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...nach draußen schauen, so früh am Morgen, nichts anderes sehen als Grau in Grau und der eigenen Befindlichkeit nachspüren. Schlechtes Wetter muß nicht schlechte Laune sein, aber auch nicht unbedingt gute.
In der Psychologie nennen sie es ambivalent

. Ja, ich bin heute ambivalent. Durchaus positiv gestimmt mit dem Blick auf ein sohnloses Wochenende, obwohl er eigentlich da sein sollte, denn ich bin dieses Wochenende dran

. Aber frau hat sich dran gewöhnt und muß gestehen, daß sie sich an den Wochenenden mit Sohn eigentlich ein bißchen in ihren Abläufen gestört fühlt.

Ist man allein, deckt man keinen Frühstückstisch. Jedenfalls nicht ich. Man nimmt zunächst geistiges Frühstück am PC zu sich. Kommentare auf die eigenen Einträge, die zuweilen etwas von Dessert haben. Sie schmecken süß. Der Tag könnte gut werden. Wenn man ihn denn in Angriff nähme und nicht noch ein bißchen vor sich herschöbe. Nebenan auf dem Bildschirm das Alpenpanorama, das ich vor wenigen Jahren noch tödlich langweilig fand. Wer sieht sich so was an?
Ich, ein paar Jahre später, jetzt. So gehen sie hin. Ich sehe ebenso viel Trübsinn wie vor meinen eigenen Fenstern und denke an die Schreiberin, die übers Älterwerden schrieb: Symptom Eins. Ich sehe mir Tierreportagen an. Das hätte ich nie von mir gedacht.

Tierreportagen sehe ich schon länger, ohne Schlimmes dabei zu denken. Und das Alpenpanorama ... nunja, ich sehe ja nicht wirklich hin. Es ist das Hintergrundbild zum Videotext, den ich lese, um ein Alibi zu haben. Man könnte eine Idee für einen Eintrag kriegen. Und man kann den Tag noch ein bißchen vor sich hin schieben. Eine Zigarette rauchen, noch eine, den flauschigen Bademantel anziehen, bis die Heizung hochgefahren ist.

Auf dem Weg in die Küche über dieses Telefonat neulich nachdenken. Der Gesprächspartner erkannte zwar, daß man aus Thüringen kommt, hat aber dann doch schlechtes Sächsisch imitiert. Warum machen Leute das? Ich meine, mit einem Schwaben würde ich auch nie schwäbisch reden wollen. Nicht nur, weil ich´s nicht gut kann und das weiß (thüringisches Schwäbisch halt - wie mag das klingen? Vermutlich ebenso blöd wie schlechtes sächsisches Thüringisch.), sondern auch, weil so was für mich Verarsche ist: Hör mal, wie du dich anhörst! (Na, jedenfalls nicht so scheiße, wie du da sprichst. Obwohl ich meinen AB ungern selbst bespreche. Da klinge ich wie meine Schwester und ganz bestimmt nicht hochdeutsch.)

Derweil ist das Spiegelei in der Pfanne. Kräutersalz, Curry und noch dies und das. Kein Problem, daß es beim Umlagern auf den Teller zerläuft. Man hätte es sowieso angestochen und will auch keinen Kochwettbewerb gewinnen. Noch später drei häßliche Eigelbkleckse auf dem weißen Bademantel. Vielleicht hätte man doch am Tisch essen sollen? Aber Spiegelei und Alpenpanorama allein ist zu öde. So alt ist man dann doch noch nicht. Und in der Waschmaschine ist ja genug Platz, wenn da nur die eigene Wäsche ist.

Man sollte den Tag nun endlich anfangen und nicht nach der nächsten (diesmal Verdauungs-) Zigarette greifen. Man sollte einkaufen gehen. (Warum schon jetzt? Der Laden hat auch in sechs Stunden noch auf. Und sowieso gings am letzten Wochenende auch ohne. Was braucht man schon, wenn man allein ist? Die Tabakdose immerhin ist voll. Und irgendwo da oben im Schrank liegt auch noch Fertigteig für Brot. Frau ist gerüstet, wenn irgendwelche Infernos kommen, noch zwei Tage länger auf das Ende zu warten.)

Und sowieso: Wer will schon raus in diesen Wetterdreck? Nicht Fisch, nicht Fleisch. Mit einem halben Meter Schnee könnte ich leben. Der macht es wenigstens hell, wenn´s schon von oben dunkel ist. Hier drinnen ist´s nett und gemütlich. Hier in meinem Kuschelbademantel. (Wenn ich mich so hinsetze wie jetzt, dann sieht man nicht mal die Eigelbflecke.) Hier drinnen in mir. Ich. Am Samstag.

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Texte: erphschwester
Tag der Veröffentlichung: 06.06.2008

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