzes Fell war vom Schweiß schaumig und verdreckt. Der starke Hengst trug die Frauen nun schon so lange, doch auch ihn verließ langsam die Kraft. Mit hängenden Köpfen und Schultern hingen die beiden auf dem Pferd, mehr tot als lebendig. Ein Lichtstrahl weckte Nahla aus ihrem Halbschlaf. Eine Lichtung. War dass das Geräusch von Wasser und was war auf einmal mit Anur los, das ermüdete Tier begann zu flehmen und zu tänzeln und plötzlich schien seine Kraft zurückgekehrt zu sein. Anur strebte unbändig auf die Lichtung zu und wurde immer schneller und plötzlich waren sie auf der Lichtung. "Anur warte bitte wir müssen trinken, sieh nur Wasser...", flüsterte Nahla mit kratzender Stimme. Doch der Hengst wurde nicht langsam, er wurde schneller und raste schließlich auf den gegenüber liegenden Waldrand zu. "Anur halt!", schrie Nahla, die verzweifelt versuchte den Hengst zum Anhalten zu bringen und gleichzeitig die schwache Kanja auf dem Pferd zu halten. Doch sie scheiterte. Mit einem Mal stieg Anur und warf seine beiden Reiterinnen kurzerhand ab. "Anur!", schrie Nahla und wollte ihm nachlaufen doch ein schwaches Wimmern zog ihre Aufmerksamkeit zu. Kanja, welche sehr unsanft auf dem wohl einzigen Stein der ganzen Lichtung gelandet war. "Typisch Kanja", murmelte Nahla kopfschüttelnd und kümmerte sich besorgt um ihre Freundin.

 

Senal beobachtete aus seinem Versteck das Geschehen auf der Lichtung. Er war froh das Reik Asla angebunden hatte, denn so wie diese jetzt an dem Strick riss, hätte er sie wohl nie halten können. Auch Banko war unruhig und schaute gebannt auf die Lichtung. Mit einem Mal stieg das Pferd auf der Lichtung und warf seine Reiterinnen ab und...  kam auf sie zu! Senal wusste nicht was er tun sollte, das Tier war groß, schwarz und ganz schön dreckig, aber vor allem sehr groß! Asla stieg inzwischen an ihrem Strick und wurde halb wahnsinnig. Ich muss sie losmachen, dann kann sie fliehen! schoss es ihm in den Kopf und der Jüngling versuchte das nervöse Pferd von seinem Strick zu befreien, doch die Stute hatte den Knoten so fest gezerrt das er große Mühe hatte ihn zu lösen. Kaum war sie los, raste Asla auf die Lichtung. "Asla, nein! Renn weg! Nicht da hin!", schrie Senal und rannte der Stute hinterher.

"Asla!", rief Reik aus seinem Versteck heraus und lief auf sie zu. "Wage es ja nicht!", Fluchend versuchte der Krieger das Unvermeidliche aufzuhalten. "Asla! Nein!.... Ach nein Asla... du dumme Stute!", flüsterte er nur noch und blieb niedergeschlagen stehen. Die beiden Tiere tänzelten um einander herum und jeder der jetzt noch versuchte dazwischen zugehen würde sich böse Verletzungen einhandeln. Er kam zu spät, die beiden waren bereits in vollem Gange. Frustriert blieb Reik stehen und schaute zu den beiden Pferden, welche von Ordnung und Diskretion gerade nicht viel hielten. Senal kam ihm entgegen gelaufen. Der kleine Junge weinte bitterlich und schluchzte so laut das man kaum ein Wort verstand. "Es tut mir so leid ich habe gedacht sie läuft weg und dann ist sie da hin gelaufen und und...", schniefend und heulend stand der kleine Junge vor ihm. Reik legte ihm die Hand auf die Schulter und sagte nur:" Du bist nicht schuld, das hätte keiner vermeiden können... bei diesem geilen Bock von einem Hengst!" Ärgerlich machte er sich auf den Weg zu den Reitern um diese zur Rede zu stellen und ihnen vorzuhalten eine Stute welchen Preises ihr Ackergaul da gerade bestieg. Motzend und zeternd lief Reik über die Wiese und auf den See zu, doch dann blieb er stehen. Der Krieger hatte wahr genommen das es zwei Frauen waren, doch es war alles zu schnell gegangen und nun, nun war der große Reik sprachlos. Das Mädchen das da saß und ihn aus ängstlichen blauen Augen ansah war so unglaublich schön, das Haar, die Augen, der Körper. Reik war sprachlos. Nahla fand ihre Worte zuerst wieder. "Es tut mir so leid! Bitte glauben Sie mir. Ich wollte nicht das Anur das macht! Er hat uns abgeworfen und ich konnte ihn nicht halten. Normalerweise hört er auf mich bitte glauben sie mir. Es.... ", versuchte sie sich in einem Wortschwall zu entschuldigen. Doch der junge Soldat hörte kaum etwas, er war wie erstarrt. "Ich.... Ich bin Reik. Das macht nichts. Ich... ich glaube das hätte niemand aufhalten können...", stotterte der sonst so große und starke Krieger. Als Nahla in Richtung der Pferde zeigte, fielen Reik ihre geschundenen Hände auf und er versorgte sie sogleich so gut es ging. Senal schaute die beiden verdutzt an, eben war Reik doch noch so sauer gewesen und jetzt? Die Erwachsenen würde er wohl nie verstehen. "Mein Name ist Nahla und das ist Kanja", erklärte sie und ihr Blick fiel auf die schwache Kanja die sich noch immer den Arm rieb mit dem sie auf den Stein geknallt war. Endlich wieder bei Sinnen fragte Reik:" Was ist euch geschehen ihr seht schwach und ausgezehrt aus und wo kommt ihr her?" "Wir kommen von einem kleinen Hof im Westen, er wurde niedergebrannt und alle unsere Verwandten und Freunde sind tot", flüsterte Nahla und die Tränen stiegen ihr in die Augen als der grausame Anblick zurückkehrte. "Wie kommt es das euch nichts passierte?" "Das ist nicht ganz so einfach zu erklären...", stammelte Nahla, in der Angst der Mann würde sie für verrückt halten. “Sie hat es geträumt!", meldete sich Kanja mit schwacher Stimme zu Wort. "Ihr habt es geträumt?", fragten Reik und Senal wie aus einem Munde.  Während beide mit den Erklärungen und der Verpflegung von Kanja beschäftigt waren, machte Senal sich auf, die inzwischen wieder etwas normaleren Pferde zu holen. Erst jetzt fiel ihm auf was der Rappe für ein schönes Tier war, groß und muskulös mit einer langen glänzenden Mähne. Der Hengst passte irgendwie zu der schönen Asla. Als er die beiden Tiere an ihren Stricken zurückführte, waren Reik und Nahla bereits voll in ein, aus Senals Sicht sehr eigenartiges, Gespräch vertieft. "Reik", murmelte der Knabe verlegen. Reik war wie aus der Welt gerissen und sah den Jungen verwirrt an während er geistesabwesend Aslas Schnauze streichelte. "Wir... wir sollten langsam aufbrechen, es wird schon langsam dunkel....", stotterte Senal. Die beiden Erwachsenen blickten zum Himmel und danach wieder sich an. "Darf ich Euch vielleicht heute Nacht zu mir .... ich meine in eine Gaststätte einladen... Ich meine ich würde für Euch beide zahlen, bis ihre Freundin sich erholt hat und auch ihre Wunden wieder verheilt sind...Unverbindlich versteht sich....", druckste Reik mit puterrotem Kopf. Er zuckte zusammen als Nahla plötzlich zu lachen begann und ihn strahlend ansah. "Das wäre wunderbar. Wir hatten seit drei Sonnen kein Dach mehr über dem Kopf, von Essen ganz zu schweigen. Ich danke Ihnen! Aber ich werde es Ihnen sobald es geht zurückgeben oder ich könnte für sie arbeiten! Ich könnte es abarbeiten!", meinte Nahla strahlend. Senal lief kopfschüttelnd zu Banko zurück. Die Erwachsenen waren einfach eigenartig.

Als sie zurück ritten hatte Reik Kanja vorsichtig zu sich aufs Pferd genommen, um einen erneuten Sturz zu verhindern. Nahla stiegen die Tränen in die Augen als sie endlich wieder eine Stätte menschlichen Lebens erblickte, doch zugleich war sie überwältigt von der Größe der Festungsstatt. Reik quartierte Nahla und Kanja in der besten Gaststätte ein und gab den jungen Frauen einige Kronen für Speis und Trank. Dankend fiel sie ihm um den Hals und schwor es so bald wie möglich zurück zuzahlen. Nachdem Asla und Anur sich hartnäckig wehrten und klar machten das sie eine Trennung nicht duldeten, nahm Reik die beiden Tiere mit in die Festung und versorgte sie dort die ganze Nacht geistesabwesend. Anur erwies sich als unglaublich schönes und starkes Tier, sein Fell, nun gepflegt und gestriegelt, glänzte im Schein der Fackeln und Reik musste sich eingestehen das er und Asla ein schönes Paar abgaben. "Du hast eben doch Geschmacke meine Schöne", flüsterte er der Stute liebevoll zu.

 

In den kommenden Monden sahen sich Reik und Nahla immer öfter, ritten zusammen aus, lernten sich kennen und lieben. Reik besorgte Nahla eine Arbeit in der Festung und bald hatte sie ihre Schuld abgearbeitet und ihm die Kronen zurückgezahlt, zudem reichte es bald um für sich und Kanja eine kleine Hütte in der Nähe der Festung zu kaufen.

 

 

Der Auftrag

An einem sonnigen, warmen Abend kamen Reik und Nahla von einem Ausritt zurück, sie küssten sich, lachten und zeigten der ganzen Welt wie wohl sie sich fühlten. Das sie einander gefunden hatten war ihr größtes Glück, doch es sollte nicht lange währen. Als sie in der Festung eintrafen kamen ihnen bereits zwei Krieger entgegen, welche mit düsterer Miene vor ihnen stehen blieben. "Was ist?", fragte Reik misstrauisch. "Erklären wir dir drinnen. Komm mit!", antwortete einer der beiden mit grummeliger Stimme. Reik reichte Nahla Aslas Zügel und schaute sie liebevoll an. "Sei bitte so lieb und versorg Asla für mich. Ich komme später zu dir", bat er und küsste sie zärtlich auf die Stirn. Nahla nickte und ritt davon. Die drei Krieger liefen in Richtung der inneren Festung und während Reik den beiden anderen zuhörte verdüsterte sich sein Blick und ihm wurde klar dass dieser Abend nicht so schön werden würde wie er es sich gedacht hatte. Sie betraten den großen Versammlungssaal wo bereits der Heerführer mit seinen Vertrauten saß, allesamt mit düsterer Miene. Ondor, welcher die ganze Zeit auf Reiks Schulter verharrt hatte, pfiff nun unwohl. Reik setzte ihn auf eine Stange an der Wand und sich selbst zu den anderen an den Tisch. Sie alle waren Freunde und Vertraute und verzichteten in privater Runde auf Salute und andere dienstliche Zeichen. "Hallo mein Junge", begrüßte ihn der Heerführer Undor mit einem schwachen Lächeln, " es ist leider kein schöner Grund aus dem ich euch alle rufen ließ." Schweren Herzens klärte Undor seine Männer auf. Schweigend saßen sie da. Reiks Herz wurde schwer als ihm das gesamte Ausmaß dessen was ihm gerade gesagt wurde klar wurde. Als der Krieger an diesem Abend zu Nahla zurück kehrte war er bedrückt und traurig und erzählte ihr was geschehen war. Ein bösartiger Mann aus einem entfernten Winkel Rinwards hatte beschlossen den Frieden des Landes zu stören und wenn es nach ihm ginge, zu vernichten. Er ängstigte die Bauern und hetzte sie auf, verbrannte ihre Felder und Höfe, stahl Kinder und zwang sie sich ihm anzuschließen und bildete sie für seine Zwecke aus. Er zwang sie schon in jungen Jahren zu töten und raubte ihnen ihre Jugend um sie für seine Zwecke zu missbrauchen. Das Land, gequält von der Sonne und den edlen Herren lechzte schon lange auf Rache und in Rankun hatte das Volk einen willkommenen Grund gefunden seinem Unmut Luft zu machen. Reik und seine Kameraden waren für den Auftrag vorgesehen die Truppen zu führen und den bevorstehenden Aufstand im Keim zu ersticken. Keiner ahnte damals dass sie alle es mit einem weit mächtigeren Mann zu tun hatten als gedacht. In zwei Sonnen sollten sie aufbrechen.

Der Aufbruch

Am Tag des Aufbruches fanden sich alle Krieger auf dem Platz in der inneren Festung ein und wurden mit den letzten Details des Schlachtplanes bekannt gemacht. Sie kümmerten sich um ihre Rüstungen, ihre Tiere und ihren Proviant. Nur einer fehlte. Reiks Herz war schwer von Trauer, als er sich von Nahla verabschiedete. Er war schon oft in den Kampf gezogen, kannte es, doch nie war es ihm so schwer gefallen. Die einzigen wichtigen Wesen die der Krieger damals hatte, waren stets mit ihm in die Schlacht gezogen, doch nun musste er seine Liebe zurücklassen. Die Gewissheit dass in der Schlacht immer die Möglichkeit bestand, dass man nicht zurückkehrte machte ihm nun Angst. Der Gedanke seine Nahla heute vielleicht für lange Zeit nicht mehr zu sehen oder gar das letzte mal schnürte ihm die Kehle zu. Als die Truppen, geführt von Reik und Undor, ausritten, schwer bepackt mit Proviant, Waffen und Zelten, gefolgt von einigen Lastpferden, hatte sich die gesamte Bevölkerung angesammelt, winkte und rief den Kriegern Glück zu. Frauen und Kinder weinten, Männer salutierten. Reiks Augen suchten vergeblich nach Nahla. Tiefe Trauer ergriff ihn als er erkannte dass er sie nicht mehr sehen würde.

 

Sie ritten lange, durch Wälder, über Wiesen und Felder, rasteten und ritten weiter. Es würde ein langer Weg sein bis sie die glühenden Berge erreichen würden. Des Abends saßen die Krieger am Feuer, aßen und tranken und spaßten. Nur Reik saß am Rand und starrte in den sternklaren Himmel hinauf, in Gedanken bei seiner Liebsten. Ondor kam herab und hüpfte vor ihm auf dem Boden auf und ab und Asla schaute traurig zu ihm herüber, auch sie vermisste ihren Liebsten und so teilten beide stumm ihr Leid. Am Morgen darauf ritt die Gruppe weiter und so wiederholte sich das Szenario Sonnenlauf für Sonnenlauf. Reiks und Aslas Traurigkeit steigerte sich beinahe ins unermessliche, sie hatten keinen Hunger und aßen kaum, wenn der Mond am Himmel erschien schliefen die Liebenden nicht und so waren sie bald ein Bild des Jammers. Der einst so stolze und schöne Krieger und sein stolzes Ross waren zusammen gefallen und erschienen älter als sie waren. Das entging auch den anderen Kriegern nicht und auch Undor sorgte sich und so kam er des Abends und setzte sich zu ihm. "Reik, mein Junge was ist los? Du isst nicht, du schläfst nicht und Asla tut es dir gleich. Wenn ihr so weiter macht werdet ihr diesen Ritt nicht überstehen", bemerkte er besorgt und sah Reik mitfühlend an. Reik erzählte ihm den Grund und Undor erzählte ihm daraufhin seine Geschichte.

 

Vor vielen Jahren hatte er eine Frau gefunden und das Leben mit ihr geteilt. Damals war er kein Heerführer, geschweige denn Krieger, gewesen, er hatte bescheiden gelebt mit seiner Frau und seinen zwei Söhnen. Die Familie war sein ganzer Stolz. Doch dann kamen Reiter, sie brannten den Hof nieder, schändeten seine junge Frau und töteten seine Kinder, ihn ließen sie zusehen, schreiend und weinend. Es machte ihnen Spaß ihn zu quälen und ihm alles zu nehmen. Sie hatten ihn an einen Pfahl gebunden, ihn geschlagen, doch er merkte es nicht, zu tief waren die Trauer, der bereits aufkeimende Hass und der Wunsch nach Vergeltung. Festgebunden hatten sie ihn auf dem brennenden Hof zurück gelassen, neben seiner toten Frau und seinen toten Kindern. Das Pack wollte das er qualvoll verbrennt. Doch er blieb verschont, das Feuer kam nicht nah genug heran um ihn zu erfassen. Zwei Tage hing Undor so, Hunger und Durst waren nichts neben den Qualen die sein Herz litt. Halb tot wurde er gefunden, befreit und gepflegt. Zu dieser Zeit begann sein Leben als Krieger. Undor kämpfte verbissen und arbeitete sich bald bis zum Heerführer hoch. Ständig in Gedanken bei seiner geliebten Familie. Reik sah ihn mitfühlend an. "Was wenn ihr das gleiche geschieht? Was wenn ich nicht zurück kehre und sie nicht beschützen kann?", fragte er leise und mit schier endloser Trauer in der Stimme. "Das wird nicht geschehen Reik. Meine Familie lebte auf dem Land und war ungeschützt. Deine Liebste ist in der Festungsstadt, sie ist sicher. Bitte glaub mir. Und du wirst zurückkehren, aber wenn du weiter so machst wirst du es nicht, weil du verhungert bist", sagte Undor mit einem gequälten Grinsen auf dem Gesicht, die Bilder waren wieder da. Reik dachte nach über das was er eben hörte und gesellte sich später zu den anderen um mit ihnen zu speisen. Auch Aslas Lage besserte sich nach kurzer Zeit und bald sahen sie wieder so glänzend und schön aus wie zuvor. Sie hatten sich ein neues Ziel gefasst, sie wollten nicht in Trauer vor sich hinvegetieren, sondern stolz und schnell zu ihren Liebsten zurückkehren. Die Sonnen darauf ritten sie weiter und kamen ihrem Ziel immer näher und nun waren die glühenden Berge in erreichbare Nähe gerückt. Bald wären sie da, sie würden ihren Auftrag ausführen und gesund zurückkehren. Alles würde wieder so sein wie früher.  Dachten sie.

Die glühenden Berge

Noch ein Tagesritt und ihr Ziel wäre erreicht. Sie würden Rankun vernichten und den Aufstand verhindern. Reik schaute sich die glühenden Berge an, sie hatten eine gewisse Schönheit. Eine schaurige und unheilvolle Schönheit. Der schwarze Stein war durchzogen von glühend roten Rissen, welche den Nachthimmel über ihnen mit ihrem Glühen in ein dunkles Rot tauchten. Ondor war schon seit Sonnenläufen fort, er jagte und flog durch die Wälder. Zwischendurch kam er kurz über die Ebene auf der die Truppen rasteten um nach seinem Herrn zu sehen und flog dann wieder fort. Er wollte hier nicht sein. Etwas Böses lag in der Luft. Auch Asla merkte es, die Stute war unruhig und angespannt. Als Reik sie versorgte bemerkte er die nervösen Blicke der Stute und ihre zuckenden Flanken. Leise sprach er auf das Tier ein, streichelte sie und versuchte ihr etwas von ihrer Anspannung zu nehmen. Als der neue Morgen graute ritten sie weiter. Als sie die Berge endgültig erreichten, durchquerten sie schmale Wege und Grade, in ständigem Bedenken den roten, zischenden Linien im Boden und an den Wänden auszuweichen. Eines der Pferde scheute und warf seinen Reiter direkt auf eine der Glutlinien. Gesicht und Schulter waren verbrannt und entstellt, er wurde notdürftig versorgt, ansonsten verlief der weitere Weg problemlos. Bald schon war der Trupp in mitten einer Schlucht, welche sich durch die Berge zog und den Reitern ein halbwegs sicheres Vorkommen ermöglichte. Sie wurden ständig begleitet von einem tiefen Grollen, welches aus den Tiefen des Berges hervorbrach und die Truppen in ständiger Sorge weiter vorankommen ließ. Reik und Undor ritten schweigend voran und suchten den sichersten Weg für die Pferde und ihre Last. Sie wollten die Verluste so gering wie möglich halten und so vermieden sie Ablenkungen so gut es ging, außer kurzen Anweisungen fanden in den gesamten Truppen kaum Gespräche statt.  Die Anspannung zog sich vom ersten bis zum letzten und unterschied auch nicht zwischen Mensch und Tier. Immer wieder schoss glühender Dampf aus den Rissen und stellte den Reisenden gefährliche Fallen. Ein junger Hengst wich einer dieser Dampffontänen zu spät aus und verbrühte sich qualvoll. Die Schlucht wurde immer schmaler und die heimtückischen Fallen forderten immer öfter ihre Opfer. Da die Gefahr zu groß war, wurde auf Rast verzichtet und dies forderte schon bald ihren Preis. Die übermüdeten Reiter und Tiere wurden unaufmerksam und immer öfter gerieten sie in gefährliche Situationen. Nach zwei Sonnen ohne Schlaf und Rast erreichten sie eine kleine steinerne Ebene, welche sich als sicher genug erwies um zu rasten, endlich konnten die Reisenden wieder etwas essen,  trinken und schlafen. Sie versorgten und tränkten ihre Tiere. Die durstigen Tiere kamen jedoch des mangelnden Proviants wegen immer wieder zu kurz und nicht alle waren so gut und gaben ihnen genug zu saufen, sondern tranken es selbst. Von den einst so vielen Reitern blieben nicht mehr als die Hälfte. Der Pfad verlangte seinen Wegzoll und dies tat er unbarmherzig.

 

Reik und Undor entfernten sich ein Stück von der Truppe und berieten sich. "Die Verluste sind größer als gedacht", bemerkte Undor seufzend und sah zu dem kleinen Rest der Truppen. "Diese Berge haben etwas Unheilvolles, es ist als würden sie leben. Als wäre in ihnen etwas sehr Böses das gerade erwacht...", flüsterte Undor geistesabwesend und blickte auf den grollenden Berg, in dessen Mitte sie nun gefangen waren. "Wenn hier etwas geschieht, wenn etwas passiert können wir nicht fliehen. Wir sind gefangen. Ich mag diese Gegend nicht", brummte Reik missmutig. "Wir reiten am Morgen weiter, wenn wir in den nächsten zwei Sonnen nicht hier raus kommen, wird der Mangel an Nahrung und Wasser weitere Opfer fordern", überlegte Reik laut und sah erneut zu den erschöpften Reitern und Tieren. Langsam gingen sie zurück zu und legten sich zu einer unruhigen Nacht nieder. Am nächsten Morgen ritten sie weiter, doch hier machten Tag und Nacht kaum ein Unterschied, es herrschte immerzu ein unheilvolles rotes Zwielicht.  Doch heute war etwas anders. Der Boden begann zu beben und das Grollen wurde zu einem lauten Donnern, das die Tiere und Reiter in den Ohren schmerzte und ihnen Schauer über den Rücken laufen ließ. Plötzlich riss in der Mitte der Truppe der Boden auf, Pferde und Reiter wurden in die Tiefe gezogen, wo ihre qualvollen Schreie von einem zischenden, blubbernden und kochenden Geräusch verschluckt wurden. Keiner wollte sich vorstellen welche Qualen die Kameraden erlitten haben mussten. Schockiert rettete sich der Rest der Gruppe fort von dem aufgebrochenen Boden um ihr eigenes Leben zu retten. Mit entsetzten Blicken schauten sie auf das gewaltige Loch in dem ihre Kameraden und ihre Tiere qualvoll verendet waren. Vereinzelte Schreie der Tiere und der Kameraden hallten durch die Schlucht und hallten von den Wänden wieder. Eisige Schauer liefen den Übrigen über den Rücken bei jedem Mal wenn die qualvollen laute sich an den Wänden brachen und erst nach einer scheinbaren Ewigkeit verstummten. Nur knapp dem Tod entronnen scheuten viele Tiere und bereiteten ihren Reitern große Mühe sich im Sattel zu halten, viele Pferde galoppierten in Panik davon und ließen sich kaum mehr bremsen. Der verbleibende Rest starrte zu der Todesstätte ihrer Kameraden und trauerte um diese. Viele gute Männer waren gestorben in diesen unheilvollen Bergen. Als die Gruppe sich einigermaßen wieder gefangen hatte machten sie sich schweren Herzens auf zum Weitermarsch. Was zu retten war wurde gerettet und die, nun wieder kleinere, Gruppe zog weiter, nun noch aufmerksamer. Weitere zwei Sonnen später hatten sie endlich das Ende der  glühenden Berge, welche sich in einem großen Bogen als Grenze zwischen fruchtbarem und verdorrtem Land zog, erreicht und so erstarrten die Reiter als sie das triste Land auf der anderen Seite dieser gefährlichen Grenze sahen. Die Männer kamen aus einer Welt in der alles grünte und wuchs, in der es Nahrung, Wasser und Leben im Überfluss gab und nun standen sie dem genauen Gegenteil gegenüber. Die kleine Gruppe starrte auf eine beinahe unendliche Ebene aus Sand und Steinen. Kein Wasser. Keine Bäume. Kein Leben.

Die Verfolger

Reik ließen Undors Worte jedoch nicht mehr in Ruhe Es ist als würde dort drinnen etwas sehr Böses erwachen. Er streichelte Aslas Hals und ritt der Ungewissheit entgegen. Sie kannten diesen Teil des Landes nicht, wussten nicht wie man mit Durst und Hitze zu recht kommen sollten. Am Abend rasteten sie, denn immerhin war die Gefahr fort, welche in den glühenden Bergen allgegenwärtig war. Nach einem kargen Mahl legten sich alle nieder. Nach kurzem Schlaf erwachte Reik weil Asla unruhig neben ihm schnaubte und mit den Hufen scharrte. "Was hast du denn meine Kleine?", fragte er, eigentlich mehr sich selbst als seine Stute und schaute in die Richtung in die Asla den Kopf wand. Das Tier schaute in Richtung der glühenden Berge. Vorsichtig und leise stand der Krieger auf und schwang sich ohne Sattel auf Asla und ritt den glühenden Bergen entgegen. Die Stute flehmte und wurde immer schneller, machte erfreute Sprünge und wieherte immer wieder während sie auf die Berge zu galoppierte. "Asla bitte nicht... Oh Verdammt!", flüsterte er. Es gab nur eine Sache in dieser Welt, welche seine vierbeinige Gefährtin zu solch einem Galopp trotz der Müdigkeit antreiben würde und doch hoffte er, dass es nicht wahr wäre. Als die beiden die Berge erreicht hatten wurde Asla langsam und hielt an, wartete, lauschte und roch. Mit hoch aufgestellten Ohren stand sie erwartungsvoll am Eingang zur Schlucht. Nach kurzem angespannten Warten war leiser Hufschlag aus der Schlucht zu hören, aber es war nicht der Hufschlag eines Pferdes. Es waren mindestens zwei. In höchster Sorge, vielleicht in einen Hinterhalt zu geraten, versuchte er Asla zu wenden, doch die Stute bewegte sich nicht. Hartnäckig, dem Zerren und Bitten ihres Herrn entgegen, blieb sie stehen. In dem Gedanken den Feinden zumindest nicht ungeschützt entgegen zu treten wollte Reik nach seinem Schwert greifen, doch er griff ins Leere. Das Schwert und die anderen Waffen lagen zusammen mit dem Sattel im Lager der kleinen Truppe. Der Soldat war so kopflos los geritten das er eine der wichtigsten Regeln der Krieger vergessen hatte. Niemals im Feindland alleine und unbewaffnet sein. Doch nun war er beides, allein und schutzlos. Er seufzte und stieg ab und versuchte Asla auf die Seite zu ziehen, doch die Stute wehrte sich und blieb trotzig stehen. Schweren Herzens ließ Reik sein Pferd stehen und ging in Deckung. Der Hufschlag wurde immer lauter. Asla zuckte nervös und begann auf der Stelle zu tänzeln. Ein leises Wiehern entwich ihrer Kehle. Und plötzlich verstummte der Hufschlag. Keine zwei Wimpernschläge später erschall aus den glühenden Bergen das donnernde Geräusch galoppierender Hufe und plötzlich stand er da. Anur.

 

Zeternd schalt Nahla Anur und saß gestikulierend auf ihrem schwarzen Hengst, der es sich langsam zur Gewohnheit machte einfach los zu galoppieren und sie zu ignorieren. "Du dummer Gaul! Kopflos bist du!", schalt sie ihn und verstummte abrupt. Asla. Die Stute kam tänzelnd auf sie zu und blieb bei Anur stehen. Die beiden Pferde schmusten und beachteten die unwirtliche Gegend und alles Andere einfach nicht mehr. Sie hatten sich wieder. "Nahla?" erklang es aus der Schlucht, doch diese saß wie erstarrt auf ihrem Rappen. Reik trat hinter einem Geröllbrocken hervor, der ihm Schutz geboten hatte. Nahla stieg ab und rannte ihm entgegen. Sie fielen sich in die Arme und all der Ärger und die Trauer über die Trennung waren verflogen. Sie waren wieder zusammen, das allein zählte in diesem Moment. Und sie wünschten sich dieser Moment würde ewig währen, doch das hatte leider keinen Einfluss auf die Realität. Senal erschien mit Banko aus der Schlucht und wunderte sich erneut. Die beiden Pferde standen, ähnlich den Erwachsenen, eng beisammen. Reik und Nahla küssten und umarmten sich, so lange hatten sie sich nicht gesehen,  hatten einander vermisst! Sie waren wieder glücklich. "Senal!", rief Reik und winkte den Jungen zu sich, der freudig vom Pferd sprang und auf ihn zulief. "Hey du kleiner Bengel", lachte er und schloss den Jungen, der für ihn war wie sein kleiner Bruder, in die Arme. "Aber was tut ihr hier?", fragte Reik und sah die beiden an, " es ist gefährlich hier!" Senal wich ein Stück zurück und versteckte sich hinter Nahla. "Das war meine Schuld", beichtete er kleinlaut, " ich bin dir nachgeritten und Nahla folgte mir. Sie hat auf mich aufgepasst". "Sollte ein Krieger nicht eigentlich auf die Frauen aufpassen und nicht andersrum?", stichelte Reik. Seine Freude war noch zu groß und ließ keinen Platz für Ärger, den er eigentlich verspüren sollte. Lange standen alle so da, doch die Realität holte sie bald ein. "Wie soll es jetzt weitergehen?", fragte Reik mit einem Mal, " Ihr könnt doch diesen gefährlichen Weg nicht wieder alleine zurück reiten..." Reik drehte sich um und ging zu Asla. "Ihr wartet hier ich komme gleich zurück!" er schwang sich auf seine Stute und brachte sie, nach einem gewissen Kampf, dazu zurück zum Lager zu traben. Dort angekommen machte er sich auf den Weg zu Undor. Der mittlerweile 50 Sommer zählende Krieger lag schnarchend und mit allen Vieren von sich gestreckt am Feuer und  schlief. Aus einiger Entfernung nahm er sich einen Stein und warf ihn gezielt auf Undors Bauch. Der Heerführer fuhr hoch und hatte binnen eines Wimpernschlages sein Schwert und einen Dolch in den Händen. Reik hatte einmal den Fehler gemacht und den Heerführer geweckt. Die nächsten Sonnen hatte er mit einer Schnittwunde und einem verdrehten Arm verbracht.  Verwirrt stand Undor da und blickte um sich. "Undor ich bin hier", erklang Reiks Stimme hinter ihm, "bitte folge mir ich brauche deinen Rat." Die beiden Männer ritten zu den glühenden Bergen und nachdem Undor seinen ersten Schreck und seine ersten Flüche verarbeitet hatte, beschlossen sie die beiden heimlichen Verfolger mit sich zu nehmen, da der Rückritt sich als zu gefährlich erwies. Undor erklärte jedoch ausdrücklich dass auf die beiden keine Rücksicht genommen werden würde. Sie ritten alle zurück ins Lager und legten sich zur Nacht nieder. Reik und Nahla tuschelten beinahe bis zum Morgengrauen, so viel hatten sie sich zu erzählen und so sehr freute sie das Wiedersehen.  Als der Morgen graute ritten sie weiter, die Sonne war ihr einziger Orientierungspunkt und so folgten sie ihr und ritten ins Ungewisse.

 

Der glühende Stern brannte unbarmherzig auf sie herab und schwächte ihre geschundenen Körper umso mehr. Die Hitze und der Durst zehrten an ihnen, doch in welche Richtung sie bald den Kopf wendeten überall war nur Sand und flimmernde Hitze und so ritten sie weiter. Sonne für Sonne, bis sie nicht mehr ritten sondern ihre geschwächten Körper nur noch auf den Tieren vor sich hinvegetierten. Sie ließen die Tiere laufen in der Hoffnung, sie würden Wasser oder eine Siedlung finden. Doch nur langsam trugen die durstigen Tiere sie weiter durch die Wüste, auch sie schienen die Hoffnung verloren zu haben und nur noch ohne Willen einen Huf vor den anderen zu setzen. Als die Sonne wieder langsam am Horizont versank merkten sie es kaum, zu stumpf waren ihre Sinne geworden und so ritten sie weiter ohne zu rasten. Die Vorräte waren verzehrt, das Wasser getrunken, sie würden hier in dieser Hölle sterben. So vergingen die Sonnen und der einst stolze Trupp, nun schon auf einige arme Männer zusammen geschrumpft, verdorrte langsam unter den glühenden Strahlen der Sonne. “Reik”, entrann es Nahlas ausgedorrter Kehle und ihre kratzende, flüsternde Stimme erschreckte ihn. Nichts war von dem Wohlklang ihrer Worte geblieben welcher ihn all die Zeit so glücklich machte, wie ein altes Weib hörte sie sich an. Er wand den Kopf zu ihr und sah sie aus trüben und verkrusteten Augen an. “Wir verdursten!”, flüsterte sie und zu der Erschöpfung gesellte sich Hoffnungslosigkeit. “Wir werden das hier nicht überleben, keiner von uns. Nicht du. Nicht ich. Nicht die anderen”, seufzte sie und schüttelte müde den Kopf. Reik sah sie traurig an, er wusste dass sie Recht hatte, doch konnte er ihr einfach Recht geben? Ihr sagen das sie wirklich alle sterben würden? Nein! Sie durften nicht aufgeben! “Wir werden nicht sterben mein Liebling, wir werden hier nicht sterben!”, flüsterte er ihr zu und sah sie liebevoll an, “Wir werden erst sterben wenn wir alt und faltig sind, aber bis dahin wird noch viel Zeit vergehen. Glaub mir, ich lasse nicht zu das wir hier sterben!” Er griff ihre raue Hand und nahm sie fest in die seine. “Lass uns kurz absteigen und den Tieren eine kleine Pause gönnen”, seufzte sie und rutschte langsam von Anurs Rücken. Sie musste sich am Sattel halten um nicht zu stürzen, so schwach waren ihre Beine schon und ihre Kräfte schwanden immer weiter. Doch ihr Pferd zu Tode zu reiten würde sie auch nicht weiter bringen. Reik tat es ihr gleich und so liefen sie langsam und erschöpft neben einander her. Sollten sie hier wirklich sterben, würden sie es zusammen tun. In ihrem Dämmerzustand träumte die junge Frau immer wieder denselben Traum. Sie war in einer dunklen Höhle, ein goldener Berg lag hinter ihr und viele Menschen standen um sie herum. Mit jedem Mal zeigte der Traum ihr ein klein wenig mehr von dem Geschehen in der Höhle und bald wurde Nahla bewusst was dort vor sich ging. Desto öfter sie den Traum nun träumte umso mehr gewöhnte sie sich an den Gedanken dessen was darin vorging. Wenn es passieren sollte, sie wäre bereit. Dachte sie.

 

Die Sonne schwand erneut am Horizont als Nahla den Blick hob. Doch da war nicht das gleiche Bild wie sonst, nicht nur der Sand und Staub. Am Horizont, so schien es ihr, erschien die kleine Silhouette einer Stadt. Sie blinzelte, rieb sich die Augen und blickte erneut auf, doch das Bild war noch da. Ihr fehlten die Worte, so schön erschien es ihr und so unglaublich war es für sie nach all der langen Zeit eine Stadt zu sehen. Und dann mit einemmal realisierte sie was sie da sah.  Sie schrie auf und lachte vor Freude, schüttelte Reik aus seinem Dämmerschlaf und packte ihn an den Schultern. “Eine Stadt! Wir sind gerettet! Wir werden nicht sterben!”, schrie sie ihn an und lachte auf vor Freude. Reik befürchtete sie sei verrückt geworden und habe von der Hitze und vom Durst den Verstand verloren. “Nahla....”, begann er und fasste ihre Hände welche noch immer auf seinen Schultern lagen und zog sie sanft hinab. “Nahla, da ist keine Stadt”,  flüsterte er und sah sie mitfühlend an. “Doch!!!”, schrie sie auf und riss ihre Hände los. “Sieh doch selbst!” brüllte sie ihn wütend an und zeigte zum Horizont. Noch immer sah er sie an, dann wand er langsam den Kopf und... erstarrte. “Eine Stadt...”, flüsterte er mit aufgerissenen Augen. “Eine Stadt...!” schrie er mit einem Mal und begann am ganzen Leib zu zittern.

 

Wir sind gerettet. Auch die anderen waren nun auf den unerwarteten Lärm aufmerksam geworden und blickten verblüfft auf. Undor schloss zu den beiden auf und sah zum Horizont. Eine letzte Träne löste sich aus seinem Augenwinkel, dann stürzte er zu Boden. “Undor!”, schrien Reik und Nahla wie aus einem Munde und stürzten zu dem gefallenen Heerführer. Reik hob seinen Kopf auf seine Knie und schüttelte ihn, schrie ihn an. Doch sein Freund antwortete nicht mehr, er war tot. So kurz vor der sicheren Rettung hatte sein Körper den Kampf mit der Hitze und dem Durst aufgegeben und so hatte Undor still und leidend seine letzten Stunden auf dem Rücken seines Pferdes und in mitten seiner Truppen seine letzte Reise angetreten.

Sie bestatteten Undor notdürftig und ritten weiter. Die Freude war von tiefer Trauer überdeckt, zu sehr traf die Reiter der plötzliche Tod ihres mutigen Heerführers, der sie schon durch so manch eine Schlacht geführt hatte. Mit ihnen gefeiert, getrunken und gespeist hatte. Er war fort und so wurde Reik im Stillen zum Heerführer, ohne Zeremonie, ohne Fest, ohne Freude.

Bald hatten sie die Stadt erreicht. Sie war das genaue Gegenteil der Festungsstadt. Während die Festungsstadt groß, prunkvoll und lebendig war, war diese Stadt klein, zerfallen und wie ausgestorben. Kein Mensch, kein Tier, niemand schien diese Stadt zu bewohnen, sie erschien ihnen tot und trostlos und so schien ihre letzte Hoffnung zerstört zu sein.

“Was ist hier geschehen?”, fragte einer der Krieger, während er sich umsah. Die anderen Krieger taten es ihm gleich und so durchforschten sie die Stadt auf der Suche nach Leben, Wasser und Nahrung. Nahla hatte sich mit dem geschwächten kleinen Senal an die Wand eines Hauses gesetzt und hielt den schlaffen kleinen Körper in ihren Armen. Sie sorgte sich um ihren kleinen Freund, der ihr mittlerweile wie ihr eigener Sohn  vorkam. Es war als wären sie eine kleine Familie, sie, Reik und Senal. Sie hielt ihn und streichelte seinen staubigen kleinen Kopf während sie immer wieder auf ihn einredete, doch der Junge war so geschwächt, das sein Körper sich selbst in eine Art Trance gebracht hatte. Keiner von ihnen wusste wie viele von ihnen überleben würden, ob sie alle leben würden oder ob das Schicksal noch mehr Opfer fordern würde. Doch sie würden mit aller verbliebenen Kraft dagegen kämpfen, sie würden leben, alle. Die Wüste sollte keine weiteren Opfer bekommen. “Ich hab was!”, schrie es mit einem mal aus einem hinteren Winkel der Stadt und sogleich folgten einige der Krieger seinem Ruf. Der junge Mann stand vor einem alten Brunnenschacht, er hatte einen Eimer vor sich stehen und er strahlte vor Glück. “Ich habe Wasser gefunden!”, schrie er immer wieder und schöpfte zugleich das Wasser aus dem Eimer in seinen trockenen Mund. Das kühle Nass rann so sanft die Kehle hinab, spülte all den Sand und die Schmerzen fort. Sie kamen alle zu dem Brunnen und tranken bis sie nicht mehr trinken konnten, tränkten die Tiere bis diese nicht mehr durstig waren und wuschen sich den Dreck und den Sand vom Leib, lachten und freuten sich.  Sie durchforsteten die Hütten und hatten bald sogar einige Kleinigkeiten zu essen gefunden. Auch Senal erholte sich, zwar langsam, aber beständig. Sie würden den nächsten Tag hier verbringen und die Pferde in einem der alten Ställe unterbringen und erst in der Nacht weiter reiten. Eine tote Stadt würde ihnen nicht den benötigten Proviant für den weiteren Weg beschaffen können, also mussten sie eine lebende suchen. 

 

Als die Sonne sich den Dünen zuneigte, sattelten sie auf und ritten weiter. Sie hatten die Sättel und Rüstungen geputzt, ihre Wasserschläuche wieder gefüllt und alles an Proviant zusammen gesucht was

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Tag der Veröffentlichung: 31.12.2014
ISBN: 978-3-7368-6783-3

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Ich möchte mich hier kurz bei meiner Freundin Belinda bedanken. Ohne ihr Probelesen und ihren Zuspruch wäre die Geschichte immer noch versteckt auf einem USB-Stick und ohne Korrektur und Vollendung. gewidmet: Margitta, Volker, Manuel und meiner Oma (irgendjemand hat mal gesagt dass Familie nicht allein durch Gene bestimmt wird. Ich finde das ein sehr treffendes Zitat.) und weil ich euch so dankbar bin, für alles: Ann-Christin S. Nadine N.

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