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Ich bin eifersüchtig und könnte mich selbst dafür in den Hintern beissen. Denn die, bei denen ich´s bin, sind nicht schöner, nicht klüger, nicht einmal aufregender als ich. Das sind nur richtige Weiber, scheint mir. Also das, was ich nicht bin. Die geben Geld aus für Klamotten und Kosmetik und produzieren sich, sobald mein Mann in ihre Nähe kommt. Da werden sie witzig und auch so komisch anschmiegsam. Das heisst, komisch kann ich´s nicht finden, wenn er sich von solchen einwickeln lässt und hernach behauptet, ich solle mich nicht so aufregen, das sei doch alles bloss Spaß gewesen Und überhaupt wäre es affig, wie ich mich aufführe ...

Ich weiss nicht, wie ich mich aufführe. Nur, dass ich jedes Mal stinksauer bin. Ich könnte gar nicht sagen, warum genau.Denn mein Verstand erlaubt mir immerhin die Erkenntnis, dass keine von denen mir das Wasser reichen kann. So eine könnte für ihn nie das Gleiche sein wie ich. Aber das ist nur der Verstand, denn ich wage zu bezweifeln, dass er im Fall des Falles besonders intensiv nachdenken würde. Und also regen sich in mir die Zweifel.

Angefangen hat das ganz harmlos. Mit unseren neuen Freunden. Man wurde sich sympathischer, begrüsste sich mit Umarmung und Küsschen und irgendwann im Suff wurden dann ganz richtige Küsse daraus. Ich konnte ihm gar keine Vorwürfe machen, denn ich hatte ja nicht unschuldig daneben gestanden. Und hätte auch alles als harmlose Entgleisung abgetan, wären da nicht ihre Blicke gewesen. Die sagten: "Ich kann ihn haben" und triumphierten. Über mich. Vor meinem Mann, der von all dem nichts mit bekam.

Oder doch?

Es spielte keine Rolle, denn da war plötzlich die Angst: Ich stellte mir vor, wie es wäre, wenn er dieser oder manch anderer, die noch folgen mochte, aufsitzen würde. Und da kam der Gedanke: "Was wird dann aus mir?". Ich weiss, dass ich derlei vorher nie gedacht hatte. Da war immer die Zuversicht, dass es weiter gehen würde. Plötzlich war ich mir nicht mehr so sicher, ob es immernoch gehen würde, jetzt und hier. Ich ertappte mich dabei, wie ich - nie hatte ich derlei vorher getan - Berechnungen anstellte, w i e zurecht zu kommen sei. Und dabei zu der Schlussfolgerung kam, dass eben nicht zurecht zu kommen war.


Ich bin eifersüchtig und hege dabei sehr materialistische Gedanken. Ja, gut, auch mein Stolz, mein Selbstbewusstsein werden angekratzt, wenn ich meine, Grund zur Eifersucht zu haben. Aber vordergründig macht mir doch der Gedanke Angst, e r könnte mich verlassen. Wegen so einer!

Eine von denen, die ich als potentiell gefährlich einstufe, hat es neulich sogar zugegeben. So ganz allgemein. Dass sie hin und wieder allein fort geht, höchstens mit anderen Frauen (die anscheinend die gleichen Gründe haben), jedenfalls ohne ihren Mann. Um zu sehen, ob sie noch bei anderen Chancen hat. (Was gut zu wissen ist für den Fall, dass der Eigene abtrünnig wird. Aber das sagte sie nicht.)
Ich ahne schon, warum sie derlei nötig hat. Sie und etliche andere. Spätestens, seit ich erfuhr, dass sie ihren Mann schon aus dem Sandkasten kennt und niemals einen anderen hatte. Eine Sache, die ich mir nun gar nicht vorstellen kann. Und offenbar kein Einzelfall. Anscheinend ist der Drang, einen Versorger abzukriegen, hier auf dem Land viel grösser noch als anderswo. Da sichert man sich seinen Anteil lieber schon beizeiten, ehe alle vergeben sind und man dumm aus der Wäsche schaut.

Ganz unweigerlich kommt dann irgendwann die grosse Torschlusspanik, die zur grossen Unzufriedenheit wird. Wie auch soll frau wissen, dass sie den Besten abgekriegt hat, wenn sie nicht vergleichen kann? Da fangen die Weiber an zu keifen, weil sie meinen, irgend etwas versäumt zu haben.
Es stimmt, nie vorher sah ich so viele latent unzufriedene Frauen. Die meckern und nölen. Die suchen nach dem Glück, der Selbstverwirklichung und dem selig-machenden Knall, der ihnen einst in der Jugend versprochen wurde. Wieder gefunden haben sie sich im täglichen Einerlei zwischen Waschmaschine, Windeleimer und dem Mann, der abends nicht schon wieder das Gleiche essen will wie letzte Woche. (War das wirklich erst letzte Woche?) Die Zeit ist ein Brei, der zäh dahin fliesst und seine Spuren zurück lässt. Spuren, die im Fall des Falles verhindern, dass sich ein anderer findet, der an die Stelle des Verlorenen tritt.
So testet frau gelegentlich den eigenen Wiederverkaufswert.

Welten scheinen mich von diesen Frauen zu trennen. So wenigstens komme ich mir vor. Denn sie betrachten mich, die ich bislang nicht im Entferntesten Ambitionen dieser Art habe, ebenso erstaunt wie ich sie. (Erst langsam komme ich dahinter, dass es ein durchaus existentielles Problem sein kann, zwei Kinder aber keinen Mann zu haben.)

Sie können´s nicht fassen, dass der Gedanke an einen Männerstriptease mein Herz nicht genauso hoch schlagen lässt wie das ihre. Ich schummele mich möglichst um solche Veranstaltungen herum. Schon weil ich weiss, dass ich nie mit der gleichen Begeisterung wie sie solcherart Schaustellungen beiwohnen könnte. (So schön auch finde ich sie nicht, die Herren, die sich allein nur zu dem Zweck ausziehen, gesehen zu werden. Kostenpflichtig, versteht sich.Man(n) muss ja leben. Wenn´s nur darum geht, kann ich´s mir sparen. Das macht mir weder mehr Appetit auf den eigenen, den ich so oder so liebe, noch erregt es mich sonst irgendwie. Halt ein Mann, der anscheinend nichts anderes gelernt hat. Und aus dieser Sicht bestimmt keine Empfehlung, weil ich mehr auf die mit Köpfchen stehe. Und was diese Muskelberge angeht, die man an so einem Mann allenfalls bewundern kann - naja, wem´s gefällt. Ich jedenfalls leide nicht unter der Zwangsvorstellung, dass Männer so aussehen müssen, um wirklich welche zu sein.)
Ich hab´genug von dieser Sorte gesehen, angezogen und ohne was, so dass mein etwaiger Bedarf seit langem schon gedeckt ist.

Die anderen Frauen offenbar nicht. Die gieren nach jedem prallen Männerarsch (Ich weiss bis heute nicht, welche Kriterien da anzusetzen sind. Meistens sieht man die Ärsche ja ohnedies nicht. Sie tragen ja doch Hosen.) und auch nach dem, was die Hose sonst noch füllt, bestaunen - wenn sich´s lohnt - auch mal ein schönes Männergesicht. (Was ich noch am ehesten verstehen kann., denn der meine ist nicht der einzige schöne Mann auf der Welt. Und ausserdem hat das nichts mit einem womöglichen Tatendrang in dieser Richtung zu tun, sondern ist eine Frage der Ästhetik; ich bewundere ja auch schöne Frauen.)
Nicht einmal vor Typen wie Schwarzenegger oder denen mit den Goldkettchen machen die Halt. Es macht den Eindruck, als wäre ihnen alles Recht, wenn´s nur nicht der eigene ist, den man zwar nicht ständig (denn er ist die Sicherheit), aber doch wenigstens hin und wieder mal ganz gerne los hätte. Um endlich einmal den eigenen Neigungen nachgehen zu können.

Wenn´s keinen Spass macht, kann man so einen ja hinterher gleich ´rausschmeissen (was man mit dem eigenen, sei er noch so langweilig oder ungeschickt, nie machen könnte).
Sie wollen bestätigt bekommen, dass sie noch nicht zu alt sind, denn ihr Leben ist schon heute nicht anders als das ihrer Eltern. Altes Ehepaar in alten Gleisen. Jedes Tun hat seine Zeit, ist im Voraus absehbar.
Sie glauben tatsächlich, sie könnten diesem Einerlei entrinnen, indem sie Bestätigung bei anderen suchen und vielleicht auch finden. Kopfkino. (Ich könnte ihnen ja sagen, dass sie nichts versäumt haben. Vorausgesetzt jedenfalls, dass sie so leidlich zufrieden mit den eigenen Männern sind. Sie wachsen nicht eben auf den Bäumen, die Männer, mit denen die Sache mehr Spass macht als üblicherweise. Noch weniger, da sie höchstwahrscheinlich die Falschen ab bekämen. Die nämlich, die in gleicher Weise aus sind auf ein aussereheliches Abenteuer, um hernach mit Stolz im Herzen heim zu ihrem Frauchen zu gehen, wo sie sich - ganz nach Veranlagung - einen Kaffee kochen oder den Nacken massieren lassen. Weil sie´s ja auch nicht mehr gewöhnt sind, sich nur für einen Orgasmus die halbe Nacht um die Ohren zu schlagen.)

Und am Ende alles nur Theorie. Es reicht ihnen, sich an der eigenen Entschlossenheit zu weiden. Daran, dass sie´s - bei günstiger Gelegenheit - tun könnten, würden, vielleicht im letzten Moment darauf verzichteten. Weil´s ihnen ja eigentlich reicht, zu wissen, dass es sie noch gibt, solche, die Interesse hätten.

Unter diesem Aspekt ist meine Eifersucht umso unverständlicher. Ich sollte mir sagen, dass sie im Grunde ihrer Seele den gleichen Schiss haben wie ich. Vor materiellen, sexuellen und Seelennöten. Denn - mögen sie sein wie auch immer, ihre Ehemänner - sie sind immerhin da, worauf man sich bei einem anderen, gegebenenfalls, nicht allzu sehr verlassen sollte.

Und dennoch bin ich eifersüchtig. Weil mein Mann so tut, als seien all meine diesbezüglichen Ängste so vollkommen aus der Luft gegriffen. (Das macht er immer, wenn sie das nicht sind. Dann steht, sitzt, liegt er da und stellt mich hin, als litte ich unter Verfolgungswahn, versucht mir zu beweisen, dass diese anderen mir das Wasser nie und nimmer reichen könnten. Und eben weil er sich so müht, werde ich immer skeptischer. Denn wenige Stunden zuvor - solche Szenen finden ja stets erst nachher statt - schien es ihm ganz gut zu tun, wie sie ihn umschwirrten. Da machte er nicht den Eindruck, als fände er die Damen dumm, langweilig oder unattraktiv.) Ich finde es unnatürlich, wie er sich in solchen Situationen aufregt. (Ein gutes Gewissen ist ein sanftes Ruhekissen!) Denn schliesslich müsste er, wäre mein Ärger so völlig unsinnig, nur einfach loslachen.

Stattdessen argumentiert er mit einer Scharfsinnigkeit, die mir allzu gut vorbereitet scheint, und endet jedes Mal damit, dass er mich nie verlassen würde. (Ich habe nicht vergessen, dass er mir in einer schwachen Stunde anvertraute, dass er sich - sollte es so weit kommen - nie und nimmer von einer EX finanziell ausnehmen liesse. - Warum denkt so ein bodenlos treuer Mann über derlei nach?)

Also bleibe ich auch weiterhin eifersüchtig. Mit dem Resultat wenigstens, dass sie ihm keinen Spass mehr machen, diese feucht-fröhlichen Zusammenkünfte, bei denen man früher oder später immer auf schlüpfrigem Parkett landet; unweigerlich kommt man immer wieder dahin. Die Frauen trinken mehr, als gut für sie ist. (Ich trinke mehr, als gut für mich ist.) Und dann beginnen sie mit diesen Anspielungen, fassen ihn allzu vertraulich an, legen sich in seinen Arm, nötigen ihm Küsse auf (die er nicht ungern erwidert) und sind also voll in ihrem Element. (Auch ich wäre gern voll in meinem Element, aber ich sehe keinen, der die Mühe lohnen würde. Ich bin schon so lange mit meinem Mann zusammen, weil sich etwas anderes einfach nicht lohnt.)

Mir wäre wohler, wenn er ähnlich denken würde. Weil er´s aber offenichtlich nicht tut, bin ich gezwungen, mir Gedanken darüber zu machen, wie es bei mir weiter ginge. Ich, allein mit den beiden Kindern. Jede Mark müsste ich in der Hand herum drehen. (Er wird mir fehlen und sein Geld ebenso.) Und am Ende müsste ich feststellen, dass das alles mich nicht weiter bringt. Weil alles, was ich täte und hätte, stets zu wenig wäre.

Ich bin eifersüchtig und das aus gutem Grund. Irgendwann, fürchte ich, könnte es bei ihm mehr als nur Spass sein. Und deswegen hoffe ich, dass die anderen Frauen mindestens genauso weit denken und nicht wegen ihrer Scheiss-Selbstbestätigung all ihre Sicherheit auf´s Spiel setzen. Ich würd´s ihnen ja sagen (aber sie fragen mich nicht), dass er ganz sicher gern seinen Spass mit ihnen hätte. Aber mehr wäre nicht drin.

Und wenn ich mich irre?


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Tag der Veröffentlichung: 27.06.2008

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