Prolog
Vergißmeinnicht ist der Name eines ehemaligen Braunkohletagebaues in der näheren Umgebung Bitterfelds, der ehemaligen dreckigsten Stadt Europas. Wer hier einmal durchgefahren ist, wird das unzweifelhaft bestätigen können. In den 60iger Jahren, glich Bitterfeld einem brodelnden Vulkan. Aus den zahlreichen Fabrikschornsteinen des ehemaligen IG Farben Konzerns und unter dem DDR Regime zum Chemiekombinat umbenannt, ergossen sich aus diesen meist ungefiltert und in ihrer Konzentration beispiellos, Abgase auf die Region Bitterfeld und belasteten die Umwelt. Hinzu kamen noch 2 Brikettfabriken, deren Abgase in Form von Kohlenstaub ihr übriges zur Umweltverschmutzung beitrugen. Ich möchte in meinem Buch keine Wissenschaftliche Bewertung dieser Zustände vornehmen, noch möchte ich, dass der Eindruck entsteht hier sei alles marode. Auch in und um Bitterfeld gab es Landschaftsgebiete, wo man sich, vorausgesetzt, der Wind steht günstig, erholen konnte. Bitterfeld ist meine Heimatstadt, hier wurde ich geboren und hier lebte ich auch in einem Vorort die meiste Zeit meines bisherigen Lebens. Zscherndorf, mein Wohnort, liegt in westlicher Richtung von Bitterfeld. Der Ortsname Zscherndorf kommt aus dem slawischen und bedeutet übersetz „Schwarzes Dorf „. Diesen Namen hat dieser Ort wahrscheinlich erhalten, weil unter und um ihn herum ein großes Braunkohlenvorkommen liegt bzw. lag. Um 1900 entstanden hier mehrere kleinere Braunkohletagebaue, die aber nur kurze Zeit betrieben wurden. Die stillgelegten Tagebaue entwickelten sich durch Grundwasseranstieg schnell zu kleinen Seen. Der Volksmund sprach hier aber nicht wie in anderen Gegenden üblich von Seen, sondern von Gruben. So entstanden also nach und nach die Grubenseen „Deutsche Grube, Vergißmeinnicht, Erich, Förstergrube, Hermine, Richard 1u.2, Freiheit 1 u. 2, Dreieck, Antonie, Auguste, Leopold“ usw. mehrere dieser Grubenseen existieren heute nicht mehr. Die Grube Vergißmeinnicht die mit ca. 43 ha zu den größeren Tagebauen zählte, wurde um 1930 stillgelegt. Diese Grube befindet sich zwischen den Orten Sandersdorf und Zscherndorf. Ortsteile von Zscherndorf lagen direkt am Steilufer dieser Grube die mit ca. 30 m Wassertiefe an der tiefsten Stelle zu den wasserreichsten dieser Gegend zählt. Der Grundwasser Anstieg und mehre zum Teil warme unterirdische Quellen, sorgten dafür das dieser Grubensee schnell entstand. Wasservögel wie Enten, Gänse oder Schwäne, die hier rasteten oder auch ganzjährig blieben, brachten an ihrem Gefieder haftenden Laich mit und somit kamen die ersten Fische und anderes Kleingetier in die Grube. Aber auch Berichten älterer Zscherndorfer Einwohner zufolge, wurden schon zu diesen Zeiten größere Fische aus anderen Gegenden bzw. Seen eingesetzt.
Kapitel 1 „Wie ich diesen See für mich entdeckte“
Ich, der ja erst im Jahr 1948 geboren wurde, lernte diese Grube im Kindesalter von etwa 6 Jahren kennen , sie machte auf mich einen überwältigenden Eindruck. Das Wasser, die Fische, die ganze Umgebung der Grube zog mich magisch an und ich verbrachte von nun an sehr fiel Zeit an diesem Gewässer. Meine Eltern verboten mir zwar in der Grube zu spielen und wiesen mich auf Gefahren hin die hier auftreten können wie z.B. auf die Abrutschgefahr am Steilufer oder das mögliche Ertrinken beim Baden. Doch welches Kind lässt sich schon von solchen mahnenden Verboten abschrecken in Erwartung der Abendteuer die es dort zu erleben gilt. Am Steilufer konnte man die einzelnen Erdschichten die hier vorherrschten besonders gut erkennen. Am oberen Rand befindet sich eine ca. 50 cm dicke mit Gras bewachsene Nutzschicht (Ackerboden), daran schließt sich eine ca. 5m dicke Tonschicht an und an diese bis zum Uferbereich ein Kies bzw. Sandbereich von ca. 15m. An einer Stelle des Steilufers am westlichen Ufer war das jedoch anders. Hier befand sich unter der Tonschicht bis zur Wasseroberfläche ein ca. 50m breites Braunkohlenvorkommen, von uns Kindern als Kohlenstoß bezeichnet. Warum an dieser Stelle der Grube mit dem Kohleabbau beendet wurde konnten wir uns nur so erklären das ein weiterer Abbau die Gebäude wie die Schmiede von Zscherndorf gefährdet hat. Damals nahm man noch Rücksicht auf Privatbesitz. Heute hingegen müssen ganze Ortschaften dem Kohleabbau weichen. So wurden z.B. in den 70 iger Jahren die Orte Tornau und Niemeck (Tagebau Goitzsche bei Bitterfeld) dem Erdboden gleich gemacht, was für viele Menschen Leid und Neuanfang bedeutete. Der Tonbereich wurde zum Nistplatz von zahlreichen Uferschwalben genutzt. Der Tonbereich sah an manchen Stellen wie ein durchlöcherter Käse aus . Die Schwalben bauten ihre Nisthöhlen so geschickt, das keine Katze oder andere Störenfriede wie wir Kinder z.B., an diese heranreichten. Im Bereich des Westufers (Ramsiner Seite) befand sich der „Kleine Teich“, unser beliebtester Badeteich. Er war etwa 50m lang,20m breit und hatte eine durchschnittliche Wassertiefe von 2m.In den Sommermonaten war dieser Teich stark verkrautet und nur an einer Stelle zum Baden geeignet. Hier also machten wir Kinder unsere ersten Schwimmversuche. An manchen Tagen tummelten sich hier ca. 20 Kinder aber auch Erwachsene. An einem schönem Augusttag, ich war in diesem Jahr gerade 6 Jahre alt geworden, bin ich mit meinen ein Jahr älteren Freunden Rudi und Jürgen, wieder einmal hier zum Baden. Es war ein besonders heißer August Tag, so um die 36 Grad im Schatten und unsere Badestelle war gut besucht. Neben mehreren Kindern war auch uns Schneider Herr Kunze anwesend. Nachdem wir unsere mitgebrachte Decke ausbreiteten und unsere Sachen darauf abgelegt hatten rief Jürgen“ Wer zuletzt im Wasser ist muss mit der Lore von oben nach unten fahren!“ Von diesen Worten angespornt sprangen wir drei fast gleichzeitig in das kühle Nass. Da der kleine Teich nur eine schmale etwa 3m breite Badestelle hatte und sich links und rechts Schilf und Schlingpflanzen befanden musste man beim rein springen darauf achten das man nicht in diese geriet. Mir erging es an diesem Tag an dem wohl alles schiefgehen sollte, so. Erstens war ich der letzte von uns drein und dann geriet ich noch in den rechten Schlingpflanzenbereich. Ich hörte noch das schadenfrohe Lachen meiner Freunde und versuchte mich aus der Umklammerung der Schlingpflanzen zu befreien. Doch jemehr ich strampelte, umso mehr hielten mich die Pflanzen fest.“Hilfe, Hilfe „, schrie ich vor Verzweifellung.Ich schluckte Wasser und kämpfte verzweifelt gegen den Untergang. Dann wurde mir schwarz vor den Augen und ich ging wie ich noch im Unterbewusstsein dachte unter. Als ich meine Augen wieder öffnete blinzelte ich gegen die hochstehende Sonne. „ Wo bin ich ,was ist mit mir geschehen?“fragte ich kleinlaut. Über mich beugte sich nun unser Schneider der Herr Kunze und berichtete was geschehen war. Er der etwas abseits auf seiner Decke lag hatte erst gar nichts von meinem verzweifelten Kampf im Wasser mit bekommen. Als er jedoch meinen verzweifelten Hilferuf hörte handelte er schnell, sprang ins Wasser und mit einem Griff zog er mich an meinen Haaren aus dem Wasser. Seinem schnellen Handeln verdanke ich wohl mein Leben, kleinlaut bedankte ich mich bei ihm. Einige Jahre später sollte ich noch einmal in eine ähnliche Situation geraten und sie auch gut überstehen. Jürgen und Rudi saßen neben mir und waren wohl sehr froh, das dieser unvorhersehbare Badeunfall, nochmal glimpflich ausgegangen war. Die Freude am Baden war uns drein ja nun für heute vergangen. Wir zogen uns an und machten uns auf dem Nachhauseweg. Unterwegs unterhielten wir uns nochmal über mein Pech bzw. Glück mit dem Leben davon gekommen zu sein. Übereinstimmend versprach ich, zu hause nichts von diesem Vorfall zu sagen. Denn meine Eltern hätten mir bestimmt nicht mehr erlaubt am Kleinen Teich baden zu gehen. Von dem Lore fahren war nicht mehr die Rede, heute jedenfalls nicht! Die nächsten Tage kamen wir auch nicht mehr zum baden denn mir stand einer der Höhepunkte meiner Kindheit bevor, die Einschulung. Ich freute mich schon sehr darauf, endlich nicht mehr in den Kindergarten gehen zu müssen, sondern wie meine Freunde, in die Schule. Ich bin eigentlich sehr gern in den Kindergarten gegangen. Hier lernte ich meine Freunde Udo, Jürgen und Rudi kennen und auch spätere Klassenkammeraden. Nun lag also der nächste Lebensabschnitt die Schulzeit vor mir. Am Tag der Einschulung, es war an einem Sonnabend Anfang September 1954, brachte mich mein Vater zur Schule. Für diesen Tag hatte ich einen kurzhosigen, grauen und neuen Anzug, an. Auf meinem Rücken hatte ich einen braunen Ranzen, für mich das unumstößlichen Zeichen, meines ersten Schultages. Unser Klassenlehrer Herr Burghardt nahm mich und meine Mitschüler am Haupteingang der Schule in Empfang und führte uns in unseren Klassenraum. Wir waren 21 Erstklässler, 15 Jungen und 6 Mädels. Mein Freund aus dem Kindergarten Udo war mein erster Banknachbar. Unser Lehrer rief nun alle namentlich auf und wir mussten dabei aufstehen. Dan erzählte er uns noch warum wir lernen bzw. in die Schule gehen müssen und übergab uns ein Schreiben an unsere Eltern, es war der Stundenplan. Danach wurden wir von ihm wieder aus der Schule geführt und nahmen Aufstellung zu unserem ersten Klassenfoto. Herr Burghardt verabschiedete sich und wir liefen zu unseren Eltern. Mein Vater übergab mir nun eine große gelbe Zuckertüte und meine Schwester Gabi bekam eine kleine rote. Die Zuckertüte war ganz schön schwer und ich trug diese voller Stolz nach hause. Vor unserem Haus warteten bereits mehrere Verwandte und Bekannte die meine Eltern zur Einschulungsfeier eingeladen hatten, mit weiteren Geschenken für mich. So viele Geschenke hatte ich überhaupt noch nie bekommen. Als sie mir die Geschenke übergaben wünschten sie mir das ich fleißig lernen, mich gut Betragen und ich eine schöne Schulzeit haben soll. Ich versprach das natürlich obwohl ich damals noch nicht wusste ob ich dieses Versprechen immer einhalten konnte. Nun zog ich mich mit meiner Schwester ins Kinderzimmer zu rück und ich machte mich ans auspacken der Zuckertüte und den anderen Geschencken.Neben fielen Süßigkeiten und Kleidung bekam ich von meiner Patentante Frau Lichter meine erste Armbanduhr. Aus dem Wohnzimmer drang schallendes Gelächter. Was es da zu lachen gab interessierte mich schon?! Meine Mutti und Oma Klara berichteten gerade von ihrer letzten Fahrt nach Berlin an der auch ich dabei war. Auf unserer Nachhause fahrt stand der Zug lange auf dem Bahnhof in Jüterbog. Jüterbog war bis Anfang der 60 iger Jahre der Russische Bahnhofs Kontrollpunckt für die Russische Besatzungszone. Gelangweilt sah ich aus dem fenster des Zuges das treiben auf dem Bahnsteig zu. Da ich hier fast jedes Jahr einmal vorbei kam konnte ich heute nicht viel neues entdecken. „Mutti gib mir doch mal die Russen aus der Tasche, ich möchte mit ihnen spielen!“ Sagte ich. Meine Mutti die auch gelangweilt irgendwelchen Gedanken nach hing, fragte verdutzt. „Was willst du?“ „Ich möchte meine Russen, Bitte!“ sagte ich kleinlaut! Meine Mutti bekam einen roten Kopf und sah sich im voll besetzten Waggon um. Einige der Mitreisenden waren auf uns aufmerksam geworden und blickten verstohlen zu uns rüber. Meine Oma rettete diese für meine Mutti peinliche Situation in dem sie sagte. „Hubert meint die Bleisoldaten die er von Heinz geschenkt bekommen hat!“ Ein schallendes Gelächter der Mitreisenden die unsere Unterhaltung unfreiwillig mit angehört hatten war nun die Folge. „ Bist du jetzt aber still Hubert, die Bleisoldaten liegen ganz unten in meiner Tasche und ich kann sie dir erst zu hause geben!“ Sagte meine Mutti. Warum meine Frage nach den Bleisoldaten eine dermaßen große Heiterkeit damals und auch Heute da sie diese Erlebnisse bei unserer Nachhause fahrt noch einmal unseren Verwandten erzählte, konnte ich nicht verstehen. Na ja die Erwachsenen lachten nun mal über andere Dinge wie wir Kinder!
Kapitel 2
„Meine ersten anglerischen Erfahrungen“ Ich saß nun oft nach der Schule am oberen Rand des Steilufers und beobachtete Angler bei ihren Versuchen möglichst große Fische zu fangen und sie fingen auch ab und an Große, meist Karpfen oder Hechte. Vom Steilufer aus, konnte ich auch große Fischschwärme beobachten, die im Uferbereich auf ständiger Nahrungssuche wahren. Eines Tages, es war Anfang Juni, war ich mit meinem Freund Udo, dessen Eltern ein Haus unweit des Steilufers besaßen, beim Rumstreubern in der Grube. In der nähe eines Freiliegenden Kohlenstoßes, sahen wir einen Angler. Es war der von uns Kindern bewunderte, zu dieser Zeit erfolgreichste Angler Zscherndorfs, Heinz Gehre. Dieser Angler, der leider früh starb, kannte sich wie kein zweiter an diesem Gewässer aus. Als er uns wahrnahm ermahnte er uns ruhig zu sein. Wir könnten ihm jedoch helfen, indem wir ihm die Richtung des Fischschwarmes anzeigten, es waren Döbel die er an diesem Tag angeln wollte. Das taten wir dann natürlich auch, denn es machte uns ja riesigen Spaß. Wir entdeckten auch kurze Zeit später einen Schwarm von ca. 15 Döbel. Wir gaben Herrn Gehre die Richtung und die von uns eingeschätzte Entfernung vom Ufer an. Er warf seine Angel, die keine Pose, kein Blei, sondern nur mit einem Haken der Größe 6, an dem eine Glaskirsche ( Sauerkirsche) befestigt war, genau auf die von uns gezeigte Stelle. Es dauerte auch kaum eine Minute bis der erste Biss erfolgte. Herr Gehre schlug kräftig an und landete nach einem kurzen Drill den ersten Döbel. Er hatte etwa eine Länge von 60 cm und ein Gewicht von etwa 5 Pfund. Danach ging es Schlag auf Schlag und innerhalb einer Stunde hatte er 6 von diesen Kapitalen Döbel gelandet. Er schenkte uns zum Dank für unsere Hilfe einen dieser Döbel. Udo nahm ihn mit nach Hause und seine Mutter nahm ihn aus, teilte ihn in Filetstücke und briet ihn. Ich bekam auch ein großes Stück ab, doch mein Geschmack ist der Döbel nicht, erstens hat er sehr viele Gräten und Zweitens schmeckt sein Fleisch auch nicht besonders. Der Döbel ist zwar ein guter Sportfisch, als Speisefisch möchte ich ihn nicht weiter empfehlen aber vielleicht ist das nur Geschmacksache und er hat auch seine Liebhaber, ich jedenfalls zähle nicht zu diesen.
Natürlich sprach es sich im Ort schnell herum das H. Gehre am Kohlenstoß mehrere massige Döbel gefangen hat. Das Resultat war, das an diesem Nachmittag noch mehrere ortsansässige Angler auf Döbel um den Kohlenstoß angelten und auch noch ein paar fingen. Die eigentlich scheuen Döbel schienen an diesem Tag in eine regelrechte Fressorgie verfallen zu sein. Ich hingegen, der ich in späteren Jahren auch des Öfteren versuchte kapitale Döbel zu fangen, habe weniger Glück mit dieser Fischart. Ein paar Exemplare habe ich zwar auch gefangen, aber es waren meist Einzel lgänger und ihr Maß lag zwischen 30 – 40 cm, ich würde diese Heute als Zufallsfänge bezeichnen. An dem o.g. Tag schien alles anders zu sein. Die Döbel bissen auch auf andere Köder, wie Tauwürmer, Teig oder Süßkirschen, dass sie jedoch besonders gut auf Glaskirschen beißen, haben wir den anderen Anglern natürlich nicht verraten. Unsere anglerischen Aktivitäten mussten wir, da wir ja erst 6 Jahre alt waren und erst ab 12 Jahre in den Anglerverband eintreten durften, auf anderes Getier beschränken. In der Zscherndorfer Siedlung befand sich zu dieser Zeit ein Ton loch. Wir Kinder unternahmen hier unsere ersten Angelversuche. Aus diesem kleinen Gewässer, das in etwa die Maße 300 mal 20 m hatte, wurde ehemals Ton für die in Bitterfeld ansässige Tonfabrik abgebaut. Der Abbau schien sich aber nicht zu lohnen und man gab diesen Abbaustandort auf. Das Grund- und Regenwasser tat dann sein übriges und es entstand ein kleiner Teich mit einer Wassertiefe von etwa 3m. An der einen Uferseite dieses Teiches befand sich eine Trauerweide, deren Zweige bis ins Wasser hingen, dass war Udos und auch meine bevorzugte Angelstelle. Wir hatten diese Stelle aus verschiedenen Gründen ausgewählt, zum einen beobachteten wir hier wie Karauschen an den Blättern der Weide herum zupften und zum anderen war dies eine Stelle wo wir schnell verschwinden können, falls uns jemand bedrohte bzw. uns unsere bescheidenen Angelversuche nicht gönnte. Auf der gegenüberliegenden Seite befand sich ein kleiner Mischwald, es waren meist junge Pappeln. In diesem Wäldchen hatte sich ein Mann eine Behausung zusammengezimmert und wohnte dort mit mancherlei Getier u.a. mit Ziegen, Schafen, Hühnern und Karnickel Er führte hier aus welchen Gründen auch immer ein richtiges Einsiedlerleben. Wir bekamen ihn nur selten zu Gesicht und er machte mit seinen zerzausten Haaren, dem stets unrasierten Gesicht und seiner schäbigen Bekleidung nicht den besten Eindruck auf uns Kinder, deshalb gingen wir Ihm möglichst aus dem Weg. Doch immer ging das nicht, denn dieser Kauz war einer unserer vermeintlichen Feinde die uns nicht hier angeln lassen wollten. Über unser Angelgerät würden sich Kinder der heutigen Generation bestimmt kaputtlachen. Unsere Angelrute und sie verdient genau die Bezeichnung Rute, bestand aus einem etwa 1,5m langem Haselnusszweig. Da wir zu dieser Zeit auch noch keine Angelsehne hatten, nahmen wir weißen Zwirn und befestigten daran einen von einer Ente stammenden Federkiel mittels zweier Gummis als Schwimmer. Einen Angelhaken hatten wir auch nicht, statt dessen nahmen wir eine Sicherheitsnadel, deren Spitze wir etwas umbogen.
Als Köder dienten und das war wohl das einzige was man heute auch noch verwendet, kleine Regen- bzw. Rotwürmer. Unser Zielfisch waren natürlich die Karauschen die es hier in Hülle und Fülle gab, doch meist nur in kleinen Abmessungen, ca. 6 – 10 cm. Einen Unterfangkescher hatten wir uns auch gebaut, er bestand aus einem Stock von ca. 1m Länge, daran
befestigten wir ein dickes Stück Eisendraht, das wir vorher zu einer Öse mit einem Durchmesser von ca. 20 cm, bogen. Daran wurde ein alter Perlonstrumpf mittels dünnem Draht befestigt, der danach unterhalb bei einer Länge von ca. 30 cm verknotet wurde. Die Angel warfen wir kurz hinter den schmalen Schilfgürtel und in ca. 40cm Tiefe hofften wir die Karauschen zu fangen. Wir fingen natürlich auch welche, doch es war manchmal wie verhext, statt Karauschen hingen beim einholen der Angel, Stichlinge oder auch Kammmolche am Haken bzw. diese hatten den Wurm so Tief verschlungen, das wir sie aus dem Wasser heben konnten. Es waren schon possierliche Wesen die wir da so manches mal fingen. Der Kammmolche ist über fast ganz Europa verbreitet, er ist ein Schwanzlurch aus der Familie der Salamander und lebt vorwiegend im Wasser. Kammmolche sind mittelgroße Wassermolche (Männchen 12-16cm, Weibchen bis 18cm) mit dunkler Oberseite und weißlich granulierten Flanken. Die Unterseite ist orangerot mit Schwarzen Flecken. Vor ca. 50 Jahren, der Zeit aus der ich hier berichte, gab es noch sehr viele, von diesen possierlichen Wassermolchen. In heutiger Zeit, ist der Kammmolch in allen Verbreitungsländern in seinem Fortbestand
hochgradig gefährdet. Als Gefährdungsursachen sind hoher Fischbesatz, Gewässerverschmutzung, Zerstörung vieler Gewässer- und Landlebensräume zu nennen. Daraus resultiert das der Kammmolch heute einem EU-weiten strengen Schutz, geniest. Wir haben natürlich damals die von uns gefangenen Kammmolche vorsichtig wieder zurückgesetzt. Es kam aber auch vor, dass ein Mitschüler einen haben wollte, um sich ein kleines Aquarium anzulegen und hier den Molch zu beobachten. Wir gaben diese Molche jedoch nur dann weiter, wenn derjenige uns versprach, falls er ihn nicht mehr haben wollte, in das Ton loch zurückzusetzen. Ab und an kam es auch vor, dass wir eine größere Karausche fingen. Wir wetteiferten regelrecht, wer wohl eines Tages die größte fangen würde. In diesem individuellen Wettstreit hatte ich die Nase vorn, denn meine Größte brachte es immerhin auf eine Länge von 32 cm und Udos auf 28 cm. Das waren also Größen die schon für eine Mahlzeit ausreichten und die Karausche ist wirklich ein appetitlicher Fisch. Doch leider fängt man diese größeren Exemplare nicht jeden Tag. Meistens fingen wir Stichlinge, Molche oder Karauschen um die 8cm. Eines Tages kam dann der Zeitpunkt, wir waren nun ca. 8 Jahre alt und in der 3. Klasse, das wir keine Lust mehr auf dieses Angeln hatten. Statt dessen rückten andere Interessen bei uns in den Vordergrund. Wir verlagerten unsere außerschulischen Aktivitäten nun immer mehr auf die Grube „ Vergissmeinnicht“ bzw. wie sie auch genannt wurde, auf die Postgrube. Wir verbrachten von nun an unserer Freizeit, so oft es möglich war, bei älteren Anglern, um von diesen zu lernen. Da die meisten Angler aber lieber allein angelten und unsere Fragen als Belästigung auffassen bzw. es nicht duldeten das wir längere Zeit bei ihnen zuschauen durften, machten wir unsere Erfahrungen in respektvollen Abstand von ihnen. Udo hatte von seinen Eltern ein Opernglas bekommen, mit dem wir die Angler aber auch Fische die sich an der Oberfläche tummelten, beobachteten. Bei unseren Streifzügen um den See, lernten wir fast alle Angelstellen näher kennen, sahen wie, mit was, wie tief und zu welchen Tageszeiten die Angler den Fischen nachstellten.
Kapitel 3 „Der Seeteufel“
Eines Tages kam Udo auf die Idee, wir sollten uns ein Boot bauen, mit dem wir dann noch besser unsere Beobachtungen machen könnten. Ich war sofort Feuer und Flamme für diese Idee. Sein Vater wollte uns auch beim Bau des Bootes unterstützen bzw. er gestattete uns, dass wir für den Bau seine Werkstatt benutzen könnten und stellte auch in der Folgezeit Material zum Bootsbau zur Verfügung. Erst einmal machten wir uns Gedanken darüber was wir eigentlich bauen wollen, ein Holzruderboot währe das Ideale, doch von uns leider nicht realisierbar. Udos Vater erzählte uns von einem Faltboot, dass in Pouch hergestellt wird, er sicherte uns zu, dass er ein Prospekt von dieser Poucher Firma besorgen würde. Gesagt getan, ein paar Tage nach diesem Gespräch, hielten wir diesen Prospekt in unseren Händen. Uns gefiel dieses Boot auf anhieb S u p e r. Dieses Boot müssen wir haben bzw. dieses Boot werden wir nachbauen! Es ist ein Boot für 2 Personen, mit dem man auch segeln kann, hat eine Länge von ca. 3m und besteht aus einem Holzgestell, dass mit einer derben Leinen-Kunststoffbespannung versehen ist. Das Steuerruder wird mittels Seilzug vom Hintermann über Fußpedalen betätigt. Die nun folgenden Tage und Wochen, waren unsererseits von Emsigkeit geprägt. Erst entwarfen wir eine Maßstabgerechte Zeichnung, legten eine Materialliste an und überlegten, wo wir diese Bootsbaumaterialien günstig herbekommen könnten. In unserem Heimatort war ein Zimmermann ansässig, Herr Bobbig, diesen Herrn Bobbig, den wir Kinder auf Grund seines drolligen Aussehens, er sah aus wie ein etwas zu groß geratener Gartenzwerg, mit einer stets roten Knollennase und buschigen Augenbrauen, oft verspotteten. Er hatte auch einen Gesellen der aus unserem Nachbarort Ramsin stammte, er überragte seinen Meister um mehr als zwei Köpfe und war von sehr dünner Gestalt. Zusammen gesehen sahen sie aus wie Don Quichotte und sein Knecht Sancho Panza, die Helden aus dem Buch von Servantes das wir Kinder, neben der „Schatzinsel“, zu unseren Lieblingsbüchern, zählten. Mit Sprüchen wie „ Hallo Sancho wo ist dein Esel?“ Oder „ Don Quichotte wo ist deine Rosinante?“ Versuchten wir sie zu verspotten. Meister Bobbig war auch schnell aus seiner Ruhe zu bringen, indem er uns meist zu rief „ Rotzbengel lasst uns in Ruhe arbeiten!“ Oder „ wartet wir fangen euch und es gibt was hinten drauf!“ Doch fangen ließen wir uns natürlich nicht! Nun da wir aber etwas von ihm brauchten, war die Situation eine andere. Wir erzählten Udos Vater von unseren Streichen mit Herrn Bobbig. Das habt ihr nun davon!“ Sagte er, „ Ich glaube nicht das er euch nun so ohne weiteres helfen wird!" Da wir uns nicht allein hin trauten, versprach er uns jedoch, dass er beim ersten mal mit zu Herrn Bobbig kommen wird. Am nächsten Tag, nach der Schule und den erledigen unserer Schulaufgaben, gingen wir gemeinsam zu Herrn Bobbig. Kleinlaut versteckten wir uns hinter Udos Vater, doch Herr Bobbighatte uns sofort erkannt.
Tag der Veröffentlichung: 14.02.2009
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Widmung:
Gewidmet meinen Freunden und meiner Tochter Doreen!